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ID1302501600

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    Plenarprotokoll 13/25 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 25. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. März 1995 Inhalt: Tagesordnungspunkt 12: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die Situation der Kinder und Jugendlichen und die Entwicklung der Jugendhilfe in den neuen Bundesländern - Neunter Jugendbericht - mit der Stellungnahme der Bundesregierung zum Neunten Jugendbericht (Drucksache 13/70) Claudia Nolte, Bundesministerin BMFSFJ 1779 B Dr. Edith Niehuis SPD 1782 B Wolfgang Dehnel CDU/CSU 1784 D Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1786 B Dr. Edith Niehus SPD 1787 C Heinz Lanfermann F.D.P 1789 B Rosel Neuhäuser PDS 1790 C Klaus Riegert CDU/CSU 1792 B Thomas Krüger SPD 1793 D, 1799 B Klaus Riegert CDU/CSU 1794 A Jürgen Türk F.D.P 1796 A Monika Brudlewsky CDU/CSU 1797 C, 1799 C Ursula Mogg SPD 1799 D Kersten Wetzel CDU/CSU 1801 C Klaus Hagemann SPD 1802 D Helmut Jawurek CDU/CSU 1804 C Thomas Krüger SPD 1805 C Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. 1806 B Eckart von Klaeden CDU/CSU 1806 C Tagesordnungspunkt 14: Erste Beratung des von dem Abgeordneten Manfred Müller (Berlin) und der weiteren Abgeordneten der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (§ 116) (Drucksache 13/581) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des von den Abgeordneten Annelie Buntenbach, Kerstin Müller (Köln), Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgeseizes (§ 116) (Drucksache 13/691) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederherstellung der Neutralität der Bundesanstalt für Arbeit bei Arbeitskämpfen (Drucksache 13/715) Rudolf Dreßler SPD 1807 C Andreas Storm CDU/CSU 1809 B Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1810 D Uwe Lühr F.D.P 1811 D Manfred Müller (Berlin) PDS 1812 D Wolfgang Vogt (Düren) CDU/CSU 1813 D Adolf Ostertag SPD 1814 C Rudolf Kraus, Parl. Staatssekretär BMA . 1816 B Tagesordnungspunkt 13: Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (Drucksache 13/204) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Rita Grießhaber und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mehr Zeit und Geld für Kinder (Drucksache 13/711) Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1817 C Walter Link (Diepholz) CDU/CSU 1818 B Hildegard Wester SPD 1819 D Heinz Lanfermann F.D.P. 1821 D Heidemarie Lüth PDS 1823 A Tagesordnungspunkt 15: Antrag der Abgeordneten Cern Özdemir, Christa Nickels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Beschränkung der Ab-schiebungshaft von Ausländerinnen und Ausländern (Drucksache 13/107) Christa Nickels BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1824 A Eckart von Klaeden CDU/CSU 1825 C Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD 1826 D Dr. Max Stadler F.D.P. 1828 B Ulrich Irmer F.D.P 1828 D Ulla Jelpke PDS 1829 D Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär BMI 1830 B Dr. Winfried Wolf PDS 1831 A Dieter Wiefelspütz SPD 1831 B Nächste Sitzung 1831 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 1832* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 1832* C 25. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. März 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Bremen), BÜNDNIS 10. 3. 95 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Blunck, Lilo SPD 10. 3. 95** Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 10. 3. 95** Dr. Däubler-Gmelin, SPD 10. 3. 95 Herta Eichstädt-Bohlig, BÜNDNIS 10.3. 95 Franziska 90/DIE GRÜNEN Eymer, Anke CDU/CSU 10. 3. 95 Genscher, F.D.P. 10. 3. 95 Hans-Dietrich Dr. Glotz, Peter SPD 10. 3. 95 Hanewinckel, Christel SPD 10. 3. 95 Hauser CDU/CSU 10.3. 95 (Rednitzhembach) Hansgeorg Heistermann, Dieter SPD 10. 3. 95 Heym, Stefan PDS 10. 3. 95 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 10. 3. 95 Dr. Jacob, Willibald PDS 10. 3. 95 Kanther, Manfred CDU/CSU 10. 3. 95 Knoche, Monika BÜNDNIS 10. 3. 95 90/DIE GRÜNEN Kunick, Konrad SPD 10. 3. 95 Labsch, Werner SPD 10. 3. 95 Leidinger, Robert SPD 10. 3. 95 Leutheusser- F.D.P. 10. 3. 95 Schnarrenberger, Sabine Limbach, Editha CDU/CSU 10. 3. 95 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 10. 3. 95 Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 10. 3. 95 Dr. Scheer, I Iermann SPD 10. 3. 95* Schmidt (Aachen), SPD 10. 3. 95 Ursula Schumann, Ilse SPD 10. 3. 95 Schwanitz, Rolf SPD 10. 3. 95 Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 10. 3. 95 Christan Dr. Skarpelis-Sperk, SPD 10. 3. 95 Sigrid Sorge, Wieland SPD 10. 3. 95 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Steindor, Marina BÜNDNIS 10. 3. 95 90/DIE GRÜNEN Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 10. 3. 95 Vergin, Siegfried SPD 10. 3. 95 Vosen, Josef SPD 10. 3. 95 Welt, Jochen SPD 10. 3. 95 Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 10. 3. 95 Wohlleben, Verena SPD 10. 3. 95 Zierer, Benno CDU/CSU 10. 3. 95 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 13/28 Drucksache 13/112 Die Fraktion der SPD hat mitgeteilt, daß sie die Anträge „Solidarität mit Salman Rushdie und Appell gegen die Einschränkung von Meinungsfreiheiten", Drucksache 13/548, und „Beteiligung einer Delegation des Deutschen Bundestages an der VN-Konferenz in Berlin vom 23. März bis 7. April 1995", Drucksache 13/315, zurückzieht. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 13/218 Nr. 1 Drucksache 13/218 Nr. 3 Drucksache 13/218 Nr. 4 Drucksache 12/7654 Nr. 3.1 Finanzausschuß Drucksache 13/218 Nr. 13 Drucksache 13/218 Nr. 15 Drucksache 13/218 Nr. 18 Haushallsausschuß Drucksache 13/218 Nr. 21 Drucksache 13/343 Nr. 2.27 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/218 Nr. 22 bis Nr. 56 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 13/218 Nr. 99 Drucksache 13/218 Nr. 101 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 13/218 Nr. 107
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    Rede von Rosel Neuhäuser


