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    Plenarprotokoll 13/7 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 7. Sitzung Bonn, Freitag, den 25. November 1994 Inhalt: Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde, für die Aktuellen Stunden sowie der Vereinbarung über die Befragung der Bundesregierung in der Sitzungswoche ab 12. Dezember 1994 259 A Tagesordnungspunkt: Regierungserklärung des Bundeskanzlers (Fortsetzung der Aussprache) Wolfgang Thierse SPD 259 B Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBWFT 263 A Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 267 A Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P. 268B Hans-Werner Bertl SPD 270 B Eckart Kuhlwein SPD 270 C Dr. Ludwig Elm PDS 271 A Dr. Peter Glotz SPD 272 D, 282 B Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident (Bayern) 276 B, 283 A Dr. Peter Glotz SPD 277 B Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 277 D Horst Kubatschka SPD 278 A Jörg Tauss SPD 279 C Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 281 A Achim Großmann SPD 283 D Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU 287 B Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU 288 C Otto Reschke SPD 289 B Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 289 C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 290 A Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 292 C Klaus-Jürgen Warnick PDS 294 B Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 295 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 296 D Achim Großmann SPD 297 B Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU 299 A Elke Ferner SPD 300 A Dr. Dionys Jobst CDU/CSU 301 B Matthias Wissmann, Bundesminister BMV 303 D Gila Altmann (Aurich) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 305 C Manfred Grund CDU/CSU 306 C Horst Friedrich F.D.P. 307 B Dr. Dagmar Enkelmann PDS 309 D Nächste Sitzung 310 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 311* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu dem Tagesordnungspunkt: Regierungserklärung des Bundeskanzlers (Fortsetzung der Aussprache) Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 311* C Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 312* D Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. November 1994 259 7. Sitzung Bonn, Freitag, den 25. November 1994 Beginn: 9.00 Uhr
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    *) Vergleiche Anlage 2 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Austermann, Dietrich CDU/CSU 25. 11. 94 Bachmaier, Hermann SPD 25. 11. 94 Beucher, Friedhelm SPD 25. 11. 94 Julius Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 25. 11. 94 Burchardt, Ulla SPD 25. 11. 94 Buwitt, Dankward CDU/CSU 25. 11. 94 Dr. Eid-Simon, Ursula BÜNDNIS 25. 11. 94 90/DIE GRÜNEN Gleicke, Iris SPD 25. 11. 94 Graf (Friesoythe), Günter SPD 25. 11. 94 Frhr. von Hammerstein, CDU/CSU 25. 11. 94 Carl-Detlev Hasenfratz, Klaus SPD 25. 11. 94 Heym, Stefan PDS 25. 11. 94 Dr. Hö11, Barbara PDS 25. 11. 94 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 25. 11. 94 Dr. Hornhues, Karl-Heinz CDU/CSU 25. 11. 94 Iwersen, Gabriele SPD 25. 11. 94 Janssen, Jann-Peter SPD 25. 11. 94 Junghanns, Ulrich CDU/CSU 25. 11. 94 Kanther, Manfred CDU/CSU 25. 11. 94 Kastning, Ernst SPD 25. 11. 94 Kirschner, Klaus SPD 25. 11. 94 Labsch, Werner SPD 25. 11. 94 Leidinger, Robert SPD 25. 11. 94 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 25. 11. 94 Erich Mante, Winfried SPD 25. 11. 94 Matschie, Christoph SPD 25. 11. 94 Meckel, Markus SPD 25. 11. 94 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 25. 11. 94 Neumann (Berlin), Kurt SPD 25. 11. 94 Neumann (Gotha), SPD 25. 11. 94 Gerhard Nickels, Christa BÜNDNIS 25. 11. 94 90/DIE GRÜNEN Peters, Lisa F.D.P. 25. 11. 94 Dr. Pfaff, Martin SPD 25. 11. 94 Dr. Pflüger, Friedbert CDU/CSU 25. 11. 94 Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 25. 11. 94 Hermann Saibold, Hannelore BÜNDNIS 25. 11. 94 90/DIE GRÜNEN Schaich-Walch, Gudrun SPD 25. 11. 94 Dr. Scheer, Hermann SPD 25. 11. 94 * Schindler, Norbert CDU/CSU 25. 11. 94 Schumann, Ilse SPD 25. 11. 94 Dr. Solms, Hermann Otto F.D.P. 25. 11. 94 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 25. 11. 94 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 25. 11. 94 Vergin, Siegfried SPD 25. 11. 94 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Volmer, Ludger BÜNDNIS 25. 11. 94 90/DIE GRÜNEN Wallow, Hans SPD 25. 11. 94 Welt, Jochen SPD 25. 11. 94 Wester, Hildegard SPD 25. 11. 94 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 25. 11. 94 Wieczorek (Duisburg), SPD 25. 11. 94 Helmut Dr. Zöpel, Christoph SPD 25. 11. 94 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu dem Tagesordnungspunkt: Regierungserklärung des Bundeskanzlers (Fortsetzung der Aussprache) Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister für Post und Telekommunikation: Bereits in der Vergangenheit ist der Telekommunikationsmarkt im Vergleich zur übrigen Wirtschaft überdurchschnittlich gewachsen. Im Jahr 2000 wird er vermutlich allein in Deutschland die 200-Milliarden-Mark-Schwelle überschreiten. Weltweit wird dieser Markt dann ein Volumen von schätzungsweise 1,5 Billiarden DM umfassen. Die Mikroelektronik macht es möglich, daß Telekommunikation und Datenverarbeitung miteinander verschmelzen und daß auch zunehmend die sich vervielfältigenden Formen des Fernsehens - ich nenne hier nur das Stichwort Multimedia in diese Entwicklung einzubeziehen sind. Als ein Land, das davon lebt, daß es Technologie entwickelt, herstellt und verkauft, muß Deutschland