Rede:
ID1303006100

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. die: 1
    5. Kollegin: 1
    6. Dr.: 1
    7. Tiemann: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 13/30 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 30. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 29. März 1995 Inhalt: Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1995 (Haushaltsgesetz 1995) (Drucksachen 13/50, 13/414) Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern (Drucksachen 13/506, 13/527) in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung (Drucksachen 13/524, 13/527) in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung (Drucksachen 13/525, 13/527) Uta Titze-Stecher SPD 2131 D Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . 2136A Uta Titze-Stecher SPD 2136C Günter Graf (Friesoythe) SPD . . . 2137A Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2138D Ina Albowitz F.D.P. 2140C Ulla Jelpke PDS 2143C Manfred Kanther, Bundesminister BMI 2145A Dr. Winfried Wolf PDS . 2147B Otto Schily SPD . . . . . . . . . 2148A Erwin Marschewski CDU/CSU 2150 B Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . . . . 2151 D Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz (Drucksachen 13/507, 13/527) in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht (Drucksache 13/527) Gunter Weißgerber SPD 2153 D Manfred Kolbe CDU/CSU 2156 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2158A Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 2159C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2159D Uta Titze-Stecher SPD . . . . . . . 2160 B Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 2161 B Dr. Susanne Tiemann CDU/CSU . . . 2162B Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 2164 A Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 2166B Norbert Geis CDU/CSU 2167 B Hermann Bachmaier SPD 2167 D Otto Schily SPD 2168 B Einzelplan 11 Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Drucksachen 13/511, 13/527) Dr. Konstanze Wegner SPD 2169 B Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU 2172 C Uta Titze-Stecher SPD 2174 A Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2174D Dr. Gisela Babel F.D.P 2175B, 2192D Ina Albowitz F.D.P. 2178A Dr. Heidi Knake-Werner PDS 2179D Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 2181 D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2182C Dr. Gisela Babel F.D.P 2184D Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 2186A Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 2187C Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . 2189C Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 2190A Ottmar Schreiner SPD 2190 B Volker Kauder CDU/CSU 2191 A Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . . 2194A Horst Seehofer CDU/CSU 2195A Jürgen W. Möllemann F.D.P. 2196D Heiner Geißler CDU/CSU . . . . . . . 2197 C Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (Drucksachen 13/522, 13/527) Dieter Schanz SPD 2200 D Steffen Kampeter CDU/CSU 2204 C Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2206B Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 2207 C Dr. Ludwig Elm PDS 2209 A Christian Lenzer CDU/CSU 2210B Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF . . . . . . . . . . . . . . . 2211 C Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Drucksachen 13/517, 13/527) Siegrun Klemmer SPD . . . . 2215A Peter Jacoby CDU/CSU . . . . . . . . 2219B Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . 2221 A Heinz Lanfermann F.D.P 2222 B Heidemarie Lüth PDS 2223 D Claudia Nolte, Bundesministerin BMFSFJ 2224 C Christel Hanewinckel SPD 2226 A Maria Eichhorn CDU/CSU 2227 C Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit (Drucksachen 13/515, 13/527) Gerhard Rübenkönig SPD . . . . . . 2228 D Roland Sauer (Stuttgart) CDU/CSU . . . 2232B Uta Titze-Stecher SPD 2232 C Kristin Heyne BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2234 D Dr. Dieter Thomae F.D.P 2236B Dr. Ruth Fuchs PDS 2237 C Horst Seehofer, Bundesminister BMG 2238 C, 2243 C Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2239 A Klaus Kirschner SPD 2239 D Klaus Kirschner SPD . . . . . . . . 2243 A Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Drucksachen 13/516, 13/527) Eckart Kuhlwein SPD 2244 A Arnulf Kriedner CDU/CSU 2247 A Kristin Heyne BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2249 A Steffen Kampeter CDU/CSU 2250C Birgit Homburger FD P. 2250D Rolf Köhne PDS 2253 A Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . 2253D Ulrike Mehl SPD 2256 A Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU . . . . . . . . . . . . . . . 2257 C Uta Titze-Stecher SPD 2258 B Einzelplan 25 Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Drucksachen 13/521, 13/527) Dr, Rolf Niese SPD 2259C Herbert Frankenhauser CDU/CSU . . 2262D Dieter Pützhofen CDU/CSU 2263 B Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 2265 C Jürgen Koppelin F.D.P 2267 A Klaus-Jürgen Warnick PDS 2268 C Gert Willner CDU/CSU 2269 B Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 2271 A Einzelplan 12 Bundesministerium für Verkehr (Drucksachen 13/512, 13/527) Hans Georg Wagner SPD 2274 B Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2278B, 2280 C Bartholomäus Kalb CDU/CSU 2279 B Rainder Steenblock BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . 