Rede von
Eckart
von
Klaeden
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, die Debatte hat gezeigt, daß der Eindruck, den der Antrag zur heutigen Aktuellen Stunde erwecken will, falsch ist, nämlich, daß die Mehrheit dieses Hauses und die Bundesregierung diejenigen, die sich durch Desertation oder Kriegsdienstverweigerung dem völkerrechtswidrigen und abscheulichen Krieg gegen Kroatien und Bosnien entzogen haben, ausliefern und einem ungewissen Schicksal überlassen will. Dieser Eindruck ist falsch.
Ich glaube, es ist selbstverständlich, daß wir die Aggression auf dem Balkan zutiefst verurteilen. Es ist auch selbstverständlich, daß sich diese außenpolitische Bewertung in unserer Flüchtlingspolitik widerspiegelt. Herr Marschewski hat darauf hingewiesen: Die Bundesregierung hat dafür gesorgt, daß mehr Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien in die Bundesrepublik Deutschland haben kommen können als in jedes andere Land in Europa. Auch ist der intendierte Eindruck falsch, daß das Regime in Rest-Jugoslawien ein Interesse an der Rückführung von Kriegsdienstverweigerern oder Deserteuren habe.
Zur Klarstellung gehört meiner Ansicht nach folgendes: Zunächst meine ich, daß diejenigen, die sich dem Kriegsdienst während des völkerrechtswidrigen militärischen Konflikts in Kroatien und Bosnien entzogen haben, und - darauf ist ja heute schon hingewiesen worden - diejenigen, die damals trotz der Androhung der Todesstrafe desertierten, unsere hohe moralische Achtung verdienen. Droht auf Grund dieses Umstandes eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit dieser Personen, so bieten die derzeitigen asyl- und ausländerrechtlichen Bestimmungen - Herr Hirsch hat darauf hingewiesen - ausreichend Möglichkeit, dem gerecht zu werden.
In den Fällen derjenigen Personen aber, die sich in den letzten zweieinhalb Jahren dem Kriegsdienst in der sogenannten Bundesrepublik Jugoslawien entzogen haben, verdient die Entwicklung seit Mitte 1992 besondere Beachtung. Ich will dazu nicht nur auf die Berichte des Auswärtigen Amtes verweisen, sondern auch auf die Erkenntnisse des UNHCR. Dazu ist zunächst festzustellen, daß sich seit dem
Eckart von Klaeden
6. Juni 1992 in Bosnien keine regulären Bodentruppen der jugoslawischen Armee mehr befinden.
- Das können Sie dem Bericht des UNHCR nur entnehmen.
Ende Juni 1993 wurde die Todesstrafe für alle bundesrechtlichen Straftaten - dazu gehören alle Wehrstraftaten - abgeschafft. Etwaige bereits verhängte Todesstrafen durften seitdem nicht mehr vollstreckt werden. Mehrere tausend Fälle von Wehrdienstentziehung sind gegenwärtig bei den für diese Straftat zuständigen Militärgerichten anhängig, ruhen aber in der Regel. Der Staat Rest-Jugoslawien ist weder in der Lage noch willens, mit der Fülle dieser Fälle fertig zu werden; Urteile ergehen nur in Ausnahmefällen.
Das bislang höchste Urteil, das bekannt geworden ist, sind acht Monate Freiheitsentzug gewesen.
Trotz dieser zweifellos eingetretenen Besserung darf nicht verhehlt werden, daß die Menschenrechtssituation im ehemaligen Jugoslawien nach wie vor sehr angespannt ist. Das gilt insbesondere für die Kosovo-Albaner. Die Bundesregierung wird im Falle weiterer Gespräche mit dem Regime Rest-Jugoslawiens daher weiterhin besonders auf die Einhaltung der Menschenrechte zu achten haben. Deswegen will ich zusammenfassen: Wir werden besonders darauf drängen, daß diejenigen Kriegsdienstverweigerer, die zurückkehren, dort nach unseren Begriffen rechtsstaatlich behandelt werden, und wir werden unser besonderes Augenmerk auf diejenigen richten, die sich während des Krieges in Kroatien und Bosnien dem Kriegsdienst entzogen haben, weil sie das organisierte Morden nicht hinnehmen wollten. Für die geäußerten Befürchtungen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN besteht daher kein Anlaß.