Rede von
Dr.
Jürgen
Rüttgers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat sich heute mit dem Entwurf eines Berichtes der Bundesregierung über die Möglichkeit einer Erhöhung der Bedarfssätze nach dem BAföG im Jahre 1995 sowie über einen Änderungsbedarf im Recht der Ausbildungsförderung unter Einbeziehung der beruflichen Aufstiegsfortbildung befaßt. Das Kabinett hat diesem Bericht zugestimmt.
Dieser Bericht, werte Kolleginnen und Kollegen, hat drei inhaltliche Schwerpunkte. Zum einen hat die Bundesregierung die Grundstruktur für ein Gesetz zur Förderung der Aufstiegsfortbildung in diesem Bericht festgelegt. Dieser Bericht ist ein wichtiger Bestandteil der Umsetzung der Koalitionsvereinbarung, in der diese Maßnahme mit dem Ziel angekündigt war, die Gleichwertigkeit von schulischer, beruflicher und akademischer Bildung zu erreichen.
Auch vor dem Hintergrund der Situation auf dem Arbeitsmarkt mißt die Bundesregierung der Förderung der Aufstiegsfortbildung eine große Bedeutung zu. Jede Existenzgründung im Handwerk zieht in den ersten Jahren vier bis fünf neue Arbeitsplätze nach sich. Hinzu kommt, daß im Bereich des Handwerks in den nächsten Jahren ein besonderes Problem dadurch entsteht, daß überdurchschnittlich viele Meisterbetriebe ihr Unternehmen an einen
Nachfolger werden übergeben müssen. Allein im Handwerk suchen etwa 200 000 Handwerksunternehmer in den kommenden Jahren einen Nachfolger.
Die Bundesregierung verspricht sich von diesem Gesetz zur Förderung der Aufstiegsfortbildung eine Entspannung in diesem Bereich. Wir wollen eine Förderungsfähigkeit solcher Teilnehmer an Bildungsmaßnahmen, die sich auf eine Berufstätigkeit als Meister oder als mittlere Führungskraft vorbereiten. Die Förderungsfähigkeit soll von qualitativen und zeitlichen Kriterien abhängig gemacht werden. Damit werden etwa 90 000 Begünstigte erreicht. Es geht um Maßnahmen, die nach der Handwerksordnung durchgeführt werden - z. B. für Handwerksmeister: Fachkaufleute für die Handwerkswirtschaft -, die nach dem Berufsbildungsgesetz erfolgen - etwa für Fachkaufleute, Fachagrarwirte, Industriemeister - oder die nach dem Schulrecht der Länder erfolgen; das betrifft dann staatlich geprüfte Betriebswirte und staatlich geprüfte Techniker.
Beabsichtigt ist die Förderung der Teilnahme an Vollzeit- und Teilzeitmaßnahmen. Dabei ist auch noch zu berücksichtigen, daß die Teilnehmer an Teilzeitmaßnahmen die Maßnahmekosten, die nicht durch die Förderung abgedeckt werden, in der Regel steuerlich absetzen können. Die Förderung der Maßnahmekosten soll als Zuschuß geleistet werden, die Beiträge zu den Lebenshaltungskosten teilweise als Darlehen. Wir stellen uns ein eigenständiges Gesetz vor, das in seinen Grundstrukturen vor dem Hintergrund des angestrebten Ziels der Gleichwertigkeit der verschiedenen Ausbildungswege dem Bundesausbildungsförderungsgesetz nachgebildet werden soll.
Der zweite Komplex dieses Berichtes beschäftigt sich mit der Anhebung der Bedarfssätze und Freibeträge im studentischen Bereich. Der Deutsche Bundestag hat am 16. Juni 1994 die Bundesregierung aufgefordert, die Möglichkeit einer Erhöhung der Bedarfssätze zum Herbst 1995 zu prüfen und ihm darüber bis März 1995 zu berichten. In diesem Bericht wird festgestellt, daß eine Erhöhung der Bedarfssätze sowie eine Änderung der Härteverordnung zur Berücksichtigung besonderer Entwicklungen in den
Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers
neuen Bundesländern zum Herbst 1995 angemessen und möglich ist. Sie wissen, daß ich vorgeschlagen habe, die Bedarfssätze im Rahmen der 17. BAföG- Novelle noch in diesem Jahr um 4 % zu erhöhen. Im übrigen bleibt es dann bei der Beschlußfassung des Deutschen Bundestages aus dem Jahr 1994, wonach auch die Sozialpauschalen sowie die Freibeträge zum Herbst 1995 um 4 % angehoben werden.
