Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Fischer, ich freue mich ja über Ihren Zwischenruf. Aber ich glaube, manchmal sehen Sie gegenüber mir sogar ganz alt aus.
Ich glaube, in dem Bemühen, hier etwas zum Thema beizutragen, können wir uns alle nur übertreffen, auch unabhängig vom Alter. Ich würde Ihnen vorschlagen, sich öfter auf die Rednerliste setzen zu lassen oder sich vielleicht auch einmal aus Ihrem Sitz heraus zu einer Zwischenfrage zu bemühen - das fällt Ihnen ja sichtlich schwer, wenn man Sie so anschaut -; das wäre dann etwas kommunikativer, als wenn Sie hier immer nur dazwischenreden. Aber das nur am Rande!
Meine Damen und Herren, dieser Neunte Jugendbericht hat natürlich ein strukturelles Problem im Hinblick auf die Zukunft. Er beschäftigt sich - es ist richtig, daß das schon etwas spät ist - mit der Situation in den neuen Ländern. Ich glaube, in Zukunft wird es etwas besser sein, wieder Berichte zu haben, die die Gesamtsituation sehen, allerdings auch - selbst wenn es manchmal schwerfällt - im Vergleich zwischen den alten und den neuen Ländern, damit die Aufgaben für die Politik dann auch richtig beschrieben werden können.
Dabei habe ich das Gefühl, wenn ich mir den letzten Beitrag vor Augen halte, daß es leicht ist, sich hier ans Pult zu stellen und dieses und jenes zu fordern, was die Bundesregierung noch alles tun könnte, und zugleich zu sagen, man solle nicht Politik zu Lasten der jungen und der künftigen Generationen machen. Beides geht natürlich nicht. Man kann nicht auf der einen Seite eine Finanzpolitik kritisieren, die sparen muß, und andererseits lauter Forderungen stellen und der Bundesregierung vorwerfen, sie täte nicht genug. Das ist nicht so ganz die ehrliche Haltung.
Frau Niehuis, das gilt auch für Sie. Ich habe mit Interesse vernommen, was Sie gesagt haben, daß man nämlich die Politik für die Jugendlichen, was die finanziellen Zuwendungen angeht, nicht zu Lasten der Politik für Kinder beschränken solle. Wir haben dieses Thema im nordrhein-westfälischen Landtag in den letzten Jahren mehrfach angemahnt, weil die von der SPD geführte Landesregierung dort im Begriff ist, genau dies zu tun. Also manches, was hier gesagt wird, richtet sich vielleicht eher an die Länderregierungen als an die Bundesregierung.
Meine Damen und Herren, daß Jugendpolitik Zukunftspolitik ist, ist sicher mehr als ein Gemeinplatz, und die Lebensqualität der Familien, in denen Kinder und Jugendliche aufwachsen, ist natürlich zunächst einmal das erste, was wir betrachten sollten.
Erlauben Sie mir, daß ich neben all den kritischen Stimmen, die wir gehört haben, vielleicht auch einmal etwas Positives in diese Debatte einbringe. Da wollen wir zunächst einmal festhalten, daß sich bei allem, was noch zu tun ist, und bei allem, was noch zu kritisieren ist, die Lebenssituation der Menschen und der Familien insgesamt seit dem 1. Juli 1990 auch im Osten qualitativ und materiell entscheidend verbessert hat.
Heinz Lanfermann
Wenn Sie hier kritische Stimmen aufnehmen, an denen natürlich etwas Wahres dran ist, dann möchte ich aber auch sagen, daß sich z. B. allein zwischen 1991 und 1993 der Anteil der Ehepaare mit Kindern, die ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von mehr als 3 000 DM haben, von 25 % auf 68 % erhöht hat. Das Statistische Bundesamt - das sind ganz unverdächtige Zahlen - hat für Alleinerziehende errechnet, daß 59 % zwischen 1 000 und 2 500 DM zur Verfügung haben und 25 % mehr als 2 500 DM. Das ist noch nicht mit dem Durchschnitt im Westen zu vergleichen, aber es zeigt doch, daß wir auf dem richtigen Wege sind. Man muß die Fakten natürlich innerhalb einer vernünftigen Zeitschiene bewerten und darf nicht einfach nur generell Kritik üben, ohne zu sehen, wie die Situation vorher war.
Ich darf auch daran erinnern, um noch etwas Positives zu sagen, daß immerhin das Bildungssystem komplett umgestellt werden mußte. Da ist ein ganz wichtiger Punkt, wenn wir hier über die Situation von Jugendlichen sprechen. Ich bin auch stolz darauf, daß es immerhin liberale Bildungsminister waren, die es geschafft haben, daß die neuen Länder in das gemeinsame Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungssystem im vereinten Deutschland integriert werden konnten.
Meine Damen und Herren, es sind Milliardensummen, die wir auch für Hochschulerneuerungsprogramme und Erhaltungsmaßnahmen in den ostdeutschen Hochschulen ausgegeben haben.
Ich möchte mich jetzt auf ganz wenige Punkte beschränken, weil der Kollege Türk in der nächsten Runde auf die Situation im Osten noch einmal eingehen wird. Ich will nur noch einmal auf das Thema Ausbildungsplätze zurückkommen. Es ist natürlich so, daß man immer den Wunsch hat, es könnte vielleicht noch etwas mehr sein
oder daß jeder wirklich seinen gewünschten Ausbildungsplatz bekommt. Das ist aber nicht einmal im Westen möglich. Es ist ein großer Erfolg, daß man es in den letzten Jahren geschafft hat, in der tatsächlichen Situation die Probleme zu bewältigen.
Frau Kollegin Niehuis, Sie können nicht die Perspektiven, die die Leute an die Wand malen, was Uns droht, in einem Satz bringen zusammen mit dem, was die Bundesregierung tatsächlich getan hat. Es ist ein Unterschied zwischen Perspektiven, selbst wenn sie bedrohlich sind, und dem, was an praktischer Arbeit zunächst einmal geleistet wird. Da zählt das, was getan wird, und nicht das, was Sie für die Zukunft schwarz an die Wand malen.
Meine Damen und Herren, die 440 000 selbständigen Unternehmen, die bis Ende 1993 in Ostdeutschland gegründet worden sind, die 3 Millionen Arbeitnehmer beschäftigen, die 11 000 Unternehmen des
industriellen Mittelstandes mit bis zu 500 Beschäftigten sind natürlich die Punkte, die zählen. Das sind die Ausbildungsplätze, die es tatsächlich gibt und auch auf Dauer gibt.
Ein letztes Wort. Es ist natürlich richtig, daß man in einer Übergangssituation, die wir haben und die natürlich auch länger dauert, durch Arbeitsmarktpolitik und durch Beschaffungsmaßnahmen und Übergangsmaßnahmen natürlich etwas tun muß, damit überhaupt Plätze zur Verfügung stehen. Aber auf Dauer helfen wirklich nur Arbeitsplätze, die sich selbst tragen, die sich am Markt behaupten können, die wirtschaftlich gesund sind. Das sind vornehmlich mittelständische. Es ist unsere Politik, praktisch etwas zu tun, damit sich Arbeitsplätze am Markt behaupten können, die auch wirkliche Zukunftsperspektiven für die Jugend bieten. Auch das ist wichtig. Deswegen wollte ich auch noch etwas Positives in die Debatte einbringen, die leider von der Seite der Opposition meiner Ansicht nach etwas zu negativ geführt worden ist.
Vielen Dank.