Rede von
Heidemarie
Wieczorek-Zeul
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zum Schluß dieser Debatte vier Anmerkungen machen.
Erstens. Die Debatte heute hat gezeigt, daß es für die Eckpunkte, die der sozialdemokratische Entwurf beinhaltet, eine Mehrheit im Deutschen Bundestag gibt, wenn unabhängig von der Fraktionszugehörigkeit entschieden wird. Wir fordern Sie auf, wenn die endgültige Entscheidung ansteht, dies so zu gestalten, wie es sich heute mehrheitlich im Deutschen Bundestag abgezeichnet hat.
Die zweite Anmerkung bezieht sich noch einmal auf Finanzierungsregelungen.
Ich denke, es ist deutlich geworden, daß alle, die dem Vorschlag der Sozialdemokratischen Partei zustimmen, wollen, daß Frauen nicht zu Bitt- und Antragstellerinnen auf den Gängen von Sozialämtern gemacht werden.
Wir legen darauf deshalb soviel Wert, weil sich Frauen in dieser Situation in einem besonderen Konflikt befinden. Wenn sie auch noch unter Argusaugen in eine solche Situation geschickt werden, dann ist das zutiefst unchristlich, zutiefst unmenschlich. Wir wollen alles dazu beitragen, daß solche Situationen nicht mehr vorkommen.
Ich habe schon vorhin darauf verwiesen und weise jetzt noch einmal darauf: Es gibt eine Reihe von Bundesländern, die - im Vorgriff auf eine Regelung, die hoffentlich auf Bundesebene kommt - eigene Regelungen in dieser Richtung eingeführt haben. Das Land Hessen hat unmittelbar nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes eine Regelung verwirklicht, die es möglich macht, daß den Krankenkassen und damit den Frauen die entsprechenden Finanzmittel erstattet werden. Das war eine Entscheidung zugunsten der Frauen, die nach wie vor gut angenommen wird. Es ist erschreckend, wenn - wie dies die CDU-Landtagsfraktion im hessischen Landtag beantragt hat - solche Finanzmittel gestrichen werden sollen, weil damit Frauen in Not Finanzmittel entzogen werden. Das ist unakzeptabel, nicht hinnehmbar.
Drittens. Bei manchen Kollegen - auch bei einer Kollegin - hat sich ein erschreckendes Frauenbild gezeigt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Geschichte des § 218 - Herr Eylmann ist jetzt nicht mehr da, der hatte da gut reden - ist eine Geschichte der Entwürdigung, der Bevormundung und der Herabsetzung von Frauen.
Wir wollen, daß am Ende dieses Jahrtausends endlich Schluß ist mit dieser Art der Bevormundung, der Entwürdigung und der Abwertung von Frauen.
Manche von Ihnen, die sich fälschlich „Lebensschützer" nennen, haben in Wirklichkeit fundamentalistische Positionen und wollen ihre eigene Gewissensüberzeugung der gesamten Gesellschaft aufzwingen. Das ist entsetzlich.
Wenn man manche von Ihnen hört, dann muß man ja den Eindruck haben, Frauen seien Monster und man müsse die Kinder vor ihnen schützen.
Wie sieht denn die Wirklichkeit in diesem Land aus? Frauen bringen Kinder zur Welt und scheiden dafür aus dem Beruf aus, um die Kinder großzuziehen. Frauen opfern einen Großteil ihrer Karriere und ihrer eigenen Rente. Denn es ist heute immer noch so, daß ihre Rente als Dank für die Kindererziehung am Ende ihres Lebens niedriger ist, verteufelt viel niedriger, als die von Männern. Dafür, daß Sie das tun, haben sie Anerkennung, Lob und gesellschaftliche Finanzierung verdient, nicht Herabwürdigung und Diffamierung.
Es ist eine Beleidigung der Frauen in unserem Land, was ich mir hier heute habe anhören müssen.
Ich bin nicht gewillt, hinzunehmen, daß solche Positionen gegen die Frauen in diesem Lande immer wieder geäußert werden.
- Ich muß Ihnen sagen:
Welcher Mann war jemals in der Situation, wegen der Kindererziehung aus dem Beruf auszuscheiden und eine niedrigere Rente zu bekommen? Die Geschichte in unserem Land und in anderen Ländern zeigt, daß immer die Frauen diese Entscheidung haben treffen müssen.
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Wir wollen dazu beitragen - das ist mein vierter Punkt -, daß es endlich möglich ist, Berufstätigkeit, Familie und Kindererziehung wirklich miteinander zu verbinden, nicht nur, wie bisher, für Männer, sondern auch für Frauen.
Deshalb konstatiere ich: Es gibt im Deutschen Bundestag eine klare Mehrheit dafür, daß das Recht auf Kindergartenerziehung in der terminlichen Festlegung beibehalten und der Zeitdruck, der davon ausgeht, nicht weggenommen wird. Das hat die SPD- Fraktion deutlich gemacht.
Ich appelliere dann aber auch an die christdemokratischen und liberalen Kollegen: Es geht darum, dazu beizutragen, daß er in diesem Jahr verwirklicht werden kann.
Deshalb hat die SPD-Fraktion einen Antrag eingebracht mit dem Ziel, daß sich der Bund an einem Sonderprogramm mit einem Viertel der Kosten beteiligen soll, damit die Finanzmittel den Ländern und Gemeinden zur Verfügung stehen.
Ich sage am Schluß, Herr Finanzminister Waigel: In diesem Land stehen im Zweifelsfall leider Gottes 500 Millionen DM für Fregatten und für andere Rüstungszwecke zur Verfügung.
Tragen Sie endlich dazu bei, daß in unserem Land die Finanzmittel für den Ernstfall eingesetzt werden! Der Ernstfall ist: die Erziehung von Kindern, bezahlbare Wohnungen und Arbeit, auch für alleinerziehende Mütter, damit sie ihre eigene Existenz und die Existenz ihrer Kinder sichern können.
Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.