Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Diller, Sie haben uns unterstellt, wir hätten der Bareis-Kommission den Sachverstand abgesprochen. Das ist nicht wahr. Ich frage Sie: Was wollen Sie denn aufgreifen von der Kommission? Was wollen Sie denn an Gegenfinanzierungsvorschlägen unterstützen? Was wollen Sie einbringen?
Sie haben doch die Möglichkeit, das zu tun.
Sie kritisieren nur. Ich habe den Sachverstand nie bestritten. Ich habe nur darauf hingewiesen, daß ein Großteil der Gegenfinanzierungsvorschläge weder bei Ihnen noch auf der anderen Seite des Hauses mehrheitsfähig sind.
Ich meine, das ist eine ehrliche Aussage.
Natürlich will ich mich mit allen Vorschlägen auseinandersetzen. Nur, die Opposition, die Fraktion der SPD, ist bisher jeden Vorschlag schuldig geblieben.
Das einzige, was Sie heute gesagt haben, war die Forderung, das steuerfreie Existenzminimum auf 13 000 bzw. 26 000 DM zu erhöhen. Das wäre natürlich schön und wünschenswert. Sie wissen aber ganz genau: Verfassungsmäßig notwendig ist es für 1996 und 1997 nicht.
- Nein. Auch diejenigen, die es kritisiert haben, haben zwischenzeitlich ihre Kritik in diesem Zusammenhang zurückgenommen.
Aber bitte: Sie haben die Möglichkeit, hier anschließend zu sagen, welche Vorschläge der BareisKommission Sie aufgreifen wollen.
Wollen Sie die Nachtarbeitszuschläge künftig stärker besteuern? Wollen Sie die Sozialrenten besteuern? Wollen Sie Lohnersatzleistungen besteuern? Wollen Sie den Abzug der Kirchensteuer abschaffen? Was
wollen Sie? Sie dürfen nicht nur sagen, dahinter steckt Sachverstand - das ist wahr -, sondern Sie müssen auch sagen, was sie aufgreifen wollen und was nicht.
Sie haben die Schulden beklagt. Herr Diller, welche Schulden hätten Sie nicht übernommen? Hätten Sie vielleicht die Schulden für den Fonds „Deutsche Einheit" nicht übernommen? Wollten Sie die Verbindlichkeiten des Erblastentilgungsfonds nicht übernehmen? Wollten Sie das Bundeseisenbahnvermögen nicht in den Bundeshaushalt überführen?
Jetzt noch die ERP-Mittel einzurechnen, was Sie früher, in den 70er Jahren, nie getan haben, ist schlichtweg unseriös. Ihre Rechnung ist polemisch, sie ist billig, sie hält nicht stand.
Herr Kollege Diller, es hätte lohnende Objekte der Betrachtung gegeben. Sie hätten sich beispielsweise mit der Haushaltspolitik in Hessen beschäftigen können. Das wäre kurz nach der Wahl sehr interessant gewesen. Vielleicht nehmen Sie dazu noch Stellung. Da springen Ihnen ja die letzten Mohikaner ab; in Hessen will niemand mehr ein Ministeramt übernehmen, außer den GRÜNEN. Die sind zu allem fähig.
Es wäre auch interessant, über Niedersachsen zu reden. Dort gibt es einen Troikaner. Sie wissen ja, was nach dem Brockhaus eine Troika ist: Das sind drei struppige Pferde, die einen russischen Wagen ziehen. Ich will das nicht übernehmen. Eines der struppigen Pferde hat im Augenblick eine Menge zu tun, um in Niedersachsen mit der Haushaltspolitik fertig zu werden,
Zum Jahressteuergesetz: Wo bleibt Ihre Alternative? Bei der Gemeindefinanzreform wollen Sie uns immer noch unterstellen, wir wollten und würden dies mit einer Mehrwertsteuererhöhung finanzieren. Das findet nicht statt.
