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    Plenarprotokoll 13/6 Deutscher Stenographischer Bericht 6. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. November 1994 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 157 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen (Drucksache 13/ 34) 157A Zusatztagesordnungspunkt 2: Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Einsetzung von Ausschüssen (Drucksache 13/35) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Petra Bläss, Manfred Müller, weiterer Abgeordneter und der PDS: Einsetzung von Ausschüssen (Drucksache 13/33) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Einrichtung eines Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (Drucksache 13/ 36) 157B Tagesordnungspunkt: Regierungserklärung des Bundeskanzlers (Fortsetzung der Aussprache) Gerhard Schröder, Ministerpräsident (Niedersachsen) 157 D Michael Glos CDU/CSU 163B Margareta Wolf-Mayer BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 168C Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 170B Dr. Christa Luft PDS 176A Dr.-Ing. Paul Krüger CDU/CSU 177D Rudolf Dreßler SPD 180C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 184A Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 186C Dr. Gisela Babel F D P. 188B Dr. Heidi Knake-Werner PDS 190 D Anke Fuchs (Köln) SPD 192B Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 193A, 195A, 219C Hans-Eberhard Urbaniak SPD . . . 193B, 195B Ernst Hinsken CDU/CSU 194B Dr. Günter Rexrodt F.D.P 196B Otto Schily SPD 197A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU 197D Rudolf Dreßler SPD . . . 198C, 199A, 256B Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . 199C Jörg Tauss SPD 200D, 249B, 250A Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 201 D Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 203 A Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU 204 A Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMU 206A Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 208D Birgit Homburger F D P 210C Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU 212A II Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. November 1994 Jochen Borchert, Bundesminister BML . 213C Horst Sielaff SPD 215A Dr. Gerald Thalheim SPD 215D Egon Susset CDU/CSU 216C Dr. Christa Luft PDS 216D Namentliche Abstimmung 217 C Ergebnis 221 C Ulla Schmidt (Aachen) SPD 217D Waltraud Schoppe BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 218D Michael Glos CDU/CSU 221 A Claudia Nolte, Bundesministerin BMFSFJ 224 A Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 226 C Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. . . . 228 D Christina Schenk PDS 231 C Maria Eichhorn CDU/CSU 233B Christel Hanewinckel SPD 234 D Walter Link (Diepholz) CDU/CSU . . 237 D Ortrun Schätzle CDU/CSU 238 D Ulla Schmidt (Aachen) SPD 240A Ilse Falk CDU/CSU . . . . . . . . . 241 A Klaus Kirschner SPD 243 A Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 246C Peter Dreßen SPD 247D Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 251A Dr. Dieter Thomae F D P. 252 C Klaus Kirschner SPD 253 C Dr. Ruth Fuchs PDS 254 A Wolfgang Friedrich Lohmann (Lüdenscheid) CDU/CSU 255 A Dr. Ruth Fuchs PDS 255 B Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 256 A Nächste Sitzung 257 C Berichtigung 257 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 258* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christina Schenk (PDS) zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache 13/35: Einsetzung von Ausschüssen (Zusatztagesordnungspunkt 2) 258* B Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. November 1994 157 6. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. November 1994 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung Plenarprotokoll 13/5, Seite 149B, letzter Absatz: In der zweiten Zeile ist statt „ Verführer' " „Verschwörer" zu lesen. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beucher, Friedhelm SPD 24.11.94 Julius Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 24.11.94 Dr. Eid-Simon, Ursula BÜNDNIS 24.11.94 90/DIE GRÜNEN Graf (Friesoythe), Günter SPD 24.11.94 Frhr. von Hammerstein, CDU/CSU 24.11.94 Carl-Detlev Hasenfratz, Klaus SPD 24.11.94 Dr. Höll, Barbara PDS 24.11.94 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 24.11.94 Labsch, Werner SPD 24.11.94 Dr. Graf Lambsdorff, Otto F.D.P. 24.11.94 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 24.11.94 Erich Meckel, Markus SPD 24.11.94 Neumann (Gotha), SPD 24.11.94 Gerhard Nickels, Christa BÜNDNIS 24.11.94 90/DIE GRÜNEN Saibold, Hannelore BÜNDNIS 24.11.94 90/DIE GRÜNEN Schumann, Ilse SPD 24.11.94 Vergin, Siegfried SPD 24.11.94 Volmer, Ludger BÜNDNIS 24.11.94 90/DIE GRÜNEN Vosen, Josef SPD 24.11.94 Wallow, Hans SPD 24.11.94 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 24.11.94 Wieczorek (Duisburg), SPD 24.11.94 Helmut Dr. Zöpel, Christoph SPD 24.11.94 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christina Schenk (PDS) zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache 13/35: Einsetzung von Ausschüssen (Zusatztagesordnungspunkt 2) Abg. Christina Schenk (PDS): Ich werde gegen den genannten Antrag stimmen, insbesondere weil ich mich gegen die Zusammenlegung der Ausschüsse Frauen und Jugend einerseits und Familie und Senioren andererseits aussprechen möchte. In der Praxis der Bundesrepublik Deutschland ist die Gleichstellung von Frau und Mann trotz der Verankerung des Gleichberechtigungsgrundsatzes im Grundgesetz noch immer nicht verwirklicht. Nach wie vor bestehen hinsichtlich der sozialen Stellung, in bezug auf die soziale Sicherung und hinsichtlich der Chancen von Frauen und Männern im Beruf, im politischen Leben, in Bildung und Ausbildung und in der Familie sowie hinsichtlich der Möglichkeit, zu selbstbestimmten Lebensentwürfen zu kommen und diese auch umzusetzen, gravierende Ungleichheiten. Eine wachsende Frauenerwerbslosigkeit in Ost und West, die deutliche Zunahme von Gewalttaten gegen Frauen und nicht zuletzt die Negierung des Rechts auf selbstbestimmte Schwangerschaft durch das Bundesverfassungsgericht zeigen sogar einen deutlichen Trend zur Verschlechterung der Lage der Frauen. Um die Selbstbestimmung und Gleichstellung der Frauen gegenüber den gefestigten patriarchalen Strukturen unserer Gesellschaft besser durchzusetzen, ist auf Bundesebene eine Politik erforderlich, die die Frage der Gleichstellung oder besser: Chancengleichheit von Frau und Mann in all en Politikfeldern behandelt. Eine solche Politik ist jedoch nur umsetzbar, wenn es in der Regierung und natürlich auch im Parlament eine strukturelle Grundlage dafür gibt. Daher fordert die PDS hier an dieser Stelle die Einsetzung eines Ausschusses des Bundestages für die Gleichstellung der Geschlechter. Dieser Ausschuß sollte, wie bereits angedeutet, im Querschnitt zu allen anderen Ausschüssen des Bundestages tätig werden und deshalb auch in die Arbeit aller anderen Ausschüsse einbezogen werden und in diesen Mitspracherecht haben. Die Einordnung der Gleichstellungsproblematik in die Fragen, die die Situation von Kindern, Jugendlichen und Senioren betreffen, wird weder ihrer Komplexität noch ihrem Umfang gerecht. Ich werde daher die vorgeschlagene Zusammenlegung der Ausschüsse ablehnen, und ich verbinde das mit der Bitte um Zustimmung zu unserem Antrag auf Einrichtung eines Ausschusses für Gleichstellungsfragen auf Drucksache 13/33.
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    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hätte mich gern mit den wirtschaftspolitischen Vorstellungen der Regierung auseinan-



