Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit der Vorlage des Bundeshaushalts 1995 setzen wir, acht Wochen nach der Bundestagswahl, einen wichtigen Markstein unserer Wirtschafts- und Finanzpolitik für die kommende Legislaturperiode. Damit stellen wir Handlungsfähigkeit unter Beweis. Wir haben keine Zeit für endlose Debatten verschwendet. Entschlossen und konsequent werden wir unseren finanzpolitischen Weg weitergehen.
Der tiefe Konjunktureinbruch 1993 ist endgültig überwunden. Das Wachstum gewinnt immer mehr an Fahrt. Das reale Bruttoinlandsprodukt 1994 wird nicht mit den prognostizierten 1,5 %, sondern mit 2,5 % wachsen.
Im dritten Quartal 1994 wurden die positiven Wachstumserwartungen noch einmal übertroffen. Die Produktionsverluste der Rezession 1992/93 sind aufgeholt. 1995 erwarten wir eine Wachstumsrate von 3 %. Diese Einschätzung wird von allen nationalen und internationalen Experten und Institutionen geteilt.
Die Opposition wird jetzt wieder kritisieren, das sei allenfalls „ein Auf ohne Schwung". Sie haben noch krampfhaft bis zum 16. Oktober den Menschen einreden wollen, es gebe gar keinen Aufschwung. Wir sind in unseren Prognosen sehr bescheiden gewesen; aber um so mehr sind wir von der Wirklichkeit positiv überholt worden. Das lassen wir uns schließlich nicht vorwerfen.
Keine Rezession seit den 60er Jahren war so kurz wie die von 1993. Die Initialzündung durch den Export spricht nicht gegen die Qualität des Aufschwungs. Die inländischen Faktoren gewinnen an Kraft, vor allem die Investitionen. Sie wissen genau: Der Arbeitsmarkt folgt diesen Indikatoren so sicher wie das Amen in der Kirche.
Pläne, über Umverteilung den Konsum anzukurbeln, bringen nichts. Sie führen vielmehr über höhere Steuern zur Belastung unserer Wettbewerbsfähigkeit oder über höhere Defizite zu konjunkturabwürgenden Zinssteigerungen.
Die öffentlichen Finanzen sind stabil, die Lasten der Einheit geschultert. Die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen ist gut vorangekommen. Der größte Teil der einigungsbedingten Zusatzlasten wird über Einsparungen finanziert. Die Finanzierung der Erblasten des Sozialismus ist geklärt. Die Finanzausstattung der neuen Länder wurde durch das vom Bund vorangetriebene Föderale Konsolidierungsprogramm für die nächsten zehn Jahre gesichert.
Der Konsolidierungskurs greift. 1994 und 1995 wird das Defizit des Bundes jeweils um 10 Milliarden DM unter den ursprünglichen Planungen liegen. Und es würde mich nicht wundern, wenn wir am Ende dieses Jahres nicht 10, sondern vielleicht 13 Milliarden DM
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weniger Nettokreditaufnahme hätten. Das ist ein großer Erfolg
und eine Bestätigung des klaren Kurses. Genau so wie wir 1993 die automatischen Stabilisatoren haben wirken lassen und konjunkturbedingte Mehrausgaben und konjunkturbedingte Mindereinnahmen durch höhere Defizite finanziert haben, müssen wir jetzt das, was mehr in die Kasse kommt, systematisch zur Reduzierung der Nettokreditaufnahme verwenden. Das ist der richtige, solide Weg.
Das Tal ist durchschritten, das Ziel ist in Sicht. Nun dürfen wir allerdings nicht stehenbleiben, wir dürfen uns nicht ausruhen. Jetzt geht es um Konsolidierung, um Steuern, Arbeitsmarkt, Standort Deutschland, Europa, Wirtschaftswachstum, Frieden und Sicherheit in der Welt.
Bei den Steuern haben wir den ersten Schritt getan. In der letzten Woche haben wir eine Neuregelung für das Existenzminimum vorgelegt. Die Opposition darf staunen. Diese Lösung ist verfassungsgemäß, sozial gerecht und schwächt nicht die Leistungsbereitschaft der Bürger und unserer Wirtschaft. Wir sind sehr gespannt, ob sich die SPD-Bundesländer einer Lösung verweigern wollen.
Wir sind und bleiben die wirtschaftliche Nummer eins in Europa. Deutschland bleibt der europäische Stabilitätsanker und Wachstumsmotor. Wir können einen weiteren, noch vor wenigen Wochen für ausgeschlossen gehaltenen großen Erfolg für Deutschland verbuchen. Zusammen mit Luxemburg erfüllt Deutschland bereits 1994 und 1995 alle Konvergenzkriterien von Maastricht — trotz der gerade überwundenen Rezession und der finanzpolitischen Bewältigung der Einheit. Ich halte das für einen großartigen Erfolg.
Auch bei den strukturellen Defiziten haben wir zusammen mit Japan die weltweit günstigste Position. In nur vier Jahren haben wir laut Internationalem Währungsfonds das strukturelle Defizit um vier Fünftel abgebaut. Allein mit diesem internationalen Vergleich erübrigt sich bereits das Gerede von einer „Schuldenexplosion".
Natürlich haben die Schulden zugenommen. Aber: Bedenkt man die Aufgabe der Einheit, die Erblast des Sozialismus und die Rezession, dann darf der Zuwachs nicht überbewertet werden. Wir haben von Beginn an entschlossen gegengesteuert. Die Schulden sind in einem volkswirtschaftlich vertretbaren Rahmen geblieben.
Unsere europäischen Partner haben auf dem Europäischen Rat in Essen am Wochenende die Erfolge der Bundesregierung ausdrücklich anerkannt. Als Vorsitzender des Ecofin-Rates habe ich in Essen über die Umsetzung des Aktionsplans zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit unterrichtet. Dabei können wir feststellen: Der Höhepunkt der Arbeitslosigkeit ist überschritten. Die Beschäftigung steigt wieder. Ohne dauerhaftes und kräftiges Wirtschaftswachstum gibt es
keine gesicherten Fortschritte beim Abbau der Arbeitslosigkeit.
Aber wir wissen, das reicht nicht aus.
Neben strukturellen Verbesserungen auf den Arbeitsmärkten müssen wir die hohen strukturellen Defizite in den öffentlichen Haushalten einiger Länder jetzt zurückführen, gerade bei positiver Konjunkturentwicklung. Wer es nicht schafft, im Aufschwung zu konsolidieren, wird Mühe haben, den Anschluß an Maastricht zu gewinnen.
