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ID1302501200

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    Plenarprotokoll 13/25 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 25. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. März 1995 Inhalt: Tagesordnungspunkt 12: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die Situation der Kinder und Jugendlichen und die Entwicklung der Jugendhilfe in den neuen Bundesländern - Neunter Jugendbericht - mit der Stellungnahme der Bundesregierung zum Neunten Jugendbericht (Drucksache 13/70) Claudia Nolte, Bundesministerin BMFSFJ 1779 B Dr. Edith Niehuis SPD 1782 B Wolfgang Dehnel CDU/CSU 1784 D Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1786 B Dr. Edith Niehus SPD 1787 C Heinz Lanfermann F.D.P 1789 B Rosel Neuhäuser PDS 1790 C Klaus Riegert CDU/CSU 1792 B Thomas Krüger SPD 1793 D, 1799 B Klaus Riegert CDU/CSU 1794 A Jürgen Türk F.D.P 1796 A Monika Brudlewsky CDU/CSU 1797 C, 1799 C Ursula Mogg SPD 1799 D Kersten Wetzel CDU/CSU 1801 C Klaus Hagemann SPD 1802 D Helmut Jawurek CDU/CSU 1804 C Thomas Krüger SPD 1805 C Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. 1806 B Eckart von Klaeden CDU/CSU 1806 C Tagesordnungspunkt 14: Erste Beratung des von dem Abgeordneten Manfred Müller (Berlin) und der weiteren Abgeordneten der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (§ 116) (Drucksache 13/581) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des von den Abgeordneten Annelie Buntenbach, Kerstin Müller (Köln), Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgeseizes (§ 116) (Drucksache 13/691) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederherstellung der Neutralität der Bundesanstalt für Arbeit bei Arbeitskämpfen (Drucksache 13/715) Rudolf Dreßler SPD 1807 C Andreas Storm CDU/CSU 1809 B Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1810 D Uwe Lühr F.D.P 1811 D Manfred Müller (Berlin) PDS 1812 D Wolfgang Vogt (Düren) CDU/CSU 1813 D Adolf Ostertag SPD 1814 C Rudolf Kraus, Parl. Staatssekretär BMA . 1816 B Tagesordnungspunkt 13: Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (Drucksache 13/204) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Rita Grießhaber und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mehr Zeit und Geld für Kinder (Drucksache 13/711) Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1817 C Walter Link (Diepholz) CDU/CSU 1818 B Hildegard Wester SPD 1819 D Heinz Lanfermann F.D.P. 1821 D Heidemarie Lüth PDS 1823 A Tagesordnungspunkt 15: Antrag der Abgeordneten Cern Özdemir, Christa Nickels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Beschränkung der Ab-schiebungshaft von Ausländerinnen und Ausländern (Drucksache 13/107) Christa Nickels BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1824 A Eckart von Klaeden CDU/CSU 1825 C Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD 1826 D Dr. Max Stadler F.D.P. 1828 B Ulrich Irmer F.D.P 1828 D Ulla Jelpke PDS 1829 D Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär BMI 1830 B Dr. Winfried Wolf PDS 1831 A Dieter Wiefelspütz SPD 1831 B Nächste Sitzung 1831 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 1832* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 1832* C 25. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. März 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Bremen), BÜNDNIS 10. 3. 95 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Blunck, Lilo SPD 10. 3. 95** Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 10. 3. 95** Dr. Däubler-Gmelin, SPD 10. 3. 95 Herta Eichstädt-Bohlig, BÜNDNIS 10.3. 95 Franziska 90/DIE GRÜNEN Eymer, Anke CDU/CSU 10. 3. 95 Genscher, F.D.P. 10. 3. 95 Hans-Dietrich Dr. Glotz, Peter SPD 10. 3. 95 Hanewinckel, Christel SPD 10. 