Das haben Sie vor den Wahlen insinuiert. Das haben Sie immer wieder wahrheitswidrig behauptet. Nun müssen Sie feststellen, daß wir den Gemeinden nicht nur einen fairen, sondern einen vollen Ausgleich anbieten, und zwar einen Ausgleich durch die erstmalige Beteiligung an der Umsatzsteuer, an einer der großen Gemeinschaftssteuern. Dazu ist eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich. Das ist eine historische Chance für die Kommunen.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Kommunen das ablehnen.
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
Bei den neuen Bundesländern ist übrigens eine fiktive Beteiligung - bisher wurde ja keine Gewerbekapitalsteuer erhoben - enthalten, was eine zusätzliche Finanzausstattung für die Kommunen in Ostdeutschland bedeutet. Sie sollten sich das gut überlegen, bevor Sie das sehr vorschnell ablehnen.
Ich wundere mich über eines: hier die Interessen des Bundes zu vertreten und dann über die Länder Krokodilstränen zu verschlucken.
- Zu vergießen. Bei Ihnen könnte ich mir bei einer Träne auch ein Verschlucken vorstellen.
Sie haben offensichtlich vergessen, Herr Diller, daß zwei Prozentpunkte bei der Umsatzsteuer an die Länder abgegeben wurden und daß der Bund ein Verbilligungsprogramm bei den Grundstücken aufgelegt hat wie nie zuvor. Ich meine, das ist eine ganze Menge. Wir sind bereit, mit den Ländern darüber noch einmal zu reden. Nur, die Länder sind im Bund-Länder-Finanzausgleich solidarisch, föderal gut bedient worden. Ich meine, es ist nicht Ihre Aufgabe, hier die Interessen der Länder zu vertreten. Es geht vielmehr darum, angesichts der Finanzierungssituation und der jetzigen Herausforderungen die Interessen des Bundes entsprechend wahrzunehmen. Dazu bin ich entschlossen.
Zum Bund-Länder-Finanzausgleich: Es sieht nach Ihrer Rechnung so aus, als ob wir daran noch verdienten. Der Bund bringt dafür immerhin 35 Milliarden DM auf: erstens über die entsprechenden Investitionszuschüsse, zweitens über die Abtretung der Umsatzsteuerpunkte. Die Refinanzierung über den Solidaritätszuschlag macht etwa 26 Milliarden DM aus. Wir übernehmen auch die Bedienung des Erblastentilgungsfonds in der Größenordnung von 26 Milliarden DM.
Das bedeutet ganz klar: Der Bund hat den Löwenanteil der Finanzierung der Herausforderung deutsche Einheit auf sich genommen. Wir mußten das tun, weil wir das nicht scheitern lassen durften. Wir mußten das tun, Herr Metzger, weil 1993 keine lange Hängepartie entstehen durfte, weil die Konjunktur damals nicht gefährdet werden durfte und weil im Ausland kein Zweifel daran aufkommen durfte, daß Deutschland dieses Problem bewältigt. Darum haben wir gehandelt. Es war richtig, und wir stehen dazu. Aber jetzt muß man auch dabei bleiben.
Zu den Mauergrundstücken, meine Damen und Herren, möchte ich nur folgendes sagen: Ich nehme die Aufforderung, uns darüber noch einmal eingehend zu unterhalten, gerne auf. Angesichts der Diskussion im Rechtsausschuß und sehr divergierender Meinungen in allen Fraktionen kann es einzig darum gehen, hier zu einem Ergebnis zu kommen und die
Frage nicht zu lange unbeantwortet zu lassen. Das war der einzige Grund dafür, daß ich versuchte, in die sich gegenseitig blockierenden Haltungen Bewegung hineinzubringen.
Herr Metzger, wenn Sie sich hier als Kommunalpolitiker empfinden, dann müßten Sie über das Föderale Konsolidierungsprogramm sehr dankbar sein; denn es hat den Kommunen immerhin die Gelegenheit gegeben, bis zum Jahre 1995 weitgehend frei von Lasten der deutschen Einheit zu sein. Aber die Situation der Kommunen zu beklagen und zugleich dem Bund Vorwürfe zu machen, das paßt nicht zusammen.
