Gesamtes Protokol
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne unsere Sitzung.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die verbundene Tagesordnung erweitert werden. Die Punkte sind in der Ihnen vorliegenden Zusatzpunktliste aufgeführt:1. Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aussetzung der Vorschriften über die repräsentative Wahlstatistik für die Wahl zum 13. Deutschen Bundestag — Drucksache 12/8152 —2. Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Stübgen, Dr. Renate Hellwig, Reinhard Freiherr von Schorlemer, Ernst Hinsken und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Ulrich Irmer, Dr. Helmut Haussmann, Dr. Otto Graf Lambsdorff und der Fraktion der F.D.P. Zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft — Drucksache 12/81583. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des EG-Ausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zur Stärkung der gesetzgeberischen Befugnisse des Europäischen Parlaments — Drucksachen 12/7214, 12/8104 —4. Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang Börnsen , Ernst Hinsken, Kurt J. Rossmanith, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich, Josef Grünbeck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" — Drucksache 12/8153 —5. Erste Beratung des von dem Abgeordneten Werner Schulz und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der Erfolgskontrolle bei der Vergabe von Subventionen — Drucksache 12/8150 —6. Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten — Drucksache 12/8006 -b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ilse Janz, Lothar Fischer , Edelgard Bulmahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Luftfahrtforschungsprogramm — Drucksache 12/8155 —7. Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache
a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 7. September 1993 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung Seiner Majestät des Sultans und Yang DiPertuan von Brunei Darussalam über den Luftverkehr — Drucksachen 12/7496, 12/8112 —b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 23. April 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über den Autobahnzusammenschluß im Raum Frankfurt/Oder und Schwetig — Drucksachen 12/7495, 12/8141, 12/8113 —c) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 5. April 1993 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Lettland über die Seeschiffahrt — Drucksachen 12/7769, 12/8114 —d) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 16. Dezember 1992 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Russischen Föderation über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen — Drucksachen 12/7506, 12/8092 —e) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 16. Oktober 1980 über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge — Drucksachen 12/6852, 12/8094 —f) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Ingrid Köppe, Dr. Wolfgang Ullmann, Konrad Weiß und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Bannmeilengesetzes — Drucksachen 12/4530, 12/7857 —g) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Außerplanmäßige Ausgabe im Haushaltsjahr 1994 bei Kapitel 60 02 Titel apl. 652 01 — Soforthilfe des Bundes für die von Hochwasserschäden betroffenen Länder Sachsen-Anhalt und Thüringen —— Drucksachen 12/7533, 12/8103 —h) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Edith Niehuis, Dr. Sissy Geiger , Uta Würfel, weiterer Abgeordneter und der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.: Frauenförderung innerhalb der Europäischen Strukturförderung
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20776 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Präsidentin Dr. Rita Süssmuthzu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Edith Niehuis, Hanna Wolf, Angelika Barbe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDFrauenförderung innerhalb der Europäischen Strukturförderung — Drucksachen 12/7504, 12/4164, 12/8142 —Von der Frist für den Beginn der Beratung soll, soweit erforderlich, abgewichen werden.Die Tagesordnungspunkte 10f — Unrechtsurteile während der NS-Gewaltherrschaft —, 18 c — Leitziele der Bildungsarbeit sowie 19e — NATO-Truppenstatut — sollen abgesetzt werden. Sind Sie damit einverstanden? — Das ist der Fall. Dann verfahren wir entsprechend.Außerdem ist vereinbart worden, den interfraktionellen Gesetzentwurf zur Aussetzung der Vorschriften über die repräsentative Wahlstatistik für die Wahl zum 13. Deutschen Bundestag auf Drucksache 12/8152 aufzusetzen und sogleich an den Innenausschuß zu überweisen. Sind Sie auch damit einverstanden? — Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.Die Beratungen ohne Aussprache werden — mit Ausnahme des Tagesordnungspunktes 19 s, Neugliederung der Länder Berlin und Brandenburg, der für Donnerstag vorgesehen ist heute nach der Beratung zur Postreform aufgerufen.Interfraktionell ist weiterhin vereinbart, den Tagesordnungspunkt 8 — Vorruhestands- und Altersübergangsgeld — ohne Aussprache zusammen mit Tagesordnungspunkt 19 zu beraten.Die Gruppe PDS/Linke Liste wünscht hingegen eine Debattenzeit von 30 Minuten. Wird zu diesem Geschäftsordnungsantrag das Wort gewünscht? — Bitte schön.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie haben heute vor, ein Bundessozialgerichtsurteil kommentarlos zu kippen. Dagegen protestieren wir und beantragen eine Debatte zum Tagesordnungspunkt 8: Änderung der Verordnung über die Gewährung von Vorruhestandsgeld.
In den ersten Junitagen fällte das Bundessozialgericht ein Urteil zum Vorruhestand, das heute mit einem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen faktisch im Handstreich revidiert werden soll. Die PDS/ Linke Liste hält es für eine politische Ungeheuerlichkeit, was sich der Bundestag hiermit erlauben will.
Da ist es Bürgerinnen und Bürgern der neuen Bundesländer auf dem beschwerlichen Weg der Sozialgerichtsbarkeit gelungen, ein für sie günstiges Urteil zu erstreiten. Flugs beeilen sich die Regierungsparteien, diesen Erfolg mit einem parlamentarischen Verfahren bar jeder Solidität zunichte zu machen. — Sie sprechen zu Recht an, daß es gestern im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung auf der Tagesordnung stand. Es waren ganze sechs Minuten, die diese Debatte gedauert hat. Die SPD macht leider ohne Zögern mit.
Was steckt dahinter? Soll der Widerstandswille der Ostdeutschen gebrochen werden?
Denn es ist in der Tat unlogisch, wenn alle etablierten Parteien in Sachen Rentenüberleitungskorrektur geradezu beschworen werden, doch die Urteile des Bundessozial- und des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten. Nun aber, wo einmal für die Klagenden ein günstiges Urteil gefällt wurde, wird es ohne Skrupel nicht anerkannt und gesetzgeberisch negiert.
— Ich habe überhaupt nicht zugestimmt. Wir haben heute noch eine Ausschußsitzung dazu. Die Abstimmung ist noch nicht einmal erfolgt. — De facto wird der Sozialgerichtsweg mit diesem Vorgehen als ein Mittel deklassiert, das die Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern nur auf die lange Bank zu schieben vermag. Mit den Urteilen kann dann nach Belieben hantiert werden.
Als Begründung für das Vorhaben wird der Deckmantel der Herstellung gleicher Rechtsgrundlagen vorgeschoben. Sicher besteht nach dem Urteil eine Ungleichheit zwischen Vorruheständlerinnen und Vorruheständlern, die bereits in Rente sind, ohne einen fünfjährigen Vorruhestandszeitraum in Anspruch genommen zu haben, sowie denen, die noch im Vorruhestand sind und einen Fünfjahreszeitraum zugesprochen bekamen. Aber es gibt noch viel mehr Ungleichheiten auch innerhalb des Altersübergangsgeldes.
Wir schlagen vor, diese Ungleichheiten zu beseitigen, indem alle Vorruheständlerinnen und Vorruheständler und Altersübergangsgeldempfängerinnen gleichgestellt werden.
Frau Abgeordnete Bläss, wir befinden uns nicht in der inhaltlichen, sondern in der Geschäftsordnungsdebatte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das gehört aber dazu. Ich muß eine Begründung geben, weshalb und warum wir das heute noch auf die Tagesordnung zu setzen haben.
Wir lassen, genau wie die Vorruheständlerinnen und Vorruheständler in den neuen Bundesländern, das mit uns nicht machen. Wir wollen das nicht sprachlos hinnehmen. Deshalb fordern wir die Aufsetzung dieses Tagesordnungspunktes für die heutige Debatte.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, so daß wir zur Abstimmung über den Geschäftsordnungsantrag der Gruppe PDS/ Linke Liste kommen. Wer stimmt für den Geschäftsordnungsantrag? — Gegenprobe! — Enthaltungen? Damit ist der Geschäftsordnungsantrag zum Tages-
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20777
Präsidentin Dr. Rita Süssmuthordnungspunkt 8 gegen die Stimmen der PDS/Linke Liste abgelehnt. Er wird ohne Debatte aufgerufen.Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 a bis d und die Zusatzpunkte 2 und 3 auf:1. a) Abgabe einer Erklärung der BundesregierungDeutsche Präsidentschaft in der Europäischen Unionb) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 24./25. Juni 1994 über den Beitritt des Königreichs Norwegen, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zur Europäischen Union— Drucksache 12/7977 — Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuß
Innenausschuß Rechtsausschuß Finanzausschuß Ausschuß für WirtschaftEG-Ausschußc) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des EG-Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPDAnforderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft— Drucksachen 12/7276, 12/8123 -Berichterstattung:Abgeordnete Peter Kittelmann Dieter SchlotenDr. Helmut Haussmannd) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des EG-Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Hans Modrow, Andrea Lederer, Dr. Ruth Fuchs, Dr. Ursula Fischer und der Gruppe der PDS/Linke ListeAnforderungen an die Präsidentschaft der Bundesrepublik Deutschland in der Europäischen Union vom 1. Juli bis 31. Dezember 1994— Drucksachen 12/7687, 12/8124 -Berichterstattung:Abgeordnete Peter Kittelmann Dieter SchlotenDr. Helmut HaussmannZP2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Stübgen, Dr. Renate Hellwig, Reinhard Freiherr von Schorlemer, Ernst Hinsken und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Ulrich Irmer, Dr. Helmut Haussmann, Dr. Otto Graf Lambsdorff und der Fraktion der F.D.P.Zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft — Drucksache 12/8158 —ZP3 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des EG-Ausschusses zu der Unterrichtung durch die BundesregierungBericht der Bundesregierung zur Stärkung der gesetzgeberischen Befugnisse des Europäischen Parlaments— Drucksachen 12/7214, 12/8104 —Berichterstattung:Abgeordnete Michael Stübgen Dieter SchlotenDr. Helmut HaussmannZur Regierungserklärung liegen ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und zwei Entschließungsanträge der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die gemeinsame Aussprache im Anschluß an die Regierungserklärung eineinhalb Stunden vorgesehen. — Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Wir verfahren so.Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Klaus Kinkel.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Europäische Rat von Korfu hat die europäische Einigung ein weiteres Stück vorangebracht, auch wenn es nicht gelang, sich auf einen neuen Kommissionspräsidenten zu einigen.Die Unterzeichnung der Beitrittsverträge mit Österreich, Finnland, Schweden und Norwegen, die Unterzeichnung des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens mit Rußland machten eines deutlich: Die Europäische Union hat die Gestaltung Europas in die Hand genommen, und zwar mit Erfolg in Richtung einer gemeinsamen Zukunft der europäischen Völker in einer Europäischen Union, die partnerschaftlich mit Rußland verbunden ist und zu der die Ostsee genauso gehört wie das Mittelmeer.
Nach dem beeindruckenden Ja der Österreicher zu Europa bin ich zuversichtlich: Auch unsere nordischen Nachbarn werden für diese Gemeinsamkeit stimmen, denn nie war in Europa deutlicher: Im Handeln auf eigene Faust liegt keine Zukunft mehr.
Mit diesem Appell an die Partner wird sich die Bundesregierung während ihrer Präsidentschaft ab 1. Juli um einen Konsens in der Nachfolge von Jacques Delors bemühen, der sich um Europa wahrhaft große Verdienste erworben hat.
Falls notwendig, wird sie hierfür am 15. Juli in Brüssel einen außerordentlichen Europäischen Rat einberufen. Die Europäische Union braucht einen kraftvollen Europäer an der Spitze der Kommission, und diese Entscheidung muß schnell getroffen werden. Das letzte, was die Union an dieser entscheidenden Wegmarke gebrauchen könnte, wäre ein Mangel an Entschlußfähigkeit und Konsensfähigkeit.
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20778 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Bundesminister Dr. Klaus KinkelMeine Damen und Herren, in zwei Tagen wird das wiedervereinigte Deutschland erstmals den Vorsitz im Rat der Europäischen Union übernehmen. Wir werden alles in unseren Kräften Stehende tun, um in diesem begrenzten Zeitraum von 6 Monaten die Sache Europas voranzubringen, und zwar in engstem Schulterschluß mit Frankreich, das uns in der Präsidentschaft nachfolgt, mit dem wir also anschließend in der Troika sind, aber auch mit den dann in der Präsidentschaft nachfolgenden Ländern Spanien und Italien.
Ich reise im Augenblick durch die zwölf europäischen Länder, um dies vorzubereiten. Wir Deutschen sehen unsere Zukunft im gemeinsamen europäischen Weg. Das muß unser Kompaß sein.
Wir wollen dabei nichts versprechen, was wir nicht halten können. Es muß uns um eine solide, weiterführende Geschäftsführung gehen. Dabei sind sehr konkrete Fragen anzupacken, z. B. die Beschäftigungssituation, die Arbeitslosigkeit und die Kriminalität, die den Menschen in Europa im wahrsten Sinne des Wortes auf den Nägeln brennen. Es geht aber zugleich um die weitere Gestaltung unseres Kontinents, d. h. um die Vertiefung und Erweiterung des Kerneuropa, das die Union heute darstellt. Zu all dem müssen wir unsere Bürger, die Menschen mitnehmen.
Trotz einer Wahlbeteiligung von nur 56 % bei den Europawahlen bin ich überzeugt, die große Mehrzahl der Menschen in Europa hat wohl verstanden: Keiner schafft es in Europa mehr allein. Solidarisches Zusammengehen und Zusammenstehen sind für alle Völker, große und kleine, unverzichtbar. Aber die Menschen erwarten von Europa, daß es entschlossen beiträgt zur Überwindung der Arbeitslosigkeit und zur Förderung des Friedens und vor allem eben auch zur inneren Sicherheit. Das sind die Aufgaben, die in Korfu im Mittelpunkt standen und die die Schwerpunkte der deutschen Präsidentschaft vom 1. Juli an sein werden. Wenn wir auf diesen Gebieten vorankommen, brauchen wir uns um die Unterstützung der Bürger nicht zu sorgen.
Die Idee vom „Europa der Bürger" und die demokratisch-parlamentarische Legitimation hängen untrennbar zusammen. Bereits jetzt gilt: Ohne die Zustimmung des Europäischen Parlaments kann keine Kommission ernannt, kein Haushalt verabschiedet und kein Beitritt vollzogen werden. Die Bundesregierung wird während ihrer Präsidentschaft auf eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Rat, Kommission und Parlament besonderen Wert legen. Sie weiß sich dabei vom Konsens des Deutschen Bundestages unterstützt.
Wir Deutsche haben uns von Anfang an für stärkere Rechte des Europäischen Parlaments eingesetzt, undwir werden das auch nach dem Maastricht-Vertrag weiter tun.
Die besonders von der Bundesregierung geforderte und in Korfu beschlossene Beteiligung von zwei Vertretern des Europäischen Parlaments an der Vorbereitung der Regierungskonferenz von 1996 setzt das richtige Zeichen.Der bei unserem Europäischen Rat in Essen anstehende Bericht zur Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips hat ebenfalls größte Bedeutung für ein gesundes und bürgerfreundliches Gleichgewicht der verschiedenen Ebenen. Dem Prinzip der Subsidiarität wirklich zum Durchbruch zu verhelfen, auch durch das Zurückholen von Entscheidungen, die sonst durch Europa getroffen werden, muß ganz oben auf unserer Präsidentschaftsagenda stehen.
Meine Damen und Herren, die Erhaltung unserer europäischen Lebensart und Kultur, die Sicherung des sozialen Netzes hängen entscheidend von unserer weltweiten Wettbewerbsfähigkeit ab. Mit dem Ziel eines Modernisierungsschubs und der Befreiung von Wachstums- und Beschäftigungshemmnissen wurden in Korfu eine ganze Reihe wichtiger Maßnahmen beschlossen. An erster Stelle stehen hier die Projekte zum Ausbau der transeuropäischen Verkehrs-, Energie- und Kommunikationsnetze, darunter zwei Hochgeschwindigkeitsbahnen in Deutschland. Für die Bundesregierung ist dabei — das haben wir deutlich und klar gesagt — eine solide Finanzierung unabdingbar. Was in den Mitgliedstaaten not tut, gilt auch für Brüssel: strengste Haushaltsdisziplin.
Der zweite große Bereich ist die Reform des Arbeitsmarktes, die Erschließung von Arbeitsplätzen im Dienstleistungssektor, die Förderung mittelständischer Betriebe und die Bündelung der Ressourcen im Forschungsbereich. Alle waren sich in Korfu einig: Die dringend notwendige Entrümpelung in der europäischen Wirtschafts- und Arbeitswelt darf trotz wieder anspringender Konjunktur nicht verschoben werden. Das wäre für den Wirtschaftsstandort Deutschland lebensgefährlich.
Unter diesem Vorzeichen sieht die Bundesregierung auch die unabhängige Expertengruppe, die der Kommission bei der Deregulierungsaktion zur Seite stehen soll. Wir werden weiterhin darauf hinwirken, daß sich auch die Sozialpartner mit ihrem Sachverstand an dieser Aufgabe beteiligen.Modernisierung des Wirtschaftsstandortes Europa heißt auch ökologische Weiterentwicklung des Binnenmarkts. Umwelttechnologie ist dabei die Wachstumsbranche der Zukunft. Auf diesem Gebiet sind wir in Deutschland sehr weit fortgeschritten und führend in der Welt.
Für die deutsche Präsidentschaft ist klar: Eine CO2-Steuer bedarf einer europäischen Lösung.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20779
Bundesminister Dr. Klaus KinkelIm Bereich der Innen- und Rechtspolitik, meine Damen und Herren, steht beim Rat in Essen ein Bericht zur Bekämpfung des internationalen Verbrechens, des Terrorismus und der Drogenmafia an. Hier sind, wie auch in der Asyl- und Zuwanderungspolitik, Kernbereiche staatlicher Souveränität berührt. Nirgendwo sind deshalb konkrete Schritte so unendlich mühsam. Nirgendwo, von der Frage der Arbeitsplätze abgesehen, wird aber auch ein entschlossenes Handeln, d. h. wirksamerer Schutz der Bürger, dringlicher angemahnt und erwartet als hier. Das neue Europa hat seinen Bürgern mehr Freiheit, mehr Freizügigkeit und mehr Lebenschancen gebracht. Jetzt müssen die erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um die persönliche Sicherheit der Bürger zu gewährleisten.Die deutsch-französische Initiative gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit hat bei unseren Partnern große Zustimmung erfahren. Dieses Problem betrifft alle Mitgliedstaaten. Beim Europäischen Rat in Essen werden wir dazu eine gemeinsame Strategie vorlegen.Meine Damen und Herren, der Wille, alte, tiefe nationale Rivalitäten in Europa zu überwinden und sich unwiderruflich gemeinsam den großen lebenswichtigen Aufgaben der europäischen Nation zu stellen, war das Leitmotiv der Gründungsväter der Europäischen Gemeinschaft. Fünf Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Beginn der großen Umbrüche in Europa und in der Welt gilt dies mehr denn je, aber es gilt in einem neuen gesamteuropäischen Rahmen. Heute haben wir ein klareres Bild davon, welche Herausforderungen es aufzunehmen, welche Risiken es einzugrenzen und welche Gespenster der Vergangenheit es zu bannen gilt. Wenn es eine besondere deutsche außenpolitische Verantwortung vor der Geschichte gibt, dann die: das Europa, das wir anstreben, zusammen und gemeinsam mit den neuen Demokratien in Mittel- und Osteuropa zu bauen.
Die Bundesrepublik Deutschland bleibt der Anwalt des ganzen Europa. Die Unterzeichnung der Beitrittsverträge mit Österreich und den skandinavischen Staaten wie die Beschlüsse zur Heranführung der mittel- und osteuropäischen Nachbarn, der baltischen Staaten und Sloweniens untermauern: Das deutsche Europabild ist mit dem unserer Partner in der Union identisch. Auch unsere Partner wissen, daß es dem Westen nicht auf Dauer gut gehen kann, wenn es dem Osten schlecht geht.
Dem Bundestag liegt heute das Gesetz über den Beitritt Österreichs und der skandinavischen Staaten zur Beratung und Abstimmung vor. Dieses rasche, von einer breiten Mehrheit getragene Verfahren ist ein deutliches politisches Signal an die Bürger in diesen Ländern, das Signal: Ihr seid uns herzlich willkommen.
Meine Damen und Herren, dem Europäischen Rat in Essen sollen neue Vorschläge zur konkreten Überbrückung der schwierigen Übergangsphase, in der sich die Reformstaaten bis zum Beitritt befinden, vorgelegt werden. Weitere Marktöffnung und engere politische Zusammenarbeit schon im Vorfeld sind für uns wichtig, und wir wollen uns als Deutsche ganz besonders darum bemühen.Bis Essen ist auch die in Korfu eingebrachte Idee einer Konferenz der Europäischen Union mit allen Mittelmeeranrainern aufzuarbeiten und die Zollunion mit der Türkei abzuschließen.Die beiden vergangene Woche mit Moskau abgeschlossenen Vereinbarungen, die Vereinbarung über Partnerschaft für Frieden mit der NATO und das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen von Korfu, verdeutlichen: Auch Rußland hat im europäischen Haus einen Platz als Freund und Partner.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Damit wurde ein wichtiger Schritt zur Herstellung der Einheit unseres Kontinents getan.In Korfu wurde auch die deutsch-französische Initiative zur Verhinderung eines neuen Tschernobyl aufgegriffen, dessen Folgen nicht auszumalen wären. Ziel muß das möglichst baldige Abschalten dieses gefährlichen Reaktortyps sein.
Dafür müssen alternative Energiequellen her. Das kostet zwar Geld, aber das ist gut angelegt — im Interesse aller Menschen in Europa. Die Europäische Union wird auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Neapel die anderen G-7-Partner zur Mithilfe auffordern. Das geht alle an: die Industriestaaten und natürlich in erster Linie auch die ukrainische Regierung.Die deutsche Präsidentschaft wird den Besuch von Präsident Clinton am 12. Juli in Berlin nutzen, um das Freundschaftsband über den Atlantik hinweg zu bekräftigen. Ohne dies kann Europa weder sein inneres noch sein äußeres Gleichgewicht finden.
Die täglichen schlimmen Fernsehbilder aus Bosnien oder aus unserem Nachbarkontinent Afrika belegen: Frieden und Freiheit sind nach dem Ende des OstWest-Konflikts beileibe nicht selbstverständlich, auch nicht auf unserem europäischen Kontinent mit heute 36 Staaten — die GUS-Mitglieder nicht mitgerechnet. Das heißt aber: Wir brauchen eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die diesen Namen wirklich verdient.
Dies braucht Zeit. Aber die Beschlüsse von Korfu bestätigen den Willen, hier ernst zu machen.Die Verhandlungen mit den Konfliktparteien im ehemaligen Jugoslawien befinden sich in einem entscheidenden Stadium. Die Bundesregierung ist an diesen Verhandlungen im Rahmen der Kontaktgruppe beteiligt. Die Kontaktgruppe hat gestern
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20780 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Bundesminister Dr. Klaus Kinkelgetagt und hat, wie ich weiß, gute Ergebnisse erzielt.
Europäische Union, USA und Rußland müssen eine Friedenslösung anbieten und dabei deutlich machen, daß die Geduld der internationalen Staatengemeinschaft erschöpft ist. Das muß allen drei Konfliktparteien gegenüber jetzt deutlich gemacht werden. Hier ist entschlossenes Handeln und Geschlossenheit der Union, Rußlands und Amerikas notwendig.Für uns Europäer ist die Übernahme der Administration von Mostar unter der Leitung des Administrators Hans Koschnick von ganz besonderer Bedeutung.
Die Bundesregierung hofft, daß hier ein Modell für ein friedliches Zusammenleben verschiedener Bevölkerungsgruppen verwirklicht werden kann. Nur so kann die Versöhnung der Völker im ehemaligen Jugoslawien gelingen. Sie ist dringender denn je notwendig, aber immer noch sehr schwer zu erreichen.Meine Damen und Herren, die erste Präsidentschaft des wiedervereinten Deutschlands bedeutet eine besondere politische Chance, aber eben auch eine besondere Verpflichtung. Nicht nur die Augen der Europäer sind auf Deutschland und diese Präsidentschaft gerichtet.Die Bundesregierung will die anstehenden Entscheidungen voranbringen. Sie will darüber hinaus aber deutlich machen, daß die europäische Integration zentrale Orientierung auch des wiedervereinigten Deutschlands bleibt.
Wir haben die meisten Nachbarn in Europa. Zum erstenmal in der deutschen Geschichte ist das Verhältnis zu allen unseren Nachbarn geprägt vom gegenseitigen Willen zu dauerhafter Freundschaft und Zusammenarbeit unter einem gemeinsamen Dach. Diese Chance müssen und werden wir nutzen. Deutschlands Zukunft liegt in Europa.
Als nächster spricht der Fraktionsvorsitzende der SPD, Hans-Ulrich Klose.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die „Neue Zürcher Zeitung" nannte den Aufgabenkatalog der kommenden deutschen Ratspräsidentschaft in Europa „ambitiös", berichtet aber zugleich, der deutsche Außenminister habe vor der Presse erklärt, daß man nicht den Anspruch erhebe, alle Programmpunkte zu erfüllen. --- Das, meine Damen und Herren, trifft den Kern: große Ankündigungen, aber wie immer ein Hintertürchen offen, falls es anders kommt.
18 Millionen Arbeitslose gibt es derzeit in der Europäischen Union. Auf Korfu aber hat man nicht über diese Menschen, sondern über einen Menschen, den künftigen Kommissionspräsidenten, geredet. Dies bestimmte die Meldungen — als sei dies die wichtigste Entscheidung, die zu treffen ist.
Die Europäische Union, Herr Außenminister, befindet sich nicht wegen dieser Frage in schwerem Wasser, sondern weil Ihnen ganz offenkundig nichts zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit einfällt.
18 Millionen Arbeitslose, meine Damen und Herren, das ist Sprengstoff für die Europäische Union. Ich bin kein Prophet, aber wage eine Prophezeiung: Wenn es nicht gelingt, diese Zahl zu mindern und die Arbeitslosigkeit zu senken, wird der heute schon in der Europäischen Union zu beobachtende Wettbewerb um Arbeitsplätze den Zusammenhalt der Union schwächen und zu einer Renationalisierung auch in Westeuropa führen. Das ist eine besorgniserregende Perspektive.
Die Verantwortlichen in Europa, allen voran die Bundesregierung, müßten sich daher vorrangig um dieses Problem, um Beschäftigung und Wachstum, kümmern. Richtig ist: Sie reden seit etwa einem Jahr darüber; an Worten herrscht kein Mangel. Es mangelt an Taten.Nehmen wir z. B. die Bundesregierung: Im Mittelpunkt der Beschäftigungsstrategie der Bundesregierung stehen drei Worte: Deregulierung, Flexibilisierung und Kostenreduzierung. Mal abgesehen von der Stillosigkeit, der Kommission in Brüssel in diesen Bereichen mangelnden Sachverstand öffentlich zu bescheinigen, mal unterstellt, dies wären die richtigen Rezepte, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu verbessern: Was hat denn die Bundesregierung konkret getan, um Aus- und Weiterbildung zu verbessern? Was hat sie zur Senkung der Lohnnebenkosten getan, was, um die oft beklagte Abgabenlast der Unternehmen zu reduzieren? Die Antwort lautet: nichts!Nicht die Bundesregierung hat gehandelt. Die Unternehmen haben sich auf den Weg gemacht, ihre Produktivität zu steigern — überwiegend zu Lasten der Arbeitnehmer und mit der Folge noch höherer Arbeitslosigkeit.
Die Gewerkschaften haben — ganz im Sinne der geforderten solidarischen Wirtschaft — Lohnzurückhaltung geübt und Nettoeinkommensverluste hingenommen. Die Gewerkschaften waren das, nicht die Bundesregierung!
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20781
Hans-Ulrich KloseDie tut nur so, als täte sie etwas. In Wahrheit aber macht sie nichts.Gilt das, meine Damen und Herren, auch für Korfu: Worte und sonst nichts? — Stichwort: transeuropäische Netze. Seit Wochen und Monaten wird aus Brüssel, aber auch von der Industrie geklagt, daß die zuständigen deutschen Staatssekretäre offenbar nur ein Ziel hätten: vorgelegte Programmvorschläge zu verhindern. Die Herren machten in Brüssel überhaupt keinen Hehl aus ihrer Überzeugung, daß sie Investitionen zum Ausbau der transeuropäischen Netze für groben Unfug hielten. „Warum sitze ich hier eigentlich rum?", wird ein deutscher Staatssekretär zitiert. — Ob er sich so geäußert hat oder nicht, ist mir letztlich egal.
Nicht egal ist mir, daß die Bundesregierung offenbar bis zur Tagung des Europäischen Rates in Korfu die Chance für Wachstums- und Modernisierungsimpulse verzögert und ganz bewußt behindert hat.
Letztendlich haben sich die europäischen Staats- und Regierungschefs in Korfu auf eine erste Liste mit vorrangigen, insgesamt I 1 größeren Verkehrsprojekten geeinigt. Auch wenn die Zustimmung der Bundesregierung spät kommt: Wir begrüßen sie, weil von den transeuropäischen Netzen Wachstumsimpulse ausgehen werden, weil hoffentlich Arbeitsplätze geschaffen werden und weil Deutschland noch stärker mit seinen Nachbarn verbunden wird. Dies ist für die Menschen und auch für die Wirtschaft ein Gewinn.Wir fordern die Bundesregierung allerdings nachdrücklich auf, bei der Umsetzung der Beschlüsse von Korfu ihre bisherige Verzögerungstaktik aufzugeben. Daran, daß sie dazu bereit wäre, haben wir noch immer Zweifel, nicht nur wegen der Versäumnisse in der Vergangenheit. Denn erstens hat es die Bundesregierung nicht für nötig gehalten, vor der Anmeldung der prioritären Verkehrsprojekte in Brüssel den Deutschen Bundestag damit zu befassen. Sie wollte das nicht wegen der höheren Verbindlichkeit. Zweitens entscheidet in Brüssel offenbar nicht der deutsche Verkehrsminister über die Durchführung verkehrspolitisch wichtiger Projekte, sondern der Bundesfinanzminister, der sich bisher einer soliden Finanzierung ständig entgegengestellt hat.
— Das nehme ich nicht zurück, auch wenn Sie es sind, Herr Kollege Waigel.
Schließlich nimmt sich der deutsche Anteil an dem Investitionsvolumen für die Netze mit ca. 18 % seltsam bescheiden aus.Höchst bedenklich ist, daß das Vorhaben „Hochgeschwindigkeitszug Paris-Berlin" in seiner Variante über Saarbrücken in Mannheim und in der Varianteüber Straßburg in Karlsruhe endet. Wo bleibt die Verbindung nach Frankfurt, wo die nach Berlin?
Hier erwarten wir eine baldige Nachbesserung mit Erweiterungsperspektive über Berlin hinaus.Es ist gerade aus deutscher Sicht vernünftig und notwendig, mit der Unterstützung der Europäischen Union die Infrastrukturnetze in Mitteleuropa auszubauen und diese mit den westeuropäischen Netzen zu verbinden. Dies gilt in erster Linie für den Verkehr und die Telekommunikation, aber auch für die Energienetze und die Ver- und Entsorgung. Da Deutschland der beste Systemanbieter von Infrastrukturen ist, ist es auch in deutschem Interesse, diese Projekte zu unterstützen. Dies sind Zukunftsinvestitionen im wahrsten Sinne des Wortes.
Wir haben gehört, daß der Bundeskanzler in Korfu zugestimmt hat — ich zitiere —, „sicherzustellen, daß diese vorrangigen Projekte nicht auf finanzielle Hindernisse stoßen, die ihre Durchführung in Frage stellen." Wir wüßten nur sehr gern, Herr Bundeskanzler, wie Sie dies machen wollen,
wie diese Finanzierung sichergestellt werden soll oder ob es sich dabei um jene vielzitierte Finanzplanung handelt, von der wir hören, daß es sie gibt, die aber nicht auf den Tisch gelegt wird, weil der Finanzierungsteil fehlt.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf die unbestreitbare Tatsache hinweisen, daß die Änderung der Förderungspolitik für die ostdeutschen Länder, denen in den nächsten sechs Jahren immerhin 26 Milliarden DM aus europäischen Töpfen zufließen sollen, von der Kommission gegen den Widerstand des deutschen Wirtschaftsministers durchgesetzt werden mußte.
In Brüssel gilt die deutsche Förderpolitik schon seit längerem als nicht mehr zeitgemäß. Künftig sollen deshalb nicht mehr nur Infrastrukturmaßnahmen sowie Gewerbeunterstützung und -ansiedlung gefördert werden, sondern auch Umwelt-, Forschungs- und Entwicklungsvorhaben sowie Projekte der Aus- und Weiterbildung. Was spricht eigentlich dagegen? Nichts, im Gegenteil: Wer die Probleme vorurteilslos sieht, wer die Lage gestaltend verändern will, der müßte eigentlich dankbar sein, wenn sich zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen.Der Bundeswirtschaftsminister sieht das offenbar anders. Er setzt auf Nichtstun und nennt das Markt. Wir nennen es falsche Politik.
Die Leistung des Bundeswirtschaftsministers messen wir an seiner Fähigkeit, die Arbeitslosigkeit zu mindern. Geleistet hat er in den Jahren seiner Amts-
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20782 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Hans-Ulrich Klosetätigkeit in diesem Sinne nichts: Schlechte Nachrichten für Deutschland und schlechte Aussichten für Europa.
Meine Damen und Herren, der Wettbewerb um Arbeitsplätze schwächt nicht nur den Zusammenhalt der Union, er mindert auch ihre Möglichkeiten, aktiv zur Stabilisierung und Entwicklung im Osten und im Süden beizutragen. Europa ist faktisch noch immer in unterschiedliche Wohlstandszonen geteilt. In diesem weiterhin geteilten Europa ist Deutschland Grenzland. Solange die Ungleichgewichte so sind, wie sie sind, wird es keine Sicherheit in Europa geben. Wie schnell ökonomische und soziale Probleme in offene ethnische und religiöse Konflikte umschlagen, wie schnell sie sich brutalisieren, wie stark sie mit zerstörerischer Tendenz ausstrahlen, das alles haben wir erlebt.Was aber tut die Bundesregierung konkret, um vorbeugend konfliktmindernd zu arbeiten? Natürlich, Herr Kollege Kinkel, ist es richtig, den mittel- und mittelosteuropäischen Ländern die europäische Perspektive zu eröffnen: die Beitrittsperspektive für die einen, die Kooperationsperspektive für die anderen. Sie haben freundlich davon gesprochen.Ich füge nicht unfreundlich, aber sachlich folgendes hinzu: Unsere Möglichkeiten, Assoziierungs- und Kooperationsverträge mit materiellem Inhalt zu erfüllen, müssen realistisch gesehen werden. Sie sind derzeit außerordentlich begrenzt. Die Zustimmung für Marktöffnung und Kooperation hält sich in der Bevölkerung in Grenzen, wenn die Arbeitslosigkeit hoch ist und bleibt und weitere Arbeitsplatzverluste durch Billiglohnkonkurrenz drohen. Wir müssen unsere begrenzten Handlungsmöglichkeiten realistisch sehen. Illusionen sind hochgefährlich.
Schon deshalb bin ich dagegen, daß der Herr Außenminister unentwegt als Anwalt der Osteuropäer — heute war er der Anwalt des ganzen Europa — durch die Gegend reist.
Wir Deutschen haben keine besondere, keine Brükkenfunktion; wir sollten im Kontext Westeuropa operieren. Das zum einen.Zum anderen: Wer allen alles geben will, muß auch sagen, wie er das bezahlen will.
Schon heute wird doch in allen politischen Lagern darüber geredet, daß die deutschen Beiträge für Europa zu hoch seien. Der Kanzler selbst hat in seiner letzten Erklärung zu Europa hier im Bundestag so gesprochen. Wenn wir aber die Beiträge für Europa nicht erhöhen können und wollen, dann könnte die notwendige Finanzierung der Osterweiterung nur durch Minderung der Zuwendungen für den Süden erfolgen. Ich frage: Wollen wir das?Ich bin sicher, meine Damen und Herren, die Osterweiterung wird nicht gelingen, wenn sie zu Lasten der Südeuropäer erfolgt. Dort entwickelt sich der zweite Krisenbogen, dort baut sich ein Druck und Risikopotential auf, das niemand unterschätzen sollte.Nehmen wir allein die demographische Entwicklung. Während die einheimische Bevölkerung in Westeuropa, auch in katholischen Ländern wie Italien und Spanien, abnimmt, nimmt sie z. B. im Maghreb stark zu. Über 55 % der dort lebenden Menschen sind jünger als 25 Jahre. Die Bevölkerung in Nordafrika wird sich in den nächsten 30 Jahren mehr als verdoppeln. Schon heute gibt es dort hohe Arbeitslosigkeit, soziale Konflikte, ökologische Probleme; Stichwort Wasserknappheit.Der Nährboden für politischen Fundamentalismus, religiös begründet und politisch mißbraucht, ist gefährlich fruchtbar. Dies nicht zu sehen wäre ignorant. Daß freilich nur oder in erster Linie der Generalinspekteur der Bundeswehr darüber nachdenkt und redet, erfüllt mich mit Sorge.
Noch geht es nicht um ein militärisches, sondern um ein politisches Problem.Auch wenn es schwerfällt: Europa braucht die institutionalisierte Zusammenarbeit mit den Ländern des südlichen Mittelmeers. Der Dialog mit diesen Ländern — ökonomisch, ökologisch, technologisch und kulturell — muß verstärkt, persönliche Kontakte müssen ausgebaut und genutzt werden, um einer weiteren Entfremdung entgegenzuwirken. Dieser Dialog ist schwierig genug; er ist durch das Versagen Europas in Bosnien noch schwieriger geworden. Aber er muß geführt werden. Die Europäische Union muß die Verhandlungen mit den nordafrikanischen Ländern mit Nachdruck vorantreiben, sonst, sage ich voraus, wird sich hier eine neue Konfliktlinie entwikkeln, bei der am Ende die Militärs das Nachdenken übernehmen müssen.Herr Kollege Kinkel, das Mittelmeer kam in Ihrer Erklärung nicht vor. Ich unterstelle gleichwohl, daß Sie darüber nachdenken. Aber ich frage: Was tut die Bundesregierung konkret? Hat sie in ihren Reihen einen einzigen Hans-Jürgen Wischnewski, der den Dialog mit der arabischen Welt dauerhaft, mit Sachverstand und mit Einfühlungsvermögen führt?
Was genau wollen Sie, Herr Kollege Kinkel, tun, um die deutsche Präsidentschaft für mehr Dialog und Zusammenarbeit im Mittelmeer zu nutzen? Reduziert sich das am Ende alles auf Abschottungsmaßnahmen?Wir stimmen Ihnen ja zu, wenn Sie die Notwendigkeit einer europäischen Zuwanderungs- und Asylpolitik betonen. Wir stimmen zu, daß Arbeitsgenehmigungen nur noch restriktiv erteilt werden sollen. Aber das allein kann es doch nicht sein. Wenn die Hoffnungen der Menschen auf ein besseres Leben im eigenen Land nicht erfüllbar sind, wird sich der Zuwanderungsdruck auf Westeuropa verstärken. Mit gesetzli-
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Hans-Ulrich KloseChen Maßnahmen allein werden Sie diesem Druck nicht begegnen können. Nutzen Sie daher die Präsidentschaft, um in enger Kooperation mit Frankreich, Spanien, Italien und Griechenland ein System der Zusammenarbeit mit der arabischen Welt zu entwikkeln! Entwicklungszusammenarbeit ist Friedensarbeit, Herr Außenminister.
Die Opposition hat die Regierung, wenn es um Europa geht, in der Regel unterstützt. Wir werden das so lange tun, solange wir Opposition und Sie Regierung sind. Solange Sie Regierung sind, erwarten wir von Ihnen mehr als schöne Worte.
Von Krise will ich nicht reden. Europa hat alle Chancen, mehr als ein Fels in der Brandung zu sein. Ohne Perspektive, ohne Gestaltungswillen und Handlungsoptimismus geht es aber nicht. Wir vermissen ebendies: ein realistisches Konzept und zielstrebiges Handeln.Die europäische Wirklichkeit hat sich verändert. Die Mittel- und Mittelosteuropäer sind nach Europa zurückgekehrt. Aber, frage ich mich manchmal, in welches Europa: in das Europa des beginnenden 21. Jahrhunderts oder in das Europa des ausgehenden 19. Jahrhunderts? Zurückgekehrt sind jedenfalls viele Probleme und Konflikte, von denen wir glaubten, wir hätten sie ein für allemal überwunden: Armut, Arbeitslosigkeit, Nationalismus, Krieg.
Wir sind in schwerem Wasser — sehr richtig, Herr Außenminister —, aber nicht, weil auf der Ebene der Chefs unter ziemlich trampeliger deutscher Führung über den neuen Kommissionspräsidenten gestritten wird.
Es geht um die wirklichen Probleme, um die konkreten Sorgen und Ängste der Menschen.Was zu tun ist, hat Gro Harlem Brundtland wie folgt gesagt:Wir wollen dafür kämpfen, daß die Politik die Wirklichkeit wieder in den Griff bekommt. Wir brauchen mehr grenzüberschreitende politische Maßnahmen, damit die Menschen ihre Zukunft selbst gestalten können.Und:Laßt uns zeigen, daß Europa eine Verantwortung trägt für globale Gerechtigkeit.Schließlich:Einige tragen mehr Verantwortung als andere, einige haben bessere Voraussetzungen als andere, die Initiative zu ergreifen und Ziele zu verwirklichen.Recht hat sie, die norwegische Ministerpräsidentin. Wir sollten auf sie hören, Herr Kollege Kinkel, Sie auch!
Als nächste spricht die Kollegin Renate Hellwig.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Klose, es ist schade,
daß die Gelegenheit, hier gemeinsam zu beweisen, daß es in bezug auf den europäischen Einigungsprozeß über die Parteigrenzen hinweg eine ganz eindeutige deutsche Einigungspolitik gibt, von Ihnen absolut versäumt worden ist
und wir statt dessen wieder einmal den Schlagabtausch über die Unterschiede im nationalen Rahmen — was die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit betrifft, was die Frage einer erfolgreichen Außen- und Sicherheitspolitik betrifft -- erleben mußten. Das haben Sie eigentlich nur auf den europäischen Rahmen, also auf eine höhere Ebene, übertragen.
Ich hatte die Gelegenheit, in den letzten zwei Tagen in Paris verschiedene Gespräche zu führen. Herr Klose, ich darf Ihnen ausrichten, daß sich in Paris selbst die Sozialisten deshalb Sorgen machen
und glauben, daß die deutsche und französische Präsidentschaft der nächsten zwölf Monate in besseren Händen ist, wenn diese Koalition, diese Regierung die Verantwortung weiter trägt, als wenn es zu einem Regierungswechsel käme.
Ich darf Sie vielleicht daran erinnern, daß Präsident Mitterrand, als er damals vor uns in diesem Bundestag zum Thema der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik gesprochen hat, diesen Dissens ganz offen und deutlich gemacht hat, indem er wie selbstverständlich darauf hingewiesen hat, daß in Frankreich über alle Parteigrenzen hinweg in bezug auf eine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik wegen der internationalen Verantwortung ein Konsens besteht.Wir hoffen, daß das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung zu Ihren Verfassungsbedenken gegen den Einsatz von AWACS jetzt für uns einen Befreiungsschlag macht.
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Dr. Renate Hellwig— Sie wissen genau, wie die Probleme zustande gekommen sind
und daß es an Ihnen liegt, daß es zu der gebotenen Verfassungsänderung nicht gekommen ist.
Es würde also einen ganz klaren Dissens geben: keine Kooperation während der deutschen und französischen Präsidentschaft, wenn die Sozialisten in die große Bremsfunktion treten.Der zweite wichtige und entscheidende Punkt der gemeinsamen europäischen Politik ist die Frage der Wirtschaftspolitik, damit auch die Frage der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Herr Rexrodt, ich darf Sie dazu beglückwünschen.
Denn unsere Vorstellungen, die wir in das Weißbuch der Europäischen Union eingebracht haben, sind im wesentlichen auf Grund der Philosophie der Vorschläge, die in ihrem Hause erarbeitet worden sind, übernommen worden.
— Wenn Sie das nicht gerne hören, Herr Klose, dann lesen sie sich einmal den Erfolgsbericht der jüngsten Sitzung auf Korfu durch.Ich muß sagen: Ich bedaure es auch, daß, weil die Journalisten von Vereinfachungen leben, nur die Frage des Vorsitzes, die aus meiner Sicht eine sehr vorübergehende Frage ist, einseitig im Vordergrund gestanden hat und daß die viel wichtigeren Fragen, die mittel- und langfristig über den Erfolg dieser Europäischen Union entscheiden, und die Glaubwürdigkeitsfragen, die auch Sie angesprochen haben, Herr Klose — so u. a. die Frage, wie es mit der erfolreichen Bekämpfung der Arbeitslosigkeit innerhalb der Europäischen Union aussieht —, kaum zur Geltung kamen.Sie werden feststellen, daß der Europäische Rat die vollständige Nutzung des Beschäftigungspotentials kleinerer und mittlerer Unternehmen, die Reformen zur Effizienz der Beschäftigungssysteme, die Herabsetzung überzogener Nebenkosten, Fragen der Konsolidierung der Haushalte in den Vordergrund gestellt hat. Das sind alles genau die Punkte, die wir in heftigem Kampf mit Ihnen hier auf nationaler Ebene durchgesetzt haben, und die auch bereits erste Erfolge zeigen.
Ich sage Ihnen dazu noch folgendes: Wenn innerhalb der Europäischen Union darüber diskutiert wird, wie man am besten von der hohen Arbeitslosigkeit herunterkommt, dann gelten wir Deutschen wieder einmal als großes Vorbild. Das gilt sowohl beim dualen System als auch bei der schnellen Eingliederung der Jugendlichen in den Arbeitsmarkt. Wirhaben mit Abstand die geringste Jugendarbeitslosigkeit von allen Mitgliedstaaten.
Die anderen eifern darum, es uns in diesem Punkte nachzumachen.Mir blutet das Herz, wenn ich immer wieder erlebe, mit welcher Ängstlichkeit in Deutschland die Frage der europäischen Einheitswährung und die Schritte dorthin, nämlich Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, Sparprogramm und Umbau des Sozialstaates, behandelt werden. Das sind Punkte, die von den anderen voll übernommen werden. Selbst sozialistische Regierungen geben sich große Mühe, diese unsere Philosophie nachzuahmen.
Überlegen Sie sich einmal, welch ein Erfolgsrezept wir gerade gegenüber unserem Partner Frankreich aufzuweisen haben. Noch vor zehn Jahren hatten wir einen großen Dissens darüber, ob eine stabile Währung, verbunden mit einer soliden, strengen Haushaltspolitik, zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit erfolgreicher ist oder eine Deficit-spending-Politik. Selbst die Sozialisten in Frankreich, als sie an der Regierung waren, sind auf unsere Philosophie umgeschwenkt. Inzwischen ist es Grundkonsens aller zwölf Mitgliedsländer, daß dies die einzig mögliche Politik ist. Sie ist zwar nicht kurzfristig erfolgreich, weil es sehr schwer ist, die damit verbundenen unpopulären Maßnahmen national durchzusetzen, aber trotzdem fand die gemeinsame Ermutigung dazu in Korfu eindeutig statt.Meine Damen und Herren, ebensowenig ist es Ihnen gelungen, durch eine systematische Verhetzungskampagne
unsere Solidaritätspolitik in Deutschland zu konterkarieren.