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute mit dem Neunten Jugendbericht und der Stellungnahme der Bundesregierung dazu, die eigentlich Gegenstand parlamentarischer Erörterungen in der letzten, also in der 12. Wahlperiode hätte sein sollen. Ich werde hier keine Vermutungen darüber anstellen, warum das nicht der Fall gewesen ist. Allerdings sollte der Bundestag darauf bestehen, daß der folgende, der Zehnte Jugendbericht noch in der 13. Legislaturperiode ins Parlament kommt.
    Es ist vorhin schon mehrfach deutlich geworden, daß die Analyse, die diesem Bericht zugrunde liegt, die realen Situationen einschätzt. Deshalb kann ich es eigentlich nicht verstehen, daß der Kollege Dehnel die Geborgenheit in der ehemaligen DDR derart darstellt. Ich will keine Nostalgie und will auch nichts schönreden. Aber die Zahlen und Fakten, die in diesem Bericht aufgenommen wurden, machen doch eigentlich vieles deutlich.
    Der vorliegende Jugendbericht beschreibt in umfassender Form die Situation der Kinder und Jugendlichen in den neuen Bundesländern. Viele Details werden Gegenstand der Diskussion in den Ausschüssen sein, wie dies auch Frau Niehuis vorhin schon zum Ausdruck brachte. Ich denke, auch wir können uns einbringen, vieles unterstreichen oder anderes deutlich machen und fordern.
    Die Mehrzahl der Daten und Einschätzungen des Berichtes standen bereits Mitte 1993 fest. Auch wenn die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme einen anderen Eindruck zu vermitteln sucht: Die Lage hat

    Rosel Neuhäuser
    sich nicht entspannt - im Gegenteil. Sicher, der Bund hat seit 1990 umfangreiche Mittel für den Kinder- und Jugendbereich in den neuen Bundesländern bereitgestellt, und das Geld ist auch geflossen.

