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    Plenarprotokoll 13/7 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 7. Sitzung Bonn, Freitag, den 25. November 1994 Inhalt: Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde, für die Aktuellen Stunden sowie der Vereinbarung über die Befragung der Bundesregierung in der Sitzungswoche ab 12. Dezember 1994 259 A Tagesordnungspunkt: Regierungserklärung des Bundeskanzlers (Fortsetzung der Aussprache) Wolfgang Thierse SPD 259 B Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBWFT 263 A Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 267 A Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P. 268B Hans-Werner Bertl SPD 270 B Eckart Kuhlwein SPD 270 C Dr. Ludwig Elm PDS 271 A Dr. Peter Glotz SPD 272 D, 282 B Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident (Bayern) 276 B, 283 A Dr. Peter Glotz SPD 277 B Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 277 D Horst Kubatschka SPD 278 A Jörg Tauss SPD 279 C Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 281 A Achim Großmann SPD 283 D Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU 287 B Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU 288 C Otto Reschke SPD 289 B Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 289 C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 290 A Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 292 C Klaus-Jürgen Warnick PDS 294 B Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 295 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 296 D Achim Großmann SPD 297 B Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU 299 A Elke Ferner SPD 300 A Dr. Dionys Jobst CDU/CSU 301 B Matthias Wissmann, Bundesminister BMV 303 D Gila Altmann (Aurich) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 305 C Manfred Grund CDU/CSU 306 C Horst Friedrich F.D.P. 307 B Dr. Dagmar Enkelmann PDS 309 D Nächste Sitzung 310 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 311* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu dem Tagesordnungspunkt: Regierungserklärung des Bundeskanzlers (Fortsetzung der Aussprache) Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 311* C Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 312* D Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. November 1994 259 7. Sitzung Bonn, Freitag, den 25. November 1994 Beginn: 9.00 Uhr
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    *) Vergleiche Anlage 2 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Austermann, Dietrich CDU/CSU 25. 11. 94 Bachmaier, Hermann SPD 25. 11. 94 Beucher, Friedhelm SPD 25. 11. 94 Julius Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 25. 11. 94 Burchardt, Ulla SPD 25. 11. 94 Buwitt, Dankward CDU/CSU 25. 11. 94 Dr. Eid-Simon, Ursula BÜNDNIS 25. 11. 94 90/DIE GRÜNEN Gleicke, Iris SPD 25. 11. 94 Graf (Friesoythe), Günter SPD 25. 11. 94 Frhr. von Hammerstein, CDU/CSU 25. 11. 94 Carl-Detlev Hasenfratz, Klaus SPD 25. 11. 94 Heym, Stefan PDS 25. 11. 94 Dr. Hö11, Barbara PDS 25. 11. 94 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 25. 11. 94 Dr. Hornhues, Karl-Heinz CDU/CSU 25. 11. 94 Iwersen, Gabriele SPD 25. 11. 94 Janssen, Jann-Peter SPD 25. 11. 94 Junghanns, Ulrich CDU/CSU 25. 11. 94 Kanther, Manfred CDU/CSU 25. 11. 94 Kastning, Ernst SPD 25. 11. 94 Kirschner, Klaus SPD 25. 11. 94 Labsch, Werner SPD 25. 11. 94 Leidinger, Robert SPD 25. 11. 94 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 25. 11. 94 Erich Mante, Winfried SPD 25. 11. 94 Matschie, Christoph SPD 25. 11. 94 Meckel, Markus SPD 25. 11. 94 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 25. 11. 94 Neumann (Berlin), Kurt SPD 25. 11. 94 Neumann (Gotha), SPD 25. 11. 94 Gerhard Nickels, Christa BÜNDNIS 25. 11. 94 90/DIE GRÜNEN Peters, Lisa F.D.P. 25. 11. 94 Dr. Pfaff, Martin SPD 25. 11. 94 Dr. Pflüger, Friedbert CDU/CSU 25. 11. 94 Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 25. 11. 94 Hermann Saibold, Hannelore BÜNDNIS 25. 11. 94 90/DIE GRÜNEN Schaich-Walch, Gudrun SPD 25. 11. 94 Dr. Scheer, Hermann SPD 25. 11. 94 * Schindler, Norbert CDU/CSU 25. 11. 94 Schumann, Ilse SPD 25. 11. 94 Dr. Solms, Hermann Otto F.D.P. 25. 11. 94 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 25. 11. 94 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 25. 11. 94 Vergin, Siegfried SPD 25. 11. 94 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Volmer, Ludger BÜNDNIS 25. 11. 94 90/DIE GRÜNEN Wallow, Hans SPD 25. 11. 94 Welt, Jochen SPD 25. 11. 94 Wester, Hildegard SPD 25. 11. 94 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 25. 11. 94 Wieczorek (Duisburg), SPD 25. 11. 94 Helmut Dr. Zöpel, Christoph SPD 25. 11. 