Wir haben in den letzten drei Jahren angesichts der wirklich harten Konsolidierungspolitik bei der Doppelaufgabe, die Rezession in Westdeutschland zu überwinden und die Sanierung der neuen Bundesländer vorzunehmen, einen langen Atem gehabt und haben uns nicht verführen lassen, Ihre Ausgabenprogramme umzusetzen.
Die ersten Erfolge sind sichtbar. Sie gelten in den anderen Mitgliedstaaten als durchaus nachahmenswert.
Herr Klose, auf einen Punkt möchte ich Sie noch hinweisen. Sie kritisieren hier in kleinkrämerischer Art und Weise, wir hätten mit der Kommission einen Dissens, was die Unterstützung der mittel- und osteuropäischen Staaten anbelangt. Ich hätte mir von Ihnen
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Dr. Renate Hellwigeines dringend gewünscht: Sie wissen genau, wie schwer wir es innerhalb der Europäischen Union haben, eine deutliche Akzentverschiebung der gesamten Ausgabenpolitik zugunsten eines stärkeren Engagements in den mittel- und osteuropäischen Staaten durchzusetzen. Deutschland erbringt hier eine unglaubliche Vorleistung.
Dies immer wieder zu betonen sollte über die Parteigrenzen hinweg ein gemeinsames Interesse sein.
— Natürlich ist das das Thema. Das ist das ganz entscheidende Thema, mit dem sich Theo Waigel in den nächsten Wochen und Monaten in der Haushaltspolitik und unsere Kollegen im Europäischen Parlament mit den Kollegen der anderen Mitgliedstaaten werden rumschlagen müssen. Hier wird sich die Glaubwürdigkeit unserer Bekenntnisse in Richtung Mittel- und Osteuropa erweisen müssen. Da, glaube ich, ist die Gemeinsamkeit wesentlich wichtiger als die Unterschiede.
Lassen Sie mich noch auf einen weiteren Punkt eingehen, was den gemeinsamen Motor — auch Sie haben das angesprochen in bezug auf die Nordafrika-Politik anbelangt. Wir werden in der Familie der Europäischen Union nur dann zu einer wirklich überzeugenden gemeinsamen Strategie der Außenpolitik kommen, wenn wir sozusagen die jeweiligen Kinder des anderen adoptieren.Ich habe gestern unseren französischen Gesprächspartnern gesagt: Wir verlangen von euch, daß ihr unser aus geschichtlichen Gründen entstandenes Kind, nämlich das osteuropäische Engagement, adoptiert, daß ihr die Dringlichkeit des Sanierungs- und Reformprozesses nicht als ein typisch deutsches Problem, sondern als ein ebenso französisches Problem und europäisches Problem begreift.
Aber, meine Damen und Herren, dies verlangt in Reziprozität, in Gegenseitigkeit, daß wir das Kind der Franzosen, nämlich ihr Engagement in Afrika — in Nordafrika, aber auch in Gesamtafrika — mehr als bisher als einen wichtigen Ordnungsfaktor verstehen und als gemeinsames europäisches und damit zukünftig auch deutsches Problem mittragen.Es ist dringend geboten, daß wir, die wir in einer relativen Teilsouveränität, versteckt hinter der Mauer, außenpolitisch nicht erwachsen geworden sind, es im Interesse der Handlungsfähigkeit der gemeinsamen Europäischen Union werd en.Vielen Dank.
Als nächster spricht der Kollege Helmut Haussmann.
Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es war leider ein Rückfall von Herrn Klose, indem er Europapolitik für innenpolitische Wahlkampfzwecke gebrauchen wollte.
Wenn Sie das wollen, dann gehen wir sehr gerne auf den Zusammenhang zwischen Europa- und Beschäftigungspolitik ein. Wer nicht verstanden hat, Herr Klose, daß Deregulierung, Privatisierung und private Arbeitsvermittlung dazu beitragen, daß Europa im Weltvergleich mit Amerika und Asien mehr Arbeitsplätze gewinnt, der hat von moderner internationaler Beschäftigungspolitik wenig verstanden.
Wer nicht begriffen hat, daß Mittel- und Osteuropa diejenigen Märkte vor unserer Haustür sind, die in Westeuropa für mehr Beschäftigung sorgen, wenn wir sie entwickeln, der hat von internationaler Beschäftigungspolitik ebenfalls wenig verstanden.
Ich frage die Opposition, ob es zu einer Veränderung Ihrer Haltung zur schnellen Integration von Mittel- und Osteuropa gekommen ist.
Ich habe den Eindruck, Sie wollen weder die Bevölkerung darauf hinweisen, noch wollen Sie in Westeuropa sparen, um für die Integration von Osteuropa Mittel zu gewinnen. Frau Matthäus-Maier, wir hatten diese Woche schon die Gelegenheit: Wer nicht bereit ist, im Inland mehr zu sparen, wer nicht zuläßt, daß durch Postprivatisierung, durch Deregulierung, durch die Unterstützung kleiner und mittlerer Betriebe mehr Arbeitsplätze entstehen und damit mehr Steuern gezahlt werden, damit endlich die strukturelle Verschuldung angegangen werden kann, der macht die Wirtschafts- und Währungsunion unmöglich. Die Wirtschafts- und Währungsunion sichert die Integration und ist mittelfristig die richtige Antwort auf den Wettbewerb mit Amerika und Asien.
Meine Damen und Herren, ich gehe umgekehrt vor.
— Danke, ich habe sehr wenig Zeit. Wir können das an anderer Stelle fortsetzen.Ich werbe innenpolitisch für Europa. Denn es muß uns allen klar werden: Wenn es uns nicht gelingt, den unauflösbaren Zusammenhang zwischen mehr Arbeitsplätzen und mehr Europa herzustellen, werden wir die Herzen der jungen Europäer für Europa nicht gewinnen. In einer globalen Weltwirtschaft, in einer Welt mit multinationalen Unternehmen bestimmt eben nicht mehr der nationale Markt, sondern nur noch der europäische Markt unsere beschäftigungspolitische Zukunft. Nur noch große Märkte, nur noch das Bündel aller europäischen Stärken, nur das Aus-
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Dr. Helmut Haussmannschöpfen europäischer Kostenvorteile in Mittel- und Osteuropa sichern uns Arbeitsplätze im direkten Vergleich mit Amerika und Asien.
Herr Kollege Haussmann -- —
Nein, vielen Dank. Ich habe zuwenig Zeit. Tut mir leid, Herr Mosdorf, sonst immer.Ich will drei Beispiele nennen, wie wir mehr Arbeit für Europäer schaffen können.Das erste ist die termingerechte Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion am 1. Januar 1999. Denn es herrscht kein Zweifel: Der europäische Markt wird erst mit der Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion zu einem richtigen Binnenmarkt.
Das heißt konkret: Erst wenn der deutsche Mittelstand in einem einheitlichen Markt von 200 bis 250 Millionen Verbrauchern ohne Kursprobleme, ohne Umtauschkosten und mit einer einheitlichen Mehrwertsteuer bedient werden kann, werden zusätzliche Arbeitsplätze in deutschen mittelständischen Betrieben entstehen.
Die Chancen stehen besser, vor allem an der Inflationsfront. Wir sollten mit dem Vorwurf an unsere europäischen Nachbarn vorsichtig sein, sie sollten sich an unserem Beispiel messen. Derzeit ist die europäische Inflationsrate der acht führenden EU-Staaten mit 2,6 % deutlich günstiger als die deutsche Inflationsrate, die durch die Wiedervereinigung zwangsläufig höher liegt: bei etwa 3,2 %. Aber mit der Vollendung des Binnenmarkts 1999 werden wir einen wesentlichen Beitrag leisten.Durch die Neuaufnahme der früheren vier EFTA-Staaten würde im Moment die durchschnittliche europäische Inflationsrate auf 2,27 % absinken, d. h. Europa wäre weltweit gesehen in der Bekämpfung der Inflation sehr weit vorn. Deshalb lautet das Argument umgekehrt: Wer die D-Mark dauerhaft sichern will, muß für die termingerechte Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion einstehen.
Meine Damen und Herren, nicht die Inflationsrate wird das Problem sein, sondern die Verschuldungsrate. Da kommt es eben darauf an, daß die europäischen Staaten in einem nationalen Wettbewerb dafür sorgen, daß sie ihre strukturellen Haushaltsprobleme in den Griff bekommen. Hier kann und darf man nicht ausschließlich auf die Ausgabenseite schauen, man muß auch auf die Entstehungsseite schauen. Es ist Teil unserer Beschäftigungspolitik, daß wir durch mehr Dynamik, durch mehr Deregulierung, durch weniger Verteilungspolitik, durch Steuersenkungen für kleine und mittlere Betriebe eben dafür sorgen wollen, daß das Steueraufkommen so steigt, daß wir 1999 die Verschuldungsrate unterschreiten, damit Deutschland an der Wirtschafts- und Währungsunion teilnimmt. Denn, meine Damen und Herren, ohne die D-Mark könnte man in der Tat nicht von einer europäischen Währung sprechen.
Ein zweites Problem sind die Arbeitsplätze. Nur durch die schnelle Integration arbeitskostengünstiger MOE-Staaten lassen sich bei uns in Deutschland teure Arbeitsplätze in einer Mischkalkulation sichern.
Das heißt, die Strategie, bewußt nach Osten zu gehen, ist gerade auch für kleine und mittlere Betriebe wichtig.
Hierbei handelt es sich nicht um ein entwicklungspolitisches Almosen für Länder wie Polen, Tschechien oder Ungarn, sondern es ist eine große Chance, daß die inzwischen zu teuren Westeuropäer mit Hilfe kostengünstiger osteuropäischer Arbeitnehmer im internationalen Vergleich mit Asien und Amerika wieder insgesamt kostengünstiger werden.
Das ist der entscheidende Zusammenhang. Nur durch Direktinvestition und nur durch die Schaffung von Arbeitseinkommen entstehen auch schnell zusätzliche Märkte in Mittel- und Osteuropa, die wir benötigen, weil wir eben in der Elektroindustrie, im Maschinenbau und auch in anderen Branchen Überkapazitäten haben.Meine Damen und Herren, neben der Wirtschaftspolitik benötigen wir auch weitere Fortschritte bei der gemeinsamen europäischen Außen-, Friedens- und Sicherheitspolitik. Liberale Außenminister haben seit 1969 immer wieder eine gesamteuropäische Vision angestrebt. Walter Scheel hat damals gegen konservativen Widerstand die Ostverträge durchgesetzt.
Hans-Dietrich Genscher hat entscheidenden Anteil am Abschluß der Zwei-plus-Vier-Verträge, und Klaus Kinkel hat durch seinen enormen persönlichen Einsatz die Beitrittsverhandlungen der früheren vier EFTA-Staaten zum Erfolg geführt.
Entscheidend für die Zukunft wird es aber sein, daß zu dieser Europäisierung unserer Beschäftigungs- und Außenpolitik auch die noch unterentwickelte ökologische Dimension in der europäischen Dimension hinzutritt. Gerade beim Umweltschutz kann es kein enges Souveränitätsdenken mehr geben, das an Landesgrenzen halt macht. Eine richtig ausgestaltete, ökologische und soziale Marktwirtschaft in ganz Europa wird nicht nur die Umweltbedingungen verbessern, sondern eben auch zusätzliche, dauerhafte und interessante Arbeitsplätze schaffen.
Wer die Geschäftsbilanzen der deutschen Maschinenbau- und Anlagefirmen studiert, weiß, daß die Umwelttechnologie derzeit derjenige Bereich ist, der das höchste Wachstum aufweist und der die meisten
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Dr. Helmut HaussmannArbeitsplätze schafft. Umweltpolitik und Beschäftigungspolitik müssen also Hand in Band gehen.
Wir möchten daher die deutsche Präsidentschaft unterstützen, daß durch mehr marktwirtschaftliche Instrumente in ganz Europa mehr Umweltschutz, aber auch mehr Arbeitsplätze entstehen. Die von uns konzipierte euroweite CO2-/Energie-Steuer muß stufenweise realisiert werden.Fazit: Die deutsche Präsidentschaft bietet die große Chance, sehr wichtige liberale Konzepte der Beschäftigungs-, Außen- und Europapolitik euroweit voranzutreiben.Ich bedanke mich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir in den Debattenbeiträgen fortfahren, möchte ich auf der Ehrentribüne ganz herzlich den Präsidenten des Unterhauses der Republik Indien, Herrn Shivraj Patil, und seine Delegation begrüßen.
Ich freue mich, daß Sie inmitten der Europa-Debatte hier auf der Ehrentribüne Platz genommen haben und für eine Zeit teilnehmen können an dem, was uns in Europa im Umbruch beschäftigt, gleichzeitig wissend, wie eng die Kontakte, auch die parlamentarischen Kontakte, mit Indien, mit unseren Kollegen im indischen Parlament sind. Ich erinnere nur an unsere Präsenz bei der Asien-Konferenz im vergangenen Jahr in Neu Delhi. Ich hoffe, daß wir in den Tagen, in denen Sie sich in Hessen, in Berlin und hier in Bonn beim Deutschen Bundestag aufhalten, fruchtbare Gespräche haben und unsere Kontakte ausbauen.
Herzlich willkommen.
Als nächstem erteile ich nun dem Abgeordneten Hans Modrow das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach Korfu dürfte klar sein, daß die EU-Präsidentschaft der Bundesrepublik nicht unter einem so guten Stern steht, wie es der Herr Außenminister zu beschreiben versucht hat. Es ist nicht so, daß andere der Bundesrepublik eine Entscheidung vor die Haustür gekippt haben, sondern das Problem ist in Wirklichkeit hausgemacht. Im Streit um die Nachfolge des EU-Kommissionspräsidenten spiegeln sich Gegensätze und Meinungsverschiedenheiten über die weitere Entwicklung der Europäischen Union wider, die unter Ausschluß der europäischen Völker mit dem Vertrag von Maastricht auf einen falschen Weg gedrängt wurde.Die Bundesregierung hat bei der Vorbereitung der deutschen Präsidentschaft auf eine Langzeitwirkung ihres bestimmenden Einflusses gesetzt. Frau Kollegin Hellwig geht so weit, von einer gemeinsamen deutsch-frazösischen Präsidentschaft zu sprechen. Ich weiß nicht, wie das in die Ordnung der EU paßt.Wer sich mit einigen Partnern in der Union auf eine besonders enge Koordinierung einigt, der darf sich nicht wundern, wenn sich andere, die zudem andere Vorstellungen von der europäischen Integration haben, ausgegrenzt fühlen.Die Bundesregierung spricht viel von Normalität und Sensibilität. Es genügt aber, die niederländische Nachrichtenagentur anzuführen, die zum Auftreten des Bundeskanzlers auf Korfu feststellt: Er ging wie ein Bulldozer ans Werk und scheute sich nicht, den Mitgliedstaa ten Daumenschrauben anzulegen. — Ein Kommentar erübrigt sich.Die jetzige und die nachfolgende Bundesregierung müssen sich entscheiden, ob sie die europäischen Interessen in den Vordergrund stellen oder ob sie lediglich die Gelegenheit nutzen wollen, die sogenannte deutsche Normalität durchzusetzen, und zwar vom vorherrschenden Einfluß in Europa über einen ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat bis hin zu globalen militärischen Einsätzen.Wenn Europa keine Perspektive gleichberechtigter Kooperation geboten wird, dann ist auch keine Akzeptanz der Bürger zu erwarten. Angesichts der immer geringer werdenden Wahlbeteiligung bei den Europawahlen sind auch in der Bundesrepublik die Alarmglocken nicht zu überhören.Urteilt man nach der hier vorgetragenen Erklärung der Bundesregierung, dann scheint es keine Fehlentwicklungen zu geben. Offensichtlich kann die Bundesregierung auch hier nicht von der Schönung der realen Lage lassen. Das Bild der EU nach Maastricht ist aber nun einmal nicht so schön wie die Insel Korfu.Die Bundesregierung tritt die europäische Präsidentschaft zu einem Zeitpunkt an, zu dem Massenarbeitslosigkeit, Existenzbedrohung und Verarmung in vielen europäischen Staaten alltäglich sind. Allein im Vorjahr mußten rund 400 Milliarden DM aufgebracht werden, um die schlimmsten sozialen Folgen der Arbeitslosigkeit von inzwischen bald 20 Millionen Menschen zu mindern.Was liegt in dieser Situation denn näher, als alle Potenzen und allen Einfluß darauf zu konzentrieren, dieses soziale Übel zu beseitigen? — Was aber von der Regierung heute dazu gesagt wurde, beweist eigentlich nur, daß sie das Ausmaß der sozialen Konflikte mißachtet. Wenn hier von Solidarität die Rede war, dann geht es wohl um die Solidarität mit den Reichen, nicht aber mit den sozial Schwachen.Die PDS/Linke Liste fordert die Bundesregierung nachdrücklich auf, den deutschen Vorsitz zu nutzen, um über das Weißbuch hinausgehend eine EU-weite koordinierte Initiative zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit einzuleiten. Der Weg dazu führt über eine aktive Wirtschafts-, Struktur- und Beschäftigungspolitik, über eine gerechte Verteilung der Arbeit, über eine Aufwertung sozialer, kultureller und ökologischer Arbeit und nicht zuletzt über eine Verhinderung der Steuerflucht.Was für die Arbeitslosigkeit zutrifft, gilt leider für den gesamten sozialen Bereich. Die Regierung ist weder willens noch fähig, eine an den Interessen der Menschen orientierte europäische Sozialpolitik zu
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Dr. Hans Modrowbefördern. Symptomatisch dafür ist die Tatsache, daß sie bisher mit ihrem Veto die Fortsetzung des EG-Programms zur Bekämpfung der Armut blockiert, was katastrophale Folgen für Sozialgemeinschaften in West- und Ostdeutschland und das gesamte Projekt im Rahmen der Europäischen Union hat. Die EU-Kommission hat gegen die Bundesregierung sogar ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, nachdem diese ihr eigenes Arbeitsschutzrahmengesetz im Bundestag abgesetzt hat und die Umsetzung der EU-Richtlinien blockiert. Das alles bestätigt ein übriges Mal, wie dringlich es ist, der jetzigen Regierung eine Quittung für ihren unsozialen Kurs zu erteilen und das Ringen um soziale Gerechtigkeit, in dem den Gewerkschaften eine hohe Verantwortung zukommt, zu verstärken.Neben den sozialen sind es vor allem Menschenrechtsaspekte, die in den etwa 200 bisher nicht umgesetzten Verordnungen und Richtlinien der EU an erster Stelle stehen. In der Regierungserklärung blieben sie einfach unerwähnt. Dabei wäre es doch das mindeste gewesen, endlich über die Schritte zu informieren, die die Bundesregierung zur Korrektur der vom Europäischen Parlament festgestellten Menschenrechtsverletzungen in Ostdeutschland, vor allem mit der Kategorie „Staatsnähe", einzuleiten gedenkt.Eine friedliche Perspektive Europas liegt in der gemeinsamen Sicherheit. Doch wie es scheint, setzt die Bundesregierung auch weiterhin mehr auf Sicherheit vor statt miteinander. Ein Europa mit unterschiedlichem Sicherheitsniveau und -status kann jedoch kein sicheres Europa sein. Die Bundesregierung bleibt aufgefordert, als wesentlichen Schritt endlich eine Initiative zu unternehmen, die den KSZE-Prozeß mit all seinen Möglichkeiten ausschöpft, und zwar als Rahmen für ein künftiges gesamteuropäisches System der Sicherheit und der allseitigen partnerschaftlichen Zusammenarbeit, das die Friedenspotenzen mobilisiert sowie wirtschaftliche und soziale Stabilität auch für die Zukunft dauerhaft gestalten läßt. Leider zeigt sich die jetzige Bundesregierung dazu nicht bereit.Auch in der Europapolitik verharrt sie im alten Denken. Sie schreibt angeblich Bewährtes fort, und in Wirklichkeit ist sie unfähig, die Zeichen der Zeit und die neuen Erfordernisse zu erkennen, wenn der Außenminister mehr Zeit fordert. Ich glaube, es geht vor allem um neue Ideen und Überlegungen. Vielleicht werden sie erst mit einem Regierungswechsel möglich werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe eben schon die indische Delegation begrüßt. Sie war mir angekündigt, war aber noch nicht auf der Tribüne. Sie ist jetzt eingetroffen, so daß ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitten möchte, den Präsidenten noch einmal herzlich zu begrüßen. — Herzlich willkommen beim Deutschen Bundestag.
Auch auf Deutschlands Straßen haben wir Stau. Als nächster spricht der Kollege Poppe.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der bundesdeutschen EU-Präsidentschaft kommt eine wesentliche Bedeutung zu; denn durch sie und die französische Nachfolge können die Weichen für das Vorankommen des europäischen Zuges gestellt werden. Die Vorbereitung der für 1996 vorgesehenen Regierungskonferenz wird dafür mitentscheidend sein, ob die innerstaatlichen und auf die EU bezogenen Rechte der Bürgerinnen und Bürger gestärkt werden, ob in der EU stärker als bisher die Kommunen und Regionen mitbestimmen können, ob und wieweit sich die EU Mittel- und Osteuropa öffnet. Verträge über partielle Marktöffnung, Beobachterstatus und Assoziation sind ein ermutigender Anfang, mehr zunächst nicht.In diesem Zusammenhang ist der Ratifizierung der Beitrittsverträge Österreichs, Norwegens, Schwedens und Finnlands ausdrücklich zuzustimmen. Diese Staaten sind u. a. auch am Ausbau enger Beziehungen zu den mittel- und osteuropäischen Staaten interessiert und können viel dazu beitragen, daß deren Integration gefördert wird.Aber auch Deutschland — ich kann Ihnen in vielem recht geben, Herr Klose, aber in diesem Punkt nicht — hat eine Brückenfunktion. Unsere Geschichte beginnt nicht erst mit Westeuropa. Fragen Sie mal die Polen und die Russen, was sie von uns erwarten. Diese Brückenfunktion ergibt sich auch schon als Auftrag aus der deutschen Einheit.
Vorrangiges Ziel einer gesamteuropäischen Politik muß die Demokratisierung der EU sein. Nach der Verabschiedung des Maastrichter Vertrages hat jetzt erstmalig das Europäische Parlament ein Recht auf Zustimmung zu neu zu bestimmenden FU-Kommissaren. Dies ist ein Fortschritt, den es umzusetzen gilt.In diesem Zusammenhang und ungeachtet der mangelhaften Ergebnisse von Korfu sei an die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7. Juni erinnert. Dort wird gefordert,daß die Entscheidung über die Person des neuen Präsidenten der Kommission an Hand von Kriterien getroffen wird, die die volle Unabhängigkeit der Kommission gegenüber den Regierungen der Mitgliedstaaten garantieren und ein nachhaltiges Engagement für eine demokratischere Union sicherstellen.Dem ist nur hinzuzufügen, daß diese Union, um demokratisch zu sein, auch sozial und ökologisch verträglich sein muß.Das bürokratische Geflecht des Brüsseler Apparats, die an Geheimpolitik erinnernden Entscheidungsprozesse von Rat und Kommission verstellen vielen Menschen den positiven Zugang zum europäischen Prozeß. Statt dessen erscheint die EU als Riesenbehörde, in der sich konkurrierende Regierungen regelmäßig treffen, um keine Entscheidungen zu fällen oder solche, deren Bedeutungen für die EU-Bürgerinnen und -Bürger nicht nachvollziehbar sind. Ich unter-
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20789
Gerd Poppestelle nicht, daß die Bundesregierung die daraus resultierende Mischung aus Desinteresse, Uninformiertheit und Skepsis aufrechterhalten will. Aber sie sollte endlich entschieden etwas dagegen tun.Dafür gibt es eine Reihe von Möglichkeiten. Man muß sie nur nutzen. Vor allem müssen die demokratischen Mitwirkungsrechte für die Bürgerinnen und Bürger, für die nationalen Parlamente und für das Europäische Parlament gestärkt werden. Selbst ohne Veränderung des EU-Vertrages ist dies sofort möglich, indem die in Maastricht verabschiedete Erklärung zum Informationszugangsrecht endlich umgesetzt wird. Dieses Recht darf von der Bundesregierung nicht blockiert werden.
Wie soll beispielsweise der Bundestag in die Lage versetzt werden, angemessene und glaubwürdige Entscheidungen zur europäischen Politik zu treffen, wenn er oft genug von weitreichenden Brüsseler Entscheidungen erst Monate später unterrichtet wird oder gar nur aus den Medien erfährt? Wie soll den Bürgerinnen und Bürgern plausibel gemacht werden, daß sie u. a. wegen der ungenügenden Kompetenzen des Europäischen Gerichtshofes noch immer keine ausreichenden Beschwerde- und Rechtsschutzmöglichkeiten gegenüber EU-Organen haben? Diese Defizite werden immer offenkundiger, je intensiver die Bundesregierung auf der anderen Seite den Ausbau von Europol zu einer Art europäischem FBI forciert.Im Entschließungsantrag unserer Gruppe wird bewußt der Bogen von der Demokratisierung der EU zu den Schwerpunkten Arbeits- und Beschäftigungspolitik, Asyl- und Einwanderungspolitik sowie Steuerpolitik, hier der Klimasteuer, gespannt. Welchen Stellenwert das Problem der Erwerbslosigkeit in den Mitgliedstaaten der EU hat, muß nicht erläutert werden, ebensowenig, daß Wachstumsstrategien es nicht lösen. Deshalb gibt es unseren Vorschlag zur EU-weit abgestimmten Arbeitszeitverkürzung.Die EU-weit herrschende Wirtschaftskrise ist bereits zum Vorwand für den Abbau des Sozialstaats geworden oder dafür, ihn gar nicht erst aufzubauen. Dem entsprechen die Bestrebungen, die Europäische Union zu einer Wohlstandsfestung auszubauen, die gegen vermeintliche Angriffe geschützt werden müsse. Das beginnt mit der Abwehrhaltung gegen Flüchtlinge und Einwanderer.Gerade wenn Menschenrechtspolitik glaubwürdig werden soll, darf die Harmonisierungspolitik nicht wegen ökonomischer Eigeninteressen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner reduziert werden.Vergleichbares gilt für die Umweltpolitik — in unserem Antrag mit dem Thema der Klimasteuer abgehandelt. Die Umsetzung ökologischer Steuerreformen muß in der Bundesrepublik durchgesetzt werden, ohne auf sie begrenzt zu sein. Maßstäbe für soziale und ökologische Mindesstandards setzen gerade die jetzt in die EU aufgenommenen skandinavischen Staaten. Die EU sollte sich auf diese beziehen, anstatt die Anpassung auf unterem Niveau anzustreben.Zahlreiche weitere berechtigte Erwartungen an die deutsche Präsidentschaft kann ich aus Zeitgründen nicht behandeln.Ich will deshalb nur noch einen Themenkomplex nennen. Was ist angesichts der Kriege in Bosnien, Ruanda und anderen Ländern die Ankündigung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik eigentlich wert? Die EU hat im Falle Bosniens kläglich versagt und auch zum Völkermord in Ruanda viel zu lange geschwiegen.Die Mitgliedstaaten der EU — Deutschland eingeschlossen — vertreten noch immer vor allem partikulare und nationale Interessen. Sie reagieren auf lange erkannte Konfliktherde zu spät und dann vorrangig in Erwägung militärischer Interventionen, unabhängig von derer tatsächlicher Durchsetzung. Gemeinsamkeiten, die über Formelkompromisse hinausgehen, lassen sich allenfalls zur Besitzstandswahrung nach außen erkennen. Besonders aufschlußreich dafür ist der Umgang mit den Rüstungsexporten. Statt eine weitreichende EU-weit abgestimmte Konversionspolitik in Angriff zu nehmen, wird seit Monaten unter dem Vorwand der Harmonisierung einer Liberalisierung der Rüstungsexporte das Wort geredet.Priorität in der gemeinsamen EU-Politik müssen die Kriterien der Konfliktvermeidung, der nichtmilitärischen Konfliktschlichtung und der Garantie von Menschenrechten und Völkerrecht haben. Auch darauf bezogen, sind die Bemühungen skandinavischer Staaten und ihre Erfolge bei der Konfliktprävention beispielhaft.
Wir legen heute einen zweiten, auf die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zielenden Entschließungsantrag vor, der eine Reihe von Vorschlägen zu einer Deeskalation in den beiden angesprochenen Kriegsgebieten enthält. Mit ihrer Durchsetzung könnten die Lehren aus der verfehlten Politik gegenüber Aggressionskrieg und Völkermord gezogen und ein Signal für eine konstruktive Außen- und Sicherheitspolitik der EU gesetzt werden. Beide Anträge beschreiben Möglichkeiten für angemessene Beiträge im Rahmen der deutschen EU-Präsidentschaft.Daher fordere ich Sie auf, unseren Anträgen zuzustimmen.
Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Freimut Duve das Wort.
Frau Präsidentin, ich beziehe mich auf die Ausführungen des Herrn Außenministers. Mir macht für die deutsche Präsidentschaftszeit, aber auch für die drei dann folgenden, ein Gegenstand Sorge, den ich hier gern loswerden möchte. Wir merken immer wieder, daß es in den Mitgliedstaaten — ich erinnere an Diskussionen der letzten Zeit in Italien — Politiker gibt, die sich nicht im klaren darüber sind, daß ihre nationalen Grenzen zugleich auch EU-Außengrenzen sind. Ich bitte sehr, hinsichtlich dieser Präsidentschaft ganz deutlich zu machen, daß wir alle unsere nationalen Grenzen da, wo sie EU-Außengrenzen sind, als eine gemeinsame politische Grenze verstehen. Ich brauche das Stichwort im
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Freimut DuveZusammenhang mit Italien und Slowenien hier nicht mehr zu nennen.Dann, Frau Hellwig, habe ich noch eine Bitte. Zu Recht haben Sie gesagt, wir sollten gemeinsam das mit übernehmen, was Frankreich in Afrika tut. Der Begriff „Ordnungsfaktor" gilt im Zusammenhang mit der Geschichte Frankreichs in Afrika in den letzten 20 und 30 Jahren. Wir sollten den Begriff, glaube ich, in der Zukunft durch „Gemeinsame Verantwortung" ersetzen. Der Begriff „Ordnungsfaktor" könnte zu Mißverständnissen führen. Ich kann ihn so nicht tragen.Ich danke.
Als nächster spricht der Bundesminister der Finanzen, Theodor Waigel.
Frau Präsidentin! meine Damen und Herren! Herr Kollege Klose, Sie haben zu Recht auf das Thema Nummer eins hingewiesen: die Massenarbeitslosigkeit in Europa. Es ist nicht wahr, wenn Sie uns unterstellen, daß wir dieses Thema vernachlässigten. Das Gegenteil ist richtig.
Es gibt kein Thema, das so im Mittelpunkt aller Debatten und aller Initiativen stand, sowohl bereits beim Gipfel in Brüssel Ende des vergangenen Jahres als auch beim Beschäftigungsgipfel der G-7 in Detroit, vor allen Dingen auf deutsche Initiativen, was Ausbildung anbelangt, was duales System, Fortbildung und Umschulung anbelangt. Diese Erfolge wurden geradezu als vorbildlich dargestellt. Zum ersten Mal wurde eine Mittelstandspolitik mitgetragen und gefordert, die wir seit Jahren, ja seit Jahrzehnten immer wieder auf den Weg gebracht haben. Es können und werden nicht allein die Großen sein, sondern die Mittleren und Kleinen, die schnell und flexibel in der Lage sind, auf große ökonomische Herausforderungen reagieren zu können. Wir haben das zum Thema gemacht.
Wir haben dazu ein Memorandum verabschiedet. Wir haben die Grundzüge der Wirtschaftspolitik begleitet, die Wachstumsinitiative, gerade auch das, was der Kollege Rexrodt in Sachen Deregulierung hier vorgeschlagen hat, eine Initiative, an der führende Wirtschaftler und Gewerkschaftler, Wissenschaftler mitarbeiten sollen, um genauso wie bei uns auch in Europa die Sekundärgesetzgebung zu überdenken und auf Wachstumshindernisse hin zu überprüfen. Ich verstehe nicht, warum sie daran Kritik üben, was eine ganz breite Zustimmung und auch Aufnahme in Europa und nun auch bei der Kommission gefunden hat.
Ich weiß nicht, welch merkwürdig gespaltenes Verhältnis Sie zur Konjunkturentwicklung in Deutschland haben. Wir werden mehr als 1,5 % Wachstum haben. Obwohl noch vor wenigen Wochen IWF, OECD und andere unser Wachstum auf 0,1, 0,9 und 1,2 % prognostizierten, steht heute fest: Dieses Wachstum wird zwischen 1,5 und 2, nach manchen Prognostikern eher bei 2 als bei 1,5 % liegen. Wir sollten uns
doch alle darüber freuen. Paßt Ihnen das vielleicht nicht in Ihr Wahlkampfkonzept?
Wenn Sie uns allerdings — ich wollte das jetzt nicht tun, Herr Klose — so angreifen und für die Massenarbeitslosigkeit verantwortlich machen wollen, dann erspare ich Ihnen die Frage nach dem größten Investitionshindernis nicht. Das ist nämlich eine Konstellation Rot-Grün. Und eine verheerende Wachstumsinitiative negativer Art wäre Rot-Grün mit Volksfronthintergrund, wie Sie es jetzt in Sachsen-Anhalt anpeilen.
Das, Herr Kollege Klose, wäre nicht nur für SachsenAnhalt eine Katastrophe, es wäre ein verheerendes Zeichen für die Welt. Ich kann Sie als einen verantwortungsvollen Politiker nur auffordern, hier rechtzeitig auch in Ihrer Partei dafür zu sorgen, daß dies in Deutschland nicht stattfindet. Es wäre gut für unseren Wahlkampf, aber schädlich für Deutschland, meine Damen und Herren.
Herr Bundesfinanzminister, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Weiß zu beantworten?
Bitte sehr.
Herr Bundesminister, darf ich Sie beruhigen, daß die Volksfront, die Sie in Sachsen-Anhalt sehen, mit Sicherheit aus dem ganz einfachen Grunde nicht eintreten wird, weil BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen-Anhalt eine Partei ist, die aus dem Widerstand gegen die SED entstanden ist
und nichts mit dem zu tun hat, was die SED bisher gemacht hat. Wir werden gemeinsam mit der SPD in Sachsen-Anhalt eine Politik für die Bürgerinnen und Bürger machen — —
Herr Abgeordneter Weiß, würden Sie das bitte in Frageform kleiden, damit ich hier oben nicht in Verlegenheit komme.
Ich habe den Bundesfinanzminister gefragt, ob ich ihn beruhigen darf. Und ich möchte ihn gerne beruhigen.
Danke.
Herr Kollege Weiß, wenn das BÜNDNIS 90 aus lauter solchen Männern und Frauen wie Ihnen bestehen würde, dann wäre eine andere Gesprächsmöglichkeit gegeben. Aber Sie repräsentieren nicht die GRÜNEN, die ja auch in diesem Bündnis sind. Darüber hinaus haben Sie kein Wort zur PDS gesagt. Wenn man auf PDS-Stimmen angewiesen ist, dann ist dies eine verhängsnisvolle Entwicklung für ganz Deutschland,
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Bundesminister Dr. Theodor Waigelnicht nur für Sachsen-Anhalt. Darum bin ich nicht beruhigt.
Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, haben in Ihren bisherigen Reden überhaupt nicht gewürdigt, welche Dimension Korfu hatte. Es ist wahr: Der Streit um Personen hat ja leider verdeckt, was an Perspektiven und Dimensionen aufgezeigt wurde. Wenn der russische Präsident Jelzin in seiner Rede sagt: „Ein gespaltener Kontinent wächst wieder zusammen", dann spürt man darin etwas von einer Entwicklung, von der vor 50 Jahren unsere Väter und Mütter und unsere älteren Brüder und Schwestern nur träumen konnten.Wenn es durch die Erweiterung der Europäischen Union um die skandinavischen Staaten zum erstenmal zu einer gemeinsamen Grenze zwischen der Europäischen Union und Rußland kommt, und wenn solche ureuropäischen Staaten wie Österreich und die skandinavischen Länder eine Funktion als Brücken- und Kernländer ausüben können, ist dies eine Sternstunde für Europa, auf die wir alle, aber besonders diese Bundesregierung, stolz sind.
Wenn es dabei durch unser ständiges Drängen gelungen ist, daß eine gemeinsame europäische Initiative nun auch auf dem Gipfel in Neapel zu einer gemeinsamen Initiative der G 7 wird und endlich die ganze Welt erkennt, was in der Ukraine geschieht oder geschehen könnte, dann ist auch das ein Stück neugewonnener internationaler Verantwortung, die in die Zukunft reicht. Meine Damen und Herren, trotz aller Beengtheit des Haushalts in Deutschland sage ich: Wenn dazu Geld notwendig ist, muß es in den Haushalt eingestellt werden. Das sind wir den Bürgern in Deutschland, in Europa und in der ganzen Welt schuldig; das hat absolute Priorität.
Meine Damen und Herren, die deutsche Präsidentschaft gibt uns die Chance, wie vor sechs Jahren entscheidende Fortschritte für Europa zu erreichen. Das geht durch Stabilisieren, durch Dynamisieren und auch durch Deregulieren. Dazu sind strikte Finanzdisziplin sowie Modernisierung und Ausbau der europäischen Verkehrsinfrastruktur notwendig. Daß eine Defizitfinanzierung, wie sie in den 60er und 70er Jahren in der Globalsteuerung versucht wurde, nicht mehr trägt, das muß man auch in Europa wissen.Es würde keinen Sinn machen, wenn man in den Beitritts- und den Mitgliedsländern eine konsequente Reduzierung der Defizite vornehmen würde, um die Kriterien von Maastricht zu erfüllen, und wenn dann die EG-Kommission mit einer Defizitfinanzierung arbeiten würde.
Es gibt genügend Möglichkeiten, über die hervorragend geführte Europäische Investitionsbank den Kapitalmarkt in Anspruch zu nehmen. Lieber Kollege Klose, ein kurzer Anruf bei Ihrem früheren Kollegen Roth wird Sie davon überzeugen, daß die EuropäischeInvestitionsbank in der Lage ist, die Mittel aufzubringen, durch die eine Privatfinanzierung gewährleistet werden kann.
— Herr Roth ist, was seine Ansichten zur Marktwirtschaft anbelangt, allmählich in Ordnung gekommen. Es war ein weiter, aber guter Weg, von der Zeit, als er noch Vorsitzender der Jungsozialisten war und ich mit ihm Fernsehdiskussionen hatte, bis dahin, als seine Person in der Sozialdemokratischen Partei ein Hort der Marktwirtschaft war. Es sieht ja niemand, Herr Klose, wenn Sie ihn anrufen.
Glauben Sie mir, er kann Sie davon überzeugen: Das Kapital der Europäischen Investitionsbank reicht aus.
Meine Damen und Herren, eines muß klar sein: Wenn wir den Konvergenzprozeß einleiten und dabei exzessive Haushaltsdefizite feststellen — eine derartige Prüfung müssen wir bei der Vorbereitung der zweiten Stufe der WWU vornehmen —, werden wir ganz konsequent auf die Einhaltung der Kriterien achten. Das muß alle betreffen, auch uns. Eine Aufweichung gibt es nicht. Stabilitätskriterien gehen vor Termin. Dabei wird es bleiben.
Was die Ausgabenprogramme anbelangt, stehen selbstverständlich auch sie, genauso wie die Ausgaben bei uns, zur Disposition. Es kann doch wohl nicht wahr sein, daß alles, was es einmal an Programmen in der EU gegeben hat, ad infinitum weitergeführt wird. Wir müssen einmal das eine oder andere durchforsten, auch einmal das eine oder andere Programm auslaufen lassen bzw. eine Umschichtung vornehmen. Wenn wir bei einer solchen Umschichtung für die großen Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen, für die transeuropäischen Netze Geld freischaufeln können, dann scheint mir das ein wichtiger, notwendiger Ansatz für Wachstum und für eine bessere Infrastruktur in Europa zu sein.
Wir werden uns auch mit allem Nachdruck für die nachhaltige Bekämpfung von Betrügereien zu Lasten des Gemeinschaftshaushaltes einsetzen. Das ist notwendig, um die Akzeptanz der Bürger für Europa zu gewinnen.Natürlich nehmen wir uns auch des Themas der Beitragszahlung an. An dem, was in der mittelfristigen finanziellen Vorausschau bis 1999 geregelt ist, wird nicht gerüttelt. Meine Damen und Herren, wir müssen uns sehr gut überlegen, ob wir mehr Programme wollen; denn bei jedem neuen Programm sind wir mit 30 % Beitragszahlung dabei, können aber höchstens 19 bis 20 % bekommen. Selbstverständlich müssen wir darauf sehen, daß bei den Rückflüssen auch mehr nach Deutschland zurückkommt. Sehr wohl müssen wir darauf sehen, daß bei den Ausgaben
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20792 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Bundesminister Dr. Theodor Waigelstrengste Kriterien und das Gebot der Sparsamkeit genauso gelten wie bei uns. Aber die anderen europäischen Partner müssen sich auch auf uns verlassen können, daß das, was vereinbart wurde, selbstverständlich fortgesetzt wird.Der Vorteil Europas ist nicht allein an der Nettozahlerposition auszumachen, sondern man muß ihn volkswirtschaftlich sehen. Wenn auf jeden Deutschen 7 000 Dollar Export entfallen, auf jeden Amerikaner 2 000 und auf jeden Japaner 1 850, dann weiß jeder, was für uns offene Grenzen bedeuten und was es für uns bedeutet, in andere Länder exportieren zu können.
Was die transeuropäischen Netze anbelangt, Herr Kollege Klose, ist das in einer Gruppe des Kommissars Christophersen identifiziert worden, in der die Beauftragten zusammengefaßt sind.
— Herr Staatssekretär Haller ist ein ganz hervorragender Mann. Selbstverständlich wird dies im Einvernehmen und in Abstimmung mit dem zuständigen Ministerium erfolgen. Das ist doch ganz klar. Bei uns gibt es eine solche Koordinierung, die Sie in Ihrer Fraktion erst einführen müssen.
Wir werden uns auch weiterer Dinge annehmen. Ich nenne nur die Stichworte Steuerharmonisierung— eine ganz entscheidende Frage in Europa und darüber hinaus — und Ursprungslandprinzip bei der Mehrwertsteuer. Die Energiesteuer ist vorher schon vom Kollegen Haussmann und vom Außenminister angesprochen worden.Wir sind, was die ökonomische Situation anbelangt, auf einem guten Weg. Wir haben für die politische Situation in Europa die Weichen gestellt wie nie zuvor, und dies alles ist ganz eng mit unserem Beitrag, mit dem, was Deutschland in Europa ohne Dominanz in großer Kollegialität tut, verbunden. Ich habe als Finanzminister in den letzten Wochen und Monaten alle unsere Partner besucht, ich habe vor wenigen Tagen auch noch einmal mit den Finanzministern der neuen Beitrittsländer gesprochen, um in einem harmonischen, kollegialen, kooperativen Prozeß die nächsten sechs Monate vorzubereiten. Mit Deutschland für Europa das ist das Motto unserer Präsidentschaft, auf die wir uns gut vorbereitet haben.Vielen Dank.
Zu einer Kurzintervention erteile ich der Abgeordneten Heidemarie Wieczorek-Zeul das Wort.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Wortmeldung von Herrn
Finanzminister Waigel gibt mir Anlaß zu folgender Kurzintervention.
Es ist von ihm darauf hingewiesen worden, wie schwierig das mit Rot-Grün sei. Aus einem Bundesland kommend, in dem sich alle großen Arbeitgeber der Industrie positiv über rot-grüne Regierungspolitik in Hessen,
u. a. die chemische Industrie, ausgesprochen haben,
kann ich in dieser Frage nur sagen: Herr Waigel, Sie sollten dort einmal mit den Arbeitgebern sprechen: Dann würden Sie auch erfahren, daß die Unternehmerverbände in Hessen Ihre Politik der transeuropäischen Netze, nämlich die Streckenführung zwischen Paris und Warschau über den Nürnberger Christkindlmarkt vorzusehen statt über die Rhein-MainRegion, wo sich die Europäische Zentralbank und der Frankfurter Flughafen befinden und wo die Verbindung wirklich notwendig ist, als eine provinzielle Politik betrachten, die für den Standort Hessen schädlich ist. — Das zum einen.
Das zweite: Eine Partei wie die CDU/CSU, die zwei Blockparteien inkorporiert und deren Erbe angetreten hat, sollte sich mit unberechtigten Vorwürfen gegenüber der SPD sehr zurückhalten und im übrigen Selbstkritik üben; das wäre angebracht.
Ich erteile dem Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl das Wort.
Meine Damen und Herren, ich will hier nur eine kurze Bemerkung machen. Es ist halt ein Problem, wenn wir zwar das Parlament unterrichten, wenn ich als Regierungschef viele Stunden den zuständigen Ausschüssen zur Verfügung stehe, aber diejenigen, die hier sprechen, die Informationen zum Teil überhaupt nicht aufnehmen.
Ich habe mich hier nur gemeldet, weil schon zweimal in der letzten Stunde im Blick auf die Eisenbahnstreckenführung völlig falsche Informationen gegeben worden sind. Die Absprache, die auch jetzt in Korfu eingehend diskutiert wurde, ist, daß als Gesamtlinienführung — ich spreche jetzt nur von der Linie, die hier angesprochen worden ist — vorgesehen ist: London — Nutzung des neuen Tunnels — -ParisMetz. Dann soll eine Gabelung der Linie erfolgen. Die eine Linienführung ist: Saarbrücken-MannheimFrankfurt am Main-Berlin-Warschau-Moskau — ich weiß gar nicht, woher Sie Ihre Informationen haben—, und die andere Linienführung ist: Straßburg-Appenweier-Karlsruhe-Stuttgart-München und von dortweiter in den Süden.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20793
Bundeskanzler Dr. Helmut KohlIch verstehe überhaupt nicht, wie Sie hier die Behauptung aufstellen können, eine Linienführung ginge über den Christkindlmarkt in Nürnberg.
Wenn man sich anmaßt, über europäische Dinge zu reden, und womöglich sogar noch andere Vorstellungen von europäischen Entwicklungen hat, dann sollte man wenigstens Grundkenntnisse auf diesem Gebiet vorweisen.
Ich erteile der Abgeordneten Ingrid Matthäus-Maier das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, Sie sollten aber der Ehrlichkeit halber hinzufügen — so sind jedenfalls meine Informationen —, daß bis heute die Gesamtfinanzierung der Schnellbahnverbindung Paris-Berlin im Rahmen der transeuropäischen Netze nicht gesichert ist.
