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    Plenarprotokoll 12/237 (zu diesem Plenarprotokoll folgt ein Nachtrag) Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 237. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 20775 A, 20e6 A, 20871 C Absetzung der Punkte 10f, 18 c, 19 e und 6 b von der Tagesordnung 20776 A, 20831 A Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde, für die Aktuellen Stunden sowie der Vereinbarung über die Befragung der Bundesregierung in der Sitzungswoche ab 5. September 1994 20871 B Begrüßung des Präsidenten des Unterhauses der Republik Indien, Herrn Shivraj Patil, und seiner Delegation 29787 A, 20788 B Zur Geschäftsordnung Petra Bläss PDS/Linke Liste 20776 B Tagesordnungspunkt 1: a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung: Deutsche Präsidentschaft in der Europäischen Union b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 24./25. Juni 1994 über den Beitritt des Königreichs Norwegen, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zur Europäischen Union (Drucksache 12/7977) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des EG-Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Anforderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft (Drucksachen 12/7276, 12/8123) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des EG-Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Hans Modrow, Andrea Lederer und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Anforderungen an die Präsidentschaft der Bundesrepublik Deutschland in der Europäischen Union (EU) vom 1. Juli bis 31. Dezember 1994 (Drucksachen 12/7687, 12/8124) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Stübgen, Dr. Renate Hellwig und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Ulrich Irmer, Dr. Helmut Haussmann und der Fraktion der F.D.P.: Zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft (Drucksache 12/8158) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des EG-Ausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zur Stärkung der gesetzgeberischen Befugnisse des Europäischen Parlaments (Drucksachen 12/7214, 12/8104) Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA 20777 C, 20799 C Hans-Ulrich Klose SPI) 20780 B, 20800 A Dr. Renate Hellwig CDU/CSU 20783 C Dr. Helmut Haussmann F.D.P. 20785 C Dr. I lans Modrow PDS/Linke Liste 20787 B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20788 C Freimut Duve SPD 20789 D Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 20790 A Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20790 C Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD 20792 B, 20798 A Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler 20792 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 20793 A Peter Radunski, Senator für Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Berlin 20794 C Michael Stübgen CDU/CSU 20795 D Ingrid Walz F.D.P 20797 B Hans-Eberhard Urbaniak SPD 20800 B Josef Grünbeck F.D.P 20800 C Rainer Funke, Parl. Staatssekretär BMJ 20801 A Claus-Peter Grotz CDU/CSU 20801 B Siegfried Scheffler SPD 20801 C Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 20802 B Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (zur GO) 20803 B Tagesordnungspunkt 2: Postreform a) Zeite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Drucksachen 12/6717, 12/7269, 12/8108) b) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation (Postneuordnungsgesetz) (Drucksachen 12/6718, 12/7270) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Postverfassungsgesetzes (Drucksachen 12/4329, 12/8060, 12/8129) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Post und Telekommunikation zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Dr. Ilja Seifert und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Reform der Deutschen Bundespost (Drucksachen 12/6635, 12/8060) Elmar Müller (Kirchheim) CDU/CSU . . 20804 C, 20822 D Hans Gottfried Bernrath SPD 20807 C Bernd Henn PDS/Linke Liste 20808 D Hans-Eberhard Urbaniak SPD 20809 B Rainer Funke F.D.P 20810 B Hans Gottfried Bernrath SPD 20811 C Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste 20812B, 20815 B Peter Paterna SPD 20814 A Dr. Peter Glotz SPD 20814 D Dr. Bernd Protzner CDU/CSU 20815 C Peter Paterna SPD 20817 A Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 20819A Jürgen Timm F.D.P 20821 A Arne Börnsen (Ritterhude) SPD 20822 D Wolfgang Schulhoff CDU/CSU 20824 D Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 20826 A Dr. Christian Schwarz-Schilling CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 20826 D Namentliche Abstimmung 20827 D Ergebnis 20828 B Tagesordnungspunkt 19 r: r) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 24./25. Juni 1994 über den Beitritt des Königreichs Norwegen, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zur Europäischen Union (Drucksachen 12/7977, 12/8188) Namentliche Abstimmung 20830 D Ergebnis 20835 B Tagesordnungspunkt 18: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Protokollen vom 19. Dezember 1988 betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften sowie zur Übertragung bestimmter Zuständigkeiten für die Auslegung dieses Übereinkommens auf den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (Drucksache 12/7979) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 6. November 1992 über den Beitritt der Griechischen Republik zu dem Schengener Übereinkommen vom 19. Juni 1990 (Gesetz zum Beitritt der Griechischen Republik zum Schengener Übereinkommen) (Drucksache 12/8048) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 III d) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Verbot von Landminen und die Unterstützung der Länder der „Dritten Welt" bei der Lösung ihrer Probleme durch Minen und andere gefährliche Munition (Drucksache 12/8031) 20831 B Zusatztagesordnungspunkt 6 a: Weitere Überweisung im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten (Drucksache 12/8006) 20831 C Tagesordnungspunkt 19: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bewertung eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes beim Zugewinnausgleich (Drucksachen 12/7134, 12/8140) b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zeitgesetzes (Drucksachen 12/7631, 12/8131) c) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Flurbereinigungsgesetzes (Drucksachen 12/7909, 12/8138) d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsunfallstatistikgesetzes (Drucksachen 12/7522, 12/8116) f) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Renate Blank, Georg Brunnhuber, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU sowie den Abgeordneten Ekkehard Gries, Manfred Richter (Bremerhaven), weiteren Abgeordneten und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Übernahme der Beamten und Arbeitnehmer der Bundesanstalt für Flugsicherung (Drucksachen 12/8038, 12/8115, 12/8203) g) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundeskanzler-Willy-BrandtStiftung (Drucksachen 12/7880, 12/8134, 12/8135) h) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aussetzung der Vorschriften über die repräsentative Wahlstatistik für die Wahl zum 13. Deutschen Bundestag (Drucksachen 12/8152, 12/8193) i) Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst Sielaff, Lothar Ibrügger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Verlängerung des Moratoriums für die Zulassung von Rinder-Somatotropin (rBST) (Drucksache 12/7972) j) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der Bundesregierung: Aufhebbare Dreiunddreißigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung (Drucksachen 12/7492, 12/8121) k) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Fremdenverkehr und Tourismus zu dem Antrag der Abgeordneten Carl Ewen, Robert Antretter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Förderung des Fahrradtourismus (Drucksachen 12/3035, 12/7363) 1) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Carl Ewen, Robert Antretter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Binnenschiffahrt (Drucksachen 12/6221, 12/6611) m) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Monika Ganseforth, Hermann Bachmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Kündigung des deutsch-brasilianischen Abkommens über Zusammenarbeit auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie (Drucksachen 12/6881, 12/8067) n) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. R. Werner Schuster, Dr. Uwe Holtz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Stärkung der kommunalen NordSüd-Arbeit — Förderung der Lokalen Agenda 21 — Umsetzung der Charta von Berlin (Drucksachen 12/6263, 12/8064) IV Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 o) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Winfried Pinger, Anneliese Augustin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Ulrich Irmer, Ingrid Walz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Aufbau und Stärkung kommunaler Selbstverwaltungsstrukturen in Entwicklungsländern zur Förderung von regionaler und lokaler Selbsthilfe (Drucksachen 12/6727, 12/8021) p) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 149 zu Petitionen (Verwendung von neuen Zusatzstoffen auf dem deutschen Lebensmittelmarkt infolge von Regelungen der Europäischen Union) (Drucksache 12/7336) q) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 159 zu Petitionen (Drucksache 12/8091) 20831 D Tagesordnungspunkt 8: a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Maria Michalk, Michael Wonneberger, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU sowie den Abgeordneten Dr. Gisela Babel, Dieter-Julius Cronenberg (Arnsberg), und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verordnung über die Gewährung von Vorruhestandsgeld (Drucksachen 12/8039, 12/8170, 12/8202) b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Petra Bläss, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Verlängerung der Bezugsdauer für Altersübergangsgeld (Drucksache 12/8037) 20833 C Zusatztagesordnungspunkt 7: Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 7. September 1993 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung Seiner Majestät des Sultans und Yang Di-Pertuan von Brunei Darussalam über den Luftverkehr (Drucksachen 12/7496, 12/8112) b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 23. April 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über den Autobahnzusammenschluß im Raum Frankfurt/Oder und Schwetig (Drucksachen 12/7495, 12/8113, 12/8141) c) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 5. April 1993 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Lettland über die Seeschiffahrt (Drucksachen 12/7769, 12/8114) d) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 16. Dezember 1992 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Russischen Föderation über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen (Drucksachen 12/7506, 12/8092) e) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 16. Oktober 1980 über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge (Drucksachen 12/6852, 12/8094) f) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Ingrid Köppe, Dr. Wolfgang Ullmann und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Bannmeilengesetzes (Drucksachen 12/4530, 12/7857) g) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Außerplanmäßige Ausgabe im Haushaltsjahr 1994 bei Kapitel 60 02 Titel apl. 652 01 — Soforthilfe des Bundes für die von Hochwasserschäden betroffenen Länder Sachsen-Anhalt und Thüringen (Drucksachen 12/7533, 12/8103) h) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Edith Niehuis, Dr. Sissy Geiger (Darmstadt), weiterer Abgeordneter und der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.: Frauenförderung innerhalb der Europäischen Strukturförderung zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Edith Niehuis, Hanna Wolf, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Frauenförderung innerhalb der Europäischen Strukturförderung (Drucksachen 12/7504, 12/4164, 12/8142) 20833 D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 V Tagesordnungspunkt 3: Wirtschaftsdebatte a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 15. April 1994 zur Errichtung der Welthandelsorganisation (Drucksachen 12/7655 [neu], 12/8122, 12/8125) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 15. April 1994 zur Errichtung der Welthandelsorganisation hier: Information über die multilateralen Übereinkommen der GATT-Uruguay-Runde, die nicht unter die nationale Gesetzgebungszuständigkeiten fallen (Drucksachen 12/7986, 12/8122) c) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Fortschrittsbericht zum Bericht der Bundesregierung zur Zukunftssicherung des Standorts Deutschland (Drucksache 12/8090) d) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen gemäß § 12 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StWG) vom 8. Juni 1967 für die Jahre 1991 bis 1994 (14. Subventionsbericht) (Drucksache 12/5580) e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Uwe Jens, Gerd Andres, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Für eine neue Wirtschaftspolitik (Drucksache 12/7029) f) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Uwe Jens, Gerd Andres, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Beurteilung der wirtschaftlichen Krise nach konjunkturellen bzw. strukturellen Ursachen und ihre Auswirkung auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft (Drucksachen 12/6760, 12/7476) g) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Karl Lamers, Peter Harry Carstensen (Nordstrand), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Ulrich Irmer, Manfred Richter (Bremerhaven), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Stärkung der Zusammenarbeit mit Asien zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Asien-Konzept der Bundesregierung zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Ursula Fischer und der Gruppe der PDS/Linke Liste zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Asien-Konzept der Bundesregierung (Drucksachen 12/5959, 12/6151, 12/6279, 12/7775) h) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Uwe Jens, Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Arbeitsplätze in der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie sichern, ihren Strukturwandel aktiv begleiten und unterstützen zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU und F.D.P.: Die Strukturkrise der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie überwinden, den Textilstandort Deutschland erhalten (Drucksachen 12/4919, 12/7242, 12/8025) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Ernst Hinsken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (Drucksache 12/8153) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des von dem Abgeordneten Werner Schulz (Berlin) und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der Erfolgskontrolle bei der Vergabe von Subventionen (Drucksache 12/8150) Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 20840 D Siegmar Mosdorf SPD 20843 A VI Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 Dr. Walter Hitschler F.D.P. 20843 B Oskar Lafontaine, Ministerpräsident des Saarlandes 20844 B Ernst Hinsken CDU/CSU 20844 C Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 20848 D Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. 20851 B Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste 20854 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20856 B Peter W. Reuschenbach SPD 20858 B Rainer Haungs CDU/CSU 20860 D Peter W. Reuschenbach SPD 20861 D Joachim Hörster CDU/CSU 20862 B Dr. Uwe Jens SPD 20865 A Friedhelm Ost CDU/CSU 20867 B Ortwin Lowack fraktionslos 20869 B Wolfgang Lüder F.D.P. 20870 A Tagesordnungspunkt 4: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Marliese Dobberthien, Angelika Barbe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Prüfung des Präparates RU 486 in der Bundesrepublik Deutschland zum medikamentösen Schwangerschaftsabbruch (Drucksachen 12/1835, 12/8024) Dr. Marliese Dobberthien SPD 20872 B Editha Limbach CDU/CSU 20873 C Dr. Bruno Menzel F D P 20874 C Petra Bläss PDS/Linke Liste 20875 B Regina Schmidt-Zadel SPD 20875 D Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretärin BMG 20876 D Tagesordnungspunkt 5: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (Drucksachen 12/7878, 12/8132) Erwin Marschewski CDU/CSU 20877 B Dorle Marx SPD 20878 A Ortwin Lowack fraktionslos 20879 B Dorle Marx SPD 20879 C Tagesordnungspunkt 6: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung der Bundeshaushaltsordnung (Drucksachen 12/5835, 12/7402) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1991 — Vorlage der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes (Jahresrechnung 1991) zu der Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1993 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung (einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung des Bundes 1991) (Drucksachen 12/4764, 12/6101, 12/5650, 12/7951) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Keller und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Rückkehr zu einer verfassungskonformen Haushaltspolitik (Drucksachen 12/6474, 12/7057) Uta Titze-Stecher SPD 20880 C Wilfried Bohlsen CDU/CSU 20883 A Carl-Ludwig Thiele F.D.P 20884 C Karl Deres CDU/CSU 20886 A Jürgen Echternach, Pari. Staatssekretär BMF 20887 C Tagesordnungspunkt 7: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Roswitha Wisniewski, Alfons Müller (Wesseling), weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU sowie den Abgeordneten Dr. Gisela Babel, Dieter-Julius Cronenberg (Arnsberg) und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (Drucksachen 12/8040, 12/8145, 12/8201) Dr. Alexander Warrikoff CDU/CSU 20889 B Günther Heyenn SPD 20890 D Dr. Gisela Babel F.D.P. 20891 C Petra Bläss PDS/Linke Liste 20892 B Tagesordnungspunkt 9: Unterrichtung durch die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK): Bericht über die Kontrolltätigkeit gemäß § 6 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Berichtszeitraum: 1. Juli 1993 bis 20. Juni 1994) (Drucksache 12/8102) 20893 A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 VII Tagesordnungspunkt 10: a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Roswitha Wisniewski, Werner H. Skowron, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Wolfgang Lüder, Gerhart Rudolf Baum und der Fraktion der F.D.P.: Abschließende Regelungen zur Wiedergutmachung von NS-Unrecht (Drucksachen 12/6748 [neu], 12/7989) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Roswitha Wisniewski, Wolfgang Zeitlmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie den Abgeordneten Wolfgang Lüder, Manfred Richter (Bremerhaven) und der Fraktion der F.D.P.: Entschädigung für Opfer nationalsozialistischen Unrechts in den baltischen Staaten zu dem Antrag der Abgeordneten Gert Weisskirchen (Wiesloch), Angelika Barbe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Entschädigung nationalsozialistischen Unrechts in den Baltischen Staaten (Drucksachen 12/7467, 12/5638, 12/7988) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll und der Gruppe der PDS/ Linke Liste: Einrichtung einer Stiftung zum Schutz und zur Bewahrung der Stätten des antifaschistischen Widerstandes (Drucksachen 12/1117, 12/7830) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Roswitha Wisniewski, Erwin Marschewski, Wolfgang Zeitlmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Wolfgang Lüder, Dr. Jürgen Schmieder, Ina Albowitz und der Fraktion der F.D.P.: Gedenkstätten des geeinten Deutschlands zu dem Antrag der Abgeordneten Siegfried Vergin, Freimut Duve, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Leitlinien zu den Gedenkstätten in der Bundesrepublik Deutschland zu dem Antrag der Abgeordneten Freimut Duve, Angelika Barbe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Gedenkstätten ehemaliger NS-Konzentrations- und Vernichtungslager in Osteuropa zu dem Antrag der Abgeordneten Freimut Duve, Dr. Willfried Penner, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD: Mahn- und Gedenkstätten in der Bundesrepublik (Drucksachen 12/6111, 12/3179, 12/3178, 12/1189, 12/7884) e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Freimut Duve, Peter Conradi, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Zentrale Gedenkstätte des Bundes (Drucksachen 12/4536, 12/6931) 20893 B Zusatztagesordnungspunkt 8: Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Else Ackermann, Dr. Walter, Franz Altherr, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU sowie den Abgeordneten Detlef Kleinert (Hannover), Jörg van Essen und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Personenstandsgesetzes (Drucksache 12/8187) b) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.: Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewaltdarstellungen in Medien (Drucksache 12/8164) c) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.: Kunst am Bau (Drucksache 12/8184) 20894 D Zusatztagesordnungspunkt 9: Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes, des Soldatenversorgungsgesetzes sowie sonstiger versorgungsrechtlicher Vorschriften (BeamtVGÄndG 1993) (Drucksachen 12/5919, 12/7547, 12/7548) b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1994 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1994 — BBVAnpG 94) (Drucksachen 12/7706, 12/8194, 12/8195) c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Egon Susset, Meinolf Michels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Günther Bredehorn, Ulrich Heinrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion VIII Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 der F.D.P. (Unbefristetes Anwendungsverbot von Rinder-Somatotropin [rBST]) (Drucksache 12/8161) d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Anneliese Augustin, Dr. Winfried Pinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Verena Wohlleben, Dr. Ingomar Hauchler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Ingrid Walz, Ulrich irmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Weltbevölkerungskonferenz ICPD vom 5.-13. September 1994 in Kairo (Drucksache 12/8162) e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Klaus-Dieter Feige, Werner Schulz (Berlin) und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Akuter Handlungsbedarf in Deutschland vor der ersten Klima-Vertragsstaatenkonferenz in Berlin 1995 (Drucksache 12/8149) f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag des Abgeordneten Konrad Weiß (Berlin) und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kinderarbeit erfolgreich bekämpfen (Drucksachen 12/7067, 12/8163) g) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Sielaff, Marianne Klappert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD zur Regelung von Altpachten landwirtschaftlicher Flächen im Zusammenhang mit der Garantiemenge-Milch (Milchquotenregelung) (Drucksachen 12/7412, 12/8083) h) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für einen Beschluß des Rates über die Wahrnehmung der auswärtigen Zuständigkeit der Gemeinschaft im Rahmen der internationalen Arbeitskonferenzen bei gemeinsamer Zuständigkeit der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten (Drucksachen 12/7064 Nr. 2.7, 12/8002) i) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung der bundeseigenen Liegenschaft Hohbergweg 2 in Lahr/Schwarzwald (Drucksachen 12/7882, 12/8198) j) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 160 zu Petitionen (Drucksache 12/8189) k) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 161 zu Petitionen (Drucksache 12/8190) l) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 162 zu Petitionen (Drucksache 12/8191) m) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 163 zu Petitionen (Drucksache 12/8192) 20895 A Tagesordnungspunkt 11: Beratung des Berichts des Rechtsausschusses (6. Ausschuß) gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu dem von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sexualstrafrechts — §§ 177 bis 179, 184c StGB (Drucksachen 12/1818, 12/8130) Dr. Hans de With SPD 20897 B Jörg van Essen F.D.P. 20897 C Horst Eylmann CDU/CSU 20898 D Dr. Hans de With SPD 20900 B, 20901 C Jörg van Essen F.D.P. 20901 B Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste 20902 A Ursula Männle CDU/CSU 20903 A Annie Brandt-Elsweier SPD 20903 D Tagesordnungspunkt 12: Beratung des Antrags der Abgeordneten Katrin Fuchs (Verl), Gernot Erler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Politische Stärkung und institutioneller Ausbau der KSZE (Druck sache 12/7959) 20904 C Tagesordnungspunkt 13: a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Petra Bläss und der Gruppe PDS/Linke Liste: Änderung des § 116 des Arbeitsförderungsgesetzes (Drucksachen 12/6674, 12/7997) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Petra Bläss, Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes (Drucksachen 12/6448, 12/7998) Petra Bläss PDS/Linke Liste 20905 A Hans Büttner (Ingolstadt) SPD 20906 C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 IX Karl-Josef Laumann CDU/CSU 20908 A Dr. Eva Pohl F.D.P. 20909 B Tagesordnungspunkt 14: a) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Vera Wollenberger und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit, Neonazismus und Gewalt (Drucksachen 12/4570, 12/7008) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Stiftung für die Opfer ausländerfeindlicher Übergriffe (Drucksachen 12/2084, 12/6295) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Siegfried Vergin, Evelin Fischer (Gräfenhainichen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Rechtsextremismus und Gewalt in der Bundesrepublik Deutschland: Fakten, Ursachen und Gegenmaßnahmen (Drucksachen 12/5602, 12/7955) Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20910 C Tagesordnungspunkt 15: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 (Vertragsgesetz Seerechtsübereinkommen) (Drucksachen 12/7829, 12/8185, 12/8186) 20911 C Tagesordnungspunkt 16: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Werbung für Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung (Säuglingsnahrungswerbegesetz) (Drucksachen 12/7620, 12/8146) 20911 D Nächste Sitzung 20912 C Berichtigung 20912 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 20913* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20775 237. Sitzung Bonn, den 29. Juni 1994 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 235. Sitzung, Seite 20629 D, 5. Zeile von unten: statt „ ... 95 % von Ihnen ... " ist „ ... 