Ich meine, daß Ihre Auffassung so nicht richtig ist. Denn der einheitliche Tatbestand, der hier geschaffen werden soll, ist der Tatbestand der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung. Das muß natürlich auch in der Überschrift, in der Bezeichnung deutlich werden. Ich sehe keine Herabsetzung darin, wenn wir sagen, daß ein besonders schwerer Fall immer dann vorliegt, wenn eine Frau vergewaltigt wird, und wenn wir das - ich will das nicht im einzelnen ausführen; das ist schon geschehen - besonders umschreiben und weiter fassen wollen, als das heute im geltenden Recht, bezogen auf die außereheliche Vergewaltigung, der Fall ist.
Ich bin aber auch der Meinung, daß wir bei diesen schwierigen Fragen selbstverständlich das besondere Verhältnis zwischen Täter und Opfer innerhalb bestehender Lebensgemeinschaften mit in die Überlegungen einbeziehen müssen. Denn wir müssen doch immer auch den Gesichtspunkt mit im Auge haben, daß eine von den Partnern erreichte oder angestrebte Lösung eines Konflikts nicht generell durch ein Verfahren vereitelt werden soll.
Deshalb komme ich hier auf die - aus meiner Sicht sensible - Frage zu sprechen, die mit dem Stichwort „Versöhnungsklausel" oder „Antrags-/Widerspruchsrecht" belegt wird. Ich bin der Meinung, daß es hier gute Gründe für verschiedene Ansätze gibt. In den Überlegungen des Justizministeriums ist eine Versöhnungsklausel enthalten, die es dem Gericht ermöglicht, das Strafmaß zu mildern oder ganz von Strafe abzusehen, wenn dies der Aufrechterhaltung der Lebensgemeinschaft dienen kann. Ich darf auch den Gesichtspunkt erwähnen, den Herr Eylmann angesprochen hat, daß nämlich die Ehefrau die Verurteilung ihres Mannes dadurch verhindern kann, daß sie im Strafprozeß von ihrer Möglichkeit Gebrauch macht, die Aussage zu verweigern.
Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch Bedenken gegen das Modell eines Antrags- oder Widerspruchsrechtes der Frau. Denn damit würde sie ja immerhin die Verfahrensherrschaft über einen Verbrechenstatbestand bekommen. Man würde ihr als Opfer die Verantwortung dafür aufbürden, ob es nun zu einem Strafverfahren kommt bzw. dieses weiter durchgeführt wird oder nicht. Und die Gründe für die Ausübung eines Antrags- oder Widerspruchsrechts können durchaus problematisch sein und müssen nicht unbedingt etwas mit einer wünschenswerten Konfliktlösung zwischen den Partnern zu tun haben.
Eine Versöhnungsklausel hätte den Vorteil, daß sie eine flexible Reaktion auf den Einzelfall erlaubt. Die Strafverfolgungsbehörden könnten, wie sie das auch in anderen Konstellationen zu tun haben, prüfen: Wie hat sich das Verhältnis zwischen Täter und Opfer entwickelt? Sollte hier möglicherweise nicht ganz von Strafe abgesehen werden?
Ich sehe - ich habe das soeben zu Beginn dieses Punktes schon betont -, daß es hier um eine sensible Fragestellung geht. Ich glaube, es dient der Sache, wenn wir die Argumente, pro und kontra hinsichtlich der verschiedenen Wege, miteinander erörtern, austauschen, kritisch hinterfragen und dann zu einem gemeinsamen Lösungsweg kommen. Ich bin nicht der Meinung, daß das ganze Vorhaben, wo wir doch jetzt so weit sind, daß wir den grundsätzlichen Konsens erreicht haben, an diesem Punkt scheitern sollte. Deshalb bin ich froh, daß wir mit dieser Debatte heute mit der Umsetzung dieses Konsenses in eine konkrete Regelung beginnen. Ich werde mich dafür einsetzen, daß es hier wirklich zu einer Änderung, einer Regelung in unserem Strafgesetzbuch kommt, die der schwierigen Materie angemessen ist, ihr gerecht wird. Und da bin ich nicht so pessimistisch wie Sie, Frau Schenk, die Sie Beratungen von dreieinhalb Jahren in diesen Fragen vor sich sehen. Ich glaube, soweit waren wir zur Beginn einer Debatte - Sie haben selbst erwähnt, wie oft sie schon geführt worden ist - noch nie. Von daher sind hier ein verhaltener Optimismus und eine gewisse Zuversicht sehr angebracht. Die Bundesregierung wird jedenfalls nach den dort bisher geführten Beratungen alles tun, um zu einer vernünftigen Lösung auch mit einem Entwurf beizutragen.
Vielen Dank.