    (Beifall des Abg. Jürgen Türk [F.D.P.])

    Aber effektiver Mitteleinsatz hängt auch und in erster Linie von Konzeptionen ab. Eben da liegt das große Problem der Bundesregierung bzw. des zuständigen Ministeriums.
    Wenn Sie versuchen - so wie es auch im Bericht dargestellt -, in 40 Jahren gewachsene Strukturen, Formen und Instrumente unreflektiert auf eine andere gesellschaftliche Realität zu übertragen, die Sie kaum in Ansätzen verstehen oder verstehen wollen, dann kann das nur ins Auge gehen. Ein Beispiel hierfür sind die in der Stellungnahme hochgelobten Sonderprogramme, nämlich das Aufbauprogramm freier Träger.
    Entsprechend den Vorgaben des Kinder- und Jugendhilfegesetzes wurden z. B. in Thüringen in den letzten Jahren eine Reihe von Angeboten der Jugendhilfe geschaffen. Die hundertprozentige Förderung der Stellen bei einer Vielzahl von kleinen Trägern, Neugründungen und Jugendinitiativen machte es möglich, mit der Entwicklung von dezentralen, pluralen Strukturen in der Jugendarbeit zu beginnen. Engagiert gingen die Mitarbeiter daran, wesentliche Voraussetzungen für langfristig angelegte Angebote, z. B. im Jugendfreizeitbereich, zu schaffen.
    Die Akzeptanz bei den Kindern und Jugendlichen war da, doch die Freude währte nur kurz. Die 1995 auslaufende Förderung bedeutet für viele kleine Träger das gnadenlose Aus.

    (Dr. Edith Niehuis [SPD]: Ja, so ist es!)

    Hier geht mehr kaputt als ein Jugendtreff oder ein Verein.

    (Zustimmung bei der PDS)

    Eben mühsam geschaffene Strukturen brechen zusammen, neue haben kaum Chancen auf Entfaltung.
    Was bleibt, sind Enttäuschung und Frustration bei allen Beteiligten:

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Engagement lohnt sich doch nicht! Auf längere Sicht - die dem Familienministerium aber offensichtlich abgeht - wird der Verlust von Vertrauen in die Politik und die Politiker teurer als eine Fortsetzung der Förderung. Denn was heute an präventiver Jugendarbeit versäumt wird, kostet später beim Reparieren - das wissen wir alle - meist das Doppelte oder das Dreifache.

    (Beifall bei der PDS und der SPD sowie des Abg. Matthias Berninger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Ich hoffe daher inständig, daß es uns gelingt, ein Auslaufen des Aufbauprogramms freier Träger und auch der Maßnahmen nach § 249h des Arbeitsförderungsgesetzes zu verhindern. Jugendpolitik braucht eine kontinuierliche, langfristig gesicherte und großzügige Finanzierung.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Wer in diesem Bereich spart, bezahlt am Ende teuer, mit der Zukunft einer Gesellschaft.
    Der Neunte Jugendbericht macht eines deutlich: Es ist dringend an der Zeit, daß das Bundesministerium seine großen Worte von der „Jugendpolitik, die ein Schwerpunkt der Regierungspolitik bleibt", mit tragfähigen Konzepten und angemessenen finanziellen Mitteln untersetzt. Benötigt wird ein Politikansatz, der Jugendpolitik als gesellschaftliche Querschnittsaufgabe begreift und gestaltet. Niemand erwartet von Frau Bundesministerin Nolte, daß sie die in der Tat komplexen Probleme im Kinder- und Jugendbereich allein mit ihrem Ressort bewältigt. Doch sollten wir zumindest erwarten können, daß die Familienministerin jugendpolitisch relevante Probleme gegenüber ihren Amtskollegen offensiv und nachdrücklich vertritt.