Am Anfang haben Sie ja einen seriösen Eindruck gemacht, Herr Metzger. Nur, wenn ich mir vergegenwärtige, daß Sie gefordert haben, ein bißchen Kohle rüberzurücken, dann muß ich feststellen, daß das ein billiger Schaufensterantrag war. Überdies war er gemein - nicht mir, sondern der Frau Matthäus-Maier gegenüber. Sie wollte doch wieder die Arie vom Jäger 90 singen. Jetzt sind Sie ihr zuvorgekommen - schon wieder eine böse Aktion der GRÜNEN gegen das rot-grüne Bündnis. Mein lieber Herr Metzger, lieber Herr Fischer, so können Sie nicht weitermachen, wer weiß, wo Sie sonst noch landen -
bei mir jedenfalls nicht.
Übrigens wird es, Herr Metzger, in einem Land ohne Sicherheit auch keine Kindergärten geben. Insofern ist es schon eine billige Methode, innere und äußere Sicherheit gegen Kindergärten aufzurechnen.
Ohne die Sicherheit, für die wir gestritten haben und für die wir viel Geld ausgegeben haben, wäre die deutsche Einheit nicht gekommen und wäre die Freiheit in Europa nicht gekommen. Das ist Ihr historischer Irrtum, Herr Metzger, und der Ihrer Freunde.
- Das paßt zu Ihnen, Herr Fischer. Wenn der dann nicht mehr Uhu heißt, können Sie sich dieses Etikett aufkleben.
Meine Damen und Herren, mit der zweiten und dritten Lesung des Bundeshaushalts stellen wir die Finanzpolitik des Jahres 1995 auf eine sichere und solide Grundlage. Gleichzeitig beeinflussen globale Themen unsere Finanzpolitik. Dabei beobachten wir eine Tatsache: Wenn das, was Herr Diller, was Herr
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
Metzger oder gar das, was die Abgeordnete der PDS von sich gegeben hat, richtig wäre, dann müßte doch ein ungeheures Mißtrauen in die Währung Deutschlands herrschen.
Dann müßten Milliarden abfließen, dann müßten Sorgen da sein. Warum kommen denn die Milliarden nach Deutschland, warum ist die D-Mark denn im Moment die stabilste Währung der Welt, warum ist Deutschland die Fluchtburg? Das hängt doch mit Finanzpolitik, mit Währungspolitik, mit Politik, Seriosität und Stabilität als Ganzem zusammen. Das geht doch nicht auf Sie von der Opposition zurück, sondern auf die andere Seite des Hohen Hauses. Darauf sind wir durchaus stolz.
Die Opposition und mancher Kommentator in den Medien stehen im Moment vor der schwierigen Aufgabe, ihre finanzpolitischen Kassandrarufe mit diesen Tatsachen zu vereinbaren. Die Fakten sprechen aber für sich.
Die Finanzpolitik der letzten Jahre ist trotz aller Herausforderungen ein Erfolg. Der richtige Finanzierungsmix für die Einheit wurde gefunden; die Rezession wurde überwunden. Wir haben von Beginn an konsolidiert: Gut zwei Drittel der Nettolast der deutschen Einheit wurden durch Einsparungen und Umschichtungen im Bundeshaushalt bewältigt.
Angesichts der Größe der Aufgaben wurden Steuern als unvermeidbares Mittel vorsichtig und begrenzt erhöht.
Die laufenden Defizite stiegen durch die Einheit nur maßvoll an. Die Entwicklung der Defizite des Bundeshaushalts zeigt die Solidität der Finanzpolitik in Deutschland. Bis auf das Jahr 1993 - das Rezessionsjahr - lagen die tatsächlichen Defizite des Bundeshaushalts immer unter den Erwartungen und Annahmen, im Jahr 1994 um fast 20 Milliarden DM. Die Haushaltsplanung stand stets auf der sicheren Seite. Eine sparsame Bewirtschaftung der Mittel hat dies erreicht.