sich in diesem Markt geschickt und erfolgreich positionieren. Dazu gehört, daß von staatlicher Seite die notwendigen Vorkehrungen getroffen werden, die es den Unternehmen erlauben, sich national und international nicht nur zu behaupten, sondern ihre Stellung weiter auszubauen oder neue Marktsegmente zu schließen. Nach den Beschlüssen zur Postreform II werden wir mit dem Verkauf von Telekom-Aktien für dieses Unternehmen als erstes den Schritt in die neue, privatisierte Welt einleiten. Die Entscheidung über das Bankenkonsortium, das diese Emission durchführen wird, hat die Bundesregierung bereits getroffen und heute morgen bekannt gegeben. Diese Emission wird den Finanzplatz Deutschland stärken und auch die Börsenfähigkeit anderer deutscher Unternehmen an der US-Börse erleichtern. Es ist die Absicht der Bundesregierung, diese Privatisierung durch die Fortführung der Liberalisierung zu ergänzen. Denn nur der Wettbewerb wird schließlich die nötigen Kräfte und Ressourcen entfalten helfen, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu behaupten und zum globalen Mitspieler im weltweit schärfer werdenden Wettbewerb im Telekommunikations- 312* Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. November 1994 markt zu werden. Unsere Devise lautet deshalb: kontrolliert offensiv liberalisieren. Ich freue mich, daß es uns beim Telekommunikationsrat am 17. November 1994 in Brüssel gelungen ist, den Beschluß zu fassen, das Netzmonopol parallel zum Telefondienstmonopol zum 1. Januar 1998 aufzuheben. Den Mitgliedstaaten mit weniger entwickelten Netzen (Spanien, Irland, Griechenland und Portugal) und alle Mitgliedstaaten, denen bei der Aufhebung des Telefondienstmonopols eine Übergangsfrist eingeräumt worden ist, wird ebenfalls im Bereich des Netzmonopls eine Übergangsfrist von wenigen Jahren eingeräumt. Wir haben damit Klarheit auch über die Zukunft des Netzmonopols geschaffen. Der Charme dieser Lösung liegt darin, daß sich alle Migliedstaaten der EU zu diesem Beschluß bereitgefunden haben und wir damit keine Parzellierung der Entwicklung innerhalb der Europäischen Union ertragen müssen. Die deutsche Ratspräsidentschaft hat mit diesem Beschluß einen großen Erfolg errungen, Herr Bangemann sprach sogar von einem historischen Tag. Damit sind in den vergangenen beiden Jahren die wichtigsten Pflöcke für eine planvolle Weiterentwicklung der Telekommunikation in Deutschland eingeschlagen worden: Privatisierung der Telekom, Festlegen der Termine für das Ende des Telefondienst- und des Netzmonopols. Nun beginnt die weitere Arbeit, d. h. innerhalb der Pflöcke muß nun gebaut werden. Denn wir wollen den Übergang von einem monopolistisch geprägten Markt zu einem wettbewerblichen mit Umsicht und zum Nutzen des Ganzen in Angriff nehmen. Es wird Leute geben, die mit dem einzuschlagenden Weg nicht zufrieden sind, manche werden mehr, manche weniger fordern — wie das eben in solchen Übergangs- und Umbruchzeiten ist. Seien Sie, meine Damen und Herren jedoch versichert, daß ich am vorgezeichneten Weg konsequent festhalten werde und bei allen unterschiedlichen Interessen, deren Vertreter Einfluß fordern werden, das politisch Vertretbare und wirtschaftlich Sinnvolle als Maß meiner Arbeit ansehen werden. Der Markt der Postdienstleistungen ist in den letzten Jahren ebenfalls in Bewegung geraten. Die Entwicklung ist zwar nicht vergleichbar stürmisch wie bei der Schwester Telekommunikation, doch zeigt beispielsweise das Aufkommen privater Kuriere, daß im Postbereich zumindest in bestimmten Bereichen und Nischen durchaus ein Kundenbedarf besteht für verbesserte oder auch neuartige Dienstleistungen. Mit der Postreform II haben wir auch hier die Voraussetzungen geschaffen, damit sich die gute alte Post an die neuen Zeiten und Verhältnisse anpassen kann. Wir stehen damit zumindest in Europa an der Spitze der Entwicklung. Ich denke, daß die Voraussetzungen gut sind, damit die Deutsche Post AG im Lauf der nächsten Jahre sowohl in Umfang und Qualität ihrer Dienstleistungen als auch mit ihrem betriebswirtschaftlichen Ergebnis einen Quantensprung nach vorne tun wird. Die Postbank arbeitet völlig im Wettbewerbsbereich und wird sich mehr und mehr zu einer Bank normalen Stils entwickeln und künftig auch mit Partnern aus ihrer Branche kooperieren. Im Vertrieb wird sie mit der Deutschen Post AG verflochten bleiben, so daß Postbankdienstleistungen auch weiterhin an den Schaltern der Post angeboten werden, ein wichtiges Kriterium zur Infrastruktursicherung. Meine Damen und Herren, die Umbruchsituation im Post- und Telekommunikationsbereich, in dem heute in Deutschland über 800 000 Menschen beschäftigt sind und auf dessen Funktionieren Wirtschaft und Gesellschaft angewiesen sind, fordert unser aller Anstrengung. Die Bundesregierung beabsichtigt, auch zukünftig diese Herausforderung in einem breiten Konsens zu meistern, der das Wohl des Bürgers im Auge hat. Ich lade alle ein, die den bestehenden Handlungsbedarf im Grundsatz anerkennen, an dieser Aufgabe mitzuwirken. Amtliche Mitteilung Der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 12/1841 Drucksache 12/1845 Drucksache 12/2050 Drucksache 12/3111 Drucksache 12/3147 Drucksache 12/4033 Drucksache 12/4179 Drucksache 12/5178 Drucksache 12/5458
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Peter Glotz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundeskanzler hat gelächelt, als der Kollege Thierse darauf hingewiesen hat, daß die Konzentration der Kompetenzen Bildung und Forschung ein Vorschlag der Sozialdemokraten im Wahlkampf war. Nun sind wir alle vom Glück überflutet, wenn der Kanzler lächelt.