3. 95 Hauser CDU/CSU 10.3. 95 (Rednitzhembach) Hansgeorg Heistermann, Dieter SPD 10. 3. 95 Heym, Stefan PDS 10. 3. 95 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 10. 3. 95 Dr. Jacob, Willibald PDS 10. 3. 95 Kanther, Manfred CDU/CSU 10. 3. 95 Knoche, Monika BÜNDNIS 10. 3. 95 90/DIE GRÜNEN Kunick, Konrad SPD 10. 3. 95 Labsch, Werner SPD 10. 3. 95 Leidinger, Robert SPD 10. 3. 95 Leutheusser- F.D.P. 10. 3. 95 Schnarrenberger, Sabine Limbach, Editha CDU/CSU 10. 3. 95 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 10. 3. 95 Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 10. 3. 95 Dr. Scheer, I Iermann SPD 10. 3. 95* Schmidt (Aachen), SPD 10. 3. 95 Ursula Schumann, Ilse SPD 10. 3. 95 Schwanitz, Rolf SPD 10. 3. 95 Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 10. 3. 95 Christan Dr. Skarpelis-Sperk, SPD 10. 3. 95 Sigrid Sorge, Wieland SPD 10. 3. 95 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Steindor, Marina BÜNDNIS 10. 3. 95 90/DIE GRÜNEN Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 10. 3. 95 Vergin, Siegfried SPD 10. 3. 95 Vosen, Josef SPD 10. 3. 95 Welt, Jochen SPD 10. 3. 95 Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 10. 3. 95 Wohlleben, Verena SPD 10. 3. 95 Zierer, Benno CDU/CSU 10. 3. 95 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 13/28 Drucksache 13/112 Die Fraktion der SPD hat mitgeteilt, daß sie die Anträge „Solidarität mit Salman Rushdie und Appell gegen die Einschränkung von Meinungsfreiheiten", Drucksache 13/548, und „Beteiligung einer Delegation des Deutschen Bundestages an der VN-Konferenz in Berlin vom 23. März bis 7. April 1995", Drucksache 13/315, zurückzieht. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 13/218 Nr. 1 Drucksache 13/218 Nr. 3 Drucksache 13/218 Nr. 4 Drucksache 12/7654 Nr. 3.1 Finanzausschuß Drucksache 13/218 Nr. 13 Drucksache 13/218 Nr. 15 Drucksache 13/218 Nr. 18 Haushallsausschuß Drucksache 13/218 Nr. 21 Drucksache 13/343 Nr. 2.27 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/218 Nr. 22 bis Nr. 56 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 13/218 Nr. 99 Drucksache 13/218 Nr. 101 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 13/218 Nr. 107
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    Rede von Matthias Berninger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Was Sie voraussetzen, ist, daß die Mittel so begrenzt sind und daß man nicht beides hätte machen können. Wenn Sie es alternativ diskutieren, sind die freien Trägerstrukturen wichtiger. Das wissen Sie, Aber ich diskutiere es nicht alternativ. Beides hätte gemacht werden müssen, und beides ist halbherzig gemacht worden. Das kritisiere ich auch,
    Das AgAG-Programm an sich war aber nicht so schlecht wie sein Ruf. Das sagen mir zum Teil auch die, die damit gearbeitet haben.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Wenn man mit den Rechten, mit rechtsextremen Jugendlichen redet - ich nehme einmal das Beispiel Zittau -, dann stellt man plötzlich fest, daß es ihnen etwas geholfen hat. Das hat auch dazu geführt, daß weniger Gewalt verübt wurde. Ich lasse mich nicht auf die Frage einengen, ob man das eine oder das andere hätte machen müssen. Beides mit mehr Mitteln, das wäre richtig gewesen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Diskussion, die wir hier führen, ist aber ein bißchen feuilletonistisch; denn wenn wir so weitermachen wie die Bundesregierung zur Zeit, dann hinterlassen wir in beiden Bereichen sozialpolitische Bauruinen. Das, was die Bundesregierung dort angestoßen hat, kann so nicht weitergemacht werden, wenn wir uns hier nicht weiter engagieren. Das ist das Kernproblem, nicht die Frage, welches von den beiden Programmen besser oder schlechter ist.