Von Beginn an haben wir die Belastung der Kapitalmärkte im Auge behalten. Eine Studie der Westdeutschen Landesbank nennt die Zahlen: Die Kapitalmarktbeanspruchung durch die öffentliche Hand hat sich von etwa 200 Milliarden DM 1993 auf 110 Milliarden DM 1994 nahezu halbiert. Die Beanspruchung der privaten Ersparnisse durch den Staat ist von 75 % im Jahre 1993 auf unter 45 % im Jahre 1994 zurückgegangen.
Das zahlt sich jetzt aus. Wir erfüllen die strengen Konvergenzkriterien von Maastricht. Der Internationale Währungsfonds erwartet für 1996 in Deutschland das niedrigste Defizit der G-7-Länder. Beim Abbau der strukturellen Defizite liegen wir mit Japan ebenfalls vorne.
Die internationalen Finanzmärkte bestätigen ihr Vertrauen in die Stabilitätspolitik Deutschlands. In den Währungsturbulenzen ist die D-Mark ein ruhender Pol und ein sicherer Anker des Europäischen Währungssystems - fünf Jahre nach der Öffnung der Mauer und nach einer beispiellosen finanziellen Anstrengung für die neuen Bundesländer.
Die Daten zur Wirtschaftslage unterstreichen dieses positive Bild: Deutschland befindet sich im Aufschwung. 1994 ist das Bruttosozialprodukt real um 2,9 % gewachsen. Im letzten Quartal 1994 lag das Bruttosozialprodukt um 3,5 % über dem Vorjahreswert. Auch für 1995 erwarten wir ein reales Wachstum von 3 %. Für 1996 sieht uns der Internationale Währungsfonds mit einem Realwachstum von 3,5 % sogar an der Spitze der G-7-Länder. Ein für die Finanzplanung unterstelltes Nominalwachstum von 5,5 % in den nächsten Jahren ist realistisch.
Diese Planung steht auf einem soliden Fundament. Das hat auch die Steuerschätzung kürzlich noch einmal bestätigt. Meine Damen und Herren, Sie können diese Zahlen nicht bestreiten; sie stehen in einem diametralen Gegensatz zu dem, was Sie vorher geredet haben.
Wie in allen bisherigen Konjunkturzyklen startete der Aufschwung mit einer starken Steigerung der Exportnachfrage. Inzwischen haben die Ausrüstungsinvestitionen, der Bausektor, das verarbeitende Gewerbe und auch die Dienstleistungen kräftig zugelegt. Die Auftragslage ist gut.
Natürlich birgt ein langfristig niedriger Dollarkurs auch Risiken. Angesichts der sonst günstigen Daten gibt es aber keinen Grund, pessimistisch in die Zukunft zu sehen.
Die Arbeitslosigkeit geht zurück. Zwar ist der Arbeitsmarkt ein Spätindikator, dennoch: Es geht wieder aufwärts. Im Februar haben wir bei den Arbeitslosen einen Rückgang von 216 000 gegenüber dem Vorjahr verzeichnet. Kurzarbeit spielt kaum noch eine Rolle. Die Zahl der offenen Stellen steigt. Mit der durch Umschichtungen finanzierten Neuauflage des Programms für Langzeitarbeitslose in Höhe von 3 Milliarden DM gehen wir bleibende Probleme auf dem Arbeitsmarkt zielgerichtet an.
Die Preise sind stabil. Im Januar und Februar betrug die Preissteigerungsrate 2,3 %. Das sind die niedrigsten Werte seit fast vier Jahren. Für 1995 und 1996 erwartet der Internationale Währungsfonds 2 %.
Diese Erfolge zu festigen und weiter auszubauen, das ist die Aufgabe der nächsten Jahre. In den kommenden Wochen und Monaten müssen die Weichen für eine symmetrische Finanzpolitik gestellt werden. Das heißt, die Konsolidierungspolitik muß fortgesetzt werden, und gleichzeitig muß die im Zuge der Einheit zwangsläufig angestiegene Steuer- und Abgabenlast so rasch wie möglich deutlich gesenkt werden. Staatliche und private Handlungsspielräume müssen weiter gestärkt werden. So schaffen wir es, den Standort Deutschland in der Europäischen Union und auf den Weltmärkten in der Spitze zu halten. Er-
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ster wichtiger Schritt ist die Verabschiedung des Haushalts 1995. Ein zweiter Schritt folgt am Freitag mit der ersten Lesung des Jahressteuergesetzes 1996.