94 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu dem Tagesordnungspunkt: Regierungserklärung des Bundeskanzlers (Fortsetzung der Aussprache) Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister für Post und Telekommunikation: Bereits in der Vergangenheit ist der Telekommunikationsmarkt im Vergleich zur übrigen Wirtschaft überdurchschnittlich gewachsen. Im Jahr 2000 wird er vermutlich allein in Deutschland die 200-Milliarden-Mark-Schwelle überschreiten. Weltweit wird dieser Markt dann ein Volumen von schätzungsweise 1,5 Billiarden DM umfassen. Die Mikroelektronik macht es möglich, daß Telekommunikation und Datenverarbeitung miteinander verschmelzen und daß auch zunehmend die sich vervielfältigenden Formen des Fernsehens - ich nenne hier nur das Stichwort Multimedia in diese Entwicklung einzubeziehen sind. Als ein Land, das davon lebt, daß es Technologie entwickelt, herstellt und verkauft, muß Deutschland sich in diesem Markt geschickt und erfolgreich positionieren. Dazu gehört, daß von staatlicher Seite die notwendigen Vorkehrungen getroffen werden, die es den Unternehmen erlauben, sich national und international nicht nur zu behaupten, sondern ihre Stellung weiter auszubauen oder neue Marktsegmente zu schließen. Nach den Beschlüssen zur Postreform II werden wir mit dem Verkauf von Telekom-Aktien für dieses Unternehmen als erstes den Schritt in die neue, privatisierte Welt einleiten. Die Entscheidung über das Bankenkonsortium, das diese Emission durchführen wird, hat die Bundesregierung bereits getroffen und heute morgen bekannt gegeben. Diese Emission wird den Finanzplatz Deutschland stärken und auch die Börsenfähigkeit anderer deutscher Unternehmen an der US-Börse erleichtern. Es ist die Absicht der Bundesregierung, diese Privatisierung durch die Fortführung der Liberalisierung zu ergänzen. Denn nur der Wettbewerb wird schließlich die nötigen Kräfte und Ressourcen entfalten helfen, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu behaupten und zum globalen Mitspieler im weltweit schärfer werdenden Wettbewerb im Telekommunikations- 312* Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. November 1994 markt zu werden. Unsere Devise lautet deshalb: kontrolliert offensiv liberalisieren. Ich freue mich, daß es uns beim Telekommunikationsrat am 17. November 1994 in Brüssel gelungen ist, den Beschluß zu fassen, das Netzmonopol parallel zum Telefondienstmonopol zum 1. Januar 1998 aufzuheben. Den Mitgliedstaaten mit weniger entwickelten Netzen (Spanien, Irland, Griechenland und Portugal) und alle Mitgliedstaaten, denen bei der Aufhebung des Telefondienstmonopols eine Übergangsfrist eingeräumt worden ist, wird ebenfalls im Bereich des Netzmonopls eine Übergangsfrist von wenigen Jahren eingeräumt. Wir haben damit Klarheit auch über die Zukunft des Netzmonopols geschaffen. Der Charme dieser Lösung liegt darin, daß sich alle Migliedstaaten der EU zu diesem Beschluß bereitgefunden haben und wir damit keine Parzellierung der Entwicklung innerhalb der Europäischen Union ertragen müssen. Die deutsche Ratspräsidentschaft hat mit diesem Beschluß einen großen Erfolg errungen, Herr Bangemann sprach sogar von einem historischen Tag. Damit sind in den vergangenen beiden Jahren die wichtigsten Pflöcke für eine planvolle Weiterentwicklung der Telekommunikation in Deutschland eingeschlagen worden: Privatisierung der Telekom, Festlegen der Termine für das Ende des Telefondienst- und des Netzmonopols. Nun beginnt die weitere Arbeit, d. h. innerhalb der Pflöcke muß nun gebaut werden. Denn wir wollen den Übergang von einem monopolistisch geprägten Markt zu einem wettbewerblichen mit Umsicht und zum Nutzen des Ganzen in Angriff nehmen. Es wird Leute geben, die mit dem einzuschlagenden Weg nicht zufrieden sind, manche werden mehr, manche weniger fordern — wie das eben in solchen Übergangs- und Umbruchzeiten ist. Seien Sie, meine Damen und Herren jedoch versichert, daß ich am vorgezeichneten Weg konsequent festhalten werde und bei allen unterschiedlichen Interessen, deren Vertreter Einfluß fordern werden, das politisch Vertretbare und wirtschaftlich Sinnvolle als Maß meiner Arbeit ansehen werden. Der Markt der Postdienstleistungen ist in den letzten Jahren ebenfalls in Bewegung geraten. Die Entwicklung ist zwar nicht vergleichbar stürmisch wie bei der Schwester Telekommunikation, doch zeigt beispielsweise das Aufkommen privater Kuriere, daß im Postbereich zumindest in bestimmten Bereichen und Nischen durchaus ein Kundenbedarf besteht für verbesserte oder auch neuartige Dienstleistungen. Mit der Postreform II haben wir auch hier die Voraussetzungen geschaffen, damit sich die gute alte Post an die neuen Zeiten und Verhältnisse anpassen kann. Wir stehen damit zumindest in Europa an der Spitze der