Für den Beginn der Endstufe und für die Auswahl der Teilnehmer wird allein die Erfüllung der im Vertrag niedergelegten Konvergenzkriterien entscheidend sein. Ihre strikte Einhaltung sichert die Funktionsfähigkeit der Wirtschafts- und Währungsunion. Abstriche bei dem Stabilitätskriterium können wir nicht hinnehmen. Für uns gilt: Strikte Konvergenz hat Vorrang vor starren Zeitplänen.
Zwar ist im Durchschnitt der Mitgliedstaaten das Staatsdefizit 1994 gesunken, aber es ist immer noch zu hoch. Weitere Anstrengungen zum Defizitabbau sind notwendig. Damit wird das Vertrauen der Finanzmärkte und Investoren gestärkt. Wir begegnen so auch wirksam der weltweiten Knappheit an Sparkapital.
Ein weiterer Schwerpunkt in Essen waren die transeuropäischen Netze. Der Europäische Rat hat die vorgeschlagenen Verkehrs- und Energieprojekte gebilligt. Unsere Auffassung, wonach neue Gemeinschaftsinstrumente zur Finanzierung nicht erforderlich sind, wurde bestätigt. Es macht auch keinen Sinn, meine Damen und Herren, wenn wir hier in den nationalen Parlamenten und in unseren Ländern versuchen, unter schweren Opfern die Defizite zurückzufahren, wenn gleichzeitig eine zusätzliche Defizitfinanzierung in Europa eröffnet wird. Wir haben uns mit gutem Grund und mit Erfolg dagegen gewehrt.
Die deutsche Präsidentschaft in der Europäischen Union ist ein Erfolg. Unter deutscher Präsidentschaft ist erstmals das Verfahren zur Überwachung der Haushaltslage angewendet worden. Wir haben dabei auf die strikte Anwendung der Maastrichter Konvergenzkriterien geachtet. Es zeigt sich: Der Vertrag von Maastricht hat die Stabilitätskultur in Europa einen entscheidenden Schritt vorangebracht. Noch nie gab es in Europa eine so abgestimmte Finanz- und Wirtschaftspolitik. In der Mehrzahl der Mitgliedstaaten gleichen sich jetzt Preise, Zinsen und Wechselkurse stabilitätsgerecht an.
Die finanziellen Grundlagen der Europäischen Union sind jetzt gesichert. Es ist Deutschland gelungen, den EU-Haushalt 1995 fristgerecht auf den Weg zu bringen. Die Einigung über den Eigenmittelbeschluß hat einen schweren Haushaltsstreit mit dem Europäischen Parlament abgewendet. — Es war nicht ganz einfach, den „Kuhhandel über die Milchquote" zu beseitigen. Aber es ist Gott sei Dank gelungen. — Die Anpassung der finanziellen Vorausschau für die EU der Fünfzehn ist ebenfalls unter Dach und Fach.
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Sparsamste Haushaltsführung, Konzentration und Bündelung von Aufgaben sind auch in Europa notwendig. Auch auf europäischer Ebene müssen die Prinzipien des schlanken Staates angewandt werden. Dies ist auch ein Beitrag, die deutsche Belastung mittelfristig zu senken.
Wir können nicht einfach eine Finanzebene, die mittlerweile ein Volumen von rund 150 Milliarden DM hat und zu der wir rund 45 Milliarden DM beisteuern, von den allgemeinen Konsolidierungsanstrengungen in Europa ausnehmen.
Auf dem Ministerrat vom 24. November 1994 wurden die Schlußfolgerungen über die Kriterien einer endgültigen Umsatzbesteuerung verabschiedet. Damit ist für die Verwirklichung der dem Binnenmarkt entsprechenden Besteuerung nach dem Ursprungslandprinzip zum 1. Januar 1997 eine ganz entscheidende Hürde genommen worden.
Wichtige Anliegen wurden entscheidend vorangebracht. In enger Abstimmung mit unseren Partnern, insbesondere mit unseren französischen Freunden, die jetzt die Präsidentschaft übernehmen, werden wir intensiv an der Lösung der noch offenen Probleme weiter arbeiten.
Mit seiner stabilitäts- und wachstumsorientierten Finanzpolitik hat Deutschland einen wichtigen Beitrag zur Überwindung der weltweiten Rezession geleistet. Auch im Kreis der wichtigsten Industrienationen, der G-7-Gruppe, hat sich Deutschland als erfolgreicher und verläßlicher Partner erwiesen. Die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit in der G 7 ist und bleibt eine wichtige Voraussetzung für stabile internationale Währungsbeziehungen.
Besonders eng und vertrauensvoll war die Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Finanzminister Lloyd Bentsen. Die gemeinsame Arbeit war von Freundschaft und gegenseitigem Vertrauen geprägt. Ich möchte ihm für diese Zusammenarbeit, da er jetzt nach einem reichen politischen Leben, das ihn 1948 zum erstenmal in das Repräsentantenhaus geführt hat, seinen Abschied genommen hat, sehr herzlich danken und ihm alles Gute für die Zukunft wünschen.
Sicher werden wir die Zusammenarbeit mit seinem Nachfolger Robert Rubin in gleicher Weise fortsetzen können.
Die G 7 hat die Reformanstrengungen der Länder in Mittel- und Osteuropa weiter begleitet. Bei verschiedenen internationalen Treffen hat die G 7 ihre Unterstützung zugesagt, zugleich aber auch deutlich gemacht: Die Unterstützung hängt von der Weiterführung eines marktwirtschaftlichen Reformkurses in diesen Ländern ab.
Ein weiteres wichtiges Thema im europäischen und internationalen Bereich ist die Sicherheit der Kernkraftwerke in Osteuropa. Deutschland hat sich auf dem Europäischen Rat in Korfu und auf dem Wirtschaftsgipfel in Neapel erfolgreich dafür eingesetzt,
ein Maßnahmenpaket zur raschen Schließung des Kernkraftwerks in Tschernobyl zu vereinbaren. Die Umsetzung dieses Planes ist auf gutem Weg.
An einem solchen Projekt entscheidet sich wirklich die Verläßlichkeit der internationalen Gemeinschaft. Dies ist nicht nur ein deutsches, sondern ein europäisches und weltweites Problem. Darum werden wir nicht lockerlassen, bis dieses Problem befriedigend gelöst ist.
Deutschland hat sich wie kein anderes Land für die Unterstützung erster entscheidender Reformschritte in der Ukraine eingesetzt. Dazu haben wir die Initiative für eine Zahlungsbilanzhilfe der Europäischen Union ergriffen. Durch unsere Bemühungen gelang es, einen positiven Grundsatzbeschluß über eine Hilfe von 85 Millionen ECU zu erreichen.
Unsere Partner in Europa und der Welt erwarten auch weiterhin die verantwortungsvolle Mitarbeit Deutschlands bei der Lösung der entscheidenden internationalen Probleme und einen klaren Stabilitäts- und Wachstumskurs. Dafür stehen wir auch in Zukunft ein!
