Rede von
Rita
Grießhaber
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Einstieg in die Freistellung für Erziehungsarbeit mit der Einführung des Erziehungsgeldes war grundsätzlich richtig, und Ihre Regierung hat einen richtigen Schritt gemacht.
Aber es wird Sie natürlich nicht überraschen, daß die Vorstellungen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN über die dringend notwendige gesellschaftliche Anerkennung von Erziehungsarbeit wesentlich weitergehen. Wir wollen schon lange den starren Erziehungsurlaub durch die Einführung eines flexiblen Zeitkontos ersetzen. Das heißt konkret: Erziehende - Mütter und Väter - sollen die Möglichkeit haben, sich in den ersten zwölf Lebensjahren ihres Kindes insgesamt drei Jahre für Erziehungsarbeit freistellen zu lassen. Daß das - nebenbei bemerkt - kein Urlaub ist, wissen wohl alle hier.
Diese Freistellung soll nach unseren Vorstellungen nicht starr sein. Wie sich die Eltern das aufteilen, ist ihre Sache: ob daraus eine sechsjährige Halbtagsarbeit, je zur Hälfte für Vater und Mutter wird, eine alleinerziehende Mutter zwölf Jahre dreivierteltags arbeitet mit anteiligem Erziehungsgeld. Die Möglichkeiten sollten so variabel sein, wie die unterschiedlichen Bedürfnisse es erfordern.
Wir wollen mit einer solchen Regelung dazu beitragen, daß die Freistellung keine Frauenangelegenheit bleibt und Männer in die Verantwortung einsteigen. Der Vorschlag von Frau Nolte, beim dritten Jahr des Erziehungsurlaubs eine Flexibilisierung einzuführen, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Natürlich wol-
Rita Grießhaber
len viele Mütter bei der Einschulung mehr Zeit für ihr Kind, aber sie wissen doch auch, daß sie dies brauchen, weil wir nicht einmal funktionierende Halbtagsschulen haben.
Die Finanzierung des Erziehungsurlaubs muß die gesamten drei Jahre umfassen und vom Bund geleistet werden. Wir halten die Anhebung der Einkommensgrenzen für dringend erforderlich und arbeiten für die anstehenden Haushaltsberatungen an entsprechenden Deckungsvorschlägen. Deshalb nenne ich hier keine Beträge.
In der aktuellen Situation geht es aber auch darum, den Frauen, die sich freistellen lassen, die Rückkehr zu einem Arbeitsplatz nicht zu verbauen. Denn der Erziehungsurlaub darf nicht der unfreiwillige Einstieg in den Ausstieg aus dem Erwerbsleben werden.
Er darf kein Instrument sein, mit dem Frauen wieder einmal zurück zu Küche und Kindern gebracht werden. Wir wollen Hilfen für das Leben mit Kindern und keine Sackgassen für Mütter.
Meine Damen und Herren, immer noch haben Frauen und Männer so gut wie keine Möglichkeit, zu wählen, wie sie Beruf und Leben mit Kindern vereinbaren. Die Frauen verzichten auf ein Weiterkommen im Beruf und dürfen dafür nicht doppelt bestraft werden. Das bedeutet auch eine andere Anerkennung bei den Renten. Wir wollen, daß statt der geltenden 75 % Rentenanwartschaft 100 % des jährlichen Durchschnittswertes aller Versicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung anerkannt werden.
Wenn wir die Anerkennung von Erziehungsarbeit wirklich wollen, muß Schluß sein mit der Aufrechnung von Erwerbsarbeit und Erziehungsarbeit.
Wenn Kinder wirklich unsere Zukunft sein sollen, müssen wir auch die entsprechende Politik machen. Und das heißt für mich - ohne Wenn und Aber -: Zeit und Geld für Kinder!
Vielen Dank.