Meine Damen und Herren, wir stehen vor der ersten gesamtdeutschen EU-Ratspräsidentschaft. Ich glaube, auch die Polemik heute morgen — gerade von Herrn Waigel — sollte uns nicht vergessen lassen, daß diese gesamtdeutsche Ratspräsidentschaft zwei Entwicklungen zeigt, für die wir dankbar sein sollten.Vor einigen Jahren war ich in einer Podiumsdiskussion mit dem Kollegen Poppe. Er sagte als ostdeutscher Kollege etwas, was mich sehr beeindruckt hat. Er sagte nämlich: „40 Jahre hatte ich keinen gesamtdeutschen Paß, jetzt habe ich endlich einen, und nun brauche ich ihn in Europa fast nicht mehr."Ich finde, dies zeigt, daß es trotz aller Probleme Fortschritte gibt, Dinge, über die wir froh sein können, nämlich die deutsche Einheit einerseits und die europäische Integration andererseits.
Die Debatte sollte auch nicht verdecken, daß wir heute über den Beitritt von vier Staaten abstimmen, die hinzukommen: Österreich, Finnland, Schweden und Norwegen. Das ist ein weiterer Schritt nach vorn. Wir freuen uns darüber; aber der Beitritt der skandinavischen Länder ist nicht gesichert, weil die Bevölkerung in diesen Ländern Angst davor hat, daß die Europäische Union zuwenig gegen die Arbeitslosigkeit tut, meine Damen und Herren.Da kann ich für die Sozialdemokraten nur hinzufügen: Wenn diese Bundesregierung auf europäischer Ebene so einseitig auf Eingriffe in die Tarifautonomie, Sozialabbau, untertarifliche Bezahlung, Abbau von Arbeitnehmerrechten setzt, wie sie das auf nationaler Ebene tut, dann ist die Skepsis der anderen Länder berechtigt, meine Damen und Herren. So bekämpft man Arbeitslosigkeit nicht, so verstärkt man sie allenfalls.
Nach der Debatte der letzten Tage sage ich: Wer sich im Deutschen Bundestag als verlängerter Arm derArbeitgeber betrachtet, den sollte man daran erinnern, daß sozialer Frieden nicht nur ein Kostenfaktor ist; sozialer Frieden ist auch eine Stärke der Wirtschaftsstandorte Deutschland und Europa, und man darf ihn nicht in Gefahr bringen, meine Damen und Herren.
Deswegen ist der Weg über die transnationalen Netze in Europa ein richtiger Weg.
Wir halten es auch für richtig, daß nicht ein eigenes Verschuldungsrecht der Europäischen Union geschaffen wird. Nach den verheerenden Erfahrungen mit den Sondertöpfen und Schuldentöpfen von Herrn Waigel zur Finanzierung der deutschen Einheit können wir uns einen neuen Schuldentopf nicht leisten, meine Damen und Herren.
Hinzu kommt, daß wir, wenn wir dem zustimmen würden, auch die Stabilitätsbedingungen des Maastrichter Vertrages nicht einhalten könnten. Wir sind nämlich, gerade was die Verschuldung angeht, in Europa vom Musterschüler zum Sitzenbleiber geworden.
— Und wenn man immer — ich höre es gerade wieder — erklärt, Grund dafür sei die Wiedervereinigung, dann sage ich Ihnen, meine Damen und Herren: Selbstverständlich war es erlaubt, für die deutsche Einheit eine höhere Kreditaufnahme vorzunehmen; aber das konnte und kann doch kein Freibrief für die maßlose Staatsverschuldung sein, die Sie seit Jahren betreiben.
Es gibt Menschen — Bürger und Politiker —, die angesichts dieser Schwierigkeiten sagen, wir sollten die Stabilitätskriterien von Maastricht aufweichen oder den Zeitplan verschieben.
Beides halte ich für falsch. Die Stabilitätskriterien dürfen nicht aufgeweicht werden; denn Europa hat nur als Stabilitätsgemeinschaft eine Chance. Und die notwendige einheitliche europäische Währung muß mindestens so stabil sein wie die Mark.Aber auch ein Verschieben des Zeitplans wäre ein Fehler; denn nur durch die Kombination von strengen Stabilitätskriterien und Zeitplan wird auf die nationalen Politiker endlich der Druck ausgeübt, verstärkt sparsam mit den öffentlichen Finanzen umzugehen.
Zu Ihrer Ratspräsidentschaft wird auch gehören, zu mehr Beitragsgerechtigkeit zu kommen, meine Damen und Herren. Es ist nicht antieuropäisch, wenn
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20794 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Ingrid Matthäus-Maierwir als Deutsche darauf hinweisen, daß wir in der Wohlstandsskala nach der deutschen Einheit weit zurückgefallen sind. Es gibt mehrere Möglichkeiten, das zu korrigieren.Die eine Möglichkeit wäre ein deutscher EU-Beitragsrabatt. Ich hielte das für falsch. Wir brauchen keine Extrawürste, auch keine deutschen. Deswegen ist es der richtige Weg, daß wir den britischen Rabatt endlich wegverhandeln. Es ist nicht einzusehen, daß wir dafür über eineinhalb Milliarden DM im Jahr ausgeben.
Die dritte Möglichkeit ist, daß die Rückflüsse an Deutschland, z. B. an die neuen Länder zum Aufbau der dortigen Infrastruktur, stärker werden als bisher.Der vierte Weg ist der einfachste. Wir brauchen in Europa eine sehr viel striktere Ausgabendisziplin.
Wir müssen klarmachen, daß die Obergrenze des EU-Eigenmittelplafonds, die in Edinburgh 1992 vereinbart worden ist, wirklich eine Obergrenze ist. Kein Mensch zwingt uns dazu, in Europa diese Obergrenze auszuschöpfen. Auf diese Weise können wir Geld sparen. Insbesondere ist Sparsamkeit im Agrarhaushalt der Europäischen Union vonnöten, der leider immer noch mehr als 50 % der EU-Ausgaben auffrißt. Größere Anstrengungen gegen Subventionsbetrug in der Union gehören auch dazu.Meine Damen und Herren, Herr Waigel wird die Ratspräsidentschaft endlich auch dazu nutzen müssen, zu einer einheitlichen europäischen Zinsbesteuerung zu kommen. Wenn er dies heute endlich möchte, darf ich ihn daran erinnern, daß er im Jahre 1989 zusammen mit den Luxemburgern eine EU-weite Harmonisierung verhindert hat. Ich nehme an, daß er dies heute bereut, weil ihm dadurch Milliarden D-Mark im Haushalt fehlen. Es darf nicht länger so sein, daß in Deutschland die ehrlichen Steuerzahler bei der Zinsbesteuerung die Deppen sind.
Ich ärgere mich auch immer wieder darüber, daß die großen Fortschritte in Europa — Frieden, Freizügigkeit, großer sozialer Wohlstand — durch Argerlichkeiten, wie z. B. die völlig verrückte Bananenmarktordnung, zu Lasten unserer Verbraucher überdeckt werden.
Ein anderes Ärgernis: Der Beschluß des europäischen Agrarministerrates über die Zulassungskriterien für Pflanzenschutzmittel ist schlicht und einfach ein Skandal, weil er einen Rückschritt im Hinblick auf unseren Gewässerschutz bedeutet.
Sie haben sich im Agrarministerrat bei dieser Entscheidung ohne Not überstimmen lassen. Sie habendieses Thema in Europa auch viel zu spät diskutiert.Wenn es nicht solche groben Ärgerlichkeiten gäbe, könnten wir sicher die Bereitschaft der Menschen, Europa mit Kopf und Herz zuzustimmen, stärken. Dies wäre wichtig für Europa, aber auch für uns Deutsche.
Ich erteile nunmehr dem Senator für Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Berlin, Senator Peter Radunski, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß, daß es für manches Mitglied dieses Hohen Hauses noch immer etwas gewöhnungsbedürftig ist, wenn ein Vertreter des Bundesrates in einer Europadebatte das Wort ergreift. Ich bin aber zuversichtlich, daß wir uns gemeinsam daran gewöhnen werden.
Wenn wir die wichtigen grundlegenden Entscheidungen zur Europapolitik in Bundestag und Bundesrat gemeinsam treffen wollen — selbstverständlich unter strikter Wahrung der unterschiedlichen Verantwortlichkeiten von Bundestag und Bundesrat —, schaden wir der deutschen Position in Brüssel nicht. Im Gegenteil, ich bin der Meinung, daß wir sie stärken.Die Länder waren erstmals an Erweiterungsverhandlungen beteiligt. Als Berliner Europasenator habe ich stellvertretend für die übrigen Länder die schwierigen Verhandlungen im Allgemeinen Rat direkt verfolgen können. Ich möchte der Bundesregierung dafür meine Anerkennung aussprechen. Die besondere Verhandlungsleistung von Außenminister Kinkel sowie der Einsatz des Bundeskanzlers haben erheblich zum Erfolg dieser Beitrittsverhandlungen beigetragen.
Die deutsche Präsidentschaft steht jetzt vor einer wichtigen Aufgabe. Wir sind zuversichtlich, daß die deutsche Europapolitik, die in diesem Hause eine breite Mehrheit hat, wieder so geschickt und erfolgreich geführt wird, wie das bei diesen Erweiterungsverhandlungen der Fall war. Dazu wünschen wir Klaus Kinkel und seiner Euro-Mannschaft viel Glück.
Meine Damen und Herren, die nächsten sechs Monate sind unsere Chance in Europa. Die Deutschen sind jetzt verpflichtet, europäische Führungsaufgaben wahrzunehmen. Wir dürfen die Dynamik unserer Europapolitik nicht mit ungeklärten Verhältnissen in der deutschen Innenpolitik belasten.
Wir können nicht sagen: Europa muß warten, weil wirBundestagswahlen haben. Wir können auch nicht
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Senator Peter Radunski
sagen, Europa muß warten, weil sich Bund und Länder noch einigen müssen.Deshalb lassen Sie mich einige wenige Worte zum Verhältnis zwischen Bund und Ländern in der Europapolitik sagen. Bund und Länder sollten sich in der Europapolitik eine klare Maxime setzen: Der Bund setzt die europapolitische Linie fest.
Die Länder beteiligen sich an den einzelnen Materien durch ihre in Art. 23 garantierten Mitwirkungsrechte. Europapolitik — das ist ganz deutlich geworden — wird immer mehr zur Innenpolitik. Selbstverständlich haben die Länder deshalb gesteigerte Mitwirkungsrechte in europäischen Angelegenheiten durch Art. 23 erhalten.Unsere Zusammenarbeit wird aber nur erfolgreich sein, wenn der gute Wille und das pragmatische Vorgehen auf beiden Seiten vorhanden sind. Deshalb hat der Senat von Berlin bereits am 10. Mai beschlossen, der EU-Erweiterung im Bundesrat zuzustimmen, und wir bleiben dabei. Nicht juristische Rechthaberei um die Zweidrittelmehrheit dieser Zustimmung im Bundesrat, sondern politische Verantwortung bestimmt unsere Haltung.
Der Beitritt der vier EFTA-Staaten zur Europäischen Union erfolgt auf der Grundlage des Vertrags über die Europäische Union. Mit ihrem überraschend klaren Ja für eine EU-Mitgliedschaft haben sich die Osterreicher am 12. Juni in ihrem Referendum für den Unions-Vertrag und die darin vorgezeichnete Richtung ausgesprochen. Das ist ein Ausweis für die Attraktivität der Europäischen Union.Wir alle wissen, wie schwierig es jetzt sein wird, in den nordischen Staaten die Volksbefragungen durchzubekommen. Wir gefährden sie ernsthaft, wenn wir in Deutschland einen Streit über Bund- und Länderkompetenzen vom Zaun brechen, den keiner unserer europäischen Nachbarn, aber auch deutsche Insider kaum noch verstehen werden.Die Erweiterung liegt im besonderen Interesse der neuen Bundesländer und Berlins. Wir brauchen die Erweiterung nach Norden und Osten. Berlin will Bundeshauptstadt in der Mitte Europas sein. Die Erweiterung um Österreich und die nordischen Länder ist deshalb für uns der erste Schritt. Der nächste, die Erweiterung nach Osten, muß folgen. Voraussetzung für die Erweiterung nach Osten aber ist das wird während der deutschen Präsidentschaft eine Rolle spielen —, daß wir bereit sind, überfällige Reformen endlich anzugehen. Vertiefung und Erweiterung der Europäischen Union — das haben wir gelernt — sind angesagt. Aber das ist kein paralleler Prozeß. Das eine bedingt das andere. Erst die notwendigen Reformen zur Vertiefung der europäischen Integration werden es uns ermöglichen, die wichtige Zielsetzung der Erweiterung zu erreichen.Kommissionspräsident Jacques Delors hat in einer Konferenz mit den neuen Ländern und Berlin am 13. Mai in Schwerin darauf hingewiesen: Ein Beitritt der mittel- und osteuropäischen Staaten ist nur dann machbar, wenn wir grundlegende Reformen in der Agrar- und Regionalpolitik vornehmen. Aber hier schließt sich der Kreis: Eine Reform der europäischen Landwirtschaft, die auch eine Reform der deutschen Landwirtschaft und ihrer Regionalpolitik ist, wird nur in einer Zusammenarbeit zwischen Bundesländern und Bund angegangen werden können.Wir sollten die Vorbereitung der Regierungskonferenz in der deutschen Präsidentschaft für 1996 sehr ernst nehmen und zwei Themen in den Vordergrund stellen: die Revision selbst, aber auch die Osterweiterung. Die Konferenz der Europaminister der Länder hat dazu erste Vorschläge gemacht. Wir fordern eine Stärkung der parlamentarischen Kontrolle und Mitentscheidung in der Europäischen Union sowie den Übergang von Einstimmigkeits- zu Mehrheitsentscheidungen im Rat. Die Bedeutung des letzteren ist in Korfu angesichts der Haltung der Briten sehr deutlich geworden.Die Mitgliedstaaten sollten aber, wie bereits angesprochen — das müssen wir jetzt vorbereiten —, 1996 eine Reform der EU-Politiken insgesamt beraten, denn es kann nicht angehen, daß uns die bisherigen Politiken, die etwas festgefahren sind, die Zukunftsmöglichkeiten einer Erweiterung nach Osten verbauen. Ich bin auch dafür, daß wir ein Zieldatum für den Beitritt der assoziierten mitteleuropäischen Staaten zur Union festlegen. Lassen Sie uns gemeinsam, Bund und Länder, bei unseren europäischen Partnern dafür werben!Danke schön.
Das Wort hat der Abgeordnete Michael Stübgen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wieder einmal scheint Europa nach dem Gipfeltreffen auf Korfu, zumindest wenn man sich ausschließlich auf die Berichterstattung in den Medien bezieht, hoffnungslos zerstritten und unfähig zur Einigung zu sein. Das in der Tat unerträgliche Hin und Her um die beiden offiziellen Bewerber um das Amt des Kommissionspräsidenten, Dehaene und Lubbers, nahm in der öffentlichen Diskussion breiten Raum ein. Ich will hier keine allgemeine Medienschelte beginnen. Es ist nun einmal in der Tat so, daß die Presse notwendigerweise selektieren muß. Es ist leider auch so, daß eine schlechte Nachricht für die Medien besser ist als eine gute Nachricht.Offensichtlich hat die SPD aber den Fehler begangen, sich allein auf die Berichterstattung der Medien zu verlassen und das, was für das Ergebnis dieses Gipfels auf Korfu ausschlaggebend ist, nämlich die Schlußfolgerung des Rates, nicht zu lesen.
Sonst hätten Sie nicht behauptet — darauf hat der Bundeskanzler schon hingewiesen —, die Strecke nach Berlin sei überhaupt nicht geplant.
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20796 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Michael StübgenEin Blick auf diese Schlußfolgerung hätte gezeigt, daß es in der Tat so ist, wie der Bundeskanzler sagt. Sie wären dann auch nicht darauf verfallen, den Gipfel so schlechtzumachen, hätten nicht immer nur gesagt, die Einigung sei nicht erreicht worden, und es sei eigentlich alles schlecht gewesen.
Schließlich hätten Sie auch nicht auf die Idee kommen können — das verstehe ich sowieso nicht, welche Rechnung Sie da aufmachen —, der Bundeskanzler trage irgendeine Schuld daran, daß es keine Einigung auf den Kommissionspräsidenten gab. Es war eben nicht so, daß der Bundeskanzler mittels eines Vetos den Kandidaten der elf anderen Regierungschefs verhindert hat. Vielmehr hat der britische Premierminister den Kandidaten der elf anderen verhindert.
Meine Empfehlung ist: Rechnen Sie das noch einmal nach, und schauen Sie sich die Schlußfolgerung des Rates genauer an, bevor Sie hier Dinge erzählen, die Schlichtweg nicht richtig sind.
Natürlich ist es ärgerlich, daß es noch keinen einheitlichen Vorschlag für das Amt des Kommissionspräsidenten gibt. Gerade deshalb halte ich die Initiative des Bundeskanzlers für unterstützenswert, noch im Juli zu klären, wen der Europäische Rat einstimmig zum Präsidenten vorschlägt. Auch das scheinen Sie nicht registriert zu haben; denn wenn ich nicht davon ausgehen soll, daß Ihre ständigen Beteuerungen, das Europäische Parlament müsse in seinen Rechten weiter gestärkt werden, reine Sprechblasen sind, müßten Sie eigentlich auch das unterstützen.Der wichtige Grund dafür ist: Eigentlich könnte man mit dem Vorschlag und der letztgültigen Entscheidung über den Kommissionspräsidenten noch warten. Es ist noch etwas Zeit. Aber dann passiert folgendes: In einer Phase, in der das Europäische Parlament erstmalig nach Maastricht sein Konsultations- und Zustimmungsrecht nutzen kann, würde dieses Recht bei der Wahl des künftigen Kommissionspräsidenten verkürzt und unterlaufen und könnte vom Europäischen Parlament nicht wahrgenommen werden.
Unter der deutschen Ratspräsidentschaft wird so etwas nicht geschehen. Im Juli muß darüber Klarheit bestehen. Sie sollten diese Initiative des Kanzlers eher unterstützen, als ihm vorzuwerfen, er habe schuld daran, daß das bis jetzt noch nicht geklappt hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die nach meiner Meinung entscheidenden Punkte des Gipfels von Korfu sind der Abschluß des Kooperationsabkommens mit Rußland und die Unterzeichnung der Beitrittsverträge mit den vier Beitrittsländern. Das ist eine wirklich neue Phase der europäischen Geschichte. Die Europäische Union stellt sich ihrer Verantwortung zu Osteuropa. Dies wird langfristig auch zu einer Verlagerung der Schwerpunkte der europäischen Politik führen.Die jetzt vertraglich festgelegte Zusammenarbeit mit Rußland stellt das Ergebnis intensiver Bemühungen dar, die bereits im letzten Jahr in Kopenhagen ihren Anfang nahmen. Dort beschloß man, auch mit den baltischen Staaten Europaabkommen anzustreben. Der Rat wurde beauftragt, bis zum Essener Gipfel eine Strategie auszuarbeiten, den Beitritt der baltischen Staaten vorzubereiten. In Korfu herrschte allerdings auch Einigkeit darüber, daß diese Beitrittsverhandlungen nicht vor 1996 beginnen sollten. Auch diese Terminierung halte ich für richtig; denn 1996 finden die Nachverhandlungen zum Maastrichter Vertrag statt. Erst dann wird sich zeigen, inwieweit die Vorgaben des Vertrages in der Europäischen Union eingehalten worden sind und ob Korrekturen notwendig sind. Darüber hinaus benötigt die Europäische Union Zeit, um den Beitritt der Länder Norwegen, Schweden, Finnland und Österreich zu vollziehen. Erst wenn diese Staaten voll integriert sind und offene Fragen des Maastrichter Vertrages geklärt sind, kann sinnvoll über die Aufnahme weiterer Staaten entschieden werden.Übereilte Beitrittsaktionen nutzen niemandem, zumal die wirtschaftliche Entwicklung dieser Staaten — darauf kommt es bei den mittel- und osteuropäischen Staaten in erster Linie an — durch Assoziierungsabkommen unterstützt wird. Hier ist die Ausweitung der Handelsabkommen allerdings nach meiner Einschätzung wünschenswert, ja notwendig; denn wenn die Staaten des ehemaligen RGW nicht in der Lage sind, ihre Produkte in der Europäischen Union abzusetzen, dann werden sie auch nicht das nötige Geld haben, um ihre Wirtschaft und ihr Sozialwesen aufzubauen.Meine Damen und Herren, die Erweiterung der Europäischen Union ist gerade für die Bundesrepublik Deutschland von herausragendem Interesse. Deshalb sollten wir die Ratifizierung der Beitrittsverträge, die inhaltlich völlig unstrittig sind, auch schnellstmöglich umsetzen. Inhaltlich sind sie nur im Deutschen Bundestag völlig unstrittig.Es war wohl eine vergebliche Hoffnung von mir, eine gleiche Haltung auch im Bundesrat zu erwarten. Mir ist völlig unverständlich, daß der Bundesrat bezüglich der Ratifizierung des Beitrittsgesetzes den Antrag gestellt hat — er wurde bei einer einzigen Gegenstimme, das muß ich zur Ehrenrettung sagen, nämlich der von Berlin, angenommen —, über die Ratifizierung des Beitrittsgesetzes im Deutschen Bundestag mit Zweidrittelmehrheit zu entscheiden.Dabei bezieht er sich auf den neuen Europaartikel des Grundgesetzes, nämlich auf Art. 23 Abs. 1 Satz 3, wonach für grundlegende Änderungen der Verträge der Europäischen Union, die — und das ist der entscheidende Satz — eine Änderung des Grundgesetzes nach sich ziehen, eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag nötig ist.Unzweifelhaft ist es so, daß sich die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union mit dem Beitritt
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Michael Stübgender EFTA-Staaten verändern. Für eine Zweidrittelmehrheit setzt Art. 23 des Grundgesetzes aber weiterhin voraus, daß durch die Vertragsänderung der Europäischen Union Kausalveränderungen des Grundgesetzes notwendig sind.Dies trifft aber nicht zu. Ich weiß nicht, vielleicht waren die Vertreter im Bundesrat nicht in der Lage, diesen Satz nachzulesen. Da dies nicht zutrifft, brauchen wir heute auch nicht mit Zweidrittelmehrheit abzustimmen.Meine Damen und Herren von der SPD, ich will Sie daran erinnern: Im Bundesrat hat die SPD die Mehrheit. Ich würde Ihnen, bevor Sie hier Sprechblasen von sich geben, empfehlen, als SPD mit Ihrer Mehrheit dafür zu sorgen, daß das, was Sie hier positiv im Bundestag zur Europapolitik sagen, auch im Bundesrat durchgesetzt wird und nicht durch die Blockadepolitik die Gefahr besteht, daß erstens Unsicherheit bei den Beitrittsländern Schweden, Norwegen und Finnland entsteht und zweitens möglicherweise die ganze Geschichte verzögert wird, wenn es zu einer Verfassungsklage in Karlsruhe kommt.Das wäre Ihre erste Aufgabe gewesen. Wenn Sie dazu nicht in der Lage sind, dann frage ich mich: Wie wichtig soll ich Ihre offenen Äußerungen für Europa — Sie setzen sich so sehr für Europa und den Beitritt der neuen Länder ein — nehmen, wenn Sie es nicht einmal schaffen, dort, wo Sie die Mehrheit haben, das auch umzusetzen?Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich erteile nunmehr der Abgeordneten Ingrid Walz das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die europäische Präsidentschaft hat die Aufgabe, die großen wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen Europas zu sehen und Antworten darauf zu geben, so der Antrag der CDU/CSU und F.D.P. zur europäischen Präsidentschaft.Eine dieser großen Herausforderungen nicht nur Europas ist die explosionsartige Zunahme der Weltbevölkerung. Anfang September wird in Kairo die Weltbevölkerungskonferenz stattfinden. Dieses Treffen wird deutlich machen, daß die Zunahme der Weltbevölkerung eine unaufhaltsam tickende Zeitbombe ist. Die Brisanz dieses Themas wird uns zwingen, über den Tellerrand unserer eigenen, im Weltmaßstab kleinen Welt einen Blick auf das große Ganze, auf das Überleben der Welt insgesamt zu werfen. Nach Kairo, meine Damen und Herren, darf die Bevölkerungsproblematik nicht länger in Sonntagsreden oder in gut formulierten Feuilleton-Beiträgen untergehen oder gar zwischen unterschiedlichen politischen oder religiösen Interessen zerrieben werden.
Deshalb ist es wichtig, daß sich die Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der F.D.P. auf einen Antrag verständigen konnten, der im Vorfeld von Kairo Absichten und Strategien beschreibt, wie wir uns einewirksame Bekämpfung des globalen Bevölkerungswachstums national und auf FU-Ebene vorstellen.Leider, meine Damen und Herren, soll dieser Antrag auf Wunsch der SPD heute nachmittag ohne Aussprache über die Bühne gehen. Ich empfinde dies angesichts der Größe dieser Problematik als einen Skandal. Der Antrag enthält wichtige Empfehlungen für die Haltung der Bundesregierung in Kairo.Die Ausgangsbasis für diese Weltbevölkerungskonferenz hat sich im Vergleich zu früheren Konferenzen erheblich verbessert. Der langjährige Dissens zwischen dem Norden und dem Süden in der Beurteilung der Bevölkerungsentwicklung scheint beigelegt. Ein langer und strittiger Weg liegt hinter uns. Endlich greift die Erkenntnis, daß Bevölkerungsentwicklung kein isoliertes oder gar statistisches Problem ist, sondern daß es einen verhängnisvollen Zusammenhang zwischen Bevölkerungsentwicklung, Ressourcenverbrauch, Umwelterhaltung, Ernährungssicherung, Gesundheitsvorsorge, Bildung und Entwicklung gibt. Unkontrolliertes Bevölkerungswachstum wird damit zum Teufelskreis, der auch uns erfaßt. Die Zahl der Armuts- und Umweltflüchtlinge nimmt weltweit zu, mit katastrophalen Folgen auch für uns.Das Morden in Ruanda, meine Damen und Herren, ist nicht nur Ausdruck ethnischer Konflikte, sondern Ausdruck von Landmangel und Hunger. Der Bürgerkrieg in Ruanda ist der Vorbote eines weltweiten Konflikts, der nicht mehr weggeredet, weggedacht oder mit traditionellem Handeln gelöst werden kann. Der Bevölkerungsdruck vor allem in Afrika hält unvermindert an mit der Folge: Die wirtschaftliche Entwicklung kann mit der Bevölkerungszunahme nicht mehr Schritt halten. Das Wirtschaftswachstum wird schneller aufgefressen, als es entstehen kann. Ausbeutung und Zerstörung der natürlichen Ressourcen und der Umwelt sind die Folge. Armut und Hunger nehmen weiter zu. Wir können nicht mehr nur mit Nahrungsmittelhilfe oder gar mit militärischer Intervention die Probleme lösen. Wo soll dies enden? An der Südflanke Europas, am Mittelmeer, bauen sich Armutsarmeen auf, die, durch fundamentalistische Generäle geführt, sehr schnell das Mittelmeer überwinden können.Aber die globale Bevölkerungszunahme hat nicht nur einen ökologischen Hintergrund, der uns alle zerstören kann, sondern sie ist auch eine soziale Zeitbombe. Bereits heute ist die Mehrheit der Weltbevölkerung deutlich unter 18 Jahre. Ein Großteil davon hat bereits heute weder Arbeit noch Zukunftsperspektiven — bisher ein Problem für uns in weiter Ferne. Die Asyl- und Flüchtlingsströme der letzten Jahre, die mit dem Ausmaß einer Völkerwanderung aus den armen Ländern des Südens und Ostens in die wohlhabenden Länder des Nordens drängen, haben uns endgültig aus di esem trügerischen Dornröschenschlaf gerissen. Wir erkennen heute die Ursachen, und wir müssen europäisch handeln und gemeinsam helfen.Von Kairo muß die unmißverständliche Botschaft ausgehen, daß die Eindämmung der globalen Bevölkerungszunahme einen entscheidenden Faktor für das Überleben nicht nur Europas, sondern der ganzen Welt darstellt. Der Erfolg von Kairo unter unserer Präsidentschaft muß ein absolutes Muß sein.
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20798 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Ingrid WalzDanke.
Ich erteile nunmehr der Abgeordneten Heidemarie Wieczorek-Zeul das Wort.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was Bundeskanzler Kohl vorhin hier gezeigt hat, ist ein typisches, negatives Beispiel für Desinformationspolitik in bezug auf europäische Angelegenheiten zur Frage der transeuropäischen Netze.
Ich verweise auf folgenden Sachverhalt: Ausweislich der Schlußfolgerungen des Vorsitzes von Korfu ist die Finanzierung der Streckenführung zwischen dem Rhein-Main-Gebiet, von Frankfurt aus, und Berlin nicht gesichert. Das heißt, es wird nach dem Gipfel von Korfu keine Finanzierung der Streckenführung zwischen dem Rhein-Main-Gebiet und Berlin geben. Das ist die lautere Wahrheit.Wer abstrakt von Streckenführung spricht, aber den Leuten im Rhein-Main-Gebiet, in Hessen und anderswo nicht die Wahrheit sagt, daß nämlich die Finanzierung nicht gesichert ist, und zwar durch die Bundesregierung selbst, der sagt Falsches und trägt dazu bei, daß Schlimmes auf die Europäische Union geschoben und an Kritik abgeladen wird, während die Kritik eigentlich an die Adresse der Bundesregierung zu richten ist.
Das ist die Methode, wie in bezug auf die Europapolitik häufig Desinformation betrieben wird. Von jemandem, der sich anschickt, die EU-Ratspräsidentschaft zu übernehmen, muß man Ehrlichkeit erwarten. Das gebe ich an den Bundeskanzler zurück.Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Beschlüsse des europäischen Gipfels in bezug auf die Aufnahme neuer Mitglieder in die Europäische Union — Österreich, Schweden, Norwegen und Finnland — und die Unterzeichnung der entsprechenden Verträge finden unsere volle Unterstützung. Wir werden dem Gesetz zu dem Vertrag über diese Beitritte heute zustimmen. Wir sagen an die Adresse der neuen Mitglieder: Wir hoffen, daß sich die Mehrheit der Bevölkerung in Schweden, in Finnland und auch in Norwegen dafür entscheidet, Mitglied der Europäischen Union zu werden. Wir freuen uns auf sie,
und wir hoffen, daß die Entscheidung in den Referenden wie in Österreich ausgehen wird.Wir begrüßen insbesondere auch das mit Rußland abgeschlossene Abkommen.Ich möchte mich im folgenden — der Kollege Stübgen hat versucht, sich davor zu drücken — mit derRolle beschäftigen, die Bundeskanzler Kohl bei den Beratungen über die Nachfolge des EG-Kommissionspräsidenten Jacques Delors auf Korfu gespielt hat. Ich will im übrigen an dieser Stelle dem EG-Kommissionspräsidenten Jacques Delors ausdrücklich danken und ein Wort des Lobes an ihn richten. Denn vieles, was in der Europäischen Gemeinschaft vorangekommen ist, ist ihm zu verdanken. Das sollte der Deutsche Bundestag ihm gegenüber heute auch ausdrücken.
Herr Stübgen scheint die Zeitungen nicht gelesen zu haben. Die Empörung über „die Methode der Dampfwalze", die von Helmut Kohl angewandt worden sei, ist nicht nur in den Nachbarländern groß. „Die Art und Weise, in der Bundeskanzler Kohl hinter den Kulissen den ungeliebten Kandidaten Lubbers Zug um Zug ausmanövrierte, hat das ohnehin nicht einfache holländisch-deutsche Verhältnis möglicherweise auf lange Zeit belastet." So formuliert eine große deutsche Zeitung.
Manche sagen sogar, Helmut Kohl wirke sich mittlerweile als Belastung für Europa aus.
Die Reaktionen zeigen doch, liebe Kolleginnen und Kollegen: Selbstherrliches Gehabe und Überrumpelungsmethoden, die offensichtlich in den Regierungsparteien zum innerparteilichen Machtwerkzeug gehören, sind in der Außenpolitik und für die Europäische Union schädlich.
Das muß nach dem Scheitern des Gipfels von Korfu an dieser Stelle sehr deutlich gemacht werden.Ich erinnere an entsprechende Drohungen von Außenminister Kinkel gegenüber der spanischen Regierung aus Anlaß der ursprünglichen Erweiterungsentscheidung — die nachher angeblich so nicht waren — oder an die peinliche Unterstützung Österreichs, die er mit den Worten zum Ausdruck brachte: Wir sind doch eure Schutzmacht.
Wer eine solche Sprache verwendet, liebe Kolleginnen und Kollegen, der trägt dazu bei, daß das Mißtrauen bei unseren Nachbarn größer wird und daß keine einvernehmliche korrekte Regelung in diesen personellen Fragen zustande kommt.
Ich will an dieser Stelle im übrigen sagen: Wenn die Regierungschefs versagen, dann sollten wir die Konsequenz daraus ziehen und fordern: Demnächst soll das Europäische Parlament den Präsidenten der Europäischen Kommission wählen. Dann wird nämlich einer schnell und tatsächlich berufen, und dann gibt es
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Heidemarie Wieczorek-Zeuleine entsprechende verantwortliche Regelung in Europa.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Uli Klose und Ingrid Matthäus-Maier haben für die SPD-Fraktion unsere Erwartungen an die deutsche Ratspräsidentschaft zum Ausdruck gebracht. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich anmahnen, was wir darüber hinaus brauchen. Wir brauchen eine Rechtsnorm in Europa, die es möglich macht, daß Druck, Verbreitung und Versand von rechtsextremem und fremdenfeindlichem Propagandamaterial in allen Mitgliedsländern der Europäischen Union endlich strafrechtlich sanktioniert werden.
Das muß eine zentrale Aufgabe der deutschen Ratspräsidentschaft für die Zukunft sein.Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum weiteren Verfahren. Ich warne die Bundesregierung. Sie ist bereits wieder dabei, den gleichen Weg der Überprüfung wie beim Maastricht-Vertrag einzuschlagen. Ohne daß es der Öffentlichkeit besonders bekanntgeworden ist — auch da würde man mehr Ehrlichkeit von Bundeskanzler Kohl erwarten —, ist beschlossen worden, daß eine Vorbereitungsgruppe zur Überprüfung des Maastricht-Vertrages und zur weiteren Reform eingesetzt wird. Bis zum Juni 1995 erarbeiten hinter verschlossenen Türen Heere von Beamten nach dem bekannten Muster die Vorberichte für die dann zu beratende zukünftige Struktur der Europäischen Union.Mit den Worten des scheidenden Präsidenten des Europäischen Parlamentes Egon Klepsch mahne ich Sie, kein Verfahren zur Weiterentwicklung der Europäischen Union zu wählen, bei dem — so hat er es ausgedrückt — hinter „hermetisch abgeriegelten Türen" neue Vorschläge zur Weiterentwicklung der Europäischen Union gemacht werden. Es wird zu einem Auseinanderdriften von Bürgern und Bürgerinnen führen, wenn Sie ein solches Verfahren wählen. Als Konsequenz werden Sie weniger Europafreudigkeit haben. Schließen Sie sich deshalb unserem Vorschlag an! Das Europäische Parlament soll im nächsten Jahr zusammen mit Vertretungen der nationalen Parlamente eine öffentliche Debatte über die Reform der Europäischen Union beginnen. Dann kann sich jeder Bürger und jede Bürgerin beteiligen und zuhören, jeder Journalist und jede Journalistin kann sich beteiligen. Das Verfahren, das zu Maastricht und das zu so viel Ärger und Frust bei der Bevölkerung geführt hat, wäre damit ein für allemal überwunden. Ich appelliere an Sie, unserer Schlußfolgerung zuzustimmen.Ich bedanke mich sehr herzlich.
Ich erteile nunmehr dem Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Klaus Kinkel, das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte endlich mit einer Mär aufräumen.
Erstens. Ich versichere Ihnen, daß es absolut unwahr ist, daß ich im Zusammenhang mit den EU-Erweiterungsverhandlungen gegenüber einem Vertreter Österreichs jemals gesagt habe: Wir sind eure Schutzmacht. — Ich bin meiner Worte mächtig. Das habe ich nicht gesagt. Wer etwas anderes behauptet, sagt die Unwahrheit.
Zweitens. Ich möchte endlich auch mit der Mär aufräumen, ich hätte bei den Erweiterungsverhandlungen dem spanischen Außenminister gegenüber — ausgerechnet ihm gegenüber, mit dem ich mich persönlich besonders gut verstehe — gesagt, was mir da unterstellt wird. Ich will es nicht wiederholen. Sie haben wieder darauf angespielt. Ich habe eine solche Äußerung nie getan!
Dies ist eine Unwahrheit. Fragen Sie den spanischen Außenminister!
Drittens. Richtig ist, daß ich mich in den Erweiterungsverhandlungen für alle vier Länder stark eingesetzt habe und stolz darauf bin,
daß dieses Ergebnis zustande gekommen ist, so daß am 1. Januar 1995 wohl der Beitritt erfolgen kann.
Viertens möchte ich Ihnen, Frau Wieczorek-Zeul, auch sagen: Das, was Sie dem Bundeskanzler vorgeworfen haben, ist unrichtig. Ich war bei den Gesprächen und Verhandlungen dabei. — Ich spreche jetzt von dem, was Sie ihm im Zusammenhang mit der Nachfolge Delors' vorwerfen. Das ist unrichtig.
Lassen Sie endlich diese billigen Anschuldigungen in einer schwierigen Situation auch für Deutschland! Wir haben uns wahrhaftig um eine Lösung der DelorsNachfolgefrage bemüht.
Kritisieren ist in diesem Zusammenhang wahnsinnig leicht, besser machen ist schwieriger. Wir haben immerhin ein Ergebnis von 11:1 erreicht. Ich bemühe mich im Augenblick genauso wie der Bundeskanzler,
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20800 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Bundesminister Dr. Klaus Kinkelin dieser Frage am 15. Juli zu einem Konsens zu kommen. Erschweren Sie das nicht unnötig!
Ich lasse jetzt die Kurzintervention des Fraktionsvorsitzenden Ulrich Klose zu; zwei weitere Wünsche nach einer Kurzintervention liegen mir dann noch vor. Ich bitte Sie aber, zur Kenntnis zu nehmen, daß wir angesichts der jetzigen Geschäftslage vermutlich bis nach Mitternacht tagen werden, wobei der Präsident, der als letzter hier sitzen wird, nach Plan mehr als vier Stunden lang die Sitzung zu leiten hat. Ich bitte Sie, darauf ein wenig Rücksicht zu nehmen und sich zu beschränken.
Herr Abgeordneter Klose, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, ich beschränke mich auf zwei Punkte.
Es ist ganz zweifellos so, daß dann, wenn man schon von Störenfrieden reden will ich würde den Begriff vermeiden —, es eher die britische Seite ist, die im Augenblick Probleme macht. Ich habe nichts dagegen — ganz im Gegenteil , daß sich die deutsche Präsidentschaft mit der folgenden Präsidentschaft, also mit den Franzosen, besonders eng abspricht. Ein Problem scheint mir allerdings darin zu bestehen, daß diese Absprachen und das deutsch-französische Agieren relativ häufig bewirken, daß sich Kleinere und andere am Ende überfahren fühlen. Herr Außenminister, darin liegt ein Problem.
Es ist ja ganz unbestreitbar, daß nicht nur die Briten in Korfu das Verfahren kritisiert haben, sondern daß sich auch andere kritisch dazu geäußert haben. Daraus sollten Sie, wie ich finde, ohne daß Sie beleidigt sind, Schlußfolgerungen ziehen. Man sollte eben auch mit den Briten rechtzeitig über die Präsidentschaft reden. Dann kann man solche Störungen vermeiden.
Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt. — Sie haben gesagt — mir kommt es auf diesen Österreich-Fall besonders an —, Sie hätten die Formulierung „Wir sind eure Schutzmacht" nicht gebraucht. Wenn der deutsche Außenminister hier im Parlament erklärt, er habe diese Formulierung nicht gebraucht, dann gehen wir davon aus, daß das stimmt.
Der Abgeordnete Hans Urbaniak hat mir zugesichert, eine ganz kurze Kurzintervention zu machen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in der vorigen Woche auf Grund einer Fusionsrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft hier das Mitbestimmungs-Beibehaltungsgesetz verabschiedet. Dies war notwendig,
weil die Mitbestimmung auf Grund der Fusionsrichtlinie sonst ausgehöhlt worden wäre. Dem ging eine Entscheidung des Bundestages, eine einstimmige Entschließung, voraus. Ich muß an dieser Stelle feststellen: Leider haben die Koalitionsfraktionen dazu beigetragen, daß das Mitbestimmungs-Beibehaltungsgesetz bei kleinen Aktiengesellschaften gleichwohl eine Aushöhlung der Mitbestimmung bedeutet.
Dies ist kein guter Start für die Sicherung und Ausweitung der Unternehmensmitbestimmung auf europäischer Ebene. Die Unternehmensmitbestimmung müßten wir als Bundesrepublik in der Präsidentschaft auf jeden Fall entscheidend voranbringen. Ich bitte Sie also, das, was da entschieden worden ist, zu bedenken.
Wir haben dem trotzdem zugestimmt, um eine einheitliche Haltung des deutschen Parlaments gegenüber der EU zu erhalten. Die Unternehmensmitbestimmung ist wichtig für den zwischen den Arbeitnehmern und den Unternehmern in der Europäischen Gemeinschaft notwendigen Konsens.
Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Josef Grünbeck das Wort. Ich nehme an, das bezieht sich auf die Rede der Kollegin Wieczorek-Zeul. Ich sage das, weil der Bezug bei dem letzten Beitrag nicht so ganz erkennbar war.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil mir in dieser ernsten Stunde, die dieses Parlament heute erlebt, etwas abhanden gekommen zu sein scheint. Ich mag keinen einzigen Redebeitrag kritisieren; aber ich glaube, bezüglich des Weges zur europäischen Integration muß doch noch etwas erwähnt werden.
Wir hatten im Krieg 1870/71 in Europa 2 Millionen Tote; wir hatten 1914 bis 1918 20 Millionen Tote; wir hatten 1939 bis 1945 40 Millionen Tote. Nun ist Europa auf dem Weg zu einem dauerhaften Frieden.
Ich glaube, das allein müßte alle Parteien in diesem Hohen Hause darin einigen, daß es sich lohnt, um dieses Europa zu streiten und miteinander zu reden, statt aufeinander zu schießen. Ich glaube, daß dies hier eine Stunde ist, und zwar auch für die SPD, die auch zu meiner großen Freude und zu meinem Stolz einmal einen Friedensnobelpreisträger gestellt hat, in der wir alle darüber glücklich sein sollten, daß wir uns nicht mehr in Kriegen auseinandersetzen, sondern die Streitigkeiten, ob nun über eine Person oder über eine Sache, im Interesse eines dauerhaften Friedens in Europa und im Interesse einer zukünftigen Perspektive auch für unsere junge Generation friedlich austragen.
Ich erteile dem Parlamentarischen Staatssekretär Rainer Funke das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte nur auf den Einwand des Herrn Kollegen hinsichtlich der Mitbestimmung bei kleinen Aktiengesellschaften kurz erwidern. — Es handelt sich nicht um einen Abbau der Mitbestimmung; denn die kleinen Aktiengesellschaften, die bereits jetzt eine Mitbestimmung haben, behalten ihre Mitbestimmung zunächst, und diejenigen Unternehmen, die von einer GmbH in eine kleine Aktiengesellschaft umgewandelt werden, fallen aus der Mitbestimmung nicht heraus, sondern bleiben insofern so, wie sie sind. Es ist keine aktienrechtliche Mitbestimmung vorgesehen, weil wir sie ja auch bei der GmbH nicht haben.
— Wenn Sie bei der Umwandlung von der GmbH in die kleine Aktiengesellschaft mehr Mitbestimmung vorsehen, wie Sie es wollen, dann führt das dazu, daß die attraktive Form der Aktiengesellschaft von den mittelständischen Unternehmern nicht gewählt wird, sondern diese bei der Rechtsform der GmbH bleiben.
Meine Damen und Herren, ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Claus-Peter Grotz das Wort. Damit sind wir wieder in der vorgesehenen Reihenfolge der Redner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen am Ende einer europapolitischen Debatte und liefen in den letzten Beiträgen Gefahr, Frau Kollegin Wieczorek-Zeul, Europa kleinzureden. Europa wird und darf nicht an einer Eisenbahnstrecke scheitern, die im übrigen aufgenommen ist, anerkannt ist und vielleicht, wenn sich Ihre Fraktion bewegt, bei anderen Verkehrsfinanzierungsmodellen in der Tat auch finanziert werden könnte.
Europa braucht auch Motoren. Ein solcher Motor ist natürlich die deutsch-französische Zusammenarbeit. Sie muß sensibel gehandhabt werden. Ohne deutschfranzösische Zusammenarbeit würde sich in der Europäischen Union, zumindest streckenweise, überhaupt nichts bewegen. Sie ist auch kein Closed Shop, sondern offen für andere, was gerade von den Niederlanden anerkannt wird.
Deshalb denke ich: Eine Europäische Union, die im Wachsen begriffen ist, die zusammenkommt, auch ein einzelnes Land, wird es aushalten, wenn es in einer sachlichen oder auch in einer personellen Frage einmal zu einer Unstimmigkeit kommt. Was für ein Europa wäre dieses, wenn es an einer solchen Frage verzweifeln oder gar scheitern würde?
Deshalb glaube ich nicht, daß das deutschniederländische Verhältnis, das sich in den letzten Jahrzehnten
gut entwickelt hat, an dieser Frage einen Abbruch erleben wird; die Beziehung ist tiefer.
Ich sage dies auch deshalb, weil wir jetzt am Schluß der Debatte dabei waren, eine wichtige europapolitische Debatte kleinzureden, eine Debatte, die ja auch in anderen Ländern als Signal gesehen wird, eine Debatte, die beobachtet wird im Hinblick auf eine Einladung, auf ein Signal zum Beitritt zur Europäischen Union. Auch daran sollten wir denken.
Diese Debatte heute, glaube ich, richtet — —
Herr Abgeordneter, ich habe schon seit längerer Zeit den Wunsch des Abgeordneten Scheffler, Ihnen eine Zwischenfrage zu stellen, registriert. Sind Sie bereit, sie zuzulassen? — Okay. Bitte schön.
Vielen Dank. — Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kollege, Sie kennen ja sicherlich unseren Antrag im Verkehrsausschuß zur Einbindung von Frankfurt in das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz und die Stellungnahme der Bundesregierung.
Seitens des Bundesverkehrsministeriums wurde nämlich in den Ressortberatungen die Strecke Frankfurt/ Main-Erfurt-Berlin als Planung
dieser europäischen Strecke von London bis zu einem späteren Zeitpunkt vom Tisch gedrückt, auch mit dem Hinweis seitens der Bundesregierung, des Verkehrsministers — das sage ich, weil Sie das wieder angesprochen haben —, daß eine Aufnahme der Teilstrecke nach Frankfurt
deshalb nicht erfolgen kann, weil in den nächsten zwei Jahren keine Baureife zu erwarten ist. — Ist Ihnen das bekannt?
Herr Kollege Scheffler, wir beraten heute die Ratifikation betreffend Beitritt zur Europäischen Union. Wir beraten heute auch den Antrag zur deutschen Ratspräsidentschaft. Diese Frage können Sie gerne im Verkehrsausschuß einbringen.
