Rede von
Prof. Dr.
Uwe
Jens
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hatte den Eindruck, Herr Haungs hat uns auch nichts Neues erzählt. Er hat uns mehr oder weniger nur deutlich gemacht, wie chaotisch die Wirtschaftspolitik dieser Regierungskoalition ist.
Meine Damen und Herren, dieser Einzelplan 09 steht aus meiner Sicht auf tönernen Füßen - über die Konjunkturrisiken wurde von allen gesprochen -, und - das ist mein zweiter Vorwurf nicht nur gegen den Einzelplan 09, sondern auch gegen den Gesamthaushalt - er enthält keine Zukunftsorientierung. Es ist wirklich nichts drin, was uns in die Lage versetzt, das Problem der Arbeitslosigkeit nachhaltig zu verringern. Das finde wenigstens ich sehr traurig. Deshalb freue ich mich natürlich immer, wenn mich Herr Rexrodt einmal persönlich attackiert. Das stärkt sicherlich mein Image ein bißchen. Er greift dann auch Vorschläge ungeprüft auf. Ich habe davon gesprochen, daß die Tobin-Steuer überprüft werden müßte, aber er jubelt sie mir gleich unter das Hemd. Das ist natürlich schön. Ich würde so etwas schlicht als Klugscheißerei bezeichnen.
Meine Damen und Herren, wir müssen wirklich auf der Hut sein. Wir dürfen nicht in die Regel verfallen: Am deutschen Wesen soll die Welt wieder genesen.
Zu dieser Attitüde neigt diese Bundesregierung leider.
Meine Damen und Herren, selbst der Deutsche Industrie- und Handelstag hat mittlerweile festgestellt, daß die Wachstumsprognosen reduziert werden müssen. Man schätzt nur noch 2 % statt 3 %. Wenn der Dollar-Wechselkurs so bleibt, bei 1,40 DM, deutlich unter 1,50 DM, dann wird das erhebliche Probleme für die deutsche exportorientierte Industrie zur Folge haben. Das hat sogar auch Probleme für die Textilindustrie im eigenen Lande zur Folge, weil z. B. Waren aus Italien deutlich billiger angeboten werden können. Das Problem kann man nicht ernst genug nehmen.
Ich ärgere mich darüber, wenn Herr Rexrodt dieses auf seine berühmte leichte Schulter nimmt.
8 % Aufwertung in einigen wenigen Monaten: Ich bin nicht sicher, ob sich das wieder einpendelt. Diese 8 % schlagen unmittelbar auf die Preise der deutschen Exportindustrie durch. 44)/0 Lohnerhöhung - über den Abschluß kann man streiten - haben bei einer Lohnquote von 25 % zur Folge, daß die Preise, die Kosten um insgesamt 1 % steigen. Deshalb verstehe ich die Haltung der Regierungskoalition nicht, immer über die Lohnerhöhungen, immer über den Tarifabschluß zu reden, aber nicht so sehr über die Aufwertung, die der deutschen Wirtschaft viel mehr Schaden bereitet, meine Damen und Herren.
Ich habe mich auch über diesen Tarifabschluß gewundert. Ich habe gar nicht geglaubt, daß dabei so viel herauskommt. Das muß ich fairerweise sagen. Aber mich wundert auch, wenn eine Arbeitgeberpartei wie die F.D.P. über diesen Abschluß, den die Arbeitgeber so gewollt haben, meckert. Wenn Sie von der F.D.P. sich hier hinstellen und sagen, das sei nicht in Ordnung, dann kritisieren Sie gewissermaßen Ihre eigene Klientel. Das finde ich wirklich eigenartig.
Meine Damen und Herren, ich habe gesagt: Der Haushalt steht auf tönernen Füßen. Es ist falsch, wenn hier von Herrn Rexrodt der Eindruck erweckt wird, die Bundesregierung könnte gegen diese Aufwertungstendenz der D-Mark nichts tun. Die Geldpolitik ist nicht machtlos. Eine Fülle von Experten haben darauf hingewiesen, daß es sinnvoll wäre, bei den Leitzinsen einen Schritt nach unten zu gehen,
und daß das ein vernünftiger Beitrag zur Verringerung dieses Problems gewesen wäre. Aber nein, die Bundesregierung hat ja offenbar keinen Kontakt mehr. Manchmal habe ich Herrn Tietmeyer im Verdacht, er möchte am liebsten eine Null vor der Preisentwicklung haben und würde dafür auch sieben Millionen registrierte Arbeitslose in Kauf nehmen.
Dr. Uwe Jens
Aber das wollen wir Sozialdemokraten auf alle Fälle nicht haben.