Nahezu alle finanzpolitischen Entscheidungen der 12. Legislaturperiode waren durch die Einheit bestimmt. Zugleich mußte eine der schwersten Rezessionen der Nachkriegszeit überwunden werden.
Dies bedeutete: Finanzierung des wirtschaftlichen Strukturwandels in den neuen Ländern und der dazu notwendigen Sozialtransfers. Dazu gehörte die Förderung privater Investitionen, die Bereitstellung der öffentlichen Infrastruktur von Straßen bis hin zu Telefonleitungen, aber auch eine aktive Arbeitsmarktpolitik.
Dies bedeutete die Sicherung einer angemessenen Finanzausstattung der neuen Länder und ihrer Kommunen, die damit ihren Teil zum Neuaufbau beitragen konnten.
Dies bedeutete Umsteuerung des Bundeshaushalts auf den Bedarf in den neuen Ländern, Veränderung der Prioritäten bei den Ausgaben.
Dies bedeutete Kontrolle und rasche Konsolidierung der öffentlichen Defizite, um einen Anstieg des strukturellen Defizits möglichst gering zu halten und damit die Belastungen der finanzpolitischen Spielräume der Zukunft zu minimieren.
Dies bedeutete gleichzeitig Rücksichtnahme der Finanz- und Steuerpolitik auf die Konjunktur, und es bedeutete, Steuererhöhungen auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken, um die Leistungsbereitschaft der Bürger und die Wachstumskraft der Unternehmen nicht zu beeinträchtigen.
Dazu gehörte auch die Rücksichtnahme auf europäische und internationale Zusammenhänge: Der Standort Deutschland mußte im internationalen Wettbewerb weiter gestärkt werden. Es durfte kein Zweifel an dem in 40 Jahren erarbeiteten internationalen Vertrauen in die Stabilität Deutschlands geben. Keine Aufweichung der D-Mark, Bewahrung ihrer Ankerfunktion für das EWS sowie die entschlossene Weiterentwicklung der europäischen Wirtschafts- und Wäh-
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rungsunion und die Erfüllung der in Maastricht vereinbarten Konvergenzkriterien waren weitere Ziele.
Jede einzelne dieser Aufgaben erforderte allen Einsatz der Finanzpolitik. Keine Aufgabe durfte auch nur vorübergehend aus dem Blick geraten. In diesem Aufgabenpaket gab es zugleich eine ganze Reihe von Unbekannten, die sich erst im Laufe der Zeit konkretisieren ließen. Der richtige Policy-mix mußte laufend angepaßt werden.
— Haben Sie das noch nie gehört? Entschuldigung, Herr Fischer, Sie waren die letzten vier Jahre nicht hier; dafür kann ich nichts. Aber Sie lernen das noch. Sie sind ja kein Dummer.
Insbesondere die katastrophale ökonomische Situation in den Staaten Osteuropas und auch bei dem vermeintlichen Musterknaben der Planwirtschaft, der ehemaligen DDR, stellte sich ja erst nach und nach heraus. Aus 1 300 Milliarden Mark angeblichen Vermögens wurden schließlich in der Eröffnungsbilanz der Treuhand 210 Milliarden DM Schulden.
— Es ist wirklich erstaunlich, daß auf dieser Seite jemand klatscht, wenn man sagt: Aus 1 300 Milliarden Mark angeblichen Vermögens wurden nun 210 Milliarden DM Schulden. Das ist die Bilanz, die Sie, meine Damen und Herren, zu verantworten haben. Sie haben gar keinen Grund, zu klatschen.
Wir haben jetzt über 500 Milliarden DM aus dem Bundeshaushalt für die Einheit ausgegeben. Auch nach allen Gegenrechnungen betrug die Nettobelastung des Bundes durch die einigungsbedingten Ausgaben noch rund 260 Milliarden DM.
Private Investitionstätigkeit ist mit einer Fülle von Maßnahmen gefördert worden. Dazu gehören Investitionszulagen und Sonderabschreibungen sowie der Verzicht auf die Erhebung der Vermögen- und der Gewerbekapitalsteuer. Umfangreiche ERP-Kreditprogramme und Investitionszuschüsse im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" flossen in die neuen Länder.
Im Mai 1993 wurde das Föderale Konsolidierungsprogramm verabschiedet. Darin wurde der neue Finanzausgleich ab 1995 geregelt. Die dort vereinbarten jährlichen Transferleistungen von über 50 Milliarden DM ermöglichen den neuen Ländern bei etwa gleich hohen Defizitquoten wie im Westen Ausgaben von 120 % des Westniveaus. Bei den Investitionen sind es sogar 180 %. Die Pro-Kopf-Investitionen haben 1993 das Niveau in den alten Ländern überschritten. Damit sind Wachstumsergebnisse von real etwa 9 % möglich geworden — Zahlen, wie wir sie weltweit nur in sehr dynamischen Wirtschaftsregionen kennen, beispielsweise in Asien.
Die Hauptlast der wirtschaftlichen Erneuerung lag bei der Treuhand. Sie hat in den letzten vier Jahren eine herausragende, ausgezeichnete Arbeit geleistet.
Ohne jedes Vorbild, ohne Anweisungen aus Lehrbüchern wurden hier bis Ende 1994 14 500 Unternehmen privatisiert. 65 Milliarden DM Privatisierungserlöse wurden erzielt, 1,5 Millionen Arbeitsplatzzusagen und 207 Milliarden DM Investitionszusagen erreicht.
„Rasche Privatisierung, entschlossene Sanierung und behutsame Stillegung" war die auch heute noch gültige Devise.
Sie stammt von Detlev Rohwedder. Er hat für Deutschland mehr getan, als die Lacher auf dieser Seite.
Vergangene Woche habe ich den Verwaltungsrat der Treuhandanstalt, der die letzten fünf Jahre ehrenamtlich gearbeitet hat, verabschiedet. Zugegen war auch Frau Rohwedder. Ich danke dieser tapferen, großartigen Frau für die Haltung, die sie hier an den Tag legt.
Wir stehen ihr, ihren Kindern und ihrem verstorbenen Mann gegenüber in hoher Pflicht.
Mit Hunderttausenden von unternehmerischen Einzelentscheidungen ist die Treuhand diesen Aufträgen gerecht geworden. An den Finanzen ist keine mögliche Sanierung gescheitert. Um jeden einzelnen Arbeitsplatz wurde gekämpft. Dies belegen auch Sondermaßnahmen der Treuhandanstalt mit einem Volumen von 6,9 Milliarden DM noch bis zum Jahresende. Zu diesen Maßnahmen gehören u. a. die Sicherung industrieller Kerne, die Bereitstellung zusätzlicher Mittel für die Privatisierung der Chemieindustrie und der Deutschen Waggonbau AG sowie weiterer Mittel für mittelständische ehemalige Treuhandunternehmen.
