Rede von
Hubert
Hüppe
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Inzwischen hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, daß „jeder" und „jede Person" auch das menschliche Leben im Mutterleib ist. Das ist nun einmal wissenschaftlich so bewiesen.
Ich wundere mich tatsächlich, daß die PDS und die GRÜNEN beim Embryonenschutzgesetz - da bin ich übrigens Ihrer Meinung - vom menschlichen Leben sprechen, vom Individuum, wie auch Herr Antretter von der SPD; aber wenn es im Mutterleib ist, soll es keinerlei Rechte mehr haben. Das kann nicht richtig sein.
Ich frage auch einmal ganz deutlich Frau Grießhaber: Wenn wir schon so weit sind, daß „Lebensschützer" ein Kampfbegriff wird und etwas Schlechtes ist, was ist denn dann das Gegenteil von „Lebensschützer"? Das Gegenteil von „Lebensschützer" ist „Lebensfeind". Ich wundere mich, daß sich gerade die GRÜNEN selbst nicht mehr als Lebensschützer betrachten. Das macht auch deutlich, welche Auffassung Sie haben.
Meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zur Verfassungswidrigkeit der Fristenregelung festgestellt, daß es zwei verfassungsgemäße Wege gibt, eine Neuregelung der Abtreibung vorzunehmen: zum einen eine Beratungsregelung mit einem umfangreichen Lebensschutzkonzept und zum anderen eine Indikationsregelung, die - so das Bundesverfassungsgericht - deutlicher sein muß als die alte Regelung und außerdem engere Indikationstatbestände aufweisen muß, an deren Feststellung strengere Anforderungen zu stellen sind.
Wir haben uns für den zweiten Weg entschieden, weil wir der Meinung sind, daß sich die Hilfe für die Betroffenen und der strafrechtliche Schutz nicht ausschließen, sondern einander bedingen. Gerade diejenigen, die wie wir die Tötung ungeborener Kinder nicht einfach freigeben wollen, werden in Zukunft mehr gefordert sein, den Betroffenen zu helfen. Dieser Verantwortung stellen wir uns.
Im übrigen sind wir auch der Überzeugung, daß eine Beratungsregelung spätestens dann nicht mehr verfassungskonform ist, wenn z. B. der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz, so wie es aussieht, nicht am 1. Januar 1996 verwirklicht wird. Dies bestätigen auch meine Vorredner von der SPD und der F.D.P. Gerade beim Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz wird die Heuchelei einiger Leute deutlich, die immer proklamieren, sie seien für Hilfe statt Strafe. Denn obwohl der Bund den Ländern deswegen extra mehr Mittel zur Verfügung gestellt hat, werden diese Gelder nicht weitergegeben.
- Entschuldigung, wenn Frau Grießhaber eben behauptet hat, darin seien die Gelder nicht enthalten, muß sie einmal genau nachlesen. Es wird nämlich mit den 7 % genau 1 Milliarde DM mehr zur Verfügung gestellt, als es nach dem Länderfinanzausgleich erforderlich wäre. Wenn für diese 1 Milliarde DM Kindergärten gebaut würden, wären wir schon einen ganzen Schritt weiter; das muß man an dieser Stelle einmal deutlich sagen.
- Regen Sie sich ruhig auf. Das werden Sie jetzt auch noch einmal tun. Ich nenne Ihnen ein Beispiel aus meinem Land; ich komme aus Nordrhein-Westfalen.
- Ein Glück, Herr Fischer. - In meinem Wahlkreis entsteht zur Zeit eine Landesgartenschau mit zig Millionen Landeszuschuß. Aber die Landesregierung hat angeblich kein Geld für Kindergärten. Da frage ich mich: Was ist denn wichtiger, ein Kindergarten oder eine Landesgartenschau? Ich sage: Wichtiger ist der Kindergarten und damit die Hilfe für die Frauen und für die Kinder.
Aber wir wollen auch aus anderen Gründen nicht auf den strafrechtlichen Schutz verzichten, nämlich weil wir der Auffassung sind, daß das Strafrecht, wenn man es nicht gänzlich in Frage stellt, dazu da ist, die Schwächsten in unserer Gesellschaft zu schützen. Und wer ist schwächer als das ungeborene Kind, das noch nicht einmal schreien kann, wenn es verätzt, zerstückelt oder abgesaugt wird? Außerdem verzichten ja auch die anderen ernstzunehmenden Anträge nicht auf Strafe, wenn sie auch erst nach zwölf Wochen greift. Dabei fehlt jede logische Begründung dafür, daß bis zur zwölften Woche das Strafrecht keinen Sinn haben soll, aber bei zwölf Wochen und einem Tag voll greift. Wird da nicht auch bald, wie es die PDS und die GRÜNEN schon tun, die Möglichkeit der Tötung der Ungeborenen bis zur Geburt oder vielleicht sogar, wie es der Philosoph Singer tut, die freie Entscheidung über Leben und Tod bei behinderten Säuglingen sogar nach der Geburt gefordert?
Dies ist im übrigen auch der Grund dafür, daß wir keine eugenische Indikation vorsehen. Aus unserer Sicht stellt die Möglichkeit der Tötung behinderter Kinder bis zur 24. Schwangerschaftswoche, also bis kurz vor der Überlebensfähigkeit außerhalb des Mutterleibes, eine Diskriminierung aller Behinderten dar. Dies ist für uns nicht tolerierbar.
Noch ein Wort zur Strafbarkeit des familiären und sozialen Umfelds, die vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich gefordert wird. Hier wollen jetzt plötzlich nicht nur die SPD, die PDS und die GRÜNEN verfassungswidrig die Männer außen vor halten und aus der Verantwortung nehmen, sondern inzwischen auch die F.D.P., und das, Herr Lanfermann,
Hubert Hüppe
obwohl die Protagonistin der F.D.P. in dieser Frage, Frau Würfel, im Mai letzten Jahres bei der dritten Lesung ausdrücklich erklärt hat, daß darauf nicht verzichtet werden könne, ohne daß eine Beratungsregelung verfassungswidrig sei. Das ist eine grobe Mißachtung wider besseres Wissen des höchsten deutschen Gerichtes und würde aus meiner Sicht automatisch eine neue Klage nach sich ziehen. Ich denke, Sie sollten über diesen Punkt nachdenken.