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    Plenarprotokoll 13/30 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 30. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 29. März 1995 Inhalt: Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1995 (Haushaltsgesetz 1995) (Drucksachen 13/50, 13/414) Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern (Drucksachen 13/506, 13/527) in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung (Drucksachen 13/524, 13/527) in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung (Drucksachen 13/525, 13/527) Uta Titze-Stecher SPD 2131 D Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . 2136A Uta Titze-Stecher SPD 2136C Günter Graf (Friesoythe) SPD . . . 2137A Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2138D Ina Albowitz F.D.P. 2140C Ulla Jelpke PDS 2143C Manfred Kanther, Bundesminister BMI 2145A Dr. Winfried Wolf PDS . 2147B Otto Schily SPD . . . . . . . . . 2148A Erwin Marschewski CDU/CSU 2150 B Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . . . . 2151 D Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz (Drucksachen 13/507, 13/527) in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht (Drucksache 13/527) Gunter Weißgerber SPD 2153 D Manfred Kolbe CDU/CSU 2156 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2158A Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 2159C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2159D Uta Titze-Stecher SPD . . . . . . . 2160 B Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 2161 B Dr. Susanne Tiemann CDU/CSU . . . 2162B Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 2164 A Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 2166B Norbert Geis CDU/CSU 2167 B Hermann Bachmaier SPD 2167 D Otto Schily SPD 2168 B Einzelplan 11 Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Drucksachen 13/511, 13/527) Dr. Konstanze Wegner SPD 2169 B Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU 2172 C Uta Titze-Stecher SPD 2174 A Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2174D Dr. Gisela Babel F.D.P 2175B, 2192D Ina Albowitz F.D.P. 2178A Dr. Heidi Knake-Werner PDS 2179D Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 2181 D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2182C Dr. Gisela Babel F.D.P 2184D Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 2186A Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 2187C Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . 2189C Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 2190A Ottmar Schreiner SPD 2190 B Volker Kauder CDU/CSU 2191 A Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . . 2194A Horst Seehofer CDU/CSU 2195A Jürgen W. Möllemann F.D.P. 2196D Heiner Geißler CDU/CSU . . . . . . . 2197 C Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (Drucksachen 13/522, 13/527) Dieter Schanz SPD 2200 D Steffen Kampeter CDU/CSU 2204 C Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2206B Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 2207 C Dr. Ludwig Elm PDS 2209 A Christian Lenzer CDU/CSU 2210B Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF . . . . . . . . . . . . . . . 2211 C Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Drucksachen 13/517, 13/527) Siegrun Klemmer SPD . . . . 2215A Peter Jacoby CDU/CSU . . . . . . . . 2219B Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . 2221 A Heinz Lanfermann F.D.P 2222 B Heidemarie Lüth PDS 2223 D Claudia Nolte, Bundesministerin BMFSFJ 2224 C Christel Hanewinckel SPD 2226 A Maria Eichhorn CDU/CSU 2227 C Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit (Drucksachen 13/515, 13/527) Gerhard Rübenkönig SPD . . . . . . 2228 D Roland Sauer (Stuttgart) CDU/CSU . . . 2232B Uta Titze-Stecher SPD 2232 C Kristin Heyne BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2234 D Dr. Dieter Thomae F.D.P 2236B Dr. Ruth Fuchs PDS 2237 C Horst Seehofer, Bundesminister BMG 2238 C, 2243 C Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2239 A Klaus Kirschner SPD 2239 D Klaus Kirschner SPD . . . . . . . . 2243 A Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Drucksachen 13/516, 13/527) Eckart Kuhlwein SPD 2244 A Arnulf Kriedner CDU/CSU 2247 A Kristin Heyne BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2249 A Steffen Kampeter CDU/CSU 2250C Birgit Homburger FD P. 2250D Rolf Köhne PDS 2253 A Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . 2253D Ulrike Mehl SPD 2256 A Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU . . . . . . . . . . . . . . . 2257 C Uta Titze-Stecher SPD 2258 B Einzelplan 25 Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Drucksachen 13/521, 13/527) Dr, Rolf Niese SPD 2259C Herbert Frankenhauser CDU/CSU . . 2262D Dieter Pützhofen CDU/CSU 2263 B Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 2265 C Jürgen Koppelin F.D.P 2267 A Klaus-Jürgen Warnick PDS 2268 C Gert Willner CDU/CSU 2269 B Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 2271 A Einzelplan 12 Bundesministerium für Verkehr (Drucksachen 13/512, 13/527) Hans Georg Wagner SPD 2274 B Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2278B, 2280 C Bartholomäus Kalb CDU/CSU 2279 B Rainder Steenblock BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . 2281D Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . 2283 B Dr. Dionys Jobst CDU/CSU 2283 D Horst Friedrich F.D.P. . . . . . .. . 2284 B Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . . 2285 C Matthias Wissmann, Bundesminister BMV 2287B Einzelplan 13 Bundesministerium für Post und Telekommunikation (Drucksachen 13/513, 13/527) Hans Martin Bury SPD 2289 D Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein CDU/CSU 2294 C Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2296C Jürgen Koppelin F.D.P 2298 A Gerhard Jüttemann PDS 2299 B Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 2300C Einzelplan 10 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksachen 13/510, 13/527) Ilse Janz SPD 2302D Bartholomäus Kalb CDU/CSU 2307 B Ulrike Höfken-Deipenbrock BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 2309 C Dr. Günther Maleuda PDS . . . . 2310 D Meinolf Michels CDU/CSU 2311D Jochen Borchert, Bundesminister BML 2313A Erweiterung der Tagesordnung 2315A Zusatztagesordnungspunkt: Beratung des Antrages der PDS: Einladung von Repräsentanten aller Länder, die Opfer des von Nazi-Deutschland ausgegangenen Aggressionskrieges wurden (Drucksache 13/965) . . 2315 A Nächste Sitzung 2315 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 2317* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 22 (Haushaltsgesetz 1995 - Einzelplan 12 - Bundesministerium für Verkehr) Dr. Dagmar Enkelmann PDS 2317* A Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 23 (Haushaltsgesetz 1995 - Einzelplan 13 - Bundesministerium für Post und Telekommunikation) Elmar Müller (Kirchheim) CDU/CSU , 2318* A Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 24 (Haushaltsgesetz 1995 - Einzelplan 10 - Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten) Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . 2319* C 30. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 29. März 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 29. 03. 95 Büttner (Ingolstadt), SPD 29. 03. 95 Hans Büttner (Schönebeck), CDU/CSU 29. 03. 95 Hartmut Gansel, Norbert SPD 29. 03. 95 Dr. Hartenstein, Liesel SPD 29. 03. 95 Heym, Stefan PDS 29. 03. 95 Meißner, Herbert SPD 29. 03. 95 Tippach, Steffen PDS 29. 03. 95 Vergin, Siegfried SPD 29. 03. 95 Welt, Jochen SPD 29. 03. 