    (Heiterkeit bei der SPD und der CDU/CSU)

    Aber in diesem Fall kann ich nur sagen: Er kann so viel lächeln, wie er will. Dies war der Vorschlag, den Scharping mit seiner Regierungsstruktur gemacht hat. Die Regierung ist ihm gefolgt. Es ist richtig, daß Sie ihm gefolgt sind. Aber es war ein Vorschlag der Sozialdemokraten, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    Die Konzentration der Kompetenzen ist allerdings eine notwendige, keine hinreichende Bedingung für die angekündigte Offensive für Bildung und For-



    Dr. Peter Glotz
    schung. Der neue Minister muß jetzt im Kabinett die Erkenntnis durchsetzen, daß die Erziehung unserer Kinder und die Stärkung der Innovationsfähigkeit unserer Gesellschaft wichtiger sind als die Beschaffung irgendeines Waffensystems oder irgendeine neue Steuersubvention.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS und des Abg. Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Dafür biete ich Herrn Rüttgers die Kooperation der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion an. Dabei geht es nicht nur um den selbstverständlichen Brauch, Herr Kollege Rüttgers, einem Minister die berühmten 100 Tage Schonfrist zuzubilligen. Herr Bundesminister Rüttgers wird selbst wissen, daß er, trotz einiger Lehrjahre in der Forschung, zuerst einmal als politischer Manager in dieses Ressort kommt. Noch kann er nicht das Renommee von Hans Maier oder Eduard Pestel haben. Aber er hat sich den Ruf eines seriösen Gesprächspartners erworben, auch in unserer Fraktion. Er hat ganz offensichtlich den Rückhalt des Bundeskanzlers und eine starke Stellung in seiner Fraktion.
    Ich stehe nicht an, zu sagen: Das sind gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Tätigkeit in einem schwierigen Ressort. Wenn es Ihnen gelingt, Herr Kollege Rüttgers, die Leerformeln der Koalitionsvereinbarung zu konkreter Politik zu machen, dann können Sie in vielen Sachfragen auf die Unterstützung der Bildungs- und Forschungspolitiker der SPD zählen.

    (Clemens Schwalbe [CDU/CSU]: Das ist doch was!)