2281D Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . 2283 B Dr. Dionys Jobst CDU/CSU 2283 D Horst Friedrich F.D.P. . . . . . .. . 2284 B Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . . 2285 C Matthias Wissmann, Bundesminister BMV 2287B Einzelplan 13 Bundesministerium für Post und Telekommunikation (Drucksachen 13/513, 13/527) Hans Martin Bury SPD 2289 D Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein CDU/CSU 2294 C Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2296C Jürgen Koppelin F.D.P 2298 A Gerhard Jüttemann PDS 2299 B Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 2300C Einzelplan 10 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksachen 13/510, 13/527) Ilse Janz SPD 2302D Bartholomäus Kalb CDU/CSU 2307 B Ulrike Höfken-Deipenbrock BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 2309 C Dr. Günther Maleuda PDS . . . . 2310 D Meinolf Michels CDU/CSU 2311D Jochen Borchert, Bundesminister BML 2313A Erweiterung der Tagesordnung 2315A Zusatztagesordnungspunkt: Beratung des Antrages der PDS: Einladung von Repräsentanten aller Länder, die Opfer des von Nazi-Deutschland ausgegangenen Aggressionskrieges wurden (Drucksache 13/965) . . 2315 A Nächste Sitzung 2315 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 2317* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 22 (Haushaltsgesetz 1995 - Einzelplan 12 - Bundesministerium für Verkehr) Dr. Dagmar Enkelmann PDS 2317* A Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 23 (Haushaltsgesetz 1995 - Einzelplan 13 - Bundesministerium für Post und Telekommunikation) Elmar Müller (Kirchheim) CDU/CSU , 2318* A Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 24 (Haushaltsgesetz 1995 - Einzelplan 10 - Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten) Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . 2319* C 30. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 29. März 1995 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 29. 03. 95 Büttner (Ingolstadt), SPD 29. 03. 95 Hans Büttner (Schönebeck), CDU/CSU 29. 03. 95 Hartmut Gansel, Norbert SPD 29. 03. 95 Dr. Hartenstein, Liesel SPD 29. 03. 95 Heym, Stefan PDS 29. 03. 95 Meißner, Herbert SPD 29. 03. 95 Tippach, Steffen PDS 29. 03. 95 Vergin, Siegfried SPD 29. 03. 95 Welt, Jochen SPD 29. 03. 95 Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 22 (Haushaltsgesetz 1995 - Einzelplan 12 - Bundesministerium für Verkehr) Dr. Dagmar Enkelmann (PDS): „Die Völker erwarten von uns, daß wir die notwendigen Beschlüsse fassen, um sie vor drohendem Schaden zu bewahren", so wird Umweltministerin Merkel aus ihrer Eröffnungsrede der Klimakonferenz zitiert. Wenn ich mir einerseits solch beschwörende Reden anhöre und andererseits die nackten Tatsachen dieses Haushalts betrachte, kann ich mich nur wundern. Wo, bitte schön, sind denn die „notwendigen Beschlüsse", die eine Klimakatastrophe vielleicht noch abwenden könnten? Ist das vielleicht der Beschluß, die Mittel für Investitionen in die Schiene um mehr als eine halbe Milliarde DM zu kürzen und die vorgesehenen Kürzungen für Straßenbauinvestitionen wieder um 350 Millionen DM zurückzunehmen? Ist damit vielleicht der Beschluß gemeint, in diesem Land, das ohnehin über eines der dichtesten Straßennetze der Welt verfügt, jährlich über 8 Milliarden DM in Straßen zu investieren? Die Glaubwürdigkeit dieser Bundesregierung ist wirklich keinen Pfifferling mehr wert. Sie heften sich den Rückgang der CO2-Emissionen stolz als Erfolg Ihrer Reduktionsbemühungen an die Brust und verschweigen dabei, daß der verzeichnete Rückgang nur auf die Deindustrialisierung in den neuen Län- Anlagen zum Stenographischen Bericht dem zurückzuführen ist. Im Westen stieg nämlich der Kohlendioxid-Ausstoß um 3 %, im Verkehrssektor - hören Sie gut zu, Herr Wissmann - sogar um 17 % zwischen 1987 und 1992. Ihr Haushalt ist ein Klimakiller-Haushalt und ein sicherer Garant dafür, daß diese Steigerungsraten auf weitere Jahre festgeschrieben werden. Erforderlich wäre wohl eine Umweltverträglichkeitsprüfung für Ihren gesamten Haushalt. Mit dieser Zielrichtung müßte dann auch der Bundesverkehrswegeplan revidiert werden. Ein erster Schritt wäre ein Ausbaustopp für Bundesfernstraßen in den alten Bundesländern. Konnte man bisher darauf hoffen, daß das, was Studien und Appelle nicht vermochten, nämlich weiteres durch Straßenneubau induziertes Verkehrswachstum zu verhindern, dann letztlich durch leere Kassen des Bundes bedingt wurde, so gilt auch das seit neuestem nicht mehr. Die Bundesregierung läßt sich den Straßenneubau privat vorfinanzieren und baut so einen weiteren Schattenhaushalt auf. Um auf dem Papier einen Anstieg der Neuverschuldung zu vermeiden, verschwendet die Bundesregierung zig Millionen DM. Das Konzessionsmodell ist nämlich gegenüber einer Haushaltsfinanzierung schlicht und einfach unwirtschaftlich. Die Projekte verteuern sich durch die Einschaltung privater Geldgeber um 30 bis 40 %, da der Staat für die hohen Refinanzierungskosten der privaten Projektträger aufkommen muß. Nun sagen Sie, es handelt sich bei den Projekten, für die jetzt Verpflichtungsermächtigungen ausgebracht sind, ja nur um Pilotprojekte. Sie wollen testen, wie sich die private Vorfinanzierung