95 Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 22 (Haushaltsgesetz 1995 - Einzelplan 12 - Bundesministerium für Verkehr) Dr. Dagmar Enkelmann (PDS): „Die Völker erwarten von uns, daß wir die notwendigen Beschlüsse fassen, um sie vor drohendem Schaden zu bewahren", so wird Umweltministerin Merkel aus ihrer Eröffnungsrede der Klimakonferenz zitiert. Wenn ich mir einerseits solch beschwörende Reden anhöre und andererseits die nackten Tatsachen dieses Haushalts betrachte, kann ich mich nur wundern. Wo, bitte schön, sind denn die „notwendigen Beschlüsse", die eine Klimakatastrophe vielleicht noch abwenden könnten? Ist das vielleicht der Beschluß, die Mittel für Investitionen in die Schiene um mehr als eine halbe Milliarde DM zu kürzen und die vorgesehenen Kürzungen für Straßenbauinvestitionen wieder um 350 Millionen DM zurückzunehmen? Ist damit vielleicht der Beschluß gemeint, in diesem Land, das ohnehin über eines der dichtesten Straßennetze der Welt verfügt, jährlich über 8 Milliarden DM in Straßen zu investieren? Die Glaubwürdigkeit dieser Bundesregierung ist wirklich keinen Pfifferling mehr wert. Sie heften sich den Rückgang der CO2-Emissionen stolz als Erfolg Ihrer Reduktionsbemühungen an die Brust und verschweigen dabei, daß der verzeichnete Rückgang nur auf die Deindustrialisierung in den neuen Län- Anlagen zum Stenographischen Bericht dem zurückzuführen ist. Im Westen stieg nämlich der Kohlendioxid-Ausstoß um 3 %, im Verkehrssektor - hören Sie gut zu, Herr Wissmann - sogar um 17 % zwischen 1987 und 1992. Ihr Haushalt ist ein Klimakiller-Haushalt und ein sicherer Garant dafür, daß diese Steigerungsraten auf weitere Jahre festgeschrieben werden. Erforderlich wäre wohl eine Umweltverträglichkeitsprüfung für Ihren gesamten Haushalt. Mit dieser Zielrichtung müßte dann auch der Bundesverkehrswegeplan revidiert werden. Ein erster Schritt wäre ein Ausbaustopp für Bundesfernstraßen in den alten Bundesländern. Konnte man bisher darauf hoffen, daß das, was Studien und Appelle nicht vermochten, nämlich weiteres durch Straßenneubau induziertes Verkehrswachstum zu verhindern, dann letztlich durch leere Kassen des Bundes bedingt wurde, so gilt auch das seit neuestem nicht mehr. Die Bundesregierung läßt sich den Straßenneubau privat vorfinanzieren und baut so einen weiteren Schattenhaushalt auf. Um auf dem Papier einen Anstieg der Neuverschuldung zu vermeiden, verschwendet die Bundesregierung zig Millionen DM. Das Konzessionsmodell ist nämlich gegenüber einer Haushaltsfinanzierung schlicht und einfach unwirtschaftlich. Die Projekte verteuern sich durch die Einschaltung privater Geldgeber um 30 bis 40 %, da der Staat für die hohen Refinanzierungskosten der privaten Projektträger aufkommen muß. Nun sagen Sie, es handelt sich bei den Projekten, für die jetzt Verpflichtungsermächtigungen ausgebracht sind, ja nur um Pilotprojekte. Sie wollen testen, wie sich die private Vorfinanzierung gesamtwirtschaftlich auswirkt. Das ist doch lächerlich. Können Sie mir einen Grund nennen, warum die Berechnungen des Bundesrechnungshofes nicht ausreichend sein sollten, um das zu belegen, was heute ohnehin schon jedes Kind weiß: Der Kauf auf Raten kommt teurer. Der Bundesrechnungshof hat berechnet, daß eine private Vorfinanzierung beim Engelberg-Tunnel z. B. rund 8 Millionen und bei der vierten Elbtunnel-Röhre sogar mehr als 23 Millionen DM teurer würde. Das sollte eigentlich ausreichen, um jeden verantwortlich denkenden Menschen von solch abenteuerlichen Finanzierungsmodellen abzubringen. Auch das Argument, Sie kaufen damit Zeit ein, ist an den Haaren herbeigezogen. Der öffentliche Haushalt kann jederzeit Kredite für Investitionen in unbegrenzter Höhe aufnehmen. Wenn Sie das täten, müßten Sie allerdings den Bürgerinnen und Bürgern die Wahrheit darüber sagen, wie verschuldet diese Bundesregierung tatsächlich ist. Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit aber scheuen Sie wie der Teufel das Weihwasser. So lügen Sie sich, vor allem aber den Bürgerinnen und Bürgern in die Taschen und bauen weiter an der betonierten Republik Deutschland. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 23 (Haushaltsgesetz 1995 - Einzelplan 13 - Bundesministerium für Post und Telekommunikation) Elmar Müller (Kirchheim) (CDU/CSU): Die Aufgabe, die wir uns mit der Postreform II gestellt haben, war es, das Überleben der Postunternehmen auf Dauer zu sichern und gleichzeitig Leben in den Kommunikationsmarkt zu bringen. Meine Kollegen und ich wissen, daß wir uns hier auf einer schwierigen Gratwanderung befinden. So scheint es mir bezeichnend, daß es in der CSU Herrn Stoiber deutlich zu langsam mit dem Wegfall der Telekommonopole geht, wogegen Herr Waigel, aus Sorge um eine zu starke Belastung der Telekom AG, zur Zurückhaltung mahnt. Die F.D.P. macht es sich da viel leichter. Sie fordert den Fortfall der Monopole und verheimlicht ihrer Klientel einfach, daß sie dem Gesetz selbst zugestimmt hat, mit dem der Telekom AG bis zum 1. Januar 1998 das Netz- und Sprachdienstmonopol übertragen wurde. Unzuständigkeitshalber, aber wortreich kann Herr Rexrodt als Bundeswirtschaftsminister dann genau das anmahnen, was der Bundespostminister gerade erarbeitet und Anfang dieser Woche veröffentlicht hat, nämlich die Eckpunkte des zukünftigen Regulierungsrahmens im Telekommunikationsbereich. Die SPD tut sich wie gewohnt schwer. Die einen fürchten mit einem schrittweise wachsenden Wettbewerb um den Börsenwert der Deutschen Telekom AG und unterschätzen offensichtlich die Intelligenz der Anleger. Wer kauft schon gerne einen Monopolisten im Sack, der 1998 plötzlich nackt vor den Anlegern steht, weil man ihm in einem Rutsch die schützende Monopoldecke weggezogen hat. Die anderen in der SPD setzen zwar auf die im Wettbewerb neu entstehenden zukunftssicheren Beschäftigungsmöglichkeiten, entpuppen sich aber allzu schnell als Pseudoliberale, deren Presseerklärungen mit Vorsicht zu genießen sind. Für sehr begrüßenswert halte ich das erste konkrete Papier der SPD zur Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes, so wie es als Presseerklärung am letzten Wochenende abgesetzt worden ist. Allerdings erscheint die plakative Kritik an dem Entwurf eines Eckpunktepapiers des Ministers eher grotesk, da man offensichtlich weder den vollständigen Inhalt kannte noch bereit war, zwei Tage bis zur Vorlage des Eckpunktepapiers zu warten. Einer seriösen und der Sache angemessenen Auseinandersetzung scheint es mir nicht dienlich, sich mit „bekanntgewordenen Vorstellungen" eines Entwurfs statt mit dem Papier selbst auseinanderzusetzen. Wer die Papiere sorgfältig studiert, wird feststellen, daß wir nicht weit auseinanderliegen, und es sollte uns gelingen, mit vernünftigen Argumenten Dissenspunkte abzubauen und schnellstmöglich zu einer tragfähigen Lösung zu gelangen. Wir haben in unserem Positionspapier ganz deutlich festgestellt, daß bis zum Jahre 1998 der Telekom AG die Möglichkeit eingeräumt werden muß, sich geordnet auf den Wettbewerbsmarkt einzurichten. Dies entspricht unserer Überzeugung, da eine finanziell angeschlagene Deutsche Telekom AG weder der deutschen Wirtschaft in ihrer Gesamtheit dienen würde noch im Hinblick auf den zukünftigen Börsengang und den Finanzplatz Deutschland hinnehmbar wäre. Es kann auch keine Rede davon sein, daß die Telekom übermäßig einseitig belastet werden soll. Aber, um es klar und deutlich zu sagen: Wir werden hier einen Markt und einen fairen Wettbewerb erst schaffen müssen. Die Warnung der SPD vor einer übermäßigen asymmetrischen Belastung der Telekom AG scheint konsensfähig zu sein. Wir sollten uns doch einig sein, daß das fünftgrößte deutsche Unternehmen mit einem Umsatz von fast 70 Milliarden D-Mark und dem einzigen flächendeckenden Kommunikationsnetz eine andere Infrastrukturverantwortung tragen muß als etwa kleine mittelständische Anbieter zukünftiger Telefondienstleistungen. Gerade hier kommen doch regional beschränkte oder sogar anwendungsbezogen innovative Dienste in Betracht. Es gibt unzählige technische Anwendungsmöglichkeiten, die nur für kleine Benutzergruppen Sinn machen. Der Markt wird sofort versuchen, die jeweils erforderlichen Techniken den Kunden zur Verfügung zu stellen. Vielen Anwendungen im Multimediabereich, wie z. B. Homeshopping, kommt gerade außerhalb der Ballungsräume große Bedeutung zu. Pauschale Ausbauverpflichtungen würden mittelständische Unternehmen völlig überfordern und auch gar keinen Sinn machen, da nur Megakonsortien derartige Investitionen aufbringen könnten. Hunderte kleine zusammenwachsende Inseln decken die Bedürfnisse der Bürger aber sicher besser ab, als auf wenige Großunternehmen zu setzen. Wir wollen nicht Flächendeckung als Auflage für alle. Wir wollen Flächendeckung durch alle! Das bedeutet, Insellösungen ja, und zwar so schnell und so viele wie möglich. Wie können Sie denn, Herr Bury, von einer Schieflage unseres Wettbewerbsmodells sprechen, wenn wir Unternehmen mit vielleicht einigen Dutzend Beschäftigten nicht mit den gleichen Infrastrukturauflagen belasten wollen wie die Deutsche Telekom mit über einer Viertelmillion Mitarbeitern? Sie fordern Chancengleichheit und gleichzeitig Infrastrukturauflagen bereits bei unter 25 % Marktanteil. Ab wieviel Prozent, Herr Bury, gedenken Sie denn bei Ihrer Art Chancengleichheit kleine Anbieter genauso zu behandeln wie den fünftgrößten Telekommunikationskonzern der Welt? Für kritisch und undurchführbar halte ich die Forderung der SPD nach Bereitstellung einer breitbandigen Infrastruktur für alle Bürger, und das, wie der Vorsitzende des Postausschusses, der Kollege Börnsen, gefordert hat, innerhalb etwa 5 Jahren. Dies geht jedoch völlig an den Realitäten vorbei und wäre nicht einmal, und dies weiß die SPD ganz genau, vom bisherigen Monopolunternehmen Telekom zu leisten, geschweige denn zu finanzieren. Bei rund 37 Millionen Wohnungen liegt der Versorgungsgrad etwa beim Breitbandkabelnetz der Telekom nach nunmehr 12 Jahren bei immerhin 62 %. Nach 5 Jahren waren gerade einmal 3 Millionen Wohnungen angeschlossen. Kein Mensch - ja nicht einmal Politiker - hätte