    Damit bin ich aber schon bei dieser Koalitionsvereinbarung und der Regierungserklärung. Sie wollen eine Offensive für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur starten. Das ist gut. Schlecht aber ist, daß man weder der Regierungserklärung noch der Koalitionsvereinbarung auch nur die Spur einer Bildungsidee entnehmen kann. Die Bundesregierung beschreibt weder die Probleme, vor denen wir stehen, noch formuliert sie eine Antwort auf diese Probleme. Statt dessen wird Bildungspolitik auf Bildungsökonomie und Forschungspolitik auf den sogenannten Anwendungsbezug reduziert. Das ist dünn, dürr und ärmlich.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich möchte mit drei Bemerkungen zur Forschungspolitik beginnen. Mitten in dem tiefgreifenden Prozeß der Verwandlung unserer Industriegesellschaft in eine Informationsgesellschaft stecken wir ja in einer strukturellen Krise unserer Wirtschaft. Jedem ist klar, daß Kohle, Massenstahl, Standardschiffbau, Massentextilien die Zukunft nicht bestimmen können. Jedem ist auch klar, daß wir unsere Zusagen gegenüber diesen Bereichen erfüllen müssen, beispielsweise auch gegenüber der Kohle. Dazu ist bisher leider kein Wort gefallen. Das ist falsch.
    Spätestens in der Rezession 1993 aber haben wir noch entdeckt, meine Damen und Herren, daß die vier großen Industriezweige, die das Wachstum in den letzten Jahrzehnten getragen haben — Maschinenbau, Kraftfahrzeugbau, Elektrotechnik und Chemie —, in ernsten Krisen stecken und ihren Höhepunkt überschritten haben. An der Schwelle des 21. Jahrhunderts müßten jetzt neue Industrien die Stafette übernehmen. Bloß sind wir bei den leistungsbestimmenden Schlüsselkomponenten der Zukunftsindustrien — ob das jetzt die Telekommunikation, die Industrieautomatisierung, die Autoelektronik oder die Medizintechnik sind — in einem schrecklichen Rückstand.
    Da genügt es nicht, Herr Rüttgers, daß Sie sagen: Wir sind in der Mikroelektronik nicht durchweg an der Spitze. Nein, wir sind leider in einem schrecklichen Rückstand. Diese Wahrheit muß am Anfang Ihrer Amtsperiode stehen, Herr Kollege Rüttgers.

    (Beifall bei der SPD)

    Andrew Grove, der frühere Präsident von Intel, einer der innovativsten Halbleiterfirmen der Welt, hat schon vor zwei Jahrzehnten gesagt: Das Risiko einzugehen, das 21. Jahrhundert mit einer zweitrangigen Halbleiterindustrie zu betreten, ist reine Narrheit. — Wir sind dieses Risiko eingegangen und haben gleich auch noch andere Basistechnologien drangegeben, z. B. Computertechnik, Unterhaltungselektronik und optoelektronische Techniken.
    Ich sage: In den letzten zwölf Jahren hat es die Bundesregierung versäumt, auf diese Probleme, die sie als Regierung nicht lösen konnte, aber zu deren Lösung sie hätte beitragen müssen, mit der notwendigen Drastik hinzuweisen.

    (Beifall bei der SPD)

    Statt einer marktwirtschaftlich orientierten Industriepolitik haben Sie sich ordnungspolitischem Predigertum überlassen, und das war ein ganz katastrophaler Fehler.

    (Beifall bei der SPD)

    Jetzt sagen Sie, Herr Rüttgers, Sie wollen sich nicht in den Graben begeben. Das ist der Hinweis auf die Schwierigkeiten in Ihrer Koalition, den ich absolut verstehe. Ich muß Ihnen nur sagen: Ihre forschungspolitischen Vorgänger haben sich meiner Erfahrung nach immer dann, wenn ein Ordnungspolitiker aus der Grundsatzabteilung des Wirtschaftsministeriums auftauchte, in die nächste Ecke des Zimmers verzogen und, wenn ein Mauseloch da war, sich in dieses verkrochen.

    (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ CSU]: Nein!)

    Wir brauchen eine vernünftige, realistische Kooperation von Wirtschaft, Staat, Wissenschaft und Gewerkschaften. Niemand will den Unternehmen in ihre Investitionsentscheidungen hineinreden. Aber über die große Linie muß es statt unverbindlicher Plaudereien auf dem Petersberg einen kontinuierlichen Dialog zwischen diesen unterschiedlichen Lebensmächten — Politik, Wirtschaft und Wissenschaft — geben.

