Rede von
Eckart
von
Klaeden
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Erlauben Sie mir zunächst einige persönlich gefärbte Bemerkungen. Ich bin der Ansicht, daß der Vollzug der Abschiebehaft sicherlich zu den unangenehmsten und schmerzhaftesten Aufgaben gehört, die die deutsche Innenpolitik zu erfüllen hat. Er ist die Folge des Asylkompromisses, der von der ganz großen Mehrheit dieses Hauses und des Bundesrates beschlossen worden ist.
Ich will zugeben, daß der Asylkompromiß bei mir keine Begeisterung ausgelöst hat und daß mir, falls ich im Bundestag gewesen wäre, die Zustimmung sicherlich schwergefallen wäre.
Ich weiß auch, daß es vielen Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion so geht.
Ich habe viel Verständnis dafür, daß Menschen aus Armut, Hunger oder wegen der Zerstörung ihrer Umwelt oft den einzigen Weg darin sehen, in unser oder ein anderes westeuropäisches Land zu kommen. Ich würde mich in einer solchen Situation sicherlich genauso verhalten.
Andererseits - darauf, meine ich, muß man hier ebenfalls hinweisen - erforderte aber der rasante Anstieg der Asylbewerberzahlen in den Jahren vor dem Asylkompromiß entsprechende Regelungen. Wir konnten und wir können auch heute nicht all diesen Menschen eine Heimstatt bieten. Die Belastungsfähigkeit vor allem der Kommunen und die damit verbundene öffentliche Akzeptanz, die wesentliche Voraussetzung einer Politik in der Demokratie sein muß, wenn sie erfolgreich sein will,
waren auch unter größten Anstrengungen nicht mehr zu erhöhen bzw. zu erreichen.
Ich sage das deshalb am Anfang, weil die Vorbereitung und die Sicherung der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber und derjenigen, die aus anderen Gründen in unser Land gekommen sind und hier kein Bleiberecht erhalten konnten, die notwendige Folge entsprechender ausländer- und asylrechtlicher Verfahren sind. Ein Asylverfahren macht keinen Sinn, wenn im Falle der Ablehnung nicht in der Regel die Abschiebung folgt.
Die Abschiebehaft wird in den Ländern überwiegend durch die Justizvollzugsanstalten als Amtshilfe für die Ausländer- und Polizeibehörden vollzogen. Nach meiner Überzeugung sind die Justizvollzugsanstalten eigentlich nicht der richtige Ort, um Ab-
Eckart von Klaeden
schiebungen zu sichern. Es gibt aber in den Ländern keine Alternative dazu. Ich bin in dieser Frage einer Meinung mit der niedersächsischen Justizministerin Heidi Alm-Merk.
Zum Verfahren will ich zunächst zwei grundsätzliche Bemerkungen machen.
Erstens ist der in der Öffentlichkeit verbreitete Eindruck falsch, als würden alle Asylbewerber, die einen ablehnenden Bescheid bekommen haben, in Abschiebungshaft genommen werden; in Wirklichkeit sind es ungefähr 20 %, nämlich diejenigen, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 57 Ausländergesetz erfüllen. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, wird von unabhängigen Richterinnen und Richtern entschieden. Liegen sie aber vor, muß es auf jeden Fall zur Abschiebungshaft kommen. Deshalb laufen auch die Ausführungen in Nr. 5 des Antrags von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ins Leere, weil dazu eine Änderung des Tatbestandes des § 57 notwendig wäre und nicht eine Ausführungsvorschrift nach § 104 Ausländergesetz.
Zweitens will ich darauf hinweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung die Verhängung von Abschiebungshaft nur dann zulässig ist, wenn mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, daß die Abschiebung der Betroffenen ohne ihre Inhaftierung wesentlich erschwert oder vereitelt würde.
Vor diesem Hintergrund will ich nun auf die einzelnen Anträge eingehen.