Wenn heute der Umstellungsprozeß der Wirtschaft mit Volldampf läuft, Arbeitsplätze entstanden oder gesichert worden sind, in vielen kritischen Regionen einer wettbewerbsunfähigen Monostruktur nicht das Licht ausgegangen ist, ist das auch ein Verdienst der Treuhand. Wenn dennoch Arbeitsplätze verlorengegangen sind und in manchen Regionen die Arbeitslosenquote noch zu hoch ist, ist dies das Verdienst von 45 Jahren Sozialismus, von Ulbricht, Honecker, Mittag und den Genossen der SED, in deren Nachfolge Sie politisch und moralisch stehen, meine Damen und Herren von der PDS.
Wer dafür die Treuhand oder die Soziale Marktwirtschaft verantwortlich macht, verfälscht geschichtliche
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Tatsachen. Ich habe Verständnis für die Menschen in den neuen Ländern, die ihr individuelles Schicksal beklagen. Arbeitslosigkeit ist schwer zu ertragen. Die Chancen und Risiken der Marktwirtschaft leuchten nicht jedem sofort ein. Aber wenn Politikfunktionäre der ehemaligen SED im neuen Gewand der PDS, also die Mitverursacher der Misere, hier die Treuhand, die Bundesregierung und die Soziale Marktwirtschaft in Mißkredit bringen möchten, ist dies eine politische Unverschämtheit. Angesichts der Tatsache, daß so viele Menschen leider in der Welt hungern müssen, und angesichts der Tatsache, daß Hungerstreiks gegen Diktaturen bisweilen das einzige Mittel sind, um zu protestieren, ist Ihr Hungerstreik eine politische Unverschämtheit und ein Mißbrauch der Demokratie.
Hier wird in infamer Weise ein unglaubliches Lügenmärchen gestrickt, um daraus eine politische Suppe zu kochen.
Den größten Teil der Kosten der Einheit haben wir durch Einsparungen finanziert. Im Bundeshaushalt haben wir seit 1990 70 Milliarden DM dauerhaft eingespart. Die dennoch erforderliche maßvolle Erhöhung der Nettokreditaufnahme wurde reibungslos am Kapitalmarkt finanziert. Trotz der Inanspruchnahme des Kapitalmarktes durch die privaten Investoren und die öffentliche Hand sanken die langfristigen, für die Investitionen entscheidenden Kapitalmarktzinsen auf den historischen Tiefstand von knapp 5,5 %. Trotz eines gewissen Anstiegs liegen sie jetzt immer noch unter dem langfristigen Durchschnitt. Darin zeigt sich das große Vertrauen des In- und Auslands.
Wir haben in 40 Jahren konsequenter Stabilitätspolitik einen großen Vertrauenskredit in der Welt erworben. Niemand hatte Bedenken, Geld in Deutschland in der D-Mark anzulegen. Spekulanten haben sich die Zähne ausgebissen.
Trotz der Entlastungen auf der Ausgabenseite waren auch Einnahmeverbesserungen unvermeidlich. Sie konnten aber in engem Rahmen gehalten und konjunkturgerecht zeitlich begrenzt werden.
Mit dem Jahr 1995 kehren wir zur finanzpolitischen Normalität zurück. Die Übergangsfinanzierungen für die Einheit werden beendet und in den Bundeshaushalt übernommen. Die abschließende Regelung der Erblasten und die vollständige Integration der neuen Länder in das Finanzausgleichsystem führen die Finanzpolitik in ruhigeres Fahrwasser.
Im Erblastentilgungsfonds wird die sozialistische Erblast übernommen. Dabei werden die Altschulden des Kreditabwicklungsfonds der Treuhand und des DDR-Wohnungsbaus die ursprünglich angenommenen 400 Milliarden DM wohl nicht ganz erreichen. 1995 zahlt der Bund für den Erblastentilgungsfonds aus seinem Haushalt Zins und Tilgung in Höhe von 26 Milliarden DM. Dazu kommen die direkte Finanzierung der Nachfolgeeinrichtungen der Treuhand von 5,6 Milliarden DM und die Altschuldenhilfe für
die Wohnungswirtschaft in den neuen Ländern von gut 1 Milliarde DM. — Die Umsetzung des Altschuldenhilfegesetzes ist übrigens ein voller Erfolg. Vertreter der Wohnungswirtschaft haben mir dies kürzlich bestätigt und damit auf mögliche Investitionen von insgesamt 200 Milliarden DM in den nächsten fünf bis acht Jahren hingewiesen.
An dieser Stelle noch eine wichtige Bemerkung für den Kapitalmarkt: Allein die Übernahme der Finanzierung der aufgelaufenen Treuhandschulden und der Nachfolgeinstitutionen im Bundeshaushalt entlastet den Kapitalmarkt um etwa 1 % des Bruttoinlandsprodukts, also um gut 30 Milliarden DM. Der neue Finanzausgleich kostet den Bund etwa 35 Milliarden DM. Sieben Umsatzsteuerpunkte gibt der Bund an die Länder ab. Das sind etwa 17 Milliarden DM. Die Bundesergänzungszuweisungen betragen weitere 18 Milliarden DM.
Aus gesamtwirtschaftlichen Gründen holen wir uns nur einen Teil dieser 35 Milliarden DM über den Solidaritätszuschlag zurück. Er muß so bald wie möglich zurückgeführt werden. Aber der Konsolidierungskurs hat Vorrang. Nur wenn sich entsprechende Spielräume ergeben, können wir über eine Kürzung reden. Diese Spielräume haben wir eindeutig definiert: wenn die Belastung des Bundes durch die Transfers für die neuen Länder im Rahmen des Finanzausgleichs sinkt oder die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag dauerhaft stärker steigen, als im Finanzplan vorgesehen. Das wird jährlich überprüft. Damit übernehmen die Länder Mitverantwortung für den Abbau. Wenn die sieben Umsatzsteuerpunkte für den Transfer Ost nicht mehr voll gebraucht werden, müssen die Länder Umsatzsteuerpunkte an den Bund zurückgeben. Dieses Geld darf nicht anderweitig verbraucht werden.