Der Bundeshaushalt hat in diesem Jahr erhebliche Zusatzbelastungen zu verkraften. Dazu gehören der neue Finanzausgleich, die Übernahme der Kosten des Erblastentilgungsfonds und die Finanzierung der Nachfolgeeinrichtungen der Treuhand. Trotz dieser gewaltigen Belastung schließt der Haushalt 1995 nahtlos an das hervorragende Ergebnis des Haushalts 1994 an.
Nach den Beratungen im Haushaltsausschuß hat der Bundeshaushalt 1995 ein Ausgabenvolumen von 477,4 Milliarden DM und kommt mit einer Nettokreditaufnahme von 48,7 Milliarden DM aus. Noch im Sommer letzten Jahres rechneten wir mit einer um 20 Milliarden DM höheren Nettokreditaufnahme. Das ist ein gutes Ergebnis mit den richtigen nationalen und internationalen Signalwirkungen.
Ich danke allen Mitgliedern des Haushaltsausschusses, insbesondere dem neuen Vorsitzenden, dem Kollegen Wieczorek, und den Kollegen Roth und Weng. Ich wollte eigentlich auch Sie, Herr Diller, loben. Nach der heutigen Rede kann ich das allerdings nur in Grenzen tun. Ihre Arbeit im Ausschuß ist viel sachlicher. Aber hier meinen Sie plötzlich, Sie müßten eine besondere Rehabilitationsrede halten. Dabei waren Sie nicht schlechter, als es Frau Matthäus-Maier immer gewesen war; das darf ich Ihnen durchaus sagen.
- Das hat mit Antifeminismus überhaupt nichts zu tun.
Die Ausgabensteigerung liegt nur um 1,3 % über dem Ist-Ergebnis des Vorjahres. Gegenüber dem Soll des Jahres 1994 - darauf hat der Kollege Roth verwiesen - schrumpft der Haushalt sogar um 0,5 %. Mit dieser Steigerungsrate von 1,3 %, die deutlich unter der erwarteten nominalen Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts von gut 5 % liegt, gehen wir einen wichtigen Konsolidierungsschritt, und das ist das Entscheidende. Wir müssen noch über viele Jahre hinweg mit dem Wachstum des Haushalts unter dem Wachstum des nominalen Bruttosozialprodukts liegen, um damit Staatsquote und Verschuldung und letztlich auch Zinsausgabenquote zurückführen zu können.
Schließlich ist es konjunkturgerecht, die Defizite abzubauen und die automatischen Stabilisatoren nach dem Rezessionsjahr 1993 jetzt in Richtung auf eine Defizitreduzierung wirken zu lassen.
Nach der letzten Steuerschätzung zu Beginn dieses Monats wird der Bund dieses Jahr insgesamt 1,8 Milliarden DM mehr an Steuern einnehmen, als im Herbst angenommen. Dabei wird ein leichter Rückgang der eigenen Steuereinnahmen von 0,4 Milliarden DM von der um 2,2 Milliarden DM niedrigeren EU-Abführung überkompensiert.
Die größte Veränderung auf der Ausgabenseite besteht in der Absenkung des Bundeszuschusses an die Bundesanstalt für Arbeit. Die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt erlaubt eine Verminderung um 3,5 Milliarden DM auf nunmehr 8 Milliarden DM. Die Ansätze für Zinsen und zur Bedienung des Erblastentilgungsfonds konnten gesenkt werden. Die Gründe dafür liegen im günstigen Zinsniveau, vor allem aber in einer deutlich niedrigeren Verschuldung 1994 und in einer niedrigeren Schuldenübernahme im Erblastentilgungsfonds.