    Ministerpräsident Gerhard Schröder (Niedersachsen)

    dergesetzt. Indessen: Weder in der gestrigen Regierungserklärung noch in der dieser Regierungserklärung zugrundeliegenden Koalitionsvereinbarung war etwas zu lesen, was der Debatte würdig gewesen wäre.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Vielleicht sagt der Bundeswirtschaftsminister ja im Anschluß an das, was ich vortragen möchte, was er zur wirtschaftspolitischen Diskussion und zum Handeln beitragen will.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Aber sicher!)

    Zunächst, meine Damen und Herren, fällt eines auf. Es fällt auf, daß in dieser Regierung das Wirtschaftsministerium offenbar als eine Art Steinbruch für andere Häuser benutzt wird.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Man kann deutlich machen, daß nach Auffassung derer, die diese Entscheidungen getroffen haben, Wirtschaft mit Zukunft offenbar nichts oder nur sehr wenig zu tun hat. Wie anders ist es zu erklären, daß man ein Zukunftsministerium macht, einen Kollegen, der gewiß seine Chance haben muß, damit beauftragt, aber daß die wichtigen Fragen, die die Zukunft der Gesellschaft betreffen, im Wirtschaftsministerium nicht oder an ihm vorbei behandelt werden sollen?

    (Beifall bei der SPD)

    Ich halte das für fatal. Anstatt dem Wirtschaftsministerium und dem Wirtschaftsminister ein Feld operativer Politik zu geben — sei es z. B. dadurch, daß man dieses Haus mit den Forschungsfragen zusammenbringt, sei es dadurch, daß man harte Infrastruktur sowie Verkehr und Wirtschaft zusammenlegt —, anstatt das zu tun, was vernünftig gewesen wäre, wird dieses Haus der inhaltlichen Kompetenzen mehr und mehr entkleidet. Was das für Wirkungen im internationalen und im nationalen Bereich haben muß, liegt auf der Hand — jedenfalls keine guten.
    Aber zu dieser Art, mit dem Wirtschaftsministerium umzugehen, paßt auch das Gerangel um die personelle Besetzung. Es kann einem schon leid tun, wie mit dem amtierenden Wirtschaftsminister umgegangen worden ist.

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.: Oh!)

    Das kann einem wirklich leid tun; denn niemand in der Koalition — in der CDU/CSU nicht und über lange Zeiten auch in der F.D.P. nicht — wollte diesen Wirtschaftsminister. Das war häufig genug zu lesen.
    Als man dann auf niemand anderen mehr gestoßen ist, ist man auf eine höchst interessante personelle Lösung verfallen: Man hat den Wirtschaftsminister hingesetzt, hat dann einen Staatssekretär aus dem Bundeskanzleramt dazugesetzt, alles nach dem Motto: Der BDI sagt, was gemacht wird, Herr Ludewig
    sagt, warum es gemacht wird, und Herr Rexrodt sagt es der Presse.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Diesem merkwürdigen Verfahren entspricht auch das, was wir bisher — es kann ja noch etwas kommen; wir freuen uns dann darauf — an inhaltlichen Fragestellungen gehört haben. Zunächst kein Wort über die Frage: Wie soll die Industriegesellschaft in Zukunft organisiert werden?
    Es gibt — man kann das nachvollziehen — zwei grundsätzliche Möglichkeiten, Industriegesellschaften zu führen. Sie sind im übrigen nur im Konsens zu führen und zu organisieren. Auf der einen Seite gibt es Länder, die einen Konsens im sozialen Verzicht der breiten Massen haben. Auf der anderen Seite gibt es das, was bei uns immer selbstverständlich war, nämlich einen Konsens in der sozialen Teilhabe.
    Wichtig wäre nun gewesen, zu hören, ob dieses Zukunftsmodell, Konsens in der sozialen Teilhabe, nach Ihrem Willen für die nächsten vier Jahre gelten soll und was das im einzelnen bedeutet oder ob Sie den Liberalen folgen wollen und mehr und mehr den Konsens in der sozialen Teilhabe der breiten Massen abbauen wollen und ihn durch einen aufgedrückten Konsens im sozialen Verzicht ersetzen wollen.
    Wer sich die gestrige Rede, die der Bundeswirtschaftsminister vor dem Außenhandelsverband gehalten hat, anschaut, der findet eine einzige substantielle Aussage, nämlich die: Die Löhne müssen herunter. Meine Damen und Herren, dies sagt der Mann in einer Situation, in der wir seit Jahren Reallohnverzichte der arbeitenden Menschen zu beklagen haben, in der der Lebensstandard dieser Menschen, um die Sie sich ja angeblich kümmern wollen, kontinuierlich gesunken ist, was erhebliche soziale Probleme bei gleichzeitig steigenden Mieten und anderen Abgaben mit sich brachte.
    Aber mehr noch: Es ist nun einmal so, daß Massenkaufkraft nicht nur eine soziale Größe ist, nein, sie ist auch eine ökonomische.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Ohne daß ich wieder in einen Verdacht von Einseitigkeit geraten will: Es bleibt dabei, Autos kaufen keine Autos. Deshalb ist es vernünftig, wenn man auch darüber nachdenkt, was denn die Massenkaufkraft für die Stabilisierung der Binnenkonjunktur bedeutet. Daß die Binnenkonjunktur immer noch entgegen allen Reden über Aufschwung in Schwierigkeiten ist, das zu bestreiten wagt niemand mehr. Wer sich anschaut, was z. B. gerade in Amerika an wirtschaftlichen Verwerfungen vorhanden ist oder bevorsteht, der muß ja doch wohl Bedenken haben, wenn der Aufschwung, den wir Gott sei Dank in wichtigen Bereichen haben, allzu sehr oder nur exportgestützt ist und auf dem Binnenmarkt immer noch relativ wenig los ist. Deswegen will ich vom Bundeswirtschaftsminister gern hören, was er denn tun will, um die Binnenkonjunktur zu stabilisieren

    (Zuruf von der SPD: Nichts!)




    Ministerpräsident Gerhard Schröder (Niedersachsen)

    — wahrscheinlich —, was er denn tun will, um in wichtigen industriellen Bereichen das, was es an Arbeitsmöglichkeiten gibt, zu erhalten und auszubauen.