von der Telekom jemals gefordert, den bevorzugten Ausbau von Ballungsgebieten zu stoppen und statt dessen ländliche Regionen zu erschließen. Zu Recht hat sich die Telekom auf Ballungsräume konzentriert, und selbst hier warf ihr der Bundesrechungshof noch das „planlose Verlegen von Fernsehkabeln" vor. Wir brauchen uns doch, lieber Herr Börnsen, nicht tatsächlich über die Versorgung mit Kabelfernsehen auf dem Lande zu unterhalten, wenn sich heute nach 12 Jahren Breitbandkabelausbau die Bundesbürger in unzähligen Stadtrand-Lagen darüber beschweren, daß die Telekom zu einem weiteren Ausbau aus Rentabilitätsgründen nicht mehr bereit ist. Jeder kennt doch die Klagen abseits gelegener Dörfer aus seinem Wahlkreis. Und hier betreiben nicht etwa die privaten Anbieter „Rosinenpicken", sondern die Telekom. Sie allein bestimmt nach Rentabilitätsgesichtspunkten sogenannte Ausbaugebiete, in denen die privaten Kabelnetzbetreiber nicht tätig werden durften. Dennoch haben die Privaten in den vergangenen Jahren bis heute rund 3,5 Millionen Wohneinheiten über Breitbandkabelnetz mit Fernseh- und Hörfunkprogrammen in den für die Telekom unrentablen Gebieten versorgt. Der von der SPD immer wieder bemühte Infrastrukturauftrag wird, wenn man hierunter also die Versorgung der weniger lukrativen Bereiche in Deutschland versteht, ganz eindeutig von den über 300, häufig mittelständischen Wettbewerbern mit Leben erfüllt. Wenn wir dann auch noch auf neue alte Kampfbegriffe wie der „Zwei-Klassen-Informationsgesellschaft" verzichten, wird es uns eher gelingen, dem gerecht zu werden, was sowohl Bürger wie Wirtschaft von uns fordern, nämlich bereits in den nächsten Monaten die wesentlichen politischen Entscheidungen zu treffen, die einen möglichst raschen Ausbau einer zukunftsweisenden deutschen Telekommunikationsinfrastruktur ermöglichen. Wer allerdings bereits vor der Veröffentlichung des Eckpunktepapiers des Ministers und ohne ein einziges Gespräch abzuwarten mit der notwendigen Zustimmung der SPD im Bundesrat droht, wie der Kollege Bury dies meinte tun zu müssen, der scheint unter dem ständigen Gefühl zu leiden, ohne massive Drohungen nicht ernstgenommen zu werden. Die vorgelegten Papiere sollten zur politischen Diskussion einladen. Sie dienen nicht als Plattform für Profilierungsversuche einzelner Politiker. Wir suchen konsensfähige Lösungen. Ich glaube, es ist jetzt an der Zeit, über die Papiere zu sprechen und offen zu diskutieren. Drohungen sind da sicherlich wenig hilfreich. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 24 (Haushaltsgesetz 1995 - Einzelplan 10 - Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten) Jürgen Koppelin (F.D.P.): Die Haushaltskonsolidierung konnte auch vor dem Einzelplan 10 des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nicht haltmachen. Doch dabei haben wir als F.D.P. die wesentlichen agrarpolitischen Ziele nicht vernachlässigt. Mein Kollege Günther Bredehorn hat schon einmal hier sehr richtig festgestellt: „Sparzwänge können auch etwas Positives haben. Sie zwingen zur Prioritätensetzung. " Das geschieht beim Einzelplan 10. Politische Herausforderung der nächsten Jahre bleibt die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft. Die Landwirte und ihre Familien müssen auch weiterhin die Chance erhalten, ihren eigenen, individuellen Weg bei der Bewirtschaftung ihrer Betriebe zu gehen. Zusätzliche Freiräume zur Steigerung der Produktivität und Effizienz sind dabei notwendig. Den nachwachsenden Rohstoffen gilt dabei unser besonderes Interesse. Ihr Anbau kann zukunftsweisend sein. Die Mittel, die wir hier den Landwirten zur Verfügung stellen, sind ein Beitrag zur Umwelt. Völlig überrascht habe ich bei den Berichterstattergesprächen zur Kenntnis nehmen müssen, daß die GRÜNEN eine Reduzierung der Haushaltsmittel in diesem Bereich wollten. Hier zeigt sich die Ernsthaftigkeit „grüner" Politik. Mit der Anhebung des förderfähigen Investitionsvolumens im Rahmen der einzelbetrieblichen Investitionsförderung auf 100 Millionen DM machen wir den Weg frei für eine zukunftsweisende Agrarpolitik. Mit den Komplementärmitteln der Länder stehen damit 170 Millionen DM mehr zur Verfügung. Aber die Herausbildung effizienter Betriebsstrukturen - und die sind notwendig, um langfristig den Sonderstatus der Landwirtschaft im nationalen und internationalen Wirtschaftsgefüge abzubauen - kann nicht allein über die Stärkung der landwirtschaftlichen Erwerbsmöglichkeiten erfolgen. Ein zweites wirtschaftliches Standbein muß aufgebaut werden. Die F.D.P. plädiert daher für eine stärkere Gewerbe- und Dienstleistungsorientierung des landwirtschaftlichen Unternehmertums. Erste und erfolgreiche Schritte sind bereits von den Landwirten gemacht worden. Die Steigerung des Direktabsatzes landwirtschaftlicher Produkte ist nur ein Beispiel unter vielen. Hier zeigen sich die Stärken der deutschen Landwirtschaft: hohes Qualitätsniveau auf der Basis guter natürlicher Bedingungen kombiniert mit Anbindung an die Verbraucher. Diese Kombination kann zu einer weiteren, soliden Erwerbsquelle für die Landwirte werden. Allerdings, wenn wir das von Minister Seehofer vorgelegte Geflügelfleischhygiene-Gesetz beschließen würden, wäre das ein erheblicher Rückschlag für die Bemühungen um die Direktvermarktung. Der ländliche Raum bietet sich als Wirtschaftsbasis für Unternehmertätigkeit geradezu an. Für kreative Landwirte, bei denen Selbständigkeit und Gesamtverantwortung Tradition haben, ist er eine ideale Grundlage. Sie sollten ihn verstärkt zum eigenverantwortlichen Handeln nutzen. Nicht der staatliche Prämienempfänger, sondern nur der im Wettbewerb fit gemachte Unternehmer ist in der Lage, sich gegen die inner- und außereuropäische Konkurrenz durchzusetzen. Der Landwirt als Dienstleister im ländlichen Raum - ein Ziel liberaler Landwirtschaftspolitik, das von uns allen weiter verfolgt werden sollte. Davon profitieren nicht nur die Landwirte und ihre Familien. Deshalb gilt unser uneingeschränktes Ja den Strukturverbesserungen. Beim Küstenschutz hätte die F.D.P. gern mehr gemacht. Aber die zuständigen Länderminister haben die Latte der Anforderungen zu hoch gelegt. Die überzogenen Umweltanforderungen beim Küstenschutz in den norddeutschen Ländern sind inzwischen völlig inakzeptabel; die Effizienz der Hilfestellung ist damit nicht mehr sichergestellt. Nicht nur innerhalb des Agrarsektors sind strukturverbessernde Maßnahmen notwendig, sondern auch bei Hilfen für die Schaffung alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten, in anderen Unternehmensformen und auch außerhalb der Landwirtschaft. Soviel ist heute schon sicher: Die derzeitigen Haushaltsbelastungen im Agrarbereich sind zu hoch und unter den gegebenen wirtschaftlichen Verhältnissen und Umwälzungsprozessen innerhalb Europas auf Dauer nicht vertretbar. In der Agrarsozialpolitik sind in der letzten Legislaturperiode die entscheidenden Weichen gestellt worden. In den Jahren 1995 bis 1997 wird die Bundesregierung 1 Milliarde DM bereitstellen. Ein Betrag, mit dem die eigenständige soziale Sicherung der Bäuerin eingeführt werden kann. Das Agrarsozialreformgesetz ist bei den Betroffenen überwiegend positiv aufgenommen worden. Daß Kritik geübt wird, ist normal. Wir werden Einwände gegenüber einzelnen Bestimmungen des Agrarsozialgesetzes prüfen. Erste Gespräche sind in der F.D.P. bereits dazu geführt worden. Wichtig war uns, daß mit der Agrarsozialreform erreicht wird, daß rund 230 000 Bäuerinnen endlich eine eigene Alterssicherung und Schutz bei Erwerbsunfähigkeit erhalten, der Explosion der Beiträge zur Altershilfe ein Riegel vorgeschoben wird. Das gesamte System der agrarsozialen Absicherung ist finanziell stabilisiert worden. Besonders freuen dürfte sich darüber sicher unser Freund Josef Ertl, der einst die neue Agrarsozialpolitik einleitete. Von dieser Stelle auch nachträglich herzliche Glückwünsche an Josef Ertl zum 70. Geburtstag. Die Landwirtschaft befindet sich inmitten eines schwierigen Anpassungsprozesses. Der Haushalt trägt dem durchaus Rechnung. Die Vergabe staatlicher Mittel bietet gerade in Zeiten knapper Kassen die Chance, den notwendigen Entwicklungsprozeß zu flankieren und Effizienzsteigerungen sowie Strukturanpassungen zu beschleunigen. Dauersubventionen und Regulierungen müssen abgebaut werden, neue Subventionsfelder vermieden werden. Denn heute geht es mehr denn je darum, der unternehmerischen Landwirtschaft eine Bresche zu schlagen. Nur mit ihr ist eine Stärkung der Landwirtschaft langfristig möglich und auf Dauer erfolgreich.
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    Rede von Dieter Schanz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich meine, es besteht Einvernehmen darüber, wenn ich sage: Es ist wahr, daß eine große Industrienation, die nicht über ausreichende Bodenschätze