Addiert man die niedrigere Nettokreditaufnahme 1994 und 1995 und die günstigere Entwicklung im Erblastentilgungsfonds, werden wir Ende des Jahres insgesamt 60 Milliarden DM weniger Schulden auf dem Konto haben, als ursprünglich gedacht.
Die Konsolidierungslinie muß 1996 gehalten werden. Der Ausgabenanstieg muß weiterhin deutlich unter dem Anstieg des nominalen Bruttosozialprodukts bleiben. 1996 sind auf der Einnahmeseite bereits einige Faktoren im Finanzplan berücksichtigt. Dazu gehören die Überlassung von 8,8 Milliarden DM aus dem Mineralölsteueraufkommen an die Länder für die Übernahme des Schienenpersonennahverkehrs. Die wegfallenden Ausgaben für den Schienenpersonennahverkehr werden durch den übernommenen Schuldendienst für die Bahn mehr als ausgeglichen. Dazu kommt das Absinken der Verwaltungseinnahmen gegenüber 1995 um 13 Milliarden DM. Einmalige Einnahmen 1995 vor allem aus Privatisierungen wiederholen sich nicht. Im Finanzplan berücksichtigt ist weiterhin der Anstieg der allein vom Bund zu tragenden EU-Finanzierung.
1996 - das ist unbestritten - wird ein Jahr der Steuerentlastung und ein Jahr der Strukturverbesserung. Für den Bürger werden Entlastungen in einer Größenordnung von 30 Milliarden DM wirksam. Das liegt an der Neuregelung des Existenzminimums und den weiteren Maßnahmen des Jahressteuergesetzes: dem neuen Familienlastenausgleich, dem Wegfall des Kohlepfennigs. Von diesen Entlastungen von insgesamt 30 Milliarden DM entfallen zwei Drittel allein auf den Bund. Daraus ergibt sich für den Bund ein bisher im Finanzplan nicht berücksichtigter Finanzierungsbedarf von etwa 20 Milliarden DM. Auf einen Teil dieser Belastungen sind wir bereits eingestellt. Aber ohne zusätzliche Sparanstrengungen wird es nicht gelingen, die Gesamtsumme im Haushalt unterzubringen.
Die Nettokreditaufnahme wird 1996 etwas höher ausfallen als 1994 und 1995. Das haben wir immer gesagt. Es ist jedoch eine andere Qualität. Würden wir nämlich die Steuerentlastungen nicht durchführen, dann hätten wir eine Nettokreditaufnahme von 40 Milliarden DM im Bundeshaushalt. Ich halte es für vertretbar, 1996 eine Nettokreditaufnahme von 60 Milliarden DM hinzunehmen, wenn gleichzeitig Steuerentlastungen allein vom Bund in der Größenordnung von 20 Milliarden DM finanziert werden.
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
Bei der Bewertung der Nettokreditaufnahme darf eines nicht vergessen werden: Die bei den in der Anfangs- und Übergangsphase der deutschen Einheit entstandenen Sonderinstrumenten angelaufene Verschuldung wird schrittweise in den Bundeshaushalt integriert. Die Nachfolgeeinrichtungen der Treuhand und der Fonds Deutsche Einheit nehmen seit diesem Jahr keine neuen Kredite auf. Die Ausgaben für das Bundeseisenbahnvermögen, rund 8 Milliarden DM, werden ab 1996 voll aus dem Bundeshaushalt getragen. Daraus resultieren erhebliche Entlastungseffekte für den Kapitalmarkt durch den Bund. Eine niedrigere Inanspruchnahme der Kapitalmärkte bedeutet zugleich günstigere Rahmenbedingungen für in- und ausländische private Investoren.
Eine Gesamtschau der Verschuldung verdeutlicht die Entlastung der Kapitalmärkte durch die günstige Defizitentwicklung und die Einbindung von Treuhand und Bahn in den Bundeshaushalt. Wenn man Treuhand und Bahn einbezieht, sind wir 1993 auf 117 Milliarden DM gekommen, 1994 auf 90 Mil-harden DM, kommen wir 1995 auf 55 Milliarden DM und 1996 auf 60 Milliarden DM. Das ist ein beachtlicher Weg nach unten, wie ich meine.
