Rede von
Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Sehr geehrte Herren! Ich begrüße im Namen der Bundesregierung, daß ein breiter Konsens in dem Grundanliegen besteht, den Schutz von Frauen vor Gewalt zu verbessern. Die Bundesregierung hat dies zu Beginn dieses Jahres in ihrer Stel-
Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger lungnahme zu einem Gesetzentwurf des Bundesrates - Ihnen allen als Drucksache vorliegend - zum Ausdruck gebracht.
Weil hier auch auf einige konkrete Einzelheiten des Gesetzentwurfes eingegangen wurde, ist die Debatte mit diesem Bundesratsgesetzentwurf und der Gegenäußerung der Bundesregierung zu Recht in die Öffentlichkeit getragen worden. Seitdem beschäftigen wir uns wieder einmal, aber zum erstenmal in dieser neuen Legislaturperiode, mit diesem Thema.
Das Thema ist also nicht ein Wahlkampfthema oder aus Anlaß von Wahlkämpfen in die Diskussion gekommen - Wahlkämpfe gibt es immer; wenn das nur in diesem Zusammenhang gesehen würde, dürfte man es vielleicht nie aufgreifen -, sondern wir behandeln es aus guten Gründen. Ich begrüße es, daß wir jetzt hier die Gelegenheit haben, uns sehr sachlich darüber zu unterhalten, auf welche Weise hier ein besserer Schutz - auch durch Änderungen im Strafrecht - für Frauen generell erreicht werden kann. Deshalb sollten die Vorwürfe, Wahlkampfgeplänkel zu betreiben, nicht ernsthaft erhoben werden. Zwei Tage vor der Hessen-Wahl sollte wirklich allen klar sein, daß das Thema zu ernst ist, um es in diesen Kontext zu stellen.
Mehrfach ist ein Entwurf angesprochen worden, der im Ministerium der Justiz erarbeitet worden ist. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Deshalb verstehe ich nicht die Geheimnistuerei, die hier von manchen damit verbunden wird.
- Nein; überhaupt nicht. Im Bundesministerium ist ein Entwurf erarbeitet worden, der natürlich jetzt mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Kabinett und mit den beteiligten Ressorts intensiv erörtert wird.
- Hören Sie mal, Sie sind hier in Bonn. Wenn Sie hier etwas zu Papier bringen - egal, wo Sie sind -, haben Sie die Chance bzw. laufen Sie Gefahr, das zwei Tage später in der Presse lesen zu können. Hier wird wirklich ein Nebenkriegsschauplatz eröffnet. Es ist ein ganz normaler Vorgang, daß wir uns innerhalb der Regierung über die Vorstellungen, die in einem Gesetzentwurf enthalten sind, unterhalten und über die einzelnen Fragen der Ausgestaltung intensiv beraten. Daß wir das tun, geht schon aus der Gegenäußerung der Bundesregierung hervor.
Selbstverständlich haben auch wir immer noch die Zahlen in Erinnerung, die eine EMNID-Umfrage vom April 1986 ergeben hat, nämlich daß von 1 261 Personen jede sechste persönlich Fälle kannte, daß Ehemänner ihre Frauen gegen deren Willen mit körperlicher Gewalt oder mit Drohungen zum Geschlechtsverkehr gezwungen hatten.
Von Herrn Eylmann sind die Beratungen angesprochen worden, die darüber in den 70er Jahren stattgefunden haben. Damals ist mit knapper Mehrheit eine Änderung des Strafgesetzbuches abgelehnt worden, mit den bekannten Gründen, die ich nicht wiederholen möchte. Aber ich will hier ganz klar und deutlich sagen: Die Bundesregierung ist sich einig in der Bewertung, daß Gewalt in der Ehe natürlich kein Verhalten ist, das hingenommen werden kann, und daß es sich nicht um ein Kavaliersdelikt handelt.
Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, daß ein mit Drohungen oder körperlicher Gewalt erzwungener Geschlechtsverkehr nicht mit Mitteln des Strafrechts geahndet werden könnte, nur weil dies in der Ehe geschehen ist. Es wurde bereits gesagt, daß bisher nur die Möglichkeit bestand, eine Bestrafung wegen Körperverletzung oder Nötigung vorzunehmen. Das halten wir nicht für ausreichend. Vor allen Dingen halten wir es nicht für richtig, daß eine Vergewaltigung in der Ehe nicht als Vergewaltigung bestraft werden kann; denn - auch das ist in der Stellungnahme der Bundesregierung klar ausgeführt - das Recht der Frau auf sexuelle Selbstbestimmung ist unteilbar. Es wird durch die Entschließung weder beseitigt noch eingeschränkt.
Ich darf jetzt auf die Vorstellungen zu sprechen kommen, die im Bundesjustizministerium dazu bestehen. Zum einen wollen wir einen einheitlichen Straftatbestand schaffen. Wir wollen die Vergewaltigung und die sexuelle Nötigung - das sind die §§ 177 und 178 des Strafgesetzbuches - in einer Strafnorm zusammenfassen, und zwar aus guten Gründen. Wir wollen, daß die sexuelle Nötigung, der sexuelle Mißbrauch mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft werden soll.
Wir sehen vor - deshalb trifft der hier erhobene Vorwurf nicht zu -, daß die Vergewaltigung der Regelfall eines besonders schweren Falles ist. Dafür soll ein Strafrahmen von mindestens zwei und höchstens 15 Jahren gelten. Wir gehen also mit unseren Vorstellungen nicht hinter den Strafrahmen zurück, der im geltenden Recht, nur bezogen auf die Vergewaltigung außerhalb der Ehe, existiert. Ich glaube, es ist wichtig, die beiden Tatbestände in einem Grundtatbestand zusammenzufassen und entsprechende andere Verhaltensweisen mit zu erfassen, Sie haben bereits zu Beginn gesagt, daß das einer der Punkte Ihrer Kritik am Bundesratsentwurf war,