    Dieter Schanz
    verfügt, wenn sie ökonomisch und ökologisch überleben will, wenn sie sich weiterentwickeln will, andere Ressourcen mobilisieren muß. Darüber ist heute zu reden. Der Bundeskanzler hat das nach zwölf Jahren politischer Verantwortung erkannt. Donnerwetter, kann man da sagen. Aber es ist dennoch zu begrüßen, daß er es erkannt hat. Aus diesem Grunde hat er seinem Kabinett einen Zukunftsminister verordnet

    (Karl Diller [SPD]: Und was für einen!)

    und ihm als Handlungsinstrumentarium die Verantwortung für Bildung, Wissenschaft und Innovation übertragen.
    Herr Bundesminister Rüttgers, ich wünsche Ihnen auch im Namen meiner Fraktion Erfolg bei Ihren Bemühungen, diese Aufgabe zu erledigen.

    (Karl Diller [SPD]: Er sitzt aber in der allerletzten Reihe!)

    Ob Sie allerdings in dieser Koalition oder in diesem Kabinett eine Zukunft haben,

    (Karl Diller [SPD]: Nein!)

    das wird sich zeigen. Ich habe große Zweifel, und darüber lassen Sie uns streiten. Sie können sich aber darauf verlassen, daß Sie dort, wo Sie vernünftige Entscheidungen treffen, die im Kontext unserer bildungs- und technologiepolitischen Vorstellungen liegen, unserer Unterstützung sicher sein können.
    Wenn der Bundeshaushalt das Schicksalsbuch der Nation ist, so sind Forschung und Technologie, Innovation und Entwicklung neuer Produkte, sind Bildung und Wissenschaft und qualifizierte Ausbildung die grundlegenden Voraussetzungen für die Weiterentwicklung des Forschungs- und Bildungsstandortes Deutschland.