Zweitens hat sich der Bundeskanzler heute morgen hier und letzte Woche in einer mehrstündigen Diskussion im Auswärtigen Ausschuß klar zu dieser Wegstrecke bekannt. Machen Sie den Weg frei zu unkonventionellen Finanzierungsmodellen! Dann werden wir weiterreden können.
Lassen Sie mich jetzt zu meinem eigentlichen Thema kommen, dem Beitritt zur Europäischen Union. Vorhin sprach der Vertreter des Bundesrates. Wir müssen uns nicht an Beiträge des Bundesrates in diesem Plenum gewöhnen. Wir hätten uns allerdings gewünscht, daß noch mehr Mitglieder des Bundesra-
Claus-Peter Grotz
tes dieselbe Auffassung wie die des Vertreters von Berlin hier vorgetragen hätten. Deshalb werde ich anschließend in der Beratung des Auswärtigen Ausschusses dem Ausschuß vorschlagen, die Haltung der Bundesregierung eindeutig in einem Beschluß zu bekräftigen, daß keine Abstimmung nach Art. 23 Abs. 2 notwendig ist.
Wir müssen heute mit dieser Debatte klar ja zu Europa sagen und ein Signal an die skandinavischen Länder und an Österreich senden. Ich glaube, die Europawahl hat uns hier den notwendigen Rückenwind gegeben. Diese Europawahl hat in Deutschland diejenigen Parteien bestätigt, die nicht die Nase in den Wind gehalten, sondern sich klar zur Europäischen Union, zur Erweiterung und auch zur Vertiefung bekannt haben. Das war in Deutschland die Union mit Bundeskanzler Helmut Kohl. Deshalb war es vorher völlig unangebracht, zu sagen, Helmut Kohl habe in der Europäischen Union kein Ansehen mehr. Im Gegenteil, er ist derjenige, der die Integration vorantreibt. Dies wird auch die jetzt anstehende Ratspräsidentschaft unterstreichen.
Wir müssen — darum geht es heute, und dies ist an die Adresse der PDS gerichtet — über die Europäische Union weniger eine Risiko-, eine Problemdiskussion führen, sondern eine Chancendiskussion und die EU gerade als eine Chance für die jüngere Generation darstellen.
Am Vorabend des Ersten Weltkrieges sprach der englische Außenminister Edward Grey: „Die Lichter gehen aus in Europa, und unsere Generation wird sie nicht wieder angehen sehen." Wir haben heute zum erstenmal seit den 40er Jahren in Westeuropa die Chance ergriffen, daß die Lichter wieder angehen. Frieden, Freiheit und wirtschaftliche Stabilität herrschen. Wir haben heute mit unserer Beschlußfassung zum Beitritt zur Europäischen Union die Möglichkeit, Länder aufzunehmen, ja zu sagen zur Aufnahme von Ländern, die eine große demokratische Tradition haben, die das Gewicht der Europäischen Union verstärken werden und so auch eine Brücke zu neuen Erweiterungsrunden und zu einer weiteren Vertiefung der Europäischen Union darstellen werden.
Herzlichen Dank.
Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Dr. Ulrich Briefs das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Noch ein kurzes Wort zu den Europawahlen. Sie haben meines Erachtens ein wichtiges Ergebnis gebracht. Sie haben nämlich gezeigt, daß die Europagegner jeglicher Couleur in Deutschland offensichtlich keine nennenswerte politische Basis haben.Deutschland ist weiter auf dem Weg in die europäische Integration, und das ist gut. Aber es gibt auch Anzeichen für erhebliche Krisenentwicklungen inEuropa. Es war nicht gerade so, wie es in einem Rundfunkkommentar des Bayerischen Rundfunks hieß: „Europa taumelt von einer Krise in die andere, und die europäischen Sonnengötter in Paris und Bonn tun so, als ob sie alles fest im Griff haben."Das ist zweifellos überzogen. Man muß aber sehen, daß die EU und der weitere Einigungsprozeß in Europa durchaus noch verwundbar sind. Sie können durchaus noch sabotiert werden. Sie können z. B. sabotiert werden durch die neu erwachenden und erstarkenden Nationalismen. Das nicht sehr würdevolle Tauziehen um die Nachfolge von Jacques Delors legt zudem ein Maß an politischer Insensibilität großer EU-Länder gegenüber den kleineren Ländern wie den Niederlanden offen, das den weiteren europäischen Einigungsprozeß ebenfalls nachhaltig stören könnte. Hier und in ähnlichen Fällen ist — das an die Adresse der Bundesregierung — mehr Sensibilität und mehr Rücksicht gegenüber allen EU-Partnerländern notwendig.Dennoch ist es im Prinzip zu begrüßen, daß Deutschland und Frankreich gemeinsam rasch weitere Initiativen zur europäischen Integration ergreifen wollen. Europa ist Deutschlands einzige Chance, auch und gerade angesichts der unbestreitbar neonationalistischen Tendenzen in diesem Lande. Das gilt auch, nachdem die Republikaner Gott sei Dank nicht ins Europaparlament gewählt worden sind.Der Beitritt der drei skandinavischen Länder und Österreichs zur EU trägt dazu bei, die EU noch vielfältiger, noch reicher zu machen, reicher nicht nur an Wirtschaftskraft und Wohlstand, sondern reicher vor allem auch auf kulturellem Gebiet und an gelebter demokratischer Tradition.Es ist aber nicht zu übersehen, daß sich in der EU-Politik Muster abzeichnen, die dem europäischen Einigungsgedanken zuwiderlaufen. Der europäische Einigungsprozeß soll Ausgleich schaffen, soll alle an den wirtschaftlichen, sozialen und politischen Fortschritten teilhaben lassen. Deregulierung, Privatisierung und Flexibilisierung dagegen bestärken die wirtschaftlich bereits Starken und Mächtigen in den einzelnen EU-Ländern und in Europa.Wenn z. B. die Stromnetze — wie von der Bundesregierung gefordert — für Dritte geöffnet werden, dann können sich große Energieversorgungsunternehmen lukrative Großabnehmer herauspicken; darunter leidet die Flächenversorgung.Die Hauptsorge der europäischen Politik muß heute und in Zukunft neben dem Kampf gegen alte und neue Nationalismen der Auseinandersetzung mit der Massenarbeitslosigkeit gelten. Der Kurs auf eine noch modernere Wirtschaftsstruktur, auf noch mehr Spitzentechnologien, auf noch mehr Großprojekte und auf transeuropäische Netze sowie die damit verbundene Politik der Deregulierung, Privatisierung und Flexibilisierung lösen die Probleme nicht, sondern verlagern und verschärfen sie in vielen Fällen; sie schaffen z. B. zusätzliche Armut in der Dritten Welt. Die Dritte Welt muß nämlich in der Folge immer größere Teile ihrer Naturressourcen und ihrer schwach entwickelten Arbeitsproduktivität im Aus-
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20803
Dr. Ulrich Briefstausch für unsere raffinierten Spitzentechnologieprodukte an uns abliefern.Hinzu kommt: Der Sinn zahlreicher moderner Technologie- und Industrieentwicklungen ist gerade, menschliche Arbeit durch Maschinenarbeit zu ersetzen. Das ist ein Grundgesetz der modernen industriellen Produktionsweise und auch z. B. der sogenannten Informationsgesellschaft von morgen und übermorgen, auf die man in Europa so sehr setzt.Zentrale Aufgabe der europäischen Politik, auch unter der deutschen Präsidentschaft, muß daher der Kampf gegen Arbeitsplatzvernichtung und Massenarbeitslosigkeit, für sozialen Ausgleich und für die Schaffung neuer und sinnvoller Arbeitsplätze sein. Diese ganz vordringliche und extrem schwierige Aufgabe muß die Tagesordnung der deutschen Präsidentschaft bestimmen; es darf nicht — wie man hier spürt — der diffuse Glaube sein, daß eine marktradikale Politik es schon irgendwie und irgendwann auch in Europa richten wird.Herr Präsident, ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD, der Ihnen auf Drucksache 12/8159 vorliegt. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag?
— Ich habe gesagt: Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 12/8159. — Wenn ich es richtig sehe, beabsichtigen Sie, zuzustimmen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist der Entschließungsantrag bei Enthaltung der PDS/Linke Liste mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Er liegt auf Drucksache 12/8151 vor. Wer stimmt dafür? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Es gibt Enthaltungen der PDS/Linke Liste; SPD, CDU/CSU und F.D.P. lehnen den Entschließungsantrag ab.
Wir kommen nun zum Entschließungsantrag der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 12/8154. Interfraktionell wird vorgeschlagen, diesen Antrag an den Auswärtigen Ausschuß zu überweisen.
Herr Abgeordneter Poppe.
Herr Präsident, gemäß der Geschäftsordnung kann ich dieser Überweisung nicht zustimmen. Es geht hier um Ruanda, Bosnien, um sehr aktuelle Konflikte. Es macht keinen Sinn, diesen Antrag auf die Zeit nach der Sommerpause zu verweisen. Ich bestehe also auf der Abstimmung.
Herr Abgeordneter Poppe, ich muß Sie darauf aufmerksammachen: Wenn Sie sich auf § 88 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung, der der antragsteilenden Fraktion oder Gruppe die Möglichkeit gibt, sofortige Abstimmung zu verlangen, berufen, dann ist das in diesem Fall nicht zulässig, weil der Geschäftsordnungsausschuß klargestellt hat, daß bei Entschließungsanträgen zu Regierungserklärungen — und darum handelt es sich hier—nicht auf sofortiger Abstimmung bestanden werden kann.Ich lasse also entsprechend dem interfraktionellen Vorschlag abstimmen. Wer dem Vorschlag der Oberweisung an den Auswärtigen Ausschuß zuzustimmen gedenkt, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist die Überweisung nur gegen die Stimmen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN beschlossen.Wir kommen jetzt zum Gesetzentwurf auf der Drucksache 12/977. Es handelt sich um den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem Vertrag über den Beitritt des Königreichs Norwegen, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zur Europäischen Union. Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Gibt es da andere Vorschläge? — Das ist nicht der Fall. — Dann ist es so beschlossen.Wir kommen dann zur Beschlußempfehlung des EG-Ausschusses zum Antrag der Fraktion der SPD zu Anforderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft. Das liegt Ihnen auf der Drucksache 12/8123 vor. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der SPD auf Drucksache 12/7276 abzulehnen. Wer dieser Ausschußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist diese Ausschußempfehlung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der PDS/Linke Liste angenommen.Wir kommen nunmehr zur Beschlußempfehlung des EG-Ausschusses zu. dem Antrag der Gruppe PDS/Linke Liste zu Anforderungen an die Präsidentschaft der Bundesrepublik Deutschland in der Europäischen Union. Das liegt Ihnen auf Drucksache 12/8124 vor. Hier empfiehlt der Ausschuß auf der Drucksache 12/7687, diesen Vorschlag abzulehnen. Wer dieser Ausschußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Dagegen? — Gegen die Stimmen der PDS/Linke Liste ist diese Ausschußempfehlung angenommen worden.Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. eingebrachten Antrag zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Er liegt Ihnen auf Drucksache 12/8158 vor. Wer stimmt diesem Antrag zu? — Wer stimmt dagegen? — Dieser Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen den Rest des Hauses angenommen worden.Wir kommen zur Beschlußempfehlung des EG-Ausschusses zum Bericht der Bundesregierung zur Stärkung der gesetzgeberischen Befugnisse des Europäischen Parlaments. Das sind die Drucksachen 12/7214 und 12/8104. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Dagegen? — Enthaltungen? — Mit
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20804 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Vizepräsident Dieter-Julius Cronenbergder Enthaltung der PDS/Linke Liste ist das einstimmig angenommen.Meine Damen und Herren, ich rufe nun Tagesordnungspunkt 2a und b auf:Postreforma) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs einesGesetzes zur Änderung des Grundgesetzes— Drucksachen 12/6717, 12/7269 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
— Drucksache 12/8108 —Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Rupert Scholz Dieter Wiefelspützb) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation
— Drucksachen 12/6718, 12/7270 —
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Postverfassungsgesetzes— Drucksache 12/4329 —
aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Post und Telekommunikation
— Drucksache 12/8060 —Berichterstattung:Abgeordnete Elmar Müller Dr. Bernd ProtznerHans Gottfried BernrathArne Börnsen
Jürgen Timmbb) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 12/8129 —Berichterstattung:Abgeordnete Manfred Kolbe Werner ZywietzRudi Walther
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Post und Telekommunikation zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Dr. Ilja Seifert, Bernd Henn und der Gruppe der PDS/ Linke ListeReform der Deutschen Bundespost— Drucksachen 12/6635, 12/8060 —Berichterstattung:Abgeordnete Elmar Müller Dr. Bernd ProtznerHans Gottfried BernrathArne Börnsen
Jürgen TimmIch weise darauf hin, daß im Anschluß an die Aussprache über das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes namentlich abgestimmt wird.Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Debattenzeit von zwei Stunden vor. Ist das Haus damit einverstanden? Das ist offensichtlich der Fall. Dann kann ich die Debatte eröffnen.Zunächst erteile ich dem Abgeordneten Elmar Müller das Wort, der, so ist mir mitgeteilt worden, auch eine Berichtigung des Ausschußberichts vorzunehmen gedenkt. Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte vorweg tatsächlich eine Berichtigung vortragen dürfen, und zwar im Einvernehmen mit den übrigen Berichterstattern. Der Innenausschuß hat einstimmig beschlossen, und der Postausschuß hat dies auch schon gebilligt, daß in Art. 7 in § 10 Abs. 4 Nr. 1 am Ende des Textes das Komma durch einen Punkt ersetzt und dann folgender Satz eingefügt wird: „§ 28 BDSG" — Bundesdatenschutzgesetz — „gilt entsprechend". Das wäre diese Korrektur.Meine sehr verehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Wenn man heute einen Briefträger oder eine Schalterbeamtin fragt, was sie von der Postreform II halten, dann wird es kaum erlebbar sein, daß jemand antwortet, er sei mit dieser Postreform zufrieden. Dafür — und das bedauere ich sehr — hat die Deutsche Postgewerkschaft mit ihrem destruktiven Verhalten in den vergangenen Wochen ausgiebig gesorgt.
Wenn man Verbände befragt, ergeben sich aus der jeweiligen Sicht und Interessenlage sehr verschiedene, dafür um so mehr Kritikpunkte, da die Reform nicht sofort den völligen Wettbewerb in allen Bereichen zuläßt, sondern nur die Möglichkeit für zukünftige Veränderungen eröffnet, und leider nicht gleich alle Monopole abgeschafft werden.Kritiker rügen auf der einen Seite die Vorteile der verbleibenden Monopole, auf der anderen Seite die den Unternehmen gerade deswegen auferlegten zusätzlichen Finanzlasten. Wenn man sich dann noch vor Augen hält, daß die Pensionsverpflichtungen der Postunternehmen hochgerechnet rund 100 Milliarden DM betragen und in der gleichen Größenordnung Schulden aufgelaufen sind und im Zusammenhang mit dem Aufbau in den neuen Bundesländern weitere auflaufen werden, so wird sich der eine oder andere die Frage stellen, ob es nicht besser gewesen wäre, die ganze Sache „Postreform" doch lieber sein zu lassen.Riesige Schwierigkeiten mit der Antwort darauf hat aber offensichtlich auch die SPD. Dort wollen die einen wirtschaftspolitischen Weitblick beweisen. Sie werden kalt von ihrem Parteivorsitzenden Scharping erwischt, der seine Zustimmung von der Erfüllung der Forderungen einer Gewerkschaft abhängig machen wollte, deren erklärtes Ziel von Anfang an war, diese Reform zu verhindern. Dagegen stehen die Kollegen Bernrath, Börnsen und Struck, die ja gesagt haben und
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Elmar Müller
zustimmen wollten, bereits vor einigen Tagen, vor der entscheidenden Sitzung der SPD. Ein anderer Teil der SPD, jene aus dem Tal der wirtschaftspolitisch Ahnungslosen, möchte nein sagen. Schließlich ist der Kollege Paterna zu nennen. Er versucht, seinen Genossen zu erklären, daß die Reform eigentlich ein Teufelswerk sei, aber gleichwohl in der jetzigen Situation einen absolut notwendigen und den einzigen gangbaren Weg darstelle. Ich sage dazu: Bravo.Eine solche Reform, in der es um die wirtschaftspolitische Zukunft der Bundesrepublik Deutschland geht, darf nicht von Zufallsmehrheiten abhängig sein. Deshalb bezeuge ich hier allen Respekt vor der Mehrheit der SPD-Fraktion, die sich gestern abend für die Zukunft der Postunternehmen entschieden hat. Letzte Zweifel, aus welcher politischen Vergangenheit die Verweigerer dieser Reform kommen, sollten für Sie bereits gestern vormittag ausgeräumt worden sein, als die SPD-Abgeordneten das schriftliche Angebot der PDS-Bundestagsfraktion erhielten, heute gemeinsam, SPD und PDS, diese Reform zu verhindern. Schließlich wurde das Angebot gemacht, das Thema nach der Wahl zusammen erneut zu verhandeln. Das Magdeburger Modell scheint die Sommermode des Jahres 1994 zu sein.
— Sie regen sich auf.Die Reform, meine Damen und Herren, darf nicht später kommen. Die Unternehmen haben sonst wirklich keine Chancen, sich auf diesen zukünftigen Markt einzustellen. Sie werden weiter Marktanteile einbüßen und dafür Arbeitsplätze in einer Größenordnung verlieren, die sicherlich nachweisbar um ein Vielfaches höher sein wird, als dies durch die bereits seit einem Jahr eingeleiteten Rationalisierungsmaßnahmen erforderlich sein wird.Die Gewerkschaften verschweigen das ganz bewußt den Beschäftigten und gaukeln ihnen, unterstützt durch Teile der Öffentlichkeit, allerdings auch der Opposition, vor, es könne so weitergehen wie bisher, mit ein paar Korrekturen kosmetischer Art hier und dort. In welchem Rahmen im übrigen Veränderungen mit den Gewerkschaften möglich wären, belegen eindrucksvoll die derzeitigen Tarifverhandlungen, in denen um jede noch so unbedeutende Regelung aus postbehördlicher Zeit gerungen wird.Bitte verwechseln Sie nicht Gewerkschaftsinteressen mit den wirklichen Interessen der Menschen, denen gegenüber wir hier alle Verantwortung tragen!
Lesen Sie in diesem Zusammenhang noch einmal den Brief des Vorsitzenden des Postausschusses, des geschätzten Kollegen Paterna! Lesen Sie vor allem die hier zur Abstimmung stehenden Gesetze, in denen ganz andere Dinge stehen, als die Gewerkschaften ständig erklären oder über die sie, besser gesagt, schweigen! Vor allem machen Sie sich unvoreingenommen die zukünftigen Realitäten eines Kommunikationsmarktes klar, der in den nächsten Jahren zu den größten Wachstumsmärkten in Deutschland und der ganzen Welt gehören wird! Und nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß sich die Rahmenbedingungen vor allem im Telekommunikationssektor mit einer bisher nicht gekannten Dynamik grundlegend verändert haben!Eine der größten Umbruchphasen in der Geschichte der Post begann 1989 mit der Postreform I. Völlig neue, der Wirtschaft angepaßte Führungsstrukturen mußten geschaffen werden, und bis heute sind die Umstrukturierungsmaßnahmen in wesentlichen Bereichen noch nicht abgeschlossen. Gleichwohl mußten wir erkennen, daß die bisherigen gesetzgeberischen Maßnahmen nicht ausreichen werden, um den Unternehmen der Deutschen Bundespost einen sicheren Platz in einem zukünftig von Wettbewerb gekennzeichneten deutschen und vor allem internationalen Markt bieten zu können.Der Vorwurf einer bürger- oder arbeitnehmerfeindlichen Privatisierungspolitik ebenso wie die Forderung nach einer Beibehaltung der Monopole bis hin zum Streikrecht für Beamte findet sich übrigens nicht erst in den heutigen Erklärungen der Gewerkschaft, sondern — wie an den genannten Beispielen deutlich nachweisbar ist bereits in den sogenannten Dortmunder Erklärungen der Deutschen Postgewerkschaft aus dem Jahre 1987. Wie wenig zukunftsorientiert die Deutsche Postgewerkschaft schon damals gewesen ist, zeigt ihre Warnung vor dem Verkauf von Telefonen durch private Anbieter, heute eine kundenfreundliche Selbstverständlichkeit, und es könnte sich keiner das anders vorstellen.Kaum einer dürfte heute behaupten, daß die Lizenzerteilung an private Anbieter für das D-2- und E-1-Netz Nachteile für die Bürger unseres Landes oder die Beschäftigten bei der Telekom gebracht habe. Diese Lizenzvergaben, die selbstverständlich mit klar formulierten Infrastrukturvorgaben verbunden sind, haben nicht nur zu einer Verbesserung der angebotenen Dienstleistungen im Telekommunikationsbereich geführt, sondern auch wesentlich dazu beigetragen, daß Deutschland im Telekommunikationsmarkt heute eine herausragende Rolle einnimmt.Die Deutsche Bundespost Telekom ist heute das drittgrößte Telekommunikationsunternehmen weltweit. Diese Position gilt es mindestens zu halten, aber sie kann es nur, wenn ihr die Fesseln des Grundgesetzes dafür gelöst werden.
Überall in der Welt sind zur Zeit InformationsSuperhighways und Multimedia die zentralen Stichworte. Nach der Initiative des amerikanischen Präsidenten Clinton wetteifern Länder in aller Welt, um es den Amerikanern nachzutun.
— Das weiß ich nicht; ich kenne die Familienverhältnisse nicht so sehr, aber ich halte es nicht für ausgeschlossen, Kollege Bernrath.
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Elmar Müller
Für über 500 Milliarden DM will Japan ein Glasfasernetz errichten. Täglich erreichen uns außerdem Nachrichten über gigantische Zusammenschlüsse in der Telekommunikationsbranche.Dadurch, daß die deutsche Telekom nicht nur Telekommunikationsnetze, sondern auch nahezu alle Kabelfernsehnetze betreibt, hat sie die besten Voraussetzungen für eine multimediale Infrastruktur, die sich andere erst erarbeiten müssen. Diese Ausgangsbasis darf doch nicht dadurch verhindert werden, daß die Postreform II von kalten Kriegern einer Staatswirtschaftsideologie gekippt werden soll.
Meine Damen und Herren, wer glaubt, es ginge in Zukunft ohne internationale Kooperationen, die z. B. auch den Austausch von Aktien erforderlich machen,
wer nicht erkennt, daß jährlich Milliardenbeträge in Netze anderer Länder investiert werden müssen, und wer immer noch glaubt, die Telekom könne sich auf einem faktisch schon längst unterlaufenen Monopol innerhalb Deutschlands ausruhen, der ist nicht in der Lage, eine verantwortungsvolle Wirtschaftspolitik zu machen, die das Dienstleistungsangebot für die Bevölkerung auch in Zukunft gewährleistet.
Herr Abgeordneter Müller, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Matthäus-Maier zu beantworten?
Ich habe überhaupt keine Probleme mit Zwischenfragen, aber ich habe vom Präsidenten vorhin gehört, daß wir heute insgesamt in Zeitnot sind,
und ich möchte deshalb darauf verzichten. Es würde mir, Frau Kollegin Matthäus-Maier, ein Vergnügen bereiten, aber ich bitte um Nachsicht.
Die Unternehmen, meine Damen und Herren, brauchen Zeit, um sich auf den zukünftigen Wettbewerb und auf die Anforderungen des Marktes einstellen zu können.
Sie brauchen diese Zeit jetzt und nicht erst, wenn die Märkte im Rahmen der Europäischen Union geöffnet werden, ganz gleich, ob dies 1998 geschehen soll oder erst im Jahre 2000.Wir sind verantwortlich für fast 700 000 Menschen bei den Postunternehmen und viele zehntausend Menschen, für Hunderttausende von Menschen, die direkt oder indirekt von der deutschen Telekommunikationswirtschaft abhängig sind. Hier Tagträumen nachzuhängen ist lebensgefährlich und würde Arbeitsplätze in Deutschland vernichten.Meine Damen und Herren, ich bin der festen Überzeugung, daß die Reform so, wie sie uns heute als Gesetzentwurf vorliegt, der richtige Weg ist, weil alle, die die Reform kritisieren, recht und zugleich unrecht haben. Sie haben recht in einzelnen Kritikpunkten, Sie haben aber alle miteinander auch unrecht, wenn sie glauben, daß es irgendeine Möglichkeit gibt, die Umwandlung einer der größten Behörden in unserem Lande in eine Aktiengesellschaft ohne diese Schwierigkeiten und Widersprüche durchzuführen.Wir machen die Post mit der Reform nicht schöner, wir machen sie überlebensfähig. Wir wollen nicht, daß zukünftig irgendein Unternehmen die Versorgung der Bevölkerung mit Telekommunikationsdienstleistungen und Postdienstleistungen übernimmt, sondern wir wünschen, daß dies deutsche Anbieter, insbesondere die Deutsche Telekom AG und die Deutsche Post AG, künftig als Marktführer sein werden.Die Reform schafft hierfür die notwendigen Voraussetzungen, und sie bietet zugleich der künftigen Postbank AG die Chance zum Überleben, weil sie jetzt alle Finanzdienstleistungen, also auch das Kreditgeschäft, anbieten darf.Wir wollen die Unternehmen von den Fesseln des öffentlichen Dienstrechts befreien. Wir schaffen dies mit der Reform ohne jeden Nachteil für die heute dort Beschäftigten.Wir wollen, daß der Infrastrukturauftrag für die Bevölkerung gesichert bleibt. Die Reform gewährleistet dies, ohne die deutschen Postunternehmen einseitig gegenüber den deutschen und ausländischen Anbietern zu benachteiligen.Wir wollen, daß sich die Postunternehmen, insbesondere die Telekom, künftig auch im hart umkämpften Auslandsgeschäft betätigen dürfen.Hierfür gilt es das Grundgesetz zu ändern sowie das Ihnen vorliegende Gesetzeswerk zu schaffen. Lassen Sie mich deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, einige ganz wesentliche Punkte des Reformkonzepts kurz herausgreifen.Hervorzuheben ist die volle im Grundgesetz verankerte Aufgabenprivatisierung. Damit wird über die Schaffung von Aktiengesellschaften hinaus eine deutliche Perspektive auch für andere zukünftige private Dienstleistungsanbieter, insbesondere im Telekommunikationsbereich, geboten.In einem der größten Wachstumsmärkte ist der Weg zu einer umfassenden Liberalisierung und Entbürokratisierung frei. Im Hinblick auf die zukünftige internationale Entwicklung gerade im Bereich der Telekommunikation werden verschiedene Gesetze befristet, so daß der nächste Deutsche Bundestag über eine weitere Öffnung des Marktes zu beschließen haben wird.Die Grundzüge für eine zukünftige Regulierung des Marktes sind Inhalt dieses Gesetzentwurfs. Aber auch hier ist der zukünftige Gesetzgeber gefordert, unter Berücksichtigung der sprunghaften Entwicklungen am Markt Modelle zu entwickeln, die nach dem Auslaufen der Monopole eine angepaßte Regulierung vorsehen.
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Elmar Müller
Der Infrastrukturauftrag bleibt dabei unverändert gesichert. Hierfür ist die Mehrheitsbeteiligung des Bundes an den Unternehmen nicht erforderlich, sondern eine Regulierung des Telekommunikationsmarktes und des Postwesens als hoheitliche Aufgabe.Der paritätisch mit Vertretern des Bundestages und des Bundesrates besetzte Regulierungsrat gewährt den Ländern — auch auf Grund der neuen Aufgabenstellung — ein qualifiziertes Mitspracherecht bei wesentlichen, die Infrastruktur betreffenden Entscheidungen.Die für die Erfüllung des Infrastrukturauftrages weiterhin wichtige Zusammenarbeit der zukünftigen Post AG und Postbank AG im Schalterbereich ist zwischen den Unternehmen vertraglich geregelt. Zusätzlich wurde in der Form eines Entschließungsantrages der Fraktionen der Verbund der Unternehmen als weiteres politisches Ziel vorgegeben.Daß das Reformwerk im Hinblick auf den notwendigen Konsens bei einer Grundgesetzänderung nicht frei von Kompromissen ist, zeigt sich am deutlichsten an der Bildung einer die Unternehmen verbindenden Holding, die sich im wesentlichen mit den sozialen Belangen der bei den Postunternehmen Beschäftigten befassen soll. Dabei konnte jedoch sichergestellt werden, daß diese Holding als Anstalt des öffentlichen Rechts unter keinen Umständen in das operative Geschäft der Postunternehmen eingreifen kann.
Die Belange der Beschäftigten sind, soweit dies per Gesetz möglich ist, umfassend gesichert. Die Umwandlung der Unternehmen wird sozialverträglich und ohne Nachteile für das Personal erfolgen. Der Bund übernimmt wesentliche Garantien. Der Bundeshaushalt wird hierdurch jedoch nicht belastet werden.Die im Gesetzentwurf im einzelnen enthaltenen Regelungen sind, wie Sie sehen, zum Teil komplizierter und umständlicher, als dies aus unserer Sicht häufig hätte sein müssen. Sie sind jedoch im Hinblick auf die Änderungen des Grundgesetzes und die hierfür notwendige Zustimmung der Opposition hinzunehmen.Mit der Postreform II werden die Weichen heute richtig gestellt, um die Zukunft der Unternehmen der Deutschen Bundespost und damit den Wirtschaftsstandort Deutschland zu sichern.Ich bitte alle, sich ihrer Verantwortung bewußt zu werden und die Arbeitsplätze in den Bereichen der Unternehmen und der Industrie durch Freigabe und Zustimmung zu diesem Gesetz zu sichern.Herzlichen Dank.
Ich erteile nunmehr das Wort dem Abgeordneten Hans Gottfried Bernrath.
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Wir haben in der Einbringungslesung ausdrücklich begründet, warum wir uns beteiligen. Wir sehen die Notwendigkeit dazu im Scheitern der Postreform I, in der inzwischen eingetretenen und zunehmenden Internationalisierung der Märkte, in dem faktisch schon vorhandenen Wettbewerb, der geordnet werden muß, in der Liberalisierung durch die EU — auch über GATT — und in den Anforderungen, die uns die Vereinigung Deutschlands gebracht hat, insbesondere aber auch darin, dem Personal Zukunftsperspektiven zu erhalten.
Ich möchte hier im Zusammenhang mit dem, was Herr Müller gesagt hat, ausdrücklich betonen, daß ich den billigen Nickel kleinlicher Unterschiede bei diesem großen Werk nicht in den Vordergrund rücken werde. Das überlasse ich Ihnen. Richtig ist, daß es ein gutes Werk ist, das zustande gekommen ist, und daß wir alle daran unseren Anteil haben. Ich möchte das ausdrücklich auch in Richtung der CDU/CSU und der F.D.P. sagen. Ohne unsere — auch harten — Auseinandersetzungen wäre es nicht zustande gekommen.Ich möchte ebenfalls betonen: So sperrig die Deutsche Postgewerkschaft gelegentlich war, so hilfreich waren aber auch ihre vielen, vielen Hinweise, die fachlich sehr wertvoll waren, insbesondere im personellen und sozialen Bereich. Wahrscheinlich wäre es ohne diese Hinweise noch sehr viel schwerer geworden, mit unserer Aufgabe fertig zu werden.
Für die Unternehmen haben wir damit eine Reihe von Zielen verfolgt. Der Telekom wird damit die Chance gegeben, sich national und international im Wettbewerb zu stärken und einer der sechs bis acht großen „global players" zu werden. Dafür ist vor allen Dingen eine Basis geschaffen worden, um die Eigenkapitalausstattung zu verbessern, die vor allem im internationalen Vergleich viel zu schmal war.Für die Post sichern wir auf diese Weise den Anschluß an die Entwicklung dynamischer europäischer und auch ganz anderer Märkte, auch im Wettbewerb mit organisationsrechtlich anders aufgebauten ausländischen Unternehmen.Für die Postbank schaffen wir die Voraussetzungen, als flächendeckende Vollbank Allianzen mit Anbietern, die parallele Interessenlagen haben, einzugehen, was wir über die Einzelregelungen auch mit dem Kapitalvorbehalt für vier Jahre sichern. Wir waren aber auch übereingekommen, daß dem Erwerb weiterer Aktienanteile durch die Postdienste, wenn die Postbank an die Börse geht, nichts entgegensteht. Im Gegenteil, wir würden das vor dem Hintergrund Ihrer Bereitschaft begrüßen, nun auf der Basis der neuen Vereinbarung enger zusammenzuarbeiten und damit vor allem das flächendeckende Angebot unter preisgünstigen Bedingungen — dabei geht es ja immer um die Kosten — zu erhalten oder auch wieder zu festigen.
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20808 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Hans Gottfried BernrathDie Ausgangslage, die vor etwa zwei Jahren zu erkennen war und die uns bewogen hat, mit Ihnen zusammen die Grundgesetzänderung vorzubereiten, ist in der Grundtendenz nach wie vor unverändert. Eher kann man davon ausgehen, daß sich eine Entwicklung zuungunsten der Postunternehmen durchgesetzt hat, diese Reform also dringend notwendig geworden ist.Das drückt sich aus in der Liberalisierung der Post-und Telekommunikationsmärkte vor allem in der Nachbarschaft und in den zu erwartenden internationalen Aktivitäten der Europäischen Union. Wir haben außerdem erkannt, daß besondere Kundensegmente, obwohl die Monopole nicht aufgehoben worden sind, schon in diese Märkte drücken und besondere Regelungen, besondere Lizenzierungen beanspruchen, um auch unter ihren Bedingungen kostengünstig Telekommunikation in Anspruch nehmen zu können.Der nationale Regulierer fördert diese Entwicklung bereits. Aber sie geht unkontrolliert vor sich. Wir dürfen uns nicht darüber hinwegtäuschen, daß diese Entwicklung auch Chancen mit sich bringt. Aber wir wollen sie nachregeln und vor sich gehen lassen. Wir wollen dabei vor allen Dingen auch schon jetzt die Interessen der Privat- und Geschäftskunden berücksichtigen.In bezug auf die Infrastruktur — das ist vorhin schon gesagt worden geht es um eine moderne und flächendeckende Versorgung mit Post-, Postbank-, und Telekommunikationsdienstleistungen. Dafür haben wir klare Rahmenbedingungen geschaffen. Wir werden auf diese Weise insbesondere die Rolle Deutschlands als Know-how-Standort in der Telekommunikation, den Posttechniken, den Postdiensten und den Postdienstleistungen stärken.Wichtig ist für uns aber auch, daß wir mit einer solchen Grundgesetzänderung die Voraussetzungen dafür schaffen, daß das Personal eine Zukunftsperspektive in modernen Betrieben unter — das war wesentlich für die Verhandlungen — Wahrung ihrer existentiellen Arbeitsbedingungen und ihrer Besitzstände im sozialen Bereich sowie in einer modernen Personalstruktur hat.Jeder weiß, daß die Unternehmen mit einer viel zu sehr auf einen Massenbetrieb eingestellten Personalstruktur arbeiten statt mit differenzierten Qualifikationen für die differenzierten Märkte, denen sie sich gegenübersehen.Wir wollen auf diese Weise auch sicherstellen, daß die Unternehmensleitungen personal- und sozialverantwortlich entscheiden müssen. Dazu dienen diese ausgedehnten besonderen Regelungen bezüglich des Personals in diesem Gesetz.Es ist unserer Verhandlungsdelegation zusammen mit den Bundesländern gelungen, in diesem Bereich weiterzukommen. Wir haben dies noch ergänzt, um auch Zeit für die Vorbereitungen solcher Entscheidungen zu gewinnen, die sich auf Märkte sowie auf Personal beziehen, indem wir ein Moratorium für die Lizenzierungen und Regulierungen in den kommenden Monaten und Jahren vereinbart haben, das sich in drei Stufen an das Wirksamwerden der Regulierungsinstanz anlehnt.Der Druck des Wettbewerbs ist im Fernmeldewesen, also in der Telekommunikation bereits so groß, daß heute sicher ist, daß ohne die von uns vorgesehene Eigenkapitalaufstockung über privates Kapital, das dann in die Unternehmen fließen wird, das Unternehmen Telekom mit Sicherheit den Weg der Bundesbahn in den vergangenen Jahrzehnten hätte gehen müssen.
Postwesen und Postbank stehen noch schlechter da, als wir uns das selbst klarmachen. Wenn die EU ab 1998 entscheidet, können wir von hier nicht mehr gegensteuern. Dann wirken die Entscheidungen der EU unmittelbar.Mit öffentlich-rechtlichem Status wäre ein Bestehen im Wettbewerb nicht möglich gewesen. Er hätte äußerstenfalls in der Anpassung an die Entwicklung zu einer dann überhaupt nicht mehr übersehbaren Anzahl von Töchtern, die gegründet worden wären, mit dem Zweck geführt, in diesen Teilbereichen wenigstens den Status eines privaten Unternehmers zu erlangen. Diese Entwicklung der kalten Privatisierung wollten wir auf jeden Fall vermeiden. Daher rührt unsere Beteiligung an diesem Projekt.Aus heutiger Sicht war es auch sachlich und politisch richtig, daß sich die SPD von Anfang an an der Vorbereitung der Grundgesetzänderung in Verbindung mit dem Ziel, die Mängel, die sich aus der Postreform I zeigten, zu beseitigen, beteiligt hat. Dies hat die Verhandlungen entscheidend geprägt. Beide Aufgaben wurden dabei im Auge behalten.Damit ist es gelungen, eine Vielzahl unserer Forderungen — insbesondere bei den einfachen Gesetzen — zugunsten einer verbesserten Ausgangslage für die Unternehmen beim Start unter der Rechtsform der Aktiengesellschaft einzubringen, wozu die Koalition sonst nicht bereit gewesen wäre. Sie wurde und mußte immer wieder an ihre Verantwortung für die Postreform I und die mißlichen Bedingungen, die sich daraus ergaben, erinnert werden.Es ist allerdings für jeden verständlich, daß Kompromisse notwendig waren, Kompromisse zwischen — ich sage das ausdrücklich SPD und DPG einerseits, Kompromisse aber auch zwischen der Regierungskoalition und uns sowie Kompromisse in Ihrer Koalition. Herr Funke und Herr Timm sind dafür Garanten gewesen. Oftmals war Herrn Bötsch die Zusammenarbeit mit uns viel angenehmer als mit Ihnen.
Entschuldigung, wenn ich unterbreche, aber ich habe den Wunsch nach der Beantwortung einer Zwischenfrage vorliegen.
Es kommt drauf an, wer das ist. — Bitte.
Herr Kollege Bernrath, Sie haben gerade beschrieben, was Ihnen auf dem Kompromißwege gelungen ist. Ich muß sagen, in
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Bernd Hennden zwei Jahrzehnten, in denen ich Mitglied Ihrer Partei war, war das Ziel, Mitbestimmung nach dem Montanmodell über Kohle und Stahl hinaus zu erreichen, ein allgemein gültiges Ziel in der SPD. Ich frage Sie: Warum ist es, gerade weil Sie eine Zweidrittelmehrheit brauchen, um die Postreform durchzubringen, im Rahmen der Kompromisse nicht auch möglich gewesen, dieses Modell der Mitbestimmung in den Kompromissen mit der Regierung unterzubringen?
Sie haben zwei Fehler gemacht, Herr Kollege. Einmal sind Sie zu früh aus der SPD ausgetreten.
Zum zweiten haben Sie das Gesetz gar nicht gelesen. Wir haben die 76er Mitbestimmung, angereichert um die sogenannte Krupp-Lösung, untergebracht. Damit haben wir ein vorzügliches Modell, mitbestimmte Unternehmen in die Zukunft zu führen. Treten Sie wieder ein, und wirken Sie an diesem Prozeß mit!
Aus heutiger Sicht jedenfalls stelle ich fest: Die reuigen Schäflein sind immer noch die angenehmsten gewesen. Das war immer so. — Hans Urbaniak will auch noch etwas fragen.
Herr Abgeordneter Urbaniak, ich sehe, Abgeordneter Bernrath ist bereit, Ihre Frage zu beantworten. Aber ich muß noch einmal daran appellieren, sich wirklich zu beschränken. Bitte sehr.
Das werde ich tun, Herr Präsident.
Trotz intensivster Verhandlungen, Herr Kollege Bernrath, ist es aber doch nicht gelungen, das Montanmodell unterzubringen. Wir hätten es sehr gewünscht.
Wie soll das denn gehen? Nach der nächsten Wahl werden wir das korrigieren. Mit absoluter Mehrheit werden wir es dann unterbringen.
Aus heutiger Sicht stelle ich ausdrücklich fest, daß es in bezug auf die Sicherstellung des Infrastrukturauftrags — das ist für die Länder und Kommunen ganz wichtig — neben der Sicherung der Monopole erstmalig gelungen ist, diese Aufgabe in der Verfassung zu verankern, für alle im Kommunikationssektor tätigen Unternehmen dann einheitlich auch in Lizenzen zu bringen und durch eine starke Regulierungsinstanz durchsetzen zu lassen, die an einen einheitlichen gesetzlichen Rahmen gebunden ist. Im Ergebnis gibt es also klare einheitliche Bedingungen für Anbieter auf dem deutschen Markt mit starken Prioritäten für die Unternehmen, die aus dem Sondervermögen des Bundes stammen.Der Streik der Postbediensteten — darüber müssen wir uns im klaren sein — ist gerade darauf zurückzuführen, daß wir notwendige Lösungen im Detail nicht rechtzeitig angegangen sind. Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, daß unternehmerisch- organisatorische Fragen der Aufgabenstellung und personelle Regelungen gleichgewichtig zu verhandeln und in das Gesetz einzubringen sind, nicht zuletzt weil wir uns völlig darüber im klaren waren, daß das eigentliche Risiko des ersten Schritts in die Privatisierung das Personal und ausschließlich das Personal trägt. Von daher war es unverständlich, daß wir dafür so lange gebraucht haben und erst nach mehreren Unterbrechungen der Verhandlungen ersthafte Bereitschaft bei Ihnen gefunden haben, die Personalfragen klar und deutlich unter Berücksichtigung der Erwartungen und den Rechten, die das Personal hat, zu sichern.Ich räume dabei ein, daß es sich im Detail natürlich um sehr schwierige und komplexe Materien handelt. Aber es war eine Aufgabe, die wir vorher kannten. Ich stehe auch nicht an, zu sagen, daß, gemessen an den Bedingungen, die uns gesetzt waren, das Ergebnis nicht nur tragfähig, sondern gut ist.Wir haben in großem Umfang personelle Regelungen über die gesetzlichen Regelungen, über die Tarifverträge gesichert, die hoffentlich jetzt unterzeichnet werden. Ich bin überzeugt, daß wir für die Beamten wie auch für das Tarifpersonal einen Rechtsrahmen bekommen haben, der nicht nur ihren Status sichert, nicht nur ihre Rechte sichert, der die Unternehmen auch mit diesem qualifizierten Personal befähigt, sich unter der neuen Rechtsform in die Zukunft hinein zu entwickeln.Dabei — ich will nur diesen einen Punkt anführen — spielte für uns der Wohnungsbau eine ganz besondere Rolle. Jeder weiß, warum: weil wir gerade in den großen Städten hohe Bestände an Personal mit unteren Einkommen haben, die überhaupt nicht in der Lage wären, Wohnungen ohne ein solches Angebot ihres Arbeitgebers überhaupt zu mieten.Die weitgehenden gesetzlichen Absicherungen sind durch Tarifverträge ergänzt — ich habe es angedeutet —, so daß auch von daher eigentlich kein Schaden auftreten kann. Wir haben darum gestern in der Fraktion ausdrücklich die Erwartung ausgesprochen, daß vor Beschlußfassung im Bundesrat in der kommenden Woche die Tarifverträge, über die zur Zeit noch verhandelt wird, abgeschlossen sein müssen.
Hier geht es um Eingruppierungen, Tarifverträge zur Unkündbarkeit, Mitbestimmung und Dinge im sozialen Bereich. Wir gehen auch davon aus, daß das nicht in Sandkastenspielen gemacht wird, sondern auch unter gegenseitigem Respekt und ohne taktische Verzögerungen, damit letztlich auch auf diese Weise die Tarifpartnerschaft der Unternehmen mit der Deutschen Postgewerkschaft, die der Töchter der Unternehmen mit der Deutschen Postgewerkschaft gesichert wird.Von daher, meine sehr verehrten Damen und Herren, bin ich persönlich mit dem Ergebnis zufrieden. Ich
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20810 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Hans Gottfried Bernrathkann es verantworten. Ich sage das auch ausdrücklich als Postler, der dort 30 Jahre aktiv zugebracht hat und heute noch sein Lebenszentrum bei den Unternehmen der Post sieht. Ich lebe ja auch davon.Aber es wäre nicht möglich, hier zu stehen und dafür einzutreten, wenn man das nicht gegenüber den vielen, vielen Kollegen, die man in diesen Bereichen hat, verantworten könnte, das aber auch in der nötigen Loyalität anderen demokratischen Kräften und auch den Gewerkschaften gegenüber tun könnte.Darum bedanke ich mich sehr herzlich bei allen, die mitgemacht haben.Herr Minister Bötsch, was die SZ schreibt, ist sehr ungerecht. Das möchte ich ausdrücklich sagen. Sie haben in aller Klarheit Ihre Positionen vertreten. Aber Sie haben eben auch gewußt, daß Sie mit einer Koalition und einer starken SPD verhandeln mußten und daß Sie später den Unternehmen eine Basis erhalten mußten, um mit der Deutschen Postgewerkschaft verhandeln zu können. Dafür sind wir Ihnen dankbar. Ich danke auch den Staatssekretären und ihren Mitarbeitern. Ich will ausdrücklich Herrn Kühn und Herrn Reinke erwähnen, weil ich die einmal beleidigt hatte. Es ist alles wieder gut.
Ich bedanke mich auch bei meinen Mitarbeitern Herrn Rötzel und Herrn Heller, die mir zur Verfügung gestellt worden sind, die ganz hervorragend mitgearbeitet haben. Dank ist wichtiger als Redezeit; ich will dir nämlich einige nehmen. Vielen Dank Ihnen.Ich bitte Sie, Herr Minister, die Zusammenarbeit mit uns mindestens bis zur Gründung der Aktiengesellschaft fortzusetzen, damit wir strittige Punkte klären. Ich bitte Sie auch dringend, mit einem Arbeitsstab dafür zu sorgen, daß das reibungslos vor sich geht. Das ist ein einmalig gigantisches Unternehmen. Das geht nicht ohne Reibungen ab. Wir wollen das gemeinsam machen. Ich gehe davon aus, daß Sie weiter bereit sind, unsere Bedingungen dabei zu akzeptieren und damit zu einem guten Ergebnis beizutragen.Danke.
Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Rainer Funke das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach fast zweijährigen Verhandlungen beschließen wir endlich die Postreform II. Mit der Entscheidung über die Privatisierung der Postunternehmen Telekom, Postdienst und Postbank stellen wir damit die Weichen für die notwendige Liberalisierung der bisher staatlichen Postunternehmen.Die SPD nahm an den Verhandlungen teil, um die Zweidrittelmehrheit für die notwendige Grundgesetzänderung sicherzustellen. Aber selbst wenn eine Grundgesetzänderung nicht notwendig gewesen wäre, halte ich die Beteiligung der wichtigsten Oppositionspartei an einem solch bedeutenden Reformwerk für notwendig; denn solche Umwandlungen benötigen auch einen gesellschaftlichen Konsens. Ich bin dankbar, daß sich die SPD diesem gesellschaftlichen Konsens nicht entzogen hat.Schließlich handelt es sich bei den drei Postunternehmen mit zusammengenommen 670 000 Mitarbeitern, mit Vermögenswerten von 150 bis 200 Milliarden DM sowie einer Dienstleistungspalette, die im modernen Kommunikationsbereich eine immer bedeutendere Rolle spielen wird, um das größte Dienstleistungsunternehmen Europas.Die Umwandlung der Postunternehmen in Aktiengesellschaften stellt formal die Organisationsprivatisierung dar. Die Telekom AG wird so schnell wie möglich private Aktionäre erhalten. Zu diesem Zweck wird die Telekom AG das Grundkapital erhöhen und die Aktien spätestens 1996 an der Börse anbieten.Dieser Vorgang wird sich in den nachfolgenden Jahren ständig wiederholen. Dadurch wird der Anteil des Bundes schnell sinken. Wegen des besonderen Finanzbedarfs der Telekom, aber auch im Interesse der technologischen Entwicklung und der finanziellen Kooperation haben wir gemeinsam darauf verzichtet, dem Bund für einen bestimmten Zeitraum eine Mehrheitsbeteiligung zu sichern.Das Wichtigste ist jedoch, daß die Telekom über die Börse mehr Eigenkapital erhält, als sie jemals vom Bund erhalten könnte. Die Telekom AG wird auch durch ihre Kooperationspartner — und ich bin sicher, daß sie Kooperationspartner finden wird — institutionelle Anleger als Aktionäre zusätzlich aufnehmen können und damit ein interessanter Partner am weltweiten Telekommunikationsmarkt sein.Das Unternehmen ist frei, sich ausschließlich nach unternehmerischen Gesichtspunkten auszurichten und zu entscheiden. Mit dieser neuen Kapitalkraft können Investionen und Innovationen umgesetzt werden, denn kein Markt der Welt wächst so schnell wie der Telekommunikationsmarkt, aber auch kein Markt wandelt sich so schnell wie dieser.Deswegen brauchen wir ein flexibles, finanzstarkes Unternehmen, das wettbewerbsfähig ist. Dies ist im Interesse der Arbeitnehmer. Dies ist auch im Interesse der deutschen Wirtschaft; denn Telekommunikation verursacht Kosten, und preiswerte Telekommunikationsleistungen tragen zur Wettbewerbsfähigkeit der gesamten deutschen Wirtschaft bei.
Wir sind uns bewußt, daß der schnelle Weg an die Börse für die Postdienst AG nicht möglich sein wird, solange dieses Unternehmen noch mit Verlust arbeitet. Aber mit der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft ist der Weg an die Börse vorprogrammiert. Wir rechnen damit für das Jahr 1998. Bis dahin wird die Postdienst AG durch Rationalisierung und durch verbesserte Dienstleistungen in der Lage sein, Gewinne zu erwirtschaften.
Mit der dann verbesserten Eigenkapitalausstattungwird auch dieses Unternehmen immer mehr zu einem
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Rainer Funkemodernen Dienstleistungszentrum unserer Wirtschaft werden.Diese Organisationsprivatisierung erfolgt nicht zum Selbstzweck oder - um den Kollegen Bernrath zu zitieren — „aus ideologischen Gründen". Diese Organisationsprivatisierung wird, wenn auch nicht immer ganz parallel, mit einer Aufgabenprivatisierung einhergehen.Monopole der bisherigen Deutschen Bundespost werden abgeschafft. Nicht umsonst steht in Art. 87 f des Grundgesetzes, daß die Unternehmen ihre Dienstleistungen als private Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen der Deutschen Bundespost hervorgegangenen Unternehmen durch Wettbewerber anbieten.
— Herr Kollege Paterna, als private. So soll es im Grundgesetz stehen; so habe ich es zitiert.
Der europäische Markt erzwingt geradezu die Aufgabenprivatisierung. Wir sollten nicht die letzten sein, die auf diesen fahrenden Zug aufspringen. Vielmehr müssen wir im europäischen Markt Vorreiter für mehr Wettbewerb sein. Ich habe es eigentlich nie verstanden, daß der eine oder andere aus diesem Hause der Auffassung gewesen ist, wir sollten erst als letzte auf den europäischen Zug des Wettbewerbs springen. Ich glaube, daß gerade wir Deutschen allen Anlaß haben, den Wettbewerbsgedanken hier in den Vordergrund zu stellen.Deswegen stehe ich einigermaßen verständnislos vor der Tatsache, daß die Postgewerkschaft seit Wochen streikt und die Postunternehmen gefährdet.
Denn dies schadet den Postunternehmen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Die Postgewerkschaft läßt gegen die Interessen der Unternehmen streiken. Dies ist ein politisch motivierter Streik
und hat mit den berechtigten Interessen der Arbeitnehmerschaft überhaupt nichts zu tun.
Die Verhandlungskommission hat die berechtigten Interessen der Arbeitnehmerschaft gemeinsam vertreten, insbesondere bei der Sicherstellung der Pensionsansprüche der Beamten und Angestellten sowie der bisher gewährten Sozialleistungen. Dies sind keine Selbstverständlichkeiten gewesen, insbesondere wenn man bedenkt, daß die Pensionsverpflichtungen der Unternehmen allein 100 Milliarden DM betragen und die tarifvertraglich zugesagten zusätzlichen Sozialleistungen einen hohen zweistelligen Milliardenbetrag ausmachen.Die Postbank AG wird als erstes Unternehmen die Möglichkeit erhalten, Kooperationspartner aufzunehmen und in neue unternehmenspolitische Dimensionen vorzustoßen.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Bernrath?
Natürlich, ja. Wir hatten ja zwei Jahre lang genug Gelegenheit zu diskutieren.
Herr Staatssekretär Funke, wollen Sie ernsthaft von einem politischen Streik sprechen, wenn im Rahmen einer politisch zu entscheidenden Privatisierung eine Unzahl von Tarifverträgen zu ändern und zu ergänzen sowie Inhalte zu sichern sind, damit das Personal — ich wiederhole: das nach übereinstimmender Auffassung das Risiko des ersten Schrittes trägt —mit in die Privatisierung gehen kann, ohne Rechte und ohne Existenzerwartungen zu verlieren? Ich frage Sie das ausdrücklich auch unter dem Gesichtspunkt: Viele der Bedingungen, die wir eingebracht haben, wurden von Ihnen mit Hinweis auf die Interessen der Anleger, also der Aktionäre, abgeschmettert. Sehen Sie das Recht der Aktionäre vorrangig vor dem der Mitarbeiter? Das ist doch völlig ausgeschlossen.
Wir haben es mit einem Streik um Inhalte von Tarifverträgen und mit einer großen Unbeweglichkeit der Arbeitgeber in den Verhandlungen über diese Tarifverträge zu tun. Würden wir dem nachgeben, würden wir uns am Abbau sozialer Rechte beteiligen. Von daher bitte ich Sie, das Wort vom politischen Streik zurückzunehmen. Sie können natürlich sagen, Ihnen gefällt das nicht, aber es ist kein politischer Streik.
Herr Kollege Bernrath, ich habe nicht von politischem Streik gesprochen, sondern von politisch motiviertem Streik. Das hat der Vorsitzende der Postgewerkschaft, Herr van Haaren, ausdrücklich bestätigt.
Er hat gesagt, er wolle, daß bis zum Abschluß dieser Verhandlungen in der gemeinsamen Verhandlungskommission die Verhandlungspartner unter Druck gesetzt werden, damit die Interessen der Postgewerkschaft hinreichend berücksichtigt würden.
Hier geht es aber nicht um die Interessen der Postgewerkschaft. Hier geht es um die Interessen der Unternehmen und der Arbeitnehmerschaft.
Deswegen haben wir uns für die Interessen der Arbeitnehmerschaft eingesetzt, indem wir gemeinsam mit Ihnen, Herr Bernrath, dafür gesorgt haben, daß die sozialen Errungenschaften, die die Gewerkschaften gemeinsam mit den Unternehmen vereinbart haben, sogar gesetzlich abgesichert werden und daß die Unternehmen in Zukunft neue Tarifverträge abzuschließen und dann gemeinsam mit den Unternehmen neue Regelungen zu finden haben.
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20812 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Rainer FunkeWas jetzt von der Postgewerkschaft gemacht wird, ist, insbesondere Ihre Partei unter Druck zu setzen,
um die Postreform II in letzter Minute zu verhindern. Herr van Haaren hat gestern in Ihrer Fraktion
ein wunderbares Beispiel von Pression gebracht. Ich möchte einmal wissen, was passiert wäre und wie der Aufschrei gewesen wäre, wenn wir die gesammelte Unternehmerschaft in unserer Fraktion gehabt hätten.
— Frau Matthäus-Maier, Sie wissen, wie das bei uns in der Fraktion abläuft. Sie brauchen vor dem Plenum nicht auch noch zu lügen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend zu dem dritten Unternehmen, der Postbank, kommen. Ich hatte ausgeführt, daß die Postbank jetzt die Chance hat, Vollbank zu sein. Demgemäß kann sie flächendeckend Bankleistungen anbieten und wird damit interessant für Kooperationspartner. Das kommt insbesondere den Kunden der Deutschen Postbank AG entgegen.Die Postreform kann ein Meilenstein für die Unternehmen sein, wenn die Chancen, die in diesem Gesetzeswerk enthalten sind, ergriffen werden. Hierzu bedarf es eines tüchtigen, flexiblen und am Markt erprobten Managements. Bereits mit der Postreform I — ich sehe hier Herrn Dr. SchwarzSchilling —
sind Grundlagen hierfür geschaffen worden. Es gilt, diese Chancen verstärkt zu nutzen. Wir geben ein großes volkswirtschaftliches Kapital in die Hände der privatisierten Unternehmen und deren Managements, weil wir überzeugt sind, daß nur privatwirtschaftliche Lösungen die Unternehmen nach vorne bringen.Ich danke meinen Gesprächspartnern Herrn Bernrath und Herrn Müller. Ich danke dem Minister und seiner gesamten Mannschaft für die Kooperation. Ich glaube, wir sind zu einem guten Ergebnis gekommen.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gregor Gysi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Bernrath, Sie haben sich bei allen Fraktionen und bei allen Mini-stern bedankt. Man ist schon ganz froh, daß man nicht einbezogen ist.
Insofern haben wir auch keine Chance. Das gleiche geschieht jetzt von der F.D.P. Hier ist also die ganz, ganz große Koalition entstanden und wird gebraucht. Ich sage Ihnen nur eines: Sie tun so, als ob es ein uraltes Denken ist, wenn man sich gegen die Postreform II stellt, als ob man altes staatssozialistisches Denken etc. einbringt.Das, was bisher geltendes Recht ist, steht nun einmal im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.
Das ist nicht von uns verabschiedet worden, sondern von Ihren Parteien. Sie haben offensichtlich vierzig Jahre lang ganz gut mit diesem furchtbaren staatssozialistischen Gedanken in Ihrem Grundgesetz gelebt, ohne daran zugrunde gegangen zu sein.
Zum zweiten ist auch deutlich, daß wir nach wie vor dieses Grundgesetz verteidigen, während Sie es zum x-ten Mal in dieser Legislaturperiode aushebeln wollen. Auch das ist eine Tatsache.Gesellschaftspolitisch geht es um folgende Frage. Die Wirtschaft, vor allen Dingen die großen Banken und die großen Konzerne, hat einen gewaltigen Einfluß in unserer Gesellschaft. Das kann niemand leugnen. Sie ist aber auf den Staat angewiesen, und zwar nicht nur deshalb, weil der Staat die Rechtshoheit hat — die selbstverständlich wichtig ist —, sondern auch deshalb, weil der Staat auch Eigentum hat. Die Banken und Konzerne sind sozusagen auf den Staat angewiesen. Wozu ist das wichtig? Das ist wichtig, weil der Staat eine regulierende Funktion hat. Wenn Sie selbst von „Sozialer Marktwirtschaft" sprechen, wissen Sie, daß eine Marktwirtschaft nicht von alleine sozial wird. Dazu muß man regulierend eingreifen. Wenn Sie mehr soziale Gerechtigkeit wollen, brauchen Sie als Staat den entsprechenden Einfluß, das auch durchzusetzen.
Das Interessante ist, daß Sie sich durch Privatisierung der wenigen staatlichen Unternehmen Schritt für Schritt den wirtschaftlichen Hintergrund dafür nehmen, solchen Einfluß auszuüben. Eine Rechtshoheit, hinter der keine wirtschaftliche Macht mehr steht, wird ausgehöhlt. Das wissen Sie. Das gilt für die Steuergesetzgebung und für viele andere Bereiche. Bisher war es noch so, daß der Verkehr, die Kommunikation — dazu gehört eben auch die Post —, die Autobahnen sozusagen im Bereich des Staates waren und deshalb die Wirtschaft ebenso auf den Staat angewiesen war wie der Staat auf die Wirtschaft. Jetzt privatisieren Sie das alles Schritt für Schritt, bis Sie Ihre eigene Rechtshoheit völlig ausgehöhlt haben und praktisch überhaupt keinen Einfluß mehr in die Rich-
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20813
Dr. Gregor Gysitung nehmen können, von der Sie immer vorgeben, daß Sie sie gehen wollen.
Zweitens geht es doch darum, daß die Privatisierung dieser Postunternehmen viele Gefährdungen enthält, auch z. B. für Postdienstleistungen. Zwar soll im Grundgesetz festgeschrieben werden, daß eine flächendeckende Versorgung zu erreichen ist; aber welche Instrumentarien haben Sie denn dann noch? Wenn nach fünf Jahren die Kapitalmehrheit aufgegeben wird — das steht auch im Grundgesetz —, werden diese Möglichkeiten doch immer stärker eingeengt. Je größer der private Wettbewerb wird, desto mehr muß man sich dann auch den Konsequenzen stellen. Ich sage es noch einmal: Dann rechnet sich eben ein Telefonanschluß in einem Dorf für eine Bewohnerin, die nur gelegentlich einmal ihren Arzt anrufen will, aber im ganzen vielleicht nur zehn- oder zwanzigmal im Jahr telefoniert, nicht. Wer soll denn die Leitung legen? Wer soll denn das finanzieren? Das ist marktwirtschaftlich nicht zu regulieren.Es gibt noch ein Beispiel. Ich will Sie einmal ausdrücklich loben, was die Entwicklung der Telekommunikation in den neuen Bundesländern betrifft.
— Das bekommt Ihnen nicht, und das soll Ihnen auch gar nicht bekommen. — Ich muß wirklich sagen: Da ist Gewaltiges investiert worden. Die Telekommunikation in den neuen Bundesländern hat sich beachtlich entwickelt. Das ist völlig unstrittig. Aber Sie werden mir zugeben müssen, daß das durch ein privates Unternehmen niemals geleistet worden wäre.
Das ging nur, weil es ein bundeseigenes Unternehmen war. Das wissen Sie auch.
Im übrigen haben die Entscheidungen, die Sie vorbereiten, verheerende beschäftigungspolitische Folgen. Nehmen Sie doch das Beispiel von British Telecom. Im Verlaufe der Privatisierung ist ein Drittel der Beschäftigten entlassen worden. Nichts anderes wird hier passieren.
Was die SPD betrifft, so rückte sie im Laufe der Verhandlungen über die Postreform Il nach und nach von ihren eigenen Forderungen ab und nahm dabei letztlich bewußt einen Konflikt mit ihren Kolleginnen und Kollegen der Postgewerkschaft in Kauf. Es ist schade, diese Gewerkschaft hat in Bonn nur eine schwache Lobby. Wer — frage ich noch einmal — zwingt denn die SPD, unbedingt vor den Wahlen einem solchen Kompromiß zuzustimmen?
Warum warten Sie nicht bis nach dem 16. Oktober? Siewissen doch, daß mit den Grundgesetzänderungenalles festgezogen ist. Dann fehlt Ihnen doch wieder die Zweidrittelmehrheit, um entsprechende Veränderungen vorzunehmen, wenn Sie als Wahlsiegerin aus der Wahl hervorgehen sollten.Abgefedert sind die ärgsten Punkte einer totalen Privatisierung; aber die Konsequenzen sind nicht benannt, die heute und morgen, aber spätestens in fünf Jahren drohen. Erstens geht es darum, ob die Umwandlung der drei Postunternehmen in eine private Rechtsform mit oder ohne verfassungsrechtlich gesicherte dauerhafte Kapitalmehrheit des Bundes erfolgen soll. Der jetzige Kompromiß sieht keine verfassungsrechtliche Bindungsfrist bei der Telekom vor, und für die gelbe Post ist eine Fünfjahresfrist festgeschrieben, die einem einfachen gesetzlichen Vorbehalt mit Zustimmung des Bundesrates unterliegt. Die Postbank wird in der Verfassungsänderung gar nicht mehr erwähnt. Die Kapitalmehrheiten des Bundes werden bei Telekom, Postdienst und Postbank aufgegeben. Wer jedoch erst die Kapitalmehrheit aufgibt, begibt sich in Abhängigkeiten und Sachzwänge der privaten Postdienste. Wir werden in vier oder fünf Jahren erleben, was die gesetzlichen Vorbehalte durch den Bundesrat noch Wert sein werden.
Zweitens geht es darum, ob die Postunternehmen ihre öffentlichen Aufgaben behalten oder ob ihre Aufgaben als private Dienstleistungen angeboten werden sollen. Zwar wird im Entwurf des Art. 87f des Grundgesetzes gesagt, daß die hoheitlichen Auf gaben der Post und der Telekom in bundeseigener Verwaltung — das ist auch interessant — vorgenommen werden, aber die Ausstattung dieser staatlichen Holding mit realen Steuerungs- und Koordinierungskompetenzen ist ungenügend.Bezüglich der gegenwärtigen Verhandlungen zwischen der Deutschen Postgewerkschaft und den Postarbeitgebern ist zu begrüßen, daß die Tarif- und Manteltarifverträge sowie die Versorgung der Beamtinnen und Beamten weitergelten. Aber nach wie vor weigern sich die Unternehmen, einen unbegrenzt geltenden Sozialtarifvertrag, der die gegenwärtigen Vereinbarungen festschreibt, zu unterzeichnen. Die bisherige Zusage der Arbeitgeberseite, der Tarifvertrag solle unter den Vorbehalt späterer Vereinbarungen mit den drei Aktiengesellschaften gestellt werden, ist abzulehnen; denn hier zeigt sich, daß sich die Unternehmerseite möglichst schnell den sozialen Vereinbarungen von der ärztlichen Versorgung über die Wohnungen bis hin zu Ferienreisen entziehen will. Für sie sind das Kosten, die nicht in ihre neue private Landschaft passen.Drittens sind Postdienst und Postbank nur unzureichend institutionell miteinander verbunden. Die beiden Unternehmen wollen ihre Ehe vertraglich bis zum Jahre 2000 fortsetzen. Gleichwohl ist die 12,5prozentige Kapitalbeteiligung des Postdienstes an der Postbank gestrichen, was letztlich auch nicht durch die Zuweisung des Bundes in Form einer Sperrminorität kompensiert wird. Eine bloße Absichtserklärung reicht mit Sicherheit nicht aus.
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20814 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Dr. Gregor GysiViertens nehmen die Personalräte die Aufgaben der Betriebsräte in einer Übergangsperiode wahr, bis in den Einzelbetrieben neue Betriebsräte auf Basis des Betriebsverfassungsgesetzes gewählt sein werden. Wer jedoch A sagt und die Postunternehmen privatisieren will, der müßte auch B sagen und alle Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes einschließlich der überbetrieblichen Mitbestimmung gelten lassen. Auch Beamtinnen und Beamten stünde dann die Tarifautonomie in vollem Umfang zu.
Herr Kollege Gysi, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Paterna?
Ja.
Herr Kollege Gysi, können Sie bitte mir und dem Hohen Hause erklären, warum die PDS/Linke Liste bei den Ausschußberatungen weder A noch B, sondern gar nichts gesagt hat? Sie waren nämlich nicht eine einzige Minute bei den Einzelberatungen anwesend und sind erst zur Schlußabstimmung dort aufgetaucht. — Können Sie mal begründen, wie dieses mit der hier so herausgestellten volkswirtschaftlichen Bedeutung dieses Reformwerks übereinstimmt?
Ja, das kann ich Ihnen erklären. — Sie sollten nicht schon bei der Frage klatschen, sondern Sie sollten immer erst auf die Antwort warten.
Erstens haben Sie ein interfraktionelles Gremium gebildet, an dem Sie uns nicht beteiligt haben, in dem Sie mit der CDU/CSU, der Bundesregierung und der F.D.P. alles Entscheidende beraten haben, so daß die Ausschußsitzungen letztlich Makulatur waren, weil das Entscheidende in dem interfraktionellen Gremium beraten wurde. Zweitens waren wir bei den Anhörungen beteiligt und haben dort auch mit entsprechenden Fragen aufgewartet. Drittens ist es so, daß unser Mitglied im Postausschuß zugleich Mitglied im Wohnungsausschuß, im Bauausschuß und in anderen Ausschüssen ist. Wir sind leider nur 16 Mitglieder.
Ich verspreche Ihnen: Nach dem 16. Oktober wird das anders aussehen. Dann werden wir auch an allen Ausschußsitzungen teilnehmen.
Etwas anderes, was Sie eigentlich erreichen wollten, nämlich die paritätische Mitbestimmung, haben Sie auch nicht erreicht. Ich finde es nicht gut, daß Sie, Herr Bernrath, in diesem Zusammenhang hier gesagt haben, Sie hätten sogar mehr erreicht.
Was Sie erreicht haben, ist eine Mitbestimmung nach 76er Modell, d. h. a) auf der Arbeitnehmerseite mit einem leitenden Angestellten, aber b) mit der Regelung, daß bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden doppelt zählt, wobei der Vorsitzende immer von der Kapitalgeberseite gestellt wird. Das ist
natürlich genau nicht die paritätische Mitbestimmung nach dem Montanmodell.
Wenigstens darauf hätte die SPD zwingend bestehen müssen. Ich sage Ihnen: Die Regierungskoalition hätte die Postreform II an einer solchen Bedingung nicht scheitern lassen, wenn Sie darauf bestanden hätten.
— Ach, wissen Sie: Lassen Sie es doch bleiben! Es zieht doch nicht mehr. Sie versuchen das seit vier Jahren mit der billigen Variante. Sie müssen endlich einmal lernen, sich mit uns politisch auseinanderzusetzen. Das andere wird Ihnen nichts bringen. Und sie als Partei der Besserverdienenden haben eben nicht berücksichtigt, daß es in Sachsen-Anhalt nur 3,6 % Besserverdienende gibt.
Mehr ist in einem solchen Fall dann auch nicht zu holen.
Der harte Privatisierungsangang, wie ihn die F.D.P. favorisiert hatte, konnte zugunsten einer „Privatisierung light" — so sage ich einmal — vor den schlimmsten Sünden bewahrt werden -- das ist wahr —; aber das rechtfertigt noch nicht unsere Zustimmung.
Die Gefahr sowohl für die 670 000 Beschäftigten als auch für eine quantitativ wie qualitativ für alle Bürgerinnen und Bürger notwendige Grundversorgung mit Dienstleistungen der Post und der Telekom ist auf die Zukunft vertagt worden. Hier sind Weichen grundlegend falsch gestellt.
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Wir lehnen die Postreform —ich bin sofort am Ende, Herr Präsident — daher entschieden ab, weil die soziale Ausgestaltung nicht ausreichend., der öffentliche Auftrag der Postdienste verwässert und die Beschäftigungsinteressen, insbesondere die Sozial- und Mitbestimmungsinteressen, nicht oder nicht auf Dauer gesichert sind.
Ich erteile gleich das Wort dem Kollegen Peter Glotz zu einer Kurzintervention. Aber erlauben Sie mir die Bemerkung, daß ich im Hinblick darauf, daß wir in großer zeitlicher Verzögerung sind und noch eine gigantische Tagesordnung vor uns haben, deren Abwicklung über Mitternacht hinausreichen wird, bei weiteren Worterteilungen zu Kurzinterventionen sehr engherzig sein werde.
Bitte, Herr Kollege Glotz.
Herr Kollege Gysi, ich halte es in der Tat für albern, Ihnen Staatssozialismus vorzuwerfen, weil Sie die Privatisierung ablehnen. Ich halte es aber auch für albern, wenn Sie umgekehrt sozusa-
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Dr. Peter Glotzgen besondere Treue zum Grundgesetz reklamieren,
wenn wir eine Änderung vornehmen müssen. Es kann technische Revolutionen geben, die verlangen, daß man einen Artikel im Grundgesetz verändert, ohne daß das Untreue zum Grundgesetz bedeutet.
Zweitens. 1998 verschwindet das Monopol, das Sprachmonopol, das Telefonmonopol. Es gibt dann eine ganz neue Konkurrenzsituation, in der dieses Unternehmen lebensfähig und weltweit konkurrenzfähig sein muß. Sie spielen hier den Propheten, wenn Sie sagen, das könnte Arbeitsplätze bei der Telekom kosten. Wenn wir es aber nicht machen, wird es noch mehr Arbeitsplätze bei Siemens, bei Philips und bei anderen kosten.
Da haben wir eine Verantwortung. Diese Verantwortung haben wir wahrgenommen,Meine dritte und letzte Bemerkung. Mein Eindruck ist: Sie werfen mit der Wurst nach der Speckseite. Früher hätte man gesagt: Das ist eine Ranschmeiße. Sie versuchen, Ihr Verhältnis, das Verhältnis Ihrer Partei zu den Gewerkschaften zu reparieren. Das kann ich ja verstehen. Es ist auch legitim, daß Sie die Interessen einer Einzelgewerkschaft besonders vertreten. Aber ich muß Ihnen sagen: Die Argumente, die Sie dafür benutzt haben, sind dünn, dünner, am dünnsten.
Zur Replik Herr Gysi.
Ich will dazu nur soviel sagen: Es geht doch nicht, wie Sie das formulieren, um eine Ranschmeiße an eine Einzelgewerkschaft. Sehen Sie auch die vielen Betroffenen, die auf Dienstleistungen angewiesen sind! Wir werden uns in ein paar Jahren wieder sprechen, nämlich dazu, was sie dann für Postdienstleistungen, welcher Art auch immer, zu bezahlen haben, wenn eben die staatliche Verantwortung für diesen Bereich Schritt für Schritt abgebaut wird. Wir werden uns dann auch darüber unterhalten, welchen Einfluß der Staat im Verhältnis zu solchen Konzernen, die Sie genannt haben, überhaupt noch geltend machen kann,
wenn er solche Möglichkeiten wie das Monopol bei der Telekommunikation und in anderen Bereichen nicht mehr besitzt.
Man hätte auch ein bundeseigenes Unternehmen so gestalten können, daß es im Wettbewerb durchaus reale Chancen hat, wenn man das je wirklich ernsthaft
durchdacht hätte und den Versuch unternommen hätte.
Natürlich weiß ich, daß man das Grundgesetz ändern darf. Wir selber schlagen ja auch Änderungen des Grundgesetzes vor. Ich finde es eben nur illegitim, uns, weil wir an der bisherigen Regelung hängen, sozusagen ein falsches Verhältnis zu dieser Gesellschaft oder zu diesem Grundgesetz vorzuwerfen. Das halte ich nicht für zulässig. Das wollte ich damit zum Ausdruck bringen.
Ich glaube, daß die Sorgen der Postgewerkschaft über ihre Mitglieder hinausgehen und auch die Frage der diesbezüglichen Dienstleistungen betreffen. Das sollten wir nicht unterschätzen. Ich habe Ihnen ein Beispiel dafür genannt. Wir werden in ein paar Jahren sehen, wie sich das gestaltet. Wir wissen aus Großbritannien, daß z. B. die sogenannten einfachen kleineren Kunden durch höhere Gebühren praktisch die Rabatte mitbezahlen, die die großen Abnehmer der privaten Telekommunikationsbetriebe als Einsparung geschenkt bekommen. Das ist die Realität.
Herr Kollege Dr. Bernd Protzner, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gysi, Sie müssen schon noch viel lernen, um etwas von Unternehmen zu verstehen. Es gibt den Grundsatz für Unternehmen: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. — Daß sich die Staatswirtschaft überholt hat, das konnte man ja gerade dort sehen, wo Ihre Partei, die SED, Verantwortung getragen hat.
Dort ist die Wirtschaft zusammengebrochen.
Wenn ich mir die Post- und Telekommunikationsversorgung noch einmal vor Augen führe. wie sie dort war — 20 Jahre Warten auf ein Telefon; beim Brief mußte man warten, his er von der Stasi gelesen war; er war zwar billiger als bei uns, aber dafür gelesen —, dann frage ich mich, wo die Vorteile waren.
Was Sie auch den Mitarbeitern zugemutet haben, Herr Gysi! Es waren Mitarbeiter der Post, die Briefe aufschlitzen mußten, die Inhalte entnehmen mußten, die Geld und anderes mehr entnehmen mußten. Etwas Arbeitsplatzfeindlicheres in einem staatlichen Unternehmen habe ich noch nie erlebt.Staatsbetriebe gehören der Vergangenheit an. Kombinate sind mittlerweile als Irrtum in die Unternehmensgeschichte eingegangen.
Meine Damen und Herren, spät, aber nicht zu spät, stehen wir in dieser Legislaturperiode beieinander in der letzten Sitzungswoche vor den Wahlkampfwochen, um die Postreform zu verabschieden. Wir haben einen Kompromiß erzielt, lieber Kollege Bernrath, einen Kompromiß, zu dem wir stehen, einen Kompromiß, zu dem es bei uns in der Bundesrepublik eine
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20816 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Dr. Bernd Protznerganze Reihe amtlicher Bedenkenträger gibt, die ihn nicht gut heißen, und auch notorische Besserwisser.Wir haben in diesem Gesetz mit Sicherheit nicht die reine Lehre verwirklicht; aber Gesetze sind auch nicht dazu da, die reine Lehre zu verwirklichen. Das überlassen wir gern den Universitäten und den wissenschaftlichen Gremien, die die reine Lehre pflegen können. Uns geht es darum, praktische Politik für die Bürger, für das Land, für den Standort Deutschland zu machen. Das ist uns auch in diesem Kompromiß gelungen.Lassen Sie mich auch angesichts der negativen Kritik in der Öffentlichkeit drei positive Seiten hervorheben.Wir haben erstens den drei Unternehmen Postbank, Postdienst und Telekom eine zukunftsfähige Gesellschaftsform ab 1. Januar 1995 gegeben, die Form der Aktiengesellschaft, die sich für so etwas am besten bewährt hat.Ein zweites Positives ist: Wir haben diesen Unternehmen beste Chancen auf dynamischen Märkten, auf Wachstumsmärkten gegeben; denn sowohl die Finanzdienstleistungsmärkte als auch der Logistikmarkt und erst recht der Telekommunikationsmarkt sind Märkte mit zweistelligen Wachstumsraten, sind damit stärkere Märkte als andere, die wir in der Bundesrepublik und in Europa haben. Es sind Märkte, wo Innovationen auf der Tagesordnung stehen, wo wir nicht nur nationale, sondern auch internationale Chancen haben, wo wir Umsatzzuwächse herausholen, wo Gewinne und Erträge erzielt werden können und womit auch Arbeitsplätze für die Zukunft gesichert werden.
Positiv ist noch etwas Drittes, und das ist genauso wichtig und ebenfalls ein Bestandteil des Kompromisses. Wir machen Wachstumsmärkte im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation zu Wettbewerbsmärkten; denn Dynamik erwächst erst aus dem Wettbewerb, aus der Konkurrenz. Die Aktiengesellschaften Postbank AG, Postdienst AG und Telekom AG müssen sich dem Wettbewerb stellen und sich im Wettbewerb durchsetzen. Monopole und Schonräume gehen unweigerlich ihrem Ende zu. Herr Glotz, Sie haben recht, durch die technische Entwicklung gehen sie dem Ende zu, durch die Marktentwicklung, aber auch durch den Wegfall marktwidriger Regulierungen gehen sie dem Ende zu, wie es das politische Standortprogramm für Deutschland und Europa als einzigen Weg in die Zukunft weisen kann. Diese Zukunft läßt sich nicht aufhalten.Wir wissen natürlich, daß der Übergang von der Staatsverwaltung über die von Minister Schwarz-Schilling eingeführten Generaldirektionen hin zu den Aktiengesellschaften eine schwierige Phase ist. Wir von der Union wissen das, und wir als Union sind auch der Sozialen Marktwirtschaft verpflichtet, die eine solche Phase begleitet. Ich darf hier Ludwig Erhard zitieren, der gesagt hat: Ziel der Marktwirtschaft ist es, dem einzelnen zu helfen, ohne Hilfe zu laufen. Am Anfang stellen wir Hilfen für diese Aktiengesellschaften bereit, aber, wie gesagt, nur am Anfang. Hilfen,Regulierungen und Lizenzen, sie sind auf Zeit da, nicht auf Ewigkeit. Wir bekennen uns zu diesen Festlegungen, nicht mehr und auch nicht weniger.Ich will in diesem Zusammenhang aber auch eine Mahnung aussprechen, erstens eine Mahnung an die neuen Aktiengesellschaften. Weder kann die Holding vor Wettbewerbern schützen, noch kann der Staat mit seinen Aktienanteilen in den nächsten Jahren vor Wettbewerb schützen, und erst recht kann die Regulierung nicht vor Wettbewerb bewahren. Es gibt kein Ausruhen. Die Herausforderung läuft, der Countdown läuft für die Auseinandersetzung und für die Bewährung auf dem Markt. Alle drei erwähnten und in den Gesetzen verankerten Institute wären überfordert, den Unternehmen zu helfen. Die Unternehmen brauchen ihre eigenen Kräfte, allen voran die Kräfte, die sie als Arbeitnehmer, also als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, haben. Sie müssen ihre Kundenkontakte nutzen, sie müssen Produktinnovation betreiben, und sie müssen die Kapitalkraft, die sie durch Aktienemissionen schöpfen können, nutzen.Eine zweite Mahnung möchte ich vorbringen, die sich an uns selbst, an die Politiker, richtet. Es sind Möglichkeiten des Eingriffs in Märkte und Wettbewerb da; aber wir sollten sie, wenn möglich, nicht nutzen. Niemand zwingt uns dazu, sie extensiv zu gebrauchen. Wir sollten möglichst sparsam mit ihnen umgehen, sie allenfalls im Notfall nutzen. Die Arbeitsplätze werden am besten dann gesichert, wenn die Unternehmen Dynamik entwickeln und nicht, wenn wir als Politiker weiter hineinreden.Lassen Sie mich eine dritte Mahnung und Aufforderung an alle anschließen, die auf diesen Märkten tätig sind — an alle Wettbewerber auf den Märkten der Finanzdienstleistungen, der Logistikleistungen und der Telekommunikation, an alle Aktiengesellschaften, an die internationalen wie an die nationalen Unternehmen, an die Konzerne wie an die mittelständischen Familienunternehmen —: Die Märkte werden von Unternehmen gestaltet. Maßstab für die Soziale Marktwirtschaft ist — damit darf ich noch einmal Ludwig Erhard zitieren — der Nutzen für die Verbraucher. Die Unternehmen müssen darstellen, daß der Markt funktioniert. Sie müssen darstellen, daß die Verbraucher einen möglichst guten Nutzen haben: niedrige Preise, hervorragende Technik, besten Service.Wir als Union betreiben eine klare Politik für die Soziale Marktwirtschaft. Wir betreiben sie national mit der Postreform. Wir werden sie auch auf europäischer Ebene betreiben und damit gewissen falschen Erwartungen hinsichtlich der transeuropäischen Netze entgegenwirken.Es wäre ein Aberwitz der Geschichte, wenn wir die Unternehmen hier privatisieren und dann staatliche, transeuropäische Netze oder gar eine „EU-Post" aufbauen würden: in Brüssel und von dort betrieben. Das wäre ein Abersinn; dazu darf es nicht kommen.Machen wir daher mit diesem Gesetzeswerk den Standort Deutschland stark! Erneuern wir ein Stück weiter unsere Soziale Marktwirtschaft! Stärken wir Soziale Marktwirtschaft auch auf europäischer Ebene
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Dr. Bernd Protznerdurch unsere Zustimmung zu diesem Gesetzeswerk und zur Grundgesetzänderung!Vielen Dank.
Herr Präsident, mit Ihrem Einverständnis darf ich im Namen der Berichterstatter noch eine redaktionelle Korrektur, die sich aus unserer vorhergehenden Korrektur ergeben hat, an der vorliegenden Drucksache bekanntgeben. Ich verweise auf Art. 7 § 10 Abs. 5. Dieser Absatz ist durch unsere vorhergehende redaktionelle Korrektur obsolet geworden. Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen.
Das Wort hat der Kollege Peter Paterna.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich rate, mit Lobeshymnen auf diese Reform noch mindestens zwei Jahre zu warten. Ähnliche Lobeshymnen und Selbstbeweihräucherungen haben wir im Deutschen Bundestag 1989 nämlich schon einmal gehört: auf die Trefflichkeit der „Post 2000", wie das damals hieß. Genau zwei Jahre später, 1991, wurde dann nach der „Reform der Reform" gerufen. Diese haben wir heute zu bewerten.Diese Reform heute abzulehnen fällt mir schon deshalb nicht leicht, weil ich selber in die Gesetzesberatungen der letzten vier Monate weit mehr als 500 Arbeitsstunden investiert habe; in den Jahren davor waren es mehrere tausend.Die Ablehnung fällt mir auch deshalb schwer, weil die Notwendigkeit der Reform unbestritten und keineswegs sicher ist, ob in einem erneuten Anlauf zu Beginn der nächsten Legislaturperiode insgesamt Besseres zustande zu bringen wäre.
Das sage ich an die Adresse aller Seiten — hier und auch draußen.Mir macht auch — das sage ich ganz offen — der Loyalitätskonflikt mit unserem Verhandlungsführer, Hans Gottfried Bernrath, zu schaffen, der sich mit kaum vorstellbarer Kraftanstrengung und hervorragendem Geschick — insbesondere in den letzten acht Monaten — bemüht hat, loyal zu unseren Zielen das Bestmögliche gegenüber der Koalition durchzusetzen.
Ich will auch nicht verschweigen, daß sich die Koalition in einer Reihe wesentlicher Punkte bemüht hat, für uns den Kompromiß akzeptabel zu machen, daß es bei einem Rechtsformwandel von einer Bundesbehörde in eine Aktiengesellschaft auch bei bestem Willen nicht vermeidbare Systembrüche gibt und daß ich selbst insbesondere bezüglich der geeignetsten Rechtsform für die Telekom in den letzten zwei Jahren mein Urteil geändert habe.Dies vorausgeschickt, muß ich aber pflichtgemäß auf eine Reihe wesentlicher Mängel hinweisen, diemir und weiteren Mitgliedern der SPD-Fraktion bei sorgfältiger Abwägung aller Vor- und Nachteile die Zustimmung verwehren.Erstens. Eine so tiefgreifende Strukturreform wird von vornherein gefährdet, wenn sie gegen den erklärten und organisierten Widerstand des Personals durchgesetzt werden soll. Kein vernünftiger Unternehmer wäre so bescheuert, wie sich Politiker hier verhalten. Die Haltung der Bundesregierung, der Koalitionsfraktionen und insbesondere des früheren Postministers und jetzigen Unternehmensberaters Schwarz-Schilling war viel zu lange auf Konfrontation mit der Deutschen Postgewerkschaft angelegt.Da will ich Ihnen, verehrter Herr Kollege Müller, auch wenn ich Sie sonst in Ihrer verbindlichen Art schätze, mal deutlich sagen, daß diese billige Polemik gegen die Deutsche Postgewerkschaft hier völlig unangebracht ist.
Sie organisiert mehr als 75 % des Personals; da ist jeder freiwillig Mitglied. Und wir haben eine demokratisch legitimierte Führung. Also unterlassen Sie bitte solche Pauschalverurteilungen! Das ist völlig unangemessen und trägt mit Sicherheit zum Gelingen dessen, was hier heute versucht wird, nicht bei.
Die Öffentlichkeitsarbeit und die Verschleppungstaktik der Unternehmensvorstände in den Tarifverhandlungen der letzten Wochen lassen auch nichts Gutes ahnen. Sollte sich der Eindruck von heute nacht verfestigen, daß die Arbeitgeber die Zustimmung der SPD-Fraktion heute im Bundestag als Ermutigung zur Verschleppungstaktik verstehen, kann ich nur warnen: Wir haben unsere Zustimmung davon abhängig gemacht, daß spätestens zur Sitzung des Bundesrates am 8. Juli nicht nur die Verhandlungen der Tarifpartner einvernehmlich abgeschlossen sind, sondern auch ein Schlußstrich gezogen ist durch Unterzeichnung einer Nichtmaßregelungsklausel, durch Rücknahme der Berufungen gegen einstweilige Anordnungen der ersten Instanzen und Verzicht auf Schadensersatzforderungen.Es wäre auch nicht die notwendige vertrauensbildende Maßnahme, wenn jetzt die Verhandlungen bis kurz vor die Bundesratssitzung verschleppt würden. Die SPD kann es nicht hinnehmen, wenn ihr Abstimmungsverhalten heute faktisch zu einer Stärkung der Arbeitgeber- und Schwächung der Arbeitnehmerseite führen würde.
Käme es zu einem Vermittlungsverfahren, hätte die SPD-Bundestagsfraktion erneut abzustimmen. Ein so knappes Abstimmungsergebnis wie das gestern abend kann dann leicht ins Gegenteil umschlagen.
Die SPD hat lange erklärt, in wesentlichen Forderungen nicht gegen Beschlüsse und berechtigte Interessen der DPG zu handeln. Über diese Zusage setzt sich die Mehrheit heute hinweg. Es gab allerdings — das will ich hinzufügen — bis heute auch keine realistische Chance für die SPD, gegenüber der Koali-
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Peter Paternation einen Kompromiß durchzusetzen, der von der DPG akzeptiert worden wäre. Bis zu dieser Stunde ist nicht kalkulierbar, ob die Zusage aller Fraktionen und der Regierung, mit der Privatisierung sollten die vorhandenen Rechte und sozialen Besitzstände des zu übernehmenden Personals nicht angetastet werden — das haben wir ja alle gesagt —, tatsächlich eingelöst wird.Zweitens. Am Anfang der Verhandlungen zwischen den Fraktionen gab es weitgehende Übereinstimmung, daß es eine unbefristete Mehrheitsbeteiligung des Bundes an den Unternehmen geben solle, um der Gefahr feindlicher Übernahmen vorzubeugen und mit den Rechten eines Mehrheitsaktionärs die Wahrnehmung von Infrastrukturaufgaben durchzusetzen. Davon sind nach reichlich sachfremdem Politpoker, in dem vor allem die F.D.P. kräftig mitgemischt hat, bei der Post fünf Jahre übriggeblieben, bei der Telekom durch die Vorrangregelung für junge Aktien allenfalls einige Jahre und bei der Postbank lediglich eine Sperrminorität für vier Jahre. — Und was dann z. B. bei der Postbank mit einem Grundkapital im Nennwert von 400 Millionen DM vielleicht mal eine „Erdnuß-Bank " veranstaltet, das werden wir in Zukunft noch sehen. Also, ich glaube wir sind da ziemlich leichtfertig zu Werke gegangen, was diesen Punkt anbelangt. — International übliche Sicherungen wie selbst im privatisierungswütigen England oder zur Zeit in Holland mit einem „golden share" sind nicht erwogen worden, Herr Kollege Müller. Wenn Sie schon vom Tal der Ahnungslosen reden und hier eine solche Postreform machen, dann gucken Sie gefälligst nach Japan, nach England, nach USA, nach Holland oder wohin sonst: Sie werden nirgendwo finden, daß der Staat auf dieses letzte Mittel einer Steuerung in gewissen — volkswirtschaftlich und infrastrukturell erforderlichen — Fällen verzichtet.
Das ist ja keine Erfindung von ewiggestrigen Sozialdemokraten, die von Wirtschaftspolitik keine Ahnung haben. Da suchen Sie einmal in anderer Richtung.Drittens. Ausgehend von dem einheitlichen Sondervermögen Deutsche Bundespost und der lange erfolgreichen Tradition dieses großen Unternehmens und den darin gewachsenen Organisationsinteressen der DPG, wurde von der SPD eine starke Klammer in Form einer Managementholding angestrebt. Eine Mogelpackung à la Direktorium wollten wir kein zweites Mal. Ich will darauf verzichten, diese Holding hier im einzelnen zu kritisieren, aber eines möchte ich sagen: Es ist dabei ein Zwitter herausgekommen, dem vorhergesagt werden kann, daß er wenig Überlebensfähigkeit haben wird.Viertens. Ein schwerer Fehler der Koalitionsfraktionen und der Bundesregierung ist gewesen, bis vor drei Monaten die Probleme bagatellisiert zu haben, die sich aus der Abwicklung der vor dem Rechtsformwandel erworbenen, nicht durch Rückstellung gedeckten Ansprüche des zu übernehmenden Personals zwingend ergeben. In der noch im Februar eingebrachten Fassung des Gesetzentwurfs hätten von den Aktiengesellschaften zu übernehmende Ansprüche auf Pensionen und Beihilfen, auf Leistungen der Beamtenkrankenkasse, der Zusatzversicherung in der Versorgungsanstalt Post und mögliche Nachversicherungen der Beamten bei freiwilligem Statuswechsel die Börsenfähigkeit von Telekom und Postbank auf das schwerste gefährdet, und die Postbank wäre nie und nimmer in das Handelsregister eingetragen worden. Hier ist dann in letzter Minute eine Lösung gefunden worden, nämlich jene mit den Unterstützungskassen, die zwar im Prinzip in Ordnung ist, aber systematische Fehler aufweist. Auf Grund einer mit Rücksicht auf den Finanzminister über Gebühr hoch angesetzten Erblast mit einem Kapitalwert von 35 Milliarden DM werden diese Unternehmen in ein Windhundrennen mit ihren Wettbewerbern geschickt. Dies wird noch eine schwere Hypothek sein. Man kann nach meiner Überzeugung in diesem Punkt nicht von tatsächlich fairen Startbedingungen reden, wenn man angesichts der starken Wettbewerber wirklich wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen schaffen will. Hier rächt sich im übrigen ein weiterer grundsätzlicher Fehler der Postreformdiskussion, in der man nämlich fast ausschließlich immer nur an die Telekom gedacht hat und an die speziellen Erfordernisse von Postdienst und Postbank allenfalls nebenbei.