25 % von ihnen ... " zu lesen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 29. 6. 94 Dr. Blank, CDU/CSU 29. 6. 94 Joseph-Theodor Blunck (Uetersen), SPD 29. 6. 94 Lieselott Böhm (Melsungen), CDU/CSU 29. 6. 94 Wilfried Brudlewsky, Monika CDU/CSU 29. 6. 94 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 29. 6. 94 Clemens, Joachim CDU/CSU 29. 6. 94 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 29. 6. 94 Herta Dr. Enkelmann, Dagmar PDS/Linke 29. 6. 94 Liste Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 29. 6. 94 Fuchs (Verl), Katrin SPD 29. 6. 94 Geiger, Michaela CDU/CSU 29. 6. 94 Genscher, Hans-Dietrich F.D.P. 29. 6. 94 Götz, Peter CDU/CSU 29. 6. 94 Habermann, SPD 29.6.94 Frank-Michael Jung (Düsseldorf), Volker SPD 29. 6. 94 Kastning, Ernst SPD 29. 6. 94 Kittelmann, Peter CDU/CSU 29. 6. 94 Koschnick, Hans SPD 29. 6. 94 Dr. Krause (Bonese), fraktionslos 29. 6. 94 Rudolf Karl Lehne, Klaus-Heiner CDU/CSU 29. 6. 94 Louven, Julius CDU/CSU 29. 6. 94 Dr. Matterne, Dietmar SPD 29. 6. 94 Dr. Meyer zu Bentrup, CDU/CSU 29. 6. 94 Reinhard Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Mildner, Klaus CDU/CSU 29. 6. 94 Gerhard Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 29. 6. 94 Müller, Günther CDU/CSU 29. 6. 94 Müller (Wadern), CDU/CSU 29. 6. 94 Hans-Werner Ostertag, Adolf SPD 29. 6. 94 Pfeiffer, Angelika CDU/CSU 29. 6. 94 Pfuhl, Albert SPD 29. 6. 94 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 29. 6. 94 Purps, Rudolf SPD 29. 6. 94 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 29. 6. 94 Reimann, Manfred SPD 29. 6. 94 Dr. Röhl, Klaus F.D.P. 29. 6. 94 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 29. 6. 94 Ingrid Dr. Scheer, Hermann SPD 29. 6. 94 von Schmude, Michael CDU/CSU 29. 6. 94 Schröter, Karl-Heinz SPD 29. 6. 94 Simm, Erika SPD 29. 6. 94 Dr. Soell, Hartmut SPD 29. 6. 94 Spilker, Karl-Heinz CDU/CSU 29. 6. 94 Steiner, Heinz-Alfred SPD 29. 6. 94 Dr. von Teichman, F.D.P. 29. 6. 94 Cornelia Thierse, Wolfgang SPD 29. 6. 94 Weisheit, Matthias SPD 29. 6. 94 Welt, Jochen SPD 29. 6. 94 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 29. 6. 94 Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 29. 6. 94 Wolfgramm (Göttingen), F.D.P. 29. 6. 94 Torsten Zierer, Benno CDU/CSU 29. 6. 94 Zurheide, Burkhard F.D.P. 29. 6. 94 Nachtrag zum Plenarprotokoll 12/237 Deutscher Bundestag Nachtrag zum Stenographischen Bericht 237. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 Inhalt: Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über die Gesetzentwürfe a) Änderung des Grundgesetzes, b) Postneuordnungsgesetz, Änderung des Postverfassungsgesetzes Beschlußempfehlung zu dem Antrag: Reform der Deutschen Bundespost (Tagesordnungspunkt 2) Elke Ferner SPD 20915* A Walter Kolbow SPD 20915* A Renate Schmidt (Nürnberg) SPD 20915* C Margitta Terborg SPD 20915* D Hanna Wolf SPD 20916* B Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Rudolf Schöfberger, Hans Büttner (Ingolstadt), Ulrike Mascher, Heide Mattischeck, Horst Kubatschka, Sigrid SkarpelisSperk, Horst Peter (Kassel), Hanna Wolf, Uta Titze-Stecher, Matthias Weisheit, Bernd Reuter (alle SPD) zur Abstimmung über die Gesetzentwürfe a) Änderung des Grundgesetzes, b) Postneuordnungsgesetz, Änderung des Postverfassungsgesetzes Beschlußempfehlung zu dem Antrag: Reform der Deutschen Bundespost (Tagesordnungspunkt 2) 20916' D Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) zur Abstimmung über den Gesetzentwurf zu dem Vertrag vom 24./25. Juni 1994 über den Beitritt weiterer Staaten zur Europäischen Union (Tagesordnungspunkt 19r) 20917* D Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Friedhelm Julius Beucher, Monika Ganseforth, Detlev von Larcher, Michael Müller (Düsseldorf), Horst Peter (Kassel), Dr. Hermann Scheer (alle SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 15. April 1994 zur Errichtung der Welthandelsorganisation (Tagesordnungspunkt 3 b) 20918* A Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Angelika Barbe (SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (Tagesordnungspunkt 5) 20918* C Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 5 (Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes) Dr. Jürgen Schmieder F.D.P. 20919* A Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20919* D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste 20920* C II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 6 c (Rückkehr zu einer verfassungskonformen Haushaltspolitik) Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste 20921* B Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 9 (Bericht über die Kontrolltätigkeit gemäß § 6 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes — Berichtszeitraum: 1. Juli 1993 bis 20. Juni 1994) Dr. Rolf Olderog CDU/CSU 20922* A Dr. Willfried Penner SPD 20923* B Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 20924* C Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 20924* D Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 10 (Beschlußempfehlungen zu den Anträgen: a — Abschließende Regelungen zur Wiedergutmachung von NS-Unrecht, b — Entschädigung für Opfer nationalsozialistischen Unrechts in den baltischen Staaten, c Einrichtung einer Stiftung zum Schutz und zur Bewahrung der Stätten des antifaschistischen Widerstandes, d — Gedenkstätten in der Bundesrepublik Deutschland, e — Zentrale Gedenkstätte des Bundes) Dr. Roswitha Wisniewski CDU/CSU 20925* B Gert Weiskirchen (Wiesloch) SPD 20927* A Wolfgang Lüder F.D.P. 20927* B Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20928* B Petra Bläss PDS/Linke Liste 20929* A Siegfried Vergin SPD 20929* D Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 12 (Antrag: Politische Stärkung und institutioneller Ausbau der KSZE) Edelgard Bulmahn SPD 20931 A Dr. Helmut Haussmann F.D.P. 20932* C Dr. Hans Modrow PDS/Linke Liste 20933* C Christian Ruck F.D.P. 20934* A Helmut Schäfer, Staatsminister AA 20934* D Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 14 (a Große Anfrage: Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit, Neonazismus und Gewalt, b — Antrag: Stiftung für die Opfer ausländerfeindlicher Übergriffe, c Antrag: Rechtsextremismus und Gewalt in der Bundesrepublik Deutschland) Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20935* C Erika Steinbach CDU/CSU 20936* B Siegfried Vergin SPD 20936* D Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 20938* C Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 20938* D Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 15 (Gesetzentwurf: Vertraggesetz Seerechtsübereinkommen) Klaus Harries CDU/CSU 20939* C Dietmar Schütz SPD 20940* A Helmut Schäfer, Staatsminister AA 20941* A Rainer Funke, Parl. Staatssekretär BMJ 20941* C Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 16 (Gesetzentwurf: Säuglingsnahrungswerbegesetz) Editha Limbach CDU/CSU 20942* B Antje-Marie Steen SPD 20943* A Dr. Dieter Thomae F.D.P. 20944* A Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste 20944* C Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretärin BMG 20945* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20915* Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über die Gesetzentwürfe a) zur Änderung des Grundgesetzes b) Postneuordnungsgesetz, Änderung des Postverfassungsgesetzes Beschlußempfehlung zu dem Antrag: Reform der Deutschen Bundespost (Tagesordnungspunkt 2) Elke Ferner (SPD): Wegen eines Trauerfalles im engeren Freundeskreis kann ich an dieser Abstimmung nicht teilnehmen. Ich habe in meiner Fraktion bereits gegen die gemeinsame Einbringung der Postreform II gestimmt. Nach Abschluß der Verhandlungen und nach Würdigung der erreichten Ergebnisse sehe ich mich im Ergebnis nicht in der Lage, der Postreform zuzustimmen. Im übrigen schließe ich mich der Erklärung meines Kollegen Albrecht Müller an. Walter Kolbow (SPD): Den Gesetzen zur Neuordnung von Post und Telekommunikation und der damit verbundenen Änderung des Grundgesetzes können wir derzeit nicht zustimmen. Bei aller Würdigung der geführten Verhandlungen, insbesondere des sozialdemokratischen Verhandlungsführers Gottfried Bernrath werden die Gesetze verabschiedet, ohne daß ein Sozialtarif- und Mitbestimmungstarifvertrag zwischen den Tarifpartnern Deutsche Postgewerkschaft und Postunternehmen vereinbart worden ist. Dies ist für uns nicht hinnehmbar. Eine persönliche Bewertung des vorliegenden Gesetzes ergibt für uns im weiteren: 1. Es ist bis zum heutigen Tag nicht gelungen, die Versorgungsansprüche der Arbeiter und Angestellten durch eine Bundesgarantie für den Insolvenzfall eines Unternehmens abzusichern. 2. Es ist nicht gelungen, eine Kapitalmehrheit des Bundes bei den Unternehmen Telekom und Postdienst dauerhaft festzuschreiben. Es gibt auch keine verfassungsrechtliche Klarstellung, daß die Unternehmen Telekom und Postdienst auf Dauer Träger des Infrastrukturauftrages sind. 3. Die Manteltarifvertragskompetenz der Unternehmensholding wird nicht gestärkt. 4. Der Verbund Postdienst/Postbank wird nicht gestärkt. Die Rahmenvereinbarung Postdienst/Postbank ist so gefaßt, daß eine dauerhafte enge Zusammenarbeit als Garant für die Erhaltung des flächendeckenden und damit bürgernahen Filialnetzes des Postdienstes nicht erreicht wird. Es wurde im Gegenteil die Beteiligung des Postdienstes an der Postbank im Gesetz auf null reduziert. Anlagen zum Stenographischen Bericht Grundsätzlich bedauern wir, daß der Postdienst auch wegen des Widerstandes des gegenwärtigen Postministers keine öffentliche Aufgabe mehr ist und damit der postalische Universaldienst nicht mehr in staatlicher Hand bleibt. Wir vertreten die Auffassung: Eine Postreform muß kommen, aber nicht diese. Denn sowohl in ordnungspolitischen Grundfragen als auch in den entscheidenden Weichenstellungen zur Kompetenz der öffentlichrechtlichen Holding Deutsche Bundespost sind noch keine befriedigenden Ergebnisse erzielt worden. Renate Schmidt (Nürnberg) (SPD): Ich bin der Auffassung, daß die Reformierung und Privatisierung der Postdienste dringend notwendig ist. Jedoch ist es in einer durch Streiks gekennzeichneten Atmosphäre kurz vor den Neuwahlen zum Deutschen Bundestag nicht möglich, vernünftige Kompromisse zu finden. Die Entscheidung über die Postreform II könnte ebenso vom neu gewählten Parlament in Übereinstimmung mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern getroffen werden. Die Gründung der Privatunternehmen könnte auch auf diese Weise noch rechtzeitig erfolgen. Der noch nicht erfolgte Abschluß des Sozialtarifvertrages sowie die noch nicht abgeschlossene Nichtbenachteiligungsklausel sind weitere Argumente dafür, zum jetzigen Zeitpunkt nicht über die Grundgesetzänderung abzustimmen. Aus diesen Gründen werde ich mich an der heutigen Abstimmung zur Postreform II nicht beteiligen. Margitta Terborg (SPD): Eine Änderung des Grundgesetzes und die Postreform II lehne ich ab. Der Geschäftsordnung folgend begründe ich dieses Stimmverhalten nachstehend wie folgt: Gewitzt durch üble Praktiken in der Vergangenheit, die diese Koalition zu verantworten hat, weiß ich nämlich nicht, wie lange die heute gegebenen Zusagen gelten, und ob ich mit meiner Zustimmung zur Verfassungsänderung nicht doch den Weg zu Veränderungen öffne, die weit über die heute getroffenen Verabredungen gehen. Das liegt daran, daß Sie sich, meine Damen und Herren von der Koalition, als Verhandlungspartner diskreditiert haben. Sie sind nicht fair und Kompromisse gelten für Sie nur so lange, bis Sie die Zeit für gekommen halten, gegebene Zusicherungen zu brechen. Deshalb werde ich einer Änderung des Grundgesetzes nicht zustimmen. Ich nenne weitere sechs Gründe für mein Stimmverhalten. 1. Wenn Sie heute zusichern, daß die Verkaufserlöse „vorrangig" der Post zufließen sollen, dann ist mir das zu wenig. Der Finanzminister hätte es in der Hand, letztlich zu bestimmen, was Vorrangigkeit für ihn 20916* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 bedeutet. Ihm würde eine Blankovollmacht ausgestellt. Das will ich nicht. 2. Volks- und betriebswirtschaftlich wäre es sinnvoll, daß „gelbe Post" und Postbank zusammenarbeiten und besonders in der Fläche gemeinsame Schalterdienste betreiben. Man spricht von einer Art „Schaltergesellschaft". Wie lange hält diese Konstruktion, so frage ich mich und was geschieht, wenn zwei eigenständige und in Privathand befindliche Unternehmen sich von dieser Fessel lösen? Da das empfindliche Rückwirkung für die Versorgung auf dem flachen Lande hätte, befriedigt mich die Lösung nicht, ich lehne sie ab. 3. Wir haben gerade das dramatische Ringen um den Abschluß längerfristiger Tarifverträge miterlebt, die alle unter dem Blickpunkt geschlossen wurden, sozusagen im Vorfeld die Zustimmung zur Verfassungsänderung zu erleichtern. Das stimmt mich sehr nachdenklich. Auch Tariverträge kann man ändern. Die neuen Eigner wären töricht, wenn sie sich langfristig und praktisch fremdbestimmt vertraglich fesseln ließen. 4. Mit dieser Postreform werden die Postunternehmen mit den Altlasten befrachtet, die aus aufgelaufenen Versorgungsansprüchen resultieren. Wir reden hier von einem Brocken von 35 Milliarden Mark. Werden sie den Postunternehmen aufgehalst, gehen sie mit einem gewaltigen Handikap in den Wettbewerb. Dafür gebe ich meinen Arm nicht her. 5. Daß die Versorgungsansprüche der Beamten gesichert sind, ist so selbstverständlich, daß ich darin keinen Vorteil sehe. Gleiches gilt für die Zusatzversorgungsansprüche der Arbeiter und Angestellten bei den drei Unternehmen. Hier wird nur dem Rechtsgrundsatz entsprochen, daß man eingegangene Vertragspflichten einzuhalten hat. Wird allerdings bei allen Neuzugängen eine andere Form der Alterssicherung gewählt und davon ist auszugehen —, entsteht für diese Arbeitnehmer die Situation, daß sie nicht nur schlecht bezahlt wären, sondern künftig auch eine ungenügende Alterssicherung hätten. Das muß ich bei meiner Entscheidung beachten. Ein Grund mehr, nicht zuzustimmen. Und nun mein 6. Einwand: Sie wollen die Voraussetzungen dafür schaffen, das Tafelsilber der Nation verscherbeln zu können. Sie wollen es in hektischer Eile tun, der Stempel der Unwahrhaftigkeit steht diesem Unterfangen auf der Stirn. Ich halte es für keinen Nachteil, wenn erst in der nächsten Legislaturperiode entschieden würde. Mit Partnern, auf deren Seriosität Verlaß ist. Aus all den genannten Gründen stimme ich gegen eine Änderung des Grundgesetzes und gegen die Postreform II. Hanna Wolf (SPD): Ich kann der Privatisierung der Post vor allem nicht zustimmen, weil die Dienste der Post dann aus der Verpflichtung gegenüber dem Gemeinwohl herausgenommen werden und nur noch den Bestimmungen des Aktiengesetzes und nicht mehr den Weisungen des Ministeriums unterliegen. Die negativen Konsequenzen für die Wohnbevölkerung sind jetzt schon sichtbar: — Sogenannte „nicht rentable" Postämter wurden und werden geschlossen. Dies führt für die Bürgerinnen und Bürger zu längeren Wegen und zur Erhöhung von unerwünschtem Verkehrsaufkommen. — Ortsgespräche sollen im Gegensatz zu Ferngesprächen erheblich teurer werden. Dies schränkt unwillkürlich die Kommunikationsmöglichkeiten von ohnehin weniger mobilen Teilen der Bevölkerung erheblich ein. Gegen beide Maßnahmen ist von vielen Seiten protestiert worden, namentlich von vielen Seniorenverbänden und Seniorenbeiräten. Sie hatten bisher jedoch keinen Erfolg. Die rücksichtslose Anwendung der Gesetze des Marktes bevorzugt nur eine kleine Zahl von Großkunden. Dies geht langfristig auf Kosten der gesamten Infrastruktur und birgt nicht nur wirtschaftliche, sondern auch damit einhergehende soziale Gefahren. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Rudolf Schöfberger, Hans Büttner (Ingolstadt), Ulrike Mascher, Heide Mattischeck, Horst Kubatschka, Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk, Horst Peter (Kassel), Hanna Wolf, Uta Titze-Stecher, Matthias Weisheit, Bernd Reuter (alle SPD) zur Abstimmung über die Gesetzentwürfe a) zur Änderung des Grundgesetzes b) Postneuordnungsgesetz, Änderung des Postverfassungsgesetzes Beschlußempfehlung zu dem Antrag: Reform der Deutschen Bundespost (Tagesordnungspunkt 2) Post und Telekommunikation dienen einem menschlichen und gesellschaftlichen Grundbedürfnis und damit der elementaren Daseinsvorsorge. Post- und Kommunikationspolitik ist daher Gesellschaftspolitik, nicht nur Wirtschaftspolitik. Wir sind wie die Mehrheit des Bundestages für ein leistungsstarkes, bürgernahes, kostengünstiges und auch international wettbewerbsfähiges Post- und Telekommunikationswesen. Die flächendeckende Infrastruktur ist Voraussetzung einer am Gemeinwohl orientierten Daseinsvorsorge. Nicht zuletzt legen wir ganz besonderen Wert auf menschenwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen für 670 000 Beschäftigte, die uns allemal wichtiger sind als der Profit. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20917* Wir können der sogenannten „Postreform II" aus folgenden Gründen nicht zustimmen: 1. Die „Postreform II" mag zwar geeignet sein, die künftige Wettbewerbsfähigkeit der Telekom auf dem europäischen Markt zu stärken. Der dafür zu zahlende Preis, die Zerschlagung und Totalprivatisierung des größten Unternehmens in Europa, ist uns viel zu hoch. Die Wettbewerbsfähigkeit ließe sich auch anderweitig sichern, z. B. durch weiteren Abbau beamtenrechtlicher, hierarchischer und bürokratischer Strukturen, durch Einführung eines zukunftsorientierten, innovationsfreudigen Managements oder durch eine Sonderlösung für Telekom. 2. Die „Postreform II" bricht mit einer in Deutschland seit Jahrhunderten bestehenden und bis heute wohlbegründeten Verfassungstradition, wonach die Post öffentlich-rechtlich organisiert ist und damit im Dienste des Gemeinwohls und nicht des privaten Profits steht. 3. Die „Postreform II" fördert gewollt oder ungewollt die Verwirklichung der neoliberalen Ideologie, wonach sich der Staat gefälligst auf die kostspielige und nichtprofitable Sicherung bestehender Eigentums- und Machtverhältnisse durch Bundeswehr, Polizei und Justiz, auf die kostenträchtige Bereitstellung von Infrastrukturen (z. B. Straßenbau), auf die Ausbildung von Menschen für den Verwertungsprozeß und allenfalls auf die (noch) nicht profitablen Zweige der Daseinsvorsorge zu beschränken habe, und alles, was gewinnträchtig ist oder werden könnte, nach dem Motto „social costs and private benefit" dem ungehinderten Profitstreben Privater überlassen bleibt. 4. Die „Postreform II" zerschlägt ein ehemals leistungsstarkes einheitliches oder jetzt zumindest noch verbundenes Post- und Fernmeldewesen in drei selbständige Teile. Damit zerschlägt sie den bisherigen Finanzverbund, der sowohl bürgerfreundliche Tarife im Postdienst aber auch regelmäßige Milliardenabführungen an den Bundeshaushalt gewährleistet hat, deren künftiger Ausfall unverantwortlich ist. 5. Die drei Teile der ehemaligen Deutschen Bundespost werden in Aktiengesellschaften umgewandelt und völlig privatisiert, statt sie zumindest als öffentlich-rechtliche Körperschaften zu organisieren. Nach einer dürftigen Übergangsfrist behält sich der Staat weder die Aktienmehrheit (wie bei der Bahn AG) noch einen nachhaltigen rechtlichen oder politischen Einfluß auf die künftigen AGs vor. Damit werden diese AGs mittelfristig nur noch nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen d. h. profitorientiert geführt werden. Über kurz oder lang steht der dürftige Infrastrukturvorbehalt auf dem Papier. Infrastruktur nur noch, wenn und so lange sie sich rentiert. Die umfangreiche Stillegung gut frequentierter aber dennoch „unrentabler" Großstadt-Postämter und der Rückzug der Post aus dem Land läßt für die Zukunft Böses befürchten. 6. Vor dem Gang an die Börse muß der Bund die drei AGs mit Milliarden Steuergelder (z. B. für Pensionslasten) entschulden und sanieren, damit die AGs überhaupt börsenfähig werden. 7. Nach dem Gang an die Börse wird sofort filetiert werden: Für die Aktien der unrentablen Postdienst AG wird der Bund allenfalls Spottpreise erzielen, die Aktien der rentablen Telekom AG werden reißenden Absatz finden, aber sicher nicht in Streubesitz kommen. Die Postbank AG wird wegen ihres attraktiven Zweigstellennetzes von einer Großbank geschluckt werden. Insgesamt wird abermilliardenschweres Volksvermögen in konzentrierten Privatbesitz überführt. Dies ist ein skandalöser Beitrag zur weiteren Verschärfung des Verteilungsunrechts in der Bundesrepublik. Die Zeche für die neue Vermögenskonzentration zahlen die Postbenutzer. 8. Als Folge der Privatisierung und der künftigen Gewinnorientierung ist in absehbarer Zeit mit drastischen Preiserhöhungen, mit dem Einstellen unrentabler Dienstzweige, mit Massenentlassungen, mit deutlich höherem Leistungsdruck auf die Beschäftigten und deshalb mit harten Lohnkämpfen zu rechnen. Wer für den blanken Kapitalismus sorgt, darf sich nicht wundern, wenn er ihn bekommt. 9. Selbst wenn man der „Postreform II" ganz oder teilweise zustimmen könnte, ist die heutige Entscheidung des Bundestages eine Brüskierung der Deutschen Postgewerkschaft und des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der wir uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wie als Gewerkschaftsmitglieder energisch widersetzen. Die Postgewerkschaft kämpft in diesen Tagen zäh und mit Warnstreiks um die Sicherung der durch die Privatisierung bedrohten sozialen Rechte und der Mitbestimmung der Beschäftigten. Die begleitende Anzeigenkampagne der Arbeitgeber zeigt uns bereits jetzt, was die 670 000 Beschäftigten künftig zu erwarten haben und was dagegen vorbeugend getan werden muß. Wir sind nicht bereit, eine wie immer geartete „Postreform II" ohne Sicherung der sozialen Rechte und der Mitbestimmung von 670 000 Beschäftigten zu verabschieden. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) zur Abstimmung über den Gesetzentwurf zu dem Vertrag vom 24./25. Juni 1994 über den Beitritt weiterer Staaten zur Europäischen Union (Tagesordnungspunkt 19r) Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu. Wir lehnen allerdings den Bezug auf Artikel 59 GG ab, weil aus guten rechtlichen Gründen auch Artikel 23, Abs. 1 Satz 3 GG zur Grundlage gemacht werden könnte. Der Streit über diese Frage ist aber bei der Frage der Erweiterung der Europäischen Union um Österreich, Finnland, Schweden, Norwegen deshalb irrelevant, weil im Deutschen Bundestag alle Fraktionen der Erweiterung zustimmen, mithin die Zwei-DrittelMehrheit erreicht ist. 20918* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Friedhelm Julius Beucher, Monika Ganseforth, Detlev von Larcher, Michael Müller (Düsseldorf), Horst Peter (Kassel), Dr. Hermann Scheer (alle SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 15. April 1994 zur Errichtung der Welthandelsorganisation (Tagesordnungspunkt 3 b) Wir stimmen dem Gesetz nicht zu, weil wir es für unverantwortlich halten, daß diese wichtige Entscheidung über die Zukunft der Weltwirtschaft ohne sorgfältige Beratung im Parlament und in den Ausschüssen durchgezogen wird. Wir stellen fest, daß der Vertragstext bisher nicht in deutscher Sprache vorliegt. Wichtige Ausschüsse hatten nicht die Möglichkeit, dieses Gesetz der Bedeutung entsprechend zu beraten. Zwei Jahre nach dem Erdgipfel von Rio ist das Übereinkommen vom 15. April 1994 ein falsches Signal. Es ist nicht glaubwürdig, sich auf der UN-Konferenz zu einem Kurswechsel in Richtung auf eine dauerhafte Entwicklung zu verpflichten, aber schon kurze Zeit später mit dem GATT Entscheidungen zu treffen, die darauf keine Rücksicht nehmen und die Fehlentwicklungen sogar verschärfen. Das ausgehandelte Übereinkommen verfestigt die krisenhaften Strukturen der Weltwirtschaftsordnung und ist nicht in der Lage, die großen sozialen, ökologischen und ökonomischen Probleme der Weltgemeinschaft zu lösen: Die ökologische Krise wird insbesondere durch das exponentielle Wachstum der Verkehrsströme und des Energieumsatzes verschärft, in der Entwicklungszusammenarbeit wird die Kluft zwischen Arm und Reich vertieft, ökonomisch wird an den Strukturen festgehalten, die für die zunehmende Instabilität auf den Weltmärkten verantwortlich sind. Insgesamt ist das GATT-Abkommen nicht in der Lage, die existentiellen Herausforderungen der Weltgemeinschaft, die zunehmend aus dem Gleichgewicht gerät, zu bewältigen. Im Gegenteil wird die soziale Kluft vertieft und ökologische Zerstörungsdynamik weiter beschleunigt. Es hat sich historisch als ein Irrtum erwiesen, daß die Orientierung am maximalen Produktionswachstum, an den Methoden der expansiven Industrialisierung und den bisherigen Formen des Freihandels zu all gemeinem Wohlstand und dauerhafter Stabilität führt. Tatsächlich werden im GATT zentrale Fragen wie die Verteilung wirtschaftlicher Macht, die Zerstörung der Natur und die Zwänge der Geldwirtschaft ausgeblendet. Die GATT-Vereinbarungen weisen keinen Weg zur Herstellung von Chancengleichheit und zum Schutz der Umwelt, sondern helfen denen, die über große Macht verfügen und die Märkte beherrschen. Dies ist in einer ungleichen Welt mit ungleichen Wettbewerbsbedingungen, endlichen Rohstoffen und störanfälligen Öko-Systemen unverantwortlich. Wir fordern die Bundesregierung auf, endlich Verhandlungen über weltweit wirksame Sozial- und Umweltklauseln in Weltwirtschaft und Welthandel aufzunehmen. Negative Effekte zu Lasten der Umwelt und sozial schwächerer Gruppen dürfen nicht länger externalisiert werden. Alle verantwortlichen Positionen fordern eine Intemalisierung der sozialen und ökologischen Kosten in die Preisbildung. Das GATT-Abkommen provoziert das Gegenteil: Sozial- und Umweltdumping. Diese Form des Freihandels zwischen Ländern und Unternehmen mit großer unterschiedlicher Kosteninternalisierung ist sozialpolitisch äußerst ungerecht, verzerrt den Wettbewerb und führt zum Raubbau an der Natur. Sie schränkt letztlich demokratische Handlungsmöglichkeiten ein und verbaut wirtschaftlich sinnvolle Entwicklungsspielräume. Deshalb lehnen wir den Entwurf ab. Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Angelika Barbe (SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (Tagesordnungspunkt 5) Leider ist die jetzige Novellierung unter Ausschluß der Betroffenenverbände und der Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR auf den Weg gebracht worden. Nach dem Urteil der Landesbeauftragten und der Betroffenenverbände sind die vorgesehenen Änderungen unwesentliche Probleme des derzeit geltenden StUG. Andererseits bleiben inzwischen deutlich gewordene Fragen unberücksichtigt, wie z. B. — die Einbeziehung hauptamtlicher Mitarbeiter des Arbeitsgebietes 1 der Kriminalpolizei — die Auskunftserteilung des politisch-operativen Zusammenwirkens zwischen MfS, SED und Teilen der Verwaltung — die Erweiterung des überprüfbaren Personenkreises u. ä. Außerdem wird befürchtet, daß die beabsichtigten Strafbestimmungen dazu führen werden, daß in Privathand befindliche MfS-Unterlagen bzw. -Kopien in Zukunft ins Ausland verbracht und dort veröffentlicht werden. Die vorgesehene Kostenregelung birgt die Gefahr in sich, daß freie Träger wie Betroffenenverbände, Bürgerkomitees und Privatpersonen weitestgehend von der Forschung und Nutzung von MfS-Unterlagen für die politische Bildung ausgeschlossen sind, wenn sie nicht über genügend finanzielle Mittel verfügen. Das StUG wurde im Interesse der MfS-Opfer verabschiedet und sollte nicht über deren Köpfe hinweg geändert werden. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20919* Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 5 (Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes) Dr. Jürgen Schmieder (F.D.P.): Bei der Diskussion über eine Novellierung des Stasi-Unterlagengesetzes ist es zwingend erforderlich, selbstverständlich auch das Stasi-Unterlagen-Gesetz selbst zu betrachten. Der erste Jahresbericht des Beauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes belegt eindeutig: Das StUG hat sich in der Praxis bewährt. Abgesehen von kleinen Formkorrekturen geht es jetzt darum, kleine Ungerechtigkeiten, die sich beim Alltagsgeschäft herausgestellt haben, zu beseitigen. Ohne diese Veränderung wäre natürlich weiterhin der Gebrauch des StUG gegeben. Jetzt werden bestehende Unterschiede zwischen privaten und öffentlichen Nutzern, insbesondere der Medien, beseitigt. Gleichzeitig wird ein redaktionelles Versehen aus dem ersten Durchgang der Gesetzesberatung vor zwei Jahren korrigiert. Der Bericht des Bundesbeauftragten weist aber auch auf die großartige Leistung seiner Behörde hin. Daher möchte ich hier die Gelegenheit nutzen, allen Mitarbeitern der GauckBehörde noch einmal für die geleistete Arbeit zu danken. Damit die Arbeit in der Behörde auch in Zukunft ordnungsgemäß und reibungslos ablaufen kann, bitte ich den Innenminister, Herrn Kanther, für drei Schwerpunktbereiche den Einstellungsstop aufzuheben. In der Außenstelle Chemnitz der Gauck-Behörde fehlt beispielsweise dringend ein Mitarbeiter für den Bereich Archiv. Darüber hinaus gibt es noch zwei Stellen, die im Interesse der Arbeitsfähigkeit der Behörde unbedingt besetzt werden müssen. Doch nun zur eigentlichen Novellierung des StUG: Nur in einigen Punkten hat sich, wie schon angesprochen, kurzfristig ein Änderungsbedarf ergeben. Betroffen davon sind die Anzeigepflichten, die Kostenregelung sowie die Bußgeldregelung. Die Anzeigepflichten in § 7 Abs. 1 und 3 gegenüber dem Bundesbeauftragten beziehen sich bisher nur auf Originalunterlagen, während die Herausgabepflicht auch für Duplikate gilt. Diese Herausgabepflicht besteht allerdings nur auf ausdrückliches Verlangen des Bundesbeauftragten. Es ist daher zwingend erforderlich, daß dieser erst einmal von der Existenz der Duplikate Kenntnis erhält. Die Anzeigepflicht wird sich deshalb auch auf Duplikate erstrecken, im öffentlichen wie im nichtöffentlichen Bereich. Die Änderung des § 42 (Kostenregelung) ist notwendig, da Forschung und Medien bisher für Auskünfte und Kopien weder Personal- noch Materialkosten tragen müssen. Im Zuge einer Gleichstellung mit anderen Antragstellern, denn selbst Betroffene müssen ihre Kopien bezahlen, sind hier demnach auch Forschung und Medien einzubeziehen. Gleichzeitig wird die Gebührenfreiheit für Betroffene und Dritte bei Auskunft und Akteneinsicht auch auf die nahen Angehörigen der Betroffenen erweitert. Dies ist gerechtfertigt, da das Gesetz hinsichtlich der übrigen Rechte nahe Angehörige ähnlich wie Betroffene und Dritte behandelt, weil eine vergleichbare Interessenlage besteht. Durch die vorgesehene Änderung wird eine gerechtere Regelung im Kostenbereich erzielt. Bei der Bußgeldvorschrift wird ein redaktionelles Versehen bereinigt, durch das derzeit die Nichtherausgabe von Duplikaten nicht mit Bußgeld belegt werden kann. Mit diesen Änderungen wird die Novellierung vorerst abgeschlossen. Auch die lange diskutierte Veränderung des § 44, die unter Umständen eine Beeinflussung der Pressefreiheit herbeigeführt hätte, wurde zumindest vorerst aufgeschoben und in die jetzige Novellierung nicht einbezogen, da hier noch dringender Diskussionsbedarf besteht. Die Notwendigkeit einer umfassenderen Novellierung des Gesetzes kann derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden, insbesondere deshalb, weil die für diese Entscheidung erforderliche Kenntnis der Rechtstatsachen noch nicht gegeben ist. Es ist zu erwarten, daß die vollständige Erschließung der Akten in absehbarer Zeit durchgeführt sein wird. Daraus ergibt sich dann die Möglichkeit, daß eine gegebenenfalls erforderliche umfassendere Novellierung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes im Laufe der kommenden Legislaturperiode in Angriff genommen werden könnte. Ingrid Köppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Seit einigen Tagen ist bekannt, daß der BND seit 1990 Informationssammlungen nutzt, die die Stasi über bespitzelte DDR-Bürger angelegt hat. Es handelt sich dabei u. a. um 329 operative Vorgänge, um Informationen über DDR-Bürger, die Ausreiseanträge gestellt hatten, legal die DDR verlassen hatten oder aus der DDR geflohen sind. Diese geheimdienstliche Nutzung von Stasi-Material über Betroffene ist ein eindeutiger Verstoß gegen das entsprechende Verbot im § 25 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes. Hier hat sich der BND zum Erben des MfS gemacht. Doch nicht mit diesem Gesetzesverstoß beschäftigt sich die Debatte um das StUG heute. Sondern es geht um eine Novellierung des Gesetzes zum Nachteil der öffentlichen Auseinandersetzung mit der Stasi-Problematik. Eine große Koalition aus CDU/CSU, SPD und F.D.P. beabsichtigt, u. a. eine Anzeigepflicht für „Kopien, Abschriften oder sonstige Duplikate" von MfS-Material einzuführen. Angezeigt werden müßten hiernach in der Praxis z. B. all die vielen seit 1989 erschienenen Bücher und Broschüren sowie Zeitungen und Zeitschriften, die aus Stasi-Unterlagen zitiert oder solche auszugsweise nachgedruckt haben. Wer zu Hause z. B. noch einen alten „Spiegel", „Stern", „Focus", die FAZ, die „andere" oder gar die „Super-Illu" liegen hat, dem droht nun mit gewisser Wahrscheinlichkeit Bußgeld bis zu einer halben Million, wenn der Behörde diese Bestände nun nicht rasch angezeigt werden. 20920* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 Entsprechend müßten Verlage und Medien, die jemals über das MfS berichtet haben oder dies noch vorhaben, jetzt sehr genau ihre Archive und Rechercheunterlagen sichten und diese anzeigen. Selbst wer als Betroffener aus der eigenen Akte Kopien von der Behörde erhalten hat, müßte diese nach dem Wortlaut der Novelle nun wieder anzeigen, erst recht natürlich handschriftliche Notizen aus diesen Unterlagen oder weitere Kopien hiervon. Falls diese völlig unpraktikablen, aberwitzigen und gefährlichen Regelungen Gesetz würden, könnte die Gauck-Behörde nur dankbar sein, wenn es niemand merkt oder ernst nimmt. Sonst würde die Behörde von den Anzeigen überrollt, lahmgelegt und müßte — entgegen der irreführenden Beschlußempfehlung des Innenausschusses — erheblichen finanziellen Mehrbedarf anmelden. Dies gälte natürlich erst recht, wenn die Behörde tatsächlich die neue Befugnis nutzen sollte, z. B. Redaktionen zur Herausgabe der Kopien aufzufordern oder gar Bußgeldverfahren einzuleiten. Welche Motive mögen die Initiatoren aus Union, SPD und F.D.P. getrieben haben, eine solch schildbürgerliche und in ihren Folgen nichtsdestotrotz auch gefährliche Regelung zu ersinnen? Wie groß muß die Angst sein vor dem Bekanntwerden von Stasi-Unterlagen vor allem über westdeutsche Politiker und Firmen, daß man sich nicht entblödet, mit solchen Vorschriften nun sämtliche Kopien für das Gauck'sche Monopol erfassen zu wollen? Diese Initiative fällt auf die Verfasser selbst zurück. Außerdem sollen nach dem Willen von CDU/CSU, SPD und F.D.P. Forscher und Medien für von der Behörde erhaltene Auskünfte Gebühren zahlen. Dies ist eine erhebliche Einschränkung der öffentlichen Auseinandersetzung mit der MfS-Problematik, da absehbar ist, daß z. B. kleinere Forschungsverbände sich diese Arbeit nicht mehr leisten könnten. Ihnen liegen zahlreiche Kritiken an der von Ihnen beabsichtigten Gesetzesänderung vor. So befürchtet der Journalistenverband mit dieser Novellierung des StUG einen „unverhältnismäßigen Eingriff in die Medienfreiheit" und kritisiert die beabsichtigte Anzeigepflicht von Kopien, Abschriften, handschriftlichen Notizen als geeignet, Veröffentlichungen von Medien zu verhindern. Der Deutsche Presserat hält die geplanten Änderungen des StUG für verfassungsrechtlich bedenklich, da diese Regelungen die Recherchearbeit der Medien einschränkt. Die Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen lehnen die geplanten Änderungen des StUG als „übereilt und in der sachlichen Absicht fragwürdig" ab und weisen darauf hin, daß durch die geplante Gebührenregelung z. B. Betroffenenverbände und Bürgerkomitees weitestgehend von Forschung und Nutzung von Stasi-Unterlagen für die politische Bildung ausgeschlossen werden. Das Bürgerkomitee Leipzig, das 1991 erheblich an der Ausarbeitung des StUG beteiligt war, erklärt: „Die geplanten Änderungen bedeuten eine einschneidende Behinderung des Begreifens unserer gemeinsamen deutschen Vergangenheit." BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schließt sich dieser Kritik an und lehnt diese Novellierung des StUG ab. Dr. Uwe-Jens Heuer (PDS/Linke Liste): Bei der Durchsicht der zu Protokoll gegebenen Reden zur ersten Lesung des Entwurfs eines 2. Stasi-UnterlagenÄnderungsgesetzes hat sich für mich der erste Eindruck bestätigt: Die vorgeschlagenen Regelungen scheinen überwiegend begründet zu sein, die eigentlichen Probleme aber werden entweder gar nicht oder nur äußerst zaghaft zur Kenntnis genommen. Die vorsichtigen Andeutungen des Kollegen Wartenberg von der SPD in seiner Rede zu dem interfraktionellen Gesetzentwurf bestätigen diesen Eindruck, daß das Stasi-Unterlagen-Gesetz in der Praxis erhebliche Mängel offenbart, daß insbesondere der notwendige Schutz der Betroffenen mit dem Gesetz nicht erreicht worden ist. Auf jeden Fall ist damit klargestellt: Es ist falsch, daß das Stasi-Unterlagen-Gesetz sich bewährt hat; es ist vielmehr grundsätzlich novellierungsbedürftig, und zwar aus folgenden Gründen: Die sog. Stasi-Vergangenheit vorrangig über die Erschließung und Aufarbeitung der Stasi-Akten aufzuarbeiten ist eine schwerwiegende Fehlentscheidung. Die Stasi-Unterlagen spielen eine entscheidende Rolle bei der gnadenlosen Hexenjagd in Ostdeutschland. Allein schon die Existenz von StasiAkten scheint in vielen Fällen, so etwa im Falle des Bundesligafußballspielers Ulf Kirsten, ausreichend zu sein, um, mit entsprechenden Kommentierungen der Gauck-Behörde versehen, in der Öffentlichkeit eine Kampagne gegen vermeintliche Mitarbeiter der Stasi entfachen zu können, insbesondere dann, wenn sie nicht so mitarbeiten, wie die Gauck-Behörde und deren Sachbearbeiter es sich vorstellen. Ulf Kirsten erhielt den Schutz des Vereins; sein Fall wurde für ihn günstig zu den Akten gelegt. Diesen Schutz finden andere nicht; sie sind der Willkür der Gauck-Behörde meist hilflos ausgeliefert. In zahlreichen anderen Fällen wie z. B. denen des Zoologen Prof. Dr. Werner Mohring (Greifswald) und des Physikers Dr. Heinz Preuß (Zittau) führten eindeutig falsche, wahrheitswidrige Wertungen der GauckBehörde zu Entlassungen. An die Stelle der politischen und wissenschaftlichen Aufarbeitung der Vergangenheit sowie des konkreten, verfahrensrechtlich abgesicherten Nachweises von strafbaren Handlungen ist die Denunziation mit dem Hinweis auf Stasi-Akten und deren Kommentierung durch die Gauck-Behörde getreten. Auf dieser — auch verfassungsrechtlich — fragwürdigen Grundlage wird eine Schablone von der Täter-Opfer-Struktur der DDR konstruiert, die jede vernünftige Aufarbeitung der Vergangenheit in Frage stellt. Wer eine Veränderung dieser Sicht- und Handlungsweisen will, muß auch das Stasi-UnterlagenGesetz grundlegend novellieren wollen. Zugunsten der Beteiligten müssen Verfahrensgarantien geschaffen werden, die deren Persönlichkeitsrechte eind eutiger schützen, sowohl gegenüber der zuständigen Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20921* Behörde als auch gegenüber der Öffentlichkeit, auch gegenüber den Medien. Es ist falsch, daß eine Erweiterung der Rechte der Betroffenen eine unzulässige Einschränkung der Pressefreiheit bedeuten würde. Diese Behauptung ist angesichts der Willkürlichkeit, mit der mit Informationen aus den Stasi-Akten gehandelt werden, allenfalls eine Schutzbehauptung; nach Art. 5 Abs. 2 des Grundgesetzes findet auch die Pressefreiheit ihre Grenze in dem allgemeinen Gesetz sowie in dem Recht der persönlichen Ehre. Mit der Rechtslage hat diese Behauptung also nichts gemein. Es fehlt in der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich das Recht auf die eigenen Akten. Das StasiUnterlagen-Gesetz muß um ein entsprechenden Freedom-of-Information-Act ergänzt werden. Hierbei geht es insbesondere um die Abwehr der „Eroberung der Akten" durch die Geheimdienste der BRD, die Akten unter Verschluß halten. Diese Akten müssen den Betroffenen zugänglich gemacht werden. Schließlich ist eine breit angelegte Amnestie zu fordern. Nur dadurch können Bedingungen dafür geschaffen werden, daß die Bürger und Bürgerinnen der neuen Bundesländer sich als gleichberechtigte Bürger anerkannt fühlen und „den Kopf hochtragen dürfen wie wir" (Ernst Mahrenholz, zit. nach Leipziger Volkszeitung vom 6. Mai 1994). Man wird im neuen Bundestag mit einer starken Fraktion der PDS zu rechnen haben, für die es eine wichtige Aufgabe sein wird, das Stasi-UnterlagenGesetz grundlegend zu novellieren. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 6c (Rückkehr zu einer verfassungskonformen Haushaltspolitik) Dr. Dietmar Keller (PDS/Linke Liste): Knapp drei Wochen nach der Verabschiedung des Haushalts 1994 durch den Bundestag hatte der Bundeskanzler am 16. Dezember 1993 gegenüber der Bundespressekonferenz weitere drastische Sparmaßnahmen zur Dekkung des bereits absehbaren Defizits des Bundeshaushalts 1994 in Höhe von mindestens 7,5 Milliarden DM angekündigt. Daraufhin hatte die PDS/Linke Liste am 20. Dezember 1993 beantragt, die Bundesregierung aufzufordern, eine Änderungsvorlage zum verabschiedeten Haushaltsplan vorzulegen, weil der Haushalt 1994 in Einnahmen und Ausgaben nicht ausgeglichen ist. Ähnliche Forderungen waren auch aus den Reihen der F.D.P. laut geworden. Die F.D.P.-Bundestagsfraktion hatte den Bundesfinanzminister am 21. Dezember aufgefordert, ein Haushaltssicherungsgesetz vorzulegen. Herr Lambsdorff hatte einen Tag später bereits eine Haushaltslücke zwischen 15 und 20 Milliarden DM entdeckt. Und das neue Jahr war noch keine drei Wochen alt, da hatte Herr Kinkel am 17. Januar im Namen des F.D.P.-Präsidiums einen Nachtragshaushalt für das Jahr 1994 gefordert. Auch die SPD befürchtete Haushaltslücken in zweistelliger Höhe und erneuerte zwei Tage nach Eingang unseres Antrags, am 22. Dezember, ihre Forderung, die Bundesregierung müsse für 1994 unverzüglich einen Nachtragshaushalt vorlegen. Der von der SPD gestellte Vorsitzende des Haushaltsausschusses nahm für sich sogar in Anspruch, er habe „diese Zahl, die Graf Lambsdorff jetzt nennt, seit mehr als drei Monaten öffentlich gesagt und prophezeit" . Und er fügte orakelnd hinzu: „Die Zahl von 15 Milliarden halte ich für die Untergrenze dessen, was gilt." Da offenbar nicht nur die PDS/Linke Liste und der Bundesrechnungshof, sondern auch F.D.P. und SPD den Haushalt 1994 als einen Verstoß gegen das Verfassungsgebot der Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit zu interpretieren schienen, waren wir auf das Abstimmungsverhalten dieser Fraktionen natürlich besonders gespannt. Die F.D.P. hatte zwar den Mund gespitzt, aber nicht gepfiffen. Daß die Koalitionsfraktionen diesen Antrag der PDS/Linke Liste niederstimmten, überraschte und verstimmte uns allerdings nicht. Das Schauspiel, das uns jedoch die größere Oppositionspartei bot, spottete allerdings jeder Beschreibung. Im Bericht des Haushaltsausschusses ist die rhetorische Springprozession der SPD mit allen Details festgehalten. Die SPD hat sich als Oppositionspartei schon längst verabschiedet und vertritt die Politik des Sowohl-als-auch. Es heißt im Bericht unter anderem: Die Fraktion der SPD vertrat (...) die Auffassung, der Bundeshaushalt 1994 biete keine hinreichenden Lösungsansätze für die gesellschaftlich- und wirtschaftspolitischen Aufgaben der Zukunft. Ferner bemängelte die Fraktion der SPD, der Haushalt sei unehrlich, da er von viel zu optimistischen Wirtschaftsdaten ausginge. Dadurch ergeben sich sowohl auf der Einnahmen- wie auf der Ausgabenseite noch nicht absehbare Haushaltsrisiken, die einen Nachtragshaushalt möglich erscheinen ließen. Ich fasse zusammen: Auch die SPD hat den Haushalt 1994 als unehrlich bezeichnet, nicht absehbare Haushaltsrisiken gesehen und einen Nachtragshaushalt nicht ausgeschlossen. Doch weil nicht sein konnte, was nicht sein durfte, das heißt, weil für die SPD als Generallinie zu gelten scheint, daß ein Antrag der PDS/Linke Liste immer und möglichst ungelesen abzulehnen ist, deshalb hat auch die SPD trotz ihrer von mir eben zitierten Kritik empfohlen, unseren Antrag abzulehnen. Mittlerweile hat die SPD ein zentrales Argument unseres Antrags aufgegriffen. Sie wirft der Bundesregierung, der sie noch im März per Abstimmung die haushaltspolitische Absolution erteilt hat, vor, die „wahre Lage der Staatsfinanzen" zu verschleiern. Die „volle Wahrheit über die Lage der Staatsfinanzen" verspricht sich die SPD jetzt von ihrer Kleinen Anfrage zur Staatsverschuldung und von ihrer Forderung nach Sondersitzungen des Haushaltsausschusses. Jetzt — sechs Monate nach Einbringung unseres Antrags — 20922* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 will die SPD von der Bundesregierung wissen, wie sie es mit dem Verfassungsgrundsatz der Vollständigkeit und der Einheitlichkeit des Haushaltsplans hält. Wäre es nach uns gegangen, dann hätte das Parlament bereits im März darüber beraten. Und der SPD sei ins Stammbuch geschrieben: Unter dem Teppich kann man nicht kämpfen! Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 9 (Bericht über die Kontrolltätigkeit gemäß § 6 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes) (Berichtszeitraum: 1. Juli 1993 bis 20. Juni 1994) Dr. Rolf Olderog (CDU/CSU): Mit vier Bemerkungen möchte ich zum Bericht der PKK Stellung nehmen. 1. Zunächst darf ich darauf hinweisen: Der Bericht der PKK ist zwar keine Premiere mehr wie der erste Bericht 1993. Aber es ist immer noch ein bemerkenswerter Vorgang, daß in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur eine Parlamentarische Kontrollkommission die Geheimdienste überwacht, sondern daß über die Tätigkeit der Dienste auch noch öffentlich im Parlament berichtet und debattiert wird. Das beweist, daß sich unser Weg zu mehr Kontrolle und Transparenz im neuen PKK-Gesetz bewährt hat. 2. Ich möchte unterstreichen, was der Bericht schon hervorhebt, daß es zwischen den Mitgliedern der PKK und den Vertretern der Bundesregierung und der Nachrichtendienste eine ausgesprochen vertrauensvolle Zusammenarbeit gibt. Das ist keineswegs selbstverständlich. Ich kann mich noch sehr gut - einige Jahre zurück — an eine ganz andere Situation und Stimmungslage in der PKK erinnern. Heftigste Auseinandersetzungen, wechselseitige Vorwürfe, Mißtrauen gegeneinander und permanente Indiskretionen waren an der Tagesordnung bis hin zum endgültigen Auszug und zur Mandatsniederlegung eines Mitglieds der Kontrollkommission. Daß heute wechselseitiges Vertrauen kennzeichnend ist, das hängt sicher nicht damit zusammen, daß die Abgeordneten ihre Kontrollaufgabe etwa zu lasch handhabten. So streitbare und parlamentserfahrene, aber auch über jeden Verdacht erhabene Kollegen wie Burkhard Hirsch und Peter Struck bieten allein da schon hinreichende Gewähr. Es gibt von uns Parlamentariern keine Klagen über mangelnde Auskunftsbereitschaft der Bundesregierung und der Dienste. Ich habe auch nicht den Eindruck, daß die Bundesregierung uns Parlamentarier für gelegentliche Indiskretionen, die den Bereich der Nachrichtendienste betreffen, verantwortlich macht. Es gibt bemerkenswerterweise auch nicht den ansonsten schwer zu vermeidenden parteipolitischen Hickhack. Hinzu kommt, daß wir uns nicht nur als bloße Kontrolleure verstehen, die ausschließlich Fehler aufdecken wollen, obwohl das natürlich unsere Hauptaufgabe ist, sondern daß wir uns auch im Dialog mit der Bundesregierung und den Präsidenten der Dienste bemühen, durch eigene Vorschläge immer wieder auch die Leistungskraft der Dienste zu erhalten und zu steigern. 3. Natürlich gibt es auch in den Diensten unvermeidbar Fehler und Pannen. Aber das sind im ganzen unvermeidbare Einzelfälle. Insgesamt weist auch dieser zweite Bericht der PKK zutreffend darauf hin, daß die Nachrichtendienste sich an Recht und Gesetz halten und auftragsgemäß das Ziel verfolgt haben, die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu bewahren. Ich möchte das auch von meiner Seite nachdrücklich unterstreichen. Diese Aussagen stehen in einem auffälligen Gegensatz zu manchen spekulativen Presseberichten, angeblichen Skandalgeschichten und auch wenig sachlichen Sachbüchern, die immer wieder der Öffentlichkeit ein ganz anderes Bild der Dienste vermitteln wollen. Fast immer sind diese Berichte weit entfernt von der Realität, unsachlich und falsch. Ich betone mit Nachdruck: Das Bundesamt für Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst und der Militärische Abschirmdienst haben das Vertrauen unserer Bürgerinnen und Bürger verdient. Ich möchte allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Dienste herzlich dafür danken, daß sie diese schwierige und für unseren demokratischen Staat wichtige Aufgabe erfüllen. 4. Letzte Bemerkung: Der PKK-Bericht macht deutlich: Trotz der rasanten politischen Entwicklung in der Welt haben die Nachrichtendienste nichts von ihrer Bedeutung verloren. Nach der Beendigung des Ost-West-Konflikts ist die geopolitische Spannung zwar beseitigt, aber statt dessen gibt es viele Probleme auf neuen Feldern. 1. Extremismus und Terrorismus bedrohen den Frieden in unserer Gesellschaft und in der Welt. 2. Wesentliche neue internationale Schwerpunkte heißen Proliferation, Rauschgifthandel und Geldwäsche. 3. Es gibt weiter Spionage gegen Deutschland. Der Schwerpunkt hat sich verlagert vom militärisch-politischen Bereich in den wirtschaftlich-politischen Bereich. Deshalb besteht kein Anlaß, in der Wahrung unserer Sicherheitsinteressen nachzulassen. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20923* Für ebenso besorgniserregend wie unverantwortlich halte ich die Entscheidung der GRÜNEN/BÜNDNIS 90, im Bundestagswahlprogramm 1994 die Abschaffung der Dienste zu fordern. Wer die Nachrichtendienste zudem noch als eine „Gefahr für die Demokratie" bezeichnet, hat von der heutigen Wirklichkeit in der Welt und hat von dem Gedanken der „wehrhaften Demokratie" rein gar nichts begriffen. Sorgenvoll stimmt mich auch, daß einigen Landesverfassungsschutzämtern, z. B. in Schleswig-Holstein, durch Haushaltsentscheidungen auch j enes Minimum an personellen und sachlichen Mitteln entzogen wird, die zum Funktionieren der Landesämter für Verfassungsschutz unerläßlich sind. Deutschland hat seinen Beitrag für Frieden und Freiheit in der Welt zu leisten, kriegerische Auseinandersetzungen und terroristische Anschläge zu vermeiden. Dazu brauchen wir die Nachrichtendienste, dazu brauchen die Dienste aber auch das notwendige rechtliche Instrumentarium. Nach meiner Überzeugung besteht heute die Notwendigkeit, die organisatorischen und rechtlichen Instrumentarien neu zu justieren und sie erforderlichenfalls zu verschärfen. Das gilt insbesondere auch für den internationalen Waffenhandel und die Proliferation. Ich verweise auf das Verbrechensbekämpfungsgesetz, das auf unsere Initiative im Bundestag verabschiedet worden ist. Bekennen wir uns weiterhin zur wehrhaften Demokratie! Dr. Wilfried Penner (SPD): Auch die Geheimdienste in der Bundesrepublik Deutschland machen Fehler, und sie haben ihre Fehler. Wie denn auch nicht? Aber, es kann keine Rede davon sein, daß die Fehlerquote aus dem Rahmen bei vergleichbaren Institutionen fiele. Die Dienste leisten in der Regel gute Arbeit. Sie sind Institutionen des demokratischen Rechtsstaats, und sie halten sich ganz selbstverständlich an die Vorgaben und Entscheidungen des Gesetzgebers. Es kann keine Rede davon sein, daß sie etwa einen Staat im Staate bildeten. Ja, sie könnten es wohl gar nicht. Die Möglichkeit der öffentlichen Kontrolle, die Kontrolle des Parlaments und der Exekutive, lassen dies nicht zu. Bei uns ist das Selbstverständnis der Dienste und seiner Mitarbeiter ein demokratisches, und damit sind sie integrierter Bestandteil des demokratischen Ganzen. Die parlamentarische Kontrolle der Dienste wird von ihnen selbst zunehmend auch als Chance begriffen, endlich die Rolle des demokratischen Außenseiters abzustreifen. Natürlich gibt es immanente Grenzen der Kontrolle von außen. Geheimdienstliche Tätigkeit und das Transparenzgebot der Demokratie sind und bleiben einander gegensätzlicher Natur und lassen sich nicht deckungsgleich übereinbringen. Aber die Sucht zur Geheimniskrämerei, auch gegenüber den Kontrolleuren, hat sichtbar nachgelassen. Denn bei den Diensten ist die Einsicht gewachsen, daß sie gegen Schwatzhaftigkeit aus den eigenen Reihen weniger gefeit sind und dadurch eher ins Rampenlicht geraten als etwa durch mitteilungsfreudige Parlamentarier. Es besteht demnach kein Anlaß, den Geheimdiensten, den Mitarbeitern und den Leitungsspitzen, die Anerkennung für ihre Tätigkeit zu versagen. Ich sage es jedenfalls aus voller Überzeugung: Sie haben gute Arbeit geleistet. Unabhängig vom Gesagten bleibt immer wieder festzuhalten: Die Tätigkeit der Dienste steht unter dem Recht und nicht etwa über oder neben dem Recht. Das kann in der Konsequenz bitter sein und zu strafrechtlichen Konsequenzen für die Verantwortlichen führen. Konkret gesagt: Auch wenn es um Israel geht, dürfen Waffen oder deren Bestandteile eben nicht unter Umgehung des Rechts als Landmaschinen bezeichnet und ausgeführt werden. Das kann ein Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und damit ein Verbrechen sein. Aber auch die andere Seite dieses Themas darf nicht verschwiegen werden. Es widerspricht dem Gerechtigkeitsgebot, eine seit Jahren durch Bundesregierung jedweder Couleur und Bundessicherheitsräte in parlamentarischer Übereinstimmung gegründete Staatspraxis durch Mitarbeiter des BND als verbrecherisch abbüßen zu lassen, wobei eben lediglich die Art der Ausführung und deren Umstände als Besetzwidrig eingestuft werden können. Rechtlich abgesichert und zulässig ist es hingegen, wenn dem BND die Möglichkeit zum Sammeln von Informationen auf dem Sektor der internationalen Waffenschiebereien (und dabei insbesondere auf dem Nuklearsektor) wie auch der internationalen Drogenkriminalität zugestanden wird. So jedenfalls hat es der Rechtsausschuß des Bundestages einstimmig festgestellt. Der BND tut gut daran, dies nicht als Ermächtigung zur polizeilichen Tätigkeit im Ausland mißzuverstehen. Die bisherige Wahrnehmung der diesbezüglichen Tätigkeit durch den BND gibt dafür aber auch keinen Anlaß. Der nötige Umbau der Organisation für die Erledigung der neuen Aufgabenfelder macht hingegen große Schwierigkeiten. Es war ein Irrtum anzunehmen, daß auch nur ein Teil des in Zeiten des Ost-West-Konflikts und für die damals anfallenden spezifischen Aufgaben eingesetzten Personals für die neuen Tätigkeitsbereiche in Betracht kommen könne. Die völlig andere Aufgabenstellung und die notwendige andere Struktur der Arbeit, in Verbindung mit Sprachproblemen, machen dies, zumal bei den älteren Mitarbeitern, nahezu unmöglich. Es wird wohl nicht ohne finanziell aufwendigen personellen Neuaufbau und korrespondierende Vorruhestandsregelungen abgehen. Dabei wird die Effizienz gerade auch dieses Sammelns von Nachrichten im Hinblick auf die staatlichen Interessen der Bundesrepublik Deutschland immer wieder neu gewichtet und überprüft werden müssen. Neuerdings verstärkt zu beobachtende Tendenzen, die Grenzen zwischen nachrichtendienstlicher und polizeilicher Tätigkeit mehr und mehr zu schleifen, werden von der SPD nicht unterstützt. Es ist zwar richtig, daß es eine lückenlose Trennung nie gegeben hat, ja nicht geben konnte. Dies gilt namentlich für den Bereich der Staatsschutzdelikte, bei denen die von Gesetzes 20924* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 wegen vorgesehene Informationsbeschaffungspflicht des Verfassungsschutzes und das ggf. gesetzlich gebotene Einschreiten der Polizei doch sehr ineinander übergehen können. Auch die Terrorbekämpfung ist seit Jahren keine ausschließlich polizeiliche Aufgabe, sondern wird mit allgemeiner Billigung zumindest ergänzend auch vom Verfassungsschutz wahrgenommen. Damit muß es aber sein Bewenden haben. Kriminalität zu verhüten und zu verfolgen ist eine polizeiliche Aufgabe, auch wenn das in Einzelsektoren noch so schwierig ist wie bei der internationalen Banden- und Drogenproblematik. Gerade der Einsatz des Verfassungsschutzes auf diesem Gebiet insinuiert Lösungsansätze romantisierender Art — dies hat aber mit wirksamer Strafrechtspflege nichts zu tun. Der Verfassungsschutz sei auf dem rechten Auge blind, war in der Öffentlichkeit, auch in jüngster Zeit, zu hören. Das kann so nicht bestätigt werden. Mag sein, daß hier und da die Krake des verbrecherischen Rechtsextremismus nicht klar genug erkannt worden ist. Unbestreitbar ist aber, daß die Organisationen des rechten Spektrums eher zersplittert sind, was die Beobachtung sehr erschwert. Übrigens hat das nichts mit dem Grad der Gefährlichkeit zu tun. Wir dürfen uns mit übrigen aber keinen trügerischen Illusionen hingeben: Gerade weil der Rechtsextremismus ein Teil unserer Gesellschaft ist und nicht neben der Gesellschaft steht, ist das Risiko einer organisierten, zentralistischeren und wesentlich strafferen Organisierung und Steuerung nicht von der Hand zu weisen. In diesem Zusammenhang ist das Gezetere um die Person des V-Mannes in der berüchtigten Kampfsportschule in Solingen heuchlerisch und wenig sachdienlich. Wer den Einsatz des Verfassungsschutzes in der Auseinandersetzung gegen den Rechtsextremismus fordert, verliert das Recht, darüber in Ach- und Wehgeschrei auszubrechen, wenn der Verfassungsschutz tätig geworden ist; auch dann nicht, wenn die Risiken eines solchen Einsatzes handfest und manifest werden. Was übrigens Kontrolle und Nachsteuerung im Detail nicht ausschließt. Der jeweilige Koordinator der Nachrichtendienste im Kanzleramt hat es nicht leicht. Der jetzige Amtsinhaber ist geschätzt wegen seines Fleißes, seiner Lebendigkeit und seines Engagements. Bleibt nur zu sagen: Der Koordinator ist Instanz, nicht Akteur, so steht es im Gesetz. Nicht gesetzlich vorgesehen ist flächendeckende Mitteilungsfreude. Sie ist auch nicht wünschenswert. Auch der Koordinator steht unter dem Gebot der Diskretion, das ihn mit den Mitgliedern der Parlamentarischen Kontrollkommission verbindet. Noch eines: Ein Regierungsmitglied kann sich seine Gesprächspartner nicht aussuchen, gerade im Zusammenhang mit humanitären Fragen nicht. Bei der Wahl des Gesprächsorts ist Bedacht gefordert. Die Bundesrepublik Deutschland hat kein Interesse an der Aufwertung zwielichtiger, ja verbrecherischer Verhaltensweisen von Funktionsträgern anderer Staaten. Unabhängig von unterschiedlicher Sicht der Dinge im Grundsätzlichen war die Arbeit der Parlamentarischen Kontrollkommission im Detail wohltuend sachlich. Sicherlich auch ein Verdienst des demnächst aus dem Bundestag ausscheidenden Kollegen Gerster, der mit seiner robust-zupackenden Art manchen Knoten zu lösen mitgeholfen hat. Die Parlamentarische Kontrollkommissio bleibt auch nach der Wahl im Amt, bis der neu gewählte Bundestag eine neue Parlamentarische Kontrollkommission gewählt hat. Im Interesse der Sache wäre in Zukunft eine noch breitere Beteiligung des Parlaments wünschenswert. Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.): Wir erstatten hiermit zum zweiten Mal einen Bericht über unsere Tätigkeit, bei der wir gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Besondere Schwerpunkte waren das Anwachsen des politischen Extremismus, die Vorgänge in Bad Kleinen, der Tod des früheren Ministerpräsidenten Dr. Barschel, die internationale Bekämpfung der Drogenkriminalität, besondere Fälle der Zusammenarbeit mit anderen Diensten, Erkenntnisse im Zusammenhang mit Stasi-Unterlagen. Schließlich haben wir uns in besonderer Weise mit Vorgängen auseinandergesetzt, die Mitarbeiter der Dienste selbst betroffen haben. Ich möchte in besonderer Weise hervorheben, daß es trotz der umfangreichen Tätigkeit der Nachrichtendienste in den dargestellten Fällen zu keinem Mißbrauch der gegebenen Möglichkeiten gekommen ist, und daß die Nachrichtendienste nicht versucht haben, Gesetz und Recht zu brechen. Ich wünschte, daß die Nachrichtendienste aller Länder eine solche Bilanz vorlegen könnten. Ulla Jelpke (PDS/Linke Liste): Nichts ist spannender, als einen Bericht zu lesen, der unter der absoluten Einhaltung des Grundsatzes der Geheimhaltung abgefaßt worden ist. Man stellt nach der Lektüre von acht Seiten fest, daß der Umfang tatsächlich so dürftig ist wie der Informationswert dieses Berichtes. Das einzige, was man aus diesem Bericht erfährt, ist, daß die Parlamentarische Kontrollkommission sich diesen Mumpitz der Geheimniskrämerei der Dienst rückhaltlos unterworfen hat und willig die Rolle des Akzeptanztrottels einnimmt. Man liest in diesem Bericht kein zusätzliches Wort zu den großen und kleinen Aktionen und Affären der Dienste, geschweige denn, daß man hier ein Wort der Kritik erfährt. Nicht einmal zur Weitergabe von StasiUnterlagen durch den zuständigen Staatssekretär im BMI, Vöcking, kann die Kontrollkommission sich zu einem noch so leichten Rüffel hinreißen lassen. Sie mag nicht einmal öffentlich der Auffassung der Bundesregierung widersprechen, daß es sich bei diesen Materialien nicht um Unterlagen im Sinne des StasiUnterlagen-Gesetzes handelt. Diese Form der Eroberung der Stasi-Unterlagen findet hier ihre Absegnung. Auch zur Beteiligung des Geheimdienstes an der Polizeiaktion in Bad Kleinen erfährt man keine neue Information. Obwohl Mitglieder der Kontrollkommission zum Teil die Geheimniskrämerei der Bundesregierung bei der Unterrichtung des Innen- und Rechtsausschusses angriffen, hat man sich jetzt dieser großen Verschwiegenheit fügsam angepaßt. Auf die mögliche Frage beispielsweise, wieso wegen dieser Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20925* Aktion eine wiederholte Unterrichtung erfolgen mußte, wird keine Antwort gegeben. Weitere Fragen schließen sich an: Hatten die Dienste bei der ersten Unterrichtung nicht alle Aktivitäten offengelegt? War der BND an der Operation mit Steinmetz, beispielsweise bei den bekannt gewordenen Treffen mit Angehörigen der RAF in Metz und Paris beteiligt? Gab es da eine Zusammenarbeit mit französischen Behörden? Kein Wort dazu, keine Kritik an der Verdunkelungspolitik der Bundesregierung. Völlig katastrophal ist die Rolle, die die Parlamentarische Kontrollkommission bezüglich der Arbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz und der anderen Dienste bezüglich der rechtsextremen Umtriebe in diesem Lande spielt. Man sucht vergeblich nach Kritik, daß das Bundesamt und die Bundesregierung die gesetzlich vorgeschriebene Aufgabe der Aufklärung der Öffentlichkeit selbst bei parlamentarischen Anfragen völlig ungenügend wahrnehmen und sich statt dessen immer hinter einer angeblichen Geheimhaltungspflicht verstecken. Was soll man davon halten, wenn die Bundesregierung nicht einmal die numerisch aufgeführten rechtsextremen Organisationen, Verlage und Presseorgane namentlich aufführen mag, weil dadurch angeblich die Arbeitsweise der Behörde aufgedeckt wird? Wann und wo wurde diese Praxis in der Kommission einmal bemängelt? Wann wurde von den Diensten Bericht abverlangt über die Agenten und V-Leute wie Weinmann und dem Solinger Schmitt und seine Rolle beim Brandanschlag? Meine Damen und Herren, alle wesentlichen Fragen hat die Kommission unberührt gelassen. In der Tat war sie so verschwiegen wie die Dienste selber. Man sollte der Offenheit wegen die Berichtspflicht streichen. Die Kommission ist wahrhaft kein Kontrollorgan. Der Wahrheit und der Ehrlichkeit wegen sollte die Bundesregierung doch gleich erklären: Wir machen mit den Diensten, was wir wollen, und eine Kontrolle über deren dubiose Aktivitäten findet nicht statt. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 10 (Beschlußempfehlungen zu den Anträgen: a — Abschließende Regelungen zur Wiedergutmachung von NS-Unrecht, b — Entschädigung für Opfer nationalsozialistischen Unrechts in den baltischen Staaten, c — Einrichtung einer Stiftung zum Schutz und zur Bewahrung der Stätten des antifaschistischen Widerstandes, d — Gedenkstätten in der Bundesrepublik Deutschland, e — Zentrale Gedenkstätte des Bundes) Dr. Roswitha Wisniewski (CDU/CSU): Es ist zu begrüßen, daß am Ende dieser Legislaturperiode eine — wenn auch nur kurze — Wiedergutmachungsdebatte im Deutschen Bundestag stattfindet. Dies ruft erneut ein Kapitel deutscher Geschichte in Erinnerung, das nicht vergessen werden darf. Gleichzeitig ist dies ein Moment der Besinnung auf die Aufgaben, die in der Zukunft bewältigt werden müssen. Die vorliegenden Anträge zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts zeigen, daß das große politische Wiedergutmachungswerk, dessen Mittelpunkt immer noch das Bundesentschädigungsgesetz von 1953 ist, Bestand hat. Es wirkt fort, wenn auch zu Ergänzungen von Härterichtlinien und zu Einzelkorrekturen immer wieder Anlaß besteht. Das bezieht sich vor allem auf jene Gruppen von Betroffenen, hinsichtlich derer erst im Laufe der Jahre die Einsicht wuchs, daß sie Opfer nationalsozialistischen Unrechts sind und Anspruch auf Wiedergutmachung haben. In diesem Bereich ist immer erneutes Nachdenken und Korrigieren der Richtlinien notwendig. Die vorliegenden Anträge zeigen dies, und auch in Zukunft wird immer wieder die Mahnung notwendig sein, die rechtlichen Möglichkeiten, so weit nur irgend möglich, auszuschöpfen. Alle wissen, daß materielle Leistungen das geschehene Unrecht nicht beseitigen können, aber die Folgen müssen gemildert und die Verbundenheit mit den Betroffenen muß artikuliert werden. Lassen Sie mich besonders auf die Gruppe derer eingehen, die Opfer von Zwangssterilisierungen geworden sind. Der Deutsche Bundestag wiederholt heute die Feststellung, daß Zwangssterilisierungen auf der Grundlage des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses nationalsozialistisches Unrecht waren und Ausdruck einer menschenverachtenden Ideologie. Um auch den kommenden Generationen diese Verirrung menschlichen Geistes warnend vor Augen zu stellen, ist es meines Erachtens notwendig, durch Forschungsarbeiten und Dokumentationen genauer als bisher darzustellen, welche ideologischen Ursachen, welches Ausmaß und welche die Menschenwürde mißachtende Form der Durchführung diese Maßnahmen hatten, vor allem aber auch, welch schreckliche seelischen und leiblichen Folgen für die Betroffenen daraus erwuchsen. Durch den wachsenden zeitlichen Abstand wird es m. E. besser möglich, aber auch immer notwendiger, erneut und im Gesamtzusammenhang die verschiedenen Bereiche und Auswirkungen nationalsozialistischer Rassenpolitik zu bedenken, darzustellen und ggf. auch neu zu bewerten. Das gilt z. B. auch für die Zwangsarbeiterproblematik, die ebenso wie die Zwangssterilisierungen im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Rassenpolitik gesehen werden muß. Das gilt auch für die erneute Überprüfung der Voraussetzungen, Durchführung und der Auswirkungen der Unrechtsurteile nationalsozialistischer Militärjustiz. Daß viele der vom nationalsozialistischen Rassenwahn betroffenen Menschen gerade im Alter Hilfe brauchen, muß vor allem den jungen Menschen erklärt werden. Für sie ist Hitlers „tausendjähriges Reich" mit seiner totalitären Diktatur weit zurückliegende Vergangenheit, und viele wollen damit nichts mehr zu tun haben. Der Generationenvertrag, der für uns alle ein wichtiges soziales Netz darstellt, gilt 20926* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 jedoch auch für die Folgen von Schuld, die in der Eltern- oder Großelterngeneration begangen wurde. Ein anderer Gesichtspunkt: Durch den Zusammenbruch der sozialistischen Staaten des Ostblocks und die anschließend erfolgte Öffnung dieser Länder gegenüber dem Westen hat eine neue Epoche der Wiedergutmachungspolitik begonnen. Sie ist gekennzeichnet durch Glohalzahlungen der Bundesrepublik an Stiftungen und ähnliche Einrichtungen in Polen, den Nachfolgestaaten der UdSSR und in anderen Staaten im östlichen Europa. Heute stehen Anträge auf der Tagesordnung, die eine Regelung für die baltischen Staaten betreffen. Es ist sehr zu begrüßen, daß für diese Staaten eine eigene, von der in Rußland eingerichteten Stiftung unabhängige, Regelung durch die Bundesregierung geschaffen wurde, und daß die notwendigen finanziellen Mittel bereits eingeplant wurden. Es ist erfreulich, daß Estland bereits seine Zustimmung zu dieser Lösung gegeben hat, und wir appellieren an die übrigen baltischen Staaten, diesem Beispiel alsbald zu folgen, damit den Menschen, für die dieses Angebot bestimmt ist, möglichst rasch geholfen werden kann. Ein weiterer Gesichtspunkt: Durch die Herstellung der deutschen Einheit ist die Gestaltung der Gedenkstätten in der ehemaligen DIR als neue Aufgabe der Wiedergutmachung und der Kulturpolitik des Bundes entstanden. Nicht finanzielle Hilfen für die Betroffenen, sondern angemessene Formen des geistigen Umgangs mit diesem düsteren Kapitel deutscher Geschichte sind hier zu finden und umzusetzen. Die Mahn- und Gedenkstätten in der ehemaligen DDR waren Ausdruck einer ideologischen Haltung, die mit dem Begriff „Antifaschismus" eher verschleiert als zutreffend bezeichnet wurde; denn im Sprachgebrauch der SED und der DDR war „Antifaschismus" ein Begriff, mit dem der Kampf gegen die freiheitlichen Demokratien geführt wurde. Es wurde unterstellt, daß sie Stätten des latent nachlebenden „Faschismus" seien, wobei Faschismus abweichend vom allgemeinen Gebrauch des Wortes verstanden wurde als „höchstentwickelte Form des Monopolkapitalismus". Entsprechend instrumentalisiert wurden die Gedenkstätten in der DDR. Sie besaßen für die Pflege des DDR-Antifaschismus eine zentrale Funktion. Im Mittelpunkt quasi-religiöser Ehrungen standen jedoch keineswegs die Opfer des Rassenwahns, also nicht die Juden oder die Sinti und Roma, die den nationalsozialistischen Verfolgungen zum Opfer fielen, sondern die kommunistischen Widerstandskämpfer. Mit der Instrumentalisierung des Antifaschismus verbunden war die Verdrängung der Mithaftung des östlichen Teils Deutschlands für die nationalsozialistische Epoche und die mit ihr verbundenen Unrechtstaten. Dem Westen gegenüber fühlte man sich moralisch überlegen, die Wiedergutmachungspolitik der Bundesrepublik mit ihren erheblichen finanziellen Aufwendungen und mit ihren Bemühungen um geistige Aufarbeitung wurde schlicht verschwiegen. Am Beispiel der Behandlung der jüdischen Verfolgten in der ehemaligen DDR läßt sich verdeutlichen, was aus diesen ideologischen Ansätzen folgte. Jüdinnen und Juden wurden nach 1945 im SED-Staat vielfach als Vertreter des Kapitalismus ideologisch diffamiert. Das von den Nationalsozialisten enteignete Vermögen wurde ihnen nicht zurückgegeben. Viele entzogen sich dieser erneuten Diskriminierung dadurch, daß sie der DDR den Rücken kehrten. In den 50er Jahren gab es aus diesem Grund eine regelrechte Fluchtwelle. Wer sich aus religiösen Gründen dem Marxismus-Leninismus gegenüber ablehnend verhielt, wurde gesellschaftlich ausgegrenzt. Die jüdischen Gemeinden wurden mit Stasi-Spitzeln durchsetzt und ständig überwacht. Die jahrzehntelage Indoktrination der Menschen in der ehemaligen DDR ist natürlich nicht ohne Folgewirkungen geblieben. Es ist dringend notwendig, das in der DDR verbreitete, ebenso verzerrte wie einseitige Bild vom nationalsozialistischen System, seinen Opfern und dem Widerstand, den es hervorrief, zu korrigieren. Es ist auch notwendig, gegen die verbreitete Vorstellung anzugehen, daß bereits die Erinnerung an den Nationalsozialismus obsolet, bzw. — durch den „Antifaschismus-Kult" der DDR — überflüssig sei. Zu dieser Aufgabe der Auseinandersetzung mit einer ideologisch bedingten Geschichtsverzerrung können die Gedenkstätten einen wichtigen Beitrag leisten. Es ist daher dringend geboten, die Gedenkstätten von der marxistisch-leninistisch-antifaschistischen DDR-Gestaltung zu befreien und sie zu einem Ort politischer Besinnung auf der Grundlage eines objektiven Geschichtsverständnisses zu machen. Die vorliegenden Anträge geben diesem Anliegen nachdrücklich Ausdruck. Die Gedenkstättenarbeit der kommenden Zeit wird sich darüber hinaus der besonders schwierigen Aufgabe zu widmen haben, angemessene Formen des Gedenkens auch dort zu finden, wo Haftstätten der Nationalsozialisten weiterbenutzt wurden von der sowjetischen Besatzungsmacht und dann von der DDR. Nirgendwo kommt der totalitäre Charakter beider Diktaturen in Deutschland so sinnfällig zum Ausdruck wie in Haftstätten bzw. nunmehr Gedenkstätten wie Buchenwald oder Sachsenhausen. An Orten wie diesen oder mit ihnen verbunden sollte durch Dokumentationseinrichtungen, Bildungsstätten und in Forschungsprojekten den vielfältigen Fragen nach den ideologischen Ursachen von staatlich gelenktem diktatorischen Verhalten, natürlich aber auch nach den Unterschieden, die beide Diktaturen dabei aufwiesen, nachgegangen werden. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt das vorliegende Gesamtkonzept für die Beteiligung des Bundes an der Errichtung bzw. Erhaltung und Umgestaltung von Mahn- und Gedenkstätten in den neuen Bundesländern. Wir erwarten, daß dem Parlament ein detailliertes Konzept für die Auswahl und die angemessene Gestaltung einzelner Gedenkstätten vorgelegt wird. Dabei müssen möglichst alle Ausprägungen und alle Gruppen der vom nationalsozialistischen Terrorsystem Betroffenen Berücksichtigung finden. Lassen Sie mich abschließend in meiner Eigenschaft als Vorsitzende des Unterausschusses „Wiedergutmachung" des Deutschen Bundestages allen danken, die Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20927* an der schwierigen und bedrückenden Wiedergutmachungsarbeit in dieser Legislaturperiode mitgewirkt haben. Das gilt in erster Linie den Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen sowie der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Unterausschuß, das gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ausschußsekretariat und in den Fraktionen — an der Spitze Herrn Hans-Anton Hilgers — das gilt den beteiligten Beamten in den Ministerien, vor allem im Bundesfinanzministerium und im Bundesinnenministerium. Dankbar erwähnt sei aber auch die engagierte Arbeit der Verbände und Vereine, der Vertreter von Städten und Gemeinden, die sich der Gedenkstättenbetreuung widmen, der Sachverständigen und der vielen Menschen, die dazu beitragen, daß die Erinnerung an das Unrecht, das von den zwei Diktaturen in Deutschland in diesem Jahrhundert ausging, nicht verblaßt. Diese Erinnerung soll dazu beitragen, daß sich Ähnliches nicht wiederholt. In diesem Sinne wünsche ich, daß auch in der kommenden Legislaturperiode die Wiedergutmachungspolitik den ihr gebührenden wichtigen und würdigen Platz in der politischen Arbeit einnimmt. Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD): Wenn die SPD-Bundestagsfraktion darauf verzichtet hat, ihren Antrag — Drucksache 12/5683 — im Plenum zur Abstimmung zu stellen, dann deshalb, weil wir in den Beratungen zum Antrag — Drucksache 12/7167 — die Überzeugung gewonnen haben, wir können uns dem Tenor anschließen. Der SPD geht es darum, einen Weg zu finden, damit den wenigen noch lebenden Opfern nationalsozialistischen Unrechts in den Baltischen Staaten eine individuelle Entschädigung zukommt. Die Mitglieder der Fraktionen von CDU/ CSU und F.D.P. haben in den Beratungen der beteiligten Fachausschüsse zu erkennen gegeben, daß wir uns in diesem Ziel einig sind. Weil wir unsere Intention in dem nunmehr von Frau Prof. Wisniewski und anderen vorgelegten Antrag wiederfinden, unterstützen wir auf diese Weise unser Anliegen. Nachdem der Deutsche Bundestag den Beschluß gefaßt haben wird, erwarten wir von der Bundesregierung, daß sie das Parlament umgehend unterrichtet über den Fortgang der Gespräche mit den Baltischen Staaten. Die zu unterbreitenden Angebote an die Baltischen Staaten müssen eine Entschädigung enthalten, die die individuellen Bedürfnisse der Opfer berücksichtigt. Die Erfahrungen mit den Stiftungen „Verständigung und Aussöhnung" in Rußland, Belarus und Ukraine zeigen, daß es klug ist, die Verbände der Opfer an den Entscheidungen der Institutionen direkt zu beteiligen. Daher erwarten wir von der Bundesregierung auch, daß sie bei einer Neukonstruktion von vornherein einbezogen werden. Wolfgang Lüder (F.D.P.): Die Themen, die in der heutigen Debatte zusammengefaßt sind, lassen mich einerseits mit Befriedigung, andererseits mit Verbitterung auf acht Jahre Wiedergutmachungsarbeit im zuständigen Unterausschuß des Innenausschusses des Deutschen Bundestages zurückblicken. Diese Arbeit verschaffte Befriedigung, weil wir in diesen Jahren für viele Verfolgte manches erreicht haben. Wir konnten Menschen helfen, die vom NS-Staat verfolgt waren. Wir haben Verantwortung für einzelne wahrgenommen, um ihnen zu helfen, insbesondere für jene Opfer deutschen staatlichen Unrechts, die — wegen der Auswirkungen der NS-Verfolgung — heute zu den Bedürftigen zählen. Bei den Hilfen, die wir erreichen konnten, ging es nicht um Fragen, die die Öffentlichkeit und ganze Gruppen der Bevölkerung bewegen, ging es nicht um die Frage, ob Lehrer nach A 11 oder A 12 eingestuft werden sollen. Nein, es ging darum, ob wir einem NS-Verfolgten, der lange im KZ saß und seither — seit 50 Jahren — keine Entschädigung erhielt, weil er im Osten Europas festgehalten war, und der deswegen nicht aussiedeln und keine Anträge stellen konnte, ob diesen Menschen eine Einmalzahlung von 5 000 DM oder, wenn es sich um besondere Härtefälle handelte, eine kleine laufende Zahlung von wenigen hundert Mark im Monat zur Ausbesserung der Sozialhilfe gewährt werden konnte. Mit den heute zur Beschlußfassung vorliegenden Anträgen wollen wir sicherstellen, daß gegenüber den Opfern, die heute noch leben, die Verpflichtung des Bundes auch dann weiter eingehalten wird, wenn die Finanzplanungen des Bundes ein Ende vorsehen, obwohl die Opfer noch leben. Solange sie leben, sollen sie Anspruch auf Zahlung behalten. Den Opfern zu helfen heißt, Verantwortung vor der Geschichte wahrzunehmen. Dieser Verantwortung sind wir verpflichtet, solange die Opfer noch unter der Verfolgung leiden. Es geht um ein bescheidenes Stück Wahrnehmung deutscher Verantwortung, häufig außerhalb des Scheinwerferlichts der Fernsehkameras. Zu dieser Verantwortung gehört auch die Gestaltung und Bewahrung von Gedenkstätten, da wir über dem Unrecht der Nachkriegszeit in Ostdeutschland das ihm vorhergehende und dieses erst auslösende Unrecht des NS-Staats, da wir die Einmaligkeit des Holocaust und des Völkermordes an Roma und Sinti, da wir das Unrecht, das deutsche Militärjustiz gegenüber Wehrdienstverweigerern und Deserteuren brachte, nicht vergessen dürfen. Zur Wahrnehmung dieser Verantwortung gehört, das Unrecht auch zu benennen, Dazu ist es notwendig auch mit Unterstützung des Bundes — in Gedenkstätten das Wissen von Unrecht wachzuhalten. Zur Wahrnehmung der Verantwortung vor der Geschichte gehört auch, daß wir uns für die Wiedergutmachung, falls dieses Wort in Anbetracht der geringen Beträge, die wir den Opfern zahlen, nicht zu hoch angesetzt ist, gegenüber den Opfern in den Baltischen Staaten einsetzen. Dies alles erarbeitet zu haben schafft Befriedigung, weil es dazu beiträgt, daß wir Deutschen, die wir uns so gern und hoffentlich zu Recht als Angehörige einer Kulturnation verstehen, Verantwortung gegenüber der Geschichte als Verantwortung gegenüber Menschen wahrnehmen. Mit Bitterkeit denke ich an die Auseinandersetzungen im finanziellen Bereich zurück, die uns über die Jahre begleitet haben. Ich werde nicht vergessen, wie 20928* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 1987, zu Beginn der vorletzten Legislaturperiode, als wir wenig Geld für die noch nicht entschädigten überlebenden Opfer des NS-Regimes, für Juden und Nichtjuden, durch Aufstockung oder Neuschaffung von Härtefonds erhalten wollten, der Finanzminister auch in Auswertung einer großen