Im übrigen scheint Sie zu verblüffen, daß die Tempomacher auf der
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Adolf Roth
Regierungsbank sitzen und nicht bei Ihnen. Die schnelle Wiedervorlage des Regierungsentwurfs zum Haushalt 1995 ebenso wie die rasche Regierungsbildung und die zügige Verabschiedung des Koalitionsvertrages unterstreichen die Handlungsfähigkeit der Koalition, zugleich aber auch unsere Entschlossenheit, durch zügige Haushaltsberatung und Verabschiedung des Etats 1995 den Prozeß der vorläufigen Haushaltsführung auf einen relativ kurzen Zeitraum zu begrenzen und bis Ostern 1995 einen fertigen Haushalt zu verabschieden.
Das ist ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung des Aufschwungs und zur Festigung des Arbeitsmarkts und hat sehr viel mit der Zukunftsfähigkeit unserer deutschen Politik zu tun.
Meine Damen und Herren, es bleibt wie im Juli-Entwurf bei der ehrgeizigen finanzpolitischen Grundlinie dieser Koalition. Konsequente Fortsetzung des Sparkurses bei abnehmender Neuverschuldung und hoher Geldwertstabilität schafft die Voraussetzung für schrittweise Erweiterung unserer Handlungsspielräume und für Steuerentlastungen.
Die SPD ist vor der Bundestagswahl gegen die mittelfristige Finanzplanung von Theo Waigel Sturm gelaufen. Es gab Schreckensbilder über angeblich horrende Lücken und Defizite. Ich denke, die heutige Einbringungsrede von Theo Waigel
hat bewiesen, wer hier festeren Boden unter den Füßen hat.
— Das sind nicht die Opponenten von links.
Das Haushaltsbild 1994 und 1995 hat sich im Blick auf die notwendige Schuldenbegrenzung und auf den Abbau des Finanzierungsdefizits um insgesamt 20 Milliarden DM verbessert.
Was noch wichtiger ist, meine Damen und Herren: Wenn man die steuerpolitischen Vorhaben dieser Legislaturperiode berücksichtigt, ergibt sich, daß wir jetzt in einer Situation sind, in der der vorgelegte mittelfristige Finanzplan bis 1998 insgesamt die Basis dafür abgibt, daß solche Steuersenkungsschritte in die Finanzplanung eingebaut werden können, ohne daß die Dinge aus dem Ruder laufen. Der Entwicklungsbericht des Kabinetts zur Finanzwirtschaft macht dies im einzelnen deutlich. Es bleibt deshalb auch ein klares Ziel für uns, die Haushaltsdefizite schrittweise
weiter zurückzuführen. Steuersenkungen auf Pump wird es mit dieser Koalition jedenfalls nicht geben.
Meine Damen und Herren, ich füge hinzu, daß die Defizitquote des Bundes von 12 % aus den bekannten Gründen, die sehr viel mit dem Prozeß der deutschen Wiedervereinigung zu tun haben — Frau Kollegin Matthäus-Maier hat auf diesen Prozeß übrigens nicht mit einem einzigen Wort hingewiesen —, weit höher liegt als die der Länder und Kommunen. Daher sind die Kompensationsforderungen, die aus dem Bundesrat im Zusammenhang mit der Steuergesetzgebung erhoben werden, politisch absurd, in der Sache unhaltbar und unqualifiziert.
Natürlich muß jede Ebene des Staates entsprechend dem Steuerverteilungsschlüssel im Zusammenhang mit Steuersenkungsmaßnahmen auch Belastungen übernehmen. Meine Damen und Herren, was soll man eigentlich davon halten, wenn der Chef des am höchsten verschuldeten deutschen Bundeslandes, der Ministerpräsident Oskar Lafontaine, noch im August Steuersenkungen von geradezu historischen Ausmaßen angekündigt hat, während jetzt seine neue Finanzministerin Krajewski bereits bei der Mitbeteiligung des Saarlandes in einer Größenordnung von 100 Millionen DM öffentlich Klage darüber führt, dies überschreite die Grenze des auf der Ebene der Bundesländer Erträglichen und Verkraftbaren.
Meine Damen und Herren, dies ist kein Beweis für eine politische oder intellektuelle Glanzleistung. Ich glaube, wir müssen hier ein deutliches Signal setzen, damit Steuersenkung nun wirklich auch bei den Bürgern ankommt, für die die Steuergesetze beschlossen werden.
Meine Damen und Herren, unsere Politik mit der 1993 eingeleiteten Spar- und Konsolidierungsstrategie, verbunden mit unserem Wachstumspaket, unterstützt übrigens von der Deutschen Bundesbank und den Sachverständigen und politisch durchgesetzt gegen massive Widerstände aus der Opposition und dem Bundesrat, zeigt jetzt beachtliche Ergebnisse.