Auch im öffentlichen Gesamthaushalt einschließlich der Sondervermögen zeigt sich eine entsprechende positive Defizitentwicklung. 1993 waren es 190 Milliarden DM, 1994 165 Milliarden DM, 1995 111 Milliarden DM und 1996 etwa 100 Milliarden DM.
Wenn innerhalb von drei Jahren die Defizitentwicklung des öffentlichen Gesamthaushalts von 190 auf etwa 100 Milliarden DM zurückgeht, dann ist das eine eindrucksvolle finanzpolitische Leistung, und daher unser Ansehen im Ausland.
Wir erwarten durch die positive Konjunkturentwicklung 1996 ein Plus von 3 bis 4 Milliarden DM bei den Steuereinnahmen des Bundes. Durch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt benötigt die Bundesanstalt für Arbeit 1996 keine Zuschüsse. Damit werden etwa 7 Milliarden DM frei, und der Erfolg der Konsolidierungspolitik, die rasche Überwindung der Rezession und die daraus resultierende niedrigere Verschuldung kommt uns jetzt zugute.
Die um 60 Milliarden DM niedrigere Verschuldung bis einschließlich 1995 bringt 1996 erhebliche Entlastungen bei den Zinsausgaben in Höhe von über 4 Milliarden DM. Diese Entlastungen ergeben in der Summe etwa 15 Milliarden DM. Damit bleibt die schwierige Aufgabe, etwa 5 Milliarden DM bei der Aufstellung für den Haushalt 1996 noch zu finanzieren.
Ich sage das deswegen, damit Sie auch sehen: Wir sind jetzt natürlich schon wieder mit den Aufgaben für morgen beschäftigt. Sie wollen ja ganz schnell von der Vergangenheit und von den guten Zahlen 1994 und 1995 ablenken, um mit neuen, nicht vorhandenen Löchern Angst bei der Bevölkerung zu schüren. Aber das wird Ihnen nicht gelingen.
Meine Damen und Herren, ausgenommen von Einsparungen und ausgenommen vom Ausgabenmoratorium, auf das der Kollege Roth verwies, sind Existenzminimum und Familienleistungsausgleich. Diese Ausnahme gilt aber nicht für die Kohleverstromung, bei der wir uns jetzt für eine Haushaltsfinanzierung entschieden haben.
Mit dieser Entscheidung, mit dem grundsätzlichen Bekenntnis zu den Leistungen für den Bergbau im Artikelgesetz und dem Angebot zur Finanzierung der Kokskohlenbeihilfe mit einem Anteil von 60 % für den Bund und 40 % für die Länder unterstreichen wir den Willen des Bundes, auch bei den Energiekonsensgesprächen zu einem für alle tragbaren Kompromiß zu kommen.
Nur, meine Damen und Herren, was natürlich hier bei Ihnen auch notwendig ist, bedeutet, sich nicht nur für Kohle einzusetzen, sondern natürlich auch, für etwas geradezustehen, was für unsere nationale und internationale Energiepolitik unabdingbar notwendig ist, nämlich auch Kernenergie in Deutschland und in Europa.
Meine Damen und Herren, lineare Kürzungen über alle Einzelpläne - -
- Ach, wissen Sie, Herr Fischer, wenn Sie ein einziges Mal von Hessen weggingen und sich in ein normales Sakko begeben und z. B. in die Ukraine reisen würden, dann könnte Ihnen der dortige Präsident vielleicht folgendes sagen: Ihr könnt von mir nicht das Abschalten von Tschernobyl verlangen, wenn ich gleichzeitig den Betrieben, die noch produzieren, den Strom abschalten muß,
und wenn ihr mir nicht gleichzeitig helft, an anderer Stelle ein sicheres Kernkraftwerk zu errichten.
Wenn es allmählich dazu kommt, daß von uns nur noch das Kapital kommt, um Kernenergieanlagen in Mittel- und Osteuropa sicherer zu machen oder neue zu bauen, aber andere sie bauen, wäre das eine Politik der GRÜNEN mit verhängnisvollen Auswirkungen für den Standort Deutschland.