    (Beifall bei der SPD)

    Dies sind auch die Voraussetzungen für wirtschaftliche und soziale Stabilität in unserem Lande.

    (Beifall bei der SPD)

    Deshalb, verehrte Kolleginnen und Kollegen, müssen wir alle zusammen Erfolg haben und recht schnell die richtigen Signale setzen und die richtigen Entscheidungen treffen.
    Nun ist aber die Vorlage eines Haushaltes auch die Stunde der Wahrheit. Herr Bundesminister, ich hätte Ihnen einen besseren Start gewünscht. Ich stelle aber fest: Die Koalition läßt den hochgepriesenen Zukunftsminister im Regen stehen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Der Gesamtansatz des Einzelplans 30, des sogenannten Zukunftsressorts, ist mehr als mager. Die Steigerung des Mittelansatzes ist, rechnet man die Pläne der beiden alten Ministerien zusammen, verschwindend gering. Zumeist handelt es sich lediglich um Tarifanpassungen und nicht etwa um Anschubfinanzierungen im innovativen Bereich. Also Stagnation
    statt Bewegung, nicht mehr als Schall und Rauch. Dies nehmen wir, die wir am Wohlergehen der deutschen Wirtschaft und an einer guten Beschäftigungslage, die ja notwendiger denn je ist, ein vitales Interesse haben, aus sozialer Verantwortung nicht hin.
    Vergleiche zwischen dem Ist des Vorjahreshaushaltes und dem Sollansatz für 1995 sind unzulässig; denn auf das Ist wirken nicht nur die Sparauflagen des Bundesfinanzministers nach der Parlamentsentscheidung über das Haushaltsgesetz, sondern auch hausinterne Entscheidungen über einzelne Projekte ein. Ein Beispiel: Wenn im Umweltforschungsbereich im Jahre 1994 Antragsteller abgewiesen wurden und das Haushalts-Ist deshalb entsprechend geringer ausfiel, so ist ein Vergleich mit dem Haushalts-Soll für 1995 hausgemacht. Hier werden wieder einmal Äpfel mit Birnen verglichen.

    (Doris Odendahl [SPD]: Das ist Absicht!)

    Somit sind auch auf dieser Basis errechnete Steigerungen, mit denen eine haushaltspolitische Priorität zugunsten von Bildung und Innovation begründet werden soll, unzutreffend. Sie dienen dazu, dem Parlament Sand in die Augen zu streuen.

    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das rechne ich euch gleich noch einmal vor!)

    Dies wurde in den vergangenen Tagen immer wieder insbesondere von meiner Kollegin Bulmahn zu Recht thematisiert und kritisiert.

    (Beifall bei der SPD)

    Wie Minister Rüttgers nun mit einer solchen Mittelausstattung dem Anspruch gerecht werden soll, in seinem Zukunftsministerium die Weichen für die innovative Entwicklung in Deutschland zu stellen, erscheint mir rätselhaft; zumindest wird es aber sehr schwierig sein.
    Herr Minister, Sie haben unsere volle Unterstützung, wenn Sie sich intensiv bemühen, die deutsche Industrie mit ins Boot von Forschung und Technik zu nehmen. Es ist - da stimme ich Ihnen mit Bezug auf Ihre Veröffentlichungen zu - unerträglich, wenn sich große deutsche Unternehmen erlauben, ihre Forschungsetats zu halbieren bzw. zu reduzieren.

    (Beifall bei der SPD Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Vor allem bei den mitbestimmten Unternehmen!)

    Diese Unternehmen, die nur darauf hoffen, daß der Staat und die Steuerzahler für die Finanzierung der Zukunftsfragen herangezogen werden, müssen von uns, dem Parlament, eine klare Sprache hören. Ich fordere Sie auf, die Möglichkeiten, die Sie haben, zu nutzen; denn dieses Land braucht Innovation und qualifizierte Ausbildung. Die Zukunft des Industriestandortes Deutschland hängt davon ab.

    (Beifall bei der SPD)

    Es ist wirklich beschämend, wenn nur das deutsche Randwerk - was ich hier lobend erwähnen will -

    Dieter Schanz
    bereit ist, zusätzliche Ausbildungsplätze nicht nur in den neuen Ländern zur Verfügung zu stellen. Wenn sich Großbetriebe, wie es vorhin auch Herr Blüm kritisiert hat, aus der sozialen Verantwortung, aus den Bemühungen um Vollbeschäftigung und Weiterbeschäftigung und jetzt auch aus der Ausbildung verabschieden, dann führt das in ein Chaos.
    Herr Rüttgers, machen Sie auch Ihrem Kollegen Rexrodt - er ist jetzt schon wieder verschwunden - an diesem Beispiel deutlich, wie viele internationale Marktchancen die Bundesrepublik Deutschland verliert, wenn sie den bereits erworbenen Forschungsvorteil, beispielsweise bei der Solarenergie, im Vergleich zu anderen Industrienationen, wie Japan und den Vereinigten Staaten, aber auch anderen, verliert und wenn sie zusieht, wie der große Konkurrent Japan in den Schwellenländern, beispielsweise in Indonesien und Saudi-Arabien - aber nicht nur dort -, heute schon mit diesen Produkten präsent ist und über kluge und geschickte Markteinführungsstrategien imstande und auf dem Wege ist, die Zukunftsmärkte auch auf diesem Sektor zu erobern. Wenn wir hier erfolgreich sein wollen, muß der Staat - das kann er sicherlich nicht allein tun - im Benehmen mit den Unternehmen, die auf diesem Gebiete arbeiten, tätig werden.
    Wir sollten ebenfalls daran denken, daß eine Energieversorgung in einem ökologisch notwendigen Maß Auswirkungen auf die Lösung der Energieprobleme der Dritten Welt haben könnte.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie müssen nicht zwangsläufig die Fehler wiederholen, die wir gemacht haben, und allein auf die Produktion von Energie durch Energieträger setzen. Wir haben jetzt die Chance, den Ländern der Dritten Welt mit einer entsprechenden Entwicklungsstrategie zu helfen.
    Meine Damen und Herren, betrachtet man den Einzelplan 30, so ist durchgängig festzustellen, daß gerade dort, wo ein enormer Mittelanstieg erforderlich wäre, wie z. B. bei der Förderung von überbetrieblichen Ausbildungsstätten und -maßnahmen, bei der Qualifizierung von Ausbildungspersonal, in den neuen Bundesländern, bei der Förderung der angewandten Forschung und Entwicklung an Fachhochschulen, bei der Klima- und Ökologieforschung, bei der Forschung und dem Einsatz erneuerbarer Energien, entweder eine Stagnation oder sogar eine Kürzung zu verzeichnen ist. Ich begrüße aber dennoch, daß die Koalition im Haushaltsausschuß bereit war, den Mittelansatz für überbetriebliche Ausbildungsstätten in den neuen Ländern entsprechend zu erhöhen. Ich habe das im Ausschuß begrüßt. Ich finde es gut und sage auch, weshalb.
    Gerade in den neuen Ländern, wo ein großer Aufhol- und Nachholbedarf an Qualifizierung ist - nicht nur im Bereich der Ausbilder, sondern auch bei den Auszubildenden -, ist eine solche Einrichtung von überbetrieblichen Ausbildungsstätten dringend ge-
    boten. Ich meine, wir sollten uns darauf verständigen, auch im nächsten Jahr hier nicht zu kürzen, sondern dafür zu sorgen, daß wir die Ausbildung dort weiterhin fördern.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Für mich steht fest, daß Qualifizierung und technologischer Fortschritt für den Produktionsstandort Deutschland von großer Bedeutung sind. Dann müssen aber auch die, die immer von ihrer eigenen Verantwortlichkeit reden, aber nicht danach handeln, bereit sein, jetzt zusätzliche Lasten zu übernehmen. Wer beispielsweise bei der Umwelt- und Sicherheitstechnik die Nase vorn hat, wird die Märkte von morgen erobern und so für sozialen Fortschritt und Arbeitsplatzsicherung sorgen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wer immer nur dann handelt, wenn er durch staatliche Rahmengesetzgebung verpflichtet wird, könnte zu spät kommen.
    Die gleichen, die das duale System, das sich ja nun wirklich bewährt hat, weltweit feiern, es gerade wie eine Monstranz vor sich hertragen, lassen es, wie erkennbar wird, verkommen. Mein Verständnis von einem sozialen System ist, daß der Staat eine qualifizierte, schulisch-berufliche Ausbildung garantiert und die Ausbildenden, die Unternehmen und die Betriebe, eine sachgerechte und fortschrittsorientierte betriebliche Ausbildung anbieten. Daß das nicht mehr gewährleistet ist, pfeifen die Spatzen von den Dächern. Es geht aber zu Lasten der jungen Generation, die eine Zukunftsperspektive braucht.
    Deshalb Herr Minister, handeln Sie auf diesem Wege konsequent. Sie bekommen unsere Unterstützung, aber Sie werden auch Verständnis dafür haben müssen, daß wir Sie kritisieren, wenn aus dem Reden kein Handeln wird.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Nun hat der Bundeskanzler, wie von den Sozialdemokraten schon seit langem gefordert, einen Technologierat berufen. Der Technologierat soll zukunftsorientierte Handlungsoptionen entwickeln sowie Chancen, Risiken und Rahmenbedingungen für wichtige Innovationsfelder besprechen. Es geht also um technischen Fortschritt.
    Der Kanzler hat eingeladen und seinen Zukunftsminister Rüttgers und den Wirtschaftsminister Rexrodt beauftragt, zum Thema Informationsgesellschaft eine Projektgruppe einzurichten. Daß dabei die Schaffung eines neuen Propagandainstruments für vermeintliche innovative Politik des Kabinetts Kohl erfolgen würde, lag nicht in der Absicht der Sozialdemokraten, als wir vor zwei Jahren eine solche Projektgruppe gefordert haben.
    Ich habe Zweifel, ob im Rahmen dieses Gremiums die notwendigen Leitlinien für den Aufbruch in die Zukunft entwickelt werden. Offenbar geht es wiederum nur darum, Themen öffentlichkeitswirksam zu