öffentlichen Anhörung nein sagte; „nicht einen Pfennig wird es geben", sagte mir der Vertreter des Finanzministers in einer Koalitionsverhandlungsrunde im Kanzleramt. Und dann hat die Koalition — mit Unterstützung der SPD und der GRÜNEN, mit denen wir uns bei diesen Fragen im Grundsatz stets einig waren — wenigstens die bescheidenden Zahlungen ermöglicht, die wir jetzt für die Zukunft festschreiben wollen. Es ging nicht um die Wahrnehmung der verantwortlichen Aufgaben der Finanzpolitik, überflüssige Ausgaben zu vermeiden, es ging um unterschiedliche Denkrichtungen zwischen den Parlamentariern und dem Ministerium, diese freilich unterstützt von unseren Haushaltskollegen: Wir Innenpolitiker aus allen Fraktionen waren und sind uns einig, den Menschen zu sehen, ausschließlich den Menschen, nicht die Strukturen haushälterischer Bedenklichkeiten. Wir sehen die Opfer deutschen staatlichen Unrechts, wo immer sie leben. Unverständlich bleibt, warum die Bundesregierung, die sonst jede noch so kleine Wohltat pressewirksam zu verkünden sucht, peinlich schweigt, wenn das Parlament oder das Bundessozialgericht — bei den Wehrdienstverweigerern — kleine Verbesserungen für NS-Opfer durchgesetzt haben. Unverständlich bleibt, mit Bitterkeit denke ich zurück, warum mehrere Sitzungen unseres Unterausschusses notwendig waren, um z. B. der Claims Conference zu gestatten, für überlebende jüdische Opfer deutschen NS-Terrors, die jetzt in den Baltischen Staaten leben, aus bereits zur Verfügung gestellten Finanzmitteln zu genehmigen, diese für ein Altersheim in einem der Baltischen Staaten zur Verfügung zu stellen, auch wenn die staatlichen Verhandlungen über die Opferhilfe noch nicht abgeschlossen sind. Wir wollen nicht warten, bis noch mehr Menschen gestorben sind, denen wir heute mit bereits zur Verfügung gestelltem Geld, nicht mit neu bewilligtem, helfen könnten. Wenn dann sogenannte Territorialitätsprinzipien eine Rolle spielen, die in Zeiten des Kalten Krieges mauerbedingt Hilfe nach Osteuropa ausschlossen, dann erreicht liberale Toleranz gegenüber dem Andersdenkenden bisweilen ihre Grenzen. Ich bitte Sie um Zustimmung zu den heute vorliegenden Ausschußempfehlungen. Dann setzen wir unsere Verantwortung auch für die Zukunft fort. Konrad Weiß (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Deutsche Bundestag berät am heutigen Abend über eine Fülle von Gesetzen und Anträgen, die sich mit dem nationalsozialistischen Terror befassen. Ich fürchte, die Betroffenen und ihre Angehörigen werden es als Demütigung empfinden, wenn im Sammel- und Schnellverfahren über ihre unterschiedlichen Belange befunden wird. Und dies am Vorabend der abschließenden Verfassungsdebatte, wodurch vielen Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses die persönliche Teilnahme an dieser wichtigen Debatte nicht möglich ist. Zunächst zu den Opfern der NS-Militärjustiz: Es ist beschämend, daß die Koalitionsparteien immer noch nicht bereit sind, den beinahe 50 000 Menschen, die von nationalsozialistischen Militärrichtern zum Tode verurteilt wurden, endlich eine rechtliche Rehabilitierung zu verschaffen. Durch die Vertagung der Abstimmung über den Entwurf der SPD hat die Koalition die Chance erhalten, ihre Position noch einmal zu überdenken und zu überprüfen. Ich hoffe, daß sie im Interesse der Opfer davon Gebrauch machen wird. Auch Zwangssterilisierte und „Euthanasie"-Geschädigte werden voller Enttäuschung und Zorn sein, daß der Deutsche Bundestag ihre berechtigten Forderungen wiederum nicht berücksichtigen wird. Die heute vorgelegte Entschließung wurde bereits vor sechs Jahren mit identischem Wortlaut vom Bundestag verabschiedet. Ich finde es beschämend, wie krämerisch Deutschland mit den Opfern der beiden totalitären Systeme umgeht, den Tätern hingegen großzügige Renten gewährt. Es ist ganz und gar unverständlich, daß der Bundestag nicht endlich eine politische Nichtigkeitserklärung für die Urteile der NS-Erbgesundheitsgerichte verabschiedet. Die Betroffenen, die sich mit mehr als 8 000 Unterschriften an den Petitionsausschuß gewendet haben, werden diese Entscheidung zu Recht nicht akzeptieren. Es ist nicht einsehbar, daß trotz gesicherter medizinischer Erkenntnisse über die Folgeschäden der Zwangs-Sterilisierungen die Opfer immer noch entwürdigenden Gesundheitsprüfungen ausgesetzt werden. Dabei wurden dem Deutschen Bundestag überzeugende Gutachten von Fachärzten vorgelegt. Auch führende Persönlichkeiten aus den Kirchen haben solche Regelungen immer wieder befürwortet. Im Interesse der Betroffenen bitte ich die Fraktionen dieses Hauses, unserem hier vorgelegten Änderungsantrag zuzustimmen. Auch die verschiedenen Anträge über die Gedenkstätten in Deutschland hätten eine ausführliche Debatte und viel Öffentlichkeit verdient. Die Situation ist fatal: Die Verantwortung für die Stätten des nationalsozialistischen und des stalinistischen Terrors ist aufgesplittert; es gibt keine klare Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern und noch immer keine ausreichenden Konzepte; die Opferverbände haben Mühe, sich gegenseitig zu respektieren. Immer neue Probleme werden uns bewußt, etwa durch die Gräberfunde in den ehemaligen Speziallagern oder in ihrer Nähe oder durch die Erinnerung an nationalsozialistische Verbrechen, insbesondere an den Homosexuellen oder den Opfern der „Euthanasie", die zu DDR-Zeiten sträflich mißachtet worden ist. So werden gerade in Oranienburg/Sachsenhausen heftigte Debatten geführt um die unsensible Benennung von Straßen in einem neu entstehenden Gewerbeviertel auf einem Gelände, das zum ehemaligen Konzentrationslager gehört. Die Empfehlung und Bitte der Jüdischen Gemeinden, der Opferverbände und der Landesregierung, diese Straßen nach Antifaschisten zu benennen, die in Sachsenhausen ums Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20929* Leben gekommen sind, wurde von der Kommune in der Gemeinde gröblich mißachtet. Ebenso unsensibel war der bisherige Umgang mit einem Schießstand, der zum Konzentrationslager gehörte. Wir wissen inzwischen aus den Berichten von Überlebenden, daß hier Häftlinge als lebende Zielscheiben mißbraucht worden sind. Von der Volksarmee der DDR wurde dieser Schießstand pietätlos weitergenutzt, bis vor kurzem auch noch von der brandenburgischen Polizei. Dies ist durch einen Erlaß des brandenburgischen Innenministers nun abgestellt. Ähnliche Beispiele ließen sich viele nennen. Ich betrachte es als bleibende Aufgabe der deutschen Politik, sich verantwortlich zu wissen für den würdigen und respektvollen Umgang mit den Orten der deutschen Geschichte, an denen die grausamen Verbrechen zweier totalitärer Regime verübt worden sind. Ich hoffe und erwarte, daß der künftige Bundestag sich mit einem gewichtigen Unterausschuß Wiedergutmachung und Gedenkstätten dieser Verantwortung bewußt ist und daß sich der künftige Bundesinnenminister konzeptionell und organisatorisch und deutlicher als bisher der Stätten des totalitären Terrors in Deutschland, vor allem aber der noch lebenden Opfer annimmt. Petra Bläss (PDS/Linke Liste): Bei der Vielzahl der zu beratenden Beschlußempfehlungen und einer Redezeit von vier Minuten verzichte ich darauf, zu einzelnen Vorlagen etwas zu sagen. Ich verzichte jedoch nicht darauf, die einseitige und für Wahlkampfzwecke mißbrauchte Geschichtsauffassung der CDU/CSU zu kritisieren. Eine solche Geschichtsauffassung verbreitete der Abgeordnete Eppelmann in seiner Rede zum Abschlußbericht der Enquetekommission am 17. Juni, im Vorfeld der Gedenkfeiern zum 50. Jahrestag des 20. Juli übernahm Graf Stauffenberg den Stafettenstab, und für die nächste Runde, die Gedenkrede zum 20. Juli, steht der Bundeskanzler höchstpersönlich bereit. Ich wähle den Streit um die Ausstellung zum Gedenken an den 20. Juli 1944 als geeignetes und aktuelles Beispiel für unterschiedliche Bewertungen des antifaschistischen Widerstandskampfes. Der 20. Juli ist aber auch ein Beispiel dafür, wie ein in der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung schon gefundener Konsens aus vordergründigen politischen Erwägungen wieder in Frage gestellt wird. Die Schwierigkeiten in der DDR im Umgang mit dem 20. Juli 1944 rührten lange Zeit aus der Frage: Was wäre aus Deutschland geworden, wenn der Attentatsversuch erfolgreich gewesen wäre? Eine Monarchie? Eine Militärdiktatur? Auch in der westdeutschen Geschichtsschreibung war die Auffassung verbreitet, daß ein nach dem jetzigen Grundgesetz verfaßtes Deutschland nach einem Erfolg der hinter dem Attentat stehenden Kreise nicht möglich gewesen wäre. 1984, 40 Jahre nach dem 20. Juli 1944, setzte sich in der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung in Ost und West die sehr viel vernünftigere Ansicht durch, den 20. Juli vor allem als breiten Zusammenschluß von Kräften zu würdigen, die, aus welchen Motiven auch immer, dem Krieg und dem Völkermorden ein Ende setzen wollten und damit allen betroffenen Völkern unermeßliches Leid und Millionen von Toten erspart hätten. Diese Auffassung spiegelt sich auch im Konzept der Gedenkstätte des deutschen Widerstandes im Bendlerblock wider, wie sie von ihrem wissenschaftlichen Leiter, Professor Steinbach, vertreten wird. Der Regisseur von zur Mühlen bemerkte dieser Tage, daß eine umfassende, sachliche und ein Millionenpublikum erreichende Dokumentation des Widerstandes vom 20. Juli 1944 nicht zuerst in Westdeutschland vorgelegt wurde, sondern vom Fernsehen und Rundfunk der DDR im Jahre 1984. Jetzt aber soll die Frage nach den tatsächlichen oder möglichen Absichten verschiedener Gruppen des antifaschistischen Widerstandes wieder zum entscheidenden Kriterium bei der Gestaltung von Gedenkstätten werden. Und nicht nur das. Tote und Überlebende, deren Absichten in eine konservative Gesellschafts- und Geschichtsauffassung passen, sind gute Tote und Überlebende, Sie gehören geehrt und in das kollektive Gedächtnis. Tote und Überlebende aber, die ihren antifaschistischen Widerstand mit der Hoffnung auf eine andere Gesellschaft verbanden, sind schlechte Tote und Überlebende. Sie gehören nicht in Gedenkstätten und ihre Namen nicht auf Straßenschilder. So jedenfalls beantwortet CSU-Mitglied Franz Ludwig Graf Stauffenberg die Frage nach angemessener Würdigung antifaschistischen Widerstandes: Ulbricht, Pieck, Honecker und Abertausende ähnlich Gesinnter gehören aus dem antifaschistischen Widerstand gestrichen, weil sie andere Absichten hatten als der Vater des Grafen. Der Graf, und deshalb spreche ich hier dazu, steht mit seinem Versuch, linken Widerstand und damit auch linke Bewegungen zu kriminalisieren, nicht allein. Wenn ich die Gedenkstättendebatte resümiere, wie sie von der CDU/CSU geführt wird, so ist die Stoßrichtung des Grafen auch die der CDU/CSU, und er ist ihr Vorsprecher. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU: Ihrem Geschichtsbild fehlt die dazugehörige linke Hälfte. Ich bin trotz Ihrer Kampagnen aber guter Hoffnung, daß es im Lande und auch hier im Bundestag genügend Frauen und Männer gibt, die dafür sorgen, daß immer wieder ein vollständiges Bild hergestellt und bewahrt wird. Siegfried Vergin (SPD): Im nächsten Jahr begehen wir den fünfzigsten Jahrestag des Kriegsendes und der Befreiung der Überlebenden aus den nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslagern. Sicher zum letzten Mal werden sich in größerer Zahl Opfer deutscher Barbarei zum Gedenken treffen. Was für ein Signal wäre es gewesen, wenn die Fraktionen des Deutschen Bundestages heute einen gemeinsamen Antrag hätten beschließen können, der gezeigt hätte: Die Bundesrepublik Deutschland ist sich ihrer Verantwortung für die Erinnerung an die Schrecken zweier Diktaturen bewußt, und sie ist gewillt, im Rahmen ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung herausragende Gedenkstätten auf Dauer zu fördern. 20930* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 Dies ist nun trotz intensiver Vorbereitungszeit nicht gelungen. Fast zweieinhalb Jahre hat der Deutsche Bundestag gebraucht, um sich eine Meinung zu der gesamtstaatlichen Verantwortung des Bundes für die Gedenkstätten zu bilden. Ich will nicht verhehlen: Ich hätte es begrüßt, wenn wir schneller zu einem Konsens gekommen wären — und dann natürlich auf dem Boden der SPD-Vorstellungen, die in Fachkreisen und bei den unmittelbar betroffenen Opferverbänden auf breite Zustimmung stoßen. Andererseits hat die intensive Beschäftigung dem Deutschen Bundestag sehr gut angestanden. Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich intensiv am 28. November 1991 im Gespräch mit Sachverständigen ihre Meinung gebildet, der Innenausschuß ist am 7. März 1994 mit einer eigenen Anhörung — im übrigen der ersten überhaupt in dieser Parlamentsgeschichte zu diesem Problem — gefolgt. Die Berichterstatter haben sich wiederholt getroffen und beraten. Wir haben es uns nicht leichtgemacht. Ich bin froh, daß die Fraktionen sich wenigstens in den Grundpositionen haben einigen und in einer Entschließung diese Überzeugungen als gemeinsames Zeichen an das In- und Ausland senden können: Wir sind übereingekommen, daß die Gedenkstätten als Orte der Trauer, der Erinnerung und der Mahnung gestaltet sein müssen. Wir sind übereingekommen, daß es für einen freiheitlichen Rechtsstaat Verpflichtung sein muß, diese Erinnerung an die Schrecken zweier Diktaturen wachzuhalten. Wir sind übereingekommen, daß die Gedenkstätten der Weiterentwicklung der demokratischen Gesellschaft dienen, die die Motivation verstärken, zur Verhinderung ähnlicher Verbrechen in Gegenwart und Zukunft beizutragen. In wesentlichen Punkten konnte die SPD den Vorstellungen der Regierungskoalition nicht folgen: Erster Punkt: Der Antrag der Regierungskoalition sieht nur noch die Förderung von Gedenkstätten in Ostdeutschland vor. Mit den in den beiden Anhörungen gehörten Sachverständigen sind wir der Auffassung, daß dies nicht ausreicht. Auch die westdeutschen Einrichtungen sind dringend auf die Unterstützung des Bundes angewiesen. Zweiter Punkt: Die Regierungskoalition will die ostdeutschen Gedenkstätten vorerst für 10 Jahre fördern. Als ob die Verantwortung vor der Geschichte mit dieser Zeitgrenze ein Ende finden würde! Dritter Punkt: Die Verankerung der politischen Bildung in den Gedenkstätten ist uns zu unbestimmt formuliert. Wenn vor allem die jungen Menschen, die die Zeiten des Terrors nicht mehr aus eigenem Erleben kennen, erreicht werden sollen, ist ein hohes Maß an Professionalität notwendig, braucht man kluge didaktische Konzepte. Es reicht also nicht eine vage Zusicherung, daß „möglichst" die politische Bildung bei den Gedenkstätten verankert werden soll. Gedenkstätten und die professionell betriebene politische Bildung gehören eng zusammen. Für die SPD erkläre ich: Wir können der Entschließung mit der Feststellung der Grundüberzeugungen zu den Gedenkstätten und der Verantwortung des Bundes zustimmen. Wir bleiben bei unserem „Leitlinien"-Antrag. Den Antrag der Regierungskoalition lehnen wir begründet ab. Im Umgang mit den Gedenkstätten zeigt sich die politische Kultur unseres Landes. Mit dem Antrag der Regierungskoalition kann die Bundesrepublik dieser Verantwortung nur unvollkommen gerecht werden. Lassen Sie mich aus aktuellem Anlaß noch einige Worte zu der Diskussion um die Gedenkstätte Deutscher Widerstand im Berliner Bendler-Block sagen, auch eine Gedenkstätte, die ab Herbst 1994 vom Bund und vom Land Berlin gefördert werden soll: Ich achte das Engagement von Franz Ludwig Graf Stauffenberg, dem Sohn des Hitlerattentäters, der das Andenken seines Vaters durch die gleichzeitige Darstellung des kommunstischen Widerstandes in der Gedenkstätte beschädigt sieht. Ich warne die Bundesregierung aber davor, aus dieser persönlichen Betroffenheit heraus politische Konsequenzen für eine Ausstellung zu ziehen, an deren wissenschaftlicher Seriösität bisher niemand auch nur den geringsten Zweifel hatte. Wer sich aus welchen Gründen auch immer für das Abhängen von Bildern einsetzt, muß wissen: Er blendet historische Wahrheit aus, er sorgt für eine Katalogisierung in Widerstand erster und zweiter Klasse. Dies widerspricht der historischen Wahrheitsfindung. Ich will keine politisch beeinflußte, gar gesteuerte Geschichtswissenschaft. Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Politik sollte sich dieses Grundsatzes erinnern und entsprechend den Wissenschaftlern das Feld überlassen. Die Gesamtkonzeption der Bundesregierung zu den Gedenkstätten liegt vor. Die Förderung hervorragender Gedenkstätten in Ostdeutschland in gemeinsamer Arbeit von Bund und Ländern kann in absehbarer Zeit beginnen. Wie die finanzielle Ausstattung aussehen wird, bleibt abzuwarten. Ich will nicht hoffen, daß es hier zu Enttäuschungen kommt. Jüngstes Beispiel bei der bereits zugesagten Unterstützung ausländischer Gedenkstätten: Ich habe mit Schrecken gehört, daß für die Stiftung Theresienstadt keine Mittel für 1995 vorgesehen sind. Und wer kann mir erklären, weshalb die Mittel für Gedenkstätten in Ostdeutschland noch geschmälert werden sollen durch zwei aus dem gleichen Topf zu fördernde Ausstellungen, die mit den Gedenkstätten, über die wir heute entscheiden, nichts zu tun haben? Diese Entscheidung muß aufgehoben werden. Ich kann versprechen, daß wir den weiteren Umgang mit den Gedenkstätten sorgfältig beobachten und politisch begleiten werden. Manches hätten wir anders gestaltet, aber die jetzt gefundene Lösung verstehen wir als immerhin ersten wichtigen Schritt. Denn: Nur wer die Vergangenheit versteht, kann die Zukunft im Sinne von Toleranz und Demokratie gestalten. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20931* Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 12 (Antrag: Politische Stärkung und institutioneller Ausbau der KSZE) Edelgard Bulmahn (SPD): In kaum einer anderen Frage sind sich die Kolleginnen und Kollegen, die sich mit außen- und sicherheitspolitischen Fragen beschäftigen, so weitgehend einig, wie bei der notwendigen Stärkung der KSZE. Ich hoffe daher, daß unser Antrag von allen getragen werden kann, weil es darum geht, durch ein breites parlamentarisches Votum zu einem positiven Ergebnis der KSZE-Gipfelkonferenz Ende dieses Jahres beizutragen. Vor einem Jahr ist es uns gelungen, mit den gemeinsamen Anträgen zur Einstellung der Atomwaffenversuche und zur Nichtverbreitung von Kernwaffen international beachtliche Wirkung erzielen. Daran sollten wir anknüpfen. Noch immer wird die KSZE unterschätzt. Langfristig ausgerichtete, zähe diplomatische Arbeit ist eben wenig spektakulär. Aber jüngst konnten wir in der FAZ, die ja die KSZE sonst eher links liegen läßt, Erstaunliches zu lesen: die KSZE sei besser als ihr Ruf und sei mit ihrer „wenig beachteten Feldarbeit von allgemeinem Nutzen". In der Tat: KSZE-Vertreter haben in einigen Konfliktherden die Kärrnerarbeit für Entspannung und friedliche Streitbeilegung übernommen. Sie haben dazu beigetragen, daß sich die Lage zwischen Balten und Russen teilweise entspannt hat. In Nagornyi Karabach ist die KSZE intensiv tätig. Dort soll auch die Probe aufs Exempel gemacht werden, wie friedenserhaltende Missionen auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion unter dem Dach der KSZE durchgeführt werden können. Russische Blauhelme sollen zusammen mit KSZE-Beobachtern eine Verhandlungslösung möglich machen. Auch im Krim-Konflikt ist die KSZE inzwischen aktiv geworden. Die KSZE verfügt mit ihren Langzeitmissionen, mit dem Hochkommissar für nationale Minderheiten und mit dem Ständigen Ausschuß über Instrumente, um Konflikte frühzeitig angehen zu können, Frühzeitig heißt, bevor Gewalttätigkeiten ausgebrochen sind. Sicher: die KSZE kann ohne die Bereitschaft der Konfliktparteien zum Frieden nichts unmittelbar bewirken. Die KSZE kann aber immer wieder die Vorteile friedlicher Konfliktregelung vor Augen führen, sie kann Initiativen zum Ausgleich widerstreitender Interessen entwickeln, sie kann beharrlich vermitteln und Verhandlungen in Gang bringen. Sie kann mithelfen, demokratische Strukturen aufzubauen und zu festigen. Sie kann dazu beitragen, Menschen- und Minderheitenrechte zu sichern. Mit ihrem Wirtschaftsforum kann die KSZE — neben der Europäischen Union — einiges tun, um mit Wirtschafts- und Sozialprogrammen konfliktmindernd zu wirken. Dies ist nach meiner Überzeugung längerfristig der richtige Ansatz, um die Grundlagen für ein stabileres, friedlicheres Zusammenleben der Völker zu schaffen. Gerade das im letzten Jahr eingerichtete Amt des Hochkommissars für nationale Minderheiten steht beispielhaft dafür, wie die KSZE-Arbeit angelegt ist: Der Hochkommissar ist ein „Instrument zur Konfliktverhütung im frühestmöglichen Zeitpunkt". Es ist inzwischen weithin anerkannt, daß Max van der Stoel in kurzer Zeit bereits Erhebliches geleistet hat. Wenn man dabei bedenkt, daß dieses Amt bisher mit sage und schreibe drei Mitarbeitern ausgestattet ist, weiß man dies besonders zu schätzen. Es verweist aber zugleich darauf, daß die KSZE noch weit unter ihren Möglichkeiten bleibt. Sie ist schlicht und einfach unzureichend ausgestattet. Meine Fraktion unterbreitet im vorliegenden Antrag Vorschläge, wie die KSZE weiter ausgebaut werden kann. Wir wollen zugleich, daß der KSZE endlich die Mittel zu kommen, die sie für ihre Arbeit braucht. Es geht dabei nicht darum, eine neue Einrichtung bürokratisch aufzublähen. Dies hat Generalsekretär Höynck bei einer Anhörung des Auswärtigen Ausschusses ja auch deutlich gemacht. Wir haben uns in Gesprächen in Wien und bei einer Anhörung unserer Fraktion einen sehr genauen Einblick verschafft, was jetzt getan werden muß. Es geht erstens darum, die Arbeit der KSZE auf eine verläßliche finanzielle Grundlage zu stellen. Zweitens muß die KSZE bei ihren Missionen auf ausreichend qualifiziertes Personal zurückgreifen können. Wir können dabei mithelfen, indem wir dafür eine angemessene Personalreserve im Auswärtigen Amt bilden. Dies, Herr Außenminister, sollten wir gemeinsam angehen. Drittens sollte die Rolle des Generalsekretärs gestärkt werden. Schnelle Reaktionsfähigkeit und Flexibilität können der KSZE nur gut tun. Der Ausbau der KSZE-Institutionen wird aber nur dann etwas bringen, wenn die KSZE politisch aufgewertet wird. Die ganze knifflige Debatte der letzten Wochen um die Ost-Erweiterung der NATO, der WEU oder der EU hat ein Dilemma offenbart: Die Staaten im KSZE-Raum werden in unterschiedlichem Tempo zusammenwachsen. Die Integration der östlichen Staatenwelt wird nur mittelfristig und in unterschiedlicher Geschwindigkeit erfolgen. Daraus erwächst die Gefahr, daß neue Gräben oder gar Brüche entstehen, die wir unter allen Umständen vermeiden müssen. Ein Weg, dies zu verhindern, ist die politische Stärkung der KSZE. Sie kann als gesamteuropäisch-transatlantische Einrichtung die ständige politische Konsultation aller KSZE-Teilnehmerstaaten sicherstellen. Sie kann damit auch wesentlich zur Einbindung Rußlands beitragen. Der Streit um eine hierarchische Ordnung der bestehenden Einrichtungen — NATO, WEU, KSZE — scheint mir müßig. Auf die Eigenheiten, auf die Spezifika der jeweiligen Einrichtung kommt es an. 20932* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung, Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 Und es bleibt dabei, daß nur die KSZE alle Staaten von Vancouver bis Wladiwostok auf gleichberechtigter Grundlage umfaßt. Daher scheint sie zur friedlichen Streitbeilegung und zur Konfliktverhütung besonders geeignet. Eines liegt mir besonders am Herzen: Abrüstung und Rüstungskontrolle bleiben auch unter den veränderten Rahmenbedingungen in Europa wichtig. Nur leider wird darüber im Forum für Sicherheitskooperation gegenwärtig nicht gesprochen. Für Budapest haben sich die Teilnehmerstaaten die Verabschiedung eines Verhaltenskodex vorgenommen, der das Prinzip der Nichtanwendung von Gewalt weiter konkretisieren soll. Wir unterstützen dies. Die EU-Staaten haben dazu einen Vorschlag vorgelegt. Wir regen zugleich an, in einem nächsten Schritt Vorschläge anderer Delegationen aufzugreifen, die mit dem erweiterten Sicherheitsgriff der KSZE Ernst machen wollen. Wir wollen aber weder bei diesem Verhaltenskodex noch bei der Harmonisierung der Abrüstungs- und Rüstungskontrollverpflichtungen stehenbleiben. Wir wollen weiter gehen: Ende 1995 müssen die Abrüstungsverpflichtungen nach dem KSE-Vertrag erfüllt sein. Und jeder weiß, daß die dort festgelegten Obergrenzen nach heutigen Maßstäben viel zu hoch angesetzt sind. Außerdem gilt: Stillstand bei der Abrüstung wird zum Rückschritt, weil die Rüstungsmodernisierung auf allen Seiten weitergeht. Warum werden die Ankündigungen des russischen Präsidenten und seines Verteidigungsministers, die russischen Streitkräfte erheblich zu verkleinern, nicht zum Anlaß genommen, um Verhandlungen zu vertraglich abgesicherten und den KSZE-Raum umfassende Reduzierungen der Streitkräfte und der Rüstungshaushalte vorzuschlagen? Dies wäre aus vielerlei Gründen dringend geboten: 1. Wenn weniger Waffen vorhanden sind, werden auch die Möglichkeiten des Waffeneinsatzes in Konflikten vermindert. Daher müssen Abrüstung und restriktive Rüstungsexportpolitik Hand in Hand gehen. Schöne Absichtserklärungen der KSZE-Delegationen sind gut, besser wären konkrete Festlegungen, mit denen sich alle verpflichten würden, Waffengeschäfte zu drosseln, statt sie wiederzubeleben (was ja leider der Fall ist). 2. Die Möglichkeiten bewaffneter Angriffe werden durch eine Reduzierung von Waffen und Soldaten und durch eine weiterreichende defensive Ausrichtung der Streitkräfte beträchtlich verringert. Dies ist nach wie vor ein Schlüsselglied bei der Vertrauensbildung zwischen den Staaten. 3. Der nahezu ungebremsten Rüstungsdynamik sind Fesseln anzulegen, wenn wir von den immer noch viel zu hohen Rüstungsausgaben herunterkommen wollen. Der vermeintliche Zwang zur Rüstungsmodernisierung verschlingt viele Ressourcen gerade in den Staaten, die genug andere Probleme haben — ich nenne nur die osteuropäischen Staaten, aber auch Griechenland und die Türkei. Deshalb schlagen wir vor, diese Fragen bei künftigen Abrüstungsverhandlungen einzubeziehen. 