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
Meine Damen und Herren, im Jahre 1997 muß ein weiterer Konsolidierungsschritt erfolgen, und die Defizite müssen deutlich gesenkt werden. Für 1998 gilt dies ebenso. Allerdings wollen wir dann eine weitere Senkung der Steuer- und Abgabenlast ins Auge fassen.
Die vereinbarte jährliche Überprüfung des Solidaritätszuschlages kann zu einem positiven Ergebnis kommen, wenn die Weichen in der Haushalts- und Steuerpolitik für 1996 richtig gestellt werden , die Konjunktur den Erwartungen entsprechend verläuft und wenn die Länder die nicht länger für den Finanzausgleich benötigten Umsatzsteuerpunkte an den Bund zurückgeben.
Bereits ab 1995 werden nach neuesten Rechnungen bei den Ländern Mittel frei. Die Zusage, die die Länder im März 1993 in ihrem Gesetzentwurf zur Neuordnung des Länderfinanzausgleichs gegeben haben, gilt jetzt. Dort heißt es wörtlich:
Ändert sich in den Folgejahren die Steuerkraft der Ländergesamtheit auf Grund der tatsächlichen Entwicklung in den neuen Ländern, ist die Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern gemäß Art. 106 Abs. 4 Grundgesetz anzupassen.
Genau darauf kommen wir jetzt zurück.
Meine Damen und Herren, wir brauchen, um Haushalts- und Steuerpolitik auf dem richtigen Gleis zu halten, einen Konsens im Bundestag und im Bundesrat. Wir sind zu einem offenen Gespräch bereit. Es darf nicht darum gehen, nur um die Macht im Staat zu pokern oder einseitig bestimmte Interessen zu vertreten. Wir dürfen nicht unbeweglich auf der Stelle treten. Es geht um einen Kompromiß, um die Formulierung gemeinsamer Interessen für das nächste Jahrzehnt.
Die Bürger verabscheuen kleinkarierten Streit. Sie wollen klare, nachvollziehbare Entscheidungen, die ihnen auch in Zukunft einen qualifizierten Arbeitsplatz, entsprechenden Lohn und entsprechenden Lebensstandard sichern.
Ich fordere alle Seiten dieses Hauses und den Bundesrat auf, unsere Finanzpolitik zu unterstützen. Dann wird es gelingen, die aktuelle konjunkturelle Erholung in eine längere Phase kontinuierlichen wirtschaftlichen Wachstums zu überführen. Damit haben wir gute Chancen, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu sichern und zu modernisieren.
Wenn ich Sie persönlich - was mir leid täte - nicht in jedem Punkt zu überzeugen vermochte, verweise ich doch auf die wahrlich unverdächtige Darstellung in der „Financial Times".
- Sie sollten es ruhig einmal lesen, nicht nur die „taz".
- Der „Bayernkurier" hat die Passage aus der „Financial Times" ebenfalls abgedruckt. Sie können ganz beruhigt sein.
Es heißt dort wörtlich:
Die wirtschaftlichen Konsequenzen der Vereinigung sind schwerwiegend. Aber wieder einmal bewies sich die Kraft der primär an Stabilität ausgerichteten Steuer- und Währungspolitik in Deutschland. Da kann es nicht überraschen, daß die meisten anderen europäischen Währungen wackelig erscheinen. Deutschland setzt nach wie vor das Maß für monetäre und fiskalische Politik. Nur wenige der anderen Länder in Europa oder überhaupt keines scheinen Schritt halten zu können.
Meine Damen und Herren, Ernst Jünger, der morgen hundert Jahre alt wird, antwortete 1990 auf die Frage, ob uns die Wiedervereinigung zu teuer komme:
Wenn dein Bruder vor der Tür steht, läßt du ihn
rein und fragst nicht, was es dich kosten wird.
Ich gratuliere diesem großen Mann.
Wir sind in den bewegenden Jahren von 1990 bis 1995 unseren nationalen und internationalen Aufgaben gerecht geworden.
Ich danke Ihnen.