    (Zuruf von der SPD: Auch nichts!)

    Es ist ja wahr — darauf ist hingewiesen worden, auch in der gestrigen Debatte —, daß wir Probleme auf dem Arbeitsmarkt haben, und zwar mehr, als zugegeben worden ist, und daß das natürlich mit der Tatsache zu tun hat, daß die herkömmliche industrielle Produktion mehr und mehr jetzt nicht mehr in Länder der Dritten Welt oder nach Asien ausgelagert wird, sondern direkt vor die eigene Haustür, nach Polen und Tschechien, Industriegesellschaften mit einer ungeheueren, wichtigen und richtigen Tradition, die uns Probleme macht. Die Antwort darauf, die ich in verschiedenen Zeitungsinterviews vom Bundeswirtschaftsminister gelesen habe, ist: Löhne herunter, weil sonst die Produktion ausgelagert wird. Ich frage: Was soll man davon halten? Glauben Sie, Herr Rexrodt, wirklich, Sie könnten die Auslagerung dieser Produktion dadurch verhindern, daß die Deutschen auf das Lohnniveau von Polen oder Tschechien zurückfallen? Glauben Sie das ernsthaft?

    (Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, ich möchte wissen, was Sie tun wollen, um z. B. in den Branchen, in denen eine Auslagerung möglich und wahrscheinlich ist, wenigstens zu erreichen, daß die Produktion mit hohem Wertschöpfungsanteil — da liegt unsere Chance — in der Bundesrepublik verbleibt, während wir hinzunehmen haben werden, daß die herkömmliche industrielle Produktion in der Tat auch dorthin geht, nicht zuletzt deshalb, weil nur so kaufkräftige Märkte aufgebaut werden können, die uns neue Exportchancen eröffnen oder aber erhalten.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Im übrigen: Wer über Zuwanderung redet, der muß wissen, daß er, wenn er die Arbeit nicht zu den Menschen bringt, damit rechnen muß, daß die Menschen zu uns kommen.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Genau! Ja!)

    Ich wüßte ganz gern von der Bundesregierung, was sie denn tun will, um diesen Prozeß im Dialog mit den Branchen sinnvoll zu steuern, ihn jedenfalls nicht willkürlich ablaufen zu lassen.
    Zweite Frage: Es gibt eine Debatte über die Energiepolitik. Niemand wird bestreiten, daß die Frage, wie wir unsere Energieproduktion organisieren, eine der zentralen Fragen deutscher Wirtschaftspolitik ist. Ich habe gestern nun gehört, was man will. Man hat gesagt, es soll weiter so gehen. Anders ausgedrückt: Wir halten an dem angeblich bewährten Drittelmix in der Energiepolitik fest, also auch an der Kernenergie. Ich halte dieses Festhalten nicht nur für energiepolitisch problematisch, sondern für ökonomisch gefährlich.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Ich will mit der Erlaubnis der Frau Präsidentin aus einer Meldung von gestern zitieren:
    Gefahr schwerer Störfälle in 20 osteuropäischen Atomkraftwerken.
    Auch 8 Jahre nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl in der Ukraine besteht in mindestens 20 älteren Kernkraftwerken in Osteuropa weiterhin die Gefahr schwerer Störfälle bis hin zur Kernschmelze.
    Meine Damen und Herren, der das sagt, ist nicht ein Kernenergiegegner aus Gorleben und anderswo, sondern ist Herr Birkhofer, der Geschäftsführer der Gesellschaft für Reaktorsicherheit, wahrlich jemand, den man nicht in die Ecke ideologischer Verbohrtheit stellen kann. Was sagt er eigentlich damit? Er sagt: Was immer im eigenen Land an Sicherheit geleistet worden ist und nicht passieren mag — mehr kann man ja nicht, als darauf hoffen —, dort wird in den nächsten zehn Jahren bis hin zu dem, was wir in Tschernobyl hatten, etwas passieren. So seine Voraussage, seine Prognose.
    Wenn das aber so ist, nutzen Sicherheitsstandards in Deutschland überhaupt nichts. Wenn das so ist, wird das Akzeptanzproblem dieser Form der Energieproduktion nicht geringer, meine Damen und Herren, sondern massiv größer.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wenn das Akzeptanzproblem massiv größer wird, ist das nicht nur ein gesellschaftspolitisches, nein, auch ein ökonomisches Datum. Ein ökonomisches Datum deshalb, weil in dem Moment, wo die Menschen mit einer erneuten Katastrophe von der Größenordnung von Tschernobyl konfrontiert werden, alles Reden über Bewährtes oder Nichtbewährtes nicht einmal mehr nutzt. Die Menschen werden den Ausstieg erzwingen, und das in einem Tempo, das dann, wenn wir nicht Vorsorge treffen, zu ökonomischen Verwerfungen führt, von denen bisher gar keiner eine Ahnung hat.

    (Beifall bei der SPD und der PDS) Das ist das Problem.

    Daraus ist die alleinige Schlußfolgerung zu ziehen, daß wir jetzt mit dem Umbau des Energieversorgungssystems beginnen müssen, jetzt, wo wir noch Zeit haben, weil wir nicht wissen, wie lange wir noch Zeit haben werden.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Ausstieg, Umbau des Energieversorgungssystems, ist also nicht nur eine Forderung, die man in die Gefilde der Ideologie verweisen könnte oder dürfte, nein, ist eine Forderung von hoher ökonomischer Vernunft.
    Wenn man daran geht, muß man dabei allerdings wissen — das sage ich durchaus selbstkritisch, was die Beschlüsse der eigenen Partei, auch die eigenen Beschlüsse, angeht , daß man beim Umbau dieses Energieversorgungssystems mutmaßlich mehr Zeit braucht, als viele bereit sind sich zu geben. Das ist wahr. Aber die Tatsache, daß man für den Umbau



    Ministerpräsident Gerhard Schröder (Niedersachsen)

    eines Energieversorgungssystems mehr Zeit braucht, darf nicht dazu führen, daß man es gar nicht erst anpackt.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Es ist wohl wahr: Wer heraus will, muß auch sagen, in welche Energiezukunft er hinein will. Aber, meine Damen und Herren, das ist ja hundertmal gesagt und aufgeschrieben worden. Die Partner in der Industrie, in den Naturschutzverbänden und in anderen Bereichen stehen gewiß kritisch, aber durchaus bereit, die breite gesellschaftliche Debatte über einen neuen Energiekonsens zu führen.
    Nur, meine Damen und Herren, was soll das für ein Konsens mit denen sein, die eine andere Energiezukunft wollen, wenn Sie am Anfang solcher Gespräche schlicht erklären: Es bleibt alles beim alten?

    (Clemens Schwalbe [CDU/CSU]: In Rußland, oder?)

