Rede von
Erwin
Marschewski
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Jetzt möchte ich zu Ende ausführen. Die Zeit eilt auch ein bißchen, lieber Johannes Singer.
Ein zweiter wichtiger Bereich ist der Bereich des Staatsangehörigkeitsrechts. Wir sind uns einig, daß wir dieses Gesetz, aus dem Jahre 1913 stammend, ändern wollen. Wir wollen den Grundcharakter
der Einbürgerungstatbestände ändern. Wir wollen an die Stelle des Ermessens die Anspruchsentscheidung setzen. Wir wollen Erleichterungen der Einbürgerung vornehmen, insbesondere bei den Fristen.
Aber, meine Damen und Herren, wir müssen auch die Gründe für den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit regeln. Wer freiwillig eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, obwohl er dauernd bei uns lebt, oder wer endgültig in sein ursprüngliches Heimatland zurückkehrt, der soll die deutsche Staatsbürgerschaft wieder verlieren.
Meine Damen und Herren, bei der Reform werden wir an zwei bewährten Prinzipien festhalten: am Abstammungsprinzip und an der grundsätzlichen Vermeidung doppelter Staatsangehörigkeit. Denn, meine Meinung: Wer Mitglied unserer staatlichen Gemeinschaft werden will, soll es ohne Wenn und Aber tun. Deutscher Staatsangehöriger zu werden heißt, sich zu dieser Schicksalsgemeinschaft zu bekennen, aus der man nicht nach Belieben ein- und austreten können soll, meine Damen und Herren.
— Ich bin im Gegensatz zu Ihnen zutiefst davon überzeugt, daß die grundsätzliche Gewährung einer doppelten Staatsbürgerschaft die Integration unserer ausländischen Mitbürger im Ergebnis nicht fördert, sondern beschädigen wird.
Meine Damen und Herren, ein dritter Bereich, der die Innenpolitik angeht, ist der Bereich der Reform des öffentlichen Dienstes. Wir sind uns einig: Eine Reform an Haupt und Gliedern tut not. Dabei wissen wir schon jetzt — ich habe Ihre Rede beim letzten Mal natürlich gehört, Herr Kollege Schily —, daß viele Private auch ohne Einbuße öffentliche Aufgaben besser erfüllen können.
Mit einem bin ich wohl nicht einverstanden: mit einer reinen Organisationsprivatisierung. Denn dies führt, das ist die Erfahrung, die ich als Kommunalpolitiker habe, dazu, daß die entsprechenden Vorstandsmitglieder vielleicht eine höhere Gehaltssumme bekommen. Ich kann Ihnen Beispiele aus dem Ruhrgebiet liefern. Ansonsten ändert sich wenig.
Ich bitte in diesem Zusammenhang die Bundesregierung dringend, über den sogenannten Perspektivbericht hinaus ein Reformkonzept „Öffentlicher Dienst 2000" vorzulegen. Hier tut Handeln wirklich not, meine Damen und Herren.
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 377
Erwin Marschewski
Zum Schluß ein Wort zur Parlamentarischen Kontrollkommission oder, genauer, zur Mitwirkung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an der Kontrolle unserer Geheimdienste: Wir wollen Ihre Beteiligung, meine Damen und Herren, an diesen parlamentarischen Gremien. Wir akzeptieren Ihre volle Teilhabe, aber mit allen Rechten und mit allen Pflichten. Hieran hegen wir Erwartungen. Wollen Sie immer noch wie vor zwei Jahren die existierenden Verfassungsschutzbehörden auflösen — ich habe dies gelesen — oder „die kasernierten Polizeieinheiten" — Sie meinen damit Bereitschaftspolizei und Grenzschutz — abschaffen? Wollen Sie immer noch V-Leute verbieten? Wollen Sie immer noch keine Gefängnisstrafe für kriminelle Heranwachsende verhängen, obwohl, Herr Kollege Fischer, diejenigen, die in Frankfurt gerade hundert Autos aufgebrochen haben, nur zu dem Zweck nach Deutschland gebracht worden sind, um diese kriminellen Dinge zu tun? Wollen Sie den Tatbestand des § 129a, Bildung terroristischer Vereinigungen, immer noch streichen, Herr Kollege Fischer? Wollen Sie das immer noch tun?