Meine Damen und Herren von der SPD, es macht keinen Sinn, immer wieder über die vermeintliche soziale Ungerechtigkeit des Solidaritätszuschlags zu fabulieren. Der von Ihnen mitbeschlossene Solidaritätszuschlag ist gerecht. Er knüpft an unseren von jedermann für sozial gerecht gehaltenen progressiven Einkommensteuertarif an. Wer viel Steuern zahlt, zahlt viel Zuschlag. Wer wenig oder keine Steuern zahlt, zahlt auch keinen Zuschlag. Eine vierköpfige Familie zahlt schon jetzt bis zu einem Bruttoeinkommen von 47 197 DM keine Mark. Mit der Neuregelung des Existenzminimums steigt dies auf 54 001 DM.
Wie bereits vor der Wahl angekündigt, entspricht der jetzt vorgelegte Bundeshaushalt 1995 weitgehend dem Entwurf vom September. Allerdings können wir heute einen in wichtigen Eckpunkten verbesserten Haushalt vorlegen. Mit 484,1 Milliarden DM — rund 600 Millionen DM weniger als im ersten Regierungsentwurf — steigen die Ausgaben nur um 0,9 %. Das ist deutlich unter dem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts. Wenn wir das Ziel angehen, vor allen Dingen die Staatsquote bis zur Jahrtausendwende etwa auf die Zahl zu senken, wie sie vor der Wiedervereinigung gewesen ist, dann gelingt dies nur, wenn die Steigerung des Haushalts deutlich unter der Steigerung des nominellen Bruttosozialproduktes liegt.
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Man kann sich kaum eine stärkere Berücksichtigung dieser Zielmarge vorstellen, wenn man den Haushalt nur um 0,9 % steigerte und das nominelle Bruttosozialprodukt um etwa 5 % zunähme.
Um Ihnen, Frau Matthäus-Maier, und Ihnen, Herr Wieczorek, gleich zuvorzukommen: Sparen Sie sich den Einwand, hier handle es sich um Buchungstricks!
— Natürlich. Ich wußte doch, daß Ihnen nichts Neues einfällt.
— Frau Fuchs, hören Sie doch einmal zu!
— Entschuldigung; ich rede doch. Ich warte nachher darauf, daß Sie fragen.
Ich gratuliere Ihnen übrigens, daß Sie Vorsitzender des Haushaltsausschusses geworden sind.
Bei seinem Geburtstag hat Rudi Walther seinen Wunsch geäußert, daß der Vorsitz des Haushaltsausschusses wechseln möge, und zwar nicht deswegen, weil die SPD gern einen Posten aufgibt, sondern weil das Folge eines Machtwechsels gewesen wäre. Ich habe gesagt: Wir sind fair; die SPD hat wenige gute Leute; einen davon soll sie zum Vorsitzenden des Haushaltsausschusses machen; wir stellen weiter die Regierung. Dabei ist es geblieben.
Natürlich werden die Mittel für den neuen Finanzausgleich als Mindereinnahmen gebucht. Das ist haushaltsrechtlich in Ordnung und ist zu allen Zeiten so angewendet worden, auch zu Ihrer Regierungszeit. Denn mit der gleichen Berechtigung hätten wir dann umgekehrt ab 1990 die Übergangsfinanzierungen aus den Ausgabensteigerungen für diese Jahre herausrechnen können. Das haben wir natürlich nicht getan.
Und wie behandeln Sie denn die neuen Zusatzlasten für den Bund durch den Erblastentilgungsfonds und die zusätzlichen Leistungen für die neuen Länder und die Treuhandnachfolge? Sollen wir sie etwa weglassen? Das wäre ja die logische Folge Ihrer Kritik.
Die Nettokreditaufnahme wird gegenüber dem ersten Entwurf um 10,2 Milliarden DM auf 58,6 Milliarden DM zurückgeführt.
Die von der Bundesregierung im Sommer beschlossenen Einsparmaßnahmen bei der Arbeitslosenhilfe sind mit der Koalitionsvereinbarung in die umfassendere Reform und Neuabgrenzung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe eingeordnet worden. Hier sind Reformen dringend nötig. Es kann nicht sein, daß der Anreiz zur Aufnahme einer regulären Arbeit in vielen Fällen nur minimal ist. Der Anreiz zur Arbeitsaufnahme muß gesteigert werden, nicht der Anreiz zum Ausbeuten sozialer Sicherungssysteme. Das Lohnabstandsgebot muß wieder deutlich gewahrt werden.
Ich danke hier Renate Schmidt und auch Ihnen, Herr Scharping, für deutliche Worte zur Mißbrauchsbekämpfung an Ihre eigene Partei.
Ich glaube, das ist ein guter Beginn, um eine ideologiefreie Debatte über dieses Thema zu führen.
Auch im kommenden Bundeshaushalt bleiben die Hilfen für die neuen Länder der dominierende Faktor. Wie in den Vorjahren kommen den neuen Ländern, einschließlich der Steuerverzichte des Bundes, etwa 150 Milliarden DM zugute. An Einnahmen aus den neuen Ländern erhält der Bund rund 45 Milliarden DM. Im Saldo stellt der Bund also für die neuen Länder 1995 etwa 105 Milliarden DM bereit — bei einem Bundeshaushalt von 484,1 Milliarden und einem Defizit von 58,6 Milliarden DM.
Schon diese Relation zeigt noch einmal überdeutlich die Verschiebung der Prioritäten und das Ausmaß der bereits durchgeführten Konsolidierung im Bundeshaushalt.
Auch wenn wichtige Klippen umschifft worden sind und das Fahrwasser wieder ruhiger geworden ist: Wir müssen weiter klar auf das Ziel zusteuern. Die Konsolidierungsaufgabe ist noch keineswegs erledigt.
Die Ausgabenspielräume bleiben auch in den Jahren nach 1995 eng begrenzt. Der geltende Finanzplan unterstellt bereits ein nominales Wirtschaftswachstum von fünfeinhalb Prozent. Nachdem uns manche Skeptiker noch bis vor kurzem übertriebenen Optimismus vorgeworfen haben, wird niemand mehr bestreiten: Dieses Ziel ist erreichbar.
Aber mehr ist auch jetzt nicht zu erwarten. Das Ausgabenmoratorium muß für die ganze Legislaturperiode gelten.
Wir müssen bei den wichtigen finanzpolitischen Meßgrößen den Stand vor der Wiedervereinigung erreichen.
Die Staatsquote muß von jetzt etwa 50 % bis zum Jahre 2000 auf 46 % gesenkt werden.
Entstehende Spielräume müssen vorrangig für die weitere Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des
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Standorts Deutschland genutzt werden. Die Steuer- und Abgabenquote muß mittelfristig wieder zurückgeführt werden. Diese Wachstumsaufgabe anzupakken ist der zentrale finanzpolitische Auftrag dieses Jahrzehnts.