gesamtwirtschaftlich auswirkt. Das ist doch lächerlich. Können Sie mir einen Grund nennen, warum die Berechnungen des Bundesrechnungshofes nicht ausreichend sein sollten, um das zu belegen, was heute ohnehin schon jedes Kind weiß: Der Kauf auf Raten kommt teurer. Der Bundesrechnungshof hat berechnet, daß eine private Vorfinanzierung beim Engelberg-Tunnel z. B. rund 8 Millionen und bei der vierten Elbtunnel-Röhre sogar mehr als 23 Millionen DM teurer würde. Das sollte eigentlich ausreichen, um jeden verantwortlich denkenden Menschen von solch abenteuerlichen Finanzierungsmodellen abzubringen. Auch das Argument, Sie kaufen damit Zeit ein, ist an den Haaren herbeigezogen. Der öffentliche Haushalt kann jederzeit Kredite für Investitionen in unbegrenzter Höhe aufnehmen. Wenn Sie das täten, müßten Sie allerdings den Bürgerinnen und Bürgern die Wahrheit darüber sagen, wie verschuldet diese Bundesregierung tatsächlich ist. Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit aber scheuen Sie wie der Teufel das Weihwasser. So lügen Sie sich, vor allem aber den Bürgerinnen und Bürgern in die Taschen und bauen weiter an der betonierten Republik Deutschland. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 23 (Haushaltsgesetz 1995 - Einzelplan 13 - Bundesministerium für Post und Telekommunikation) Elmar Müller (Kirchheim) (CDU/CSU): Die Aufgabe, die wir uns mit der Postreform II gestellt haben, war es, das Überleben der Postunternehmen auf Dauer zu sichern und gleichzeitig Leben in den Kommunikationsmarkt zu bringen. Meine Kollegen und ich wissen, daß wir uns hier auf einer schwierigen Gratwanderung befinden. So scheint es mir bezeichnend, daß es in der CSU Herrn Stoiber deutlich zu langsam mit dem Wegfall der Telekommonopole geht, wogegen Herr Waigel, aus Sorge um eine zu starke Belastung der Telekom AG, zur Zurückhaltung mahnt. Die F.D.P. macht es sich da viel leichter. Sie fordert den Fortfall der Monopole und verheimlicht ihrer Klientel einfach, daß sie dem Gesetz selbst zugestimmt hat, mit dem der Telekom AG bis zum 1. Januar 1998 das Netz- und Sprachdienstmonopol übertragen wurde. Unzuständigkeitshalber, aber wortreich kann Herr Rexrodt als Bundeswirtschaftsminister dann genau das anmahnen, was der Bundespostminister gerade erarbeitet und Anfang dieser Woche veröffentlicht hat, nämlich die Eckpunkte des zukünftigen Regulierungsrahmens im Telekommunikationsbereich. Die SPD tut sich wie gewohnt schwer. Die einen fürchten mit einem schrittweise wachsenden Wettbewerb um den Börsenwert der Deutschen Telekom AG und unterschätzen offensichtlich die Intelligenz der Anleger. Wer kauft schon gerne einen Monopolisten im Sack, der 1998 plötzlich nackt vor den Anlegern steht, weil man ihm in einem Rutsch die schützende Monopoldecke weggezogen hat. Die anderen in der SPD setzen zwar auf die im Wettbewerb neu entstehenden zukunftssicheren Beschäftigungsmöglichkeiten, entpuppen sich aber allzu schnell als Pseudoliberale, deren Presseerklärungen mit Vorsicht zu genießen sind. Für sehr begrüßenswert halte ich das erste konkrete Papier der SPD zur Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes, so wie es als Presseerklärung am letzten Wochenende abgesetzt worden ist. Allerdings erscheint die plakative Kritik an dem Entwurf eines Eckpunktepapiers des Ministers eher grotesk, da man offensichtlich weder den vollständigen Inhalt kannte noch bereit war, zwei Tage bis zur Vorlage des Eckpunktepapiers zu warten. Einer seriösen und der Sache angemessenen Auseinandersetzung scheint es mir nicht dienlich, sich mit „bekanntgewordenen Vorstellungen" eines Entwurfs statt mit dem Papier selbst auseinanderzusetzen. Wer die Papiere sorgfältig studiert, wird feststellen, daß wir nicht weit auseinanderliegen, und es sollte uns gelingen, mit vernünftigen Argumenten Dissenspunkte abzubauen und schnellstmöglich zu einer tragfähigen Lösung zu gelangen. Wir haben in unserem Positionspapier ganz deutlich festgestellt, daß bis zum Jahre 1998 der Telekom AG die Möglichkeit eingeräumt werden muß, sich geordnet auf den Wettbewerbsmarkt einzurichten. Dies entspricht unserer Überzeugung, da eine finanziell angeschlagene Deutsche Telekom AG weder der deutschen Wirtschaft in ihrer Gesamtheit dienen würde noch im Hinblick auf den zukünftigen Börsengang und den Finanzplatz Deutschland hinnehmbar wäre. Es kann auch keine Rede davon sein, daß die Telekom übermäßig einseitig belastet werden soll. Aber, um es klar und deutlich zu sagen: Wir werden hier einen Markt und einen fairen Wettbewerb erst schaffen müssen. Die Warnung der SPD vor einer übermäßigen asymmetrischen Belastung der Telekom AG scheint konsensfähig zu sein. Wir sollten uns doch einig sein, daß das fünftgrößte deutsche Unternehmen mit einem Umsatz von fast 70 Milliarden D-Mark und dem einzigen flächendeckenden Kommunikationsnetz eine andere Infrastrukturverantwortung tragen muß als etwa kleine mittelständische Anbieter zukünftiger Telefondienstleistungen. Gerade hier kommen doch regional beschränkte oder sogar anwendungsbezogen innovative Dienste in Betracht. Es gibt unzählige technische Anwendungsmöglichkeiten, die nur für kleine Benutzergruppen Sinn machen. Der Markt wird sofort versuchen, die jeweils erforderlichen Techniken den Kunden zur Verfügung zu stellen. Vielen