    Dann brauchen wir ja nicht zu reden. Entweder es wird über ein neues Energieversorgungssystem geredet, oder Gespräche sind völlig überflüssig.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Sie werden sich zu entscheiden haben, ob Sie — und das lehrt die Erfahrung der vergangenen Gespräche — z. B. beim Energiesparen mehr anbieten wollen als jene substanzlosen Sätze, die Sie, Herr Rexrodt, bei den letzten Gesprächen auf den Tisch gelegt haben.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Mehr anbieten wollen heißt dann auch, meine Damen und Herren, daß man das finanzieren wollen muß. Das kostet Geld. Sie müssen deutlich sagen, an welchen Stellen in Ihrem Haushalt Sie was für die Zukunftsaufgabe Energiesparen ausgeben wollen. Bislang habe ich leider kein Wort dazu gehört außer allgemeinen Appellen an die beteiligte Industrie und an die Verbraucher, die weiter sind, als die Bundesregierung ist. So kann es nicht gehen. Energiesparen wird die Schlüsselressource künftiger Energieproduktion sein.
    Ein Zweites. Wir wollen wissen, was mit regenerierbaren Energien ist, also mit Sonnenenergie und sonnenabgeleiteten Energieträgern.

    (Michael Glos [CDU/CSU]: In Niedersachsen!)

    — Natürlich in Niedersachsen. Wo anders, wenn es um Wind geht?

    (Michael Glos [CDU/CSU]: In Bayern!)

    — In Bayern hinter den Bergen ist es mit der Windenergie schwierig. Das weiß ich sehr wohl. Auf den Bergen mag es gehen.
    Ich wollte also sagen: Wir wollen wissen, was Sie für die Förderung regenerierbarer Energieträger ausgeben wollen, und wir wollen dann tatsächlich eine
    solide Finanzierung deutscher Steinkohle und Braunkohle auf den Tisch gelegt haben.

    (Dr. Hermann Otto Solms [F.D.P.]: Was heißt denn das?)

    Bislang haben Sie, was diese Frage angeht, deren Lösung langfristig geplant werden muß, keinerlei Angaben von einigem Wert gemacht. Das halte ich für außerordentlich bedauerlich.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Ihre Position zur Steinkohle würde ich auch gern hören!)

    Was die Energiefrage angeht, ist die Entsorgung vollständig ungelöst. Da werden zu Demonstrationsoder was weiß ich zu welchen Zwecken noch völlig überflüssigerweise Behälter mit abgebrannten Brennelementen quer durch die Republik transportiert,

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    die Akzeptanz von Energiepolitik weiter reduziert, die Möglichkeit rationalen Umgangs mit der Entsorgungsfrage gegen Null gebracht. Niemand weiß oder kann rational ergründen, welcher Sinn und Zweck dahintersteht. Auch die meisten Energieversorger wissen es nicht. Gleichwohl werden Länderregierungen gegenüber, die auf Gefahren bei der Lagerung und beim Transport hinweisen, Weisungen erteilt, die sie dann beachten müssen. Das ist eine Art und Weise des Umgangs in dieser entscheidenden Frage, die schlicht nicht mehr nachvollziehbar ist

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    und die natürlich jeden Konsens, den es geben könnte, von Anfang an belastet.
    Was auf diesem Gebiet gegenwärtig versäumt wird, stinkt im wahrsten Sinne des Wortes zum Himmel. Was an Vertrauen von Menschen in die Funktionstüchtigkeit unserer Industriegesellschaft und der politischen Institutionen zerschlagen wird, ist — machen Sie sich da nichts vor! — ebenso gewaltig. Deswegen fordere ich Sie auf, mit dieser unsinnigen Art, in einem der wichtigsten wirtschaftlichen Bereiche umzugehen, endlich aufzuhören und zu einer Linie der Vernunft zurückzufinden.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Eine Linie der Vernunft ist übrigens auch gefragt, was andere Beteiligte angeht. Ich sage hier genauso deutlich: Es ist in einer zivilisierten Gesellschaft unmöglich, wenn Manager von Industriebetrieben auf Riesenplakaten persönlich abgebildet und gleichsam an die Wand gestellt werden, wie das mit Herrn Kuhnt vom RWE geschehen ist. Ich hoffe, daß die Leute von Greenpeace begreifen, daß man eine in dieser Art personalisierte Auseinandersetzung bei uns nicht führen darf,

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)




    Ministerpräsident Gerhard Schröder (Niedersachsen)

    weil sich davon Idioten zu Handlungen aufgerufen fühlen könnten, die wir dann alle zu beklagen haben. Das darf nicht sein.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das schadet einem rationalen Dialog ebenso wie die Betonkopfhaltung auf der rechten Seite dieses Hauses.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, ich sage es noch einmal: Die Probleme sind lösbar, aber nicht so, wie das gegenwärtig ins Auge gefaßt wird.
    Ich habe einen dritten Punkt. Mein Kollege Herr Lafontaine und auch Herr Fischer haben gestern darauf hingewiesen, daß wir der Debatte um die Ökologisierung des Steuersystems nicht ausweichen dürfen. Ich habe Verständnis für all diejenigen, die sagen, man könne diese Debatte ebensowenig übers Knie brechen. Das ist wahr. Aber wenn wir sie nicht jetzt beginnen — in der Wirtschaft ist sie längst im Gange , dann können wir z. B. nicht festlegen, was wir aber müssen, welche Branchen, welche Sektoren in welchen Regionen, was ihre Wettbewerbsfähigkeit angeht, von der Veränderung des Steuersystems negativ tangiert werden könnten. Das müssen wir aber wissen.
    In der Tat ist es so, daß die Besteuerung der Ressourcen und damit auch der Energie z. B. für die Grundstoffindustrien in Deutschland und damit für die Arbeitsplätze in diesem Bereich Folgen haben wird. Aber deshalb der Debatte auszuweichen, wie Sie es tun, ist natürlich das Verkehrteste, was man machen kann. Anstatt eine Vorstellung davon zu entwickeln, wie und in welchen Zeiträumen man diesen Wettbewerbsverzerrungen — und das geht — entgegentreten kann, die durch die Ökologisierung des Steuersystems entstehen, machen Sie gar nichts auf diesem Sektor.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich prophezeie, meine Damen und Herren: Wenn wir uns dieser Zukunftsaufgabe nicht gewachsen zeigen, dann werden wir nicht nur ein hinterwäldlerisches Steuerrecht behalten oder bekommen; nein, wir werden auch auf dem Arbeitsmarkt viele Chancen, die wir uns erwerben könnten, verpassen. Die Ökologisierung des Steuersystems — natürlich in Schritten — hat eine Steuerungswirkung in die Wirtschaft hinein und schafft in den Bereichen, in denen die Deutschen Gott sei Dank Weltmarktführer sind, nämlich auf dem Sektor der Umweltprodukte, neue Wettbewerbs- und damit neue Arbeitsmöglichkeiten. Wir sollten sie nutzen.
    Wenn schon von Zukunft die Rede ist, dann ist das eines der Zukunftsthemen, dem wir uns stellen müssen und zu dem jetzt endlich auch von Ihrer Seite substantielle Beiträge kommen müssen; wohlgemerkt vor dem Hintergrund, daß es dabei auch und immer um Wettbewerbsfähigkeit im europäischen, im internationalen Maßstab geht. Aber den Kopf in den Sand zu stecken, so wie Sie es tun, ergibt keine Politik und schon gar keine gute Zukunft.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich will noch einen Punkt nennen, der mich — das mag man mir verzeihen — besonders interessiert. Ich habe gestern sehr interessiert zugehört, als die Debatte um das Fünfliterauto — die große umweltpolitische Forderung der Union bzw. des Bundeskanzlers — hier lief. Ich will in aller Bescheidenheit daran erinnern, daß es ein mittelständisches Unternehmen in der Nähe von Wolfsburg gibt, das dieses Auto längst produziert.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD — Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Die haben halt einen guten Aufsichtsrat!)