    (Beifall bei der SPD)

    Das ist nicht nur eine Auffassung von uns Sozialdemokraten und angeblicher Planifikateure, sondern die gefestigte Meinung, wie Sie sie inzwischen beim BDI und beim ZVEI, aber eben auch bei Persönlichkeiten



    Dr. Peter Glotz
    der Wirtschaft, von Jürgen Schrempp bis zu Heinrich von Pierer, von Roland Berger bis zu Gerhard Zeidler, hören können. Diese Herren stehen alle nicht in dem Verdacht, irgendeiner versteckten Form von Sozialismus anzuhängen.
    Hören Sie auf diese Herren, hochverehrter Herr Kollege Rüttgers! Sie müssen springen, und Sie müssen sich an diesem Punkt auch mit Graf Lambsdorff auseinandersetzen, sonst können Sie keinen Erfolg haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Nun hat die Bundesregierung in den letzten Monaten vor der Wahl manches erkannt. Sie hat nämlich erkannt, daß man nicht so weitermachen kann wie bisher. Der Bundeskanzler spricht von einem Technologierat, und Sie sprechen von einer Akademie der Wissenschaften. Die Frage wird lauten: In welchem Verhältnis stehen eigentlich diese beiden Institutionen zueinander?
    Der Technologierat leidet bisher ein bißchen an der Konzeption. Die Bundesregierung berät sich selbst. Ich kann dazu nur sagen: Haben Sie den Mut, unabhängige Leute, und zwar unabhängig auch von Parteipolitik, in diesen Rat zu berufen und Wissenschaftler nicht nach einem Schnittmuster — ausgewählt von der Koalition — zu bestimmen! Der Rat muß so unabhängig sein wie der Sachverständigenrat zur Begutachtung der wirtschaftlichen Entwicklung.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Der ist nicht so unabhängig!)

    — „Mindestens so unabhängig" , füge ich hinzu, Frau Kollegin Matthäus-Maier, wenn Sie erlauben.
    Eine solche Institution kann man dann auch, wenn man will, Akademie der Wissenschaften nennen. Sollten Sie aber nur eine Konkurrenzorganisation zu den Länderakademien beabsichtigen, werden Sie nur Geld zum Fenster herauswerfen, das Sie an anderer Stelle dringend brauchen werden.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der F.D.P.: Das ist richtig!)

    Klären Sie die Frage genau mit Ministerpräsident Stoiber und seinen Kollegen ab! Denn was Sie aus den Wissenschaftsorganisationen hören, ist etwas anderes als das, was ich höre. Ich höre derzeit — wenn es das geben sollte — bohrendes Schweigen zu Ihrem Vorschlag mit der Akademie der Wissenschaften.

    (Zuruf von der F.D.P.: Wie hören Sie denn Schweigen?)

    — Ich höre bohrendes Schweigen. Ich weiß, daß das eine absurde Formulierung ist. Es soll auch eine sein.
    Ich kann Ihnen nur raten: Erfinden Sie keine reinen Organisationen für Olympier gegen die Betroffenen! Sie scheitern sonst mit dieser Akademie genauso, wie die Berliner Akademie gescheitert ist. Den Fehler sollten wir nicht wiederholen.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der F.D.P.: Das sind aber andere Gründe!)

    Zweitens weise ich darauf hin, daß die Bundesregierung in keinem der Dokumente, über die wir in
    diesen Tagen diskutieren, auf die Verdreifachung der Zahl der hochindustrialisierten Länder eingegangen ist. Wenn man dies aber nicht bedenkt, kann man keine vernünftige Forschungspolitik betreiben.
    Im Klub der Reichen befinden sich jetzt 1 Milliarde Menschen, die sich der knappen Ressourcen unserer Erde bedienen. Mindestens 2 Milliarden Menschen in Asien und Lateinamerika schicken sich an, diesen Club zu stürmen. Daraus muß man in der Forschungs- und Technologiepolitik Konsequenzen ziehen.
    Es ist zu einfach, wie der Bundeskanzler immer wieder schlicht Technikoptimismus einzufordern. Ich stehe nicht im Verdacht eines Kulturpessimisten, aber Ihr Begriff von „Bedenkenträger" ist zu einfach, Herr Kollege Rüttgers.

    (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Aber er stimmt!)

    Ich glaube, daß das in Deutschland weitverbreitete Bewußtsein von der Endlichkeit der natürlichen Ressourcen, von der Notwendigkeit, mit unserer Umwelt und den fossilen Energien sorgfältig umzugehen und die Umwelt zu schonen, keine Schwäche ist, sondern eine Stärke, die dieses Land hat.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Deswegen müssen wir uns umorientieren: weniger Hochenergiephysik, weniger bemannte Weltraumfahrt, mehr Informationstechnik, eine Orientierung unserer Forschungspolitik auf eine Kreislaufwirtschaft auf gutem Wohlstandsniveau. Diese Umorientierung kommt in keinem Ihrer Papiere vor. Dies ist ein großer Fehler.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Damit komme ich zur dritten und letzten Bemerkung zur Forschungspolitik. Was Sie und Herr Gerhardt gesagt haben, nämlich Innovation, ist absolut richtig. Aber unser Land wird von alten Industrieunternehmen bestimmt, die in der ersten Gründerzeit ab 1870 gegründet worden sind. Weltweit operierende Unternehmen wie Apple, SLI Logic, Sun Micro Systems und Microsoft, die in den letzten 20 Jahren entstanden sind, gibt es in Deutschland leider nicht.
    Ich kann jetzt nicht 20 Punkte aufzählen, die man aufgreifen müßte. Es geht um eine neue Finanzierungskultur, um Risikokapital, um Investmentbanken mit technischem Know-how und um die steuerliche Begünstigung von Investitionen in technologieorientierte neue Unternehmen. Es ist doch absurd, daß man sich in unserem Land dumm und dämlich verdienen kann, indem man in Immobilien in Ostdeutschland investiert, daß man aber nicht vergleichbar verdienen kann, wenn man in technologieorientierte Unternehmen investiert. Das ist falsch.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Zukunftsminister und die Koalition werden also daran gemessen werden, ob wir dieses Zukunftsproblem erkennen und entsprechende Lösungsvorschläge machen.