    (Beifall bei der PDS)

    Ein solches Problem sind Ausbildungs- und Arbeitsplätze für Jugendliche. Das ist aus unserer Sicht - wie eben auch schon deutlich geworden - ein jugendpolitisches Schwerpunktthema, das geradezu auf den Nägeln brennt.
    Der Streit zwischen Bund und ostdeutschen Ländern über die Lehrstellenfinanzierung ist in vollem Gange. Bei 10 % mehr Ausbildungssuchenden, 3,7 % weniger Ausbildungsplätzen und einer Bundesregierung, die nicht bereit ist, die Aufgaben der Wirtschaft zur Schaffung von Lehrstellen zu übernehmen, bleiben in diesem Jahr die Erwerbs- und Bildungsbiographien Tausender junger Menschen mit Sicherheit auf der Strecke.
    Sicher können und müssen der Bund und die Länder auch im öffentlichen Dienst Ausbildungsplätze schaffen. Wichtiger ist allerdings, daß der Bund Unternehmen über Steuer- und Finanz- oder auch andere Maßnahmen zur Schaffung von Ausbildungsplätzen motiviert. Es kann doch nicht sein, daß in dem Opel-Werk in Eisenach - ein Beispiel aus meiner Heimat -, das über 2 000 Beschäftigte hat, ganze zehn Ausbildungsplätze für junge Leute zur Verfügung stehen.

    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD - Zuruf von der PDS: Unerhört!)

    Ich muß allerdings zugeben, daß mich der bisherige Umgang der Bundesregierung mit dem Jugendbericht sehr pessimistisch gestimmt hat. Die unglaubliche Blauäugigkeit, Ignoranz und Selbstzufriedenheit, die aus vielen Einschätzungen spricht, ist schon erschreckend, vor allem angesichts der Vielzahl von drängenden Problemen. So kann ich z. B. die „hohe generelle Zufriedenheit mit dem eigenen Leben" nicht konstatieren.

    Rosel Neuhäuser
    Kinder und Jugendliche sind sehr wohl geprägt und auch beeinflußt von der Angst der Eltern vor dem Verlust des Arbeitsplatzes; sie erleben wieder, daß Kritik nicht erwünscht ist - also: „Kopf runter und Mund halten! ". Sie sind weiterhin geprägt von dem Erleben, daß Arbeitslosigkeit Resignation und Isolation bedeutet - teilweise auch Verschuldung der Familie -, und von der Unsicherheit sie umgebender Menschen, vor allem der Frauen und Mädchen, die sich in sinkenden Geburtenraten, einer steigenden Zahl von Sterilisationen, einer Arbeitslosigkeit von über 60 % sowie in der Tatsache ausdrückt, daß Frauen mit 31 % überproportional von Sozialhilfe abhängen. 46 % der Kinder in Ostdeutschland leben in Haushalten, die Sozialhilfe erhalten.
    Der Bericht informiert über einen deutlichen Wertewandel, auf den die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme nicht eingeht. Wir halten deshalb eine Novellierung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes für dringend erforderlich, in der die bisherigen Erfahrungen aus den neuen Bundesländern berücksichtigt werden und in die die entsprechenden ostdeutschen Institutionen und Organisationen einbezogen werden. Wichtig sind hier verbindliche Festlegungen für alle Leistungs- und Aufgabenbereiche der Kinder- und Jugendhilfe.
    Kinder und Jugendliche haben ein Recht darauf, daß ihre speziellen Belange in den bundes-, landes- und kommunalpolitischen Entscheidungen berücksichtigt werden. Sie sind keine Verwaltungsgröße, sondern ein aktiver Teil unserer Gesellschaft. Sie brauchen Freiräume, in denen sie Verantwortung übernehmen können, und reale Chancen auf die Mitgestaltung ihrer Lebensumwelt.
    Wir fordern die Bundesregierung mit allem Nachdruck dazu auf, ihre Stellungnahme zum Neunten Jugendbericht zu überdenken und entsprechende politische Entscheidungen zu treffen. Die Zukunftschancen einer Gesellschaft lassen sich am Umgang mit ihrer Jugend ablesen.
    Danke.