Eine dynamische Wirtschaft, die laufend neue Arbeitsplätze schafft, entsteht durch den Abbau von Wachstumshemmnissen, durch eine aktive, die individuelle und wirtschaftliche Leistungsbereitschaft fördernde Politik. Das ist keine Politik der sozialen Kälte.
Erstens. Nur durch wirtschaftlichen Wohlstand und Wachstum können wir unseren Stand der sozialen Absicherung halten und gezielt verbessern.
Zweitens. Die Ethik einer christlichen Partei hat eine den Schwachen und Benachteiligten zugewandte Sozialpolitik im Mittelpunkt ihrer Politik.
Wenn es um richtig verstandene Solidarität geht, lassen wir uns von den Sozialisten jedenfalls nicht übertreffen.
Aber Sozialpolitik muß an der konkreten Situation des einzelnen orientiert sein. Die staatliche Verwaltung und Regulierung von sozialen Problemen in unüberschaubaren und anonymen Institutionen darf nicht überhandnehmen. Sie ist sonst auch nicht bezahlbar.
Der Sozialstaat muß umgebaut werden.
Statt des Einsatzes der sozialen Gießkanne müssen wir uns um die konkreten Probleme des einzelnen kümmern. Bürokratie muß abgebaut und gestrafft werden.
— Beruhigen Sie sich doch, Herr Fischer.
— Herr Blüm braucht bei mir keine Zwischenfrage zu stellen; denn wir verstehen einander blind.
Marktwirtschaftliche Sozialpolitik hilft den Schwachen. Sie setzt aber zugleich Anreize für die Hilfe zur Selbsthilfe und geht gegen die Ausbeutung der Sozialsysteme zum Schaden der Allgemeinheit vor.
Auch im Bundeshaushalt 1995 wird jede dritte Mark für soziale Sicherung ausgegeben. Nicht in einem einzigen Haushalt, für den die SPD unter ihren Finanzministern Verantwortung trug, wurde prozentual so viel für Soziales ausgegeben, nicht in einem einzigen Haushalt von 1970 bis 1982.
— Ich freue mich, daß das eine lebendige Auftaktrunde ist. Ich hätte gar nicht gedacht, daß Sie nach Ihrer Niederlage bei der Bundestagswahl schon so munter sind. Sie haben sich offensichtlich rechtzeitig auf die Niederlage eingestellt.
Wir müssen weiterhin konsequent prüfen, welche Aufgabengebiete der Staat der Zukunft in einer offenen Gesellschaft zu übernehmen hat und wie er die Aufgaben, die er übernehmen soll, ausführt. Die Effizienz der Staatstätigkeit muß gesteigert werden.
Wenn wir von jedem Bürger und der Wirtschaft verlangen, flexibel und schnell auf Veränderungen im Markt zu reagieren, muß für den Staat das gleiche gelten. Unter dem Stichwort schlanker Staat wollen wir diese Probleme angehen. Wir wollen den Personaleinsatz in der Verwaltung zurückführen. Dabei haben wir uns ein klares Ziel gesteckt: Wir haben bereits seit 1993 den Personalbestand konsequent verringert.
Wir werden ihn auch künftig um jährlich ein Prozent verringern. Bis zum Ende des Jahrhunderts soll der Stand von 1989 erreicht werden.
Zwischen 1991 und Ende 1995 werden 46 000 Stellen abgebaut. Weitere 10 000 folgen. Das sind dann bei Stellenkosten von durchschnittlich etwa 70 000 DM jährlich dauerhafte Einsparungen von gut 3,5 Milliarden DM.
Bei den Verwaltungsausgaben, die immerhin ein Volumen von 30 Milliarden DM im Bundeshaushalt ausmachen, werden wir 1995 Pilotprojekte zur Erprobung flexibler Haushaltsverfahren starten.
Die erfolgreiche Privatisierung in Ost und West wird weitergeführt. Ordnungspolitisch konsequent trennt sich der Staat mittelfristig von seinen Sondervermögen Bahn und Post. Die Privatisierung der Telekom ist die größte Privatisierungsaktion in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Dabei geht es nicht um Einnahmen für den Staat. Die Einnahmen, die er dadurch bekommt, werden wir für Gehaltszahlungen für die noch verbleibenden Beamten und für Pensionslasten benötigen. Damit ist dieser Bereich ein für allemal aus dem hoheitlichen Bereich heraus. Langfristig wird es bei Post und Bahn keine Beamten mehr geben. Es entstehen vom öffentlichen Ballast befreite, marktwirtschaftlich ausgerichtete High-Tech-Unternehmen, die ihren erfolgreichen Part auf den Weltmärkten spielen werden.
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Neben der Bilanz der Treuhand war es im Westen insbesondere der Einstieg in die endgültige, vollständige Privatisierung der Lufthansa, der von der internationalen Fachpresse als „deal of the year" gewürdigt wurde.
Im Osten werden die Nachfolgeeinrichtungen der Treuhandanstalt dafür sorgen, daß die erfolgreiche Privatisierung in den neuen Ländern weiter auf Kurs gehalten wird und Fehlentwicklungen im Einzelfall rasch korrigiert werden.
Nicht benötigte Liegenschaften wird der Bund weiterhin rasch veräußern. Die bisher gewährten Verbilligungen werden aber auslaufen. Interessierte Länder und Kommunen sind jetzt gefordert, ihre Interessen zu konkretisieren und Verkäufe rasch abzuschließen. Der Bund will Familien mit Kindern beim Verkauf bundeseigener Grundstücke gegenüber anderen Kaufinteressenten bevorzugen. Hier werden wir im Verwaltungsweg zu attraktiven Lösungen für die Familien kommen.
Wichtige Vorhaben in der Steuerpolitik stehen an. Dabei darf es keine Steuersenkungen auf Pump geben. Dennoch wäre es genauso verkehrt, mit der Steuersenkung erst bei Defiziten von Null zu beginnen. Wir werden den steuerpolitischen Aufgaben deshalb in der Finanzplanung Rechnung tragen. Dabei stehen die Sicherung des Existenzminimums und die Verbesserung des dualen Systems des Familienleistungsausgleichs im Vordergrund.
Nach der deutlichen Unterschreitung des geplanten Defizits 1994 und 1995 werden wir 1996 etwa auf dem Niveau des Finanzplans bleiben. 1997 und 1998 werden die Defizite etwas höher als im Finanzplan liegen. Nach dem Vorliegen der mittelfristigen Steuerschätzung und der gesamtwirtschaftlichen Vorausschau werden wir mit dem Haushalt 1996 Mitte nächsten Jahres die genauen Zahlen kennen und den Finanzplan vorlegen.
Insgesamt wird der Konsolidierungspfad jedenfalls nicht verlassen. Alle weiteren richtigen und sinnvollen Steuersenkungen müssen erst durch zusätzliche Konsolidierungserfolge verdient werden; sonst verkehrt sich ihre Wirkung ins Gegenteil.