    Dr. Peter Glotz
    Zum Abschluß der Bemerkungen zur Forschungspolitik warne ich nur davor, den Begriff des Anwendungsbezugs zu ideologisieren.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Richtig!)

    Die Anwendung ist notwendig und sinnvoll, aber spielen wir nicht Anwendung und Grundlagenforschung gegeneinander aus! Ich stimme Herrn Rüttgers darin zu, daß wir ein vernünftiges Gesamtsystem der Förderung von Forschung haben. Das müssen wir beibehalten. Aber auch die Grundlagenforschung darf nicht vernachlässigt werden. Bitte sorgen Sie dafür, daß die Versprechungen, die der Max-PlanckGesellschaft und der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Aufstockung Ihrer Haushalte gegeben worden sind, auch eingehalten werden! Wenn wir diese erwürgen und ihnen keine Stellen mehr geben, wird die Grundlagenforschung darunter leiden. Das darf nicht passieren.

    (Beifall bei der SPD)

    In der Bildungspolitik bekennt sich die Bundesregierung zu einer Aufwertung der beruflichen Bildung. Ich sage ausdrücklich: Das ist eine richtige Zielbestimmung. Wir unterstützen sie. Aber auch hier gilt natürlich: Sie müssen Butter bei die Fische tun. Es ist höchst fragwürdig, die berufliche Aufstiegsfortbildung und die Meisterfortbildung jetzt in das BAföG zu verschieben, nachdem Sie sie vorher im Arbeitsförderungsgesetz kaputtgeschlagen haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn Sie jetzt die Fortbildung von 60 000 Meistern über das BAföG finanzieren wollen, müssen Sie das BAföG aufstocken, Herr Kollege Rüttgers. Sonst machen Sie dem Handwerk Versprechungen zu Lasten der Studierenden aus sozial schwachen Familien. Das würde die soziale Gerechtigkeit nicht stärken, sondern würde sie schwächen.

    (Beifall bei der SPD)

    Weil ich gerade bei der Ausbildungsförderung bin, unterstreiche ich das, was hier bereits zweimal gesagt worden ist. Sie wollen im nächsten Jahr darüber entscheiden. Die einzig gerechte Lösung ist, die Bedarfssätze rückwirkend zum Herbst 1994 um 4 % und die Freibeträge rückwirkend zum Herbst 1994 bzw. für 1995 um jeweils 2 % anzupassen. Dies ist eine notwendige Entscheidung.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich begrüße ausdrücklich, daß der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung seine Standardpolemik gegen unser angeblich überakademisiertes Bildungswesen unterdrückt hat. Bei uns gehen auch nicht mehr Leute auf Hochschulen als in Japan oder anderen großen Industrieländern. Vor allem aber hat sich etwas geändert: Früher waren 6,5 % der Belegschaft z. B. in der Metall- und Elektroindustrie Auszubildende. Heute ist es im Durchschnitt die Hälfte, und in vielen Betrieben sind wir bei Null. Gerade die Großindustrie nimmt lieber Fachhochschulabsolventen, statt 150 000 DM für einen Auszubildenden zu investieren. Wenn das so ist, ist jede Polemik gegenüber Akademisierung und Hochschulen der pure Zynismus, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD)

    Ja, werten Sie die berufliche Bildung auf, aber bitte packen Sie das nicht nur bei Randproblemen an, wie beispielsweise der absolut sinnvollen Öffnung der Hochschulen für qualifizierte Bewerber ohne Abitur, die die Frau Kollegin Doris Odendahl und viele andere in diesem Hause über viele Jahre gefordert haben, sondern widmen Sie sich den wirklichen Problemen, z. B. der katastrophalen Misere der Berufsschulen in Ostdeutschland!
    Ich, Herr Kollege Rüttgers, war - da gibt es ja
    Vorbilder — in den Jahren 1974 bis 1977 Parlamentarischer Staatssekretär im Bildungsministerium. Wir haben 1975 auf Anregung des damaligen Ministers Helmut Rohde, und zwar ohne verfassungsrechtliche Probleme mit den Ländern, zwei Programme mit 650 Millionen DM zur Förderung der Berufsschulen in der alten Bundesrepublik aufgelegt. Machen Sie das gleiche jetzt für Ostdeutschland, Herr Rüttgers! Das ist das, was eigentlich notwendig wäre.