    (Beifall bei der PDS und der SPD)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als nächster hat jetzt der Abgeordnete Klaus Riegert das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Klaus Riegert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung unternimmt erhebliche finanzielle Anstrengungen, um die neuen Länder und ihre Gemeinden in die Lage zu versetzen, eine freie Wohlfahrtspflege und eine freie Jugendarbeit aufzubauen.

    (Thomas Krüger [SPD]: Das stimmt gerade nicht!)

    Verbände, Initiativen und freie Träger sind Rückgrat der Jugendpolitik in einer freien Gesellschaft.

    (Hanna Wolf [SPD]: Das stimmt!)

    Im Gegensatz zur öffentlichen Jugendhilfe als Aufgabenbereich der kommunalen Selbstverwaltung erweist sich der Aufbau pluraler Trägerstrukturen in den neuen Ländern als schwierig. Warum? Freie Träger spielten in der alten DDR keine Rolle. Im Gegensatz zur Vielfalt der Jugendverbände in der alten Bundesrepublik gab es in der DDR neben kirchlichen Verbänden nur die FDJ als Monopolverband, verpflichtet dem Programm und den Beschlüssen der SED. Hier herrschte das Prinzip der „freiwilligen Zwangsmitgliedschaft" . Durch ihr Leben in der DDR waren junge Menschen daran gewöhnt, nicht nur bevormundet und gegängelt, sondern in hohem Maße auch versorgt und betreut zu werden.
    Vor diesem Hintergrund muß der Aufbau der freien Wohlfahrtspflege und einer freien Jugendhilfe gesehen werden. Wesentliche Hilfen wurden den neuen Ländern und Kommunen über den Fonds Deutsche Einheit, das Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost und die kommunale Investitionspauschale geleistet. Darüber hinaus hat der Bund - ich betone: übergangsweise - Angebots- und Leistungslücken von Ländern und Kommunen auch im Sozial-, Kultur-, Sport- und Freizeitbereich durch gezielte Förderprogramme, Zuwendungen und andere Hilfen zu überbrücken und auszufüllen versucht. So enthält der Kinder- und Jugendplan des Bundes kommunale und landesspezifische Fördermaßnahmen für die neuen Bundesländer. Er soll die fachlichen und finanziellen Schwierigkeiten dort überwinden helfen.
    Die 1991 um rund 48 Millionen DM aufgestockten Mittel im Kinder- und Jugendplan hat das Jugendministerium Jahr für Jahr fortgeschrieben. Danach erhalten auch die Jugendverbände einen erheblichen Anteil für zusätzliche Aufgaben in den neuen Bundesländern.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Es ist ein Erfolg, daß ein großer Teil der bislang vom Bund aufgebrachten Sondermittel in den Kinder- und Jugendplan überführt und fortgeschrieben werden konnte. Dies als Verringerung zu bezeichnen ist eine unzulässige Verkürzung der Wahrheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die SPD kennt die korrekten Zusammenhänge.
    Vergleicht man die Fördermittel von 1985 mit dem Volumen 1995, so stellt man fest, daß die Mittel für den Bundesjugendplan um 87 % von 111 Millionen DM auf 208 Millionen DM erhöht wurden. Dies ist mehr als der zwischenzeitliche Zuwachs der Fördersätze.
    Meine Damen und Herren, es stand von vornherein fest, daß die Sondermittel mit zunehmender Leistungsfähigkeit von kommunalen Jugendämtern und Landesjugendbehörden reduziert werden sollten. Dies erfordern schon unsere föderale Verfassung und die korrespondierende Finanzverfassung, die für die Kommunen und die Landesparlamente nicht nur eigenständige Aufgaben, sondern auch die dafür erforderlichen Mittel vorsehen.

