Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie, daß ich vorab die Gelegenheit nutze, um dem Kollegen Michael Glos zu seinem heutigen 50. Geburtstag zu gratulieren.
Politik ist — so hat Hofmannsthal einmal gesagt — Verständigung über das Wirkliche. Es wäre gerade bei einer Haushaltsdebatte gut, wenn wir uns hier einmal über das Wirkliche oder das Mögliche unterhalten würden und nicht über das Wünschbare.
Denn wir wissen: Vieles ist wünschbar, aber nicht alles können wir erreichen.
Deshalb diskutieren wir über den Haushalt, der ja das Schicksalsbuch der Nation sein soll,
weil sich in ihm deutlich niederschlägt, wie die politischen Dinge gestaltet werden und wie die führenden Koalitionsparteien die Zukunft gestalten wollen: nämlich in Richtung einer Erneuerung der gesellschaftspolitischen Strukturen und weg von der Verkrustung, die jetzt überwunden werden muß.
Der Bundeshaushalt 1995 ist dafür eine realistische Handlungsanweisung. Anhänger schöngeistiger utopischer Vorstellungen mag er sicherlich nicht befriedigen. Aber dafür entspricht er in seiner Offenheit und konkreten Aussage den Aufgaben, die vor uns liegen und die wir uns selbst gestellt haben.
In den kommenden Jahren geht es darum, die Leistungen für die neuen Bundesländer langfristig sicherzustellen, den Haushalt zu konsolidieren und die Staats- und Abgabenquote zu senken, und zwar beides gleichzeitig, Herr Kollege Waigel. Ich bin nicht der Meinung, daß die Konsolidierung der Steuersenkung vorauslaufen muß. Es muß beides Hand in Hand gehen. Denn die extrem hohen Steuerbelastungen, denen die Bürger und die Unternehmen heute ausgesetzt sind, können auf Dauer nicht beibehalten werden, wenn die Leistungsbereitschaft nicht sinken soll.
Jetzt geht es darum, die Staatsquote wieder auf das Maß zurückzuführen, das sie vor der Wiedererlangung der deutschen Einheit gehabt hat, nämlich rund 46 %, und den Schuldenanstieg zu reduzieren. Mit einem Haushalt, der eine Steigerung von unter 1 % in sich birgt, ist das auch machbar. Das ist eine gute Zahl, mit der wir gut leben können.
Jetzt geht es natürlich darum, die Neuverschuldung weiter zu reduzieren und gleichzeitig die Steuerbelastung zu senken. Unsere politische Maxime muß bleiben: für leistungsgerechte Steuern, für den soliden Staatshaushalt. Denn die Steuerbelastung muß der Leistungsfähigkeit der Bürger entsprechen. Sie darf Leistungswillen und Leistungsbereitschaft nicht beeinträchtigen.
Kernstück einer Politik für mehr Leistung und zur Schaffung von Arbeitsplätzen kann daher nur eine Reform des Steuersystems sein, weil über das Steuersystem darauf direkt Einfluß genommen wird. Die Vision ist realisierbar, aber eben nur durch konsequentes Sparen, durch weitere Privatisierungen, durch weiteren Abbau von Regulierungen, durch weiteren Abbau der Bürokratie.
Frau Kollegin Matthäus-Maier, auch Sie haben als Zielsetzung das Konsolidieren betont, aber konkrete Vorschläge waren nicht vorhanden.
Es geht eben nicht, immer von der Schuldenfalle zu sprechen, aber nicht gleichzeitig zu sagen, wie man sie schließen will.
Wirklich etwas kümmerlich fand ich, Frau Matthäus, den Verweis auf den Sturz von Helmut Schmidt.
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 343
Dr. Hermann Otto Solms
Es müßte doch mittlerweile selbst bei Ihnen angekommen sein, daß er damals durch seine eigene Fraktion gestürzt worden ist.
Aber es mag sein, daß Sie diese Geschichtsklitterung brauchen, um Ihr schlechtes Gewissen wegen Ihres Parteiübertritts zu beruhigen.
Die Auffassung, die Einsparungen, die wir in den letzten Jahren durchgeführt haben, hätten nur die Kleinen betroffen, ist augenscheinlich falsch. Die Einführung des Solidaritätszuschlags und die Erhöhung der Vermögensteuer treffen insbesondere die Besserverdienenden; das ist nicht zu bezweifeln. Im übrigen haben die SPD-geführten Bundesländer dem Einsparungs- wie auch dem Steuererhöhungsteil zugestimmt. Deswegen ist diese Klage nun wirklich nicht berechtigt.
Der Solidaritätszuschlag, zu dem ich dann auch gleich kommen will, ist gerade ein Produkt der Verhandlungen zwischen Bund und Ländern. Die Bundesländer insgesamt, insbesondere auch die SPD- geführten Länder, angeführt von Herrn Lafontaine aus dem Saarland, haben darauf gedrängt, daß die Lasten, die ihnen wegen der Transferzahlungen in die neuen Bundesländer entstehen, größtenteils vom Bund übernommen werden
und daß der Solidaritätszuschlag in dieser Höhe eingeführt wird, was wir ursprünglich nicht wollten.