Lassen Sie mich Ihnen noch ein paar Hintergründe verdeutlichen: Die Bundesregierung und Europa insgesamt haben sich geweigert, Hilfen für Mexiko zur Verfügung zu stellen. Die Folge war, daß die Federal Reserve und auch die amerikanische Regierung dafür gesorgt haben, daß der Dollar abgewertet wird. Das macht uns zur Zeit zu schaffen. Die Amerikaner haben gewissermaßen - vielleicht verstehen Sie ein bißchen davon - eine Politik der Bebettelung des Nachbarn betrieben. Wir dagegen betreiben eine Politik des Gernegroß und tun so, als hätten wir damit überhaupt nichts zu tun. Sinnvoll wären wirklich eine Kooperation, ein Zusammensetzen, eine vernünftige Absprache über diese Dinge. Aber das passiert leider nicht, und ich werfe Ihnen vor, daß in diesem Bereich zuwenig koordiniert wird. Dementsprechend sind auch die Folgen für die deutsche Wirtschaft.
Die Bundesregierung betreibt seit geraumer Zeit eine Politik der Symbolik, wie ich es nenne. Frau Fuchs hat davon gesprochen, daß ein Technologierat eingerichtet worden ist. Aber dessen Vorsitzender ist Herr Kohl, und was soll dabei schon herauskommen?
Das wissen wir aus langjähriger Erfahrung: nichts, meine Damen und Herren.
Neuerdings hat die Bundesregierung das Kindergeld von uns übernommen - 200 DM für jedes Kind -, aber immer noch nicht voll, sondern sie versucht noch, ihre Klientel ein bißchen zu begünstigen. Das Eigenkapitalhilfeprogramm ist auch wieder eingeführt worden. Ich habe ja nichts dagegen. Aber, Herr Rexrodt, vielleicht können Sie dafür sorgen, daß in Zukunft nicht mehr die Ehefrauen unterzeichnen müssen, wenn ein Existenzgründer einen Kredit haben will. Ich halte es für moralisch unanständig, wenn sie mit ins Obligo genommen werden.
Sie packen aus meiner Sicht die Probleme falsch an, weil Sie die Probleme falsch analysieren.
75 % der Probleme, mit denen wir in diesem Lande zu kämpfen haben - das ist ein ganzer Haufen -, kommen aus dem Ausland zu uns herein. 25 % sind innere Probleme; aber die haben Sie zum Teil auf Grund Ihrer langjährigen Regierungstätigkeit und Ihres Nichtstuns mit verschuldet.
Deswegen ist es so dringend notwendig, daß wir verstärkt Kooperation und Koordination versuchen. Das tut die Regierung nicht. Wir müßten z. B. dafür sorgen, daß im internationalen Bereich Umwelt- und Sozialstandards, soziale und ökologische Mindestbedingungen, eingeführt werden. Darauf müßte man drängen, aber das passiert nicht. Wir müßten dafür sorgen, daß endlich mehr Ordnung in das Währungschaos hineinkommt. Aber auch auf diesem Felde - das habe ich eben schon erläutert - passiert eben nichts. Wir müßten jetzt auch in Berlin darauf drängen - versuchen Sie es doch einmal, IIerr Rexrodt -, daß weltweit eine Zertifikatslösung zur Reduzierung von CO2 verwirklicht wird. Das wäre eine vernünftige Lösung.
Aber Sie können doch so etwas nicht kritisieren, wenn Sie vorher überhaupt nicht versucht haben, es einzuführen.
Das wäre ein dringender Appell. Machen Sie das in Berlin, meine Damen und Herren.
Im inneren Bereich besteht auch viel Handlungsbedarf. Wir brauchen dringend mehr Risikokapital, mehr Beteiligungskapital. Da haben Sie ja etwas versucht. Aber wenn jemand solche Kredite aufnimmt und dafür in Zukunft die banküblichen Sicherheiten braucht, dann ist das völlig verfehlt und falsch. Des weiteren brauchen wir z. B. eine neue Steuergesetzgebung. Die einbehaltenen Gewinne müssen niedriger als die ausgeschütteten, konsumierten Gewinne besteuert werden. Das wäre eine vernünftige Lösung, um den Kleinen und Mittleren zu helfen.
Meine Damen und Herren, wir könnten Arbeitsplätze schaffen, wenn wir intensiv etwas täten, um Energie zu sparen, um die Energieeffizienz zu steigern, um alternative Energiequellen voranzubringen. Auf Grund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts haben die Elektrizitätsversorgungsunternehmen plötzlich 2,7 Milliarden DM mehr in der Kasse. Drängen Sie doch einmal darauf, daß dieses Geld sofort für sinnvolle Sachen, z. B. für den Ausbau der Kraft-Wärme-Koppelung, ausgegeben wird. Das schafft Arbeitsplätze in der Stahlindustrie und im Tiefbau. Das wären konkrete Maßnahmen, die endlich ergriffen werden müßten, um das Problem der Massenarbeitslosigkeit in diesem Land zu verringern.
Schönen Dank.