Anwendungen im Multimediabereich, wie z. B. Homeshopping, kommt gerade außerhalb der Ballungsräume große Bedeutung zu. Pauschale Ausbauverpflichtungen würden mittelständische Unternehmen völlig überfordern und auch gar keinen Sinn machen, da nur Megakonsortien derartige Investitionen aufbringen könnten. Hunderte kleine zusammenwachsende Inseln decken die Bedürfnisse der Bürger aber sicher besser ab, als auf wenige Großunternehmen zu setzen. Wir wollen nicht Flächendeckung als Auflage für alle. Wir wollen Flächendeckung durch alle! Das bedeutet, Insellösungen ja, und zwar so schnell und so viele wie möglich. Wie können Sie denn, Herr Bury, von einer Schieflage unseres Wettbewerbsmodells sprechen, wenn wir Unternehmen mit vielleicht einigen Dutzend Beschäftigten nicht mit den gleichen Infrastrukturauflagen belasten wollen wie die Deutsche Telekom mit über einer Viertelmillion Mitarbeitern? Sie fordern Chancengleichheit und gleichzeitig Infrastrukturauflagen bereits bei unter 25 % Marktanteil. Ab wieviel Prozent, Herr Bury, gedenken Sie denn bei Ihrer Art Chancengleichheit kleine Anbieter genauso zu behandeln wie den fünftgrößten Telekommunikationskonzern der Welt? Für kritisch und undurchführbar halte ich die Forderung der SPD nach Bereitstellung einer breitbandigen Infrastruktur für alle Bürger, und das, wie der Vorsitzende des Postausschusses, der Kollege Börnsen, gefordert hat, innerhalb etwa 5 Jahren. Dies geht jedoch völlig an den Realitäten vorbei und wäre nicht einmal, und dies weiß die SPD ganz genau, vom bisherigen Monopolunternehmen Telekom zu leisten, geschweige denn zu finanzieren. Bei rund 37 Millionen Wohnungen liegt der Versorgungsgrad etwa beim Breitbandkabelnetz der Telekom nach nunmehr 12 Jahren bei immerhin 62 %. Nach 5 Jahren waren gerade einmal 3 Millionen Wohnungen angeschlossen. Kein Mensch - ja nicht einmal Politiker - hätte von der Telekom jemals gefordert, den bevorzugten Ausbau von Ballungsgebieten zu stoppen und statt dessen ländliche Regionen zu erschließen. Zu Recht hat sich die Telekom auf Ballungsräume konzentriert, und selbst hier warf ihr der Bundesrechungshof noch das „planlose Verlegen von Fernsehkabeln" vor. Wir brauchen uns doch, lieber Herr Börnsen, nicht tatsächlich über die Versorgung mit Kabelfernsehen auf dem Lande zu unterhalten, wenn sich heute nach 12 Jahren Breitbandkabelausbau die Bundesbürger in unzähligen Stadtrand-Lagen darüber beschweren, daß die Telekom zu einem weiteren Ausbau aus Rentabilitätsgründen nicht mehr bereit ist. Jeder kennt doch die Klagen abseits gelegener Dörfer aus seinem Wahlkreis. Und hier betreiben nicht etwa die privaten Anbieter „Rosinenpicken", sondern die Telekom. Sie allein bestimmt nach Rentabilitätsgesichtspunkten sogenannte Ausbaugebiete, in denen die privaten Kabelnetzbetreiber nicht tätig werden durften. Dennoch haben die Privaten in den vergangenen Jahren bis heute rund 3,5 Millionen Wohneinheiten über Breitbandkabelnetz mit Fernseh- und Hörfunkprogrammen in den für die Telekom unrentablen Gebieten versorgt. Der von der SPD immer wieder bemühte Infrastrukturauftrag wird, wenn man hierunter also die Versorgung der weniger lukrativen Bereiche in Deutschland versteht, ganz eindeutig von den über 300, häufig mittelständischen Wettbewerbern mit Leben erfüllt. Wenn wir dann auch noch auf neue alte Kampfbegriffe wie der „Zwei-Klassen-Informationsgesellschaft" verzichten, wird es uns eher gelingen, dem gerecht zu werden, was sowohl Bürger wie Wirtschaft von uns fordern, nämlich bereits in den nächsten Monaten die wesentlichen politischen Entscheidungen zu treffen, die einen möglichst raschen Ausbau einer zukunftsweisenden deutschen Telekommunikationsinfrastruktur ermöglichen. Wer allerdings bereits vor der Veröffentlichung des Eckpunktepapiers des Ministers und ohne ein einziges Gespräch abzuwarten mit der notwendigen Zustimmung der SPD im Bundesrat droht, wie der Kollege Bury dies meinte tun zu müssen, der scheint unter dem ständigen Gefühl zu leiden, ohne massive Drohungen nicht ernstgenommen zu werden. Die vorgelegten Papiere sollten zur politischen Diskussion einladen. Sie dienen nicht als Plattform für Profilierungsversuche einzelner Politiker. Wir suchen konsensfähige Lösungen. Ich glaube, es ist jetzt an der Zeit, über die Papiere zu sprechen und offen zu diskutieren. Drohungen sind da sicherlich wenig hilfreich. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 24 (Haushaltsgesetz 1995 - Einzelplan 10 - Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten) Jürgen Koppelin (F.D.P.): Die Haushaltskonsolidierung konnte auch vor dem Einzelplan 10 des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nicht haltmachen. Doch dabei haben wir als F.D.P. die wesentlichen agrarpolitischen Ziele nicht vernachlässigt. Mein Kollege Günther Bredehorn hat schon einmal hier sehr richtig festgestellt: „Sparzwänge können auch etwas Positives haben. Sie zwingen zur Prioritätensetzung. " Das geschieht beim Einzelplan 10. Politische Herausforderung der nächsten Jahre bleibt die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft. Die Landwirte und ihre Familien müssen auch weiterhin die Chance erhalten, ihren eigenen, individuellen Weg bei der Bewirtschaftung ihrer Betriebe zu gehen. Zusätzliche Freiräume zur Steigerung