    Dieter Schanz
    besetzen und sie dann gegebenenfalls auszusitzen. Gesellschaftliche Interessengegensätze und Konflikte über zukünftige Strategien sollen propagandistisch übertüncht und wegdiskutiert werden. Eine Lösung unserer brennenden Wirtschaftsfragen und gesellschaftlicher Aufgaben ist auf diese Weise nicht zu erzielen.
    Herr Minister, in diesen Rahmen paßt Ihre Absicht, jungen Technologieunternehmen Unterstützung zu gewähren. Ich befürchte, daß Sie einen neuen Subventionstopf zur Verfügung stellen, mit allen damit verbundenen Negativeffekten. Ich fordere Sie daher im Namen meiner Fraktion dringend auf, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, daß von vornherein feststeht, daß Subventionsempfänger auch bereit sein müssen, Eigenkapital in entsprechender Höhe einzusetzen. Wir fordern Sie auf, durch Abbau gesetzlicher Hemmnisse und bürokratischer Hürden sowie durch steuerliche Anreize privates Risikokapital zu mobilisieren. Die SPD bietet an, diesen Weg durch konstruktive Vorschläge - lesen Sie bitte hierzu einmal unsere schon lange vorliegenden Papiere zur Gestaltung einer ökologischen Marktwirtschaft - mitzugestalten, damit die Bundesrepublik Deutschland im Technologiebereich nicht weiter zurückfällt. Dies ist an so kleinen Signalen wie dem Rückgang der angemeldeten Patente im Verhältnis zu anderen Industrienationen deutlich abzulesen.
    Der sogenannte Zukunftsminister ist aufgefordert, sehr schnell und konsequent zu handeln. Wir werden unsere Unterstützung nicht verweigern. Wir haben, wie ich schon gesagt habe, aus arbeitsmarktpolitischen Gründen ein großes Interesse am Überleben, an der Entwicklung des Produktionsstandortes Bundesrepublik Deutschland.
    Ich fordere Sie dringend auf, meine Damen und Herren von der Koalition, unsere Kritik nicht leichtfertig zu ignorieren. Sie schaden damit nicht in erster Linie den Sozialdemokraten, sondern den Fundamenten unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems und damit dem deutschen Volk. Ich fordere Sie auf, unser positives Angebot ernst zu nehmen.
    Ich fasse zusammen: Wir brauchen eine Bildungs- und Technologieoffensive. Innovation, technischer Fortschritt und Qualifikation sind der Schlüssel für die künftige Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft.

    (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Sehr richtig!)

    Hierbei wollen wir mithelfen. Der Staat kann und muß hier wichtige Impulse geben. Deshalb ist die Stagnation im Etat des Einzelplans 30 das falsche Signal. Diese Bereiche sind deutlich zu stärken.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Unsere Anträge, die Sie im Haushaltsausschuß abgelehnt haben, stellen wir heute noch einmal zur Debatte. Sie haben die Chance, hier und heute auf diesem Wege mit uns gemeinsam nach vorne zu gehen.
    Andernfalls - und bitte nehmen Sie mir dies nicht übel - kann ich Ihre Reden über Zukunftsaufgaben nicht mehr ernst nehmen und halte sie schlicht für Sonntagsreden.

    (Beifall bei der SPD)

    Meinen Sie es mit den diversen Ausführungen im Rahmen der Standortdebatte, die ja von Herrn Rexrodt immer besonders angeführt werden, wirklich ernst, so bin ich sicher, daß Sie Ihr Abstimmungsverhalten zugunsten unserer Anträge ändern müssen. Den Hinweis auf eine enge Finanzdecke, bezogen auf den Einzelplan 30, lassen wir nicht gelten.
    Der Bundeskanzler und die Koalition haben es zugelassen, daß durch die sogenannten Wilms- und Riesenhuber-Dellen der Anteil für Forschung und Bildung am Gesamtetat seit 1982 ständig zurückgegangen ist. Im Jahre 1982 betrug der Anteil des Forschungs- und Bildungsetats zusammengerechnet 4,67 %. 1995 sind es gerade einmal 3,3 %.

    (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Kurzsichtig!)

    Eine Fortschreibung des von mir erwähnten Anteils am Gesamthaushalt, bezogen auf 1982, könnte für 1995 ein Plus von rund 7 Milliarden DM bedeuten.

