Rede von
Dietmar
Schlee
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Ende dieser Aktuellen Stunde noch einige wenige Bemerkungen machen.
Erstens. Ich meine, dies ist eine Debatte zur völligen Unzeit.
Sie ist nicht nur grob unnötig; ich meine, sie ist auch schädlich. Sie schwächt die Position der Bundesregierung, und sie engt den Handlungsspielraum der Bundesregierung auf Monate, wenn nicht noch länger, ein. Das ist meine feste Überzeugung. Eine solche Debatte, lieber Herr Kollege Penner, gehört bestenfalls in den Innenausschuß, aber nicht ins Plenum des Bundestages.
Vorhin wurde von den monatlich 2 000 Asylbewerbern aus Jugoslawien gesprochen. Ich bin nicht sicher, ob solche Debatten das nicht weiter anheizen
und wir demnächst statt 2 000 Anträge im Monat dann 3 000 Anträge im Monat haben.
Zweitens. Eine solche Debatte ist auch deshalb in höchstem Maße problematisch, weil wir es mit einem außerordentlich schwierigen Gesprächspartner zu tun haben. Rest-Jugoslawien, das von der Völkergemeinschaft nicht anerkannt ist, ein Land, das sich weigert, eigene Landsleute aufzunehmen, stellt doch eine völlig neue Dimension der Problematik dar, meine Damen und Herren.
Ich glaube, ein solches Gespräch ist auch schon deshalb dringend notwendig, um den Jugoslawen zu sagen, daß es nicht geht, die eigenen Landsleute nicht aufzunehmen.
- Herr Kollege Schily, wenn hier pausenlos von der völkerrechtlichen Anerkennung die Rede ist, wenn in die Debatte eingeführt wird: „Das wollen die ja nur erreichen", wenn vom Geld die Rede ist, das wir ihnen zahlen sollen, dann treiben wir doch selber die Preise hoch. Auch deshalb brauchen wir eine solche Debatte am allerwenigsten.
Drittens. Ich möchte einige wenige Zahlen nennen. 140 000 Menschen aus Serbien und Montenegro sind in diesem Land. Es ist einfach unerträglich, daß sich ein Staat weigert, diese Leute aufzunehmen. Sie müssen auch einmal überlegen, wie wir gegenüber unseren Bürgern dastehen. Die nehmen nicht einmal die Straffälligen auf, meine Damen und Herren,
Leute, die, was die Brutalität angeht, Gewalttaten in unvorstellbarem Ausmaß gerade in den letzten Wochen und Monaten in diesem Lande verübt haben.
Sie spüren doch, daß da Emotionen hochgehen. Und da stehen wir da und sagen: Mit denen kann man nicht einmal reden, während alle anderen europäischen Staaten - lassen Sie das doch auf der EU- Ebene - in diese Richtung Gespräche führen. Glauben Sie doch nicht, daß sich Rest-Jugoslawien am Ende nicht bewegt, wenn sich die europäischen Staaten auch in diesem Punkt einig sind!
Herr Lippelt, was mich nachhaltig stört, sind Ihre moralisierenden Rundumschläge in den Raum hinein.
Mir gefällt auch nicht das ständige Zurückkeilen, wenn man auf Zahlen hinweist. Wir haben 1992/93 in der Bundesrepublik Deutschland 1,3 Millionen Flüchtlinge aufgenommen, weit mehr als 400 000 aus dem ehemaligen Jugoslawien. Da kann man doch nicht den Eindruck erwecken, als ob da Leute unterwegs seien, die sich dieses Problems nicht gewärtig sind, die nicht bereit sind, dieses Problem zu lösen.
Dietmar Schlee
Was ist da nicht alles von unserer Bevölkerung gemacht worden! Wenn Sie weiter so argumentieren, Herr Lippelt, dann werden wir alle noch mehr an Glaubwürdigkeit verlieren, weil die Menschen in unserem Land der Auffassung sind, daß sie eine ganze Menge gemacht, daß sie sich angestrengt, daß sie humanitäre Hilfe im wahrsten Sinne des Wortes geleistet haben. Wir haben bisher für humanitäre Hilfsaktionen allein in Richtung Jugoslawien rund 600 Millionen DM ausgegeben - mehr als jedes andere Land in Europa und in der Welt. Das wissen doch die Bürger in diesem Land. Dann wollen sie das von uns auch honoriert haben und nicht ständig zusätzliche Nackenschläge einstecken. Das haben unsere Bürger nicht verdient, meine Damen und Herren.
Lassen Sie mich noch eine Bemerkung machen. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Die letzte aber!