der Produktivität und Effizienz sind dabei notwendig. Den nachwachsenden Rohstoffen gilt dabei unser besonderes Interesse. Ihr Anbau kann zukunftsweisend sein. Die Mittel, die wir hier den Landwirten zur Verfügung stellen, sind ein Beitrag zur Umwelt. Völlig überrascht habe ich bei den Berichterstattergesprächen zur Kenntnis nehmen müssen, daß die GRÜNEN eine Reduzierung der Haushaltsmittel in diesem Bereich wollten. Hier zeigt sich die Ernsthaftigkeit „grüner" Politik. Mit der Anhebung des förderfähigen Investitionsvolumens im Rahmen der einzelbetrieblichen Investitionsförderung auf 100 Millionen DM machen wir den Weg frei für eine zukunftsweisende Agrarpolitik. Mit den Komplementärmitteln der Länder stehen damit 170 Millionen DM mehr zur Verfügung. Aber die Herausbildung effizienter Betriebsstrukturen - und die sind notwendig, um langfristig den Sonderstatus der Landwirtschaft im nationalen und internationalen Wirtschaftsgefüge abzubauen - kann nicht allein über die Stärkung der landwirtschaftlichen Erwerbsmöglichkeiten erfolgen. Ein zweites wirtschaftliches Standbein muß aufgebaut werden. Die F.D.P. plädiert daher für eine stärkere Gewerbe- und Dienstleistungsorientierung des landwirtschaftlichen Unternehmertums. Erste und erfolgreiche Schritte sind bereits von den Landwirten gemacht worden. Die Steigerung des Direktabsatzes landwirtschaftlicher Produkte ist nur ein Beispiel unter vielen. Hier zeigen sich die Stärken der deutschen Landwirtschaft: hohes Qualitätsniveau auf der Basis guter natürlicher Bedingungen kombiniert mit Anbindung an die Verbraucher. Diese Kombination kann zu einer weiteren, soliden Erwerbsquelle für die Landwirte werden. Allerdings, wenn wir das von Minister Seehofer vorgelegte Geflügelfleischhygiene-Gesetz beschließen würden, wäre das ein erheblicher Rückschlag für die Bemühungen um die Direktvermarktung. Der ländliche Raum bietet sich als Wirtschaftsbasis für Unternehmertätigkeit geradezu an. Für kreative Landwirte, bei denen Selbständigkeit und Gesamtverantwortung Tradition haben, ist er eine ideale Grundlage. Sie sollten ihn verstärkt zum eigenverantwortlichen Handeln nutzen. Nicht der staatliche Prämienempfänger, sondern nur der im Wettbewerb fit gemachte Unternehmer ist in der Lage, sich gegen die inner- und außereuropäische Konkurrenz durchzusetzen. Der Landwirt als Dienstleister im ländlichen Raum - ein Ziel liberaler Landwirtschaftspolitik, das von uns allen weiter verfolgt werden sollte. Davon profitieren nicht nur die Landwirte und ihre Familien. Deshalb gilt unser uneingeschränktes Ja den Strukturverbesserungen. Beim Küstenschutz hätte die F.D.P. gern mehr gemacht. Aber die zuständigen Länderminister haben die Latte der Anforderungen zu hoch gelegt. Die überzogenen Umweltanforderungen beim Küstenschutz in den norddeutschen Ländern sind inzwischen völlig inakzeptabel; die Effizienz der Hilfestellung ist damit nicht mehr sichergestellt. Nicht nur innerhalb des Agrarsektors sind strukturverbessernde Maßnahmen notwendig, sondern auch bei Hilfen für die Schaffung alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten, in anderen Unternehmensformen und auch außerhalb der Landwirtschaft. Soviel ist heute schon sicher: Die derzeitigen Haushaltsbelastungen im Agrarbereich sind zu hoch und unter den gegebenen wirtschaftlichen Verhältnissen und Umwälzungsprozessen innerhalb Europas auf Dauer nicht vertretbar. In der Agrarsozialpolitik sind in der letzten Legislaturperiode die entscheidenden Weichen gestellt worden. In den Jahren 1995 bis 1997 wird die Bundesregierung 1 Milliarde DM bereitstellen. Ein Betrag, mit dem die eigenständige soziale Sicherung der Bäuerin eingeführt werden kann. Das Agrarsozialreformgesetz ist bei den Betroffenen überwiegend positiv aufgenommen worden. Daß Kritik geübt wird, ist normal. Wir werden Einwände gegenüber einzelnen Bestimmungen des Agrarsozialgesetzes prüfen. Erste Gespräche sind in der F.D.P. bereits dazu geführt worden. Wichtig war uns, daß mit der Agrarsozialreform erreicht wird, daß rund 230 000 Bäuerinnen endlich eine eigene Alterssicherung und Schutz bei Erwerbsunfähigkeit erhalten, der Explosion der Beiträge zur Altershilfe ein Riegel vorgeschoben wird. Das gesamte System der agrarsozialen Absicherung ist finanziell stabilisiert worden. Besonders freuen dürfte sich darüber sicher unser Freund Josef Ertl, der einst die neue Agrarsozialpolitik einleitete. Von dieser Stelle auch nachträglich herzliche Glückwünsche an Josef Ertl zum 70. Geburtstag. Die Landwirtschaft befindet sich inmitten eines schwierigen Anpassungsprozesses. Der Haushalt trägt dem durchaus Rechnung. Die Vergabe staatlicher Mittel bietet gerade in Zeiten knapper Kassen die Chance, den notwendigen Entwicklungsprozeß zu flankieren und Effizienzsteigerungen sowie Strukturanpassungen zu beschleunigen. Dauersubventionen und Regulierungen müssen abgebaut werden, neue Subventionsfelder vermieden werden. Denn heute geht es mehr denn je darum, der unternehmerischen Landwirtschaft eine Bresche zu schlagen. Nur mit ihr ist eine Stärkung der Landwirtschaft langfristig möglich und auf Dauer erfolgreich.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Uwe-Jens Heuer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nun spricht vielleicht die vernünftige Linke.