4. Friedenssicherung hängt immer stärker von der Erreichung regionaler Stabilität ab; daher wird die Einrichtung „regionaler Tische. Wir fordern Sie, Herr Außenminister, daher auf, im Sicherheitsforum der KSZE initiativ zu werden und in der Öffentlichkeit noch mehr auf neue Abrüstungsverhandlungen zu drängen. Wir wissen, daß wir uns in Wahlkampfzeiten befinden. Dennoch mein Appell an die Kolleginnen und Kollegen in den anderen Fraktionen: hier geht es um ein gemeinsames Anliegen deutscher Außenpolitik: die politische Stärkung und den institutionellen Ausbau der KSZE. Nutzen wir unsere parlamentarische Verantwortung, um dieses Ziel im Vorfeld des Budapester Gipfeltreffens voranzubringen! Dr. Helmut Haussmann (F.D.P.): Seit den 70er Jahren ist der Ausbau der KSZE Kernbestand unserer liberal geführten Außenpolitik. Sie hat — zunächst nur durch die politische Kraft ihrer Ideen — unseren östlichen Nachbarn die Hoffnung auf Freiheit und eine bessere Zukunft gegeben und damit Europa entscheidend verändert. Nach dem Umbruch war die KSZE der erste politische Anknüpfungspunkt aller neuen Demokratien. Wenn ein Imperium wie die Sowjetunion unter der Kraft von Ideen zusammenbrechen konnte, was könnte sich dann noch, so schien es, einem besseren Europa in den Weg stellen? Mit der Charta von Paris 1990 sowie der Erklärung von 1992 zur „regionalen Abmachung " im Sinne von Kapitel VIII der UN-Charta und der damit verbundenen Verpflichtung, örtlich begrenzte Streitigkeiten friedlich beizulegen, hat die KSZE ihre Aufgabe neu definiert. Bei alledem baute sie auf die Vernunft und Einsicht des Menschen und die Mechanismen der präventiven Diplomatie, der Konfliktregelung und -eindämmung, der Streitschlichtung, notfalls auch den Druck der internationalen Öffentlichkeit. Wie alle europäischen Foren war die KSZE unvorbereitet auf die aufbrechenden, meist innerstaatlichen Konflikte in Europa, die mit den Mitteln der ersten Hälfte des Jahrhunderts ausgefochten wurden und werden. Für die Bekämpfung brutaler Gewalt war sie nicht geschaffen. Ihr fehlten nicht die Konzepte, wohl aber die Mechanismen, um sie durchzusetzen. Dabei ist sie von der Idee und Struktur her durchaus das geeignete Forum, um auf die Grundursachen der Probleme einzugehen und Konflikte zu verhüten, zu bewältigen und beizulegen. Inzwischen ist es so weit, daß auch die Durchsetzungsmechanismen nach und nach geschaffen und verfeinert werden. Mit der Ernennung eines deutschen Generalsekretärs sowie eines Hohen Kommissars für nationale Minderheiten, der Organisation von Wahlbeobachtungen in den neuen Demokratien sowie diversen Krisenmissionen erbringt die KSZE mehr und mehr den Nachweis ihrer Handlungsfähigkeit. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20933* Sie hat — oft von der Öffentlichkeit unbemerkt erfolgreiche diplomatische Missionen nach Estland, Makedonien, Georgien, Moldau, Lettland und Tadschikistan durchgeführt. Demnächst werden die Ukraine, Sarajewo und wohl auch Nagornij-Karabach mit einbezogen. Schon aus geographischen Gründen kann die KSZE bei Konflikten sehr viel effizienter tätig werden als NATO und WEU. Sie deckt ein anderes Spektrum ab, ist jedoch für Sicherheit und Gesamteuropa mindestens ebenso wichtig wie andere europäische und transatlantische Institutionen. Mit dem am 17. Mai dieses Jahres von den Außenministern Kinkel und Kooijmans in Wien vorgestellten Thesenpapier zur zukünftigen Gestaltung der KSZE werden präzise Vorschläge zur Effektivierung der Konfliktverhütung und Frühwarnung gemacht. Diese „Agenda für Budapest" stellt die entscheidenden Weichen für das diesjährige KSZE-Gipfeltreffen. Damit wurden die Konsequenzen aus den innereuropäischen Konflikten der letzten Jahre gezogen. Entscheidend ist der Vorschlag, daß dieses Forum bei Friedensstörungen auch ohne Zustimmung der am Konflikt Beteiligten den Sicherheitsrat anrufen kann; des weiteren verpflichtet es sich zur Unterstützung entsprechender Sicherheitsratsbeschlüsse. Es handelt sich sowohl um eine Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips als auch zugleich um eine Stützung des Systems der Vereinten Nationen. Konflikte werden nur dann dem Sicherheitsrat vorgelegt, wenn sie durch regionale Organisationen nicht gelöst werden können. Die KSZE — und künftig auch andere regionale Organisationen — erhalten in ihrem jeweiligen Raum bei Konfliktlösung mit friedlichen Mitteln den Vorrang. Das Prinzip lautet: „Zuerst die KSZE". Die Umsetzung größerer friedenserhaltender und vor allen Dingen friedensherstellender Maßnahmen wird sie anderen Institutionen überlassen müssen. Doch auch dann ist sie bei der politischen Steuerung und Lösungsfindung beteiligt. Wenn die KSZE in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte auf dem Weg zu einer handlungsfähigen völkerrechtlich verankerten Organisation gemacht hat, so hat Deutschland, hat liberal geführte Außenpolitik auch hieran maßgeblichen Anteil. Sowohl die Aufgaben des Generalsekretärs als auch die des ständigen Beschlußgremiums in Wien müssen weiter ausgebaut und mit umfassenderen Mandaten versehen werden. Nicht zu vergessen ist die KSZE auch als Schirm für ein umfassendes Rüstungskontrollregime, das auf der Idee eines „gemeinsamen Sicherheitsraumes" aufbaut. So kann stufenweise und in enger Vernetzung von KSZE, NATO, Nordatlantischem Kooperationsrat und EU eine große Sicherheitszone von Vancouver bis Wladiwostok entstehen. In 20 Jahren hat sich die KSZE von einem Diskussionsforum über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa durch die Kraft ihrer politischen Aussage, nicht durch rechtliche Verbindlichkeit, unersetzbar gemacht. Erinnern wir noch einmal an die 70er Jahre: politische Erklärungen zu Gewaltverzicht, Menschenrechten, Selbstbestimmungsrecht, territorialer Integrität, Unverletzlichkeit von Grenzen — und damit der Möglichkeit, sie friedlich zu ändern —, an wirtschaftliche und Umwelt-Kooperation. Erinnern wir an die Gipfelkonferenz von Helsinki 1975, Belgrad 1977/78, Madrid 1980-83, Wien 1986-89, Paris 1990, Helsinki 1992. Die KSZE ist im Laufe dieser Jahre zu einem Forum der Sicherheit durch Zusammenarbeit geworden. Unser Europa ist ohne sie nicht mehr denkbar. Dr. Hans Modrow (PDS/Linke Liste): Der Antrag der SPD behandelt ein dringliches Anliegen, denn Rolle und Platz der KSZE entsprechen keineswegs den heutigen sicherheits- und kooperationspolitischen Herausforderungen, auch nicht den Möglichkeiten, die die KSZE schon heute bietet. Und die Bundesregierung ist daran keineswegs schuldlos. Sie beteiligt sich daran oder läßt es zumindest zu, daß die Chancen der KSZE durch einen militärisch determinierten sicherheitspolitischen Alleinvertretungsanspruch von NATO und WEU untergraben wurden und werden. So wird die KSZE aus substantiellen Sicherheitsfunktionen verdrängt, zentrale Funktionen der Zusammenarbeit werden ihr vorenthalten. Mit der „Partnerschaft für den Frieden" wird eine selektive Ostausdehnung der NATO vorbereitet, die die sicherheitspolitische Spaltung des Kontinents noch vertiefen wird. Im Ergebnis dessen ist in Europa ein sicherheitspolitisches Chaos entstanden, dessen Konsequenzen nicht absehbar sind. Heute wirken in Europa neue Konfliktrisiken, die nicht zuletzt dadurch entstanden bzw. aufgebrochen sind, weil nach den Umbrüchen 1989/90 wirkungsvolle gesamteuropäische Sicherheits- und Kooperationsstrukturen fehlen. Es geht darum, Sicherheit, Abrüstung und Kooperation wirklich komplementär zu gestalten. Die PDS/Linke Liste tritt seit jeher dafür ein, die KSZE politisch zu stärken und auch institutionell auszubauen. Auch in ihrem Antrag zur EU-Präsidentschaft, der heute früh mit den Stimmen der SPD abgelehnt wurde, forderte sie von der Bundesregierung, diese Frage zu einem Schwerpunkt ihrer EU-Präsidentschaft zu machen und vor allem eine Initiative zu unternehmen, die den KSZE-Prozeß mit allen seinen Möglichkeiten ausschöpft, und zwar als Rahmen für ein künftiges gesamteuropäisches System der Sicherheit und der allseitigen partnerschaftlichen Zusammenarbeit, das die Friedenspotenzen mobilisiert sowie wirtschaftliche und soziale Stabilität dauerhaft gewährleistet. Die KSZE bietet dafür unterschiedliche, z. T. aber wesentliche konzeptionelle, funktionale und strukturelle Ansätze. Die Bundesregierung muß nur politisch wollen, daß sie qualitatativ weiterentwickelt werden. 20934* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 Christian Ruck (F.D.P.): Der Vorliegende Antrag der SPD zur politischen Stärkung und dem institutionellen Aufbau der KSZE enthält, das muß man einfach sagen, sehr viel richtiges und wichtiges. Wenngleich das Lob über die Rolle der KSZE im Kalten Krieg mir doch zu dick aufgetragen erscheint, hat sie in den vergangenen Jahrzehnten erheblich mehr bewegt, als die meisten in Ost und West ihr zugetraut hätten. Und es stimmt auch mich durchaus hoffnungsvoll, zu sehen, wie sehr die KSZE behutsam und unspektakulär nach Ende des Ost/West-Konflikts ihren Spielraum nützt, um z. B. auch durch Missionen Konflikte zu vermeiden oder zu schlichten, wie in Georgien, Estland und Tadschikistan. Was die Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten in der deutschen KSZE-Politik betrifft, läuft der SPD-Antrag bei uns und auch bei der Bundesregierung — siehe etwa die Agenda für Budapest des Außenministers — meistens offene Türen ein: Auch wir halten eine weitere Konkretisierung des zukünftigen Aufgabenprofils der KSZE, das ihre komparativen Vorteile voll zur Geltung bringt, für wichtig. Ebenso eine baldige Verabschiedung eines Verhaltenskodex für die jeweiligen Streitkräfte im Innenleben der Einzelstaaten. Ein anderer wichtiger Punkt ist ferner das angesprochene Problem der Drittstreitkräfte. Die russische Armee z. B. könnte in den GUS-Staaten von Fall zu Fall eine wichtige friedenserhaltende und streitschlichtende Rolle spielen. Einen Blanko-Scheck dafür durch die KSZE kann es nicht geben. Wir müssen daher auch die KSZE dazu drängen, daß sie möglichst bald strikte und unzweideutige Regelungen für derartige Einsätze von Drittstreitkräften aufstellt. Ein weiteres gemeinsames Anliegen ist schließlich eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung der KSZE. Hier müssen wir auch vor unserer eigenen Haustür kehren. Finanziell ist ja eine deutliche Steigerung des entsprechenden Haushaltstitels bei uns eingeplant und wird hoffentlich auch durchgesetzt werden können. In der Personalpolitik schlage ich noch einmal vor, im Auswärtigen Amt ein Kontingent von Lehrstellen für deutsche KSZE-Spezialisten vorzuhalten, die im Bedarfsfall rasch aktiviert werden könnten. Jedenfalls wären die Verrenkungen, die wir z. Zt. bei jeder neuen KSZE-Friedensmission machen müssen, wenn sich Deutsche daran beteiligen sollen, auf die Dauer ein Armutszeugnis. Gewisse Bedenken habe ich beim Punkt „ökologische Sicherheit" des SPD-Antrages. Das Grundanliegen, nämlich auf allen Ebenen etwas gegen die fortschreitende Umweltzerstörung zu unternehmen, wird ungeschränkt geteilt. An anderer Stelle des Antrags ist jedoch zu Recht von Abstimmungs- und Koordinationsmängeln der internationalen Institutionen untereinander die Rede. Um noch mehr Doppelarbeit und Verzettelung zu vermeiden, sollte noch einmal genau geprüft werden, ob nicht gerade die Bekämpfung der ökologischen Probleme auch im KSZE-Raum von anderen bestehenden Organisationen besser erfüllt werden könnte. Lassen Sie mich zu den Stichworten „Koordination" und „KSZE als regionale Abmachung im Sinne der UN-Charta" noch einen wichtigen Punkt nennen, auf den der Antrag nicht konsequent eingeht: Eine bessere, wenn möglich nahtlose Verzahnung der Konfliktverhütungsinstrumente der Vereinten Nationen und der KSZE. Wir sollten daraufhin arbeiten, daß die KSZE als anerkannte regionale Abmachung in ihrem Geltungsbereich und auf einer niedrigeren Interventionsschwelle die Vorfeldarbeit im Rahmen der friedlichen Streitbeilegung unternimmt. Erscheint jedoch eine Konfliktbeilegung ohne Zwangsmaßnahmen aussichtslos, sollte die KSZE übergangslos auf die Einflußmöglichkeiten der Vereinten Nationen nach den Kapiteln 6 und 7 der UN-Charta zurückgreifen können. Damit bekäme die KSZE auch die notwendige, abschreckende Rückendeckung für ihre präventive Diplomatie. Ein solcher Übergang von einer horizontalen in eine vertikale Arbeitsteilung zwischen UNO und KSZE setzt allerdings eine bessere politische und technische Verknüpfung der beiden Organisationen voraus, aber auch einen stärkeren Willen seitens der Vereinten Nationen, ihre Abschreckungsmaßnahmen gegenüber Aggressoren und Unruhestiftern glaubwürdiger zu machen. Die Koalitionsfraktionen im Deutschen Bundestag waren und sind der Meinung, daß eine gemeinsame, von allen demokratischen Parteien dieses Hauses getragene Außenpolitik zum Wohle unseres Landes von größter Bedeutung ist. Leider ist die SPD in der jüngsten Vergangenheit und in wichtigen Punkten von dieser Maxime deutscher Nachkriegspolitik abgewichen. Lassen Sie mich die Hoffnung äußern, daß die Sozialdemokraten bald — vielleicht auch durch höheres Urteil — wieder zu einer gemeinsamen außenpolitischen Linie des Deutschen Bundestages zurückfinden. Nicht zuletzt als Signal unseres uneingeschränkt guten Willens zu einer verantwortungsbewußten außenpolitischen Zusammenarbeit stimmen wir dem SPD-Antrag „Politische Stärkung und institutioneller Ausbau der KSZE" zu. Helmut Schäfer, Staatsminister beim Bundesminister des Auswärtigen: Der vorliegende Antrag lenkt das Augenmerk in einer Zeit auf die KSZE, in der die Suche nach einer dauerhaften europäischen Sicherheitsordnung und nach wirksamen Instrumenten zur Eingrenzung neuer Stabilitätsrisiken an Intensität zugenommen hat. Die kriegerischen Auseinandersetzungen im früheren Jugoslawien, aber auch in Teilen der früheren Sowjetunion sind mit den herkömmlichen Instrumenten militärischer Abschreckung nicht zu lösen. Besser als nachträgliche Heilungsversuche sind das rechtzeitige Erkennen der Konfliktursachen, die rechtzeitige Vermittlung und Beratung. Die KSZE bleibt auf absehbare Zeit die einzige Sicherheitsstruktur in Europa, der alle Staaten zwischen Vancouver und Wladiwostok mit gleichen Rechten und Pflichten angehören. Dies erklärt auch das jüngst wieder in Brüssel und Istanbul bekundete Interesse Rußlands an einer Stärkung der KSZE, das nicht als bloßes Propagandamanöver zur Schwächung der NATO abgetan werden kann. Wir haben ein elementares Interesse daran, daß in Europa keine neuen Gräben aufgerissen und daß eine Verselbständigung der Entwicklung im GUS-Raum vermieden wird. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20935* Die KSZE hat ihr eigenes Gewicht bei der Förderung von Demokratie und Menschenrechten, bei der Frühwarnung und Konfliktverhütung, künftig auch bei der wirtschaftlichen Einbindung und Beobachtung friedenserhaltender Maßnahmen. Der Antrag setzt in diesem Bereich die richtigen Akzente. Mit dem beschriebenen Aufgabenprofil deckt die KSZE ein anderes Spektrum ab als NATO und WEU, ist jedoch für die Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit nicht weniger wichtig. Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund gemeinsam mit den Niederlanden eine „gemeinsame Agenda für Budapest" vorgelegt. Dieses Programm, das von BM Kinkel am 17. Mai 1994 in Wien gemeinsam mit seinem niederländischen Amtskollegen Kooijmans vorgestellt wurde, strebt keine grundlegende Umwälzung der europäischen Sicherheitsstruktur an. Es schlägt vielmehr vor, die KSZE als „regionale Abmachung" im Sinne der Charta der Vereinten Nationen weiter auszubauen. Im Sinne der Charta — so der deutsch-niederländische Vorschlag — soll die KSZE bei friedlicher Streitbeilegung und bei der Konfliktverhütung in ihrem Raum Vorrang vor den Vereinten Nationen erhalten. Gleichzeitig haben wir klarere Regeln für die Verbindung zwischen KSZE und dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vorgeschlagen. Wir erkennen damit an, daß die KSZE für die Frühwarnung und für die Konfliktverhütung eine besondere Eignung mitbringt, nicht zuletzt aufgrund der umfassenden politischen Verpflichtungen, die die KSZE-Staaten untereinander übernommen haben. Im KSZE-Rahmen gilt es nicht als Einmischung, wenn ein Staat einem anderen gegenüber Menschenrechtsverletzungen anspricht oder andere innerstaatliche Entwicklungen zur Sprache bringt, die sich zu einem ernsthaften Konflikt auswachsen können. Die Mehrzahl der neuen Konflikte hat innerstaatliche Ursachen. In diesen Konflikten hat sich die KSZE mit den seit 1992 geschaffenen neuen Instrumenten wie den Konfliktverhütungsmissionen und dem Hohen Kommissar für Nationale Minderheiten als besonders wirkungsvoll erwiesen. Inhalt der deutsch-niederländischen Initiative ist es u. a., diese Wirkung durch den Aufbau von zusätzlichem politischen Druck zu erhöhen. Die KSZE soll in die Lage versetzt werden, notfalls ohne Zustimmung der Konfliktbeteilligten kollektiv den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen anzurufen, wenn sie mit ihren eigenen Mitteln am Ende ist und Zwangsmaßnahmen erforderlich werden. Darüber hinaus schlagen wir eine bessere Steuerung der KSZE-Konfliktverhütungsmissionen und eine Stärkung des Generalsekretärs vor: Der Antrag stellt zurecht fest, daß der Generalsekretär nicht nur auf Administration beschränkt ist, sondern in enger Abstimmung mit dem KSZE-Vorsitzenden politische Funktionen wahrzunehmen hat. Es geht darum, die KSZE für die Situationen, mit denen sie gegenwärtig zu tun hat, handlungsfähiger und glaubwürdiger zu machen. Ob dies gelingt, wird ganz wesentlich von der Praxis und von den Beiträgen abhängen, die ihre Teilnehmerstaaten ihr zur Verfügung stellen. Es wäre gut, wenn die heutige Debatte zu der Erkenntnis beitragen könnte, daß präventive Diplomatie und Konfliktverhütung zwar neu sind und neue Mittel erfordern, jedoch unendlich weniger kosten als Truppeneinsätze oder gar Wiederaufbauprogramme. Die Bundesregierung hat die KSZE und die Vorbereitung des Gipfeltreffens in Budapest zu einem der Schwerpunkte ihrer Präsidentschaft gemacht. Sie läßt sich dabei von Überlegungen leiten, die denen des vorliegenden Antrags sehr weitgehend entsprechen. Lassen Sie uns gemeinsam für einen Erfolg des Gipfeltreffens und für eine feste Verankerung der KSZE in der Öffentlichkeit arbeiten. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 14 (a — Große Anfrage: Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit, Neonazismus und Gewalt, b — Antrag: Stiftung für die Opfer ausländerfeindlicher Übergriffe, c — Antrag: Rechtsextremismus und Gewalt in der Bundesrepublik Deutschland: Fakten, Ursachen und Gegenmaßnahmen) Vera Wollenberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Antwort, die die Bundesregierung nach einem Jahr Bedenkzeit auf unsere große Anfrage gegeben hat, ist unbefriedigend. Sie zeugt davon, daß die Regierung zunehmende Gewalt und Fremdenfeindlichkeit in unserem Landes lange ignoriert hat, ja dieser Entwicklung in einer gewissen Weise auch Vorschub geleistet hat. Der daraufhin nun entwickelte Aktionismus, welchen die Bundesregierung referiert, greift in der Praxis viel zu wenig. So halten die Gewalttaten gegen Ausländer weiter an; ich nenne beispielhaft nur die skandalösen Magdeburger Ereignisse am „Herrentag". Die Förderung der Jugendarbeit im Osten unter Betreuung des Instituts „ISM" erfolgt zu „gießkannenartig", letztlich ohne überzeugendes Konzept und ist im übrigen auch zu sehr ein Tropfen auf den heißen Stein, um den gesellschaftlichen Bedingungen für die Entstehung von Neonazismus und Fremdenfeindlichkeit nachhaltig entgegenwirken zu können. Denn wir haben es heute nicht nur mit Gewalttaten von randständigen Jugendlichen oder organisierten Rechtsextremisten gegen — als solche erkennbare — Ausländer zu tun. Mitten in der Gesellschaft quer durch alle sozialen und Alters-Gruppen ist eine vielfältige Diskriminierung von „Asylbetrügern, Fidschis, Zigeunern, Pennern, Spastikern, Schwulen, Juden" und anderen Minderheiten fast zur Normalität geworden. Daß als besonders gewalttätige Vollstrekker dieses Klimas häufig junge Menschen hervortreten und ihre Opfer bislang vor allem unter Ausländern suchen, darf angesichts des offenbar strukturellen Problems die Suche nach Ursachen und Gegenmaßnahmen nicht verengen. Soll heißen: die leider zunehmenden Berichte von Übergriffen auch gegen andere Minderheiten — wie Schwule, Behinderte, Ob- 20936* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 dachlose usw. — sowie Hinweise auf erwachsene Täter zeugen davon, daß Ursachen und Auswirkungen der in Rede stehenden Entwicklung offenbar weiter reichen. Nach der deutschen Vereinigung ist die anfängliche Euphorie nicht nur unter Ostdeutschen von tiefgreifender sozialer Verunsicherung abgelöst worden, besonders bei Jugendlichen vielfach ohne greifbare Perspektive zum Besseren. Eigentlich notwendige arbeitsmarkt-, wohnungsbau-, bildungs-, jugend- und sonstige sozialpolitischen Maßnahmen, wie wir sie von der Bundesregierung gefordert haben, um dieser Unsicherheit zu begegnen, bleiben aus. Statt dessen haben Unionspolitiker die „Überfremdung und Durchrassung" der Gesellschaft beschworen und kalkuliert die emotionalisierte Asyldebatte losgetreten. Dies leistete Neigungen in der Bevölkerung Vorschub, Ausländer als lästige Problemfaktoren und Sündenböcke anzusehen. Wirksame Angebote zu deren Integration — etwa erleichterte Einbürgerung, doppelte Staatsbürgerschaft, Wahlrecht — sind demgegenüber viel zu lange versäumt worden; unsere entsprechenden Anträge in diesem Haus sind von der Mehrheit abgelehnt worden. Außer solchen Maßnahmen sind wirksame Vorkehrungen zur Bewahrung potentieller Gewaltopfer vor allem unter Ausländern nötig, z. B. Personen- und Objektschutz wie für Unternehmen oder Politiker, mobile Polizeistreifen, Verbesserung der Notruf-Verbindungen und Alarmpläne. Die immer noch unzureichenden Entschädigungsregelungen für Ausländer, nach denen etwa den Angehörigen der Opfer von Solingen und Mölln effektive Ausgleichszahlungen versagt bleiben, müssen erweitert werden. Neue Strafgesetze oder Befugnisse für Polizei und Verfassungsschutz jedoch, wie sie die Regierung fordert, erscheinen demgegenüber als symbolische Politik, mit der schon die bisherigen Gewaltakte nicht verhindert werden konnten. Vielmehr appelliere ich an dieser Stelle auch an die Bürgerinnen und Bürger, Neonazis und Fremdenfeindlichkeit noch entschlossener als bisher entgegenzutreten. Erika Steinbach (CDU/CSU): Alle uns heute unter diesem Tagesordnungspunkt vorliegenden Anträge drehen sich um eine einzige Frage: Was können wir tun, um zu verhindern, daß es in Deutschland zu Ausländerfeindlichkeit und zu Ausschreitungen gegen bei uns lebende Ausländer kommt. Denn Deutschland ist — ich habe dies an dieser Stelle ja nun schon sehr häufig gesagt — ein ausländerfreundliches Land und ich weiß, wovon ich rede; schließlich lebe ich in Frankfurt am Main, wo es einen Ausländeranteil von derzeit 28 % der Einwohner gibt. Die Anschläge gegen Ausländer in den vergangenen Jahren mußten uns mit großer Sorge erfüllen. Was also können wir dagegen tun? Die Bundesregierung hat hier bereits entschieden reagiert und eine Vielzahl von Maßnahmen in den Bereichen der Jugendpolitik, der Bildungsarbeit und des Strafrechts in die Wege geleitet. In der hier zur Diskussion stehenden Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind alle diese Maßnahmen aufgeführt. Viel wichtiger scheint es mir jedoch zu sein, das Übel an der Wurzel zu packen, uns zu überlegen, woher die Entwicklung, die uns alle bedrückt, ihren Nährboden gewinnt. Hierzu ist es unbedingt notwendig, sich umzuhören unter den Bürgern dieses Landes, herauszufinden, was ihre Sorgen sind, und diese Sorgen dann ernst zu nehmen. Wenn wir die Toleranz und die Gastfreundschaft der Bürger in diesem Lande überstrapazieren, wenn wir ihnen eine Form des Zusammenlebens mit Ausländern aufzwingen, die sie so nicht wollen — ich spreche von der multikulturellen Gesellschaft —, und wenn wir durch eine ungezügelte Zuwanderung mehr Ausländer hier bei uns aufnehmen, als wir beim besten Willen verkraften, dann brauchen wir uns gar nicht zu wundern, wenn es insgesamt eine unzufriedene Stimmung im Lande gibt. Und diese unzufriedene Stimmung mißverstehen dann radikale Gruppen nur zu gerne als Ermunterung für ihre Untaten. Diese Untaten müssen wir bestrafen als das, was sie sind: Schwere Verbrechen gegen Menschen. Auf die Unzufriedenheit im Lande dürfen wir jedoch nicht mit einer Bürgerbeschimpfung reagieren, sondern müssen wir eine Politik betreiben, die diese Unzufriedenheit abbaut bzw. gar nicht erst aufkommen läßt. Das heißt konkret: Verzicht auf Herumexperimentieren mit der multikulturellen Gesellschaft, eine starke Beschränkung des Zuzugs weiterer Ausländer nach Deutschland und eine weitgehende Integration der bereits lange hier lebenden Ausländer. Wenn wir diese Politik, die ja erklärtes Ziel der Bundesregierung ist, weiterhin fortsetzen, dann ist dies das beste Mittel, um ausländerfeindlichen Ausschreitungen ganz schnell den Boden zu entziehen. Siegfried Vergin (SPD): Mehr als einmal mußten wir uns in dieser Legislaturperiode mit Rechtsextremismus und Gewalt beschäftigen, oft dann, wenn Mord und Brandstiftung den traurigen aktuellen Anlaß für eine Debatte lieferten. Der Antrag der SPD-Fraktion, einen regelmäßigen Bericht über Fakten, Ursachen und Gegenmaßnahmen im Bereich Rechtsextremismus zu erstellen, will die Wurzeln und Ursachen offenlegen, um sie bekämpfen zu können. Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage „Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit, Neonazismus und Gewalt" listet ausführlich Maßnahmen auf, die ganz überwiegend Reaktionen auf rechtsextremistische, fremdenfeindliche Verbrechen und deren Echo in den nationalen und internationalen Medien sind. Der Antrag, der die Entschädigung der Opfer fremdenfeindlicher Gewalt in Deutschland thematisiert, steht mit seinem Anliegen quasi am Ende der Kette von Ursache und Wirkung. