Rede von
Erwin
Marschewski
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was hier von den Antragstellern als Gelegenheit für populistische Stimmungsmache genutzt werden soll,
ist in Wirklichkeit zwingende Notwendigkeit einer Außenpolitik, die humanitären Grundsätzen verpflichtet ist und diese auch beachtet, meine Damen und Herren.
Unsere Politik will Verfolgte schützen. Dem dient unser Asylrecht; dem dient auch unser Ausländerrecht. Deswegen haben wir 400 000 Flüchtlinge aufgenommen, mehr als alle Länder Westeuropas zusammen. Das ist keine Stimmungsmache, sondern humanitäre Politik, Politik für die Menschen. Deswegen haben wir gesagt: Wir wollen für Bosnien-Herzegowina einen generellen Abschiebestopp verhängen. Dies haben wir getan.
Wer jedoch die Aufnahmefähigkeit und die Aufnahmebereitschaft Deutschlands für Verfolgte erhalten will, der muß auch prüfen, ob all denen, die in Deutschland Zuflucht gefunden haben, weiterhin ein Bleiberecht gewährt werden kann. Nicht jeder, Herr Kollege, ist Flüchtling, der sich dem Kriegsdienst entzogen hat. Nicht jeder ist Kosovo-Albaner; von denen wissen wir, daß sie besondere Repressalien haben erdulden müssen. Nicht jeder ist politisch Verfolgter oder hat aus sonstigen Gründen eine rechtsstaatswidrige Behandlung zu befürchten.
Vielmehr ist festzustellen: Eine Vielzahl dieser Menschen ist leider wegen der fraglos besseren Lebensbedingungen von Schleppern nach Deutschland gebracht worden. Wir sind uns doch einig: Hier werden die Menschen auf das schäbigste ausgebeutet und in Armut, manchmal sogar in Kriminalität gedrängt. Deswegen müssen wir gerade diesen Schleppergangstern den Kampf ansagen, was wir auch getan haben.
Unter diesen Umständen besteht kein Grund, von Rückführungen generell - auf dieses Wort lege ich die Betonung - abzusehen. Herr Kollege, diese Auffassung wird auch vom Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen ausdrücklich geteilt; dies wurde in einem Gespräch beispielsweise mit mir deutlich. Eine sorgfältige Prüfung im Einzelfall ist hier angebracht. Die Probleme, die Sie lösen wollen, können durch eine Betrachtung im Einzelfall geregelt werden. Wem unmenschliche Behandlung droht, wem Folter oder der Tod droht, der kann nach unserer Rechtslage ohnehin nicht abgeschoben werden. Das tun wir in keinem einzigen Fall.
Was haben wir gemacht? Wir haben gemacht, was Schweden, offensichtlich ein völlig undemokratisches Land, und die Schweiz, offensichtlich ebenfalls ein völlig undemokratisches Land, unternehmen: Wir haben untergeordnete Beamte nach Belgrad geschickt, die sondieren sollen, ob die Möglichkeit besteht, Leuten, denen keine Gefährdung bevorsteht, nach Jugoslawien zurückzubringen. Das sind mehr als 100 000, meine Damen und Herren. Unser Land hat über 500 000 Flüchtlinge aufgenommen. Es wird problematisch, alle Fälle zu regeln.
Ich sage Ihnen: Es ist unsere Pflicht, untergeordnete Beamte dorthin zu schicken, genauso wie es die völkerrechtliche Pflicht Jugoslawiens ist, diese Leute aufzunehmen.
Dies hat mit einer Anerkennung des Systems überhaupt nichts zu tun. Wir erkennen Rest-Jugoslawien nicht an, solange Rest-Jugoslawien Bosnien-Herzegowina und auch andere Gebiete wie z. B. Kroatien nicht mit allen Konsequenzen anerkennt. Uns geht es darum, meine Damen und Herren, Verfolgten Schutz zu gewähren, im Einzelfall zu urteilen und natürlich dafür zu sorgen, daß Aufenthaltsrechte, die wir gewährt haben, auch nicht für illegale Zuwanderung mißbraucht werden. Dies ist eindeutig deutsche Rechtslage, die humanitärste und liberalste Rechtslage in der ganzen Welt, und dies ist natürlich auch unser politischer Wille.
Herzlichen Dank.