    Das Institut für Demoskopie Allensbach hat in einer Untersuchung im Februar 1995 herausgefunden, daß 73 % der Ostdeutschen der Meinung sind, in dieser Bundesrepublik seien die Bürger vor dem Gericht nicht gleich. 60 % waren mit den Gesetzen und der Rechtsprechung nicht zufrieden; 72 % fühlten sich durch das Recht nicht geschützt. Diese Zahlen signalisieren im fünften Jahr nach der Vereinigung Defizite im Rechtsbewußtsein, auf die die Rechtspolitik reagieren müßte.
    Die Gesetzgeber des Einigungsvertrages haben sich 1990 für die schlagartige Einführung der Rechtsordnung der Bundesrepublik im Beitrittsgebiet entschieden. Sie hatten alle Wünsche auf Demokratisierung des Rechts und des Rechtsbildungsprozesses, wie sie in dem Verfassungsentwurf des Runden Tisches enthalten waren, beiseite geschoben. Das hatte notwendigerweise eine gewisse Verwirrung bei den Rechtsunterworfenen und ein Chaos bei den Rechtsanwendern zur Folge.
    Es kam hinzu - das wissen Sie -, daß 50 bis 70 % des Personals in den Gerichten und in den Staatsanwaltschaften im Beitrittsgebiet ausgetauscht wurden. Inzwischen ist das Ostrecht weitgehend durch das Westrecht ersetzt. Der Umbau der Gerichtsorganisation ist weitgehend abgeschlossen, der rechtliche und rechtspflegerische Alltag ist da.
    Die Ostdeutschen haben ihre Erfahrung mit diesem Alltag gemacht. Dieser Alltag produziert eine Zweidrittelunzufriedenheit mit dem Rechtssystem. Ich meine, daß das eine ernste Frage ist, über die wir uns hier Gedanken machen müssen.
    Augenscheinlich korrespondiert diese Unzufriedenheit mit Gesetzgebung und Rechtspflege auch mit unterschiedlichen Gerechtigkeitsvorstellungen in der west- und der ostdeutschen Gesellschaft. Immerhin halten nach dieser Umfrage 48 % im Westen die Gesellschaft für gerecht, im Osten nur 19 %. Dies würde meine hier schon wiederholt vertretene These untermauern, daß in Ostdeutschland unter den Trümmern des Staates die Konturen einer DDR-Gesellschaft mit eigenen Werten, darunter auch offenbar mit anderen Vorstellungen über Gerechtigkeit und Bürgernähe des Rechts, sichtbar geworden sind.
    Es ist weiterhin alarmierend, daß das, was den Kern des formalen Rechtsstaats ausmacht, nämlich die Regelgerechtigkeit, nicht mehr als Vorzug oder gar nicht mehr als existent wahrgenommen wird. 73 % der Ostdeutschen und immerhin auch 67 % der Westdeutschen meinen, es gebe keine Gleichheit vor dem Gesetz, es würden doch Unterschiede gemacht. Generell erscheint den Bürgern - das zeigen mir Gespräche mit Wählern und Briefe immer wieder - das für sie unverständlich formulierte Recht und die Triade von „Recht haben, Recht bekommen, Recht durchsetzen" als ein Wald von Hürden.
    Was kann Rechtspolitik leisten? Sicherlich kann dieses System den Wünschen der Ostdeutschen - immerhin 35 % denken bei Menschenrechten vor allem an das Recht auf Arbeit - nicht Rechnung tragen. Aber Rechtspolitik könnte einen Beitrag zum Abbau dieses tiefen Unbehagens leisten, das sich eben darin äußert, daß 60 und bis über 70 % der Ostdeutschen sagen: Dieses Recht ist ein Recht der Reichen.
    Im Bericht der sogenannten Eppelmann-Kommission hieß es:
    Das für sie neue Rechtssystem ist den Menschen fremd. Von ihm Gebrauch zu machen und seine Vorteile zu erfahren ist für sie schwierig. Es wäre fatal, wenn sich den Bürgern als Erfahrung mit dem für sie neuen Rechtssystem die Schlußfolgerung aufdrängte, daß die Wahrnehmung ihrer Rechte eine Frage von Wissen und Geld sei.
    Die Antwort der Enquete-Kommission lautet: Der Rechtsstaat muß besser propagiert werden. - Ich halte diese Antwort für absolut unzureichend. Es

    Dr. Uwe-Jens Heuer
    geht nicht um mehr oder andere Öffentlichkeitsarbeit - das ist auch gut und vernünftig -, es geht um Änderungen des Rechts und der Rechtsbildung, die aus der Sicht der Mehrheit der Ostdeutschen einfach fällig sind und die es ihnen ermöglichen, den Rechtsstaat als etwas anzunehmen, das ihnen nicht völlig feindlich und bedrohlich gegenübersteht.
    Herr Kolbe, ich meine, der große Lauschangriff ist dabei wohl nicht das richtige Angebot. Dazu gehört einmal eine stärkere soziale und sozialstaatliche Komponente im Recht. Dazu gehört die stärkere Einbeziehung der Bürger in die Rechtsetzung.