Fünftens. Für die flächendeckende Versorgung ländlicher Räume mit Postdienstleistungen am Schalter zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen ist der dauerhafte Verbund mit der Postbank unerläßlich. Darüber waren und sind sich verbal alle einig. Die einschlägigen Rahmenvereinbarungen taugen aber nach meiner Überzeugung nichts und entsprechend wenig die jetzt gemachten Ergänzungen. Die Politik hat für die Erfüllung dieser wichtigen Infrastrukturaufgabe keine zuverlässige Vorsorge getroffen und begibt sich jetzt auf Gedeih und Verderb in die Hand von möglicherweise unwilligen oder überforderten Vorständen, nachdem die Bundesregierung in den vergangenen Jahren diesem unsäglichen Treiben verantwortungslos viel zu lange zugeschaut hat. Hier rächt sich in besonders eklatanter Weise ein weiterer grundsätzlicher Fehler der Reformdiskussion: Die Privatisierungsbefürworter haben Heilslehren über die Segnungen der Rechtsform der Aktiengesellschaft verbreitet —
Herr Kollege Paterna, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
— ich danke für den Hinweis —, statt vor allem zukunftssichere Unternehmensstrategien und solide Konzepte für Strukturveränderungen zu entwickeln. Nur der Postdienst bleibt bis auf weiteres von dieser meiner Kritik ausgenommen.
Meine Damen und Herren, ich wollte mir jetzt noch ein paar ausgewogene Bemerkungen zu diesem Reformwerk erlauben, die ich aus zeitlichen Gründen überspringen muß. Herr Präsident, wenn Sie mir eine halbe Minute gestatten wollen, weil es garantiert die letzte Rede ist, die ich in meinem parlamentarischen Leben halte.
Diese Zeit wird dann von der Redezeit des nächsten Redners Ihrer Fraktion abgezogen.
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Ja, das habe ich ihm schon angedroht; angesichts meiner innigen Freundschaft zu dem Kollegen Börnsen ist das auch gnädig gewährt worden.
Ich bin am Ende einer 18jährigen Tätigkeit im Bundestag, und Sie werden mir abnehmen, daß ich mir wegen der außerordentlichen Tragweite dieses Reformwerkes einen überzeugenderen Abschluß gewünscht hätte.
Ich möchte mich aber bei allen, mit denen ich viele Jahre — und noch einmal besonders intensiv in den letzten Monaten - zusammenarbeiten durfte, in der Gewißheit verabschieden, daß es zu unserer parlamentarischen Demokratie trotz zahlreicher Mängel keine grundsätzliche Alternative gibt und daß diese parlamentarische Demokratie eine große Chance auf eine gute Zukunft hat.
Ich danke Ihnen.
Ich erteile das Wort dem Bundesminister für Post und Telekommunikation, Dr. Wolfgang Bötsch.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir sind heute hier angetreten, um in zweiter und dritter Lesung die Privatisierung der Postunternehmen endgültig auf den Weg zu bringen.Es geht um die Privatisierung von bisher öffentlichen Unternehmen mit 670 000 Beschäftigten, rund 90 Milliarden DM Umsatz und mit tiefen und weitreichenden Traditionen. Es geht zugleich um die Privatisierung eines wirtschaftlichen Schlüsselbereiches, den eine moderne Volkswirtschaft braucht: moderne Kommunikationsmittel. Diese Rahmenbedingungen belegen die im Umfang bisher größte Privatisierung in der Bundesrepublik Deutschland und auch die damit verbundenen Schwierigkeiten. Dokumentiert durch das Erfordernis einer Grundgesetzänderung mit den dafür erforderlichen Zweidrittelmehrheiten im Bundestag und im Bundesrat, belegt sie aber auch die Notwendigkeit eines auf einer breiten Basis angelegten Konsenses über dieses Unterfangen.Insofern ist das, meine sehr verehrten Damen und Herren, was wir heute vorlegen, ein Gemeinschaftswerk, welches in vielen Beratungen der Fraktionen der Koalition und der SPD-Opposition gewachsen ist. Ich habe versucht, als Moderator dieser Gespräche einen bescheidenen Beitrag zu diesem Ergebnis mit zu leisten.Ich möchte mich aber zuvörderst bedanken bei den Kollegen der Verhandlungskommission unter der Leitung des Kollegen Müller und des Kollegen Protzner für die Fraktion der CDU/CSU, des Kollegen Funkefür die F.D.P. und des Kollegen Bernrath für die SPD.
Herr Kollege Bernrath, wenn ich zu Ihnen ein Wort mehr sagen darf: Ich habe heute im Berliner „Tagesspiegel" ein Porträt über Sie gelesen, und ich stimme dem Porträt ausdrücklich zu. Es zeigt Sie nämlich in allen Ihren Bemühungen, in Ihren wirklich ausgleichenden Anstrengungen, dieses Ergebnis zu erzielen. Es ist ein Fehler — Gott sei Dank ist es ein Fehler — in diesem Porträt. Es steht nämlich darin, Sie würden dem neuen Deutschen Bundestag nicht mehr angehören, weil Sie nicht mehr kandidieren. — Ich sage, ich freue mich, daß Sie wieder kandidieren, Kollege Bernrath.
Herr Kollege Paterna, auch Sie entkommen nicht meinem Lob, auch wenn Sie am Anfang gesagt haben, hier werde nur gelobt. Ich hatte heute den Eindruck - und dies insbesondere nach dem Lesen Ihres Briefes, den Sie an Ihre Fraktionsmitglieder geschickt haben—, daß Sie etwas einer Figur, die Nestroy einem seiner Stücke zugrunde gelegt hat, gleichen. Von 49 Stücken, die Nestroy geschrieben hat, könnte man vielleicht das eine oder andere hier im Parlament anführen, aber eines heißt „Der Zerrissene" — der Zerrissene, der sich in verschiedenen Fragen gequält hat. Und das Lob, Herr Kollege Paterna, bezieht sich auf Ihre Verhandlungsführung im Postausschuß. Als ehemaliger Parlamentarischer Geschäftsführer weiß ich natürlich sehr gut, welcher „Instrumentenkasten" dem Vorsitzenden eines Ausschusses zur Verfügung steht, um Dinge, die man inhaltlich nicht mag, vom Zeitablauf zu verhindern. Sie haben auch nicht den Hauch eines Versuches gemacht, den Zeitplan hier durcheinanderzubringen, sondern, im Gegenteil, Sie waren der Motor, der dafür gesorgt hat, daß der Zeitplan eingehalten wird, auch wenn Sie persönlich anderer Meinung waren. Ich kann nur sagen: Respekt, Herr Kollege Paterna!
Da ich nun nach Ihnen der nächste Redner bin, nachdem Sie hier, wie Sie sagten, Ihre letzte Rede gehalten haben, mache ich mich anheischig, Ihnen für Ihre Arbeit in diesem Bereich während der letzten 18 Jahre ein herzliches Dankeschön zu sagen: persönlich, aber auch als der im Augenblick für Post und Telekommunikation Verantwortliche in diesem Bereich. Recht herzlichen Dank!
Ich kann Ihnen allerdings in der Schlußfolgerung nicht zustimmen, insbesondere wenn Sie noch einmal ausführen, was war und mit welchen Vorstellungen man teilweise in die erste Lesung gegangen ist.Herr Kollege Paterna, wir beurteilen heute das Ergebnis. Ich will nicht verschweigen, daß wir im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens, das wirklich umfangreiche Regelungen erforderlich gemacht hat,
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Bundesminister Dr. Wolfgang Bötschalle dazugelernt haben — da nehme ich mich nicht aus, da nehme ich auch die Kolleginnen und Kollegen der Koalition nicht aus; ich hoffe, Sie nehmen sich auch nicht aus —, daß wir um sachliche Entscheidungen wirklich miteinander gerungen haben. Insofern, glaube ich, ist auch die Frage, die Sie besonders angesprochen haben, nämlich der Pensionsregelung für die Beschäftigten, in einer befriedigenden Art und Weise von uns gelöst worden.Insbesondere haben wir uns verpflichtet, nach einigen Jahren auch unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsfähigkeit für die Unternehmen eine Überprüfung möglich zu machen. Wir haben uns an dem Maßstab orientiert: Wettbewerb ist nötig, und die Unternehmen müssen diesen Wettbewerb bestehen können. Sie dürfen aber gegenüber potentiellen Wettbewerbern in einem liberalisierten Markt auch keine Vorteile haben.Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie noch einmal die Präambel lesen, die Sie Ihren zehn Punkten am 1. Februar 1994 vor dem Einbringen hier im Bundestag vorausgestellt haben, dann werden Sie sehen, daß die Gründe für eine Postreform II nach wie vor gelten. Sie haben da nämlich ausgeführt:Wir brauchen eine Postreform II, um der zunehmenden Dynamik des Kommunikationsmarktes, der wachsenden Internationalisierung im Kommunikationssektor, dem zunehmenden faktischen Wettbewerb, der fortschreitenden Liberalisierung auf europäischer Ebene und durch das GATT gerecht werden zu können.Dem ist nichts hinzuzufügen. — Ich habe jetzt für diejenigen bei Ihnen, die vielleicht zweifeln, extra mit einem SPD-Papier argumentiert, weil Sie möglicherweise meinen Worten weniger geglaubt hätten als dem, was Sie selber zugrunde gelegt haben.Wir haben jetzt — Kollege Funke hat darauf hingewiesen — den Weg nicht nur für die Privatisierung der Unternehmen geebnet, sondern auch für die Liberalisierung, die notwendig ist. Dabei bleibt es. Wir gehen nicht als letzte, Kollege Funke. Wir gehen im europäischen Gleichklang und versuchen, in Europa die Dinge mit voranzutreiben.Auch wegen einer Meldung, die heute abgedruckt ist, die gestern über eine Agentur lief, will ich Ihnen sagen: Meine Position ist ganz klar: Wir wollen versuchen, in der zweiten Hälfte dieses Jahres unter der deutschen Präsidentschaft Klarheit über die Termine zu schaffen. Ich habe mich nicht zu einem Termin geäußert, zu dem die Netze liberalisiert werden sollen. Ich habe immer gesagt: Logisch wäre es, wenn zusammen mit der Freigabe des Telefondienstmonopols, des Sprachmonopols auch die Netze liberalisiert würden. Ich kann mir aber auch vorstellen, daß man das mit einem gewissen Time-lag vereinbaren kann. Er darf allerdings nicht zu lange sein. Das muß man sich meines Erachtens noch einmal in Ruhe vor Augen führen.Es ist hier viel davon geredet worden - ich greifedas auf, was ich in der ersten Lesung dazu gesagt habe —, daß man manchmal den Eindruck habe, als sei die CDU/CSU für das Geschäftsergebnis der Unternehmen zuständig, die SPD für die Kunden unddie Postgewerkschaft für die Beschäftigten. Nein, meine Damen und Herren, das sind drei Seiten eines gemeinsamen Vorhabens. Ich meine, daß die Interessen der Beschäftigten, sowohl was die gesetzlichen Regelungen als auch das anlangt, was in den Tarifverträgen zum Teil schon vereinbart ist oder was sich als Lösung abzeichnet, gewahrt sind.Meine Damen und Herren, Sie müssen sich schon damit auseinandersetzen, daß wir es bei der Deutschen Postgewerkschaft natürlich mit einem Gesprächspartner zu tun hatten, der bis zum heutigen Tage immer wieder gesagt hat: Wir wollen diese Postreform nicht. Herr van Haaren hat in jedem Gespräch — ich habe zahlreiche Gespräche mit ihm geführt am Anfang gesagt: Nur daß Sie es wissen, wir führen zwar die Gespräche über die Ausgestaltung der Postreform, aber grundsätzlich sind wir dagegen. — Beim zehnten Mal habe ich ihm gesagt: Das weiß ich jetzt; Sie brauchen es nicht mehr zur Gesprächseröffnung zu sagen. Damit sparen Sie mir Zeit! — Deshalb gibt es die Schwierigkeiten, zu gemeinsamen Lösungen zu finden.Aber ich greife auch gern auf, was ein Vorredner gesagt hat: Verzögern hat jetzt keinen Sinn mehr. Wir müssen bei den Tarifvertragsverhandlungen der Unternehmen mit der Postgewerkschaft zu einem vernünftigen Ende kommen. — Ich bin auch der Auffassung: Nicht erst dann, sondern spätestens von heute an sollte eine Beendigung der Streiks stattfinden. Dafür gibt es jetzt keinen Grund mehr.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, alles in allem haben wir hier ein Paket im Kompromiß vorgelegt. Wenn jemand der Auffassung wäre, er müsse die Idealvorstellung finden, dann wäre es kein Kompromiß. Ich könnte vieles zu dem Paket sagen, was ich mir, wenn ich es persönlich niedergeschrieben hätte, anders vorstellen könnte.Meine Damen und Herren, Wolfgang Schäuble hat letzte Woche von dem Mut gesprochen, den wir zur Erneuerung brauchen. Der Wirtschaftsstandort Deutschland braucht diesen Mut, um auch in Zukunft gegen die stärker gewordene internationale Konkurrenz zu bestehen. Das heißt nichts anderes als die Sicherung unseres Wohlstandes, unserer sozialen Errungenschaften.Mit der Postreform II gehen wir für diesen Bereich einen kreativen Weg. Wir machen die Postunternehmen fit für den begonnenen nationalen und globalen Wettbewerb. Mit der Postreform II geben wir deshalb auch ein Zeichen an andere Nationen. Der Wirtschaftsstandort Deutschland hat sich nicht abgemeldet. Er ist bereit und willens, mitzuhalten.
Dies betrifft besonders die international an erster Stelle stehende Wachstumsbranche, nämlich den Telekommunikationsbereich.Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage nochmals: Wir haben einen Kompromiß. Ich bedanke mich bei allen. Ich bedanke mich auch bei den Damen und Herren meines Ressorts. Ich bedanke mich bei denen anderer Ressorts, die in ungewöhnlicher Weise,
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Bundesminister Dr. Wolfgang Bötschoft mit eng bemessenen Zeitvorstellungen konfrontiert, konsequent über die 38,5-Stunden-Woche hinweggesehen und ihre Zeit dem Reformwerk zur Verfügung gestellt haben.Ihnen, meine Damen und Herren Kollegen, danke ich für die Aufmerksamkeit. Ich bitte Sie um Zustimmung für das vorliegende Gesetzeswerk.
Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, will ich etwas bekanntgeben: Angesichts der Tatsache, daß der Herr Bundesminister seine Redezeit nicht ganz ausgeschöpft hat,
sind wir in der Situation, daß wir kurz vor 14 Uhr zur namentlichen Abstimmung kommen werden.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Jürgen Timm.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind ein gutes Stück des Weges gemeinsam gegangen und haben eine Anhöhe erreicht. Daß es noch nicht der Gipfel ist, wissen wir; aber ich gehe davon aus, daß wir wissen, es ist die richtige Anhöhe.Für die F.D.P. war von Anfang an wichtig, daß wir auf dem Wege sind, die drei Postunternehmen in unabhängige, selbständige Aktiengesellschaften umzuwandeln. Postreform I hin oder her — es ist nun einfach erforderlich, dazu unser Grundgesetz zu ändern und die Staatsunternehmen aus der Verfassung herauszunehmen. Demzufolge ist es auch logisch, daß das öffentliche Dienstrecht in privatrechtliches Tarifrecht überführt werden wird.Mit der Überführung der Unternehmen in Aktiengesellschaften, also mit der Umstrukturierung, geben wir den Unternehmen die Luft zum Atmen, die sie benötigen, um dem — zugegebenermaßen immer rauher werdenden — Wettbewerb und der Atmosphäre auf einem großen Markt gerecht zu werden.
Das ist eine Grundvoraussetzung für die Zukunft auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Unternehmen.Wir haben mit der Umstrukturierung einen notwendigen Reformschnitt durchgeführt und haben nach meiner Auffassung zukunftsträchtige Organisationsformen gefunden. Daß ich das — ich verweise auf das von mir gewählte Bild der Anhöhe — als eine Eingangsstufe zu einer Abschlußreform bezeichne, liegt daran, daß der Gesetzgeber auch in Zukunft noch gefordert sein wird, sein Werk endgültig zu vollenden.Wir hätten es uns als F.D.P. gewünscht, daß wir Daten zum Fortfall der Monopole genannt hätten. Dies war im Kompromiß nicht zu erreichen. Jetzt muß der Markt seine Kräfte spielen lassen. Er wird es tun, und er wird es schneller tun, als viele von uns es erwarten oder sich gar wünschen. Aber ich glaube, daß wir den richtigen Schritt gemacht und den Freiraum für die Unternehmen geschaffen haben. Sie wären gut beraten, ihn auszuschöpfen und die Wettbewerbsfähigkeit nicht nur zu erhalten, sondern auch weiterhin auszubauen. Nach meiner Auffassung sind die Unternehmen dazu durchaus in der Lage.Wir haben mit dieser flexiblen Unternehmensstruktur gerade in einem wachsenden Markt von Kommunikationsdienstleistungen den notwendigen Schritt getan. Deswegen ist es so erfreulich, daß wir gerade der Telekom diesen Schritt in den Verhandlungen sehr erleichtert haben. Dies mag auch für den Postdienst gelten, auch wenn hier noch Restriktionen bestehen.Ich meine, daß allein die Möglichkeit der internationalen Tätigkeit der Unternehmen und damit der Einstieg in Innovationen und die Setzung eigener technischer Normen ein Schlüssel für den Unternehmenserfolg der Zukunft ist. Nur mit dem Ausbau dieser Aktivitäten können wir in Zukunft in diesem Bereich wieder Arbeitsplätze schaffen. Dies ist ja unser aller Ziel.Daß darüber hinaus die Post AG und die Postbank AG ein flächendeckendes System ihrer Dienstleistungen anbieten, ist in Ordnung und soll so bleiben. Darüber besteht Einverständnis. Aber ich denke, es ist richtig, daß wir beiden Unternehmen unabhängig voneinander die eigenständige Entwicklung eröffnet haben und sie nicht per Gesetz zu einer institutionellen Verbindung gezwungen haben. Hier müssen für jedes Unternehmen das gleiche Recht und die gleichen Möglichkeiten gelten.Ich gebe zu, daß die Schaffung der Bundesanstalt, der sogenannten Holding, für uns ein besonderes Problem war. Wir hatten die Befürchtung, daß hieraus eine Konzernholding entstehen wird. Wir haben dies einvernehmlich anders geregelt, und das ist gut so. Damit ist auch sichergestellt, daß die Unternehmen in eigenständiger wirtschaftlicher Form tätig sein können. Eine Konzernholding hätte die Bildung von Aktiengesellschaften sicher größtenteils zu einer Farce gemacht.Wir sind der Überzeugung, daß die Holding, die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation, schon sehr bald ihren Zweck und ihre Aufgaben erfüllt haben wird.Ich möchte in diesem Zusammenhang kurz zwei wichtige Dinge ansprechen. Wir haben in diesem Gesetz natürlich auch das Problem der Dienstherreneigenschaft, der Dienstherrenbefähigung und der Dienstherrenbefugnis geregelt. Es ist dabei geblieben, daß die Unternehmen die Dienstherrenfähigkeit erhalten und die Vorstände die Dienstherrenbefugnis ausüben dürfen. Ich denke, dies ist ein wichtiger Punkt in bezug auf die Selbständigkeit.Der zweite Punkt ist die Frage des Manteltarifrechts. Auch hier haben wir eine Lösung gefunden, die sich verfassungsrechtlich noch erträglich darstellt. Die Holding kann nur einvernehmlich für die Unternehmen Manteltarifverträge abschließen.Für die F.D.P. war es von besonderer Bedeutung, von vornherein die Belange der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Postunternehmen zu regeln. Allein
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20822 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Jürgen Timmdas Problem der Überführung des beamteten Personals in privatrechtlich organisierte Unternehmensstrukturen ist auch in Zukunft noch ein schwieriges Kapitel. Hier gilt es, sehr viel Fingerspitzengefühl aufzubringen. Das gilt vor allem auch für die Neuregelung der Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz 1976. Ich glaube, es war eine politisch sehr klare Auseinandersetzung. Dabei ist auch ein gutes Ergebnis herausgekommen, auf das wir uns verständigt haben, so daß alle Rechte, sowohl die Rechte der Unternehmer als auch die Rechte des Personals, gewahrt werden.
Ich möchte nur kurz erwähnen, daß zu diesem Kapitel natürlich auch die Garantie des Abschlusses der Ausbildung und die Erfüllung der Ausbildungszusagen gehören. Dies ist ja auch ein Punkt, der die Beschäftigten mit Sicherheit berührt.Meine Damen und Herren, die Tatsache, daß wir in den Gesetzen niedergeschrieben haben, daß die Tarifverträge so lange weitergelten, bis neue abgeschlossen werden, führt mich natürlich schon dazu, die Frage zu stellen, warum ausgerechnet jetzt in dieser Richtung gestreikt werden muß. Ich sage das nicht unter dem Gesichtspunkt, daß ich etwas verurteile. Die Gewährleistung des Streikrechts ist klar. Ich will nur meine ganz große Befürchtung zum Ausdruck bringen, daß der Schaden, der damit insbesondere für das Unternehmen Postdienst angerichtet wird — es wird noch weiter gestreikt —, in diesem Unternehmen nur mit ganz großer Mühe und großem Aufwand — dann sind wieder die Beschäftigten betroffen — aufgearbeitet werden kann. Es ist nicht klar, ob es am Ende nicht Arbeitsplätze kosten wird. Man sollte lieber die Ärmel aufkrempeln, sich zusammensetzen und sagen, wir wollen eine Zukunft aufbauen, wir haben gültige Verträge, und wir können uns über den Neuabschluß der Verträge durchaus noch in Zukunft Gedanken machen.
Ich führe mir auch vor Augen, was an Druckmitteln gegen Personen angewendet worden ist. Ich bin nicht der Meinung, daß es ein so gutes Werk war, das jetzt eingeleitet worden ist. Den Schaden tragen die Unternehmen, die Beschäftigten der Unternehmen, und die Möglichkeiten, Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen, werden geschmälert.
Die technischen Dinge, Unterstützungskassen, Regulierungsrat, will ich einmal herauslassen. Ich will zum Schluß einen Punkt erwähnen, der noch nicht angesprochen ist. Der Bund hat bisher durch die Bundesablieferung erhebliche Mittel eingenommen; der Finanzminister weiß das. Die Postunternehmen haben sehr schön abgeliefert. Das wird ab dem Jahr 1996 anders sein. Da werden die Unternehmen voll der Steuerpflicht unterliegen. Das führt natürlich dazu, daß der Bund auf diese Einnahmen zum überwiegenden Teil verzichten muß. Aber die Einnahmen verschwinden nicht irgendwo. Es werden ungefähr 1,6 Milliarden DM als Gewerbesteuern an die Kommunen gehen, die Länder werden ungefähr 1,4 Milliarden DM erhalten. Der Bund wird noch ungefähr800 Millionen DM bekommen. Ich denke, man muß auch einmal erwähnen dürfen, daß —
Aber wenn es geht, innerhalb der Redezeit.
— ja, gut — wir nicht nur einfach so mit Geld oder neuen Strukturen gespielt haben, sondern etwas für die nachfolgenden politischen Gemeinschaften getan worden ist.
Herr Präsident, ganz zum Schluß möchte ich doch noch eine kleine Danksagung vornehmen. Die SPD hat sich durch ihre Vertreter immer als zu diesem Geschäft Eingeladene gefühlt. Ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet, daß sich das in der Art der Beratung und der Behandlung dieses Themas nicht widergespiegelt hat und wir zu einem gemeinsamen Ergebnis gekommen sind. Ich möchte mich bei den Kolleginnen und Kollegen, die intensiv mitgewirkt haben, sehr herzlich bedanken. Es war eine wirklich hervorragende Erfahrung. Auch wenn gesagt wurde, die Zusammenarbeit mit Herrn Bötsch und mit der Deutschen Postgewerkschaft hätte Ihnen besser gelegen als mit uns: Das ehrt uns ganz gewaltig. Die Anhöhe, die wir erreicht haben, haben wir gemeinsam erreicht. Es war ein steiniger Weg. Aber wir glauben, daß wir daraus für die Unternehmen einen Erfolg gemacht haben.
Vielen Dank.
Es sind noch zwei redaktionelle Änderungen vorgenommen worden. Ich darf, damit die Kolleginnen und Kollegen das noch zur Kenntnis nehmen können, den Kollegen Elmar Müller bitten, sie vorzutragen.
Herr Präsident! Ich darf die beiden Änderungen präzise vortragen. Zunächst: In Art. 7 § 10 Abs. 4 Nr. 1 des Entwurfs des Postneuordnungsgesetzes wird am Ende des Textes das Komma durch einen Punkt ersetzt und folgender Satz angefügt: „ § 28 BDSG gilt entsprechend."
Ebenfalls in Art. 7 § 10: Abs. 5 wird gestrichen. Dieser Absatz ist durch die Einfügung in Art. 7 § 10 Abs. 4 obsolet geworden.
Vielen Dank.
Jetzt, Herr Kollege Arne Börnsen, haben Sie das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn ein Kompliment an den Kollegen Paterna zurückgeben. Wir sind uns in der Sache sicherlich in manchen Punkten uneinig gewesen und sind es auch heute noch. Aber das Kompliment, das man ihm wirklich machen muß, ist, daß ohne Peter Paterna die Verhandlungen im Postausschuß nicht so gelaufen wären, wie sie gelaufen sind. Ohne diesen Verhandlungsstil wäre es möglicherweise gar nicht zu diesem Ergebnis gekommen. Ich meine, es ist ein hoher Grad der Loyalität auch dem Parlament gegenüber, was Peter Paterna hier geleistet hat. Dafür herzlichen Dank.
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Arne Börnsen
Lassen Sie mich dann etwas sagen, was ich mit viel Zurückhaltung formulieren muß. Wir haben gestern in dem Beschluß der SPD-Bundestagsfraktion unsere endgültige Zustimmung davon abhängig gemacht, daß die laufenden Tarifgespräche bis zum 8. Juli, bis zur Entscheidung des Bundesrates zu einem Abschluß gebracht werden. Wir meinen das sehr ernst, weil es auch für uns als Sozialdemokraten, die wir zum größten Teil Mitglied einer Gewerkschaft sind, eine hohe Beanspruchung ist, einen solchen Beschluß wie gestern in Kenntnis der Tatsache zu fassen, daß zu diesem Thema — nicht in direktem Zusammenhang mit dem politischen Beschluß, aber mit dem Thema — Tarifauseinandersetzungen geführt werden. All die Kollegen, die aus diesem Grunde gestern nicht zustimmen konnten, verdienen durchaus Respekt in ihrer Haltung.Wir haben diesen Beschluß gestern mit großer Ernsthaftigkeit gefaßt und meinen ihn so, daß wir von beiden Tarifpartnern erwarten, daß bis zum 8. Juli, wo die letztgültige Entscheidung im Bundesrat gefällt werden soll, die Unsicherheiten, bezogen auf die Beschäftigten bei den Unternehmen, aus der Welt sein sollen. Ich appelliere noch einmal an beide Tarifpartner — bei aller Anerkennung der Tarifautonomie —, dieses Signal auch zu nutzen und die Unsicherheit gegenüber den Beschäftigten auszuräumen.Ich bitte auch sehr herzlich darum, daß in keiner Weise der Eindruck erweckt wird, als würde das Datum, welches dort gesetzt worden ist, in irgendeiner Weise als Hebel benutzt werden. Das wäre gegenüber dem Thema ebenfalls nicht angemessen. Aber ich erwarte das auch nicht. Meine herzliche Bitte ist, unser Signal als Aufforderung zu interpretieren, die Verhandlungen bis spätestens 8. Juli abzuschließen.Ich meine auch — um zum Inhalt zu kommen — daß dies möglich ist. Wir haben — sonst hätten wir als Sozialdemokraten dem Postreformpaket niemals zustimmen können — bei der Gesetzesberatung die Grundlagen dafür gelegt, daß alle kollektiven und individuellen Rechte der Arbeitnehmer, wie sie heute bei den Postunternehmen bestehen, auch in Zukunft abgesichert sind. Auf Grund der neuen Rechtsform muß das über andere Tarifverträge neu aufgerollt werden. Es ist aber bereits darauf hingewiesen worden, daß alle Tarifverträge bis zum Abschluß eines neuen Tarifvertrages weitergelten. Es entsteht für den einzelnen und auch kollektiv keine Unsicherheit.In vielen Bereichen werden den Postbediensteten Sonderleistungen ermöglicht. Ich will einen Bereich nennen, der heute schon einmal eine Rolle gespielt hat: die Wohnungsfürsorge. Wir haben auch das in Absichtserklärungen und Festlegungen so weit festgeschrieben, daß niemand Angst haben muß und darf, daß ihm auf Grund der Änderung der Rechtsform bei der Wohnungsbewirtschaftung, bei der Inanspruchnahme von Postwohnungen Nachteile entstehen. Wenn das über Tarifverträge weiter abgesichert und noch im Detail geregelt wird, ist das in Ordnung. Nur, die Grundlage dafür ist gegeben, daß das über den Tarifvertrag weiter abgesichert werden kann. Ich habe also die herzliche Bitte an die Tarifparteien, das zu nutzen.Lassen Sie mich in Abweichung von meinem Papier — was ist schon Papier? — nach dieser Debatte noch auf zwei Sachpunkte zu sprechen kommen, die gerade für uns Sozialdemokraten von hoher Bedeutung sind. Es geht einmal um die Frage: Ist es eigentlich notwendig, diesem Reformpaket nur zuzustimmen, um etwas Schlimmeres zu verhindern, oder bietet die Postreform II in der Zukunft Perspektiven zur Verbesserung der gegenwärtigen Situation?Über den Bereich Telekommunikation ist heute schon zu Recht viel gesprochen worden. Der Anstoß für diese Reform ist auf Grund der Veränderungen der zu erwartenden Liberalisierung aus dem Bereich der Telekommunikation gekommen. Aber daß auch Post und Postbank in eine andere Rechtsform übergeführt werden sollen, entspringt nicht nur dem Wunsch, auch künftig den Zusammenhalt zwischen den Unternehmen durch gleiche Rechtsform wahren zu wollen. Das hat auch etwas mit der Tarifzuständigkeit in bezug auf eine Gewerkschaft zu tun, wenn wir das mit einer einheitlichen Rechtsform gestalten wollen.Nein, viele Mitbürgerinnen und Mitbürger haben den Eindruck, das mit der Telekommunikation machen wir nur, weil das den Preisen dient, die für die Wirtschaft die Konkurrenzfähigkeit verbessern können, aber die Interessen der sogenannten kleinen Leute, die Interessen insbesondere derer, die auf dem Lande wohnen, bleiben dabei unberücksichtigt. Ich möchte das ganz bewußt noch einmal aufgreifen. Ich möchte versuchen, darzustellen, daß wir, wenn wir positive Änderungen der Postversorgung in der Fläche erreichen wollen, gerade auf die Änderung der Rechtsform angewiesen sind.Unabhängig von der Rechtsform ist die Postversorgung auf dem Lande und auch in den Städten in vergangenen Jahren immer weiter zurückgegangen, weil die Inanspruchnahme der Dienstleistungen, die dort am Schalter angeboten wurden, zurückgegangen ist. Irgendwann muß man darauf reagieren. Man kann die entstehenden Kosten, die durch weniger Einnahmen in ein immer größeres Ungleichgewicht geraten, nicht auf Dauer durch Subventionierung ausgleichen. Wenn wir hier also eine Verbesserung der Versorgung der Fläche erreichen wollen, dann geht das nur über ein größeres, ausgedehntes Angebot an Dienstleistungen am Schalter.Über die kommunalen Dienstleistungen ist in der Vergangenheit viel spekuliert worden. Das ist ein gutgemeinter Wunsch, das ist auch eine Hilfestellung. Es wird aber nie ausreichen, um die Struktur und die Angebotsgrundlage der Postversorgung auf dem Lande zu verbessern. Das reicht nicht hin und nicht her.Deswegen ist es unser Ziel, daß der Postbank als einer Kapitalgesellschaft die Möglichkeit eröffnet wird, Kooperationen mit anderen Partnern aus dem Bereich des Versicherungsgewerbes, der Bausparkassen und des Bankgewerbes einzugehen. Die Postbank wird dadurch, daß wir sie zur Kapitalgesellschaft umfirmieren, zur Vollbank gemacht.Sie hat die Möglichkeit, auch viele andere Dienstleistungen anzubieten. Sie verfügt aber nicht über das Know-how. Deswegen werden Modelle der Kooperation zwischen Postbank und privaten Unternehmen,
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20824 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Arne Börnsen
die heute noch nicht existieren, die Möglichkeit eröffnen, daß andere, im Augenblick noch postfremde Dienstleistungen am Schalter angeboten werden. Wenn wir das machen wollen, dann ist die Grundlage einer Kapitalgesellschaft Voraussetzung dafür. Denn eine private Versicherungsgesellschaft, die als GmbH oder AG organisiert ist, wird niemals eine Kooperation mit einem öffentlichen Unternehmen eingehen, das fast noch Behördenstruktur hat.Wir gehen davon aus, daß eine solche Kapitalverflechtung mit anderen Anbietern und zugleich mit der Post die Voraussetzung dafür schafft und eine vernünftige Perspektive dafür eröffnet, daß das Angebot in der Fläche wieder auf eine gesunde, stabile Grundlage gestellt wird. Damit wird neben all den volkswirtschaftlich so bedeutenden Zielen im Bereich der Telekommunikation, was die Diensteversorgung der Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik nicht zuletzt in der Fläche angeht, eine Stabilisierung, eine Verbesserung und eine Stärkung der Grundversorgung mit Dienstleistungen — so ist meine Hoffnung — ermöglicht, die über die des reinen Postwesens hinausgehen.Es ist nicht nur Glaube und das Prinzip Hoffnung, sondern wir haben diesbezügliche Gespräche natürlich auch am Rande der Verhandlungen geführt. Nur können Sie eine solche Perspektive nicht ins Gesetz hineinschreiben. Eine solche Perspektive muß unternehmerisch entwickelt werden. Dafür müssen die Unternehmen auch den entsprechenden Freiraum bekommen. Das wird durch die Postreform ermöglicht. Ich glaube, daß wir uns dann auf einem guten Weg befinden.Hinsichtlich der Frage, die uns manchmal gestellt wurde — was wird denn wohl in zwei bis vier Jahren das Ergebnis dieser Postreform sein? —, wage ich durchaus die Prognose: Über das, was die Menschen oftmals direkter angeht als Tarife im Telefonbereich, etwa über die Frage, ob sie auch in Zukunft über ihr Postamt in erreichbarer Nähe verfügen können, werden wir in zwei bis vier Jahren wieder sprechen.Ich habe die begründete Hoffnung, daß wir dann ein besseres Ergebnis werden feststellen können, als das heute mit einer weiter abnehmenden Angebotsstruktur im Bereich des Postwesens der Fall ist. Auch das ist ein Grund, warum ich Sie bitte, dieser Postreform zuzustimmen.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einen zweiten Punkt nennen — dann komme ich zum Schluß und Sie irgendwann zur Abstimmung —: Wir haben noch vor einem halben Jahr zentral darüber gestritten, ob diese Privatisierung der Deutschen Bundespost dazu dient, die Kasse des Finanzministers aufzubessern. Es wurde darüber spekuliert, daß die Börsenerlöse, insbesondere der Telekom, dem Finanzminister zu einem wesentlichen Teil zugute kommen, was bei manchen auf sozialdemokratischer Seite, die über einen Regierungswechsel nachdachten, zu einer gewissen Kalkulation über mögliche zusätzlich zu verteilende Präsente führte.Diese Diskussion ist heute völlig aus der Welt. Das, was an Sondervermögen des Bundes für die Unternehmen der Deutschen Bundespost zur Verfügungsteht, wird uneingeschränkt in die Unterstützungskassen eingeführt, um der Absicherung der Pensionserwartungen bzw. der Pensionslasten der drei Unternehmen zu dienen. Bei dieser Privatisierung wird der gesamte Erlös, sowohl Aktienpotential als auch Aktienerlös, in Unterstützungskassen zur sozialen Absicherung der bei der Post Beschäftigten eingebracht. Ich glaube, auch das ist ein ganz wesentlicher Hinweis darauf, daß es bei dieser Postreform gelungen ist — wie ich zu behaupten wage —, die soziale Absicherung der Beschäftigten ohne jede Einschränkung zu erhalten und ihnen neue zusätzliche Perspektiven in den Unternehmen zu geben.Meine Damen und Herren, es wird hier langsam unruhig. Das ist vor namentlichen Abstimmungen und insbesondere dann, wenn über eine Grundgesetzänderung abgestimmt werden soll, kein Wunder. Ich freue mich ausdrücklich über diese Unruhe. Ich habe nämlich vor jetzt drei Jahren, drei Monaten und einigen Tagen im Wasserwerk in einer nicht gehaltenen Rede, also körperlich abwesend, zu Protokoll gegeben, daß ich auf Grund bestimmter Bewertungen im Bereich der Post- und Telekommunikationspolitik eine Änderung des Art. 87 des Grundgesetzes für erforderlich halte. Ich habe das damals ganz zurückhaltend angedeutet, um die Diskussion nicht mit einem Paukenschlag zu eröffnen. Sie wurde in der Zwischenzeit trotzdem ziemlich laut.Daß wir heute an diesem Punkt angelangt sind, daß heute Art. 87 des Grundgesetzes tatsächlich geändert wird, daran habe ich immer geglaubt, weil ich es für unabdingbar notwendig halte. Sie mögen mir glauben, daß ich mich sehr darüber freue, daß wir heute an diesen Punkt gekommen sind.Herzlichen Dank.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben jetzt noch drei Redner mit einer Redezeit von jeweils fünf Minuten. Das heißt, daß wir in etwa 15 Minuten zur namentlichen Abstimmung kommen werden. Aus Fairneß gegenüber den Kollegen, die jetzt noch das Wort bekommen, bitte ich diejenigen, die anderweitigen Gesprächsbedarf haben, ihn außerhalb des Plenarsaals zu decken.
Herr Kollege Schulhoff, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute stimmen wir über eine Reform ab, die von elementarer Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland und dessen Zukunft ist.1991, zu Beginn der Diskussion, forderte der damalige Postminister Schwarz-Schilling eine Post ohne Beamte. Dies wird sicherlich ein Ergebnis der Postreform II sein. Wir haben dieses Projekt aber nicht in Angriff genommen, um den vielen verdienten Beschäftigten der Postunternehmen zu schaden. Ganz im Gegenteil: Wir wollen ihre Arbeitsplätze langfristig sichern.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20825
Wolfgang SchulhoffDie von den Gewerkschaften geschürten Ängste — lassen Sie mich das in aller Ruhe sagen sind völlig unbegründet.
Man braucht sich nur die Mühe zu machen und in den Gesetzestext zu blicken. Sieht man darüber hinaus in den Entwurf zum Abschluß eines Sozialtarifvertrages, stellt man fest, daß auf allen Gebieten die Arbeitgeber den Arbeitnehmern entgegengekommen sind. Die Besitzstände bleiben in ihrem Kern unangetastet. Das wissen die Gewerkschaften genau. Hieran hatten sie auch ihren Anteil. Das muß man sagen. Deshalb geht es ihnen jetzt bei diesen Streiks — ich lege großen Wert auf das Wort „jetzt" — leider nicht um Besitzstandswahrung, sondern um Erhaltung gewerkschaftlicher Macht.
Das Verhalten der Gewerkschaften, lieber Herr Kollege Bernrath, war doch etwas mehr als „sperrig", wie Sie es formulierten. Diese Streiks sind jetzt — ich lege nochmals Wert auf das Wort „jetzt" — „van den Haaren" herbeigezogen.
Mit dieser Politik treibt die Gewerkschaft die Postkunden in die Arme der privaten Wettbewerber. Ich bin deshalb froh und dankbar, daß sich die SPD nicht vorführen und erpressen ließ, wie gestern noch in einer namhaften Zeitung, der „Süddeutschen Zeitung", in einem Kommentar stand. Das ist gerade Ihr Verdienst, Herr Bernrath und Herr Penner, aber auch durch die souveräne Führung im Postausschuß von Herrn Paterna ermöglicht worden. Ich darf an dieser Stelle dafür Dank sagen.Was wollen wir mit dieser Reform, meine sehr verehrten Damen und Herren? Mit dieser Reform befreien wir die Postunternehmen von den Zwängen des Behördenstatus und des öffentlichen Dienstrechtes, mit denen sie auf Dauer einfach nicht leben können. Die Postreform legt die Basis dafür, daß Arbeitsplätze erhalten und neue, zukunftsorientierte Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen werden. Allen müßte klar sein, daß unrentable Arbeitsplätze auch in einem Staatsunternehmen auf Dauer nicht zu halten sind. Die Postreform ist deshalb kein Selbstzweck, sondern bittere ökonomische Notwendigkeit. Die Unternehmen müssen die Chance erhalten, sich im freien Wettbewerb zu bewähren. Die Zeit der Staatsmonopole ist endgültig vorbei, wenn auch die PDS — wir haben das heute gehört — eine Restauration des Kommunismus betreibt.
Der Staat soll sich mit hoheitlichen und nicht mit wirtschaftlichen Aufgaben befassen; denn davon versteht er nichts. Seine Aufgabe ist es, ein investitionsfreundliches Klima zu schaffen, also Rahmenbedingungen vorzugeben, bei denen es sich lohnt, zu investieren und zu arbeiten.
Nach Ansicht von Wirtschaftsfachleuten wird es zwei Märkte mit großen Expansionsmöglichkeiten geben. Einmal handelt es sich hier um den Bereich der Gentechnik, zum anderen um den der Kommunikation. Leider haben wir bei der Gentechnik international großes Terrain verloren. Ich will mich heute einer politischen Wertung auf Grund der guten Stimmung enthalten, die hier vorherrscht. Jetzt gilt es zumindest, unsere Position auf dem Kommunikationsmarkt zu sichern.
Entschuldigen Sie bitte. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, geben Sie bitte dem Redner eine Chance. Wenn Sie sich unterhalten, wenn Sie Gespräche führen wollen — es ist noch Zeit bis zur Abstimmung —, dann kann das auch vor dem Plenarsaal geschehen.
Bitte fahren Sie fort, Herr Kollege.
In diesem Zusammenhang begrüße ich ausdrücklich die anvisierte Zusammenarbeit der Telekom Frankreichs und Deutschlands mit der Sprint Corporation, dem drittgrößten US-Anbieter. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Aber es gibt einen weiteren Punkt, der die Telekom zum internationalen Wettbewerb zwingt: Nur wer seine Produkte und Dienste weltweit anbietet, hat auch die Chance, über Normen und Geräte mitzubestimmen.
So kann, wie die „Frankfurter Allgemeine" in einem Kommentar schrieb, die „Telekom als Türöffner für die deutsche Industrie wirken". Das ist nur ein Beispiel für viele andere. Es gilt auch für die beiden anderen Betriebe.
Wenn auch das jetzt vorliegende Gesetz nicht Ausdruck der reinen Lehre der Marktwirtschaft und einer sinnvollen Trennung von Staat und Wirtschaft ist, so ist es zumindest ein Kompromiß, der uns wesentlich weiterführt. Der Staat hat leider — das ist meine persönliche Meinung — seine Hand noch im Spiel. Ich hoffe im Sinne der Unternehmen und Mitarbeiter — um einen Vergleich aus der Fußballwelt zu ziehen —, daß sein Handspiel auf Dauer nicht zum Strafstoß führt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie herzlich, dem Gesetz zuzustimmen, und danke Ihnen.
Ich erteile dem Kollegen Dr. Ulrich Briefs das Wort.
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20826 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir in der vorigen Legislaturperiode die Poststrukturreform hier, d. h. drüben im Wasserwerk, diskutiert haben, wurden Privatisierungsabsichten lauthals bestritten. Jetzt sind wir soweit. Die Postunternehmen werden privatisiert, im Grunde einem marktwirtschaftlichen Dogma geopfert, das doch längst seine problematischen Effekte vielfältig offengelegt hat. Das zeigen der Arbeitsplatzabbau und der Abbau von Lehrstellen, die in anderen Ländern mit Privatisierungsprojekten gerade auch im Telekommunikationsbereich verbunden waren. Das zeigt eine Studie von sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstituten, die alleine für Deutschland den privatisierungsbedingten Verlust von weiteren 140 000 Arbeitsplätzen bis zum Jahre 1998 voraussagt. 140 000 Arbeitsplätze weniger alleine durch Privatisierungsmaßnahmen. Andere Effekte wie z. B. die Auswirkungen von Konzentrationsmaßnahmen gerade auch in der Telekommunikationswirtschaft kommen ja noch hinzu, und das bei einer völlig verfahrenen, perspektivlosen Arbeitsmarktsituation.
Nochmals: Eine verantwortungsvoll handelnde Bundesregierung müßte Zug um Zug mit notwendigen Anpassungs- und Umbaumaßnahmen bei Rechtsformen, Eigentumsverhältnissen usw. ein Konzept zum Auffangen der Arbeitsplatzabbaueffekte und der weiteren sozialen Effekte vorlegen. Nehmen wir einmal das Tauziehen um die Wahrung der sozialen Besitzstände. Hier geht es um ein sehr berechtigtes Anliegen der Deutschen Postgewerkschaft. Sehen Sie sich doch nur einmal die unteren Gehälter etwa im Postdienst oder in den Fernmeldeämtern an.
Auch das Tauziehen um die Beibehaltung der Mitbestimmungsrechte zeigt, wo man die hauptsächlichen Effekte erwartet. Wenn Sie so sicher sind, daß die privatisierte Telekom, die Postdienste und die Postbank mit dieser sogenannten Postreform II fit werden für den Wettbewerb der Zukunft, dann könnten Sie doch bei den Mitbestimmungsrechten und -regelungen, die nichts oder wenig kosten, und auch bei einer ganzen Reihe sozialer Regelungen den Beschäftigten und der Deutschen Postgewerkschaft entgegenkommen. Nein, Sie wollen die Postreform, weil sie zu Ihrer marktwirtschaftlichen Dogmatik paßt und weil in der Tat insbesondere die Telekommunikationsdienste profitable Wachstumsmärkte für die Zukunft bieten. Sie sollen für private Interessentengruppen kapitalanlagemäßig und dann auch über die Unternehmenspolitik der privatisierten Postunternehmen geöffnet werden. Allerdings ist dieses Wachstum in der Tendenz ein No-Job-Wachstum. Es ist Wachstum mit nur geringen Arbeitsplatzzuwächsen im Dienstleistungssektor, dagegen das wird immer übersehen mit erheblichen Arbeitsplatzverlusten in den Anwendungsbereichen der modernen Informations- und Kommunikationstechniken.
Wer also einfach nur so privatisiert, ohne entsprechende gegensteuernde Beschäftigungs- und soziale Maßnahmen und Sicherungen, wie es diese Bundesregierung tut, der programmiert damit bereits zum Teil die Dauerkatastrophe am Arbeitsmarkt.
Die geplante Postreform II, also die Privatisierung, wird zudem wie in anderen Ländern zur Vernachlässigung des Infrastruktur- und des post- und kommunikationstechnischen Versorgungsauftrags der früheren Post führen. Die Leidtragenden werden die Menschen fern der Ballungsgebiete sein, und unter ihnen vor allem die sozial Schwachen, die auf Postdienste, Postbank und auf die Telekommunikationsdienste besonders angewiesen sind.
Diese Privatisierungsaktion ist nicht nur ein gewichtiger Brocken, den man den nationalen und internationalen Kapitalanlegern hinwirft, sie ist auch ein weiterer Schritt zur Spaltung der Gesellschaft in die Metropolen und in die Randbereiche. In den Metropolen wird mit Hilfe moderner Informations- und Kommunikationstechniken ein immer größeres Rad immer schneller gedreht werden, übrigens auch mit ganz problematischen ökologischen Folgen. Schauen Sie sich nur einmal Städte wie Hongkong oder Singapur an. In den Randbereichen, aber auch in den Arbeitslosen- und Sozialhilfeempfängergettos am Rande der Metropolen befinden sich dagegen die Menschen, die auf der Strecke des marktwirtschaftlichen Dogmas geblieben sind.