Es hat im Vorfeld dieser Beschlußfassung im öffentlichen Raum die Forderung gegeben, eine rückwirkende Anhebung vorzunehmen. Die Bundesregierung sieht keine Möglichkeit zu einer solchen rückwirkenden Anhebung. Es ist allseits bekannt, daß es bei staatlichen Transferleistungen nicht möglich und nicht üblich ist - weder auf Bundesebene noch auf Landesebene -, eine Unterstützung für in der Vergangenheit liegende Zeiträume zu gewähren.
Der dritte Komplex des Berichtes, Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, enthält Vorschläge für eine strukturelle BAföG-Reform. Ich verspreche mir von diesem Bericht, daß es auch im Parlament zu einer grundsätzlichen Debatte über die Weiterentwicklung des BAföG kommt. Mir geht es politisch darum, auch das Bundesausbildungsförderungsgesetz an den Vorstellungen für eine Hochschulreform zu orientieren. Sie wissen, daß es im Jahre 1993 einen weitgehenden Konsens zwischen Bund und Ländern über inhaltliche Punkte einer Strukturreform gegeben hat. Das betrifft etwa die Regelstudienzeiten.
Entsprechend schlagen wir erstens vor, darüber zu diskutieren, daß sich die Förderungshöchstdauer des BAföG an den verkürzten Regelstudienzeiten der Studienreform orientiert. Das bedeutet, für die Universitäten generell neun Semester, für die Fachhochschulstudiengänge acht Semester zugrunde zu legen.
Aus der Gefördertenstatistik 1992 - das ist der zweite Punkt - ergibt sich, daß zur Zeit rund 4 000 Studenten in Zweitstudien gefördert werden, mit einem Gesamtaufwand von 38,5 Millionen DM. Der Beirat für Ausbildungsförderung hat empfohlen, den Rechtsanspruch auf Förderung von Ergänzungs-, Aufbau- und Zusatzstudien aufzugeben. Diese Studiengänge sollten ausschließlich im Rahmen der Graduiertenförderung oder von Stipendienregelungen berücksichtigt werden. Auch dieser Punkt wurde in den Bericht aufgenommen.
Der dritte Punkt befaßt sich mit den Absolventen von Berufsakademien, die da, wo es nach dem Landesrecht möglich ist, auch im Hinblick auf folgende Studien den Fachhochschulabsolventen gleichgestellt werden sollen.
Als weiteren Problempunkt haben wir die Frage der Studienfachwechsler zu berücksichtigen. Die 13. Sozialerhebung des Studentenwerks hat ergeben, daß die Quote der Studienfachwechsler in den alten Ländern derzeit durchschnittlich 20 % beträgt. Die Hochschulrektorenkonferenz hat beschlossen, nach dem zweiten oder dritten Fachsemester eine intensive Studienberatung an den Hochschulen durchzuführen, um dann gegebenenfalls einen Fachrichtungswechsel anzuraten. Es ist deshalb zu prüfen, ob die Förderung nach einem Fachrichtungswechsel künftig vom Ergebnis dieser Beratungen abhängig gemacht werden soll. Wichtig ist auf jeden Fall, daß der Fachrichtungswechsel zu einem möglichst frühen Zeitpunkt stattfindet.
Des weiteren gibt es Vorschläge für Angleichungen zugunsten der Studenten und Schüler in den neuen Ländern. Die Bundesregierung geht davon aus, daß wir damit in den nächsten Wochen und Monaten eine Diskussion über ein Gesamtkonzept zur Ausbildungsförderung führen können. Wir freuen uns auf diese Diskussion auch im Parlament.
Vielen Dank, Herr Präsident.