Im laufenden Haushalt 1994 kann die Kreditaufnahme des Bundes um weitere 10 Milliarden DM auf 59 Milliarden DM abgesenkt werden. Das steht im Gegensatz zu all den unentwegten Prophezeiungen aus den Reihen der Opposition, die für dieses Jahr mit einem Bundesdefizit von 80 Milliarden DM oder gar 100 Milliarden DM gerechnet und keinerlei Übertreibungschancen ausgelassen hat.
59 Milliarden DM, Frau Kollegin Matthäus-Maier, sind 1,8 %, gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Eine solche Zahl hat es unter der Verantwortung einer früheren SPD-Bundesregierung selten gegeben. Sie sollten hier nicht den Eindruck erwecken, als würde die heutige Defizitquote irgendwelche historischen Entwicklungen sprengen, als läge sie über dem Durchschnitt. Das Gegenteil ist richtig. Mit 1,8 % haben wir eine vernünftige Marge erreicht.
Übrigens hat diese Bundesregierung seit der Wiedervereinigung in jedem Haushaltsjahr die gesetzlich bewilligte Nettokreditaufnahme durch strenge Aus-
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gabenbewirtschaftung immer unterschreiten können. Insgesamt ist dies eine Summe von über 40 Milliarden DM. Wir waren und bleiben bei der Haushaltspolitik und ihrer Veranschlagung immer auf der sicheren Seite.
Auch ökonomisch lag die Opposition schief. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ist nicht, wie von Ihnen angekündigt, durch die Spar- und Entlastungspolitik in sich zusammengebrochen. Im Gegenteil, die vertrauensbildende Wirkung der Konsolidierungsstrategie hat die Angebotsbedingungen der deutschen Wirtschaft verbessert und den unerwartet frühen und kräftigen Wirtschaftsaufschwung 1994 mit ermöglicht.
Diesen Weg werden wir mit dem Bundeshaushalt 1995 konsequent weiter beschreiten. Gegenüber dem ersten Regierungsentwurf vom Juli sinkt die Ausgabenrate auf 0,9 %. Im nächsten Jahr wird die Nettokreditaufnahme um über 10 Milliarden DM auf 58,6 Milliarden DM herabgesetzt. Dies alles geschieht bei einem sechzehnprozentigen Zuwachs der Investitionsausgaben auf 74,4 Milliarden DM und einer überproportionalen Aktivierung des Forschungsetats um 2,7 %.
Meine Damen und Herren, wenn von einer Weichenstellung in Richtung Zukunft die Rede ist, glaube ich, daß die Berechenbarkeit, die Stabilität und die Festigkeit der Finanzpolitik hierfür eine unverzichtbare und wichtige Voraussetzung sind und bleiben.
Deutschland wird nach den jüngsten Berechnungen auch 1995 als einziges Land der Europäischen Union neben Luxemburg die Eintrittsvoraussetzungen für die Wirtschafts- und Währungsunion erfüllen, und zwar sowohl beim laufenden Defizit von 2,5 % als auch bei einer Gesamtquote der Schulden von unter 60 %, jeweils gemessen am Bruttoinlandsprodukt.
Gleichwohl seien alle gewarnt, die sich der Illusion hingeben, der konjunkturelle Aufschwung löse die haushalts- und finanzpolitischen Probleme in diesem Land von allein. Jetzt müssen — bildlich gesprochen — die politischen Stabilisatoren wirken. Da die Nettokreditaufnahme der letzten Jahre im Gefolge der Rezession gestiegen ist, müssen nun auch folgerichtig die steuerlichen Mehreinnahmen der wirtschaftlichen Erholungsphase vorrangig zur Reduzierung der Neuverschuldung eingesetzt werden.
Wir, die Koalition, bleiben deshalb auf der Ausgabenbremse. Dazu gibt es keine vernünftige politische Alternative.
Schließlich muß der Bund im Rahmen einer abgesenkten Kreditaufnahme 1995 sämtliche Zusatzbelastungen aus dem Solidarpakt und dem Föderalen Konsolidierungsprogramm auffangen. Das beginnt mit der Übertragung höherer Steueranteile und Ergänzungszuweisungen sowie der Gewährung von massiven Investitionshilfen an die Länder. Das macht insgesamt 42 Milliarden DM aus. Dieser Transfersumme von 42 Milliarden DM steht aber aus den
erwarteten Einnahmen durch den Solidaritätszuschlag nur eine Größenordnung von 26 Milliarden DM gegenüber. Meine Damen und Herren, dies ist die eine Seite.