Entwicklung. Ich denke, daß die Voraussetzungen gut sind, damit die Deutsche Post AG im Lauf der nächsten Jahre sowohl in Umfang und Qualität ihrer Dienstleistungen als auch mit ihrem betriebswirtschaftlichen Ergebnis einen Quantensprung nach vorne tun wird. Die Postbank arbeitet völlig im Wettbewerbsbereich und wird sich mehr und mehr zu einer Bank normalen Stils entwickeln und künftig auch mit Partnern aus ihrer Branche kooperieren. Im Vertrieb wird sie mit der Deutschen Post AG verflochten bleiben, so daß Postbankdienstleistungen auch weiterhin an den Schaltern der Post angeboten werden, ein wichtiges Kriterium zur Infrastruktursicherung. Meine Damen und Herren, die Umbruchsituation im Post- und Telekommunikationsbereich, in dem heute in Deutschland über 800 000 Menschen beschäftigt sind und auf dessen Funktionieren Wirtschaft und Gesellschaft angewiesen sind, fordert unser aller Anstrengung. Die Bundesregierung beabsichtigt, auch zukünftig diese Herausforderung in einem breiten Konsens zu meistern, der das Wohl des Bürgers im Auge hat. Ich lade alle ein, die den bestehenden Handlungsbedarf im Grundsatz anerkennen, an dieser Aufgabe mitzuwirken. Amtliche Mitteilung Der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 12/1841 Drucksache 12/1845 Drucksache 12/2050 Drucksache 12/3111 Drucksache 12/3147 Drucksache 12/4033 Drucksache 12/4179 Drucksache 12/5178 Drucksache 12/5458
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Gerhardt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer vor den Folgen der Technologie warnt, muß immer auch die Folgen des Verzichts auf Technologie im Auge behalten. Ein einfacher Hinweis: In den Vereinigten Staaten von Amerika arbeiten im biotechnologischen Bereich 100 000 Mitarbeiter. Damit bestehen 100 000 hochqualifizierte Beschäftigungsverhältnisse, darunter 20 000 mit Wissenschaftlern. In unserem Land, das doch wirklich eine Position zu verteidigen hat, haben wir noch nicht einmal 1 000 Mitarbeiter. Es geht also gar nicht um die Frage der Folge einer Technologie, sondern es geht um die Frage des Verlierens des Anschlusses auf dem Gebiet einer Schlüsseltechnologie und um zukünftige moderne Beschäftigungsverhältnisse.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir müssen uns darüber klar werden, vor welchen Aufgabenstellungen wir stehen und in welchem Land wir über diese Themen diskutieren.
    Diese Bundesregierung, wir alle und die Menschen im Land unternehmen die gewaltige Anstrengung, eine von der SED zur Schrottreife geführte Volkswirtschaft wieder aufzubauen und enorme Mittel zu investieren. Gleichzeitig machen wir uns daran, einen Einstieg in eines der Felder zu suchen, das für unser Land ein Stabilisator ist.
    Wer über Deutschland spricht — Herr Kollege Thierse hat recht, daß wir da auch über Denkhaltungen sprechen müssen —, der muß wissen, wie wir aus der Katastrophe von 1945 herausgekommen sind: nicht nur mit Überlegungen, welche Technologien uns schaden, sondern mit der Erkenntnis, daß wir technische Höchstleistungsfähigkeit brauchen, um wieder auf die Beine zu kommen. Das haben wir dann mit großer Kraftanstrengung auch geschafft.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Darüber sprechen wir bei diesen Themen.
    Wenn man in Deutschland — nicht nur in diesem Hause, sondern auch außerhalb — solche Debatten führt, bekommt man den Eindruck, daß ein großer Teil der Öffentlichkeit denkt, unsere Zukunft sei mit Beschäftigungsprogrammen, mit Umstrukturierungen, mit großen Gedankengebäuden für Übergangsmodelle und mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu gewinnen. Es haben sich ganze Gruppen mit Inbrunst dem zweiten Arbeitsmarkt gewidmet.
    Meine Damen und Herren, wir sind in Gefahr, als Gesellschaft insgesamt den Blick für die eigentlichen Grundlagen für Beschäftigung, Wohlstand und Zukunftssicherung zu verlieren. In unserem Land geht es um Fähigkeit zur Spitze, nicht nur um die Finanzierung von Beschäftigungsprogrammen.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir brauchen die technische Höchstleistungsfähigkeit nicht, um andere beiseite zu drängen. Wir brauchen sie, weil wir Arbeitsplätze, die heute im zweiten Arbeitsmarkt beschäftigungspolitisch gestützt werden, wieder zu wirklich produktiven Beschäftigungsverhältnissen des ersten Arbeitsmarktes machen wollen.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wenn es einen Unterschied zu Gruppen in der Opposition gibt, dann formuliere ich den, insbesondere für meine Fraktion, so: Nicht Gedankengebäude über eine neue Verteilung werden die Beschäftigung der Zukunft sichern, sondern nur die Fähigkeit und die Kraft einer Gesellschaft zur ständigen Innovation. Das ist der Unterschied zwischen uns!

