Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß es auch in einer schwierigen rechtspolitischen Debatte durchaus hilfreich ist, wenn Weltbilder ausgetauscht werden. Dadurch kommt man sich im Ergebnis vielleicht doch wieder etwas näher.
Zunächst einmal möchte ich daran erinnern, daß unser damaliger Justizminister Engelhard bereits in der 11. Legislaturperiode einen Vorschlag zur Reform des Sexualstrafrechts vorgelegt hat. Es wird den geschätzten ehemaligen Kollegen besonders freuen, daß der Durchbruch zu Beginn der 13. Legislaturperiode endlich geschafft zu sein scheint. Ich sehe es genauso optimistisch wie meine Vorredner, daß wir hier bald zu einer vernünftigen und vor allem auch einvernehmlichen Regelung kommen.
Bei allem Verständnis für manches Geplänkel, für manches Hin und Her: Es ist nicht so entscheidend, ob sich der einzelne früher oder später zu einer Meinung durchringt. Bei diesem Punkt ist es vielmehr besonders wichtig, daß man später mit einer breiten Mehrheit einen Konsens findet, um über dieses schwierige Problem nicht in einer Kampfabstimmung mit knapper Mehrheit entscheiden zu müssen.
Tatsächlich ist - das ist dargestellt worden - die jetzige Gesetzeslage unbefriedigend. Die Bestrafung, die jetzt schon mit den Tatbeständen „Nötigung" und „Körperverletzung" möglich ist, privilegiert natürlich trotzdem den Ehemann als Täter. Der Schutz wird zudem nicht allein durch die Höhe der Strafe, über die vorhin etwas gestritten worden ist, gewährleistet, sondern auch durch das Rechtsbewußtsein, das der Gesetzgeber beeinflussen und verändern kann, indem er dieselbe Strafnorm für Taten außerhalb und innerhalb der Ehe vorsieht. Gerade in den Fällen, wo die Ehe eigentlich schon zerstört ist, sich die Partner auseinandergelebt haben und getrennt wohnen, ist es überhaupt nicht mehr einsehbar, warum, wenn es unter dem formalen Dach der noch bestehenden Ehe zu einer Vergewaltigung kommt, dies anders behandelt werden soll.
Richtig ist aber auch, meine Damen und Herren, daß dieser Bereich bei der Strafrechtsreform im Jahre 1973 ausgeklammert worden ist. Die praktischen Erwägungen waren, daß das Strafrecht grundsätzlich kein Mittel zur Lösung zwischenmenschlicher Probleme ist, daß es dafür zumindest wenig geeignet ist.
Diese Grundsätze haben sich ebensowenig geändert wie das Problem, daß jeder staatliche Eingriff in die Ehe immer Gefahr läuft, nicht gerade hilfreich zu sein, sondern auch Möglichkeiten zu verbauen.
Aber - das ist natürlich entscheidend - der Gesetzgeber darf nicht den Anschein erwecken, daß die Rechtsordnung sexuelle Gewalt in der Ehe billigt. Hier den generalpräventiven Charakter des Strafrechts zu stärken und der Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe zum Durchbruch zu verhelfen ist der F.D.P. seit Jahren ein Anliegen. Deswegen begrüße ich es für die F.D.P.-Fraktion ausdrücklich, daß wir alle nun im Grundsatz eine Strafrechtsänderung für notwendig halten.
Meine Damen und Herren, das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ist unteilbar. Es gilt für Frauen wie für Männer, verheiratet oder nicht verheiratet. Es wird also durch die Eheschließung weder beseitigt noch eingeschränkt. Die Politik muß aber zur Kenntnis nehmen, daß neben Ehe und Familie traditioneller Prägung auch viele nichteheliche Lebensgemeinschaften entstanden sind, so daß sich hier auch auf Grund der veränderten gesellschaftlichen Realität eine unterschiedliche Behandlung verbietet.
Bei der Neuregelung wird es insbesondere auf folgende Punkte ankommen.
