Ja, Herr Kollege von Larcher.
Meine Damen und Herren, der heute erneut in erster Lesung debattierte Bundeshaushalt ist der finanzpolitische Einstieg in die neue Wahlperiode und gleichzeitig ein Haushalt des Übergangs. Die Koalition und die Bundesregierung zeigen Handlungsfähigkeit. Was wir den Wählern vor der Wahl, auch bei der ersten Lesung dieses Haushalts im September und im Wahlkampf gesagt haben, daß wir einen klaren Kurs der Haushaltskonsolidierung fortführen würden, wird jetzt schnellstmöglich in Angriff genommen. Die Bürger sehen, daß sie trotz der knapper gewordenen Mehrheit der Koalition Vertrauen in uns setzen können, und unsere Arbeit dient natürlich auch dem Ziel, diese Mehrheit künftig wieder zu verstärken.
Der neu vorgelegte alte Entwurf — es sind daran ja keine ganz wesentlichen Änderungen vorgenommen worden — kann selbstverständlich noch nicht alle Impulse umsetzen, die sich aus den Wahlprogrammen der Koalitionsparteien und aus der Koalitionsvereinbarung ergeben. Hierzu sind nicht nur vielfältige
technische, sondern auch gesetzgeberische Vorarbeiten notwendig. Einen Teil der Aufgabe wird der Haushaltsausschuß allerdings erfüllen können und auch erfüllen. Sowohl der Hinweis darauf, daß der Zukunftsbereich aus Bildung und Forschung ein Aufwärtssignal erhalten muß, als auch die Aussage, daß der Haushalt des Verteidigungsministers künftig kein Steinbruch für beliebige Einsparungen sein darf, werden Leitpunkte unserer Arbeit sein. Hier stehen wir im Wort, und dieses Wort werden wir halten.
Es bleibt aber auch die Aussage wahr, daß in Zeiten der Sparsamkeit mit weniger Geld mehr Politik gemacht werden muß. Das heißt, alle Ministerien werden künftig im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für einen effektiveren Umgang mit dem zur Verfügung stehenden Geld sorgen müssen.
Ich füge hinzu, daß wir die Stärkung des Mittelstandes in den Haushaltsberatungen entsprechend den Zielen der F.D.P. zu einem weiteren Schwerpunkt machen wollen. In den letzten Wochen ist ja viel über Steuerflucht und Steuerflüchtlinge diskutiert worden. Sie erinnern sich an die Bundesliga-Fußballspieler, die aus Steuergründen ihren Wohnsitz im benachbarten Ausland nehmen. Von Steffi Graf über Boris Becker führt eine gerade Linie zu Michael Schumacher. Die Öffentlichkeit nimmt interessanterweise diese Steuerflucht bei Spitzensportlern hin. Aber man soll sich nicht täuschen: Sie nimmt sie nicht ohne Kritik hin. Sie ist ja auch nicht gut. Wir müssen natürlich alles tun, daß nicht die Leistungsträger unserer Volkswirtschaft nach gleichen Wegen suchen, der drückenden Steuer- und Abgabenlast zu entgehen.
Mit der falschen Politik, die die Sozialdemokraten jetzt wieder im Zusammenhang mit der Steuerfreiheit des Existenzminimums fordern, werden wir am Schluß den gesamten Mittelstand nach Luxemburg oder Monaco vertreiben.
Steuerfreiheit des Existenzminimums: Wie immer in der Politik gibt es Idealvorstellungen; es gibt das Machbare, und es gibt Rosinenpicker. Ich sage zunächst in aller Deutlichkeit an die Adresse der SPD: Wir werden Sie aus Ihrer Gesamtverantwortung, die Sie durch die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat haben, nicht entlassen. Wenn Sie glauben, über den neuen Steuertarif Ihre verfehlten Wahlziele bezüglich massiver Umverteilung und des Schröpfens gerade der mittleren Einkommen noch verwirklichen zu können, so werden Sie sich täuschen. Wir haben in der Koalitionsvereinba rung den haushaltsmäßig vertretbaren Umfang, den diese Entlastung bei der prognostizierten Wirtschafts- und Steuerentwicklung haben kann, umrissen. Eine andere Frage ist, wie weit die Anregungen der Einkommensteuerkommission noch in das Konzept des Bundesfinanzministeriums einfließen können. Dieses Konzept bringt eine hochinteressante Gesamtdarstellung der Situation, und wenn nicht die Finanzierungsseite nach erstem Eindruck
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 361
Dr. Wolfgang Weng
unter das Stichwort „politisch leider nicht machbar" fallen würde, dann wäre vor allem mit Blick auf ein schrittweises Vorgehen hier tatsächlich eine steuerpolitische Zukunftsvision umzusetzen.
Gerade hierzu allerdings muß die SPD auch klar Stellung nehmen; denn interessanterweise gab es zwar negative Äußerungen zur Haltung von Bundesfinanzminister Waigel gegenüber den Kommissionsvorschlägen, aber das Konzept des SPD-Finanzministers Schleußer berücksichtigt diese Vorschläge praktisch gar nicht — ein Beleg sozialdemokratischer Unwahrhaftigkeit und fast gewohnter Doppelzüngigkeit.
Meine Damen und Herren, die sehr lebhaften Ausführungen des Kollegen Solms sorgen leider dafür, daß meine Redezeit ein bißchen knapper ist, als sie eigentlich vorgesehen war.
Erlauben Sie mir deshalb nur noch eine persönliche Anmerkung: Der Beginn der neuen Wahlperiode bedeutet auch neue Aufgaben.
— Der Kollege Fischer jedenfalls ist weggegangen und kotzt sich jetzt wahrscheinlich draußen aus, was besser ist, als wenn er es immer hier drin tut.
Der Neubeginn bedeutet für jeden von uns neue Aufgaben und Befassung mit neuen Themen, die bisher in anderer Verantwortung lagen. Ich selbst werde die Berichterstattung meiner Haushaltsgruppe für den Etat des Bundesrechnungshofes übernehmen, und in diesem Zusammenhang möchte ich heute eine persönliche Aussage machen, von der ich hoffe, daß das Parlament sie breit unterstützen wird.
Die Föderalismuskommission hat, ohne daß dies eine vertiefende Einzeldiskussion ausgelöst hätte, die Verlagerung des Bundesrechnungshofes nach Bonn mit einer Dependance in Brandenburg, die in Potsdam geplant ist, vorgeschlagen. Ich meine, der Bundesrechnungshof ist ein so wichtiger Helfer und Partner des Parlaments, daß der Fehler, ihn 1949 nicht in der Bundeshauptstadt Bonn anzusiedeln, beim Umzug nach Berlin nicht wiederholt werden sollte. Er gehört nach meiner Überzeugung an den Sitz des Parlaments. Wer das Gewicht des Parlaments im gesamten Machtgefüge stark haben will, sollte bereit sein, diese geplante Außenstelle gedanklich zum Hauptsitz und den Hauptsitz Bonn in Zukunft zur Außenstelle zu machen. Darüber sollten wir erneut diskutieren.
Meine Damen und Herren, dank unserer Politik ist die Konjunktur in Deutschland im Aufschwung, und dieser Aufschwung sorgt nicht nur für einen Zuwachs an Arbeitsplätzen und damit für einen geringeren notwendigen Bundeszuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit, sondern in der Prognose auch für höhere Steuereinnahmen.
Die Bundesregierung war gut beraten, bei der hohen geplanten Nettoneuverschuldung diese Entlastungsfaktoren zur Reduzierung der Schulden einzusetzen. Hierfür verdient der Finanzminister ausdrücklich unser Lob.