Rede von
Ulla
Jelpke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Herr Präsident! Meine Damen und Ilerren! Eines der dunkelsten Kapitel in diesem vereinigten Deutschland sind meiner Meinung nach die Menschenrechtsverletzungen im gesamten Bereich der Abschiebepolitik und vor allem in den Abschiebeknästen.
Seit der Grundgesetzänderung sind die Zahlen der Abschiebung um über 300 % gestiegen. „Ausländer raus" war und ist die Parole der Rechtsextremisten, und Innenminister Kanther hält sein Wort, deren Politik zur alltäglichen Praxis werden zu lassen.
In diesen Tagen beginnen die Massenabschiebungen von Bürgerkriegsflüchtlingen, und in der nächsten Woche fällt der Abschiebestopp für Kurdinnen und Kurden. 3 000 bis 5 000 Menschen ausländischer Herkunft befinden sich gegenwärtig in deutschen Gefängnissen in Abschiebehaft, die nichts anderes als Strafhaft ist: meist unter unmenschlichsten Bedingungen in Großraumzellen 23 Stunden unter Verschluß, eine Stunde Hofgang, Besuch wie bei Strafgefangenen, keine Telefonate usw., und wer Geld besitzt, muß für diese Abschiebehaft sogar selbst bezahlen. Weil die Frage der Kosten für Dolmetscher und Dolmetscherinnen zwischen den Behörden hin- und hergeschoben wird, bleibt oft die nötige Rechtsberatung für die Betroffenen aus.
Ulla Jelpke
Auch ich habe eine Rundreise durch die Strafvollzugsanstalten von Sachsen-Anhalt gemacht und mir von vielen Anstaltsleitern auch die Abteilung der Abzuschiebenden zeigen lassen. Ich habe in Sachsen-Anhalt keinen einzigen Abzuschiebenden angetroffen, der wegen einer Straftat dort einsaß. Das trifft auch auf Empörung der Anstaltsleiter und Bediensteten.
Nach den Protestaufständen im vergangenen Sommer - wir alle haben das gesehen und gehört - hat Sachsen-Anhalt folgende Taktik gefahren:
Die Abzuschiebenden werden jetzt jeden Monat in einer anderen Haftanstalt untergebracht - sozusagen rotierend -, damit sie erstens keine Kontakte zu Rechtsanwälten und zweitens keine Kontakte zum befreundeten Umfeld halten können. Ich meine, das wird ganz gezielt gemacht. Gezielt ist vor allen Dingen auch, daß man ihnen nicht helfen will, daß man sie mit ihren Problemen einfach alleine läßt. Das halte ich im wahrsten Sinne des Wortes für einen Skandal.
Zum Schluß noch ein Satz zum Antrag der GRÜNEN: Sie wissen, ihr wißt, 20 Menschen haben in Abschiebehaft ihr Leben beendet, und inzwischen wird von Übergriffen gesprochen. Die Bischofskonferenz ist hier schon erwähnt worden. Der Antrag der GRÜNEN macht mir Probleme, weil er die Abschiebehaft nicht grundsätzlich in Frage stellt, sondern auf drei Monate beschränken will. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Realpolitik darf bei Menschenrechten nicht teilbar sein, meine ich. Deswegen werden wir für keinen einzigen Tag dieser organisierten Unmenschlichkeit stimmen.