Die wichtigsten steuerpolitischen Aufgaben werden im Jahressteuergesetz 1996 angepackt. Ich möchte schon heute die Opposition im Bundestag und im Bundesrat auffordern, sich dieser für Deutschland zentralen Zukunftsaufgabe nicht mit Scheuklappen zu widersetzen. Das Thema ist zu wichtig, um es zu einem Wahlkampftheater werden zu lassen. Wir alle tragen Verantwortung für Deutschland. Es sollte hier zu einer Steuerkoalition der Vernunft kommen. Dabei biete ich Ihnen von meiner Seite eine unvoreingenommene Diskussion an.
Mit dem von mir in der letzten Woche gemachten Vorschlag können wir die Steuerfreistellung des Existenzminimums verfassungskonform regeln. Damit wird die bis Ende 1995 geltende Übergangsregelung abgelöst. Mein Vorschlag hat vor allem die folgenden Vorzüge: Jeder wird entlastet; keiner wird belastet. 1,5 Millionen Haushalte fallen zusätzlich aus der Steuerpflicht heraus. Nach unvermeidlichen Belastungen in den letzten Jahren erfolgt 1996 mit einem Volumen von 15 Milliarden DM eine wichtige Entlastung aller Steuerzahler. Dies verstetigt die private Nachfrage und das Wirtschaftswachstum. Der Vorschlag ist leistungsgerecht und verteilungspolitisch ausgewogen. Höhere Einkommen werden prozentual am niedrigsten entlastet. Die niedrigen Einkommen werden am höchsten entlastet.
Der Vorschlag ist auch finanzpolitisch ein zukunftsfähiger Weg; denn künftige Anpassungen des steuerfreien Existenzminimums führen zu wesentlich geringeren Steuerausfällen als alle anderen bisher bekannten Lösungen, wie z. B. der von Nordrhein-Westfalen vorgeschlagene Tarif.
Die Neugestaltung des Einkommensteuertarifs enthält folgende Eckpunkte: Das Existenzminimum wird in Höhe von rund 12 000 DM für Ledige bzw. 24 000 DM für Verheiratete steuerfrei gestellt. Der bisherige Grundfreibetrag wird durch eine außertarifliche Steuerermäßigung, die sogenannte Grundentlastung, ersetzt. Diese Grundentlastung wird mit steigendem Einkommen abgebaut und läuft bei einem zu versteuernden Einkommen von rund 30 000 DM bei Ledigen bzw. 60 000 DM bei Verheirateten aus.
Die tarifliche Grenzbelastung wird über die gesamte Progressionszone hinweg um 0,7 Prozentpunkte leistungsgerecht abgesenkt. Der linear-progressive Tarifverlauf bleibt erhalten.
Diese Lösung hat folgende konkrete Auswirkungen: Ein verheirateter Alleinverdiener mit einem zu versteuernden Einkommen von 30 000 DM wird um rund 2 200 DM entlastet. Bei geringem Einkommen bis zum Existenzminimum von rund 12 000 DM bei Ledigen bzw. 24 000 DM bei Verheirateten wird die Steuerbelastung um 100 % gesenkt. Bei einem Spitzenverdiener ergibt sich eine Entlastung von weniger als 2 % der bisher zu tragenden Steuerschuld.
Rund ein Viertel der Steuerzahler im unteren Einkommensbereich haben einen Entlastungsanteil von über 40 % am Gesamtvolumen. Auf die untere Hälfte der Steuerzahler entfällt ein Entlastungsanteil von rund 70 %.
Die vorgeschlagene Lösung bewegt sich im Spielraum, den das Bundesverfassungsgericht einräumt. Auch der für 1996 vorgesehene Freistellungsbetrag von 12 095 DM bzw. 24 191 DM entspricht den verfassungsrechtlichen Anforderungen.
1995 stellen wir 11 500 DM frei, obwohl nur rund 11 000 DM erforderlich wären. Auch der Freistellungsbetrag für 1996 liegt über dem Existenzminimum und kann ebenfalls 1997 unverändert fortgelten. 13 000 DM sind jetzt nicht notwendig.
Über Modelle mit einem größeren Finanzvolumen können wir selbstverständlich diskutieren, wenn gleichzeitig konsensfähige Vorschläge für eine Gegenfinanzierung unterbreitet werden. Diese Vorschläge müssen aber verteilungspolitisch ausgewogen sein und dürfen zu keiner Steuerkomplizierung führen.
Der Kollege Schleußer ist zum Wortführer der SPD ernannt worden. Das begrüße ich. Dennoch, sein
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 323
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
Vorschlag ist weniger begrüßenswert. Er wirkt ab einem zu versteuernden Einkommen von 50 000 DM wie eine Ergänzungsabgabe. Das hat das Bundesverfassungsgericht mit Sicherheit nicht gewollt.
Ich kann im übrigen auch nicht einsehen, wieso Sie sich unserer Lösung verschließen, die gerade die Geringverdiener besonders begünstigt. Es ist auch nicht so, daß wir den linear-progressiven Tarifverlauf aufgeben. Es macht wenig Sinn, sich durch eine Diskussion über punktuelle Grenzbelastungen den Blick für das Wesentliche zu versperren. Aus der Sicht der Steuerpflichtigen zählt letztlich das, was unter dem Strich übrigbleibt.
Berücksichtigt man alle zusätzliche Transfers oder Belastungen, die für verschiedene Einkommensgruppen relevant sind, ergeben sich bei der Grenzbelastung ständig Abweichungen von einem Formeltarif. Unbeschritten bleibt: Absolut und relativ werden die unteren Einkommen am stärksten entlastet.
Ich hoffe, wir können bei den anstehenden Verhandlungen konstruktiv zusammenwirken. Ich empfehle Ihnen, in diesem Zusammenhang einmal mit Ihrem früheren Kollegen Apel Kontakt aufzunehmen, der erst kürzlich in einem Interview deutlich gemacht hat, er halte diese Steuerpläne der Bundesregierung für richtig.
Weitergehenden Kompensationswünschen der Bundesländer möchte ich gleich an dieser Stelle eine Absage erteilen. Es kann nicht sein, daß allein der Bund in der Pflicht zum Sparen ist. Die Länder sind durchaus in der Lage, weitere Einsparungen und Haushaltsverbesserungen vorzunehmen. Bereits jetzt haben wir eine finanzielle Schieflage zwischen Bund und alten Ländern, und zwar zu Lasten des Bundes. Die alten Länder und ihre Gemeinden werden 1995 wohl eine Defizitquote von 51/2 % erreichen. Trotz der Konsolidierungsanstrengungen wird sie beim Bund noch 12 % betragen.