In dieser Politik läßt sich kaum etwas von dem entdecken, was wir positiv mit dem Bild des Sozialstaats verbinden. Das — letzte Anmerkung, Herr Präsident gilt übrigens auch für die mit der modernen Telekommunikationsentwicklung dringlicher werdenden Datenschutzregelungen. Mit der Privatisierung werden wichtige Kontrollmöglichkeiten in bezug auf die Einhaltung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch die Postunternehmen aufgegeben.
Herr Präsident, ich danke Ihnen,
Meine Damen und Herren, ich weiß schon, es gibt eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen, die sich ärgern, wenn sie durch eine Ermahnung von mir in ihren Unterhaltungen gestört werden. Ich kann das auch verstehen. Nur hat der Redner hier vorn einen Anspruch darauf, daß ihm der Präsident Gehör verschafft.
Ich erteile jetzt das Wort zu einer Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung dem Kollegen Dr. Christian Schwarz-Schilling.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Tag ist ein sehr wichtiger Tag nicht nur für die drei Unternehmen der Post, sondern für die gesamte Volkswirtschaft, für die Arbeitsplätze, für die Innovationen, für den Standort Bundesrepublik Deutschland. Ich sehe diesem Gesetzespaket mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegen.
— Ich werde das sehr genau sagen.Das lachende Auge ist, daß das Gesetzespaket die Umwandlung in AGs und die Privatisierung, einen Teil der Liberalisierung, wie wir das bereits seit zwei, drei Jahren verfolgt haben, nunmehr im wesentlichen realisiert.Es ist natürlich — das möchte ich hier hinzufügen — fast eine List der Geschichte, daß sich, als ich im Jahre 1991 als Antwort auf das, was der Kollege Arne
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Dr. Christian Schwarz-SchillingBörnsen damals gesagt hat, den Stein ins Wasser geworfen und gesagt habe „Jawohl, die Privatisierung muß kommen; wir müssen die Überführung dieser Unternehmen aus einer öffentlichen, beamtenrechtlichen Form in eine privatrechtliche Form vorantreiben", ausgerechnet von meinem eigenen Fraktionskollegen in der Öffentlichkeit abgemahnt worden bin und daß nun dieser Kollege, nämlich mein lieber Kollege Gerhard Pfeffermann — ich sagte: eine List der Geschichte —, im Ministerium für Post und Telekommunikation genau dies zu tun hat. Darüber freue ich mich.Meine Damen und Herren, damit komme ich zu dem weinenden Auge. Es ist weniger die Frage der Holding. Dies wird die Geschichte selber lösen; denn mit zunehmender Privatisierung wird es neben der Hauptversammlung ein solches Gremium, das durch die Fähigkeit, Rahmentarifverträge abzuschließen, auch Managementfunktionen hat, nicht geben. Das wird das Aktiengesetz auf Dauer nicht erlauben.Der zweite Punkt beim weinenden Auge sind die gleichzeitig stattfindenden Tarifvertragsverhandlungen. — Herr Kollege Bernrath, es geht hier nicht darum, die Postgewerkschaft zu verteufeln. Der Fehler liegt darin, daß der Gesetzgeber freiwillig dazu eingeladen hat, Druck auf ihn auszuüben, indem gerade von Ihrer Seite, auch heute wieder, das Junktim zum 8. Juli betont wird und damit der einen Seite alle Macht in die Hand gegeben wird,
wodurch der Respekt vor der Tarifautonomie seitens des Gesetzgebers nicht gegeben ist. Das ist das Traurige.
Dritter und letzter Punkt. — Gegen den Regulierungsrat, der hier geschaffen wird, habe ich meine schwersten Bedenken. Dies findet in keinem anderen Land der Welt eine Entsprechung, weder in Amerika noch in England noch in Frankreich noch sonstwo. Der Regulierungsrat hat eine Aufgabe bekommen, die eine so große Professionalität und Kompetenz erfordert, daß ich schwerste Bedenken dagegen habe, daß das durch die politische Repräsentanz des Bundes und der 16 Länder bewältigt werden kann. Wie groß das sachliche Interesse der Länder ist, sehen Sie ja hier an der leeren Bundesratsbank. Was hier bei der Telekommunikationsregelung an Professionalität und Kompetenz notwendig ist, können sich die Länder wahrscheinlich heute gar nicht vorstellen.
Meine Damen und Herren, das sind die Dinge, bei denen ich große Sorge habe. Daß diese Sorge berechtigt ist, wird sich im Laufe der Zeit zeigen.Doch muß es bei allen Bedenken weitergehen. Die Zeit geht voran. Aus diesem Grunde werden Herr Staatssekretär a. D. Rawe — mit dem ich mir darin einig bin — und ich diesem Gesetz zustimmen.Ich hätte mir gewünscht, lieber Kollege Paterna, daß Sie diesmal nicht Ihrem Herzen, sondern Ihrem Verstand einen Stoß gegeben hätten.
Dann wären wir bei dieser Sache letzendlich gemeinsam besser weggekommen.Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, mir liegt eine größere Anzahl schriftlicher Erklärungen zur Abstimmung vor.*) Ich muß allerdings in zwei Fällen die Kollegen fragen, unter welche Erklärung sie ihre Unterschrift gern gesetzt hätten, nämlich den Kollegen Kubatschka und den Kollegen Lambinus, die gleich auf zwei verschiedenen Erklärungen unterschrieben haben.
— Entschuldigung. Vielleicht wollen Sie auch — — Gut.Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung über die von den Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der F.D.P. sowie der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwürfe zur Änderung des Grundgesetzes — Drucksachen 12/6717, 12/7269 und 12/8108. Der Rechtsausschuß hat die Gesetzentwürfe zusammengefaßt.Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung bei zahlreichen Gegenstimmen in der SPD-Fraktion, bei der PDS und bei einigen Gegenstimmen bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei mehreren Enthaltungen bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.Wir kommen zurdritten Beratung und Schlußabstimmung.Ich weise darauf hin, daß zur Annahme des Gesetzentwurfs nach Art. 79 Abs. 2 des Grundgesetzes die Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestags erforderlich ist.Die Fraktion der SPD verlangt namentliche Abstimmung.Ich eröffne die namentliche Abstimmung.Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? — Sind alle Stimmen abgegeben? — Dann schließe ich die Abstimmung.Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben.**)Wir setzen die Beratungen fort.*) Anlage 2 und 3 **) Seite 20828 B
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20828 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Vizepräsident Hans KleinMeine Damen und Herren, bitte nehmen Sie Platz, weil wir weiter abstimmen.Wir kommen zur Abstimmung über die von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. sowie der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwürfe zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation — Drucksachen 12/6718, 12/7270 und 12/8060 Nr. I 1. Absatz.Der Ausschuß für Post und Telekommunikation empfiehlt, die Gesetzentwürfe zusammenzuführen und in der Ausschußfassung anzunehmen.Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf mit den beiden vom Berichterstatter vorgetragenen Berichtigungen in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen.Wir kommen zurdritten Beratungund Schlußabstimmung. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die dem Gesetzentwurf zustimmen, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist mit großer Mehrheit bei zahlreichen Gegenstimmen von SPD und PDS/Linke Liste und einigen Enthaltungen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.Wir kommen zur Beschlußempfehlung des Ausschusses für Post und Telekommunikation zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung des Postverfassungsgesetzes, Drucksache 12/8060 I Abs. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Gesetzentwurf auf Drucksache 12/4329 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Wir kommen zur Beschlußempfehlung des Ausschusses für Post und Telekommunikation zu dem Antrag der Gruppe PDS/Linke Liste zur Reform der Deutschen Bundespost, Drucksache 12/8060 I Abs. 3. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 12/6635 abzulehnen. Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? -- Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Der Ausschuß für Post und Telekommunikation empfiehlt unter II seiner Beschlußempfehlung die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Der Ausschuß für Post und Telekommunikation empfiehlt unter III seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 12/8060 Erklärungen der Bundesregierung zur Kenntnis zu nehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Meine Damen und Herren, ich gebe das von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes auf den Drucksachen 12/6717, 12/7269 und 12/8108 bekannt. Abgegebene Stimmen: 586. Mit Ja haben gestimmt 472, mit Nein 93, Enthaltungen 21.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 583; davon:ja: 470nein: 92enthalten: 21JaCDU/CSUDr. Ackermann, Else Adam, UlrichDr. Altherr, Walter Franz Augustin, Anneliese Augustinowitz, Jürgen Austermann, Dietrich Bargfrede, Heinz-GünterDr. Bauer, WolfBaumeister, Brigitte Belle, MeinradDr. Bergmann-Pohl, Sabine Bierling, Hans-DirkBlank, RenateDr. Blens, Heribert Bleser, PeterDr. Blüm, Norbert Dr. Böhmer, MariaBörnsen , Wolfgang Dr. Bötsch, WolfgangBohl, FriedrichBohlsen, Wilfried Borchert, Jochen Brähmig, KlausBreuer, PaulBrunnhuber, Georg Büttner , HartmutBuwitt, DankwardCarstens , Manfred Carstensen (Nordstrand),Peter HarryDehnel, Wolfgang Dempwolf, Gertrud Deres, KarlDeß, AlbertDiemers, Renate Dörflinger, Werner Doss, Hansjürgen Dr. Dregger, Alfred Echternach, Jürgen Ehlers, Wolfgang Ehrbar, UdoEichhorn, MariaEngelmann, Wolfgang Eppelmann, RainerErler , Wolfgang Eylmann, HorstEymer, AnkeFalk, IlseDr. Faltlhauser, Kurt Feilcke, JochenDr. Fell, Karl H.Fockenberg, Winfried Francke , Klaus Frankenhauser, Herbert Dr. Friedrich, Gerhard Fritz, Erich G.Fuchtel, Hans-JoachimGanz , Johannes Dr. Geiger (Darmstadt), Sissy Geis, NorbertDr. Geißler, HeinerDr. von Geldern, Wolfgang Gerster , Johannes Gibtner, HorstGlos, Michael Göttsching, Martin Dr. Götzer, WolfgangGres, Joachim Grochtmann, Elisabeth Grotz, Claus-PeterDr. Grünewald, Joachim Günther , Horst Frhr. von Hammerstein,Carl-Detlev Harries, Klaus Haschke ,GottfriedHaschke , Udo Hasselfeldt, Gerda Haungs, RainerHauser , Otto Hauser (Rednitzhembach),HansgeorgHedrich, Klaus-Jürgen Heise, ManfredDr. Hellwig, RenateDr. h. c. Herkenrath, Adolf Dr. Herr, NorbertHiebing, Maria Anna Hinsken, Ernst Hintze, Peter Hörsken, Heinz-Adolf Hörster, JoachimDr. Hoffacker, Paul Hollerith, JosefDr. Hornhues, Karl-Heinz Hornung, Siegfried Hüppe, HubertJäger, ClausJaffke, Susanne Dr. Jahn ,Friedrich-Adolf Janovsky, Georg Jeltsch, KarinDr. Jobst, Dionys Dr.-Ing. Jork, RainerDr. Jüttner, EgonJung , Michael Junghanns, UlrichDr. Kahl, Harald Kampeter, Steffen Dr. n-Ing. Kansy, Dietmar Karwatzki, Irmgard Kauder, VolkerKeller, PeterKiechle, IgnazKlein , Günter Klein (München), Hans Klinkert, UlrichKöhler ,Hans-UlrichDr. Köhler ,VolkmarKolbe, Manfred Kors, Eva-Maria Koschyk, Hartmut Kossendey, Thomas Kraus, RudolfKrause , Wolfgang Krey, Franz Heinrich Kriedner, ArnulfKronberg, Heinz-Jürgen Dr.-Ing. Krüger, Paul Krziskewitz, Reiner Lamers, KarlDr. Lammert, Norbert Lamp, Helmut Lattmann, Herbert Dr. Laufs, Paul Laumann, Karl-Josef Lenzer, ChristianDr. Lieberoth, Immo Limbach, EdithaLink , Walter Lintner, EduardDr. Lippold ,Klaus W.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20829
Vizepräsident Hans KleinDr. Lischewski, Manfred Löwisch, SigrunLohmann , WolfgangLummer, Heinrich Dr. Luther, MichaelMaaß , Erich Männle, UrsulaMagin, TheoDr. Mahlo, Dietrich Marienfeld, Claire Marschewski, Erwin Dr. Mayer ,MartinMeckelburg, Wolfgang Meinl, RudolfDr. Merkel, Angela Michalk, MariaMichels, Meinolf Dr. Möller, FranzMüller , Elmar Müller (Wesseling), Alfons Nelle, EngelbertDr. Neuling, Christian Neumann , Bernd Niedenthal, ErhardNitsch, Johannes Nolte, ClaudiaDr. Olderog, Rolf Ost, FriedhelmOswald, EduardOtto , Norbert Dr. Päselt, Gerhard Dr. Paziorek, Peter Pesch, Hans-Wilhelm Petzold, UlrichPfeifer, AntonDr. Pfennig, GeroDr. Pflüger, Friedbert Dr. Pinger, Winfried Pofalla, RonaldDr. Pohler, Hermann Priebus, Rosemarie Dr. Protzner, Bernd Pützhofen, DieterRahardt-Vahldieck, Susanne Raidel, HansDr. Ramsauer, Peter Rau, RolfRauen, Peter Harald Rawe, WilhelmReichenbach, Klaus Reinhardt, Erika Repnik, Hans-Peter Dr. Rieder, Norbert Riegert, KlausDr. Riesenhuber, Heinz Ringkamp, Werner Rode , Helmut Rönsch (Wiesbaden),HanneloreRomer, FranzDr. Rose, KlausRossmanith, Kurt J. Roth , Adolf Rother, HeinzDr. Ruck, Christian Rühe, VolkerDr. Rüttgers, Jürgen Sauer , Helmut Sauer (Stuttgart), Roland Schätzle, OrtrunDr. Schäuble, Wolfgang Schell, ManfredSchemken, Heinz Scheu, GerhardSchmalz, UlrichSchmidbauer, Bernd Dr. Schmidt, ChristaSchmidt , Christian Dr. -Ing. Schmidt (Halsbrücke),JoachimSchmidt , Andreas Schmidt (Spiesen), Trudi Schmitz (Baesweiler),Hans Petervon Schmude, Michael Dr. Schneider , OscarDr. Schockenhoff, Andreas Graf von Schönburg-Glauchau, Joachim Dr. Scholz, RupertFrhr. von Schorlemer, ReinhardSchulhoff, WolfgangDr. Schulte , DieterSchulz , Gerhard Schwalbe, ClemensSchwarz, StefanDr. Schwarz-Schilling, ChristianDr. Schwörer, Hermann Seehofer, HorstSeesing, HeinrichSeibel, WilfriedSeiters, RudolfSikora, JürgenSkowron, Werner H. Sothmann, BärbelSpranger, Carl-Dieter Dr. Sprung, RudolfSteinbach-Hermann, Erika Dr. Stercken, HansDr. Frhr. von Stetten, WolfgangStockhausen, KarlDr. Stoltenberg, Gerhard Strube, Hans-GerdStübgen, MichaelDr. Süssmuth, RitaSusset, EgonSzwed, DorotheaTillmann, FerdiDr. Töpfer, KlausDr. Uelhoff, Klaus-Dieter Verhülsdonk, Roswitha Vogt , Wolfgang Dr. Voigt (Northeim),Hans-PeterDr. Vondran, Ruprecht Dr. Waffenschmidt, Horst Dr. Waigel, TheodorGraf von Waldburg-Zeil, Alois Dr. Warnke, JürgenDr. Warrikoff, Alexander Werner , Herbert Wetzel, KerstenWiechatzek, Gabriele Dr. Wilms, DorotheeWilz, BerndWimmer , Willy Dr. Wisniewski, Roswitha Dr. Wittmann, FritzWittmann , SimonWonneberger, Michael Wülfing, ElkeWürzbach, Peter Kurt Yzer, CorneliaZeitlmann, Wolfgang Zöller, WolfgangSPDAndres, Gerd Bachmaier, HermannBartsch, HolgerBecker , Helmuth Berger, HansBernrath, Hans Gottfried Beucher, Friedhelm JuliusBock, TheaBörnsen , Arne Brandt-Elsweier, AnniDr. Brecht, Eberhard Büchner , PeterDr. von Bülow, Andreas Burchardt, UrsulaBury, Hans Martin Caspers-Merk, Marion Conradi, Peter Daubertshäuser, KlausDr. Diederich , Nils Diller, KarlDr. Ehmke , HorstEich, LudwigDr. Elmer, Konrad Esters, HelmutEwen, CarlFischer , EvelinFormanski, Norbert Fuchs , Anke Ganseforth, Monika Dr. Gautier, Fritz Gleicke, IrisDr. Glotz, Peter Graf, GünterGroßmann, Achim Haack ,Karl Hermann Hacker, Hans-Joachim Hämmerle, Gerlinde Hampel, Manfred Hanewinckel, Christel Hasenfratz, KlausDr. Hauchler, Ingomar Heistermann, Dieter Dr. Holtz, UweHorn, ErwinHuonker, Gunter Iwersen, Gabriele Jäger, RenateDr. Jens, UweKastner, Susanne Kemper, Hans-Peter Klappert, Marianne Klose, Hans-UlrichDr. Knaape, Hans-Hinrich Körper, Fritz Rudolf Koltzsch, RolfKretkowski, Volkmar Dr. Küster, Uwe Lange, Brigitte Leidinger, Robert Lennartz, KlausLohmann , Klaus Matthäus-Maier, Ingrid Meckel, Markus Meißner, HerbertDr. Mertens ,Franz-JosefDr. Meyer , Jürgen Mosdorf, SiegmarMüller , Rudolf Müller (Zittau), Christian Neumann (Gotha), Gerhard Odendahl, DorisDr. Otto, Helga Palis, KurtDr. Penner, Willfried Poß, JoachimRappe , Hermann von Renesse, Margot Schaich-Walch, Gudrun Schanz, DieterSchily, OttoSchloten, Dieter Schluckebier, Günter Schmidt , UrsulaDr. Schmude, Jürgen Dr. Schnell, Emil Schöler, WalterSchütz, DietmarDr. Schuster, R. Werner Schwanhold, Ernst Schwanitz, RolfSeidenthal, Bodo Seuster, LisaSielaff, HorstSinger, Johannes Sorge, WielandDr. Sperling, Dietrich Dr. Struck, PeterDr. Thalheim, Gerald Thierse, Wolfgang Vergin, Siegfried Verheugen, GünterDr. Vogel, Hans-Jochen Vosen, JosefWallow, HansWaltemathe, Ernst Walter , RalfWalther , Rudi Wartenberg (Berlin), Gerd Weißgerber, GunterWelt, JochenDr. Wernitz, Axel Wettich-Danielmeier, Inge Weyel, GudrunWieczorek , Helmut Wimmer (Neuötting), HermannDr. de With, Hans Wohlleben, Verena Zapf, UtaDr. Zöpel, ChristophF.D.P.Albowitz, InaDr. Babel, Gisela Baum, Gerhart RudolfDr. Blunk , Michaela Eimer (Fürth), Norbert Engelhard, Hans A.van Essen, JörgDr. Feldmann, Olaf Friedhoff, Paul K. Friedrich, Horst Funke, Rainer Gallus, Georg Ganschow, Jörg Gries, Ekkehard Grünbeck, Josef Grüner, MartinGünther , JoachimDr. Guttmacher, Karlheinz Hansen, DirkDr. Haussmann, Helmut Heinrich, UlrichDr. Hirsch, BurkhardDr. Hitschler, Walter Homburger, Birgit Dr. Hoth, SigridDr. Hoyer, Werner Irmer, UlrichDr. Jordan, JensKleinert , Detlef Kohn, RolandDr. Kolb, Heinrich L. Koppelin, JürgenDr. -Ing. Laermann, Karl-Hans Dr. Graf Lambsdorff, Otto Leutheusser-Schnarrenberger,SabineLüder, Wolfgang Lühr, UweDr. Menzel, Bruno Mischnick, WolfgangNolting, Günther FriedrichDr. Ortleb, Rainer Otto , Hans-Joachim
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20830 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Vizepräsident Hans KleinPaintner, JohannParr, DetlefPeters, LisaDr. Pohl, EvaRichter , ManfredRind, HermannDr. Röhl, KlausSchäfer , Helmut Schmalz-Jacobsen, Cornelia Schmidt (Dresden), Arno Dr. Schmieder, JürgenDr. Schnittler, Christoph Schüßler, GerhardDr. Schwaetzer, Irmgard Sehn, MaritaSeiler-Albring, Ursula Dr. Semper, SigridDr. Solms, Hermann Otto Dr. Starnick, JürgenThiele, Carl-LudwigDr. Thomae, DieterTimm, JurgenTürk, JürgenWalz, IngridDr. Weng , WolfgangWürfel, UtaZurheide, BurkhardZywietz, WernerBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENSchulz , Werner Weiß (Berlin), KonradNeinSPDAdler, Brigitte Becker-Inglau, IngridBindig, RudolfBlunck , Lieselott Dr. Böhme (Unna), Ulrich Büchler (Hof), HansBüttner , Hans Bulmahn, EdelgardDreßler, Rudolf Duve, Freimut Ebert, EikeDr. Eckardt, Peter Erler, GernotFischer , Lothar Fuhrmann, ArneGilges, KonradDr. Hartenstein, LieselJanz, IlseDr. Janzen, Ulrich Jungmann , Horst Kirschner, KlausDr. Klejdzinski, Karl-Heinz Kolbow, Walter Kubatschka, HorstDr. Kübler, Klaus Kuessner, Hinrich Lambinus, Uwe von Larcher, DetlevDr. Leonhard, Elke Lörcher, ChristaDr. Lucyga, ChristineMaaß , DieterMarx, DoneMascher, Ulrike Mattischeck, HeideMüller , Albrecht Neumann (Bramsche), Volker Dr. Niehuis, Edith Oesinghaus, GünterOpel, Manfred Paterna, PeterPeter , Horst Dr. Pick, Eckhart Rennebach, Renate Reschke, OttoReuschenbach, Peter W. Reuter, BerndRixe, GünterSchmidbauer , HorstSchmidt , Wilhelm Schmidt-Zadel, ReginaDr. Schöfberger, Rudolf Schreiner, Ottmar Schulte , BrigitteDr. Skarpelis-Sperk, Sigrid Steen, Antje-Marie Stiegler, LudwigTappe, Joachim Terborg, Margitta Titze-Stecher, UtaToetemeyer, Hans-Günther Urbaniak, Hans-Eberhard Voigt , Karsten D. Wagner, Hans GeorgDr. Wegner, Konstanze Weiermann, Wolfgang Weiler, Barbara Weisheit, MatthiasWeisskirchen , Gert Westrich, LydiaDr. Wetzel, Margrit Wieczorek-Zeul, Heidemarie Wittich, BertholdWolf, HannaPDS/Linke ListeBläss, PetraDr. Fischer, Ursula Dr. Fuchs, Ruth Dr. Gysi, Gregor Henn, BerndDr. Heuer, Uwe-JensDr. Höll, Barbara Jelpke, UllaDr. Keller, Dietmar Lederer, Andrea Dr. Modrow, Hans Philipp, Ingeborg Dr. Schumann ,FritzDr. Seifert, IljaBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENDr. Feige, Klaus-Dieter Köppe, IngridFraktionslosDr. Briefs, Ulrich Schenk, ChristinaEnthaltenSPDBarbe, Angelika Catenhusen, Wolf-MichaelDr. Dobberthien, Marliese Gansel, NorbertHeyenn, GüntherHiller , Reinhold Ibrügger, LotharKlemmer, Siegrun Kolbe, ReginaKuhlwein, Eckart Mehl, UlrikeMüller , Michael Dr. Niese, RolfOostergetelo, Jan Scheffler, Siegfried Schröter, GiselaDr. Sonntag-Wolgast, CornelieBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENPoppe, GerdDr. Ullmann, Wolfgang Wollenberger, VeraFraktionslos Lowack, OrtwinDer Gesetzentwurf ist mit der erforderlichen Mehrheit angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19r auf:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 24./25. Juni 1994 über den Beitritt des Königreichs Norwegen, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zur Europäischen Union— Drucksache 7977 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses
— Drucksache 12/8188 —Berichterstattung:Abgeordnete Ulrich Irmer Dieter SchlotenClaus-Peter GrotzEine Aussprache ist nicht vorgesehen.Die Kollegin Heidemarie Wieczorek-Zeul hat für die Fraktion der SPD eine schriftliche Erklärung zu Protokoll gegeben.*)Wir kommen zur Abstimmung. Die Fraktion der SPD verlangt namentliche Abstimmung.Ich eröffne die Abstimmung.Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? — Sind alle Stimmen abgegeben? — Das ist offensichtlich der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekanntgegeben.**)Jetzt, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, müssen wir ein etwas ungewöhnliches Verfahren vornehmen. Es liegt auch noch eine Beschlußempfehlung zu dieser Abstimmung vor, die aber erst jetzt eingegangen und auch noch nicht verteilt ist. Ich stelle die Frage, ob Sie damit einverstanden sind, daß wir über die Beschlußempfehlung, nachdem ich sie Ihnen vorgelesen habe, abstimmen. Besteht damit Einverständnis? — Es erhebt sich kein Widerspruch, dann ist das so beschlossen.*) Anlage 4 **) Seite 20835 B
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Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20831
Vizepräsident Hans KleinDer Text lautet:Der Deutsche Bundestag stellt fest, daß die verfassungsrechtliche Grundlage für die Ratifizierung Art. 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes ist. Durch den Beitritt Norwegens, Österreichs, Finnlands und Schwedens zur Europäischen Union werden weder Hoheitsrechte übertragen noch Änderungen der vertraglichen Grundlage der Europäischen Union oder vergleichbare Änderungen vorgenommen, durch die das Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglicht werden. Des weiteren wird ein erneuter Zustimmungsbedarf des Bundesrates auch insofern nicht ausgelöst, als der Vertrag über die Europäische Union allen europäischen Staaten den Beitritt eröffnet und diese Perspektive von Bundestag und Bundesrat bereits mit verfassungsändernden Mehrheiten gebilligt worden ist.Nimmt das Haus diesen Entschließungsantrag an? Ich bitte um das Handzeichen. — Wer lehnt ihn ab? — Wer enthält sich der Stimme? — Der Entschließungsantrag ist angenommen.Interfraktionell ist vereinbart worden, den heute morgen aufgesetzten Zusatzpunkt 6b wieder von der Tagesordnung abzusetzen. Es handelt sich um den Antrag der Fraktion der SPD zu einem Luftfahrtforschungsprogramm auf Drucksache 12/8155. Sind Sie mit der Absetzung einverstanden? Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18a, b und d sowie den Zusatzpunkt 6 a auf:18. Überweisungen im vereinfachten Verfahrena) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Protokollen vom 19. Dezember 1988 betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften sowie zur Übertragung bestimmter Zuständigkeiten für die Auslegung dieses Übereinkommens auf den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften— Drucksache 12/7979 —Überweisungsvorschlag: Rechtsausschußb) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 6. November 1992 über den Beitritt der Griechischen Republik zu dem Schengener Übereinkommen vom 19. Juni 1990
— Drucksache 12/8048 —Überweisungsvorschlag:Innenausschuß Auswärtiger AusschußEG-Ausschuß Beratung des Antrags der Fraktion der SPDVerbot von Landminen und die Unterstützung der Länder der „Dritten Welt" bei der Lösung ihrer Probleme durch Minen und andere gefährliche Munition— Drucksache 12/8031 —Überweisungsvorschlag:Verteidigungsausschuß Auswärtiger AusschußAusschuß für wirtschaftliche ZusammenarbeitZP6 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahrena) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten
— Drucksache 12/8006 —Überweisungsvorschlag:Ausschuß für Post und Telekommunikation
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitEine Debatte ist nicht vorgesehen.Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? — Dies ist offensichtlich der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 19a bis d, 19 f bis q, 8 a und b sowie Zusatzpunkt 7 a bis h auf:19. Abschließende Beratungen ohne Aussprachea) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bewertung eines Landoder forstwirtschaftlichen Betriebes beim Zugewinnausgleich— Drucksache 12/7134 —
Beschlußempfehlung und Bericht des
Rechtsausschusses
— Drucksache 12/8140 —Berichterstattung:Abgeordnete Margot von Renesse Dr. Wolfgang Frhr. von Stettenb) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zeitgesetzes— Drucksache 12/7631 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuß)
— Drucksache 12/8131 — Berichterstattung:Abgeordnete Gerd Wartenberg Meinrad BelleWolfgang Lüderc) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Flurbereinigungsgesetzes
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20832 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Vizepräsident Hans Klein— Drucksache 12/7909 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
— Drucksache 12/8138 — Berichterstattung:Abgeordnete Siegfried HornungRudolf Müller
d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsunfallstatistikgesetzes— Drucksache 12/7522 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr (16. Ausschuß)
— Drucksache 12/8116 — Berichterstattung:Abgeordneter Wolfgang Börnsen
f) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Renate Blank, Georg Brunnhuber, Gernot Erler, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU sowie den Abgeordneten Ekkehard Gries, Manfred Richter , Roland Kohn, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Übernahme der Beamten und Arbeitnehmer der Bundesanstalt für Flugsicherung— Drucksache 12/8038 —
aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr
— Drucksache 12/8115 — Berichterstattung:Abgeordneter Ferdi Tillmannbb) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 12/8203 —Berichterstattung:Abgeordnete Ernst WaltematheDr. Klaus RoseWerner Zywietzg) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung einer BundeskanzlerWilly-Brandt-Stiftung— Drucksache 12/7880 —
aa) Beschlußempfehlung und Bericht desInnenausschusses
- Drucksache 12/8134 —Berichterstattung:Abgeordnete Erwin MarschewskiGerd Wartenberg Dr. Burkhard Hirschbb) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 12/8135 — Berichterstattung:Abgeordnete Karl DeresDr. Wolfgang Weng Manfred Hampelh) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aussetzung der Vorschriften über die repräsentative Wahlstatistik für die Wahl zum 13. Deutschen Bundestag— Drucksache 12/8152 — Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses
— Drucksache 12/8193 — Berichterstattung:Abgeordnete Gerd Wartenberg Dr. Burkhard HirschFranz Heinrich Kreyi) Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst Sielaff, Lothar Ibrügger, Marianne Klappert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDVerlängerung des Moratoriums für die Zulassung von Rinder-Somatotropin
— Drucksache 12/7972 —j) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der BundesregierungAufhebbare Dreiunddreißigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung— Drucksachen 12/7492, 12/8121 — Berichterstattung:Abgeordneter Erich G. Fritzk) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Fremdenverkehr und Tourismus zu dem Antrag der Abgeordneten Carl Ewen, Robert Antretter, Friedhelm Julius Beucher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDFörderung des Fahrradtourismus— Drucksachen 12/3035, 12/7363 — Berichterstattung:Abgeordnete Wolfgang Börnsen
Klaus Lohmann
Dr. Michaela Blunk
1) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Carl Ewen, Robert Antretter, Holger Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20833
Vizepräsident Hans KleinSicherung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Binnenschiffahrt— Drucksachen 12/6221, 12/6611 — Berichterstattung:Abgeordnete Renate Blankm) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Monika Ganseforth, Hermann Bachmaier, Holger Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Kündigung des deutsch-brasilianischen Abkommens über Zusammenarbeit auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie— Drucksachen 12/6881, 12/8067 — Berichterstattung:Abgeordnete Heinrich SeesingHorst KubatschkaJürgen Timmn) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. R. Werner Schuster, Dr. Uwe Holtz, Brigitte Adler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDStärkung der kommunalen Nord-SüdArbeit — Förderung der Lokalen Agenda 21 — Umsetzung der Charta von Berlin— Drucksachen 12/6263, 12/8064 — Berichterstattung:Abgeordnete Ulrich SchmalzDr. R. Werner SchusterIngrid Walzo) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Winfried Pinger, Anneliese Augustin, Klaus-Jürgen Hedrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Ulrich Irmer, Ingrid Walz, Dr. Michaela Blunk (Lübeck), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.Aufbau und Stärkung kommunaler Selbstverwaltungsstrukturen in Entwicklungsländern zur Förderung von regionaler und lokaler Selbsthilfe— Drucksachen 12/6727, 12/8021 — Berichterstattung:Abgeordnete Ulrich SchmalzDr. R. Werner SchusterIngrid Walzp) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 149 zu Petitionen (Verwendung von neuen Zusatzstoffen auf dem deutschen Lebensmittelmarkt infolge von Regelungen der Europäischen Union)— Drucksache 12/7336 —q) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 159 zu Petitionen— Drucksache 12/8091 -8. a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Maria Michalk, Michael Wonneberger, Udo Haschke , weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU sowie den Abgeordneten Dr. Gisela Babel, Dieter-Julius Cronenberg (Arnsberg), Ulrich Heinrich und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verordnung über die Gewährung von Vorruhestandsgeld— Drucksache 12/8039 —
aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
— Drucksache 12/8170 — Berichterstattung:Abgeordneter Claus Jägerbb) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 12/8202 — Berichterstattung:Abgeordnete Karl DillerHans-Gerd StrubeIna Albowitzb) Beratung des Antrags der Abgeordneten Petra Bläss, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS/Linke ListeVerlängerung der Bezugsdauer für Altersübergangsgeld— Drucksache 12/8037 —ZP7 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprachea) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 7. September 1993 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung Seiner Majestät des Sultans und Yang Di-Pertuan von Brunei Darussalam über den Luftverkehr— Drucksache 12/7496 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr (16. Ausschuß)
— Drucksache 12/8112 — Berichterstattung:Abgeordneter Ferdinand Tillmannb) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 23. April 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über den Autobahnzusammenschluß imRaum Frankfurt/Oder und Schwetig — Drucksache 12/7495 —
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20834 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Vizepräsident Hans Kleinaa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr
— Drucksache 12/8113 — Berichterstattung:Abgeordneter Dr. Klaus Röhlbb) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 12/8141 —Berichterstattung:Abgeordnete Ernst Waltemathe Wilfried BohlsenWerner Zywietzc) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 5. April 1993 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Lettland über die Seeschiffahrt— Drucksache 12/7769 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr (16. Ausschuß)
— Drucksache 12/8114 — Berichterstattung:Abgeordneter Carl Ewend) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 16. Dezember 1992 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Russischen Föderation über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen— Drucksache 12/7506 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuß)
— Drucksache 12/8092 — Berichterstattung:Abgeordnete Erika SteinbachBernd ReuterDr. Burkhard Hirsche) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 16. Oktober 1980 über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge— Drucksache 12/6852 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuß)
— Drucksache 12/8094 — Berichterstattung:Abgeordnete Erika SteinbachCornelia Schmalz-JacobsenDr. Cornelie Sonntag-Wolgastf) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Ingrid Köppe, Dr. WolfgangUllmann, Konrad Weiß und der GruppeBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Bannmeilengesetzes— Drucksache 12/4530 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
— Drucksache 12/7857 — Berichterstattung:Abgeordnete Anni Brand-ElsweierDr. Wolfgang von Stetteng) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Außerplanmäßige Ausgabe im Haushaltsjahr 1994 bei Kapitel 60 02 Titel apl. 652 01 — Soforthilfe des Bundes für die von Hochwasserschäden betroffenen Länder Sachsen-Anhalt und Thüringen —— Drucksachen 12/7533, 12/8103 — Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Klaus RoseDr. Wolfgang Weng
Helmut Wieczorek
h) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Frauen und Jugend
zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Edith Niehuis, Dr. Sissy Geiger , Uta Würfel, weiterer Abgeordneter und der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. Frauenförderung innerhalb der Europäischen Strukturförderungzu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Edith Niehuis, Hanna Wolf, Angelika Barbe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDFrauenförderung innerhalb der Europäischen Strukturförderung— Drucksachen 12/7504, 12/4164,12/8142 —Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Sissy GeigerHanna WolfEine Aussprache ist nicht vorgesehen.Zur Sammelübersicht 149 des Petitionsausschusses — das ist Tagesordnungspunkt 19p — liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor.Ich komme zum Tagesordnungspunkt 19a. Dabei handelt es sich um die Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Bewertung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes beim Zugewinnausgleich auf den Drucksachen 12/7134 und 12/8140. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. — Gegenprobe! — Wer enthält sich der Stimme? — Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen.Dritte Beratungund Schlußabstimmung: Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20835
Vizepräsident Hans KleinWer stimmt dagegen? — Wer enthält sich seiner Stimme? — Der Gesetzentwurf ist angenommen.Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 19b. Es handelt sich um die Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zeitgesetzes auf den Drucksachen 12/7631 und 12/8131. Ich bitte diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen.Dritte Beratungund Schlußabstimmung: Ich bitte diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist angenommen.Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Flurbereinigungsgesetzes, Drucksachen 12/7909 und 12/8138. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die zustimmen, um ihr Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung angenommen.Dritte Beratungund Schlußabstimmung: Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, möge sich bitte erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist angenommen.Inzwischen kann ich das von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Schlußabstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zu dem Vertrag vom 24./25. Juni 1994 über den Beitritt des Königreichs Norwegen, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zur Europäischen Union auf Drucksache 12/7977 bekanntgeben. Abgegebene Stimmen: 573; mit Ja haben gestimmt 573,
kein Nein, keine Enthaltung.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 568; davon:ja: 568JaCDU/CSUDr. Ackermann, ElseAdam, UlrichDr. Altherr, Walter Franz Augustin, Anneliese Augustinowitz, Jürgen Austermann, Dietrich Bargfrede, Heinz-Günter Dr. Bauer, WolfBaumeister, BrigitteBelle, MeinradDr. Bergmann-Pohl, Sabine Bierling, Hans-Dirk Blank, RenateDr. Blens, Heribert Bleser, PeterDr. Blüm, NorbertBörnsen , Wolfgang Dr. Bötsch, WolfgangBohl, FriedrichBohlsen, Wilfried Borchert, Jochen Brähmig, KlausBreuer, PaulBrunnhuber, Georg Büttner , HartmutBuwitt, DankwardCarstens , Manfred Carstensen (Nordstrand),Peter HarryDehnel, Wolfgang Dempwolf, Gertrud Deres, KarlDeß, AlbertDiemers, RenateDörflinger, Werner Doss, Hansjürgen Dr. Dregger, Alfred Echternach, Jürgen Ehlers, Wolfgang Ehrbar, UdoEichhorn, MariaEngelmann, Wolfgang Eppelmann, RainerErler , Wolfgang Eylmann, HorstEymer, AnkeFalk, IlseDr. Faltlhauser, Kurt Feilcke, JochenDr. Fell, Karl H.Fockenberg, Winfried Francke , Klaus Frankenhauser, Herbert Dr. Friedrich, Gerhard Fritz, Erich G.Fuchtel, Hans-Joachim Ganz , JohannesDr. Geiger , Sissy Geis, NorbertDr. Geißler, HeinerDr. von Geldern, Wolfgang Gerster , Johannes Gibtner, HorstGlos, MichaelGöttsching, Martin Dr. Götzer, Wolfgang Gres, JoachimGrochtmann, Elisabeth Grotz, Claus-PeterDr. Grünewald, Joachim Günther , Horst Frhr. von Hammerstein,Carl-DetlevHarries, KlausHaschke , GottfriedHaschke , Udo Hasselfeldt, Gerda Haungs, RainerHauser , Otto Hauser (Rednitzhembach), HansgeorgHedrich, Klaus-Jürgen Heise, ManfredDr. Hellwig, RenateDr. h. c. Herkenrath, Adolf Dr. Herr, NorbertHiebing, Maria Anna Hinsken, ErnstHintze, PeterHörsken, Heinz-Adolf Hörster, JoachimDr. Hoffacker, Paul Hollerith, JosefDr. Hornhues, Karl-Heinz Hornung, Siegfried Hüppe, HubertJäger, ClausJaffke, SusanneDr. Jahn ,Friedrich-Adolf Janovsky, Georg Jeltsch, KarinDr. Jobst, Dionys Dr.-Ing. Jork, Rainer Dr. Jüttner, EgonJung , Michael Junghanns, UlrichDr. Kahl, Harald Kampeter, Steffen Dr.-Ing. Kansy, Dietmar Karwatzki, Irmgard Kauder, VolkerKeller, PeterKiechle, IgnazKlein , GünterKlein , Hans Klinkert, UlrichKöhler ,Hans-UlrichDr. Köhler ,VolkmarKolbe, Manfred Kors, Eva-Maria Koschyk, Hartmut Kossendey, Thomas Kraus, RudolfKrause , Wolfgang Krey, Franz Heinrich Kriedner, ArnulfKronberg, Heinz-Jürgen Dr.-Ing. Krüger, Paul Krziskewitz, Reiner Lamers, KarlDr. Lammert, NorbertLamp, Helmut Lattmann, Herbert Dr. Laufs, Paul Laumann, Karl-JosefLenzer, Christian Dr. Lieberoth, Immo Limbach, EdithaLink , Walter Lintner, EduardDr. Lippold ,Klaus W.Dr. Lischewski, Manfred Löwisch, Sigrun Lohmann ,WolfgangLummer, Heinrich Dr. Luther, MichaelMaaß , Erich Männle, UrsulaMagin, TheoDr. Mahlo, Dietrich Marienfeld, Claire Marschewski, Erwin Dr. Mayer ,MartinMeckelburg, Wolfgang Meinl, RudolfDr. Merkel, Angela Michalk, MariaMichels, Meinolf Dr. Möller, FranzMüller , Elmar Müller (Wesseling), Alfons Nelle, EngelbertDr. Neuling, Christian Neumann , Bernd Niedenthal, ErhardNitsch, Johannes Nolte, ClaudiaDr. Olderog, Rolf Ost, FriedhelmOswald, EduardOtto , Norbert Dr. Päselt, Gerhard Dr. Paziorek, Peter Pesch, Hans-Wilhelm Petzold, UlrichPfeifer, AntonDr. Pfennig, GeroDr. Pflüger, Friedbert Dr. Pinger, Winfried Pofalla, RonaldDr. Pohler, Hermann Dr. Protzner, Bernd Pützhofen, DieterRahardt-Vahldieck, Susanne Raidel, HansDr. Ramsauer, Peter Rau, RolfRauen, Peter Harald Rawe, Wilhelm
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20836 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Vizepräsident Hans KleinReichenbach, Klaus Reinhardt, ErikaRepnik, Hans-Peter Dr. Rieder, Norbert Riegert, KlausDr. Riesenhuber, Heinz Ringkamp, Werner Rode , Helmut Rönsch (Wiesbaden),HanneloreRomer, FranzDr. Rose, KlausRossmanith, Kurt J. Roth , Adolf Rother, HeinzDr. Ruck, Christian Rühe, VolkerDr. Rüttgers, Jürgen Sauer , Helmut Sauer (Stuttgart), Roland Schätzle, OrtrunDr. Schäuble, Wolfgang Schell, ManfredSchemken, Heinz Scheu, GerhardSchmidbauer, Bernd Dr. Schmidt, ChristaSchmidt , Christian Dr. -Ing. Schmidt (Halsbrücke),JoachimSchmidt , Andreas Schmidt (Spiesen), Trudi Schmitz (Baesweiler),Hans Petervon Schmude, MichaelDr. Schockenhoff, Andreas Graf von Schönburg-Glauchau, Joachim Dr. Schotz, Rupert Frhr. von Schorlemer,ReinhardSchulhoff, WolfgangDr. Schulte , DieterSchulz , Gerhard Schwalbe, Clemens Schwarz, StefanDr. Schwarz-Schilling, ChristianDr. Schwörer, Hermann Seehofer, HorstSeesing, Heinrich Seibel, WilfriedSeiters, RudolfSikora, JürgenSkowron, Werner H. Sothmann, Bärbel Spranger, Carl-Dieter Dr. Sprung, RudolfSteinbach-Hermann, ErikaDr. Stercken, Hans Dr. Frhr. von Stetten, WolfgangStockhausen, KarlDr. Stoltenberg, Gerhard Strube, Hans-Gerd Stübgen, MichaelDr. Süssmuth, Rita Susset, EgonSzwed, DorotheaTillmann, FerdiDr. Töpfer, KlausDr. Uelhoff, Klaus-Dieter Verhülsdonk, Roswitha Vogt , Wolfgang Dr. Voigt (Northeim),Hans-PeterDr. Vondran, Ruprecht Dr. Waffenschmidt, Horst Dr. Waigel, TheodorGraf von Waldburg-Zeil, Alois Dr. Warnke, JürgenDr. Warrikoff, Alexander Werner , Herbert Wetzel, KerstenWiechatzek, Gabriele Dr. Wilms, Dorothee Wilz, BerndWimmer , Willy Dr. Wisniewski, Roswitha Dr. Wittmann, Fritz Wittmann (Tännesberg),SimonWonneberger, Michael Wülfing, ElkeWürzbach, Peter Kurt Yzer, CorneliaZeitlmann, Wolfgang Zöller, WolfgangSPDAdler, Brigitte Andres, Gerd Bachmaier, HermannBarbe, Angelika Bartsch, HolgerBecker , Helmuth Becker-Inglau, IngridBerger, HansBeucher, Friedhelm Julius Bindig, RudolfBlunck , Lieselott Bock, TheaDr. Böhme , Ulrich Börnsen (Ritterhude), Arne Brandt-Elsweier, AnniDr. Brecht, EberhardBüchler , HansBüchner , PeterDr. von Bülow, Andreas Büttner , Hans Bulmahn, Edelgard Burchardt, UrsulaBury, Hans Martin Caspers-Merk, Marion Catenhusen, Wolf-Michael Conradi, Peter Daubertshäuser, KlausDr. Diederich , Nils Diller, KarlDr. Dobberthien, Marliese Duve, FreimutDr. Eckardt, PeterDr. Ehmke , Horst Eich, LudwigErler, Gernot Esters, HelmutFischer , Lothar Formanski, NorbertFuchs , Anke Fuhrmann, Arne Gansel, Norbert Dr. Gautier, Fritz Gilges, Konrad Gleicke, IrisDr. Glotz, Peter Graf, Günter Großmann, AchimHaack ,Karl Hermann Hacker, Hans-Joachim Hämmerle, Gerlinde Hampel, Manfred Hanewinckel, ChristelDr. Hartenstein, Liesel Hasenfratz, KlausDr. Hauchler, Ingomar Heistermann, DieterHeyenn, GüntherHiller , ReinholdDr. Holtz, Uwe Horn, ErwinHuonker, Gunter Ibrügger, Lothar Iwersen, Gabriele Jäger, Renate Janz, IlseDr. Janzen, Ulrich Dr. Jens, Uwe Kastner, Susanne Kemper, Hans-Peter Kirschner, Klaus Klappert, MarianneDr. Klejdzinski, Karl-Heinz Klemmer, SiegrunKlose, Hans-UlrichDr. Knaape, Hans-Hinrich Körper, Fritz RudolfKolbe, Regina Kolbow, Walter Koltzsch, Rolf Kretkowski, Volkmar Kubatschka, Horst Dr. Kübler, Klaus Kuessner, Hinrich Dr. Küster, Uwe Kuhlwein, Eckart Lambinus, Uwe Lange, Brigittevon Larcher, Detlev Leidinger, Robert Lennartz, KlausDr. Leonhard-Schmid, Elke Lörcher, ChristaLohmann , KlausDr. Lucyga, ChristineMaaß , DieterMarx, DorleMascher, Ulrike Matthäus-Maier, Ingrid Mattischeck, Heide Meckel, MarkusMehl, UlrikeMeißner, HerbertDr. Mertens , Franz-JosefDr. Meyer , Jürgen Mosdorf, SiegmarMüller , Michael Müller (Pleisweiler), Albrecht Müller (Schweinfurt), Rudolf Müller (Zittau), ChristianNeumann , Volker Dr. Niehuis, EdithDr. Niese, Rolf Odendahl, Doris Oesinghaus, Günter Oostergetelo, Jan Opel, ManfredDr. Otto, Helga Palis, KurtPaterna, PeterDr. Penner, WillfriedPeter , Horst Dr. Pick, Eckhart Poß, JoachimRappe , Hermann von Renesse, Margot Rennebach, RenateReschke, Otto Reuschenbach, Peter W. Reuter, BerndRixe, GünterSchaich-Walch, Gudrun Schanz, Dieter Scheffler, Siegfried Schily, OttoSchloten, Dieter Schluckebier, Günter Schmidbauer ,HorstSchmidt , Ursula Schmidt (Salzgitter), Wilhelm Schmidt-Zadel, ReginaDr. Schmude, JürgenDr. Schnell, EmilDr. Schöfberger, Rudolf Schöler, Walter Schreiner, Ottmar Schröter, GiselaSchütz, DietmarSchulte , BrigitteDr. Schuster, R. Werner Schwanhold, Ernst Schwanitz, Rolf Seidenthal, Bodo Seuster, LisaSielaff, HorstSinger, JohannesDr. Skarpelis-Sperk, SigridDr. Sonntag-Wolgast, Cornelie Dr. Sperling, DietrichSteen, Antje-Marie Stiegler, Ludwig Dr. Struck, Peter Tappe, Joachim Terborg, Margitta Dr. Thalheim, GeraldThierse, Wolfgang Titze-Stecher, Uta Toetemeyer, Hans-Günther Urbaniak, Hans-Eberhard Vergin, Siegfried Verheugen, GünterDr. Vogel, Hans-JochenVoigt , Karsten D. Vosen, JosefWagner, Hans GeorgWallow, Hans Waltemathe, Ernst Walter , RalfWalther , Rudi Wartenberg (Berlin), GerdDr. Wegner, Konstanze Weiermann, WolfgangWeiler, Barbara Weisheit, Matthias Weißgerber, GunterWeisskirchen , Gert Welt, JochenDr. Wernitz, Axel Westrich, Lydia Wettig-Danielmeier, IngeDr. Wetzel, Margrit Weyel, GudrunWieczorek , Helmut Wieczorek-Zeul, Heidemarie Wimmer (Neuötting), HermannDr. de With, Hans Wittich, Berthold Wohlleben, Verena Wolf, HannaZapf, UtaDr. Zöpel, ChristophF.D.P.Albowitz, InaBaum, Gerhart RudolfDr. Blunk , Michaela Eimer (Fürth), Norbert Engelhard, Hans A.van Essen, Jörg Dr. Feldmann, Olaf Friedhoff, Paul K. Friedrich, Horst Funke, RainerDr. Funke-Schmitt-Rink,MargretGallus, Georg Ganschow, Jörg Gries, Ekkehard Grünbeck, Josef Grüner, Martin
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20837
Vizepräsident Hans KleinGünther , Joachim Dr. Guttmacher, Karlheinz Hansen, DirkDr. Haussmann, Helmut Heinrich, UlrichDr. Hirsch, Burkhard Dr. Hitschler, Walter Homburger, Birgit Dr. Hoth, SigridDr. Hoyer, Werner Irmer, UlrichDr. Jordan, JensKleinert , Detlef Kohn, RolandDr. Kolb, Heinrich L. Koppelin, JürgenDr.-Ing. Laermann, Karl-Hans Dr. Graf Lambsdorff, Otto Leutheusser-Schnarrenberger,SabineLüder, WolfgangLühr, UweDr. Menzel, Bruno Mischnick, Wolfgang Nolting, Günther Friedrich Dr. Ortleb, RainerOtto ,Hans-JoachimPaintner, JohannParr, DetlefPeters, LisaDr. Pohl, EvaRichter , ManfredRind, HermannDr. Röhl, KlausSchäfer , Helmut Schmidt (Dresden), Arno Dr. Schmieder, Jürgen Dr. Schnittler, Christoph Schüßler, GerhardDr. Schwaetzer, Irmgard Sehn, MaritaSeiler-Albring, Ursula Dr. Semper, SigridDr. Solms, Hermann OttoDr. Starnick, Jürgen Thiele, Carl-Ludwig Dr. Thomae, DieterTimm, Jürgen Türk, Jürgen Walz, Ingrid Dr. Weng ,Wolfgang Würfel, Uta Zurheide, BurkhardZywietz, WernerPDS/Linke ListeBläss, PetraDr. Fischer, Ursula Dr. Fuchs, Ruth Dr. Gysi, Gregor Henn, BerndDr. Heuer, Uwe-JensDr. Höll, Barbara Jelpke, UllaDr. Keller, Dietmar Lederer, Andrea Dr. Modrow, Hans Philipp, Ingeborg Dr. Schumann ,FritzDr. Seifert, IljaBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENDr. Feige, Klaus-Dieter Köppe, IngridPoppe, GerdSchulz , Werner Dr. Ullmann, Wolfgang Weiß (Berlin), Konrad Wollenberger, VeraFraktionslosDr. Briefs, Ulrich Lowack, Ortwin Schenk, ChristinaDer Gesetzentwurf ist angenommen.