Man muß hinzufügen, daß vor allem auch die vollständige Übernahme der Ausgabeverpflichtungen für den Erblastentilgungsfonds und für die Eisenbahnaltschulden sowie darüber hinaus die Erfüllung der Aufgaben der Nachfolgeeinrichtungen der Treuhandanstalt den Bundeshaushalt jährlich mit großen Ausgaben belasten, so daß wir allen Anlaß haben, auch in den nächsten Jahren unsere Strategie der Konsolidierung konsequent fortzusetzen; selbstverständlich, Frau Kollegin Matthäus-Maier, auch mit Blick auf die Zinslastendynamik.
Wenn Sie schon mit diesen horrenden Summen umgehen, darf ich darauf hinweisen, daß das wesentliche Veränderungselement bei den Zinsausgaben des Bundes nicht etwa in den Zinsen auf Schulden besteht, die originär in einem Zusammenhang mit der operativen Tätigkeit des Bundes in seinem klassischen Bereich stehen, sondern daß es sich hier um Zinserstattungen für diese historischen Erblasten in Höhe von 37,6 Milliarden DM handelt. Diese Summe muß bezahlt werden. Sie haben keine Formel dafür angegeben, auf welche Weise dies anders geschehen könnte als durch die Verantwortungsübernahme seitens des Bundes.
Deshalb bleibt es bei der mittelfristigen Finanzplanung, deshalb bleibt es bei den marginalen Zuwachsraten bei den Ausgaben in Höhe von nur 1 % bis 1998.
Im Blick auf das von Ihnen immer wieder strapazierte Schuldenthema möchte ich einmal mehr darauf verweisen, daß dieser Haushalt 1995 eine entscheidende Zäsur darstellt. Es wird in Zukunft keine Kreditaufnahme außerhalb des Bundeshaushalts geben wie etwa im Bereich der Treuhandanstalt oder des Fonds „Deutsche Einheit". Dies ist eine qualitative Veränderung.
Hören Sie auch endlich auf, dem Bundesfinanzminister all die Schulden in die Schuhe zu schieben, die sozialdemokratisch regierte Länder aufgenommen haben und die der Kommunismus in der ehemaligen DDR nach 40 Jahren hinterlassen hat.
Offenbar ist Ihnen entgangen, daß das Finanzierungsdefizit der öffentlichen Hand 1995 nur noch 117 Milliarden DM betragen wird. Das ist das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit. Das bedeutet eine Verbesserung gegenüber diesem Jahr um 50 Milliarden DM. Einen größeren Konsolidierungsschritt hat es überhaupt noch nicht gegeben.
In Ihrer Rede haben Sie nicht eine Silbe auf dieses Thema verwandt.
Es bleibt dabei: Die Steigerung der Ausgaben muß deutlich unter der nominalen Zuwachsrate des Sozial-
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produktes bleiben. Wir werden mit unserem Zielkonzept 2000 die Staatsquote auf das Niveau von 1989 mit 46 % absenken. Das heißt im Klartext: Nur wenn die Staatsausgaben jährlich um mindestens zwei Prozentpunkte langsamer wachsen als der Zuwachs des nominalen Bruttoinlandsproduktes, wird es möglich sein, einen solchen Konsolidierungsfortschritt auch in einer Verringerung der Staatsquote von jährlich 1 % umzusetzen. Dies wird dann am Ende der Finanzplanungsperiode erreichbar sein. Allerdings müssen wir bis dahin auch alles daransetzen, die Spielräume zu halten und abzusichern.
Der Sachverständigenrat unterstützt unsere politische Linie in seinem jüngsten Gutachten, in dem übrigens ausdrücklich der Konsolidierungserfolg 1994 als geglückter Stabilisierungsbeitrag hervorgehoben worden ist. Der Sachverständigenrat sagt, nun gelte es, die Konsolidierungserfolge nicht zu verspielen, sondern bei anhaltendem wirtschaftlichem Wachstum den forciert eingeschlagenen Weg fortzusetzen.
Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie bitten, daß wir bei der Beratung des Bundeshaushalts 1995 im Ausschuß zügig vorangehen, daß wir unseren Beitrag leisten, daß der Wirtschaftsstandort Deutschland in Europa die Nummer eins bleibt, daß wir im Blick auf den Einigungsprozeß in Europa ein Beispiel auch hinsichtlich der Stabilisierung der Konvergenzkriterien setzen und daß wir mit unserer Festigkeit in Sachen Ausgabenbegrenzung Wachstumsspielräume für die Zukunft auch für Technologie und Innovation schaffen.
Wir sind auf dem richtigen Weg. Die Koalitionsfraktionen unterstützen den Finanzminister auf seinem Weg, den er heute mit seiner Etateinbringung hier skizziert hat.
Vielen Dank.