    (Beifall des Abg. Horst Kubatschka [SPD])

    Zwingend notwendig sind der Aufbau eines attraktiven und qualifizierten Ausbildungssystems in den neuen Ländern und eine bedarfsgerechte Weiterbildungsinfrastruktur sowie der Wiederaufbau einer leistungsfähigen Wissenschafts- und Forschungslandschaft in den neuen Ländern. Dies muß einen hohen Stellenwert haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Verwendung öffentlicher Investitions- und sonstiger Fördermittel in den Bereichen Wirtschafts-, Technologie-, Wissenschafts- und Infrastrukturförderung muß effizienter gestaltet werden. Dazu sind die Fördermittel aus den verschiedenen Bundesressourcen programm- und projektgerecht zusammenzufassen und mit Länderfördermaßnahmen abzustimmen. Nur so wird es gelingen, die Chancen zu nutzen, die durch neue Märkte in der Umwelttechnik, in der Informationstechnik und ihren Dienstleistungen, in der Biotechnologie, bei neuen Materialien und einer ressourcensparenden neuen Produktionstechnik ebenso wie bei der Humangestaltung der Arbeitswelt und der Nutzung des steigenden Qualifikationspotentials der Erwerbsbevölkerung entstehen können.
    Im Zusammenwirken von Bund und Ländern ist dafür Sorge zu tragen, daß die Qualität des Berufsbildungssystems durch Ausbau und Modernisierung der beruflichen Bildungsstätten sowie entsprechende Gestaltung der Ausbildungsgänge weiter verbessert wird.
    Die Effizienz der Hochschulen ist ebenfalls zu verbessern. Der langfristige Qualifikationsbedarf und die Lernbereitschaft der jungen Menschen, aber auch der Erwachsenen machen es notwendig, den

    Dieter Schanz
    Ausbau und die Modernisierung der Hochschulen und die Ausweitung der Weiterbildung zum vollwertigen vierten Bildungsbereich mit Nachdruck voranzutreiben.
    Der Hochschulbau, insbesondere zugunsten der Fachhochschulen mit der Möglichkeit der verbesserten Kooperation von Fachhochschule und Betrieb, ist in einem Umfang zu fördern, wie er vom Wissenschaftsrat als fachlich notwendig eingeschätzt wird.
    Die Hochschulsonderprogramme sind zusammenzufassen, auszuweiten und zu verstetigen. Sie müssen gezielter als bisher auf den Abbau von Engpässen in überlasteten Fächern und Fachbereichen, die Modernisierung der Hochschuleinrichtungen in den neuen Ländern, die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und die Verbesserung von Studium und Lehre ausgerichtet werden. Hierzu gehört auch der Erhalt der geisteswissenschaftlichen Zentren,

    (Beifall bei der SPD)

    die Förderung von Innovationskollegs und die wissenschaftliche Integration in den neuen Ländern.
    Für die notwendige zügige Verabschiedung der vorliegenden Gesetzentwürfe des Bundesrates und der SPD-Bundestagsfraktion zu einer 17. BAföG-Novelle ist es erforderlich, daß die Bundesregierung endlich auch bei diesem Thema ihre Blockadehaltung aufgibt.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ganz kurz einige Anmerkungen zu vorliegenden Anträgen machen. Den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Bereich Hochschulsonderprogramm müssen wir deshalb ablehnen, weil er nicht sachgerecht ist; denn die Möglichkeit, daß aus diesem Programm der Forschungsreaktor München II gefördert wird, ist zwar gegeben, gilt aber erst für den Haushalt 1996. Ich erkläre für meine Fraktion, daß wir im nächsten Jahr sehr genau darauf achten werden, wenn das anstehen sollte. Die Unterlagen liegen uns vor.

    (Beifall bei der SPD)

    Ihr zweiter Antrag enthält eine kleine Falle. Ich verstehe nicht, Herr Fischer und Frau Hermenau, daß Sie den Forschungsanteil für den Bereich der thermischen Abfallverwertung verweigern. Es ist doch nicht verkehrt, wenn in einer Industriegesellschaft, die nun wirklich hochgiftige Abfälle entsorgen muß, geforscht wird, ob und in welcher Form man das auch thermisch machen kann. Von daher verstehen wir Ihren Antrag nicht. Wir müssen ihn deshalb ablehnen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist richtig!)

    Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Wir Berichterstatter zum Einzelplan 30 sind in diesem Falle alles Neulinge gewesen. Aber ich denke, im nächsten Jahr werden wir anders auftreten und kräftiger zuschlagen als diesmal.

    (Heiterkeit)

    Der Kollege Kampeter wird das sicherlich genauso tun wollen wie ich.
    Danke schön.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Hans-Ulrich Klose
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Kollege Steffen Kampeter (CDU/CSU).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Steffen Kampeter


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann Sie beruhigen: Wir wollen keinesfalls zuschlagen, weder im Einzelplan 30 noch in anderen Bereichen, sondern wir wollen sinnvoll gestalten und überprüfen, ob dieser oder jener Titel vernünftig verwendet wird. Das ist der Gestaltungsauftrag, den die Koalition auch beim Einzelplan 30 hat.
    Ernst Jünger, der große Philosoph und Wissenschaftsfreund

    (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    der heute seinen 100. Geburtstag feiert, ist ein begeisterter Insektensammler. Es wäre sicherlich reizvoll und auch interessant, seine etwas über 90 Jahre alte, naturwissenschaftlich höchst relevante Sammlung hier einmal Revue passieren zu lassen und mit dem Erfahrungsschatz dieser Person zu überprüfen, ob das, was wir im Einzelplan 30 heute unter Forschungsförderung betreiben, auch in 100 Jahren noch Bestand haben wird.
    Aber wir müssen uns heute auf die harten Fakten konzentrieren, und die besagen nun, daß wir Ihnen den Einzelplan 30 nach langen und intensiven Beratungen mit einem Plafond von 15,5 Milliarden DM in der Höhe nahezu unverändert zur Beschlußfassung vorlegen. Angesichts des Umstandes, daß wir im Gesamtetat Ausgaben in Höhe von 6,4 Milliarden DM eingespart haben, ist der gleichbleibende Ausgabenanteil ein politischer Erfolg für die Zukunftsgestaltung durch diese Bundesregierung.

    (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: So gehen Sie mit der Zukunft um!)

    Insbesondere im Bereich Forschung und Technologie ist sogar ein Zuwachs festzustellen, der weit über dem Durchschnitt liegt, nämlich bei rund 2,6 %. Trotzdem haben die Koalitionsfraktionen diese Haushaltsberatungen dazu genutzt, um im Rahmen des Machbaren Umschichtungen vorzunehmen und politische Akzente deutlich zu machen.

    (Zuruf von der SPD: Erbärmlich!)

    Damit wird die Zusage des Bundeskanzlers, auch im Haushaltsplan 1995 außerordentlich viel für die Zukunft zu investieren, mit dem Beratungsergebnis für den Einzelplan 30 eingehalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Gestaltungsauftrag hier lautete nicht so sehr, kurzfristige Sparaktionen durchzuführen, sondern es sollten mittelfristig die notwendigen Synergien mobilisiert werden, die durch die Zusammenlegung der beiden Häuser erreichbar waren. Dies ist insbeson-

    Steffen Kampeter
    dere im Personalbereich sehr gut gelungen. Es war der Erfolg der Haushälter, 80 weitere Stellen „kw" zu stellen. Es wird schon eine besondere Leistung dieses Zukunftsministeriums sein, im Laufe der nächsten Jahre insgesamt 140 Stellen - das sind mehr als 10 % des Personalbestandes - kegelgerecht abzubauen. Es war bei unseren Haushaltsberatungen ein Anliegen, daß dieser „Verschlankungseffekt" im Zukunftsministerium, den wir auch bei unseren Partnern in Wirtschaft und Wissenschaft erwarten, insoweit flexibel gestaltet ist, als dem Minister auch für interne Umsetzungen noch hinreichend viel Gestaltungsspielraum bleibt.
    Trotz oder gerade wegen der Mobilisierung von Synergien auch im sächlichen Bereich und trotz der schwierigen Haushaltslage hat die Koalition im Einzelplan 30 eine Reihe von wichtigen politischen Akzenten setzen können. Obwohl es in der Öffentlichkeit hohe Erwartungen gab, ist es der Koalition, so glaube ich, gelungen, mit dem Einzelplan die von ihr gesetzte hohe Hürde zu überspringen. Wer hier von Fehlstart spricht, macht deutlich, daß er sich mit der Thematik nicht beschäftigt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU Zuruf von der SPD: Das ist ein Irrglaube!)