    — Natürlich haben die einen guten Aufsichtsrat. Einer steht hier. Das ist ja ganz klar.

    (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Meine Damen und Herren, ich frage mich gelegentlich, ob diejenigen, die jetzt die Forderung nach einem Fünfliterauto formulieren, nicht erkennen können bzw. nicht wollen, daß es das längst gibt. Sie haben allerdings eine fatale Sache gemacht. Es handelt sich um einen Einspritzdiesel. Sie aber haben die Dieselmotoren gegenüber den Benzinmotoren steuerlich benachteiligt.

    (Beifall bei der SPD)

    Mit dieser Hypothek indessen müßten Sie leben. Die müßten Sie erst einmal abtragen, dann nehmen Sie zur Kenntnis, daß es ein Fünfliterauto gibt, und dann versuchen wir miteinander und mit der beteiligten Industrie, ein Schrittehen weiterzugehen, denn bei einem Fünfliterverbrauch darf es nicht bleiben. Es soll schon zu einem Dreiliterauto kommen, meine Damen und Herren, und das ist auch möglich.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Im übrigen: Was auch dort die Forderung angeht, die Binnenkonjunktur zu stabilisieren, so könnten Sie eine Menge nachlegen. Herr Bundeswirtschaftsminister, ich bin gern bereit, Ihnen die Studie von Roland Berger zu überreichen, in der festgestellt wird, daß die bereits häufig diskutierte Abwrackprämie in Deutschland — auf ein Jahr befristet; ab 1. Januar nächsten Jahres eingesetzt — in der Tat zu einer gewaltigen Stabilisierung der Binnenkonjunktur führen und damit Arbeitsplätze in den betroffenen Unternehmen sichern würde.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Dann reden Sie von Subventionsabbau!)

    — Das hat nichts mit Subventionen zu tun.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Natürlich!)

    — Auch Sie können das einmal lesen. Ich will es Ihnen gerne geben.
    Diese Art von Förderung der Binnenkonjunktur würde sich über die Einnahmen des Staates aus der Mehrwertsteuer von selbst finanzieren. Die Leute, die das untersucht haben, sind intellektuell und politisch



    Ministerpräsident Gerhard Schröder (Niedersachsen)

    viel weiter als Sie, und das ist das Problem dieser Regierung.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    In all den Bereichen, die substantiell und hinsichtlich der mittleren und ferneren Zukunft mit Wirtschaft zu tun haben, war Fehlanzeige. Sie haben das Wirtschaftsministerium demontiert und den Wirtschaftsminister gleich mit. Die Frage ist doch: Wer soll Ihren Parteien auf diesem Gebiet eigentlich noch irgend etwas abnehmen, wer soll Sie noch ernst nehmen? Ich denke, niemand. Sie wissen das auch ganz genau, jedenfalls der größte Teil von Ihnen. Sonst wären die Widerstände hinsichtlich der Berufung von Herrn Rexrodt nicht erklärbar.
    Wie Sie aber in einer immer noch bestehenden Krisensituation mit einem so demontierten Wirtschaftsministerium und einem so demontierten Wirtschaftsminister zurechtkommen wollen, wie Sie den Menschen draußen erklären wollen, daß Sie vor diesem Hintergrund für Wirtschaft und Arbeit einstehen, bleibt nicht nur mir schleierhaft.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Dies ist die vorletzte Bemerkung, die ich machen möchte: Ich habe gestern aufmerksam zugehört und war erstaunt darüber, in welcher Weise hier die arbeitszeitverkürzenden Entscheidungen großer und mittlerer Unternehmen in unserem Land diffamiert worden sind.

    (Zuruf von der SPD: Genauso war es!)

    Meine Damen und Herren, unser Problem ist doch, daß die deutsche Industrie in allen Bereichen um jeden Preis ihre Produktivität steigern muß. Dies, nämlich Produktivität steigern und Produktivitätssprünge um 20 und mehr Prozent, heißt aber, daß wir bei dem jetzt prognostizierten Wachstum von 3 % nicht mehr, sondern weniger Arbeitsplätze haben werden. Mit der von Ihnen angekündigten Initiative werden Sie das Fehlen dieser Arbeitsplätze niemals ausgleichen können. Folglich dürfen Sie nicht wieder einmal kreative Arbeitszeitmodelle diffamieren. Sie müssen sie unterstützen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Was hindert Sie eigentlich, ja zu einer Initiative z. B. von Volkswagen zu sagen, die so aussieht: Wir haben einige tausend Auszubildende, aber eigentlich keinen Bedarf an Arbeitskräften? Die logische und übliche Folge wäre, diese Auszubildenden nicht zu übernehmen. Damit würden sie schon am Anfang ihres Arbeitslebens mit Arbeitslosigkeit konfrontiert werden. Wenn dies so geschieht, braucht man sich nicht über die dann entstehende politische Destabilisierung zu wundern.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Was haben wir also gemacht? Wir können auf Grund einer betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit keinen Vollarbeitsplatz anbieten. Aber wir bieten einen 20Stunden-Vertrag an, so daß sie langsam in ein Vollarbeitsverhältnis hineinwachsen. Parallel dazu scheiden die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schrittweise aus. Sie nennen das Stafette. Dies ist ein hochinteressantes Modell, das ich gern von Norbert Blüm unterstützt hätte.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Seine Ankündigungen weisen aber genau in die andere Richtung.

    (Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Das ist überhaupt nicht wahr!)