Die Abschiebung nach § 57 Abs. 2 Satz 3 Ausländergesetz ist bereits heute unzulässig, wenn feststeht, daß die Abschiebung von dem Ausländer oder der Ausländerin aus nicht von ihnen zu vertretenden Gründen innerhalb der nächsten drei Monate nicht vollzogen werden kann. Dazu gehören auch die rechtlichen, humanitären oder politischen Gründe, die in Nr. 1 des Antrags von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erwähnt sind. Eine Beschränkung der Dauer der Abschiebungshaft auf drei Monate, wie in Nr. 2 gefordert, würde diesem Instrument seine Wirksamkeit nehmen und de facto zu seiner Abschaffung führen. Die Dauer der Abschiebungshaft hängt in der Praxis regelmäßig davon ab, in welchem Zeitraum Heimreisedokumente für den Ausreisepflichtigen beschafft werden können. Bestimmte afrikanische Staaten lassen sich dabei sehr viel Zeit. Die Vernichtung der eigenen Ausweispapiere darf aber nicht de facto zu einem unbefristeten Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland führen.
Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß die durchschnittliche Abschiebehaft je nach Bundesland und Jahr zwischen weniger als einem Monat und sechs Wochen schwankt. Die Ausschöpfung des gesetzlichen Höchstrahmens von 18 Monaten ist in der Praxis ein seltener Ausnahmefall und darüber hinaus auch nur dann zulässig, wenn der Auszuweisende seine Abschiebung durch sein Verhalten verhindert.
Die in Nr. 3 unterstellte Inhaftnahme von nicht haftfähigen Kranken und Verletzten ist nicht belegt. Schwangerschaft und Minderjährigkeit schließen als solche eine Haft zwar nicht aus - das ist richtig -; es gibt jedoch keine Haft, wenn auf Grund der
Schwangerschaft die Abschiebung ausgesetzt wird. Allerdings will ich in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, daß etwa jeder dritte Ausbrecher z. B. aus der Jugendanstalt Hameln in Niedersachsen ein Abschiebungsgefangener ist.
Das bringt mich zu Nr. 4 des Antrags vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Die Tatsache, daß im Gegensatz zur Strafhaft die Abschiebehaft keinen Sanktionscharakter hat, muß auch in der Gestaltung der Abschiebehaft deutlich werden. Man muß der sozialen und psychischen Situation, soweit es geht, Rechnung tragen.
Ich will dabei aber auch darauf hinweisen, daß wir - ich komme sofort zum Ende, Herr Präsident - leider einen unübersehbaren Wandel in der Zusammensetzung der Abschiebungsgefangenen während der letzten Jahre feststellen müssen. Nicht wenige osteuropäische Abschiebungsgefangene haben in ihren Heimatländern schon reichlich Hafterfahrung gehabt oder saßen bei uns bereits in Untersuchungs- oder Strafhaft.
Insbesondere bei jungen Menschen führt die Abschiebehaft zu dem Verhalten, alles auf eine Karte zu setzen - Frau Nickels hat darauf hingewiesen - und ungeachtet der eigenen Unversehrtheit von Leib und Leben der des Betreuungspersonals alles zu riskieren, um dem vorgezeichneten Schicksal noch eine andere Wendung zu geben. Hier findet meiner Ansicht nach die berechtigte Forderung nach Information und einer der besonderen Situation gerecht werdenden Inhaftierung ihre natürliche Grenze.
Es erschreckt mich darüber hinaus, immer wieder zu hören, daß diese Abschiebungshäftlinge im Gegensatz zu den meisten Strafgefangenen oftmals schwerwiegende Verletzungen in Kauf nehmen. Damit korrespondiert eine oftmals wesentlich höhere Fluchtbereitschaft. Entsprechende Sicherheitsmaßnahmen schulden wir deshalb nicht zuletzt auch unserem Personal in den Justizvollzugsanstalten.
Insgesamt meine ich daher, daß die bisherigen Vorschriften zur Abschiebehaft eine angemessene Lösung darstellen, wenn sie durch eine entsprechend angemessene und rechtsstaatliche Vollziehung der Länder gewährleistet werden. Es bleibt aber nach wie vor eine sehr schmerzhafte Aufgabe.
Vielen Dank.