    Das Gewaltproblem hat für uns natürlich immer dann eine Dimension, wenn wir die Gewalt sehen, z. B. wenn Scheiben eingeschlagen werden oder wenn geprügelt wird. Ich möchte hier auf einen Punkt eingehen, der auch sehr viel mit Gewalt zu tun

    Matthias Berninger
    hat, von dem wir aber gar nicht so viel merken. Der Jugendbericht fragt, wie junge Frauen auf die Einigungssituation reagieren, und er sagt, daß Frauen oft mit Gewalt gegen sich selbst reagieren. Sie kennen das: Eßstörungen, Bulimie, Magersucht. In diesem Bereich gibt es - ich finde, das ist ein großes Problem - kein Engagement, auch kein Programm gegen Aggression und Gewalt, obwohl dieses Problem mindestens genauso wichtig ist. Hier, denke ich, muß die Bundesregierung neue Programme entwickeln. Die Gruppe der Frauen, die dort angesprochen wird, ist mir wirklich sehr wichtig.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der PDS)

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will zur Situation der Frauen in den neuen Bundesländern nicht mehr viel sagen. Was zu diesem Thema am Mittwoch zu hören war, und zwar von allen Fraktionen, macht mir Mut, weil es zeigt, daß wir uns in diesem Parlament nicht damit abfinden, daß Frauen zu den Verliererinnen der Einheit werden. Relativ gesehen sind sie auf jeden Fall die Verliererinnen der Einheit, Ich hoffe einmal, daß die Bundesregierung das merkt und daß sie ihre Politik in diesem Bereich ändert.
    Die Personalsituation in der Jugendarbeit ist angesprochen worden. Jugendarbeit ist nur durch den zweiten Arbeitsmarkt mit Hilfe von ABM-Programmen und Maßnahmen nach dem Arbeitsförderungsgesetz geschaffen worden. Aber auch hier stehen tiefe Einschnitte bevor. Ich will versuchen, das an einem Beispiel zu erläutern. In Ilmenau gibt es ein Kulturzentrum an der Technischen Universität - früher war das ein Studentenklub -, in dem drei Leute arbeiten, die versuchen, gemeinsam mit Menschen aus dem Landkreis, mit Jugendlichen und mit Studenten Jugendarbeit zu machen. Finanziert wurden sie nach dem § 249h des Arbeitsförderungsgesetzes. Niemand ist in der Lage, den notwendigen zehnprozentigen Eigenanteil zu erbringen. Das bedeutet, daß dieses kleine Projekt stirbt. Das sind nur drei von tausend Stellen allein in Thüringen, die gefährdet sind.
    Ich vermute, daß es da wieder brennen wird. Wenn ich mir das anschaue, kann ich die Hitze schon spüren, die dort entsteht, Wenn wir uns hier hinstellen und sagen, das müssen andere lösen, dann wird es, glaube ich, große Probleme geben.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Damit bin ich beim lieben Geld, und damit bin ich auch bei dem Punkt, daß der Kollege Finanzminister nicht anwesend ist. Es ist völlig richtig: Jugendarbeit muß zu einem großen Teil über Kommunen laufen. Aber das Problem ist, daß die Qualität und die Standards von Jugendarbeit nicht so klar definiert sind wie beispielsweise ein Kindergartenplatz, so daß Jugendzentren letzten Endes ganz oft zum Spielball einer kommunalen Haushaltskonsolidierung werden. Ich will nicht mit dem Finger auf andere zeigen; denn Länder und Bund tragen hier nun einmal die Mitschuld. Wie viele Pflichten werden den Kommunen dauernd aufgebürdet? Darf man sich da wundern, wenn die Kommunen von den neuen Pflichtaufgaben erdrückt werden und die Jugendarbeit nicht in den Griff bekommen?