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Wenn wir erfolgreich sein wollen, müssen wir nicht nur in unserer praktischen politischen Arbeit, sondern auch in unserem Denken einige Steine aus dem Weg räumen. Wir müssen einiges abbauen, was zu Lasten der Innovationen geht. In Deutschland gehen Pioniergewinne verloren, weil wir zu lange verfahren haben, weil wir ein Konglomerat von Vorschriften haben, das lähmt, weil wir zuviel auf Strukturerhalt setzen und den Weg für Neues verbauen. Natürlich hat die F.D.P. nicht die Illusion, daß Privatisierung und Deregulierung sofort wirken. Wir wissen aber, daß sie für den Aufbau neuer Beschäftigungsfelder zumindest begünstigend wirken.
    Jeder weiß, daß unser Land an Beweglichkeit verloren hat, daß der Staat überfordert worden ist und daß



    Dr. Wolfgang Gerhardt
    das Gleichgewicht zwischen Freiheit und persönlicher Verantwortung aus den Fugen geraten ist.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Da müssen wir ansetzen, das müssen wir ändern, weil Qualifizierung und Bildung nichts nutzen werden, wenn in unserem Land das Bewußtsein einer Staatskundschaft gepflegt und der Weg zur Staatsbürgerschaft mit eigener Verantwortung nicht gesucht wird.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, Forschung und Innovation, Kreativität und wissenschaftliche Neugier, das sind Felder mit Bereitschaft zu außerordentlicher Leistung und zur Herausbildung der Fähigkeit, Höchstleistungen zu erbringen. Das erfordert eine bestimmte geistige Haltung. Notwendig ist die Bereitschaft, Risiken einzugehen, langen Atem in der Grundlagenforschung zu haben, Stärke zu akzeptieren, und sogar darauf aus zu sein, möglichst viele Stärken entstehen zu lassen. Das ist kein Feld für Gleichmacher und für Menschen, die in Vollkaskoversicherungssystemen denken. Im Kern müssen wir weg von den alten Themen des bildungspolitischen Aufbruchs der 60er Jahre in unserem Land, der steckengeblieben ist.