    Dazu gehört aber auch - ich werde nicht müde, es von diesem Platz aus zu fordern - ein Recht, das Bürger auch verstehen können. Herr Weißgerber hatte es hier ausdrücklich gesagt.

    (Beifall bei der PDS)

    Uwe Wesel hat dazu zutreffend geschrieben, im Bereich der dritten Gewalt laufe „das Prinzip von Öffentlichkeit noch immer leer. Hier bewegen wir uns immer noch im vordemokratischen Raum, leben wir noch nicht unter der Herrschaft des Grundgesetzes. Was uns von der Öffentlichkeit trennt, ist eine Sprachbarriere, die Mauer der Sprache des Rechts."
    Für die Kollegen von der anderen Seite des Hauses, denen Herr Wesel sicherlich zu links ist, möchte ich auf den Bundespräsidenten Herzog hinweisen, der die Unverständlichkeit der deutschen Juristensprache auf dem Juristentag in Münster beklagt hat. Vielleicht könnten wir hier wirklich eine gemeinsame Anstrengung unternehmen, etwa auf dem Gebiet des Wohnungsmietrechts. Ich halte es auch für eine Frage der Demokratie, daß wir nicht ein Recht von Rechtsanwälten für Rechtsanwälte machen.

    (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das ist richtig!)

    Frau Noelle-Neumann hatte den zitierten Beitrag in der „Frankfurter Allgemeinen" vom 8. März 1995 überschrieben: „Kein Schutz, keine Gleichheit, keine Gerechtigkeit." Sorgen wir für mehr Schutz, für mehr Gleichheit, für mehr Gerechtigkeit!
    Danke sehr.

    (Beifall bei der PDS)



Rede von Hans-Ulrich Klose
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat die Kollegin Dr. Tiemann (CDU/CSU).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Susanne Tiemann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! So klein der Haushalt des Bundesjustizministers ist, ich meine, er bietet wieder einmal Anlaß, sich öffentlich darauf zu besinnen, welche überragende Bedeutung unser Rechtsstaat für jeden einzelnen und für unsere ganze Gesellschaft hat. Unser Rechtsstaat ist der Lebensnerv unseres Staates, unseres friedlichen Zusammenlebens und unseres Wohlstandes. Ohne ihn ist sorgenfreies und sicheres Leben, ohne ihn ist wirtschaftliche Betätigung und schließlich die Freiheit unserer Gesellschaft undenkbar.
    Gerade wir in der Bundesrepublik Deutschland sollten aus unserer Geschichte immer neu das gemeinsame Bewußtsein herausbilden, wie schwer Rechtsstaat erkämpft werden muß, welch verheerende Folgen eine Unrechtsgesellschaft erzeugt und welcher permanenten Anstrengungen es bedarf, rechtsstaatliche Strukturen wirksam werden zu lassen. Der Konsens auf dieser Basis muß die Grundlage unserer Rechtspolitik sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sicherheit im Recht und Sicherheit durch das Recht sind der legitime Anspruch an die Rechtsordnung und jede staatliche Aktivität. Meine Damen und Herren, es ist deshalb um so wichtiger, daß sich der Staat wieder auf den Kernbereich seiner Aufgaben konzentriert. Dann kann er nämlich Mittel und Instrumente freisetzen, um den Bürgern und Bürgerinnen diese Sicherheit geben zu können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wenn diese Koalition eine Senkung der Staatsquote anstrebt, eine Privatisierung von Aufgaben, die der einzelne mindestens genausogut erfüllen kann wie der Staat, dann tun wir das doch gerade auch, um den Staat wieder neu und vermehrt in die Lage zu versetzen, seine wichtige rechtsstaatliche Aufgabe der Sicherheit für alle Bürger und Bürgerinnen noch effizienter erfüllen zu können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir müssen diese Politik deshalb konsequent weiterverfolgen, denn nur auf dieser Basis lassen sich auch andere staatliche Aufgaben wirksam ausfüllen. Das Verbrechensbekämpfungsgesetz war auf diesem Weg ein wichtiger Schritt. Wir müssen ihn weitergehen. Um aber den Weg wirksamen Schutzes der Bürger, meine Damen und Herren, weitergehen zu können, muß das Unrechtsbewußtsein in unserer Gesellschaft aufrechterhalten und zum Teil auch neu geschärft werden. Gerade wenn es um Delikte geht, die zum Schaden der Mitmenschen bzw. der Allgemeinheit begangen werden, gilt dies in ganz besonderer Weise.