    So sagte er gestern, daß diejenigen, die über 55 Jahre alt sind, dies selbst bezahlen sollen. Die Großunternehmen könnten es sich leisten, diesen Menschen durch Zusatzleistungen einen auskömmlichen Unterhalt zu verschaffen. Die kleinen Unternehmen könnten dies nicht. Das sei ungerecht.
    Ungerecht ist dies. Aber der Schluß, der daraus gezogen wird, ist natürlich falsch. Was wird die Folge dieses Verfahrens sein? Die Folge wird sein, daß die großen Industriebetriebe nicht mehr nach der 55Jahre-Regelung verfahren. Die weitere Folge wird sein, daß die jüngeren Menschen arbeitslos und die älteren Menschen länger beschäftigt werden.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Dies kann in einer Krisensituation keine vernünftige Arbeitsmarktpolitik sein. Dies gibt im übrigen auch ökonomisch keinen Sinn.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Dies gibt ökonomisch deshalb keinen Sinn, weil die Menschen, die beschäftigt werden wollen, die Kreativsten und Beweglichsten sind. Dies ergibt sich nun einmal so auf Grund des Alters. Diese lassen Sie durch eine Politik außen vor, die ich wirklich nicht mehr nachvollziehen kann.
    Meine letzte Bemerkung: Es ist viel über einen schlanken Staat gesprochen worden. Ich habe — bitte entschuldigen Sie — deshalb gelächelt, weil dies der Bundeskanzler gesagt hat. Ich saß seitlich von ihm und habe mir vorgestellt, daß dies der Repräsentant des schlanken Staates ist.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der PDS — Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Sie sind sehr geistreich heute morgen!)

    Ich hatte einige Schwierigkeiten, Herr Bundeskanzler.
    Aber jenseits dessen besteht über das Ziel durchaus Einigkeit.

    (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Schlank sind Sie auch nicht gerade!)

    — Nicht mehr, das ist wahr. — Nur müssen wir uns
    vielleicht dann auch darauf einigen, wie wir das denn
    machen wollen. Da wüßte ich gern ein Wort des



    Ministerpräsident Gerhard Schröder (Niedersachsen) Bundesinnenministers zu der, Frage, wie das Beamtenrecht in Zukunft aussehen soll.

    (Beifall bei der SPD)

    Er ist wahrscheinlich in Hessen und versucht da wohl — aussichtslos, glaube ich — noch ein paar Stimmen zu sammeln.
    Ich wüßte aber gern ein Wort dazu: Sollen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums weiterhin jede Reformmöglichkeit behindern, oder wollen wir das miteinander ändern? Ich kenne einige Grundgesetzkommentare, die wahre Elogen auf die Segnungen des Berufsbeamtentums geschrieben haben, Herr Scholz, wahre Elogen. Sind Sie denn nun bereit, mitzumachen und zu sagen: Da müssen wir heran; was da an Sicherungen eingebaut worden ist, ist inflexibel und ökonomisch unvernünftig?

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Dazu würde ich gern etwas hören, aber konkret, meine Damen und Herren.
    Zweitens. Ich glaube, solange wir - wir übrigens
    auch —, unter welchem Druck auch immer, beim Schreiben und Machen von Gesetzen nicht überlegen, welche personellen Folgen das in den Ländern und Gemeinden hat, wird es auch nicht besser.
    Drittens. Mein Eindruck ist, daß die ganze Debatte über die angebliche Notwendigkeit, Beteiligungsverfahren der betroffenen Bürgerinnen und Bürger möglichst wieder kaputtzumachen, in die falsche Richtung geht. Die Anstrengungen in der Bildungspolitik haben es nun einmal mit sich gebracht, daß die Menschen im Lande nicht mehr alles mit sich machen lassen, was ihre Obrigkeit so gern hätte. Also ist Einsicht und Einsicht ist die Folge von Beteiligung — das Prinzip. Nicht Anordnen, sondern Kooperation führt dazu, daß Entscheidungen schneller getroffen werden, führt dazu, daß sie ökonomisch vernünftiger umgesetzt werden und daß ein Stückchen Zukunftsfähigkeit gewonnen werden kann.
    Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Mein Eindruck ist, daß aus guten Gründen in der Koalitionsvereinbarung und in der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers über Wirtschaft wenig zu lesen und zu hören war, aus guten Gründen deshalb, weil Sie in der Substanz nichts mehr anzubieten haben und personell nun im wahrsten Sinne des Wortes ausgedörrt sind.
    Vielen Dank für die Aufmerksamkeit

    (Anhaltender Beifall bei der SPD — Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als nächster spricht Herr Kollege Michael Glos.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Michael Glos


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn jemand wie Herr Ministerpräsident Schröder vom Fünfliterauto spricht, dann denken alle Leute an den Hubraum. Denn es gibt selten Politiker, bei denen Worte und
    Taten so weit auseinandergehen wie bei Ihnen, Herr Schröder.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich bin sicher, daß Sie mit einer großen Luxuslimousine hierhergekommen sind, um hier Ihre Antrittsrede als einer der Führer der Opposition zu halten. Sie wollen ja im Grunde den Problemen in Ihrem Land davonlaufen, geben vor, die Probleme der Bundesrepublik lösen zu können, obwohl Sie die Probleme Niedersachsens nicht lösen können. Das ist die Tatsache.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Zuruf von der SPD: Ein bißchen mehr Niveau, Herr Kollege! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Auch ich war auf die Argumente und die besseren Rezepte des Herrn Schröder sehr gespannt. Ich habe keine gehört. Ich werde aber gern die Rede noch einmal nachlesen und versuchen, dann welche zu finden. Denn es kann ja passieren, daß man beim Zuhören hier das eine oder andere nicht so hört, weil es eben solche Krakeeler wie Sie gibt.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe mir vorher noch einmal angesehen, was in Niedersachsen vor der Wahl alles versprochen worden ist. Es ist versprochen worden, daß Hochschulen ausgebaut werden. Herr Schröder kürzt den Hochschuletat, er kürzt die Wohnungsbauförderung, er kürzt beim Krankenhausbau, er kürzt beim Kindergartenbau, und er gibt kein Geld mehr für neue Projekte.
    Ich war im Wahlkampf in Niedersachsen, um mich da ein bißchen umzuschauen. Dort hat man auch der Polizei gesagt: Spart Sprit! Fahrt nicht mehr soviel in der Gegend herum! — Am liebsten würde man anordnen, daß die Polizei gebrauchtes Benzin verwendet, wenn sie sich überhaupt noch sehen läßt.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Und deswegen auch das Fünfliterauto.
    Ich kann nach dem Motto „Wärst du doch in Düsseldorf geblieben" nur sagen, Herr Schröder — so würde es in Niedersachsen vielleicht heißen —: Wären Sie doch in Oldendorf oder Ochsendorf oder wo immer geblieben! Hier in Bonn jedenfalls werden Sie nicht gebraucht.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben uns bei den Koalitionsverhandlungen sehr eingehend mit den Problemen unserer Wirtschaft befaßt.

    (Zurufe von der SPD: Oh! Oh!)