    (Beifall bei der SPD)

    Das gleiche gilt für die systematische Förderung überbetrieblicher Berufsbildungsstätten. Ostdeutschland braucht ein tragfähiges Netz solcher überbetrieblicher Einrichtungen, gerade weil es kein volles Netz von Betrieben gibt.
    Das heißt, ich bin durchaus bereit, die Änderungen, die Sie zum Hochschulrahmengesetz zur Debatte stellen, zu überlegen und auch an vielen Punkten zu unterstützen, obwohl die Länder manches von dem auch selber machen könnten und vielleicht auch selber machen wollen. Ich sage nur: Jede überbetriebliche Berufsbildungsstätte in den neuen Bundesländern, die Sie bauen, schafft wirklich Zukunftschancen, geht über Schnittmusterdebatten hinaus. Das heißt, verdoppeln Sie den Ansatz von 100 Millionen DM und nehmen Sie die zusätzlichen Mittel für die neuen Länder! Begreifen Sie die Aufwertung der beruflichen Bildung nicht als eine ideologische, sondern als eine praktische und als eine soziale Aufgabe!

    (Beifall bei der SPD)

    Uns ist klar, daß das alles Geld kostet. Sie wollen ja ein überproportionales Wachstum des Bundeshaushalts für Forschung und Technologie. Wie abgesunken — von 2,8 % auf 2 % — der Forschungshaushalt ist, hat Herr Thierse dargestellt. Ich will nur illustrativ sagen: Wären wir noch bei einem Anteil von 2,8 %, hätten wir im Forschungshaushalt einen zusätzlichen Spielraum von 4 Milliarden DM. Das ist eine gewaltige Summe.
    Sie haben einige Prioritäten, und ich stimme Herrn Gerhardt ausdrücklich zu — ich nehme an, auch der bayerische Ministerpräsident wird gleich darauf eingehen —: Sie müssen mindestens 400 Millionen DM mehr für den Hochschulbau ausgeben, damit neue Einrichtungen überhaupt gebaut werden können und damit alte Einrichtungen nicht verrotten. Das gibt es nämlich auch.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Wir haben damals in unserem Regierungsprogramm gesagt, daß wir im Bildungs- und Forschungs-



    Dr. Peter Glotz
    haushalt knapp 2 Milliarden DM zulegen würden. Sie, Herr Bundesminister Rüttgers, werden daran gemessen werden, ob Sie diesen sorgfältig berechneten Minimalbedarf für ihr Ministerium bekommen oder ob Sie ähnlich abgespeist werden wie ihre ebenso sympathischen wie bedauernswerten Vorgänger.
    Einem Aufsatz des deutschen Botschafters in Rom, Konrad Seitz, entnehme ich ein Zitat des amerikanischen Vizefinanzministers Roger Altman, mit dem ich schließen will. Auf einem Treffen des United States Business Council im Oktober 1993 in Williamsburg hat Mr. Altman gesagt:
    Amerika hat sich der Globalisierung des Wettbewerbs angepaßt. Europa wird zu dieser Anpassung voraussichtlich nicht fähig sein; es hat seine Zukunft hinter sich. Amerika muß sich endlich dahin orientieren, wo die Zukunft ist: Asien.
    Herr Altman darf nicht recht bekommen, meine Damen und Herren. Er könnte aber recht bekommen, wenn wir unsere Bildungs- und Wissenschaftspolitik nicht radikal reformieren. Unser Land braucht Reformen, nicht Taktik, unkonventionelle Beweglichkeit, nicht Mainstream-Denken. Und es hat nicht mehr arg viel Zeit. Es wäre ein katastrophaler Irrtum, zu glauben, wir könnten die nächsten vier Jahre einfach übertauchen. Wir müssen in diesen vier Jahren handeln.
    Zukunftsministerium ist ein wunderbarer Name. Aber es geht nicht um den Namen — das hat Herr Rüttgers auch gesagt —, es geht um die Politik. Herr Rüttgers, Sie müssen in diesem Fachbereich einen neuen Anfang machen, weil die alte Politik falsch war. Dann, aber nur dann stehen wir bereit zu einem Bündnis für Innovation über Parteigrenzen hinweg.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Es spricht jetzt der Ministerpräsident des Freistaates Bayern, Edmund Stoiber.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