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20937* Es ist beschämend, daß sich die Notwendigkeit geradezu aufgedrängt hat, ein Gesetz zu schaffen, das „Schaden" — ein höchst unzureichendes Wort für Tote, Verletzte und gedemütigte Menschen — wenigstens materiell ausgleichen soll. Eine Entschädigungsregelung für die Opfer von Gewalttaten ist moralisch zwingend. Sie ist ein Signal für die Bereitschaft unserer Gesellschaft, Verantwortung für fremdenfeindliche Untaten anzuerkennen. Die SPD-Fraktion geht davon aus, daß die Regelungen des inzwischen verabschiedeten neuen Opferentschädigungsgesetzes dem Anliegen der Entschädigung weitgehend Rechnung tragen. Der vorliegende Antrag hat sich damit für uns erledigt. Ich schlage allerdings vor, die Folgen des neuen Gesetzes zu überprüfen, wenn Erfahrungen dazu vorliegen. Wir wissen, Entschädigung ist im Grunde nur ein hilfloser Versuch, Schaden an Leib und Seele eines Opfers zu lindern. Wiedergut-gemacht wird damit gar nichts. Hauptziel von Entscheidungen und Handlungen muß es sein und bleiben, Gewalttaten zu verhindern. Dieses Ziel ist sehr hoch gesteckt, aus den Augen verlieren dürfen wir es aber nicht. Damit bin ich bei der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage. Diese Antwort bestätigt einmal mehr, daß das, was die Bundesregierung tut, und wie sie es tut, nicht ausreicht, um der Probleme Herr zu werden. Die vorliegende Drucksache ist sichtbares Zeichen einer Fleißarbeit der Verwaltung. Aus jeder Ecke, aus jedem Ministerium wurde zusammengetragen, was in irgendeiner Form den Eindruck erweckt, die Bundesregierung sei tätig gewesen. Dabei kommt eine ganze Menge zusammen, und ich werfe der Bundesregierung deshalb nicht vor, völlig untätig gewesen zu sein. Sie reagiert wenn etwas passiert ist. Was ich dieser Bundesregierung allerdings vorwerfe, ist ihre Denkfaulheit in bezug auf Konzeptionen. Ich werfe ihr vor, jenseits der Zählerei nicht genug nach dem Warum und nach dem Wohin zu fragen. Sie ist eine Re-a-gierungskoalition, wenn es um den Kampf gegen Rechts und gegen Gewalt geht. Die Antwort der Bundesregierung zeigt mir erneut, daß die Bekämpfung des Rechtsextremismus als politische Prioritäten- und Querschnittsaufgabe angelegt und in dieser Weise in der Bundesverwaltung und den Länderverwaltungen verankert werden muß. Ich schlage deswegen erneut vor, sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene Beauftragte einzusetzen, die die notwendigen Maßnahmen ressortübergreifend aufeinander abstimmen. Und dazu gehört auch die Einrichtung einer zentralen Anlauf- und Dokumentationsstelle rechtsextremistisch motivierter Straftaten. Die Bundesregierung muß sich vorhalten lassen, daß sie immer wieder auch zur Verharmlosung des Rechtsextremismus neigt. Ein Beispiel dafür ist der Umgang mit rechtsextremistischen Aktionen und Parolen in der Bundeswehr. Obwohl der Wehrbeauftragte des Bundestages in seinen jährlichen Berichten immer wieder rechtsextremistische und fremdenfeindliche Erscheinungen unter den Angehörigen der Bundeswehr benannt hat, redet die Bundesregierung das Problem immer noch klein. „Wehret den Anfängen" ist ganz offensichtlich nicht das Motto dieser Regierung. Gutgläubige könnten meinen, die Koalitionsparteien seien nicht in der Lage, phantasievoller, energischer und deutlicher gegen rechtsextremistisches Gedankengut und das entsprechende Umfeld vorzugehen. Wer der Bundesregierung allerdings nicht so naiv gegenübersteht, könnte auf den Gedanken kommen, CDU/CSU und F.D.P. wollten sich auf diesem Gebiet gar nicht deutlicher profilieren. Er könnte sogar auf den Gedanken kommen, daß die derzeit Regierenden gar keine grundlegenden Änderungen wollen, weil sie sonst das Ergebnis ihrer „geistig-moralischen Wende" in Frage stellen müßten: eine Ellenbogengesellschaft, in der das Recht des Stärkeren gilt, eine Gesellschaft, in der Gerechtigkeit und Solidarität immer mehr zum Fremdwort werden. Diese Legislaturperiode ist gekennzeichnet durch wachsenden Rechtsextremismus, zunehmende Gewalt, Anschläge auf Ausländerinnen und Ausländer. Das hängt mit den Verwerfungen unserer Gesellschaft zusammen, die politisch vorgegeben wurden. Mit unserem Antrag auf eine regelmäßige Berichterstattung fordern wir die aufmerksame, wachsame Beobachtung, Analyse und Beschreibung von rechtsextremistischer und fremdenfeindlicher Gewalt und der Gründe dafür. Wir wollen die ständige Kontrolle der Wirksamkeit der politischen Maßnahmen, die Gewalt und Rechtsextremismus eindämmen sollen. Die Frage nach den Ursachen von Gewalt und die Frage nach der Effektivität von Gegenstrategien muß regelmäßig auf der Tagesordnung stehen und im Bewußtsein bleiben. Die oft schon wie eine Schablone wirkenden Betroffenheitsformeln, wenn wieder einmal Opfer von Gewalttaten zu beklagen sind, reichen nicht aus. Wir wollen kein zur Schau getragenes Bedauern. Wir fordern gründliches Nachdenken und konkretes Handeln. Diese Forderung ist und bleibt Grundlage sozialdemokratischer Politik. Wir haben uns dennoch auf einen Kompromiß eingelassen und werden der Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu unserem Antrag zustimmen. Die Bundesregierung signalisierte schon bei der Debatte zur Einbringung unseres Antrags die Bereitschaft, den Verfassungsschutzbericht in unserem Sinne zu erweitern. Dieses Signal haben wir aufgenommen. 20938* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 Der Verfassungsschutzbericht 1993 geht bereits etwas mehr als frühere auf gesellschaftliche Rahmenbedingungen von Gewalt und Rechtsextremismus ein. Die Ursachen werden immer noch zu oberflächlich benannt. Nach wie vor fehlt der Versuch, politische Entscheidungen auf ihre Wirksamkeit bzw. Nichtwirksamkeit zu überprüfen und damit über die Folgen nachzudenken, und es werden die vorliegenden Vorschläge zum Umgang mit Gewalt nicht ausreichend gewürdigt. Eine umfassende Konzeption dieser Bundesregierung für eine wirkungsvolle Politik, die gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt angeht, ist nicht in Sicht. Das gehört ebenso zu dem traurigen Fazit dieser 12. Legislaturperiode wie die viel zu lange Liste der Morde und Anschläge in unserem Land. Die Bekämpfung von Rechtsextremismus wird erst dann wirksam, auf Dauer angelegte Erfolge der Maßnahmen gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt werden erst dann sichtbar, wenn sie sich dem Bündel von Ursachen stellen, das bisher zur Seite geschoben wird und das ich in zehn Punkten zusammenfasse: — die bewußt in Kauf genommene Verarmung großer Bevölkerungsteile in unserem Land — die Angst vor der Zukunft und die Sorge, in einer sich wandelnden Gesellschaft den Platz zu verlieren — das Fehlen von Solidarität und Gerechtigkeit — die verschärften Konkurrenzlagen zwischen Menschen, die bereits in der Schule ihren Anfang nehmen — die seelisch belastende Vereinzelung vieler Menschen — das Dulden und das Gewöhnen an Gewalt als Mittel der Konfliktbewältigung sowie als Möglichkeit der Selbstdarstellung — die an Einschaltquoten und Auflagenhöhe orientierte gnadenlose Fernseh- und Medienkonkurrenz — die gravierenden Mängel im Erziehungswesen und die ungenügende Kenntnis der unterschiedlichen Kulturen in unserem Land — die fehlende Möglichkeit einer positiven Identifikation insbesondere in den neuen Bundesländern — die ungenügende Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. Die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt muß kontinuierlich und offensiv von der ganzen Gesellschaft geführt werden, weil ihre Spuren überall in unserem Land zu finden sind. „Weder verharmlosen noch dämonisieren" lautet die Devise. Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt müssen dort bekämpft werden, wo sie ihre Ursachen finden: in der Mitte der Gesellschaft. Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.): Wir denken, daß der von der SPD geforderte jährliche Bericht zusammen mit dem Verfassungsschutzbericht gegeben werden kann und daß die Einrichtung einer Stiftung für Opfer ausländerfeindlicher Übergriffe nicht mehr notwendig ist, nachdem wir die Ansprüche von Ausländern, die Opfer ausländerfeindlicher Straftaten geworden sind, gesetzgeberisch geregelt haben. Die Bundesrepublik ist verpflichtet, angemessene Entschädigung zu leisten, und es wäre gut, wenn alle Staaten nach unserem Vorbild verfahren und dabei auf das Prinzip der Gegenseitigkeit verzichten würden. Im übrigen: Wir haben im Deutschen Bundestag schon wiederholt über Ursachen und Ausmaß von Extremismus und Fremdenfeindlichkeit in der Bundesrepublik debattiert. Ich will für meine Fraktion das weder wiederholen, noch hier eine Inhaltsangabe der umfangreichen und interessanten Antwort wiedergegeben, die die Bundesrepublik auf die Anfrage unter Darstellung vieler organisatorischer und personeller Einzelheiten gegeben hat. Wir wollen, daß Ausländerfeindlichkeit und Rassismus sich nie mehr in der Bundesrepublik festsetzen können. Sie sind ein Rückfall in die Barbarei. Wir wollen, daß Ausländer in der Bundesrepublik ohne Furcht leben können, und zwar unabhängig davon, wo sie herkommen, welche Sprache sie sprechen und welche Religion sie haben. Wir wollen, daß ihre Identität geachtet wird, vom Staat und von jedermann. Wir sind der Überzeugung, daß dieses Ziel nicht allein mit Mitteln der Polizei und des Strafrechtes erreicht werden kann. Wir sind auch der Überzeugung, daß die Ursachen fremdenfeindlichen Verhaltens nicht nur in wirtschaftlichen Lebensbedingungen liegen. Manche sind auf der Suche nach Sündenbökken für eigene Probleme. Das ist auch keine Angelegenheit etwa allein der neuen Bundesländer. Ursachen der Fremdenfeindlichkeit sind auch darin zu suchen, daß wir in einer Zeit des Übergangs leben und die Werteordnung mancher Bürger, ihr Wunsch nach traditionellen Geborgenheiten, mit der Wirklichkeit nicht mehr übereinstimmen. Das alles kann keine Entschuldigung für Pogrome, Gewalt und Brutalitäten sein, die wir in den letzten Monaten beobachtet haben und die unser Ansehen ebenso ruinieren, wie es unsere eigene demokratische Substanz beschädigt. Wir sind am Anfang eines harten Wahlkampfes. Da mag die Versuchung groß sein, ob man aus solchen Emotionen Nutzen ziehen könne. Jeder Demokrat muß sich seiner Verantwortung bewußt sein, die er mit der Wahl seiner Worte, Argumente und Emotionen übernimmt. Es ist leicht, Pogrome zu schüren; aber wir würden das nicht schweigend hinnehmen. Das Thema „Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Neonazismus" wird uns weiter begleiten, so lange, bis sie endgültig überwunden sind. In dieser Auseinandersetzung sind Kompromisse nicht zulässig, und sie werden nicht gemacht werden. Ulla Jelpke (PDS/Linke Liste): Die zentrale Aussage der Bundesregierung in der Antwort auf die Große Anfrage von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist in dem Satz enthalten: „Die Bundesregierung ist dem Extremismus, gleichviel ob links oder rechts (...) stets mit Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20939* Nachdruck entgegengetreten. " Wir kennen diese Erklärung der Bundesregierung auch bei der Beantwortung von Anfragen in der Abwandlung: „Die Bundesregierung verurteilt jedwede rechtsextreme Äußerung aufs schärfste." Diese Erklärungen der Bundesregierung sind falsch und sie sind verlogen. Wir müssen erleben, nachdem wir hier in einer Aktuellen Stunde über den Brandanschlag auf die Synagoge in Lübeck diskutiert haben, daß das „Ostpreußenblatt" sich schützend in einem Leitartikel an die Seite der rechtsradikalen „Republikaner" vor den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Ignaz Bubis, gestellt hat und die REP's von der geistigen Urheberschaft von ausländerfeindlichen und antisemitischen Überfällen reinwusch. Und wir müssen erleben, daß dieselbe Zeitung, nur wenige Wochen nach diesem Anschlag, sich an die Seite der Holocaust-Leugner stellt und „Bewunderung" für die — wie sie es nennt — „Zivilcourage" etwa eines Ernst Nolte aufbringt, der die Zahl der 6 Millionen ermordeten Juden anzweifelte und sogar die Existenz der Verbrennungsöfen in Frage stellte. Dieselbe Zeitung zeigte sich übrigens empört über die Eröffnung des Holocaust-Museums in Washington. Das „Ostpreußenblatt" ist das Organ der staatlich geförderten Landsmannschaft Ostpreußen. Von einem öffentlichen Entgegentreten der Bundesregierung ist nichts bekannt. Im Gegenteil, die Bundesregierung hatte diese Zeitung bereits 1991 vor antifaschistischer Kritik in Schutz genommen, obwohl ich in einer Kleinen Anfrage nachgewiesen hatte, daß hier rechtsextreme Autoren publizieren und für rechtsextreme Druckwerke Reklame gemacht worden ist. Unter diesem Schutz können Woche für Woche an 200 000 Leserinnen und Leser rechtsextreme und fremdenfeindliche Inhalte gereicht werden. Ähnlich verhielt es sich mit der Zeitung „Der Schlesier". Drei Jahre und sieben Kleine Anfragen waren nötig, um der Bundesregierung die Auskunft abzutrotzen, daß es „rechtsextreme Bestrebungen" in dieser Zeitung gibt. Unter dem Schutz der Bundesregierung konnte „Der Schlesier" unbekümmert gegen die „Umerzieher des deutschen Volkes" hetzen und die sogenannte Kriegsschuldlüge und Rassismus verbreiten. Selbt die Leugnung der Ermordung der Juden wird in diesem Land durch die Haltung der Bundesregierung immer mehr zum Kavaliersdelikt. Eine Einrichtung wie die Zeitgeschichtliche Forschungsstelle Ingolstadt, in der sogar die Echtheit des Protokolls der Wannsee-Konferenz angezweifelt wird, wird nicht als rechtsextrem klassifiziert. Ihr Leiter, Alfred Schickel, der bereits 1980 die Zahl der ermordeten Juden weit nach unten leugnete und deswegen von den Neofaschisten als „Legenden-Killer" gefeiert wurde, erhielt sogar auf Vorschlag des bayerischen Ministerpräsidenten das Bundesverdienstkreuz wegen seines Engagements gegen „Unkenntnis, Vorurteil und Desinformation". Ich behaupte hier: Die Bundesregierung ist dem Rechtsextremismus eben nicht entgegengetreten, sondern sie hat einen äußerst schonenden Umgang mit ihm entwickelt. Im schlimmsten Falle, wie die eben erwähnten Beispiele zeigen, werden sogar ärgste rechtsextreme Bestrebungen politisch und finanziell unterstützt. Die schlimmsten fremdenfeindlichen Exzesse werden notfalls geduldet und protegiert, wenn sie zum Beispiel aus Organisationen kommen, die aus einem Bündnis von Konservativen und Rechtsextremisten bestehen. Der Beschlußempfehlung stimmen wir nicht zu, weil wir die Informationen im Verfassungsschutzbericht für 1993 als ungenügend empfinden. Hier werden ganze Strömungen des Rechtsextremismus ausgeblendet, vor allem die Neue Rechte und ihre Theorieorgane und Denkfabriken werden mit keinem Wort erwähnt. Eine vernünftige Darstellung der politischen Ursachen des Rassismus und Neofaschismus erfährt man aus diesem Bericht nicht. Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 15 (Gesetzentwurf: Vertragsgesetz Seerechtsübereinkommen) Klaus Harries (CDU/CSU): Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen tritt am 16. November dieses Jahres in Kraft. Die Bundesrepublik Deutschland wird dabeisein. Die heutige dritte Lesung des Ratifizierungsgesetzes ebnet diesen Weg. Die Bundesrepublik Deutschland wird sich dabei nicht nur zu Dritte-Welt-Ländern gesellen, sondern in Gemeinschaft und Solidarität mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und allen anderen Industrieländern den Weg der Mitarbeit und der Ratifikation beschreiten. Wir haben allen Anlaß, anzunehmen, daß die Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York Ende Juli die Änderungsvorschläge zum Abschnitt 11 des Übereinkommens, der die Nutzung des Meeresbodens zum Inhalt hat, akzeptieren wird. Diese notwendigen Änderungen, über die aus Anlaß der ersten Lesung dieses heutigen Gesetzes im Bundestag diskutiert worden ist, hat den Weg auch für Deutschland zur Ratifikation geöffnet. Das Seerechtsübereinkommen stellt wichtiges und unverzichtbares Völkerrecht dar. Es leistet einen Beitrag zum Frieden, zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit, zur Sicherheit auf den Meeren, zur Verbesserung des Umweltschutzes und zur sachgerechten Nutzung von Ressourcen in den Weltmeeren. Deutschland wird darüber hinaus mit Hamburg Sitz des Seegerichtshofs werden. Mit der Beherbergung dieses wichtigen Organs der Vereinten Nationen tritt die Bundesrepublik in jeder Weise als gleichberechtigtes und wichtiges Mitglied der Weltstaatengemeinschaft hervor. Wir erwarten, daß Fragen der Finanzierung und der schnellen Arbeitsaufnahme des Seegerichtshofes nach Inkrafttreten des SRÜ rechtzeitig, abschließend und sachgerecht mit allen Staaten erörtert und abgestimmt werden können. 20940* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 Das Seerechtsübereinkommen wird nach seinem Inkrafttreten und durch eine aktive Mitarbeit aller Staaten und durch Beachtung der Bestimmungen ein Baustein für die Zusammenarbeit in der Welt werden. Dietmar Schütz (SPD): Nur zwei Wochen nach der ersten Beratung des Vertragsgesetzes zum Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen kommen wir heute bereits zur zweiten Lesung dieses wichtigen internationalen Vertragswerkes zusammen, mit dem die Bundesrepublik Deutschland Mitglied dieser ersten umfassenden Rechtsordnung für den Meeresraum wird. Ich begrüße diese rasche Behandlung, denn es steht uns gut an, diesem „Grundgesetz der Meere" jetzt so rasch wie möglich beizutreten. Das große Maß an Übereinstimmung zwischen den Parlamentariern der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD bei der Bewertung des Seerechtsübereinkommens habe ich, wie auch meine Kollegen Harries und Richter, hier vor 14 Tagen ausführlich gewürdigt; ebenso die Differenzen in der Bewertung der lange abwartenden Haltung der Bundesregierung. Ich will deshalb die Historie heute nicht erneut bemühen, sondern nur noch einmal auf die beiden in meinen Augen zentralen Elemente des Seerechtsübereinkommens eingehen: den Umweltschutz und den Internationalen Seegerichtshof. Vom Umweltschutz-Teil des SRÜ erhoffe ich mir einen substantiellen Beitrag zur Internationalisierung des Umweltschutzes, denn der Schutz der Ozeane ist eine globale Aufgabe, die in enger Wechselbeziehung zum zweiten großen internationalen Auftrag, dem Klimaschutz, steht. Mit dem SRÜ wurde zum ersten Mal — gut zehn Jahre vor dem Rio-Gipfel und in gewisser Weise unter Vorwegnahme eines wichtigen Teil-Aspektes dieser Konferenz — in einem völkerrechtlich verbindlichen Vertragswerk der Schutz der Umwelt einklagbar festgeschrieben. Dies war und ist etwas qualitativ Neues. Dies ist deutlich mehr als die auch heute noch üblichen „Umwelt-Gipfel" mit ihren mehr oder weniger ernstgemeinten Deklarationen. Die Regelungen des Seerechtsübereinkommens zum Umweltschutz sind umfassend. Ich will hier nur einige grundsätzliche Punkte erwähnen. Das SRÜ eröffnet seinen Teil XII „Schutz und Bewahrung der Meeresumwelt" mit der Allgemeinen Verpflichtung des Art. 192: „Die Staaten sind verpflichtet, die Meeresumwelt zu schützen und zu bewahren" . Und diese Pflicht erstreckt sich auch auf die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen: „Die Staaten haben das souveräne Recht, ihre natürlichen Ressourcen im Rahmen ihrer Umweltpolitik und in Übereinstimmung mit ihrer Pflicht zum Schutz und zur Bewahrung der Meeresumwelt auszubeuten. " (Art. 193) Für alle Quellen der Meeresverschmutzung — Land, Luft, Schiffe, Meeresbergbau und Abfallbeseitigung — werden internationale Regeln aufgestellt, die jeweils durch nationale Rechtsvorschriften zu ergänzen sind; internationale Kooperation wird verpflichtend vorgegeben; ein Katalog ausführlicher Durchsetzungsbestimmungen aufgestellt; Verantwortung und Haftung werden klar benannt. Der Umweltschutz liefert auch den argumentativen Brückenschlag zum Internationalen Seegerichtshof, denn mit dem ISGH wird erstmals ein internationales Streitforum errichtet, dessen Entscheidungen für die Vertragsparteien bindend sind. Die in Art. 235 SRÜ festgeschriebene Verantwortlichkeit und Haftung der Staaten für „die Erfüllung ihrer internationalen Verpflichtungen betreffend den Schutz und die Bewahrung der Meeresumwelt" und die Pflicht, „eine umgehende und angemessene Entschädigung für alle durch Verschmutzung der Meeresumwelt verursachten Schäden zu gewährleisten", bedeuten eine völkerrechtlich bislang nicht existierende neue Qualität des Umweltrechts und werden nicht ohne Auswirkungen auf die nationalen Umweltgesetzgebungen bleiben. Das mit dem ISGH geschaffene umfassende Streitbeilegungssystem auf der Grundlage der Charta der Vereinten Nationen bekräftigt den Grundsatz der Wahl friedlicher Streitbeilegungsmittel. Verschiedene Streitbeilegungsmittel werden detailliert geregelt; sie alle sind obligatorische Verfahren, die zu bindenden Entscheidungen führen. Ich freue mich, daß mit dem nun eingeleiteten und hoffentlich rechtzeitig abzuschließenden Beitritt zum SRU die Bundesrepublik ihren Teil dazu beiträgt, um den Seegerichtshof nach Hamburg zu holen. Der Internationale Seegerichtshof wird die erste UN-Institution in Deutschland sein, und der Seegerichtshof ist die mit Abstand bedeutendste der drei neuen Institutionen, die mit dem Seerechtsübereinkommen geschaffen werden; m. E. haben weder die Internationale Meeresbodenbehörde noch die Festlandssockelgrenzkommission auch nur ansatzweise dessen Bedeutung. Ich formuliere dies hier mit Nachdruck so positiv, denn es wird eine Institution geschaffen, die der Verrechtlichung der internationalen Beziehungen und der friedlichen Beilegung internationaler Konflikte und Streitigkeiten dient, einem Ziel, dem wir Sozialdemokraten uns seit unseren Gründungsjahren verschrieben haben, einem Ziel, das zu den wertvollsten Traditionslinien unserer Partei gehört. Es ist heute mehr denn je richtig und notwendig, angesichts der Krisenherde dieser Welt und der Diskussionen über militärische Aufgaben und Einsätze, die Stärkung der zivilen Organe der UN nicht aus den Augen zu verlieren. Ich denke: Es steht uns Deutschen in besonderer Weise gut zu Gesicht, Sitz dieser neuen und zutiefst zivilen Institution zu werden. Ich beglückwünsche die Freie und Hansestadt Hamburg, die sich stets um den Sitz des Internationalen Seegerichtshofs bemüht hat, und hoffe, daß die Hamburger nun bald die Früchte ihrer Arbeit ernten können. Die SPD-Fraktion begrüßt das eingebrachte Vertragsgesetz Seerechtsübereinkommen. Der uns bekannte Zeitplan läßt hoffen, daß das Beitrittsverfahren Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20941* so zügig und rechtzeitig abgeschlossen werden wird, daß die Bundesrepublik zum Datum des Inkrafttretens des Übereinkommens Mitglied ist. Wir Sozialdemokraten haben dies immer aktiv unterstützt und bleiben dabei. Helmut Schäfer, Staatsminister beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich freue mich, feststellen zu können, daß das vorliegende Vertragsgesetz zum Seerechtsübereinkommen weiterhin auf ungeteilte Zustimmung stößt: Nach der einstimmig positiven Bewertung durch das Plenum des Bundesrats und das Plenum des Bundestages in der ersten Lesung haben sich in den vergangenen Tagen auch alle mit der Sache befaßten Bundestags- und Bundesratsausschüsse für die Annahme des Gesetzes und damit für den rechtzeitigen deutschen Beitritt zum Seerechtsübereinkommen ausgesprochen. Auf die Einzelheiten der Regelungen des Durchführungsübereinkommens, mit dem die wirtschafts- und finanzpolitischen Bedenken der Industrieländer gegen die ursprünglich im Seerechtsübereinkommen vorgesehenen Tiefseebergbauregelungen ausgeräumt wurden, brauche ich hier nicht nochmals einzugehen. Wir haben inzwischen Bestätigung erhalten, daß mit der für den 29. Juli in New York vorgesehenen Annahme des Durchführungsübereinkommens auch für unsere EG-Partner wie für die übrigen Industrieländer der Weg zur Ratifikation des Seerechtsübereinkommens frei ist. Dieser politische Gleichschritt mit unseren Partnern, auf den die Bundesregierung stets großen Wert gelegt hat, ist auch aus allgemein außenpolitischer Sicht zu begrüßen. Die Bundesregierung hofft, daß auch Rußland, das sich seine abschließende Haltung noch vorbehalten hat, zu einer mit der Haltung der übrigen Industrieländer übereinstimmenden positiven Bewertung des Durchführungsübereinkommens kommt. Wir sind ebenso wie andere Partner hierüber mit der russischen Regierung in intensivem Kontakt. Lassen Sie mich heute nochmals zwei besonders bedeutsame außenpolitische Aspekte im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Inkrafttreten des Seerechtsübereinkommens und der deutschen Vertragsmitgliedschaft herausstellen: Dem Seerechtsübereinkommen kommt durch seine umfassenden materiellen Regelungen der Meeresnutzungen wie durch seine — teilweise obligatorischen — Regelungen zur friedlichen Streitbeilegung eine unmittelbar friedensfördernde Wirkung zu. Mit der Errichtung des Internationalen Seegerichtshofs in Hamburg bringen wir auch — wie es der Kollege Harries einmal sehr zutreffend formuliert hat — „ein sichtbares Bekenntnis zum weltweiten Interessenausgleich, zum Völkerrecht, einer kooperativen Außenpolitik und zur Beilegung von Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln" zum Ausdruck. Als Vertreter des für das Seerechtsübereinkommen und alle damit zusammenhängenden Verhandlungen federführenden Ressorts möchte ich abschließend danken für die kontinuierliche Unterstützung durch Mitglieder aller Fraktionen sowohl bei den Arbeiten der seerechtlichen Vorbereitungskommission wie bei den Dialog-Verhandlungen des VN-Generalsekretärs. Diese Unterstützung hat wesentlich dazu beigetragen, daß das deutsche Engagement zugunsten des Seerechtsübereinkommens über die langen Verhandlungsjahre hindurch von dritter Seite nie in Zweifel gezogen wurde. Mit dem rechtzeitigen Beitritt zum Seerechtsübereinkommen und der Errichtung des Seegerichtshofs in Hamburg wird dieses Engagement eindrucksvoll bestätigt. Rainer Funke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Das Internationale Seerechtsübereinkommen, dessen Vertragsgesetz Ihnen heute zur Beschlußfassung vorliegt, kodifiziert erstmals in bemerkenswert umfassender Weise das Internationale Seerecht. Geregelt wird z. B. die lange umstrittene Frage, wie weit ein Küstenstaat sein Hoheitsgebiet erstrecken darf. Als Konsequenz wird auch die Bundesrepublik Deutschland ihr Küstenmeer auf zwölf Seemeilen ausdehnen. Zur wirtschaftlichen Nutzung des daran anschließenden Meeres wird die Möglichkeit der Errichtung ausschließlicher Wirtschaftszonen bis zu 200 Seemeilen geschaffen. Auch davon wird die Bundesrepublik Deutschland wie die anderen Nordseeanleger, vor allem im Interesse des Umweltschutzes, Gebrauch machen. Der Umweltschutz ist im übrigen, ebenso wie die wissenschaftliche Meeresforschung, erstmals eingehend geregelt. Das Internationale Seerechtsübereinkommen ist damit die bedeutendste Kodifikation des Umweltschutzes: Alle Arten der Meeresverschmutzung werden erfaßt, ob sie nun von Land, von Schiffen, aus der Luft oder von Tätigkeiten auf dem Meeresboden ausgehen. Mit der Regelung des Tiefseebergbaus greift das Übereinkommen weit in die Zukunft, denn in den nächsten 20 bis 30 Jahren wird ein Tiefseebergbau, der Gewinn abwirft, nicht möglich sein. Für uns Deutsche, die sich in ihrer Verfassung zu einer allgemeinen, umfassenden, obligatorischen, internationalen Schiedsgerichtsbarkeit bekennen, ist vor allem wichtig, daß das Übereinkommen Rechtssicherheit schafft und dazu ein detailliertes Streitregelungsverfahren einführt, zu dem auch der Internationale Seegerichtshof gehört. Mich als Hamburger Bundestagsabgeordneten freut es natürlich besonders, daß dieser Gerichtshof seinen Sitz in Hamburg haben wird. Bereits 1981 habe ich mich als Delegationsmitglied bei der 3. Seerechtskonferenz für die Wahl Hamburgs als Sitz für den Internationalen Seegerichtshof einsetzen können. In den folgenden Jahren habe ich dieses Ziel bei den Beratungen der Vorbereitungskommission weiter verfolgt. Die Wahl Hamburgs stellt ein Kompliment der Völkergemeinschaft an diese weltoffene Stadt mit ihrer hanseatischen Tradition dar. Freilich war diese Wahl lange Zeit gefährdet, denn sie war an die Voraussetzung geknüpft worden, daß Deutschland 20942* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 beim Inkrafttreten des UN-Seerechtsübereinkommens dessen Vertragspartei ist. Wie Sie wissen, haben wir wegen der im ursprünglichen Teil XI des Seerechtsübereinkommens zum Tiefseebergbauregime enthaltenen planwirtschaftlichen Elemente wie die übrigen Industriestaaten lange Zeit gezögert, dem Übereinkommen beizutreten. Erst als mit dem Beitritt des 60. Staates zum Übereinkommen klar war, daß dieses am 15. November 1994 in Kraft treten wird, wurden die vom Generalsekretär der Vereinten Nationen initiierten Beratungen über die Ausgestaltung des künftigen Tiefseebergbaus so beschleunigt, daß wir nun ein für alle akzeptables Durchführungsübereinkommen vorlegen können. Darin wird der Teil XI den politischen und wirtschaftlichen Änderungen so angepaßt, daß es nun auch den Industriestaaten möglich ist, dem Übereinkommen zuzustimmen. Dieses Durchführungsübereinkommen bedarf allerdings noch der Annahme durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 29. Juli dieses Jahres. Damit wir trotzdem rechtzeitig dem Seerechtsübereinkommen beitreten können, um Hamburg als Sitz des Seegerichtshofs zu sichern, ist die Bundesregierung in ihrem Entwurf des Vertragsgesetzes den ungewöhnlichen Weg einer Rechtsverordnungsermächtigung gegangen. Durch sie wird die Bundesregierung ermächtigt, das Durchführungsübereinkommen in Kraft zu setzen, wenn es nach Zielsetzung, Inhalt und Art dem entspricht, was bisher ausgehandelt worden ist. Ich möchte Ihnen danken, daß Sie diesen Weg mitgegangen sind und bei Ihren Beratungen der besonderen Eilbedürftigkeit Rechnung getragen haben. Mein Dank gilt auch dem Bundesrat für die beschleunigte Behandlung. Besonders danke ich aber der Freien und Hansestadt Hamburg, die eine Einigung über die Verteilung der finanziellen Lasten, die mit dem Seegerichtshof verbunden sind, möglich gemacht hat und bereit war, 20 % der Kosten zu übernehmen. Die übrigen Kosten wird der Bund tragen. Nun gilt es, den Bau des Gerichtsgebäudes am Elbeufer ins Werk zu setzen. Bis zu dessen Fertigstellung muß für die vorläufige Unterbringung des Gerichts gesorgt werden. Eine Delegation der Vereinten Nationen konnte sich bei ihrem Besuch in Hamburg im März dieses Jahres davon überzeugen, daß auch dafür alle Voraussetzungen vorhanden sind. Der Internationale Seegerichtshof wird die erste bedeutende Institution der Vereinten Nationen sein, die sich in Deutschland niederläßt. Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 16 (Gesetzentwurf: Säuglingsnahrungswerbegesetz) Editha Limbach (CDU/CSU): In den Beratungen zum Gesetz über die Werbung für Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung hat sich gezeigt, daß es übereinstimmende Meinung aller ist, daß das Stillen das Beste für die Gesundheit des Kindes und auch der Mutter ist. In der Anhörung wurde dies von allen Sachverständigen, auch von den Vertretern der Hersteller von Säuglingsanfangsnahrung, eindeutig bestätigt. Gerade bei so großer Übereinstimmung müssen wir aber auch aufpassen, daß nicht indirekt eine Diskriminierung der Mütter stattfindet, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht bzw. nur begrenzte Zeit stillen. Andererseits sind alle Beteiligten verpflichtet, auf die Bedeutung des Stillens hinzuweisen und das Stillen zu fördern. Erfreulich ist deshalb, daß wir heute auch einen gemeinsamen Entschließungsantrag aller Fraktionen vorliegen haben, in dem entsprechende Maßnahmen verlangt werden. Daß die Bundesregierung hier — auch aus verfassungsrechtlichen Gründen — nur einen begrenzten Handlungsspielraum hat, wissen wir; aber dort wo es möglich ist, soll auch die Bundesregierung Maßnahmen ergreifen. Unsere Aufforderung richtet sich natürlich ebenfalls an die Länder, die Ärzteschaft und andere Beteiligte, z. B. bei der Ausbildung von Ärzten und anderem Fachpersonal. Das Gesetz über die Werbung für Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung setzt einen Teil der entsprechenden EG-Richtlinie um, nämlich die Begrenzung der Werbung. Soweit Fragen der Beschaffenheit, der Zusammensetzung und der Kennzeichnung der Säuglingsnahrung betroffen sind, wird das in der Diätverordnung geregelt. Selbstverständlich muß die Kennzeichnung so sein, daß eine im jeweiligen Fall gute und klare Information für die Kaufentscheidung vorliegt. Dies könnte auch durch eine Selbstverpflichtung der Hersteller für Säfte, Kindertees und Babybrei ergänzt werden. Wir würden auch hier eine solche Selbstverpflichtung sehr begrüßen. Die mit diesem Gesetz vorgesehene Einschränkung der Werbung für Muttermilchersatzprodukte findet unsere Zustimmung, weil wir die vorhandene Stillbereitschaft der Mütter stärken und nicht möglicherweise schwächen wollen. Die Werbeeinschränkung schöpft den WHO-Kodex aus dem Jahr 1981 nicht voll aus, aber dies ist angesichts der positiven Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland auch nicht erforderlich. Die in den letzten Jahren erheblich gestiegene Zahl von stillenden Müttern belegt das deutlich. Dennoch ist es sinnvoll, daß die Bundesregierung nach zwei Jahren einen Erfahrungsbericht vorlegen soll, um so eventuell nötige Anpassungen vornehmen zu können. Wichtig ist uns auch, daß die Einrichtung eines Beirates, der Werbeaussagen begutachtet und bewerten soll, geprüft wird. Eine Bestimmung der EG-Richtlinie 91/321/EWG wollen wir sinnvoll erweitern. Die Festlegung auf festumschriebene Punkte, die auf der Verpackung genannt werden dürfen, auf den heutigen Stand der Wissenschaft, halten wir für falsch. Eine Sachinformation auf den Erzeugnissen, die zutreffende und wissenschaftlich hinreichende gesicherte Aussagen trifft, muß möglich sein. Wir wollen nicht Werbeaussagen ermöglichen, sondern eine ausreichende und für die Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20943* Kaufentscheidung wichtige Sachinformation. Ob z. B. das Produkt Kuhmilch oder Soja enthält, ob andere für die Ernährung des Säuglings wichtige Bestandteile vorhanden sind oder nicht, diese Information muß auch für Mütter oder Väter beim Kauf erkennbar sein. Wir haben heute morgen eine große Europa-Debatte im Deutschen Bundestag geführt. Ich freue mich, daß auch mit diesem Gesetz ein weiteres Mosaiksteinchen für das gemeinsame Europa gelegt werden kann. Antje-Marie Steen (SPD): Wir begrüßen es, daß am 23. Juni 1994 der Gesundheitsausschuß des Deutschen Bundestages die Beratung zum sogenannten Säuglingsnahrungswerbegesetz (SNWG) abgeschlossen hat und somit ein weiteres wichtiges Gesetz im Sinne der EG-Richtlinie umgesetzt werden kann. Es ist weltweit unbestritten, daß die Muttermilchernährung aus gesundheitlichen, sozialen, umweltpolitischen und ökonomischen Gründen die beste Ernährung des Säuglings im ersten Lebensjahr ist. Das Stillen verhindert Durchfall- und Mangelerkrankungen, stärkt das Immunsystem der Säuglinge und beugt u. a. Brust- und Eierstockerkrankungen der Mütter vor. Daher ist es besonders zu begrüßen, daß mit dem vorliegenden Gesetz das Stillen künftig gefördert werden soll und eine Regelung der Werbung für Muttermilchersatzprodukte in Angriff genommen wird. Allerdings geht uns der Gesetzentwurf nicht weit genug, um auch sicherzustellen, daß in die Beschränkung der Werbung auch die Produktförderung, die Produktverteilung und die Produktöffentlichkeitsarbeit usw. werden einbezogen. Ebenso hätte auch der Anwendungsbereich auf die Geräte wie Flaschen und Sauger erweitert werden müssen, wie auch im WHO-Kodex (Art. 2) formuliert. Dem „Internationalen Kodex für die Vermarktung von Muttermilchersatznahrung" hat die Bundesregierung bereits am 21. Mai 1981 zugestimmt. Die Möglichkeiten im Rahmen des Kodex ausgeschöpft hat sie nicht, zumal der Art. 8 der Richtlinie hier durchaus nationale Lösungen zuläßt. Um Verbraucher und Verbraucherinnen über Zusammensetzung und Inhaltsstoffe verbraucherverständlich informieren zu können, sprechen wir uns für eine bessere Sachinformation auf den Produkten aus, die aber natürlich keine Werbeaussagen beinhalten dürfen. Ein Zutatenverzeichnis, in das erfahrungsgemäß nur der Hersteller Einblick hat, nützt verantwortungsbewußten Frauen in ihrer Entscheidung für ein Muttermilchersatzprodukt nichts. In einem einstimmig verabschiedeten Entschließungsantrag wird die Bundesregierung daher aufgefordert, sich hier im europäischen Konsens für eine klare und eindeutige Kennzeichnung und Deklarierung auf dem Produkt durchzusetzen. Es ist schon wichtig zu erfahren, ob und in welchem Umfang Zucker, Honig oder Ersatzmilchprodukte verwandt werden. Auch dem Antrag der SPD-Fraktion auf Einsetzung eines Werbebeirates konnte im Rahmen der Entschließung Rechnung getragen werden. Wir halten dieses Gremium — besetzt aus von den Säuglingsersatznahrungsherstellern unabhängigen Fachleuten aus Medizin, Geburtshilfe und Verbraucherorganisation — als wesentlichen Beitrag zur Klarstellung der Werbeeinschränkung bzw. zur Aufklärung wichtiger Informationen für unerläßlich. Nunmehr ist die Bundesregierung aufgefordert, zwei Jahre nach Inkraf t-treten des SNWG über die gemachten Erfahrungen Bericht zu erstatten. Wir erwarten über die Selbstverpflichtung der Hersteller hinaus, verbraucherverständliche Kennzeichnung bei Kindertees, Säften usw. vorzunehmen, daß auch Vermarktungs- und Produktverteilungsstrategien im Sinne des Vorranges des Stillens ausgeübt werden. Der Bericht wird kritisch zu bewerten haben, inwieweit zusätzliche Maßnahmen zur Einschränkung der Produktwerbung, Werbeartikeln oder deren Verteilung zu ergreifen sind. Übereinstimmung herrscht zwischen allen Parteien, daß Stillen das Beste für die Gesundheit des Kindes und der Mutter ist. Deshalb müssen alle Anstrengungen darauf hinauslaufen, die Stillbereitschaft der Mütter zu unterstützen und durch fachkundige Beratung das Stillen positiv zu beeinflussen. Das Gesetz trifft diese Feststellung ebenfalls, indem es die Überlegenheit der Muttermilch und des Stillens deutlich herausstellt. Das begrüßen wir ausdrücklich; allerdings sind weitere Maßnahmen in bezug auf Information und Beratung der Schwangeren wie der stillenden Mütter erforderlich. Wichtige Informationsträger und -vermittler sind dabei neben den Mütterberatungsstellen vor allem Hebammen, Krankenschwestern und Ärzte. In ihrer Aus- und Fortbildung ist das Wissen um den Bereich Stillen zu verstärken, damit die Beratung für die Mütter fach- und sachgerecht erfolgen kann. Es kann nicht befriedigen, wenn trotz allen Wissens um die positive Auswirkung des Stillens für Mutter und Kind bereits wenige Wochen nach der Geburt bereits 50 % aller stillender Mütter diese Tätigkeit einstellen. Auch sollte auf die Initiative „Babyfreundliches Krankenhaus" hingewiesen werden, in dem besondere Aufmerksamkeit und Aktivitäten zur Förderung des Stillens unternommen werden. Hier könnten besonders Länder, Kreise oder Kommunen, die ja überwiegend Träger der Krankenhäuser sind, auf diese Möglichkeit aufmerksam gemacht werden. Die SPD hat im Gesundheitsausschuß den Gesetzentwurf dahin gehend mehrfach scharf kritisiert, daß die gerade in letzter Zeit vermehrt unter berechtigten Beschuß geratenen Kindertees und Kindersäfte nicht unter das SNWG fallen. nach zähen Verhandlungen wurde im Rahmen des Entschließungsantrages ein Passus aufgenommen, der die Bundesregierung auffordert, bei den Herstellern von Kindertees, Säften und Breien auf eine Selbstverpflichtung zur verbraucherverständlichen Kennzeichnung der Inhaltsstoffe hinzuwirken. Wir wissen um die Eilbedürftigkeit der Gesetzesvorlage und begrüßen es daher ausdrücklich, daß nun der Weg geebnet ist, um das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden. Wir haben dem Gesetz zugestimmt, obwohl wir bedauern, daß dieser Entwurf nicht die Umsetzung des internationalen Kodex der WHO zum Inhalt hat. Wir behalten uns vor, 20944 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 anknüpfend an die Ergebnisse des Erfahrungsberichts, den die Bundesregierung in zwei Jahren vorlegen wird, weitergehende Maßnahmen wie z. B. die der Umsetzung des WHO-Kodex zu fordern. Dr. Dieter Thomae (F.D.P.): Mit dem Thema der Säuglingsanfangsnahrung begibt man sich auf ein heiß diskutiertes Feld. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Auseinandersetzung über Sinn und Unsinn zum Teil auf äußerst ideologisch gefärbte Art und Weise läuft. Selbstverständlich sollen das natürliche Stillen gefördert und die Frauen nicht dazu angehalten werden, auf das Stillen zu verzichten. Andererseits muß natürlich auch festgestellt werden, daß es Frauen gibt, die nicht stillen können, nicht stillen sollen oder auch — aus welchen Gründen auch immer — nicht Stillen wollen. Für diese Frauen muß es möglich sein, sich über Alternativen entsprechend zu informieren. Der ideologische Spruch, daß nicht sein kann, was nicht sein darf, führt auch hier nicht zum Ziel. Ich bin von daher der Auffassung, daß sachgerechte Informationen über Säuglingsanfangsnahrung nicht nur in wissenschaftliche Publikationen gehören, sondern daß sie auch in speziellen Zeitschriften für den Verbraucher zugänglich sein müssen. Es ist doch ein durch und durch chauvinistischer Ansatz, wenn den Frauen ein schlechtes Gewissen eingeredet werden soll, wenn sie nicht stillen. Selbstverständlich sind Kliniken und Ärzte in allererster Linie verpflichtet, den Frauen klarzumachen, welche Vorteile das Stillen gegenüber der Säuglingsnahrung hat. Wenn sich die Frau aber dann anders entscheidet — und ich betone hier nochmals: aus welchen Gründen auch immer , dann müssen ihr entsprechende Alternativen zur Verfügung stehen. Es ist ein zutiefst illiberaler Ansatz, die Entscheidungsfreiheit des einzelnen beschneiden zu wollen. Es macht mich insbesondere ein wenig unruhig, wenn die EG für Programme zur Überwachung der Säuglingsnahrungsindustrie 1,2 Millionen DM für die Bundesrepublik, die Niederlande und Frankreich zur Verfügung stellt. Wenn ich dann höre, daß die Niederlande zusätzlich noch Geld für Aktvitäten in der Bundesrepublik und Frankreich bereitgestellt hat, dann frage ich mich, ob damit dem Ziel einer optimalen Ernährung von Säuglingen tatsächlich Rechnung getragen wird. Wir brauchen die Industrie insbesondere auch für die Fälle, in denen Kinder bei bestimmten Krankheitssymptomen mit spezieller Nahrung versorgt werden müssen. Hier hat die bundesdeutsche Industrie Beachtliches geleistet. Wenn wir auch in Zukunft sicherstellen wollen, daß solche Produkte entwickelt werden und Forschung auf diesem Gebiet betrieben wird, müssen wir aufhören, die Produzenten zu verteufeln. Das Gesetz ist deshalb auf die absolut notwendigen Regelungen zu beschränken. Wir werden darauf achten müssen, daß nicht über den Umweg der EG noch weiterreichende Einengungen erfolgen. Ausdrücklich begrüße ich, daß die Errichtung eines verantwortlichen Beirats geprüft werden woll, der Werbeaussagen begutachtet. Dies ist ein praktikabler Weg, um den Interessen der Beteiligten gerecht zu werden. Lassen Sie mich noch ein Wort sagen zu der Umsetzung von Grundsätzen der Weltgesundheitsversammlung in nationales Recht. Ich denke, jedem dürfte klar sein, daß die Lebensumstände in den einzelnen Ländern äußerst unterschiedlich sind. Auch Stillen ist ein Kulturgut, das regional differiert. WHO-Entscheidungen müssen deshalb regional umgesetzt werden, damit sie Sinn machen. Die Situation afrikanischer Frauen ist sicherlich eine ganz andere als die bundesdeutscher Frauen. Dem muß auch der Gesetzgeber Rechnung tragen. Dr. Ursula Fischer (PDS/Linke Liste): Mit dem vorliegenden Gesetz wird eine Richtlinie der Europäischen Union zur Einschränkung der Werbung für Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung in deutsches Recht umgesetzt. Die Regelungen betreffen zum einen die Werbung unmittelbar, zum anderen die Gestaltung und Verteilung von Materialien und Gegenständen zu Informations- und Ausbildungszwecken, die mittelbar diesem Zweck dienen. Insgesamt soll letztlich auch das Stillen als die unbestritten optimale Ernährung für Säuglinge und Kleinkinder gefördert werden. Die Zahl der Mütter, die stillen wollen und dies anfangs auch tun, ist erfreulich hoch. Aber bereits nach wenigen Wochen sinkt dieser Anteil dramatisch ab. Nach drei Monaten beträgt er nach Expertenmeinung noch etwa 20 Prozent. Damit werden die vielfältigen Vorzüge des Stillens für die Gesundheit sowohl der Kinder als auch der Mütter zu großen Teilen verschenkt. Eine beträchtliche Rolle wird dafür der allgegenwärtigen Herstellerwerbung für Babynahrung, die intensiv auf Schwangere und Mütter einwirkt, zugemessen. Im Ergebnis dessen ist letztlich auch die öffentliche Meinung zu weiten Teilen dahin gehend geprägt, daß Flaschennahrung der Muttermilch so gut wie gleichwertig sei. Zum vorliegenden Gesetzentwurf muß gesagt werden, daß er wesentliche Möglichkeiten ausläßt, den Einfluß dieser Werbung zurückzudrängen bzw. das Stillen aktiv zu fördern. Das Gesetz übernimmt lediglich die mit der EU-Richtlinie unausweichlich vorgeschriebenen Werbungseinschränkungen. Ausdrücklich mögliche darüber hinausgehende Regelungen werden im Gegensatz zu anderen EU-Ländern nicht getroffen. So gilt beispielsweise das im Gesetz enthaltene Verbot, Gegenstände kostenlos zu verteilen, welche indirekt der Werbung für Säuglingsnahrung dienen, dann nicht, wenn es auf Wunsch über Institutionen der Gesundheitsvorsorge und -versorgung geschieht. In der Begründung zum Gesetzentwurf wird noch dazu ausdrücklich vermerkt, daß diese Formulierung als weit zu verstehen sei. So umfaßt sie nicht nur Krankenhäuser und Gesundheitsämter, sondern auch Ärzte, Hebammen, Stillgruppen, Apotheken usw. Indirekte Werbung ist aber seit eh und je eine bevorzugte Methode der Hersteller. Wie die Praxis zeigt, wird gerade über die Beeinflussung des Gesundheitspersonals Babyanfangsnahrung vielfach auch für solche Säuglinge eingesetzt, die bei etwas mehr Anleitung und Ausdauer gestillt werden könnten. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20945* Höchst ungenügend erfüllt das Gesetz den Zweck, das Stillen zu fördern und zu schützen. Genau dies aber ist beispielsweise das vorrangige Ziel des einschlägigen WHO-Kodex. Hinzu kommt, daß die im Gesetz gewählten Formulierungen der Ausdeutung im Interesse der Babynahrungshersteller Tür und Tor offenlassen. Letztlich wird das alles dazu führen, daß die Produzenten auch künftig ihre kommerziellen Ziele entgegen den Gesundheitsinteressen der Kinder und Mütter durchsetzen werden. Dagegen hätte das oberste Ziel des Gesetzes darin bestehen müssen, das Stillen wieder stärker zur Normalität werden zu lassen. Dazu ist es aber unter anderem notwendig, auch Säuglingstees, Säfte und Breie ebenso wie Flaschen und Sauger, die den Stillwillen ebenfalls untergraben und oft schon für die ersten Lebenswochen von den Herstellern empfohlen werden, in den Anwendungs- und Geltungsbereich des Gesetzes aufzunehmen. Dagegen beschränkt sich der vorliegende Entwurf von vornherein auf Anfangs- und Folgenahrung. Sehr wichtig wäre es, wie von der WHO empfohlen, ein grundsätzliches Verbot der kostenfreien Abgabe von Produkten auch über Personen aus dem Gesundheitsbereich auszusprechen. Solange jedoch Herstellergeschenke an das Gesundheitspersonal weiterhin verteilt werden dürfen, wird es bei der allseits beklagten Situation bleiben, daß nicht die Ärzte oder Hebammen, sondern die herstellende Industrie der wichtigste Informationsträger für Schwangere und Mütter ist. Soll also das Stillen ernsthaft gefördert werden, dann wird es nicht ohne ein tatsächliches Verbot der Werbung in ihren direkten wie indirekten Formen gehen. Natürlich muß es die sachbezogene Information über Säuglingsnahrung geben. Sie sollte aber wissenschaftlich gesichert und herstellerunabhängig erfolgen. Vor allem aber ist eine aktive Propagierung des Stillens nötig, natürlich vor allem durch Ärzte, Schwestern und Hebammen, aber auch durch die Bildungseinrichtungen und Massenmedien. Dafür müßte sich dann allerdings die öffentliche Hand auch finanziell einsetzen. Insgesamt braucht das Gesetz also sowohl erweiterte Anwendungsbereiche als auch weitergehende Werbeverbote und Einschränkungen der Vermarktungstrategien der Hersteller. Fazit: Von einer ernsthaften Absicht, das Stillen wirklich erneut voranzubringen, ist kaum etwas zu spüren. Es wurde gewissermaßen das Minimum der Umsetzungspflicht erfüllt. Die eigentliche gesundheitspolitische Chance, mit diesem Gesetz der Gesundheitsförderung für Mutter und Kind einen nachhaltigen Impuls zu verleihen, wurde leider vergeben. Aus diesen Gründen kann ich dem Gesetz nicht zustimmen. Das gleiche gilt für den vorliegenden Entschließungsantrag. Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Par]. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Muttermilch ist anerkanntermaßen die beste Nahrung für Säuglinge. Wer sein Kind stillt, trägt damit ganz wesentlich zu einer gesunden Entwicklung des Kindes bei. Deshalb muß das Stillen gefördert werden. Hierzu leistet das Gesetz über die Werbung für Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung einen wesentlichen Beitrag. Mit dem Säuglingsnahrungswerbegesetz wird die Werbung für Muttermilchersatz-Erzeugnisse strengen Regelungen unterworfen, um die Stillbereitschaft der Mütter zu fördern und das Stillen zu schützen. Das Gesetz verbietet insbesondere in der Werbung für Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung jede Einflußnahme auf Schwangere oder Stillende, die dazu beitragen könnte, daß Mütter das Stillen unterlassen, vorzeitig einschränken oder aufgeben. Werbung darf auch nicht den Eindruck vermitteln, daß Flaschennahrung der Muttermilch gleichwertig oder überlegen ist. Darüber hinaus darf für Säuglingsanfangsnahrungen nur noch in wissenschaftlichen Publikationen oder in Veröffentlichungen geworben werden, die sich in ihrer Themenstellung mit Säuglingspflege befassen. Die Beeinflussung von Eltern durch Proben oder sonstige Werbung mittels Zugabeartikel, Sonderangeboten und Lockartikel wird generell verboten. Auch mittelbare Werbung, die in geschriebenem oder audiovisuellem Material über die Ernährung von Säuglingen erfolgt, wird inhaltlichen Schranken unterworfen. Die kostenlose Abgabe von Gegenständen zu Informations- und Ausbildungszwecken, die mittelbar der Werbung dienen, darf nur auf Wunsch und über in der Gesundheitsvorsorge tätige Institutionen erfolgen. Jede zulässige Werbung für Säuglingsanfangsnahrung oder Folgenahrung muß die notwendigen Informationen über die bestimmungsgemäße Verwendung der Erzeugnisse enthalten, um so schon in der Werbung die notwendigen Informationen über den adäquaten Einsatz des jeweiligen Erzeugnisses zu vermitteln. Wie Sie wissen, setzen wir mit diesem Gesetz die Richtlinie der EG-Kommission vom 14. Mai 1991 über Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung um. Diese Richtlinie entspricht den Zielen und Grundsätzen des WHO-Codex über die Vermarktung von Muttermilchersatz. Dabei wurden die Besonderheiten der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse in Europa berücksichtigt. Eine vollständige Übernahme des WHO-Codex war weder sinnvoll noch geboten. Die Bundesregierung hat seinerzeit die Annahme des WHO-Codex auch ausdrücklich unter den Vorbehalt gestellt, die Übernahme des Codex den Verhältnissen und Erfordernissen in der Bundesrepublik Deutschland entsprechend zu übernehmen. Dem trägt das Gesetz voll Rechnung.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans-Eberhard Urbaniak


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in der vorigen Woche auf Grund einer Fusionsrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft hier das Mitbestimmungs-Beibehaltungsgesetz verabschiedet. Dies war notwendig,
    weil die Mitbestimmung auf Grund der Fusionsrichtlinie sonst ausgehöhlt worden wäre. Dem ging eine Entscheidung des Bundestages, eine einstimmige Entschließung, voraus. Ich muß an dieser Stelle feststellen: Leider haben die Koalitionsfraktionen dazu beigetragen, daß das Mitbestimmungs-Beibehaltungsgesetz bei kleinen Aktiengesellschaften gleichwohl eine Aushöhlung der Mitbestimmung bedeutet.
    Dies ist kein guter Start für die Sicherung und Ausweitung der Unternehmensmitbestimmung auf europäischer Ebene. Die Unternehmensmitbestimmung müßten wir als Bundesrepublik in der Präsidentschaft auf jeden Fall entscheidend voranbringen. Ich bitte Sie also, das, was da entschieden worden ist, zu bedenken.
    Wir haben dem trotzdem zugestimmt, um eine einheitliche Haltung des deutschen Parlaments gegenüber der EU zu erhalten. Die Unternehmensmitbestimmung ist wichtig für den zwischen den Arbeitnehmern und den Unternehmern in der Europäischen Gemeinschaft notwendigen Konsens.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Josef Grünbeck das Wort. Ich nehme an, das bezieht sich auf die Rede der Kollegin Wieczorek-Zeul. Ich sage das, weil der Bezug bei dem letzten Beitrag nicht so ganz erkennbar war.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Josef Grünbeck


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil mir in dieser ernsten Stunde, die dieses Parlament heute erlebt, etwas abhanden gekommen zu sein scheint. Ich mag keinen einzigen Redebeitrag kritisieren; aber ich glaube, bezüglich des Weges zur europäischen Integration muß doch noch etwas erwähnt werden.
    Wir hatten im Krieg 1870/71 in Europa 2 Millionen Tote; wir hatten 1914 bis 1918 20 Millionen Tote; wir hatten 1939 bis 1945 40 Millionen Tote. Nun ist Europa auf dem Weg zu einem dauerhaften Frieden.
    Ich glaube, das allein müßte alle Parteien in diesem Hohen Hause darin einigen, daß es sich lohnt, um dieses Europa zu streiten und miteinander zu reden, statt aufeinander zu schießen. Ich glaube, daß dies hier eine Stunde ist, und zwar auch für die SPD, die auch zu meiner großen Freude und zu meinem Stolz einmal einen Friedensnobelpreisträger gestellt hat, in der wir alle darüber glücklich sein sollten, daß wir uns nicht mehr in Kriegen auseinandersetzen, sondern die Streitigkeiten, ob nun über eine Person oder über eine Sache, im Interesse eines dauerhaften Friedens in Europa und im Interesse einer zukünftigen Perspektive auch für unsere junge Generation friedlich austragen.

    (Beifall bei der F.D.P.; der CDU/CSU und der SPD)