    Wir wissen auch, daß wir für die Zukunft wieder den Weg einschlagen müssen, der nach dem Regierungswechsel 1982 ungeheuer erfolgreich gewesen ist, nämlich den Weg der dauerhaften Rückführung der Staatsquote und der Verbreiterung des privaten Korridors unter Zurückdrängung des öffentlichen Korridors. Wir wissen alle, daß wir die einmaligen Heraus-



    Michael Glos
    forderungen unserer Wiedervereinigung vorübergehend durch mehr Staat in den Griff bekommen haben. Aber wir müssen jetzt wieder einen anderen Weg gehen.
    Zehn Millionen Arbeitsplätze in Deutschland hängen heute unmittelbar von der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ab, d. h. ein Großteil unseres Lebensstandards wird vom Erfolg der deutschen Wirtschaft auf den internationalen Märkten bestimmt. Der Kampf wird zunehmend härter. Andere werden immer besser. Sie haben Länder vor unserer Haustür genannt, Herr Ministerpräsident: Tschechien, Ungarn, Polen. Aber auch die südostasiatischen Länder machen uns zunehmend Konkurrenz nicht nur auf den Weltmärkten, sondern infolge der offenen Grenzen auch auf unseren Märkten.
    Unsere Exporterfolge sind Erfolge eines engen Ineinandergreifens von Erziehung, Ausbildung, Qualifikation, Innovation, von Staat, von Familie, von Unternehmen und auch der Schule. Alle diese Dinge müssen natürlich in der Bundesregierung gebündelt werden. Das muß nicht alles unter das Dach eines Ministers kommen, wie Sie es gefordert haben.
    Ich bin der Meinung, daß wir die Standortdebatte, die von der CDU/CSU angestoßen worden ist, weiterführen müssen. Es ist eine fortlaufende Notwendigkeit. Diese Standortdebatte darf sich nicht nur auf spezifische wirtschaftspolitische Fragen konzentrieren. Weniger Staat in der Wirtschaft, aber natürlich ein starker Staat z. B. bei der inneren und äußeren Sicherheit, eine familienfreundliche Gesellschaft — all dies sind ungeheuer wichtige Elemente des Zukunftsstandortes Deutschland. Sicher müssen Kreativität und Veränderungsbereitschaft gefördert werden, und das kostet auch manchmal Arbeitsplätze, rettet aber natürlich ganze Branchen.
    Ich habe auch mit großem Interesse die Debatte bei Daimler Benz mit verfolgt und habe jetzt gelesen, daß man mit 40 000 Mitarbeitern weniger fast die gleiche Produktionsleistung wie in der Vergangenheit erbringen kann. Die Frage ist, was mit den anderen Menschen geschieht, wo sie Arbeit und Brot finden. Deswegen müssen wir auch die Dienstleistungen bei uns im Land stärker ausbauen. Wir haben hier gegenüber vergleichbaren Industrieländern ein Defizit.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Hermann Otto Solms [F.D.P.])

    Wir sind uns auch durchaus darüber im klaren, daß der tiefgreifende Strukturwandel durch den begonnenen Aufschwung keineswegs bewältigt ist. Ich bin mit Ihnen einer Meinung, daß es falsch wäre, die Hände jetzt in den Schoß zu legen. Wir müssen auch die Subventionen und Hilfen des Staates weiter auf den Prüfstand stellen.
    So bin ich der Meinung, daß in den neuen Bundesländern inzwischen ein Wildwuchs von Förderungen entstanden ist, der überprüft und da, wo es möglich ist, zurückgeführt werden muß. Auch hier hat es — das ist ganz selbstverständlich — eine unterschiedliche Entwicklung in den verschiedenen Teilen der neuen Länder gegeben.
    Wir müssen den konjunkturellen Aufschwung nutzen, um, wie gesagt, den Strukturwandel zügig voranzutreiben, sonst laufen wir Gefahr, daß bei der nächsten Konjunkturschwäche eine noch tiefere Rezession kommt.
    Wichtige Voraussetzung zur Stärkung der Aufschwungkräfte ist die konsequente Fortsetzung der soliden Finanzpolitik, so wie sie Theo Waigel in den letzten Jahren gestaltet hat. Eine erfolgreiche Ausgabenbegrenzungspolitik und eine stabile D-Mark sind die Pfunde, mit denen wir wuchern können.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Ich finde, es ist ein ungeheuer positives Signal
    — auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland —, daß es in diesem Jahr gelingt, die vorgesehene Neuverschuldung um 10 Milliarden DM zu unterschreiten. Die geringere Inanspruchnahme durch den Bund entlastet die Finanzmärkte und stärkt das internationale Vertrauen in die D-Mark.
    Wir brauchen aber selbstverständlich mehr Mut, Kreativität und Veränderungsbereitschaft für die Zukunft. Ich weiß, daß zu allen Zeiten neue gesellschaftliche und technische Entwicklungen auf Widerstand gestoßen sind. Ich habe mir erzählen lassen, daß es nicht nur Widerstand gegen den Transrapid gibt, sondern daß es schon bei der ersten Autobahn von Nürnberg nach Fürth Widerstände gegeben hat.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Eisenbahn, Herr Kollege!)

    — Eisenbahn. Entschuldigung, da habe ich mich versprochen, Herr Struck.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Das muß man schon wissen!)

    — Nehmen Sie mir bitte ab, daß ich es gewußt habe. Ich entschuldige mich ausdrücklich bei Ihnen für den Versprecher.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Angenommen!)

    Neue Entwicklungen müssen mutig angepackt werden. Die Angst ist zu allen Zeiten ein schlechter Ratgeber gewesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das gilt auch, Herr Ministerpräsident — deswegen bin ich sehr dankbar, daß Sie das angesprochen haben —, für die Energiepolitik. Wenn wir den Menschen vor den sichersten Kernkraftwerken der Welt — und die stehen in der Bundesrepublik Deutschland — angst machen, dann sind wir, was die Akzeptanz moderner Technologien anbelangt, schlecht beraten.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Ich bin der Meinung, daß wir auch unsere Mitbürger nicht im unklaren lassen dürfen, daß neue Technologien neue Risiken bedeuten. Ich bin der festen Oberzeugung, daß es eine ungeheuer wichtige Aufgabe ist, Risiken zu minimieren und beherrschbar zu machen. Chancen und Risiken müssen aber immer nüchtern und emotionsfrei gegeneinander abgewogen werden. So bedeutet z. B. die Gentechnologie zum einen



    Michael Glos
    insbesondere beim Kampf gegen Krebs oder gegen Aids Hoffnung, sie eröffnet zum anderen neue Möglichkeiten der umweltschonenden Landbewirtschaftung und hilft beim Kampf gegen Hunger in der Dritten Welt.
    Sollen alle diese Entwicklungen außerhalb Deutschlands stattfinden? Wir sind der Meinung, daß wir uns daran beteiligen müssen. Deshalb wollen wir, daß die Anstrengungen, in Deutschland neue Beschäftigungschancen zu erschließen, in Zukunft noch verstärkt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Es wird niemals möglich sein, null Risiko und 1 000 % Gewinnchance unter einen Hut zu bringen. Das gibt es nicht. Das gibt es höchstens im Märchen.
    Der Energieverbrauch der Industriestaaten und insbesondere der Wachstumsregionen Asiens, die ungeheuer viel Energie zusätzlich verbrauchen werden, kann nicht ohne Kernenergie gedeckt werden, außer — das ist nach bisherigen Erkenntnissen die einzige Alternative — durch eine ungeheure Erhöhung der Kohleverstromung. Im übertragenen Sinn würde das bedeuten, daß die Welt an Kohlendioxid erstickt.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Die Kohle ist auch nicht unendlich!)