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    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Regierungserklärung steht unter dem Thema „Aufbruch in die Zukunft — Deutschland gemeinsam erneuern". Wissenschaft und Technik, das habe ich heute intensiv gehört, werden dabei ein Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands sein.
    Aus der Sicht eines Landes, das seit jeher einen Schwerpunkt auf Wissenschaft und Forschung gelegt hat, möchte ich im Deutschen Bundestag deutlich machen, wie wichtig Forschung, Technologietransfer und Innovation für unsere Zukunft sind.
    Ich habe das auch aus Ihren Worten, Herr Kollege Glotz, sehr nachhaltig erfahren. Ich habe auch den internationalen Bezug, den Sie hergestellt haben, sehr nachhaltig empfunden. Darüber freue ich mich. Aber wir müssen uns auch über die Bedingungen unterhalten, unter denen gerade in England, Frankreich und Amerika solche wissenschaftlichen Leistungen erzielt
    werden, die wir heute in bestimmter Weise nicht mehr erreichen. Das ist eigentlich der entscheidende Punkt. Wir müssen dann manche Eigenheiten, die wir in den letzten zehn oder zwanzig Jahren diskutiert und gepflegt haben — Sie auch —, außerordentlich in Frage stellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Im internationalen Wettbewerb müssen wir erkennen, daß im Bereich der Spitzentechnologien die USA und Japan vorn liegen. Ich denke an die Unternehmungen und die Vorstandsvorsitzenden der ganz großen Betriebe — Sie haben Heinrich von Pierer genannt, Siemens, den größten bayerischen Arbeitgeber mit über 250 000 Arbeitsplätzen; Sie haben BMW genannt und Herrn Pischetsrieder, der gerade nach einer erfolgreichen, für uns zum Teil sehr schmerzlichen Investition aus den Vereinigten Staaten zurückkommt — und stelle natürlich auch fest, daß die Bedingungen in diesen Ländern für bestimmte Unternehmungen, die als global player auftreten, unvergleichlich besser sind und daß sie immer mehr Investitionen in einem Land tätigen, wo sie es eigentlich nicht gerne täten. Sie würden es ja zum Teil auch lieber hier tun. Wenn sie aber in den Vereinigten Staaten von Amerika bestimmte Dinge nicht nutzen, dann können sie mangels Mischkalkulation auch die Arbeitsplätze in München nicht erhalten. Deswegen müssen wir uns über diese Dinge unterhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Sie haben die finanziellen Fragen angesprochen. Ich werde darauf kurz eingehen. Es sind aber nicht nur die finanziellen Mittel, auf die es ankommt. Entscheidend ist die gesellschaftliche Akzeptanz von Wissenschaft, Forschung und technologischer Entwicklung. Wenn sich heute an der Technischen Universität in München Leute, die Atomphysik studieren, in ihrem Umfeld im Grunde genommen gesellschaftlich dafür rechtfertigen müssen, warum sie dies tun — unterhalten Sie sich einmal mit diesen Leuten darüber, wie sie in unserer Gesellschaft häufig angefeindet werden, weil sie eine solche Disziplin studieren —, dann müssen wir uns fragen, woher es eigentlich kommt, daß Leute, die diese Disziplinen studieren, überhaupt angefeindet werden. Ich halte das für bedenklich.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir beide gemeinsam billigen wohl Roland Berger ein hohes Maß an Informiertheit über die wirtschaftlichen Zusammenhänge der Welt zu. Nach den Ergebnissen der Umfragen, die ihm vorliegen, haben vor 30 Jahren 25 % der deutschen Bevölkerung technischen und technologischen Entwicklungen skeptisch gegenübergestanden, aber 75 % generell positiv. Im Jahre 1993 ist das gerade umgedreht. Das heißt, wir haben heute 25 % der Bevölkerung, die primär technologischen Entwicklungen gegenüber positiv eingestellt sind,

    (Dr. Alfred Dregger [CDU/CSU]: Rot-grüne Verweigerung!)




    Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber (Bayern)

    und 75 % sind pessimistisch, negativ etc. eingestellt und setzen die Bedenken im Grunde genommen zu hoch an.
    Wenn ich heute wieder das Stichwort Neutronenquelle München-Garching höre, so freue ich mich, daß das Thema in die Koalitionsvereinbarung aufgenommen worden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Glotz, Sie wissen genau: Unsere Zukunftsfähigkeit hängt von zwei wichtigen Disziplinen, nämlich Materialwissenschaft und Informationstechnik ab, wenn Sie den Sprung von der Industriegesellschaft in die Informationsgesellschaft schaffen wollen. Im Bereich der Informationstechnik sind wir nicht absolute Spitze, wenn ich Amerika und Japan betrachte; Stichwort Privatisierung. Aber wenn ich mir die Materialwissenschaft ansehe und die Neutronenquelle ansehe, glaube ich, daß im Moment nur Bayern in der Lage ist, das überhaupt durchzuführen, weil der bayerische Ministerpräsident bereit ist, dafür 450 Millionen DM aus bayerischen Landesmitteln zur Vorfinanzierung mit unsicherer Rückzahlung zur Verfügung zu stellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)