    Die Gewaltkriminalität muß dabei unsere besondere Zielscheibe sein. Es sind immer neue Kampagnen erforderlich gegen die Gewalt, dagegen, daß Gewalt in der Gesellschaft und gerade bei Jugendlichen gewissermaßen salonfähig und zur Normalität gemacht wird. Aus dieser Normalität heraus nähert sich Gewaltkriminalität. Gewalt muß angeprangert werden, wo immer dies geht. Die persönliche Verantwortung der Menschen füreinander muß neue Impulse erfahren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Gleichzeitig muß es jedoch auch eine gemeinsame Kampagne geben, um klarzumachen, was es bedeutet, wenn die Allgemeinheit durch das Verhalten des einzelnen geschädigt wird, daß hier nicht eine anonyme Einrichtung geschädigt wird, sondern alle, jeder einzelne. Hier müssen die öffentliche Verantwortung und das Bewußtsein wieder neu geweckt werden, daß die Bürger und Bürgerinnen selbst Träger des Gemeinwesens sind. Eine Bagatellisierung von

    Dr. Susanne Tiemann
    Delikten wie Drogenbesitz, Schwarzfahren und Ladendiebstahl ist hierzu nicht der richtige Weg, ebensowenig wie ein Zurücktreten des Strafrechts, wenn ein Gericht Schadensersatz zugesprochen hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Derartige Verfahrensweisen verharmlosen solches Fehlverhalten, machen es zu Kavaliersdelikten und ebnen den Weg zu einer weiteren Verniedlichung von Delikten wie eben auch der Steuerhinterziehung oder den Mißbrauch staatlicher Leistungen. Wir werden uns solchen Bestrebungen jedenfalls energisch widersetzen, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wenn die Bürger zum Rechtsstaat Vertrauen haben sollen, müssen sie von ihm auch wirksamen Rechtsschutz erhalten können. Es ist eben eine Tatsache, daß unsere Gerichte nach wie vor überlastet sind. Insofern werden wir, wenn wir keine Situation herbeiführen wollen, wie sie zu Zeiten des Reichskammergerichts bestand, wo sich Prozesse Generationen lang hinschleppten, an Überlegungen über durchgreifende Reformen der Verfahren nicht vorbeikommen.
    Nur, meine Damen und Herren, dies muß wohlüberlegt in Angriff genommen werden. Zunächst einmal müssen die Erfahrungen mit dem Rechtspflegeentlastungsgesetz 1993 gesammelt und evaluiert werden, und dann müssen wir uns an die schwierige Aufgabe machen, gemeinsam zu einer Reform zu kommen, die auf der einen Seite mehr Verfahrensökonomie herstellt, die auf der anderen Seite aber auch nicht Rechtsmittel beschneidet und die richterliche Wahrheitsfindung damit beeinträchtigt.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Dies wird eine schwierige Aufgabe sein, zumal wir nicht der Versuchung erliegen dürfen, Reformen um der Reformen willen zu schaffen und vielleicht sogar noch mehr bürokratischen Aufwand zu erzeugen, als wir heute schon haben. Also: Vorsicht bei diesem Unterfangen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Allerdings stimme ich mit all denen überein, die darauf hinweisen, daß sich der Gesetzgeber in Bund und Ländern selber fragen muß, ob er nicht durch zu viele und zu komplizierte Gesetze maßgeblich mit zur Überlastung unserer Gerichte beiträgt.
    Unser Grundsatz muß „Eher weniger denn mehr" sein. Wir müssen Abschied nehmen von dem perfektionistischen Bestreben, Einzelfallgerechtigkeit um jeden Preis schaffen zu wollen, die undurchschaubare und unpraktikable Gesetze und damit letztlich Ungerechtigkeit erzeugt.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Unser Steuerrecht ist ein sprechendes Beispiel hierfür, aber auch unsere Genehmigungsverfahren und leider auch viel zu viele Sozialgesetze.
    Wir alle wissen, daß immer wieder die Begehrlichkeit nach gesetzgeberischen Maßnahmen geschürt wird durch noch höhere Standards, die es zu erfüllen gilt, immer neue Ansprüche, die abgesichert werden sollen, immer mehr Perfektion, die vom Rechtssystem erwartet wird. Solchen Bestrebungen sollten und müssen wir gemeinsam widerstehen. Auch der Grundsatz der Subsidiarität sollte uns auf nationaler wie auf europäischer Ebene bei der Weiterentwicklung unserer Rechtsordnung leiten.
    Einfaches und verständliches Recht ebenso wie praktikable Verfahren sind maßgeblich dafür, daß dem Bürger der hochentwickelte Rechtsstaat auch tatsächlich etwas nützt. Sie sind aber auch ganz entscheidend für die wirtschaftenden Bürger und damit für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmensstandorts Bundesrepublik Deutschland. Das Recht muß den Rahmen schaffen, der klar und auch flexibel genug ist, um unternehmerische Initiative zuzulassen und zu fördern, nicht aber durch Regelungschaos und Übermaß im Keim zu erstikken oder gar in die Emigration zu treiben. Und Unternehmen, die wegen bürokratischer Belastungen abwandern, nehmen immer auch Arbeitsplätze mit. Dies müssen wir durch unsere Rechtspolitik mit verhindern.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer regiert denn hier?)

    Wir müssen also eine große Entrümpelungskampagne unternehmen, wenn wir unser Recht lebensnah und gerecht gestalten wollen. Wir müssen uns auch abgewöhnen, auf jede Einzelsituation mit einem Gesetz zu reagieren, interventionistische Gesetzgebung zu betreiben,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    was dann meistens und häufig genug normative Flickschusterei bedeutet und neuen Regelungsbedarf erzeugt.
    Der Rechtsstaat braucht die Kontinuität seiner Regelungen, und die Bürger wie die Unternehmen müssen sich langfristig auf eine Rechtslage einstellen können.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wird von unserer Rechtspolitik, die Schlüsselpolitik ist, abhängen, welche Qualität unsere Gesellschaft hat, wie frei sie sein wird, wie frei jeder sein wird, seine Aktivitäten zu entfalten, aber auch wieviel Verantwortung er haben wird. Ich möchte Sie alle dazu einladen, eine solche Rechtspolitik gemeinsam mit uns zu machen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wir werden heute dauernd eingeladen! Das ist verdächtig!)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese wichtigen Aufgaben, die uns gerade die Rechtspolitik
    gibt, zeigen uns, wie umgekehrt proportional der

    Dr. Susanne Tiemann
    Umfang des Haushalts des Bundesjustizministers zur Bedeutung dieser großen Aufgaben ist.
    Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)