    (Dr. Peter Glotz [SPD]: Aber davon sind wir längst weg!)

    — Nein, wir sind nicht weg. Sehen Sie sich die Länder an! Ich bringe es auf den Punkt: Ihre Partei macht in den Ländern eine Schulpolitik, die immer noch nicht begriffen hat, daß Chancengleichheit zu gewährleisten ist, aber nie gleiche Ergebnisse für alle herauskommen können.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Ich greife das sehr präzise auf: Wir müssen auch über den Begriff Leistung einen offenen Diskurs suchen. Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft sind keine Kategorien einer Ellbogengesellschaft. Sie sind Bestandteil der sicheren Lebensführung von Menschen. Sie sind überhaupt erst die Voraussetzung von Verantwortungsübernahme in einer freiheitlichen Gesellschaft. Leistung und soziales Empfinden stehen sich im übrigen nicht diametral gegenüber. Soziale Kompetenz wird nicht in bestimmten Schulformen erzeugt, soziale Kompetenz entsteht im Kopf, nach Begegnung mit anspruchsvollen Inhalten im Unterricht, in der Begegnung mit Menschen, oder sie entsteht nicht. Sie entsteht auf keinen Fall durch Herabsetzung des Niveaus, sondern nur in der Förderung möglichst vieler nach oben.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Wie oft, Herr Kollege Glotz, hat die politische und die gesellschaftliche Auseinandersetzung in unserem Land diesen Sachverhalt so dramatisch verkürzt, wie oft sind in den Ländern ganze Schulformdiskussionen mit völlig falschen Ansätzen über Eliten gepflegt worden! Neid — das möchte ich an dieser Stelle festhalten — ist nie eine Begründung für ein politisches Programm. Neid ist ein Charakterfehler.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Wer, weil er die naturgegebenen Unterschiede der Leistungsfähigkeit verschiedener Menschen leugnet ...,
    — so formuliert Professor Markl -
    die Auswahl und Pflege der Begabung verweigert, beseitigt dadurch nicht die Ungleichheit der Talente, er vergeudet sie nur.
    Das ist der Sachverhalt, über den wir uns im klaren sein müssen, wenn wir einen neuen Anlauf in Bildung und Erziehung, in Forschung und Entwicklung nehmen wollen. Wir müssen unsere Haltung zu diesem Feld klären und nicht nur Fragen der Finanzierung erörtern. Wir müssen Wettbewerb und Vielfalt wieder installieren. Wir müssen akzeptieren, daß es unterschiedliche Leistungsfähigkeit gibt. Wir dürfen stärkere und leistungsfähigere Menschen nicht als Bedrohung für schwächere erklären, sondern wir müssen sie als Glück, als Voraussetzung empfinden, den anderen in den Systemen zu helfen, die wir haben.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Zählen Sie sich zur Elite?)

