Das letzte ist ja nicht schlecht, Herr Weng. Aber das andere? Wenn Sie sagen, „Focus" hält Sie für einen sehr einflußreichen — —
— Ach so. Ja, es muß ja nicht alles stimmen, was in dieser Zeitung steht.
Freunde haben mir, als ich ihnen mitteilte, daß ich heute den Ausputzer in der ersten Lesung machen soll, gesagt, es werde mir nicht gelingen, über Borussia Dortmund zu reden. Nun will ich das Wort Borussia Dortmund nicht oft in den Mund nehmen, will aber an dieser Stelle sagen: Ich sehe mit hohem Respekt die Leistungen von Borussia Dortmund.
Ich kann diese Leistungen in keiner Weise — Theo Waigel hat auch über „Halbzeit" gesprochen — mit dem Verein vergleichen, dem der Bundesfinanzminister zuneigt, 1860 München. Vielleicht wird es ja noch besser, lieber Kollege Waigel, aber über Dortmund geht es nicht.
— Ja, letzten Sonntag war schon nicht schlecht.
Ich habe keine Rede mitgebracht, sondern nehme einfach die von Theo Waigel gehaltene Rede und versuche, sie kurz zu kommentieren, wenn es gestattet ist. 46 Seiten war sie lang. Ich glaube, eine so lange Rede haben Sie noch nie gehalten, Herr Bundesfinanzminister, und weniger wäre ganz bestimmt viel besser gewesen. Da helfen dann auch keine Zitate von Dürrenmatt und Kant; das trägt dann alles nicht, das ist dann allenfalls so ein Aperçu. Es ist viel leeres Gerede
dabei gewesen — ein paar gute Worte jedoch auch. Die will ich nun der Fairneß wegen, lieber Kollege Waigel, auch zitieren.
— Ein Satz auf Seite 20 ist es nur; es war wenig, aber dieser Satz muß schon sein.
Sie haben gesagt: „Wir haben in 40 Jahren konsequenter Stabilitätspolitik einen großen Vertrauenskredit in der Welt erworben." Sehr richtig!
— Ja, klatschen Sie mal ruhig, denn von den 40 Jahren hat die SPD 16 Jahre mitregiert, d. h. Ihr ganzes Gerede von früher — als Sie noch in der Opposition waren —, wie schlimm alles ist, was die Sozialdemokraten machen, haben Sie jetzt wieder einkassiert und haben auch diese Leistung anerkannt. Vielen Dank dafür, Herr Waigel.
Antworten auf die wichtigen finanzpolitischen Fragen haben Sie allerdings nicht gegeben. Das ist aber bei der Politik, die Sie in den vergangenen Jahren gemacht haben, auch nicht zu erwarten gewesen. Im Gegenteil, es sind doch immer nur noch inhaltsleere Sprüche, insbesondere wenn ich auf das Thema zu sprechen komme, das viele Kommunalpolitiker in Deutschland interessiert. Wer die Gewerbekapitalsteuer abschaffen will — so wie Sie das vorhaben, Sie haben das angekündigt, und das ist offenbar auch Inhalt der Koalitionsvereinbarung —, der muß wissen, daß er damit die Gewerbesteuer ganz erheblich gefährdet. Das weiß jeder, der sich mit solchen Fragen beschäftigt, vor allem derjenige, der das auch juristisch bewertet.
Dann kommt die Frage: Was kommt denn an die Stelle der Gewerbesteuer, Herr Kollege Waigel? Da gucke ich dann, was Sie zu diesem Thema eigentlich gesagt haben. Der Satz lautet — ich zitiere wieder wörtlich —: „Klar ist, die Gemeinden müssen einen vollen Ausgleich erhalten. Sie sollen auch weiterhin ein Interesse daran haben, die Ansiedlung von Gewerbebetrieben und damit von Arbeitsplätzen zu fördern." So weit, so gut — einverstanden.
Aber was denn nun? Wie denn? Wie geschieht das denn eigentlich? Ich spreche hier nicht nur für sozialdemokratische Kommunalpolitiker oder für grüne Kommunalpolitiker — F.D.P.-Kommunalpolitiker gibt es ja nicht mehr —, sondern auch für CDU/CSU- Kommunalpolitiker.
— Ja, nur wenige, aber aus meiner Sicht noch viel zu viele.
Ich meine: Wenn Sie so etwas als Bundesminister der Finanzen sagen — und zwar auch in Gremien wie Finanzplanungsrat und dergleichen, in denen ja auch
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 363
Dr. Peter Struck
die Gemeinden vertreten sind —, dann müssen Sie, Herr Waigel, schon konkreter werden. Es tut mir leid, man kann nicht einfach sagen: Wir werden irgendwie etwas für die Gemeinden machen. Aber was man konkret machen will, sagt man nicht. Das ist unverantwortlich gegenüber den Kommunalpolitikern in Deutschland.
Der Kollege Metzger — ich habe ihn vorhin gelobt, da war er gerade draußen; ich hoffe, man hat ihm das übermittelt — hat ja schon auf die Konsequenzen hingewiesen. Es kann doch nicht nach dem Motto weitergehen: Der Bund saniert sich zu Lasten der Länder. Und was machen die Länder, und zwar egal, ob sie SPD- oder CDU-regiert sind? Die sanieren sich zu Lasten der Kommunen über ihre kommunalen Finanzausgleichsgesetze. Und den letzten beißen die Hunde — das sind die Gemeinden.