Meine Damen und Herren, die Familien sollen weiter entlastet werden. Dies ist ein Schwerpunkt der Politik der Bundesregierung. Der Kinderfreibetrag wird stufenweise auf das volle Existenzminimum eines Kindes angehoben, in einem ersten Schritt zum 1. Januar 1996 um rund 1 000 DM. Dafür wird es möglich, die Familientransferleistungen wie z. B. das Kindergeld ziel- und bedarfsgerecht auf einkommensschwache Familien mit mehreren Kindern zu konzentrieren.
Unser besonderes Augenmerk gilt zukunfts- und wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen. Die Arbeitslosigkeit ist zu hoch, auch wenn sich erste positive Signale zeigen. Zur Sicherung von Wachstum und Beschäftigung werden wir deshalb für 1996 die dritte Stufe der Unternehmensteuerreform in Angriff nehmen. Die international einmalige Sonderbelastung der deutschen Unternehmen durch die Gewerbesteuer muß gesenkt werden. Nur so können wir im internationalen Wettbewerb den Standort Deutschland behaupten. Hochproduktive Arbeitsplätze sind nur mit einer ausreichenden Kapitalausstattung möglich. Deshalb
muß die ertragsunabhängige Gewerbekapitalsteuer abgeschafft werden.
Wer sich dem verweigert, setzt die Zukunft unserer Arbeitsplätze in Deutschland aufs Spiel. Die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer wollen wir mit einer mittelstandsfreundlichen Entlastung bei der Gewerbeertragsteuer verbinden.
Eingebettet wird das Gesamtkonzept in eine Gemeindefinanzreform. Klar ist: Die Gemeinden müssen einen vollen Ausgleich erhalten.
Sie sollen auch weiterhin ein Interesse daran haben, die Ansiedlung von Gewerbebetrieben und damit von Arbeitsplätzen zu fördern. Klar ist aber auch: Wie bei den vorhergehenden Stufen der Unternehmensteuerreform kommt auf Grund der haushaltspolitischen Situation nur eine aufkommensneutrale Gestaltung in Frage.
Die Philosophie eines schlankes Staates muß auch für unser Steuersystem gelten. Das Steuersystem muß wieder einfach und transparent werden. Dies ist eine Forderung sowohl im Interesse der Steuerzahler als auch im Interesse der Steuerverwaltung.
— Die Steuergesetze sind zumeist durch den Vermittlungsausschuß gegangen. Sie sind eine Einigung zwischen der Koalition und der Opposition, also gemeinsam mit Ihnen gemacht. Wenn es — leider — zu Verkomplizierungen gekommen ist, tragen wir alle zusammen die Verantwortung.
Wir müssen das gemeinsam abbauen.
Ich habe dazu im September ein Diskussionspaket vorgestellt. Die einzelnen Punkte des Diskussionspaketes werden wir eingehend erörtern, um sie in das Jahressteuergesetz 1996 zu integrieren.
Ich möchte noch einmal betonen: Ich bin gerne bereit, unser Steuersystem nachhaltig zu reformieren. Ich rufe alle gesellschaftlichen Gruppen auf, nicht nur auf die Privilegien der anderen zu zeigen, sondern die eigenen in den Mittelpunkt zu rücken.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Kohlepfennig erfordert jetzt von allen Beteiligten verantwortungsbewußtes Handeln. Über die Parteigrenzen hinweg muß ideologiefrei am Energiekonsens weitergearbeitet werden. Durch die jetzt zu treffenden Entscheidungen zur Kohlefinanzierung darf die Konsolidierungspolitik nicht gefährdet werden. Ziel der Neuregelung muß eine weitgehende
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Bundesminister Dr. Theodor Waigel Belastungsneutralität für den Stromverbraucher sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Friedrich Dürrenmatt hat gesagt: „Die Wirklichkeit ist nur veränderbar, insofern sie noch nicht ist. Wir können versuchen, die Zukunft zu beeinflussen. Das ist alles." In der Tat, es ist die vornehmste Aufgabe der Politik, die Zukunft zu gestalten. Die Bürger wollen klare Perspektiven, Lösungsvorschläge für drängende Probleme.
Wir haben uns für die Lösung der wesentlichen Wiedervereinigungsaufgaben den Zeitrahmen von zehn Jahren gesetzt. Nach diesem Maßstab ist jetzt Halbzeit. Fünf Jahre ohne Stacheldraht und Mauer liegen hinter uns. Ich denke, wir haben diese Halbzeit gut gespielt.
In den neuen Ländern bleibt noch eine Menge zu tun, vieles aufzubauen, wie beispielsweise die Frauenkirche in Dresden, wofür wir eine Sondermünze prägen und den Erlös für diesen guten Zweck zur Verfügung stellen.
Vielleicht ist es eine weniger gute deutsche Eigenschaft, sich über wirkliche Glücksfälle der Geschichte nicht recht freuen zu können. Dabei haben wir gerade jetzt allen Grund dazu. Wir brauchen unsere Einheit nicht protzig zu Markte zu tragen, aber auch nicht griesgrämig vor der Welt zu verstecken.
Wir können dankbar und stolz darauf sein: Deutschland steht für immer auf der Seite der Freiheit, gegen Diktatur und Unterdrückung. Wir haben in Deutschland dazu beigetragen, ein menschenverachtendes System zur Geschichte werden zu lassen. Unsere Aufgabe ist es, diese Erfahrung in Europa einzubringen. Die tragenden Elemente der abendländischen Kultur, das Christentum und die Aufklärung, haben auch an der Schwelle eines neuen Jahrtausends nichts von ihrer Aktualität verloren.
Die europäische Einigung muß kommen — nicht als europäischer Superstaat, sondern als föderale Gemeinschaft, in der aber die wichtigen Interessen und gemeinsamen Überzeugungen entschlossen und mit einer Stimme nach außen vertreten werden. Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, mit dem Ende des Ost-West-Konflikts sei ein Europa überflüssig.
Große Herausforderungen warten auf uns. Die Kirchen diskutieren den konziliaren Prozeß, Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Bei der inhaltlichen Ausgestaltung dieser Prinzipien müssen wir einen deutschen, einen europäischen Beitrag leisten. Wir können uns dabei kein kleines Karo leisten. Wer immer nur die Probleme und Schwierigkeiten sieht, wird die Zukunft nicht meistern.
Für uns gilt Immanuel Kants kategorischer Imperativ der Politik: „Du kannst, denn du sollst. " Mit Freude
an der Gestaltung der Zukunft zu arbeiten, Verantwortung für Deutschland, Europa und die Welt wahrzunehmen, das, meine Damen und Herren, ist unser Programm.
Ich danke Ihnen.