    Deutschland verfügt über die beste Sicherheitstechnik und über eine weltweit führende Hochtechnologie bei der Kerntechnik. Wir haben die sichersten Kernkraftwerke der Welt. Wir wollen unsere Sicherheitsphilosophie und unsere Sicherheitstechnologie auf die unsicheren Kernkraftwerke um uns herum übertragen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Das können wir nicht, wenn wir aussteigen, wenn wir die Kenntnisse und das Know-how deutscher Ingenieure verkommen lassen. Das können wir doch nur erhalten, indem wir uns auch in Zukunft am Kernkraftbau beteiligen, ganz abgesehen davon, daß es dadurch neue und gute Arbeitsplätze auch in unserem eigenen Land gibt.

    (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vor allem in Bayern!)

    — Vor allen Dingen auch in Bayern. Ich nehme diesen Zwischenruf gern auf. Wir sind stolz auf unsere hochtechnologischen Arbeitsplätze. Viele andere Bundesländer schauen deswegen zu Recht mit Neid auf Bayern.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Ein Satz muß mir noch erlaubt sein: Die Damen und Herren in der Mitte sind zum großen Teil neu im Deutschen Bundestag. Sie sind auch neu in der deutschen Politik. Ich darf darauf hinweisen, daß diese Entwicklung in Bayern nicht zuletzt dadurch eingetreten ist, daß Bayern zu allen Zeiten, bis auf eine
    kleine Unterbrechung, eine wirklich gute und vernünftige politische Führung gehabt hat

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und daß wir auch gern bereit sind — das ist Aufgabe der CSU-Landesgruppe hier in Bonn —, etwas zur wirtschaftspolitischen Weiterbildung beizutragen.
    Es wird wohl niemand bestreiten, daß es auch — damit komme ich zu Bayern — im Bereich der Luft- und Raumfahrt und in der Wehrtechnik um Tausende von Hochtechnologiearbeitsplätzen geht. Wir werden auch in Bayern um jeden Arbeitsplatz kämpfen. Aus bayerischer Sicht besonders erfreulich ist die Festlegung in der Koalitionsvereinbarung, daß zur Wahrung einer führenden Forschungsposition Deutschlands das Projekt Forschungsreaktor in München-Garching ausdrücklich festgeschrieben worden ist.
    Fortschrittsangst ist immer ein schlechter Ratgeber. Die erste entscheidende Zukunftsfrage lautet doch: Bekommen deutsche Wissenschaftler, Ingenieure und Facharbeiter in Deutschland Brot und Arbeit? Die zweite entscheidende Frage ist: Wollen wir Güter und Dienstleistungen oder wollen wir Arbeitsplätze aus Deutschland exportieren? Ich bin der Meinung, wir müssen dabei bleiben, Güter und Dienstleistungen zu exportieren. Das bedeutet, daß wir Deutschen unsere Einstellung auch zu Wissenschaft und Forschung und zur Elitebildung bei den Wissenschaftlern verändern müssen. Wir müssen heute auf unsere Erfinder und Elitewissenschaftler mindestens genauso stolz sein wie auf international gute deutsche Tennisspieler, Fußballprofis oder Autorennfahrer.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Früher hieß es: Wer wagt, gewinnt. Wer heute noch wagt, muß in unserem Land gegen eine Hydra von Gesetzen und Verordnungen kämpfen.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wer hat die denn gemacht?)

    Falls er dennoch gewinnt, ist er ein geächteter Besserverdiener, eine Melkkuh der Nation. Wenn in Deutschland Genehmigungsverfahren für Produktionsanlagen spürbar länger dauern als manche Produktlaufzeiten, dann verlieren wir den Standortwettlauf.
    Sie haben vorhin dazwischengerufen: „Wer hat die denn gemacht?" Alle zusammen haben wir sie in diesem Bundestag gemacht.

    (Zuruf bei der SPD: Nein, Sie haben das gemacht!)

    Die Verschärfungen und die ganzen Umständlichkeiten in den Planungs- und Genehmigungsverfahren sind in allererster Linie auf diese Seite dieses Hauses zurückzuführen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ich möchte Ihnen einmal ein Beispiel nennen. Ich weiß, daß in Amerika vieles anders ist. Ich weiß auch, daß man sich in einem dicht besiedelten Land bei Genehmigungsverfahren schwerer tut als in einem dünn besiedelten Land. Aber wir müssen letztendlich konkurrieren. Als Beispiel nenne ich das neue BMW-



    Michael Glos
    Werk in Spartanburg im US-Bundesstaat South Carolina, wo jetzt — ich glaube, vor zwei Monaten — das erste Auto vom Band gerollt ist. Genau zwei Jahre hat es von der Idee des Baus des Werkes bis zur Tatsache, daß das erste fertige Auto verkauft werden kann, gedauert.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Bemerkenswert!)

    Das ist natürlich eine bemerkenswert kurze Zeit. Es ist aber auch etwas anderes bemerkenswert, und das war früher nicht so. Für die 570 Stellen, die dort geschaffen worden sind, haben sich sage und schreibe fast 60 000 Leute beworben.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das hätten Sie gern!)

    — Entschuldigung, was soll denn dieser Zwischenruf „Das hätten Sie gern"? Das zeigt doch, daß Sie nichts dazugelernt haben. Laufen Sie doch weiter mit der Melone herum wie in der Frühzeit,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    als Ihre Partei noch als Arbeiterpartei gegründet worden war. Sie haben anscheinend die alten Parolen verinnerlicht. Sie müssen doch die neue Wettbewerbssituation in der Welt sehen. Andere Länder sind heute angesichts moderner Technik, neuer Produkte usw. in einem ungeheuren Maß bereit, Herausforderungen anzunehmen. Andere Menschen möchten da arbeiten. Wir möchten, daß auch deutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Zukunft am Produktionsprozeß teilnehmen. Deswegen machen wir uns Sorgen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)