Ich mache Ihnen einen konkreten Vorschlag, Herr Waigel, weil uns dieses Thema noch lange beschäftigen wird. So schnell wird das alles nicht durch Bundestag und Bundesrat gehen. Es wäre gut, wenn Sie neben dem Instrument des Finanzplanungsrates, das ja dafür bestimmt ist, auch die kommunalen Gebietskörperschaften in die Finanzplanung einzubeziehen, einen runden Tisch unter Beteiligung der Gemeinden, des Städtetages und der kommunalen Spitzenverbände einrichteten.
— Sie sollten auch die SPD — durch einen A- Finanzminister oder wen auch immer; darüber können wir ja in Ruhe reden — einbeziehen.
Es wäre jedenfalls gut, wenn wir versuchten, das wichtige Thema „Wie retten wir die Gemeindefinanzen?", urn das es jetzt geht, im Konsens zu lösen. Das wäre gut. Wenn es keinen Konsens gibt, dann muß halt entschieden werden. Aber der erste Ansatz wäre mit Sicherheit der bessere Weg.
— Ja, natürlich. Ich habe nie Probleme, Herr Weng, Vorschläge zu machen.
— Nein, nein. Ich habe manche Rede im Deutschen Bundestag — in diesem Plenarsaal, im Wasserwerk und in dem alten Plenarsaal — zu dem Thema Gewerbesteuer gehalten. Ich bleibe dabei, daß ein Satz immer gilt: Die Gewerbesteuer ist die Säule des gemeindlichen Finanzsystems. Wenn ich die wegbreche, muß ich eine andere Säule errichten. Sonst geht überhaupt nichts mehr in Deutschland.
Herr Kollege Waigel, Sie haben sich in Ihrer Rede auch an die von uns regierten Länder gerichtet. Ich stelle hier einmal mit Stolz fest: Es gibt 16 Bundesländer in der Bundesrepublik Deutschland, und in
14 Ländern regiert die SPD mit. In den zwei Bundesländern, in denen wir noch nicht regieren, kann sich das auch noch ändern.
Manchmal dauert das etwas länger, aber es kann ja passieren.
Wir stellen zehn Ministerpräsidenten. Ich spreche von dem, was passiert, wenn jetzt der Haushalt durch den Haushaltsausschuß geht. Sie haben die steuerlichen Maßnahmen — diese Formulierung ist mir neu —Jahressteuergesetz '96 genannt. Ich verstehe darunter diese drei Pakete, über die wir zu reden haben:
Kinderleistungsausgleich, Existenzminimum und Unternehmensteuerreform.
— Plus Steuervereinfachung, wobei mich wundert, daß Sie sich da nicht wieder einen gigantischen Namen ausgedacht haben. Ihr Haus ist ja sehr stark darin, Namen zu erfinden. Jahressteuergesetz '96, das ist ja relativ harmlos. Aber vielleicht setzen Sie noch ein paar Leute daran, die sich da wieder etwas „Gigantisches" ausdenken.
Ich sage nur: Dieses Paket wird den Bundesrat beschäftigen. Das ist uns völlig klar. Es wird zweifellos der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Ich erkläre hier ausdrücklich für die SPD-Bundestagsfraktion: Ich werde mich in Zukunft aus gewisser Erfahrung hier nicht mehr hinstellen und sagen: Und der Bundesrat wird dieses oder jenes tun oder unterlassen. Es entspricht meinem Verfassungsverständnis und auch den Erfahrungen, die wir gemacht haben, daß die Länder ein eigenständiges Interesse zu vertreten haben und nicht ferngesteuert werden aus dem Ollenhauer-Haus oder aus der SPD-Bundestagsfraktion, sondern — das sage ich jetzt auch ganz deutlich — zunächst einmal ihre eigenen Finanzinteressen zu berücksichtigen haben. Das gilt übrigens nicht nur für sozialdemokratische Ministerpräsidenten. Das gilt auch für die Ministerpräsidenten, die von der CDU bzw. CSU gestellt werden.
Ich gehe aber soweit, Herr Kollege Waigel, zu sagen: Es ist wohl keine waghalsige Prophezeihung, daß dieses gesamte Paket mit den vier Elementen im Bundesrat so nicht akzeptiert werden wird, wie Sie es jetzt wohl einzubringen beabsichtigen. Ich glaube, es wäre unrealistisch, wenn man nicht einschätzte, daß der Bundesrat zunächst einmal dieses Paket aufschnüren und anhalten wird.
— Nein, das ist nicht bedauerlich, weil wir nämlich schon dann die Möglichkeit haben, eingehend zu prüfen. In manchen Bereichen kann ich mir durchaus Kompromisse vorstellen. Das will ich aber den Ver-
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handlungen überlassen, die da zu führen sein werden.
Fazit ist: Dieser Haushalt bringt nichts Neues gegenüber dem, den wir vor der Bundestagswahl diskutiert haben. Es konnte ja auch nichts anderes, Neues werden, weil es leider keine neue Regierung gegeben hat.
Der Haushaltsausschuß wird diesen Haushalt mit Sicherheit — das ist jedenfalls meine Erfahrung aus dem Haushaltsausschuß — so bearbeiten, daß er nicht so wieder herauskommt, wie er jetzt hereinkommt. Sonst hätten die Haushälter ihre Aufgabe verfehlt. Aber ich glaube, wir, Herr Kollege Waigel, die SPD- Bundestagsfraktion, die SPD-regierten Länder und die Bundesregierung, werden uns über die wichtigen politischen Fragen noch in aller Ausführlichkeit unterhalten müssen. Ich kündige ausdrücklich an, daß wir auch zu Kompromissen bereit sind, daß wir nicht blockieren wollen.