    Wir leisten mit einem Zuwachs von 120 Millionen DM beim Hochschulbau und einem Bundesanteil von insgesamt 1,8 Milliarden DM den bisher höchsten Investitionsbeitrag in diesem Sektor. Insbesondere die Sonderprogramme im Hochschulbereich gewährleisten den Aufbau der wissenschaftlichen Strukturen in den neuen Bundesländern. Von einem großen Rückstand kann hier kaum mehr gesprochen werden.
    Im Bereich der überbetrieblichen Ausbildungsstätten haben wir im Rahmen der Haushaltsberatungen die Investitionsmittel noch einmal um 20 Millionen DM erhöht. Das ist gerade ein wichtiges Signal für den handwerklichen Mittelstand und außerordentlich positiv zu bewerten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Dank der F.D.P.!)

    Es war ein Anliegen der Berichterstatter der Koalition, den Haushaltsansatz bei den regenerativen Energien auszubauen.
    Darüber hinaus begrüßen wir es ausdrücklich, daß durch die sparsame und solide Haushaltsführung im Zukunftsministerium die von Minister Rüttgers angekündigte moderate BAföG-Erhöhung aus den bestehenden Haushaltstiteln finanziert werden kann.
    Der Haushalt 1995 verstärkt darüber hinaus die Bemühungen im Bereich der Vorsorgeforschung, d. h. neue Aufgaben in der Gesundheits- und Umweltforschung werden im Rahmen des Programms „Gesundheit 2000" und anderen Titeln zusätzlich finanziert. Wir leisten somit einen Beitrag dazu, daß insbesondere der rasch wachsende Markt für Biotechnologie nicht an den deutschen Unternehmen vorbeigeht.
    Auch andere Schlüsseltechnologien des
    21. Jahrhunderts werden im Etat des Zukunftsministeriums akzentuiert, beispielsweise die Informationstechnologie und die Fertigungstechnik, die Materialforschung und die zukunftsorientierte Verkehrstechnologieforschung.
    An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich begrüßen - auch wenn die Antragslage gelegentlich etwas anderes andeutet -, daß sich einige Mitglieder der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion im Rahmen der Haushaltsausschußberatungen ausdrücklich für das Transrapid-Projekt und die dafür im Etat verankerten Mittel ausgesprochen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Dies ist insbesondere deswegen wichtig, weil die Bundesrepublik als Anbieter von technologischen Spitzenleistungen nur dann auf dem internationalen Markt bestehen wird - wie dies der Kollege Schanz gefordert hat -, wenn wir diese Technologien im Inland anwenden. Dies gilt für den Transrapid, aber ebenso auch für die Energietechnologien einschließlich der Kernenergie. Deswegen halten wir an Maßnahmen wie beispielsweise dem Forschungsreaktor in Garching mit voller inhaltlicher Überzeugung fest.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ferner möchte ich betonen, daß das Zeitalter der Ideologien auch in anderen Bereichen beendet zu sein scheint. Beispielsweise bei der Raumfahrtforschung, aber auch in anderen Bereichen waren die Verhandlungen mit den übrigen Mitberichterstattern außerordentlich konstruktiv, auch wenn es Meinungsunterschiede gab. Deshalb möchte ich mich bei den Berichterstatterkollegen und dem Ministerium nachdrücklich bedanken.
    Die Arbeitsaufnahme des neuen Ministeriums und des neuen Ministers wurden überaus positiv kommentiert.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Jubel! Jubel!)

    Es hat zahlreiche Anregungen gegeben. Es werden sicherlich nicht alle Vorschläge von uns kritiklos übernommen, beispielsweise wie sie Herr Glotz formuliert hat. So gibt es innerhalb der Union große Skepsis, ob Studiengebühren zur Finanzierung des Hochschulwesens geeignet sind. Es hätte mich gefreut, wenn Vorschläge nicht nur in Zeitungen begründet werden, sondern wenn wir sie heute im Plenum hätten ausführlich diskutieren können.
    Mir liegt auch daran, an dieser Stelle deutlich zu machen, daß Zukunftsgestaltung und -aufwendungen in diesem Bereich nicht allein Aufgabe des Staates sind. Vor diesem Hintergrund muß es sehr nachdenklich stimmen, wenn die privaten Aufwendungen aus der Wirtschaft für diesen Bereich sinken. Wir müssen daher jenseits der Haushaltsgestaltung noch mehr für die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung aufwenden. Die Wirtschaft bleibt jedoch stärker gefordert.

    Steffen Kampeter
    Mit gänzlichem Unverständnis nehme ich in diesem Zusammenhang zur Kenntnis, was die Opposition zur Einrichtung des Rates für Forschung, Technologie und Innovation zu Protokoll gegeben hat oder gegenüber der Presse erklärt hat. Es ist schon ein schlechter Stil, wenn man ein Gremium, das gerade erst zu arbeiten angefangen hat, schon mit solch unqualifizierter Polemik überzieht, wie ich es in der Presse habe lesen müssen. Aber wenn Sie, Herr Kollege Schanz, allen Ernstes diesen Rat als ein Propagandainstrument der Bundesregierung charakterisieren, so glaube ich, unterschätzen Sie alle die dort berufenen Persönlichkeiten in ihrer Kritikfähigkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber den Wissenschaftsrat nehmen Sie ernst?)

    So ist beispielsweise aus meinem Wahlkreis ein mittelständischer Unternehmer als Vertreter in diesen Rat berufen worden, den ich aus vielen persönlichen Gesprächen kenne. Er wird vieles machen, sich aber sicherlich nicht als Propagandainstrument instrumentalisieren lassen, sondern kritisch konstruktive Beiträge leisten, wie es mit dem Forschungs- und Technologie-, mit dem Bildungs- und Wissenschaftsstandort Deutschland weitergehen muß. Daran werden wir als Koalition weiter mitarbeiten.
    Lassen Sie mich schließen. Die Zusammenlegung von zwei Ministerien bietet große Chancen, auch alte Pfründe auf den Prüfstand zu stellen, um so Gestaltungsräume für neue Aufgaben zu erwirtschaften. Haushaltsgestaltung bedeutet sinnvolles Ausgeben und nicht Sparen um jeden Preis. Deswegen haben wir in diesem Bereich noch außerordentlich viel zu tun. Wir werden im nächsten Jahr einige große Aufgaben schultern. Ein Herzensanliegen ist beispielsweise die Einführung des Meister-BAföGs. Wir werden die Zusammenführung der Hochschulprogramme und ihre Überprüfung hinsichtlich der Effizienz haben. Ich glaube, daß wir auch in der Hochschulbaufinanzierung mittelfristig zu kostengünstigeren Lösungen werden kommen müssen. Wichtig erscheint mir darüber hinaus, daß wir das System der Großforschungseinrichtungen haushälterisch auf den Prüfstand stellen oder Blaue-Liste-Einrichtungen überprüfen. Ich glaube, daß wir haushälterisch noch sehr große Gestaltungsspielräume für diesen Zukunftsetat haben. Dazu lade ich auch die Opposition recht herzlich ein. Wir werden dem Einzelplan 30 zustimmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist die 25. Einladung an diesem Tag!)