    Es gibt eine Menge Kommunalpolitiker - gerade in den neuen Ländern habe ich viele kennengelernt -, die sich wahnsinnig anstrengen. Es gibt einen breiten Konsens darüber, daß die Jugendarbeit nicht einbrechen darf. Aber es gibt auch eine Finanzsituation bei den Kommunen, die diesen Kurs nicht mehr lange möglich macht. Das müssen wir im Bundestag zur Kenntnis nehmen. Wir müssen Angebote machen und dürfen die Leute nicht im Regen stehenlassen

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung gesagt: Wir müssen für die kommenden Generationen haushaltspolitisch sparen. „Kommende Generationen" ist eines seiner Lieblingsworte. Ich glaube, auch hier hat er wieder eine ideologische Nebelkerze geworfen. Denn was hier tatsächlich passiert - das Zurückfahren von Bundesprogrammen -, ist nicht das Sparen für, sondern das Sparen bei kommenden Generationen. Das ist im doppelten Sinne, wie ich finde, ziemlich ärgerlich. Man sagt den Leuten, die heute unter dieser Sparpolitik zu leiden haben: Wir sparen für eure Zukunft. Zugleich schafft man es aber nicht - das sollten Sie in Ihre Haushaltsberatungen mitnehmen -, kommenden Generationen - jungen Leuten, die heute schon leben -, einen vernünftigen Haushalt für die nächsten Jahre zu hinterlassen. Daran sieht man auch den Widersinn der Finanzpolitik der Bundesregierung.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Der Jugendbericht setzt sich ja nicht nur mit Problemgruppen auseinander, sondern zeichnet auch ein Bild von jungen Leuten. Da wird gesagt, es gebe eine Menge junger Leute, die optimistisch sind und in diesem Einigungsprozeß etwas bewegen wollen. Das ist völlig richtig; das beruhigt mich allerdings nicht, da diese Bundesregierung keine konkreten Angebote dazu macht, wie junge Leute an diesem Einigungsprozeß teilhaben sollen.
    Ich selber mache seit 1989 Politik. Ich kenne Politik nur aus Sicht des vereinten Deutschland. Ich habe das nie vorher gemacht. Ich sehe aber viele meiner Altersgenossinnen und Altersgenossen, die fragen: Was will dieser Bundestag eigentlich von uns? Sie sagen, diese Institution interessiere sie nicht mehr. Die sind nicht politikverdrossen, weil die sehr wohl raffen, was los ist. Die verstehen das. Sie kennen die Probleme; sie sehen, wie mit ihnen umgegangen wird.
    Ich bin also ein bißchen in einer kuriosen Situation, weil ich immer sage, der Bundestag schaffe es noch nicht so richtig - das Kabinett scheint ja sowieso nicht interessiert zu sein -, aber wir müßten mehr Angebote machen. Wir müssen deutlicher die Hand reichen, und wir müssen das konkreter machen. Da

    Matthias Berninger
    sind die Partizipationsangebote, die Sie, Frau Nolte, angesprochen haben, völlig richtig. Das ist ein Weg; aber das ist eben nur einer. Wir sollten uns gemeinsam Gedanken über noch mehr Angebote machen, weil sonst die Wahlbeteiligung noch weiter sinkt, und zwar, wie ich behaupte, ins Bodenlose.
    Wenn der Herr Bundeskanzler von Jugend redet, dann spricht er immer davon, daß man die junge Generation mehr in die Pflicht nehmen müsse. Wenn Herr Schäuble über junge Leute schreibt, dann zeichnet er das Bild des folgsamen konservativen Jugendlichen, den er sich so als Traum vorstellt. Im Kleinen gipfelt das dann in Äußerungen wie der des Kollegen Lintner, der zu Beginn dieser Woche gesagt hat, er finde die Techno-Discos sehr suspekt und wolle den Kids verbieten, in diese Techno-Discos zu gehen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: War er denn da überhaupt schon mal? Das sollte man erst einmal prüfen! Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    - Ich vermute es nicht.
    Es ist Luther zitiert worden, gestern auch Schiller; das fand ich o.k. In diesem Zusammenhang sollten Sie, Frau Nolte, im Kabinett und ich hier im Bundestag aber auch andere zitieren. Ich nehme einmal Pink Floyd. Pink Floyd hat in einem Text geschrieben: „We don't need no education, we don't need no thought control." Das ist Ihre Rolle! Wir sollten nicht die Objektsicht der älteren Herren nach außen verkaufen, sondern dem etwas entgegensetzen und deutlich machen, daß wir eben keine knetbare Masse sind, daß wir auch keine Leute sind, die all das machen, was die älteren Damen und Herren dieses Parlaments ihnen vorschreiben. Vielmehr sollten wir konkret Überlegungen anstellen, wie wir Dinge anders machen wollen.