Die neue Strafvorschrift muß Frauen wie Männer als mögliche Opfer umfassen sowie gleichzeitig einerseits den Besonderheiten der ehelichen Lebensgemeinschaft Rechnung tragen, ohne andererseits die nichteheliche Lebensgemeinschaft zu diskriminieren. Dazu gibt es einige Vorschläge, die bereits angesprochen worden sind. Es gibt hierzu eine schwierige rechtspolitische Debatte. Ich warne ein wenig davor, denjenigen, die die eine oder andere Lösung präferieren, die eher an ein Antrags- oder Widerspruchsrecht denken oder eine Versöhnungsklausel im Auge haben, eine bestimmte Haltung in der Sachfrage an sich zu unterstellen, was die Strafbarkeit angeht.
Hier geht es um eine schwierige rechtspolitische Debatte, die wir im Rechtsausschuß führen werden. Da gibt es keine Geplänkel mit irgendwelchen Entwürfen. Auch der Arbeitskreis der F.D.P. hat sich keineswegs intensiv oder schon abschließend in dieser Legislaturperiode mit diesen speziellen Fragen beschäftigt. Lassen Sie uns das in Ruhe ausdiskutieren. So richtig es einerseits ist, das Opfer in den Mittelpunkt zu stellen, so schwierig kann es werden, ihm das Verfahren an die Hand zu gehen.
Die Ausübung des Drucks kann in bestimmten Fällen nicht nur von dem Täter, sie kann indirekt auch einmal von dem Opfer ausgehen.
Heinz Lanfermann
Wenn der Gesetzgeber eine Strafvorschrift erläßt, muß er auch an die Fälle denken, in denen eventuell ein Mißbrauch der Strafvorschrift möglich wäre, und versuchen, ein Verfahren zu finden, bei dem dies nach Möglichkeit ausgeschlossen wird. Dieser Frage müssen wir uns ebenso ernsthaft stellen.
Die Versöhnungsklausel hat zwar einen guten Sinn - das kann doch gar nicht bestritten werden -, wir sollten aber einmal die Richter fragen, wie sie damit umgehen würden, wer das in der Hand haben,, sollte und was sie eigentlich prüfen würden, wenn sie auf Grund einer solchen Klausel die Strafe mildern oder sogar davon absehen. Hier gibt es eine Fülle von Problemen, meine Damen und Herren, die wirklich gründlich beraten werden müssen, ohne daß dies etwas mit der Grundeinstellung zu tun hat.
Ich darf noch kurz hinzufügen: Auch die Unterscheidung zwischen sexueller Nötigung und Vergewaltigung, wie im Bundesratsentwurf noch vorgesehen, scheint mir in der Tat überholt zu sein. Ich halte sehr viel von dem Vorschlag, hier einen einheitlichen Tatbestand zu schaffen.
Meine Damen und Herren, haben Sie doch ein bißchen mehr Vertrauen in die Richter. So wie an anderer Stelle immer wieder betont wird, daß man auch die weibliche Sprachform benutzen soll: Auch in diesen Fällen werden Richterinnen entscheiden. Also bitte kein grundsätzliches Mißtrauen zwischen den Geschlechtern, wenn es darum geht, ob Richter vielleicht eine größere Bandbreite zur Verfügung haben sollen, wenn es darum geht, solche Taten abzuurteilen.
Wenn man hingeht und sagt: Wir wollen über den Beischlaf hinaus auch die anderen Formen des Eindringens in den Körper gegen den Willen des Opfers mit einbeziehen, dann ist das zunächst einmal von der Systematik her ein Argument dafür, eine Strafnorm zu schaffen, die vom unteren bis zum oberen Rand des Strafmaßes dem Gericht viele Entscheidungsmöglichkeiten gibt. Es ist immer der Einzelfall, der am Ende bestimmt, wie hoch die Strafe ist. Es geht dabei nicht nur, wie hier fälschlich gesagt worden ist, Frau Schewe-Gerigk, um das Vorleben der Frau, sondern um alle Tatumstände. Das Gericht hat alle Umstände zu berücksichtigen.
Es ist auch lobenswert, daß jetzt das Ausnutzen einer hilflosen Lage als weiteres Tatbestandsmerkmal hinzukommt. Natürlich kann der Täter nicht privilegiert werden, der ausgerechnet eine solche Situation nutzt, die es ihm einfacher macht. Deswegen ist sein Verhalten nicht minder strafwürdig.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß wir uns einig werden können. Ich denke, es wird sehr konstruktive, vernünftige Beratungen im Rechtsausschuß geben. Ich freue mich, daß wir hier auf einem guten Weg sind und bald zu Ende kommen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.