    Die Koalitionsvereinbarung sieht überproportionale Haushaltssteigerungen vor. Wir werden bei Haushaltsdebatten Gelegenheit haben, diese Erörterungen fortzuführen. Auf eines möchte ich für meine Fraktion aufmerksam machen: Wir werden noch einmal eine Anstrengung bei der Bund-Länder-Finanzierung im Hochschulbau unternehmen müssen. Das angekündigte überproportionale Wachstum muß sich hier konkretisieren.

    (Beifall des Abg. Dr. Peter Glotz [SPD])

    Wir müssen ganz deutlich sagen, daß von Bund und Ländern noch einmal eine Anstrengung unternommen werden muß, um im Hochschulbau weiterzukommen.

    (Dr. Peter Glotz [SPD]: Sehr gut! Richtig! Jawohl!)

    Das ist eine gemeinsame verantwortliche Aufgabe. Unsere Erwartung an die Länder ist, sich zu präzisieren, nicht alles und jedes vorzuschlagen, auch notwendige forschungsintensive Maßnahmen zu entscheiden und im eigenen Kabinett die Entscheidung herbeizuführen.
    Eines geht nicht: daß die Bundesregierung öffentlich kritisiert wird, weil sie die Mittel noch nicht ausreichend steigert, aber die jeweiligen Landesfinanzminister diese Summe in ihren jeweiligen Kabinetten schon in Abgang gestellt haben, weil sie sich darüber freuen.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Wir wollen eine einheitliche Stellungnahme der Länder haben. Auch die Länder können zu Kostensenkungen beitragen. Ich spreche mich für meine Fraktion für diesen nochmaligen Anlauf zur Steigerung der Mittel aus, weil am Ende Verkürzungen von Studien-



    Dr. Wolfgang Gerhardt
    zeiten, Strukturreformen an den Hochschulen und auch die Beseitigung von Mängeln im Management der Hochschulen nur gelingen werden, wenn wir auch eine vernünftige Plattform in der Finanzierung haben. Dann können Hochschulen ihre eigenen Hausaufgaben erledigen.
    Die Stärkung der beruflichen Bildung war in den Verhandlungen das Ziel der F.D.P. Es gibt unbestreitbar eine enge Verknüpfung von Qualifizierung und wirtschaftlichem Erfolg. Meine Fraktion und auch ich sind es leid, daß in Deutschland, wenn über Qualifizierung und Bildung gesprochen wird, ausschließlich von BAföG, von Hochschulen, von Gymnasien und von weiterführenden Schulen die Rede ist. Ein großer Teil der jungen Generation — wir haben nur eine einzige — sucht über den beruflichen Bildungsweg seine Chancen.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Die müssen wissen, daß wir sie im Blickfeld haben.
    Wer heute sieht, daß berufliche Ausbildung, berufliche Prüfungen schon an so hohen Qualifikationsniveaus hängen, daß viele sie nicht schaffen, und daß solche ohne Zertifikat kaum einen Arbeitsplatz finden, der wird auch das als Feld neben einer BAföG- Diskussion sehen müssen, dem wir uns zuwenden wollen.
    Wir möchten der jungen Generation, die im beruflichen Bildungssystem ist, ausdrücklich sagen, daß wir ihr Partner sein wollen, daß auch sie für die Zukunft gebraucht werden.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Dazu gehört eben die Förderung der Gleichwertigkeit von beruflichen und allgemeinbildenden Ausbildungsgängen, ebenso die Aufforderung an das Fachhochschulsystem, ein studienbegleitendes Angebot in allen Ländern für diejenigen zu machen, die nach dem Abitur in die Berufsausbildung gehen. Sie sollten parallel dazu studieren können.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Dazu gehört im übrigen auch eine Aufforderung an die Hochschulen, nicht nur diejenigen zu sehen, die mit der traditionellen Hochschulreife, Abitur oder Fachabitur, zu ihnen kommen, sondern auch diejenigen zu sehen, die mit erheblicher Reife nach langer beruflicher Qualifizierung vor den Türen der Hochschulen stehen könnten. Dieses Potential darf nicht verlorengehen.

    (Dr. Peter Glotz [SPD]: Das fordern wir seit Jahren!)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Gerhardt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Bertl?

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    Rede von Dr. Wolfgang Gerhardt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Ja; bitte.