    Nehmen Sie das auch mit, meine Damen und Herren, wenn wir in der nächsten Woche über den Klima-Gipfel diskutieren.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS und der Abg. Dr. Gisela Babel [F.D.P.])



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort erhält jetzt der Kollege Lanfermann.

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Noch ein Jugendlicher! Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weiblich, jung und schön!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinz Lanfermann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Fischer, ich freue mich ja über Ihren Zwischenruf. Aber ich glaube, manchmal sehen Sie gegenüber mir sogar ganz alt aus.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Ich glaube, in dem Bemühen, hier etwas zum Thema beizutragen, können wir uns alle nur übertreffen, auch unabhängig vom Alter. Ich würde Ihnen vorschlagen, sich öfter auf die Rednerliste setzen zu lassen oder sich vielleicht auch einmal aus Ihrem Sitz heraus zu einer Zwischenfrage zu bemühen - das fällt Ihnen ja sichtlich schwer, wenn man Sie so anschaut -; das wäre dann etwas kommunikativer, als wenn Sie hier immer nur dazwischenreden. Aber das nur am Rande!
    Meine Damen und Herren, dieser Neunte Jugendbericht hat natürlich ein strukturelles Problem im Hinblick auf die Zukunft. Er beschäftigt sich - es ist richtig, daß das schon etwas spät ist - mit der Situation in den neuen Ländern. Ich glaube, in Zukunft wird es etwas besser sein, wieder Berichte zu haben, die die Gesamtsituation sehen, allerdings auch - selbst wenn es manchmal schwerfällt - im Vergleich zwischen den alten und den neuen Ländern, damit die Aufgaben für die Politik dann auch richtig beschrieben werden können.
    Dabei habe ich das Gefühl, wenn ich mir den letzten Beitrag vor Augen halte, daß es leicht ist, sich hier ans Pult zu stellen und dieses und jenes zu fordern, was die Bundesregierung noch alles tun könnte, und zugleich zu sagen, man solle nicht Politik zu Lasten der jungen und der künftigen Generationen machen. Beides geht natürlich nicht. Man kann nicht auf der einen Seite eine Finanzpolitik kritisieren, die sparen muß, und andererseits lauter Forderungen stellen und der Bundesregierung vorwerfen, sie täte nicht genug. Das ist nicht so ganz die ehrliche Haltung.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Frau Niehuis, das gilt auch für Sie. Ich habe mit Interesse vernommen, was Sie gesagt haben, daß man nämlich die Politik für die Jugendlichen, was die finanziellen Zuwendungen angeht, nicht zu Lasten der Politik für Kinder beschränken solle. Wir haben dieses Thema im nordrhein-westfälischen Landtag in den letzten Jahren mehrfach angemahnt, weil die von der SPD geführte Landesregierung dort im Begriff ist, genau dies zu tun. Also manches, was hier gesagt wird, richtet sich vielleicht eher an die Länderregierungen als an die Bundesregierung.
    Meine Damen und Herren, daß Jugendpolitik Zukunftspolitik ist, ist sicher mehr als ein Gemeinplatz, und die Lebensqualität der Familien, in denen Kinder und Jugendliche aufwachsen, ist natürlich zunächst einmal das erste, was wir betrachten sollten.