    Klaus Riegert
    Mit der von den Ministerpräsidenten der alten und der neuen Bundesländer einheitlich begrüßten Neuordnung des Bund-Länder-Finanzausgleichs ab 1995 ist der Zeitpunkt gekommen, zu dem die neuen Länder nun die Finanzierung ihrer eigenen Aufgaben und Zuständigkeiten zu übernehmen haben. Es geht nicht an, immer neue, zusätzliche Finanzierungsanforderungen an den Bund nachzuschieben, gleichgültig ob mehr Geld für Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit oder Kindergärten gefordert wird.
    Sie vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN offenbaren hier ein gestörtes Verhältnis zu unserer Verfassung.

    (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Immerhin ein Fortschritt, vom Verfassungsfeind zum gestörten Verhältnis!)

    Unsere Hinweise auf die verfassungsgemäße Kompetenzverteilung, auf die Systemwidrigkeit und auf die verfassungsrechtliche Problematik von Sonderprogrammen sind keine - wie Sie in Ihrem Antrag formuliert haben - formalistischen Hinweise und Verweise.
    Auch die Sozialdemokraten haben Probleme mit unserer föderalen Ordnung, da sie immer wieder an der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung vorbei Geld vom Bund fordern.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir werden solche Vorschläge nicht aufgreifen - Herr Fischer, hören Sie ruhig zu -; ganz abgesehen davon sind offensichtlich genügend Finanzmittel vorhanden. Der Magdeburger SPD-Finanzminister Wolfgang Schaefer entdeckte beim Kassensturz 1,4 Milliarden DM in seinem Haushalt, die 1994 nicht ausgegeben wurden. Mit Blick auf die Transfers in die neuen Bundesländer meinte er: Innerhalb von fünf Jahren kann man so viele hundert Milliarden Mark nicht sinnvoll ausgeben. - Ich meine, man könnte sie sinnvoll ausgeben, zumindest einen Teil in der Jugendhilfe. Auch sonst sind genügend sinnvolle Aufgaben vorhanden.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Die Probleme liegen woanders. Die Bereitschaft junger Menschen, sich in Staat und Gesellschaft zu engagieren, ist nach Auskunft des Neunten Jugendberichts nicht sehr verbreitet. Diesen Sachverhalt illustriert folgendes Beispiel: Nachdem ein Haus für die jugendlichen Punks der Stadt zur Verfügung stand, war keiner der Jugendlichen bereit, die Verantwortung zu übernehmen und den Mietvertrag zu unterschreiben oder sich mit den erforderlichen rechtlichen Bestimmungen auseinanderzusetzen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ein Punk, der sich mit rechtlichen Bestimmungen auseinandersetzt, ist keiner! - Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Es gibt zwar Ansätze zur Selbstorganisation, aber noch kommt dem Jugendamt die Rolle des Zugpferdes zu.
    Mit der Bildungsoffensive Ost haben wir ein Projekt zur umfassenden Vermittlung von Wissen und Können für die Sportjugend in den neuen Bundesländern gestartet. Durch eine Fülle von Bildungsveranstaltungen für ehren- und hauptamtliche Helfer in den neuen Ländern hat diese Maßnahme wesentlich zum Aufbau von Sportjugendverbänden beigetragen.
    Die vom Neunten Jugendbericht vorgelegte fachliche Bilanz ist ermutigend. Betrachtet man den heutigen Stand des Aufbaus der Jugendhilfe in den neuen Bundesländern, so kann festgestellt werden, daß strukturell wichtige Rahmenbedingungen für eine KJHG-konforme Jugendhilfe geschaffen wurden. Nach wie vor müssen jedoch zentrale Prinzipien einer präventiven, plural organisierten und an den Interessen der Betroffenen orientierten Jugendhilfe eingefordert werden. Hier sind besonders die Länder und die Kommunen in der Pflicht. Wir werden sie aus dieser Pflicht nicht entlassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)