    Erlauben Sie mir, daß ich neben all den kritischen Stimmen, die wir gehört haben, vielleicht auch einmal etwas Positives in diese Debatte einbringe. Da wollen wir zunächst einmal festhalten, daß sich bei allem, was noch zu tun ist, und bei allem, was noch zu kritisieren ist, die Lebenssituation der Menschen und der Familien insgesamt seit dem 1. Juli 1990 auch im Osten qualitativ und materiell entscheidend verbessert hat.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


    Heinz Lanfermann
    Wenn Sie hier kritische Stimmen aufnehmen, an denen natürlich etwas Wahres dran ist, dann möchte ich aber auch sagen, daß sich z. B. allein zwischen 1991 und 1993 der Anteil der Ehepaare mit Kindern, die ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von mehr als 3 000 DM haben, von 25 % auf 68 % erhöht hat. Das Statistische Bundesamt - das sind ganz unverdächtige Zahlen - hat für Alleinerziehende errechnet, daß 59 % zwischen 1 000 und 2 500 DM zur Verfügung haben und 25 % mehr als 2 500 DM. Das ist noch nicht mit dem Durchschnitt im Westen zu vergleichen, aber es zeigt doch, daß wir auf dem richtigen Wege sind. Man muß die Fakten natürlich innerhalb einer vernünftigen Zeitschiene bewerten und darf nicht einfach nur generell Kritik üben, ohne zu sehen, wie die Situation vorher war.
    Ich darf auch daran erinnern, um noch etwas Positives zu sagen, daß immerhin das Bildungssystem komplett umgestellt werden mußte. Da ist ein ganz wichtiger Punkt, wenn wir hier über die Situation von Jugendlichen sprechen. Ich bin auch stolz darauf, daß es immerhin liberale Bildungsminister waren, die es geschafft haben, daß die neuen Länder in das gemeinsame Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungssystem im vereinten Deutschland integriert werden konnten.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, es sind Milliardensummen, die wir auch für Hochschulerneuerungsprogramme und Erhaltungsmaßnahmen in den ostdeutschen Hochschulen ausgegeben haben.
    Ich möchte mich jetzt auf ganz wenige Punkte beschränken, weil der Kollege Türk in der nächsten Runde auf die Situation im Osten noch einmal eingehen wird. Ich will nur noch einmal auf das Thema Ausbildungsplätze zurückkommen. Es ist natürlich so, daß man immer den Wunsch hat, es könnte vielleicht noch etwas mehr sein

    (Zuruf von der SPD: Es muß!)

    oder daß jeder wirklich seinen gewünschten Ausbildungsplatz bekommt. Das ist aber nicht einmal im Westen möglich. Es ist ein großer Erfolg, daß man es in den letzten Jahren geschafft hat, in der tatsächlichen Situation die Probleme zu bewältigen.
    Frau Kollegin Niehuis, Sie können nicht die Perspektiven, die die Leute an die Wand malen, was Uns droht, in einem Satz bringen zusammen mit dem, was die Bundesregierung tatsächlich getan hat. Es ist ein Unterschied zwischen Perspektiven, selbst wenn sie bedrohlich sind, und dem, was an praktischer Arbeit zunächst einmal geleistet wird. Da zählt das, was getan wird, und nicht das, was Sie für die Zukunft schwarz an die Wand malen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, die 440 000 selbständigen Unternehmen, die bis Ende 1993 in Ostdeutschland gegründet worden sind, die 3 Millionen Arbeitnehmer beschäftigen, die 11 000 Unternehmen des
    industriellen Mittelstandes mit bis zu 500 Beschäftigten sind natürlich die Punkte, die zählen. Das sind die Ausbildungsplätze, die es tatsächlich gibt und auch auf Dauer gibt.
    Ein letztes Wort. Es ist natürlich richtig, daß man in einer Übergangssituation, die wir haben und die natürlich auch länger dauert, durch Arbeitsmarktpolitik und durch Beschaffungsmaßnahmen und Übergangsmaßnahmen natürlich etwas tun muß, damit überhaupt Plätze zur Verfügung stehen. Aber auf Dauer helfen wirklich nur Arbeitsplätze, die sich selbst tragen, die sich am Markt behaupten können, die wirtschaftlich gesund sind. Das sind vornehmlich mittelständische. Es ist unsere Politik, praktisch etwas zu tun, damit sich Arbeitsplätze am Markt behaupten können, die auch wirkliche Zukunftsperspektiven für die Jugend bieten. Auch das ist wichtig. Deswegen wollte ich auch noch etwas Positives in die Debatte einbringen, die leider von der Seite der Opposition meiner Ansicht nach etwas zu negativ geführt worden ist.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Hanna Wolf [SPD]: Der Bericht stand heute im Mittelpunkt!)