— Ich glaube, es ist zulässig, wenn ich übermittle, daß dieses Ergebnis auch der Europäerin Würfel besonders gutgetan hat.Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines ersten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsunfallstatistikgesetzes,
Drucksachen 12/7522 und 12/8116. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen, um ihr Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen.Dritte Beratungund Schlußabstimmung: Wer dem Gesetzentwurfzustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist angenommen.Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Gesetzentwurf zur Übernahme der Beamten und Arbeitnehmer der Bundesanstalt für Flugsicherung, Drucksache 12/8038. Der Ausschuß für Verkehr empfiehlt auf Drucksache 12/8115, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Wer diesem Gesetzentwurf zustimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. — Wer lehnt ihn ab? — Wer enthält sich der Stimme? — Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen.Dritte Beratungund Schlußabstimmung: Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, möge sich bitte erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist angenommen.Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Gesetzentwurf über die Errichtung einer Bundeskanzler-WillyBrandt-Stiftung, Drucksachen 12/7880 und 12/8134. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die diesem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen?— Wer enthält sich der Stimme? Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen.Dritte Beratungund Schlußabstimmung: Wer dem Gesetzentwurfzustimmt, möge sich bitte erheben. — Wer lehnt denGesetzentwurf ab? — Wer enthält sich seiner Stimme?- Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Gesetzentwurf zur Aussetzung der Vorschriften über die repräsentative Wahlstatistik für die Wahl zum 13. Deutschen Bundestag, Drucksache 12/8152. Der Innenausschuß empfiehlt auf Drucksache 12/8193, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Dieser Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen.Dritte Beratungund Schlußabstimmung: Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, möge sich bitte erheben. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Der Gesetzentwurf ist ebenfalls einstimmig angenommen.Abstimmung über den von der Fraktion der SPD eingebrachten Antrag zur Verlängerung des Moratoriums für die Zulassung von Rinder-Somatotropin, Drucksache 12/7972. Wer stimmt für den Antrag? — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme?— Der Antrag ist abgelehnt.Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung, Drucksachen 12/7492 und 12/8121. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Bei einer Stimmenthaltung aus der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist die Beschlußempfehlung einstimmig angenommen.Beschlußempfehlung des Aussschusses für Fremdenverkehr und Tourismus zu dem Antrag der Frak-
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20838 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Vizepräsident Hans Kleintion der SPD zur Förderung des Fahrradtourismus, Drucksache 12/7363. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der SPD auf Drucksache 12/3035 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Der Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlußempfehlung die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! — Wer enthält sich der Stimme? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Binnenschifffahrt, Drucksache 12/6611. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 12/6221 in der Ausschußfassung anzunehmen. Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zwei Enthaltungen aus der Gruppe PDS/Linke Liste und bei Enthaltung des fraktionslosen Abgeordneten Lowack ist die Beschlußempfehlung angenommen.Beschlußempfehlung des Ausschusses für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Kündigung des deutsch-brasilianischen Abkommens über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie, Drucksache 12/8067. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der SPD auf Drucksache 12/6881 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich seiner Stimme? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Stärkung der kommunalen NordSüd-Arbeit, Drucksache 12/8064. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der SPD auf Drucksache 12/6263 in der Ausschußfassung anzunehmen. Wer stimmt dem zu? — Wer lehnt es ab? — Wer enthält sich der Stimme? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zu Aufbau und Stärkung kommunaler Selbstverwaltungsstrukturen in Entwicklungsländern, Drucksache 12/8021, Nr. I. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 12/6727 in der Ausschußfassung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Wer lehnt sie ab? — Wer enthält sich der Stimme? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Der Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit empfiehlt unter Nr. II seiner Beschlußempfehlung die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Zur Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf Drucksache 12/7336 — das ist die Sammelübersicht 149 — liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 12/8136 vor. Wer stimmt fürden Änderungsantrag? — Gegenprobe! - Enthaltungen? — Der Änderungsantrag ist abgelehnt.Wer stimmt für die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses? — Gegenprobe! - Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf Drucksache 12/8091; das ist die Sammelübersicht 159. Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu? — Wer lehnt sie ab? — Wer enthält sich der Stimme? — Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung der Verordnung über die Gewährung von Vorruhestandsgeld, Drucksache 12/8039. Der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung empfiehlt auf Drucksache 12/8170, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen.Dritte Beratungund Schlußabstimmung: Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist gegen zwei Stimmen der Gruppe PDS/Linke Liste bei Enthaltung der SPD-Fraktion angenommen.Wir stimmen über den Antrag der Gruppe PDS/ Linke Liste zur Verlängerung der Bezugsdauer für Altersübergangsgeld auf Drucksache 12/8037 ab. Wer stimmt für diesen Antrag? — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Der Antrag ist gegen die Stimmen von PDS/Linke Liste bei Enthaltung der SPD-Fraktion abgelehnt.Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem Abkommen mit Brunei Darussalam über den Luftverkehr, Drucksache 12/7496. Der Ausschuß für Verkehr empfiehlt auf Drucksache 12/8112, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen möchten, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem Abkommen mit der Republik Polen über den Autobahnzusammenschluß im Raum Frankfurt/Oder und Schwetig, Drucksache 12/7495. Der Ausschuß für Verkehr empfiehlt auf Drucksache 12/8113, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Wer dem zustimmt, möge sich bitte erheben. — Wer lehnt ihn ab? — Wer enthält sich der Stimme? — Bei zwei Stimmenthaltungen aus der Gruppe PDS/Linke Liste ist der Gesetzentwurf angenommen.Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem Abkommen mit der Republik Lettland über die Seeschiffahrt, Drucksache 12/7769. Der Ausschuß für Verkehr empfiehlt auf Drucksache 12/8114, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Wer dem zustimmt, möge sich bitte erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20839
Vizepräsident Hans KleinAbstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem Abkommen mit der Russischen Föderation über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen, Drucksache 12/7506. Der Innenausschuß empfiehlt auf Drucksache 12/8092, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Wer dem zustimmt, möge bitte aufstehen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist bei zwei Stimmenthaltungen aus der Gruppe PDS/Linke Liste angenommen.Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem Europäischen Übereinkommen über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge, Drucksache 12/6852. Der Innenausschuß empfiehlt auf Drucksache 12/8094, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist bei einer Enthaltung aus der Gruppe PDS/Linke Liste angenommen.Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Aufhebung des Bannmeilengesetzes auf Drucksache 12/4530. Der Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung empfiehlt auf Drucksache 12/7857, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu einer außerplanmäßigen Ausgabe im Haushaltsjahr 1994, Drucksachen 12/7533 und 12/8103. Es handelt sich um die Soforthilfe des Bundes für die von Hochwasserschäden betroffenen Länder Sachsen- Anhalt und Thüringen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen eine Stimme aus der F.D.P.-Fraktion einstimmig angenommen.Beschlußempfehlung des Ausschusses für Frauen und Jugend zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD und F.D.P. zur Frauenförderung innerhalb der Europäischen Strukturförderung, Drucksache 12/8142 Nr. 1. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 12/7504 in der Ausschußfassung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Beschlußempfehlung des Ausschusses für Frauen und Jugend zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Frauenförderung, Drucksache 12/8142 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 12/4164 für erledigt zu erklären. Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu? — Gegenprobe! — Wer enthält sich der Stimme? — Diese Beschlußempfehlung ist angenommen.Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 a bis h sowie die Zusatzpunkte 4 und 5 auf:3. Wirtschaftsdebattea) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 15. April 1994 zur Errichtung der Welthandelsorganisation— Drucksache 12/7655 —
aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft
— Drucksache 12/8122 —Berichterstattung:Abgeordneter Erich G. Fritzbb) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 12/8125 —Berichterstattung:Abgeordnete Kurt Rossmanith Dr. Wolfgang Weng Helmut Wieczorek (Duisburg)b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die BundesregierungEntwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 15. April 1994 zur Errichtung der Welthandelsorganisationhier: Information über die multilateralen Übereinkommen der GATT-Uruguay-Runde, die nicht unter die nationale Gesetzgebungszuständigkeit fallen— Drucksachen 12/7986, 12/8122 — Berichterstattung:Abgeordneter Erich G. Fritzc) Beratung der Unterrichtung durch die BundesregierungFortschrittsbericht zum Bericht der Bundesregierung zur Zukunftssicherung des Standorts Deutschland— Drucksache 12/8090 —Überweisungsvorschlag:Ausschuß für Wirtschaft
Auswärtiger AusschußFinanzausschußAusschuß für Arbeit und SozialordnungAusschuß für Frauen und JugendAusschuß für Post und TelekommunikationAusschuß für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzungd) Beratung der Unterrichtung durch die BundesregierungBericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen gemäß § 12 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967 für die Jahre 1991 bis 1994 (14. Subventionsbericht)— Drucksache 12/5580 —Überweisungsvorschlag:Haushaltsausschuß Finanzausschuß
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20840 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Vizepräsident Hans KleinAusschuß für WirtschaftAusschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Arbeit und SozialordnungAusschuß für VerkehrAusschuß für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuß für Forschung, Technologie und TechnikfolgenabschätzungAusschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebaue) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Uwe Jens, Gerd Andres, Hans Berger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDFür eine neue Wirtschaftspolitik— Drucksache 12/7029 —Überweisungsvorschlag:Ausschuß für Wirtschaft
FinanzausschußAusschuß für Arbeit und SozialordnungAusschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschußf) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Uwe Jens, Gerd Andres, Hermann Bachmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDBeurteilung der wirtschaftlichen Krise nach konjunkturellen bzw. strukturellen Ursachen und ihre Auswirkung auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirt-schaf t— Drucksachen 12/6760, 12/7476 —g) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses
zu dem Antrag der Abgeordneten Karl Lamers, Peter Harry Carstensen , Rainer Haungs, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Ulrich Irmer, Manfred Richter (Bremerhaven), Wolfgang Lüder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.Stärkung der Zusammenarbeit mit Asienzu der Unterrichtung durch die BundesregierungAsien-Konzept der Bundesregierungzu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Ursula Fischer und der Gruppe der PDS/Linke Liste zu der Unterrichtung durch die BundesregierungAsien-Konzept der Bundesregierung— Drucksachen 12/5959, 12/6151, 12/6279, 12/7775 —Berichterstattung:Abgeordnete Willy Wimmer
Dr. Hartmut SoellDr. Helmut HaussmannDr. Hans Modrowh) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft
zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Uwe Jens, Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk, Wolfgang Roth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDArbeitsplätze in der deutschen Textil- und Bekleidungindustrie sichern, ihren Strukturwandel aktiv begleiten und unterstützenzu dem Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU und F.D.P.Die Strukturkrise der deutschen Textil- und Bekleitungsindustrie überwinden, den Textilstandort Deutschland erhalten— Drucksachen 12/4919, 12/7242,12/8025 —Berichterstattung: Abgeordnete Elke WülfingZP4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang Börnsen , Ernst Hinsken, Kurt J. Rossmanith, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich, Josef Grünbeck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur"— Drucksache 12/8153 —ZP5 Erste Beratung des von dem Abgeordneten Werner Schulz und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der Erfolgskontrolle bei der Vergabe von Subventionen— Drucksache 12/8150 —Zum Gesetzentwurf zu dem Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD vor.Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die gemeinsame Aussprache zwei Stunden vorgesehen. — Dagegen erhebt sich offensichtlich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Bundesminister für Wirtschaft, Dr. Günter Rexrodt, das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In einer Tageszeitung gab es vor einigen Tagen eine treffende Karikatur: Rudolf Scharping als Don Quichotte und Oskar Lafontaine als Sancho Pansa, beide im Kampf gegen die Windmühlen der Regierungspolitik. Gegen was kämpft die Opposition denn eigentlich? Schauen wir uns doch einmal um! Sie kämpft gegen eine Politik, die unbestreitbar neues Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Deutschland begründet hat.
Sie kämpft gegen einen klaren Kurs auf Marktwirtschaft und private Initiative, den wir mit Entschlossenheit verfolgt haben und für den wir international allergrößte Anerkennung gewonnen haben.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20841
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt1 Oder ist es nur die Tatsache, daß es nicht in das Wahlkampfkonzept der Opposition paßt, daß der Aufschwung stetig an Fahrt gewinnt?
Damit gewinnen Sie offenbar nichts. Die Feindbilder sind Ihnen abhanden gekommen. Alternativen sind nicht in Sicht. Meine Damen und Herren von der Opposition, worin besteht denn Ihre neue Wirtschaftspolitik?
Erst schieben Sie zehn Punkte vor, dann zwanzig, und dann schieben Sie das Regierungsprogramm nach.
Ich will aus diesem Sammelsurium, das voller Widersprüchlichkeiten ist, nur vier Punkte herausheben.Erstens. Sie kündigen in fröhlicher Unbekümmertheit eine solide Finanzpolitik und gleichzeitig neue staatliche Ausgabenprogramme für alles und für jeden an, für staatliche Investitionsprogramme in den neuen Bundesländern, für eine noch umfassendere Arbeitsmarktpolitik, für Mittelstand, für vom Staat definierte sogenannte Schlüsseltechnologien, für den Wohnungsbau und anderes mehr.Wieder einmal bleibt offen, aus welchen Mitteln das Subventionsfüllhorn der SPD gespeist werden soll. Bereits das 10-Punkte-Programm für mehr Arbeit, das offenbar die unübersichtlich gewordene Fülle programmatischer Aussagen zusammenfassen soll, ergibt Mehrausgaben, meine Damen und Herren, von 34 Milliarden DM.
Hier möchte ich Ihren Fraktionsvorsitzenden zitieren, der heute vormittag sagte:Wenn einer allen alles bezahlen will, dann muß er sagen, wie das zu finanzieren ist.
Diese Frage ist Ihnen zu stellen.Auch auf der Einnahmeseite werden neue Löcher gerissen. Der Verzicht auf den Solidarzuschlag bei gleichzeitiger Erhebung einer Ergänzungsabgabe würde Steuerausfälle in der Größenordnung von 7,5 Milliarden DM zusätzlich verursachen. Insgesamt stellt das wirtschaftspolitische Konzept der SPD einen ungedeckten Scheck in Höhe von über 50 Milliarden DM dar.
Meine Damen und Herren, Nummer 2 aus diesem Sammelsurium : Forschung und Technologie, die Entwicklung neuer Produkte bis hin zur Markteinführung, das sind für Sie offensichtlich in erster Linie staatliche Aufgaben. Zukunftssicherung nicht durch Kreativität und Leistungsfähigkeit der Unternehmen, sondern durch die Weitsicht eines gesamtstaatlichen Zukunfts- und Technologierates, das ist eine Vorstellung, von der ich meine, daß sie nicht nur gegenbesseres Wissen verstößt, sondern auch gegen vorherige, eigentlich vernünftigere Aussagen.Herr Jens, Sie haben in der FAZ vor ca. einem Jahr folgendes geschrieben.
— Das fällt mir manchmal schwer. Das ist schon wahr. Aber trotzdem hat er geschrieben:Zukunftsträchtige Entwicklungen können nur schwer prognostiziert werden. Wenn es jemand kann, dann können es nach meiner Überzeugung am Markt tätige Unternehmen besser als Beamte.Wie wahr, Herr Kollege Jens.
Wie schade, daß Sie nicht bei dieser Einsicht geblieben sind! Auch wir wollen den Dialog in Technik und Zukunftsfragen, aber keine Verwischung der Verantwortlichkeiten.Nun zu Nummer 3. Wenn man der SPD glaubt, dann verfügt sie mit einem Konzept für eine umfassende ökologische Steuerreform über eine Wunderwaffe, die sowohl Umwelt- als auch Beschäftigungsprobleme schnell und umfassend lösen kann. Bei näherer Betrachtung reduziert sich dann dieses sogenannte Konzept aber sehr schnell auf die altbekannte Forderung nach drastisch steigenden Energiepreisen.
Meine Damen und Herren, natürlich führt kein Weg daran vorbei, die Kosten des Umweltschutzes im Rahmen marktwirtschaftlicher Mechanismen den Verursachern anzulasten. Aber wir müssen im Auge haben, daß die Wirtschaft durch Umwelt- und Energiesteuern gerade in einer Phase des Aufschwungs wie der heutigen nicht überfordert wird.
Wir dürfen nicht vergessen, daß ein nationaler Alleingang mit allen Konsequenzen für unsere Wettbewerbsfähigkeit Umweltprobleme nicht ohne weiteres löst, sondern nur ins Ausland verlagert. Deshalb unser Einsatz für eine mindestens aufkommensneutrale CO2-/Energie-Steuer. Niemand bestreitet, daß Ökologie und Ökonomie am meisten gedient wäre, wenn diese CO2-/Energie-Steuer mindestens europaweit käme.
Wie die Grünen auch verschließt die SPD die Augen vor simplen ökonomischen Zusammenhängen. Statt dessen zieht sie es vor, unerfüllbare Erwartungen zu wecken. Sie tut dies auch mit einem Änderungsentwurf zum Stabilitäts- und Wachstumsgesetz, der ebenfalls heute zur Diskussion steht. Als wenn die Ergänzung des Gesetzes um die Worte „ökologisches Gleichgewicht" und eine Flut neuer Berichte auch nur einen einzigen konkreten Beitrag für den Umweltschutz bringen würden!Wir wollen Umweltschutz durch Beschränkung des Ordnungsrechts. Wir wollen Umweltschutz durch pretiale Lenkung und freiwillige Vereinbarungen. Unser
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20842 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Bundesminister Dr. Günter RexrodtAnsatz für mehr Umweltschutz ist ein marktwirtschaftlicher Ansatz und nicht ein ordnungsrechtlicher Ansatz.
Viertens. Zur Kernaufgabe der Wirtschaftspolitik, der Schaffung neuer Freiräume für wirtschaftliche Dynamik, für private Leistungsfähigkeit und damit für neue Arbeitsplätze bleiben Sie weitgehend stumm. Ein bißchen Deregulierung, ein bißchen Privatisierung und ein bißchen Reform im sozialen Bereich, aber nur dort, wo es um Gottes willen die Klientel nicht verärgert.
— Sie praktizieren das jeden Tag neu, daß Sie Klientelpolitik machen. Sie praktizieren das gerade in diesen Tagen, und die Bürger haben das durchschaut.Wo bleibt denn das Bekenntnis der SPD zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit und der Finanzierbarkeit unserer sozialen Sicherungssysteme? Wo bleibt denn die Bereitschaft für ein Subventionsabbaugesetz, das man ernst nehmen könnte?
Sie fordern es doch ein. Wie ist denn Ihre Haltung in den heiklen Bereichen, wenn es beispielsweise darum geht, die Kohlesubventionen abzubauen, die wir uns nicht mehr leisten können?
Glücklicherweise haben die Gewerkschaften — nicht alle Gewerkschaften, aber einige und vor allem einige wichtige — in vielen Tarifrunden eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes hingenommen und haben sich aufgeschlossener gezeigt als die SPD. Bewegung, Veränderung und Auflösung von überholten Strukturen: Das geht nicht von Ihnen aus, das geht von anderen aus. Wirtschaftliches Handeln und das, was Anspruch ist, klaffen auseinander.Ich darf ganz objektiv hier feststellen: Das Saarland hat sich aus vielen Gründen — ich gebe zu, auch aus objektiv zu berücksichtigenden Gründen — ins wirtschaftliche Abseits manövriert, wo der Abstand zum Bundesdurchschnitt immer größer wird und die Unternehmen Schwierigkeiten haben, dorthin zu kommen.
Sie laufen weg.Die Pro-Kopf-Verschuldung macht 13 000 DM aus. Im nicht gerade vorbildlichen Rheinland-Pfalz ist es ungefähr die Hälfte, und in Bayern liegt die ProKopf-Verschuldung bei 3 000 DM. Herr Schröder betreibt fröhlich eine Industriepolitik, die auf Kosten des Steuerzahlers die Probleme nicht löst, sondern über Wahltermine hinwegführen will.Das ist keine neue Wirtschaftspolitik. Das ist ein Neuaufguß längst abgeschriebener und nicht bewährter Rezepte aus der sozialistischen Mottenkiste.
— Dem konzeptionslosen Hin und Her können wir mit aller Gelassenheit klare Fakten gegenüberstellen. Das war das richtige Stichwort, Herr Kollege Jens.Vor einer Woche habe ich eine Bilanz für die Politik zum Standort Deutschland vorgelegt. Ich kann zunächst einmal sagen: Von den dort vorgesehenen Maßnahmen haben wir drei Viertel abgeschlossen oder auf den Weg gebracht. Wir haben im Gegensatz zu Ihren Vorschlägen ein Maßnahmepaket aus einem Guß gemacht, das sich an folgenden Schwerpunkten orientiert.Wir haben eine klare Perspektive für den Abbau staatlicher Ausgaben und Defizite mit einer konsequenten Sparpolitik vorgegeben. Wir machen damit den Weg für steuerliche Entlastungen frei. Diese sind unverzichtbar. Wir haben allen Grund, uns selbst zu loben.
Das ist schon wahr.
Wir sind ein gutes Stück beim Abbau von Hindernissen für private Initiativen, beim Abbau von Regulierungen, bei der Privatisierung und der Stärkung des Wettbewerbs vorangekommen. Nun sind die Länder und Kommunen gefordert, wo Sie zum großen Teil das Sagen haben und wo wenig oder nichts passiert.Wir haben die Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes von der Aufhebung des Vermittlungsmonopols der Bundesanstalt für Arbeit bis hin zu verbesserten Möglichkeiten bei der Teilzeitarbeit gestärkt, und zwar ohne die von Ihnen geforderten staatlichen Zuschüsse. Wir geben neue Impulse für die technologische Entwicklung in unserem Land. Wir fördern mittelständische Unternehmen, die die Basis für Wohlstand und Beschäftigung schaffen.Wir haben die Präsenz Deutschlands auf den boomenden Märkten in Asien und Lateinamerika verbessert. Das Asien-Konzept und der Asien-PazifikAusschuß haben einiges in Bewegung gebracht. Im Export in diese Region haben wir eine Steigerung von 14 % und nach China sogar eine von 67 %. Das ist Bestandteil unseres wirtschaftlichen Erfolgsprogrammes.
Zu dieser Bilanz gehört auch die Sicherung offener Märkte und eines freien Welthandels.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Mosdorf?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, bitte.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20843
Bitte, Kollege Mosdorf.
Herr Minister, ich habe eine Frage an Sie. Mir liegt ein Dokument des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks vor — vor wenigen Tagen ist das vorgelegt worden —, in dem 34 Punkte aufgeführt worden sind, in denen das Handwerk in der Bilanz die Arbeit Ihrer Regierung bedauert: die Abschaffung der Förderung der Meisterschüler, die Verschlechterung der Zinsverbilligung usw. Sie kennen dieses Papier, das vor wenigen Tagen vorgelegt worden ist. Wenn Sie sagen, Sie hätten allen Grund, sich selbst zu loben, worauf führen Sie zurück, daß das Handwerk Sie nicht lobt und auch die Wähler Sie nicht loben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe hier nicht vor, mich über Lob oder Nichtlob einzelner Verbände auszulassen.
Ich kann Ihnen nur sagen — das ist das Ergebnis zahlreicher Beratungen und zahlreicher Kontakte mit dem Handwerk , daß das Handwerk mit unserer Politik voll einverstanden ist
und daß das Handwerk unsere Politik in der Zielrichtung und in unseren Maßnahmen für richtig hält. Daß ein Wirtschaftsverband dieses Gewichts immer zusätzliche Wünsche und Vorstellungen hat, die wir aber mit Blick auf das Ganze nicht immer voll erfüllen können, das ist Ihnen doch bekannt. Das wissen Sie doch. Insofern geht Ihre Frage ins Leere. Sprechen Sie mit Vertretern des Handwerks! Fragen Sie nach der Bewertung unserer Politik, und Sie werden volle Zustimmung hören, meine Damen und Herren.
Herr Minister, gestatten Sie noch eine Frage des Kollegen Dr. Hitschler?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, ich lasse diese Frage gerne zu.
Herr Minister, haben Sie Anlaß, davon auszugehen, daß es dem deutschen Handwerk schlechtgeht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe alles andere als Anlaß, davon auszugehen, daß es dem deutschen Handwerk schlechtgeht. Dem deutschen Handwerk geht es gut. Die Wachstumsraten sind höher als in anderen Bereichen. Die Zahl der Neugründungen im Handwerk kann sich sehen lassen. Das ist ein Wirtschaftszweig, der boomt, der selbst
die Rezession gut überstanden hat, der darauf auch stolz ist
und der uns immer wieder vermittelt hat, daß unsere Politik, die nämlich auf Stärkung der Marktkräfte und Förderung der Existenzgründungen gerade in diesem Bereich ausgerichtet ist, dazu einen wesentlichen Beitrag geleistet hat.
Herr Minister, lassen Sie eine weitere Frage zu?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, ich würde, wenn Sie gestatten, sehr gerne fortfahren, Herr Kollege Hinsken.
Ich spreche über unsere Bilanz, die Ihrem konzeptionslosen Hickhack und der Suche nach Positionen, die sich von den unseren abheben, gegenübersteht. Ich möchte in diesem Zusammenhang die Sicherung der offenen Märkte und des freien Welthandels anführen. Wir haben vor, uns sehr stark gegen die Kinderarbeit und für den besseren Schutz der Umwelt einzusetzen und uns damit im Zusammenhang stehenden Handelsproblemen zu widmen. Aber wir werden es nicht zulassen, daß unter Vorschieben dieser Themen — so ernst sie sind — durch die Hintertür Protektionismus in der Europäischen Union eingeführt wird.
In dieser Debatte wird abschließend das Vertragspaket von Marrakesch behandelt. Der Bundesrat wird das nächste Woche tun. Dieses außergewöhnlich komplexe und umfangreiche Vertragswerk wurde in den Ausschüssen von Bundestag und Bundesrat sowie in den Fraktionen schnell beraten. Ich möchte mich über die Parteigrenzen sehr herzlich dafür bedanken.Meine Damen und Herren, wir haben den Forderungen nach staatlichem Aktionismus, nach Interventionismus und Protektionismus einen klaren Kurs der marktwirtschaftlichen Stärkung des Standorts Deutschland entgegengestellt. Wir sind dabei von einer realistischen Analyse der Stärken und Schwächen ausgegangen und haben Antworten darauf gefunden.Die Entwicklung zeigt, daß das Vertrauen in die deutsche Wirtschaft zurückgewonnen werden konnte; die Entwicklung der Konjunkturdaten macht das deutlich. Wir werden ein Wachstum haben, das über die bisherigen Erwartungen hinausgeht; auch ein Wert über 1,5 % ist nicht ausgeschlossen. Wir haben in den neuen Bundesländern eine gute Entwicklung. Auch was den Arbeitsmarkt angeht, haben wir dort eine erste Stabilisierung und Wachstum, selbstverständlich auf niedrigem Niveau, aber doch in der Größenordnung von 8 %, erreicht.
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20844 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Bundesminister Dr. Günter RexrodtDies alles ist von den Kolleginnen und Kollegen, die hier sitzen, noch vor wenigen Wochen und Monaten sehr intensiv als Schönfärberei und Berufsoptimismus bezeichnet worden.
Wir kommen voran; der Aufschwung findet statt.Ich sage aber uns allen: Wir dürfen trotz dieses Aufschwungs nicht nachlassen, wenn es darum geht, die wirklichen, die strukturellen Probleme in diesem Lande zu lösen. Diese sind noch lange nicht gelöst. Es ist noch vieles an Erstarrungen aufzubrechen. Ich bin fest davon überzeugt, daß wir, weil wir Veränderungen wollen und weniger — ich sage nicht: nicht — im Besitzstandsdenken verhaftet sind, mehr Kraft haben werden, um dies voranzubringen. Das ist auch notwendig. Die hohe Arbeitslosigkeit und die dringend notwendige Schaffung neuer, dauerhafter Arbeitsplätze in unserem Land haben allererste Priorität.Wir wollen die Arbeitslosigkeit bekämpfen — ich komme zum letzten Absatz, Herr Präsident -, Investoren in Deutschland halten, ausländische Investoren in unser Land holen und Steuern senken. Wie wollen Sie das schaffen, wenn Sie auf den Wunschpartner Ihrer Basis, wenn Sie auf die GRÜNEN setzen? Wie steht es dann mit Technologie und freiem Welthandel? Meine Damen und Herren, die Bürger werden zwischen verwaschenen, unfinanzierbaren Plänen auf der einen Seite und einer seriösen Strukturpolitik sowie einer konjunkturellen Erholung auf der anderen Seite zu unterscheiden wissen.Schönen Dank.
Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt dem Ministerpräsidenten des Saarlandes, Herrn Oskar Lafontaine, das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst bei den Kolleginnen und Kollegen, die nach mir sprechen werden, entschuldigen, wenn ich der Debatte nicht ganz folgen kann. Sie war mir für einen früheren Zeitpunkt annonciert worden; ich habe am späten Nachmittag andere Termine. Ich bitte insoweit um Entschuldigung.
Ich wollte heute zunächst zu zwei Punkten Stellung nehmen, von denen ich erwartet hätte, daß sie auch der Bundeswirtschaftsminister zumindest angesprochen hätte, zu zwei Punkten, die uns Veranlassung zur Diskussion sein müßten.
Es wird allgemein begrüßt, daß die Auslandsnachfrage anstieg und dies eine erste wichtige Entwicklung ist, die unsere Konjunktur in Gang bringen kann.
Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hinsken?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe zwar überhaupt noch nichts gesagt,
aber vielleicht hat er etwas Wesentliches beizutragen. Bitte schön.
Bitte, Kollege Hinsken.
Selbstverständlich, Herr Ministerpräsident, haben Sie etwas gesagt. Sie sagten, daß Sie nicht der ganzen Debatte beiwohnen können. Deswegen habe ich mich gemeldet. Ich möchte Sie fragen, warum Sie heute überhaupt nach Bonn gekommen sind, um hier aufzutreten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, es ist nun einmal so, daß im Grundgesetz steht, daß die Mitglieder des Bundesrates jederzeit das Wort nehmen können. Merken Sie sich: Wann ich hier auftrete und wann nicht, entscheide ich und nicht Sie. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.
Meine Damen und Herren, ich möchte zu zwei wesentlichen Punkten der letzten Entwicklung Stellung nehmen. Es sind zwei Punkte, die dem Bundeswirtschaftsminister eigentlich zu denken geben sollten: Das sind die Entwicklung des Dollarkurses und die Entwicklung der langfristigen Zinsen. Dazu hat der Bundeswirtschaftsminister nicht Stellung genommen; ich bedaure dies sehr. Wir können aber nicht an der Tatsache vorbeigehen, daß die Entwicklung dieser beiden entscheidenden Größen unserer wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eine entscheidende Herausforderung auch für die Politik der Bundesregierung darstellen. Ich will dies nachher begründen.Wenn die Entwicklung so weitergeht, wenn sich der Dollar in dieser Art und Weise entwickelt und die Zinsen am langen Ende weiter ansteigen, dann kann der eine oder andere seine Prognosen, die er bisher aufrechterhalten hat, sehr schnell revidieren.Meine Damen und Herren, es ist ja gut, daß im ersten Quartal 1994 die weltweiten Konjunkturergebnisse durchaus befriedigend waren. Wir müssen uns aber kritisch fragen: Auf welche Faktoren sind diese Entwicklungen zurückzuführen? Da ist zunächst einmal eine weltweite Zinswende festzustellen, von der ich bereits gesprochen habe, die bei den Investoren den Eindruck hervorgerufen hat, so günstig könne man nun für lange Zeit kein Investitionskapital mehr bekommen. Diese weltweite Zinswende hat dazu geführt, daß bestimmte Investitionen schlicht und einfach vorgezogen worden sind.Zweitens. In einer ganzen Reihe von Ländern, die im Außenhandel mit uns verflochten sind, gibt es wirtschaftspolitische Maßnahmen — z. B. Abwrackprämien —, die die Anschaffung von Investitionsgütern begünstigen.Drittens. Wie alle wirtschaftswissenschaftlichen Institute feststellen, stützt sich die private Nachfrage
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20845
Ministerpräsident Oskar Lafontaine
bei sinkendem Realeinkommen derzeit noch auf ein Entsparen der Haushalte. Eine solche Entwicklung kann nach Adam Riese nicht von Dauer sein.Die Frage ist also: Wie wird das weitergehen? Wir müssen davon ausgehen, daß sich das Entsparen nicht ohne weiteres fortsetzen wird. Schonjetzt gibt es dafür klare Anzeichen im Einzelhandel und in der Verbrauchsgüterindustrie. Wir müssen erkennen, daß die Abwrackprämien etwa in unserem Nachbarland Frankreich zeitlich befristet sind und daß sie zu Effekten geführt haben, die nicht von Dauer sind. Zum dritten müssen wir zur Kenntnis nehmen, daß der Zinsanstieg der stärkste jemals zu Beginn eines Aufschwungs verzeichnete ist und daß die damit einhergehenden Turbulenzen an den Finanzmärkten — die Abwertung des Dollars — massive Auswirkungen auf unsere Konjunktur und auf den Arbeitsmarkt haben können.Der anhaltende Anstieg der langfristigen Zinsen verhindert eine durchgreifende Belebung der Investitionstätigkeit und hindert damit die zukünftige Schaffung neuer Arbeitsplätze, die wir dringend brauchen. Ebenfalls unstrittig ist, daß ein schwacher Dollar die Erholung unserer Exportkonjunktur gefährdet. Daher bietet sich die Frage an: Wie reagiert unsere Bundesregierung auf diese Entwicklung?Es gibt ja nun einmal ein Datum, das wohl nicht zu einem Kaffeekränzchen-Datum heruntergeredet werden kann, nämlich den Weltwirtschaftsgipfel vom 8. bis zum 10. Juli. Da wäre es angemessen gewesen, wenn der Sprecher der Bundesregierung deren Reaktionen auf diese beiden für die Rahmendaten unserer Wirtschaft wichtigen Veränderungen genannt hätte. Aber dazu kam kein einziges Wort, meine Damen und Herren.
Ich will daher sagen, was wir Sozialdemokraten dringend anmahnen. Wenn sich der Aufschwung weiter fortsetzen soll, muß die Bundesregierung auf dieser Konferenz dringend darauf hinwirken, daß die Abstimmung der Geld- und Finanzpolitik und die Stabilisierung des Dollars im Rahmen der G 7 angestrebt und weitere Zinssenkungen in Europa ermöglicht werden, um die Rückkehr der Anleger in langfristige Titel und in den Dollar zu fördern. Notwendig ist ebenso ein überzeugendes Konsolidierungskonzept für die Staatsfinanzen, um die Verunsicherung an den Kapitalmärkten nicht weiter zu schüren.
— Herr Kollege Ost, ich will Ihnen gerne noch einmal die saarländische Entwicklung erklären. Im übrigen können sich die Wählerinnen und Wähler an der Saar besser ein Urteil bilden als Sie. Wenn Sie dieses Urteil betrachten, meine Damen und Herren, dann haben Sie keinen Grund zur Freude, weil die Wählerinnen und Wähler sehr gut wissen, wodurch die hohe Verschuldung des Saarlandes vor 15 Jahren in Gang gekommen ist, nämlich dadurch, daß Ihre Amtsbrüdernicht in der Lage waren, die Strukturkrise zu bewältigen.
Wenn man diese beiden Faktoren — Dollar und langfristige Zinsen — angeht, muß man gleichzeitig noch andere Daten zur Kenntnis nehmen, die gegenwärtig nicht wegdiskutiert werden können. Die Arbeitslosigkeit steigt weiter. Meine Damen und Herren, ich sage für die Bevölkerung draußen: Wir Sozialdemokraten reden erst dann von einem Aufschwung, wenn er sich in mehr Beschäftigung niederschlägt. Alles andere ist für uns nicht akzeptabel.
Zweitens. Die Realeinkommen sinken. Das sollte Ihnen zu denken geben. Sie können nicht darauf setzen, daß wir eine konjunkturelle Erholung haben werden, ohne daß sich der private Verbrauch verstetigt und sogar wieder leicht anzieht.Drittens. Durch Deutschland rollt die größte Pleitewelle der Nachkriegszeit.Viertens. Die Staatsverschuldung explodiert.Fünftens. Die langfristigen Zinsen steigen. — Das sagte ich bereits.Sechstens. Der Außenhandel und damit die Wettbewerbsfähigkeit unserer Exportwirtschaft sind durch einen schwachen Dollar eher gefährdet.Das sind die Rahmendaten, über die nicht zu diskutieren ist.
— Richtig, dazu hat er nichts gesagt. — Unsere Aufgabe ist es, auf diese Entwicklung richtig zu reagieren.Es sind bereits in der Vergangenheit Fehler gemacht worden, die darin bestanden, daß man die Rezession allzustark auf eine Kostenkrise zurückgeführt hat. Mittlerweile ist diese Diskussion passé. Mittlerweile redet auch die Bundesbank in ihrem jüngsten Monatsbericht von einer klassischen Rezession, die auf eine stagnierende Nachfrage und auf zu hohe Zinsen zurückzuführen ist.Wenn man aber wirklich der Auffassung ist, die Kostenkrise sei schlechthin für die rezessive Entwicklung der letzten Zeit verursachend gewesen, dann konnte man natürlich auch nur zu Fehlentscheidungen kommen. Diese Fehlentscheidungen will ich gleich benennen.Neben den sechs Punkten, die ich gerade genannt habe, dürfen wir nicht übersehen, daß wir auf Grund Ihrer Fehleinschätzungen und Ihrer falschen Entscheidungen die höchste Steuer- und Abgabenquote der Nachkriegszeit haben — eine Startbedingung für einen konjunkturellen Aufschwung, die wir in diesem Ausmaß und in diesem Umfang noch niemals hatten und die wir nicht ignorieren dürfen.
Nachdem Sie, Herr Kollege Rexrodt, eben hier Ihre richtigen Entscheidungen genannt haben, sage ich:
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20846 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Ministerpräsident Oskar Lafontaine
Vor vier Jahren standen alle, die jetzt nach mir reden werden, hier und haben hoch und heilig versprochen: Es gibt keine Steuererhöhungen. — Sie haben die deutsche Volkswirtschaft dann pro Jahr mit Steuer- und Abgabenerhöhungen von 116 Milliarden DM belastet — ein einmaliger Vorgang in unserer Republik. Wenn ich versprochen hätte „Keine Steuererhöhungen", würde ich, wenn ich eine solche Politik zu verantworten hätte, gar nicht mehr antreten.
Meine Damen und Herren, noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland sind die Wählerinnen und Wähler in einem solchen Ausmaß getäuscht worden.
Ich sehe ja noch vor mir, was Sie alle hier erzählt haben, und mittlerweile ist ja auch bekannt, daß Sie zum Teil wider besseres Wissen geredet haben.
— Herr Kollege Waigel, bei Ihnen bin ich manchmal geneigt zu sagen: Sie haben nicht wider besseres Wissen geredet.
Ob das allerdings ein Kompliment ist, das müssen Sie sich einmal überlegen.
Sie kommen nach mir, ja.Meine Damen und Herren, diese Steuerlüge ist eine der Ursachen für die Fehlentwicklungen der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Das Schlimme ist, daß alles darauf hindeutet, daß Sie bereit sind, diese Steuerlüge in großem Ausmaß zu wiederholen. Deshalb muß das hier angesprochen werden.
Noch im Jahreswirtschaftsbericht haben Sie geschrieben — Sie haben ja die Gelegenheit, das zu korrigieren —: Die Bundesregierung wird ihr steuerpolitisches Konzept für die nächste Legislaturperiode bis zum Sommer vorlegen. — Jetzt, kurz vor der Bundestagswahl, wahrscheinlich auch geschockt durch Ergebnisse, die Ihren Erwartungen nicht entsprochen haben, kündigt die Bundesregierung plötzlich an, daß sie diese Zusage nicht einhalten will.Ich bin der Auffassung, es ist einmal eine Frage des Bundestages, wie er mit dieser Verfahrensweise umgeht; es ist aber auch eine Frage des Bundesrates. Wir können nicht so ohne weiteres akzeptieren, daß solche Zusagen, die für das wirtschaftliche Entscheiden auch in den Ländern von Bedeutung sind, schlicht und einfach wieder kassiert werden. So kann man das einfach nicht machen.Dann kommen Sie, Herr Kollege Rexrodt, hierher und fragen — entschuldigen Sie, ich versuche, das in aller Sachlichkeit anzusprechen —:
Wo bleibt die Seriosität? — Ich will Sie einmal mit einem Staatsgeheimnis konfrontieren: Wir haben im nächsten Jahr 100 Milliarden DM an Zinszahlungen im Bundeshaushalt. — Dieses bestgehütete Geheimnis müssen Sie sich irgendwann einmal zu Gemüte führen. Wenn Sie bei dieser Entwicklung jetzt weitere Steuersenkungen für Unternehmen versprechen, ohne die Gegenfinanzierung offenzulegen, dann ist dies in höchstem Maße unseriös.
Im übrigen trifft dieser Vorwurf nicht nur Sie, sondern er trifft eben auch die Unionsparteien, die, bis hin zum Bundeskanzler, munter von Steuersenkungen für Unternehmen reden und der Frage, wie das eigentlich bezahlt werden soll, ausweichen.Ich spreche das deswegen hier an, weil die amerikanischen Nobelpreisträger festgestellt haben
— zu Ihrer Frage, Herr Kollege Lambsdorff: unter anderem Robert Solow; Sie können das in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" nachlesen —, daß die Hälfte der hohen Arbeitslosigkeit in Europa die Folge einer Schwäche der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage sei. Wenn man durch ökonomische Entscheidungen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stranguliert, dann darf man sich über die Folgen eines solchen Vorgehens nicht wundern. Wenn Sie weiterhin darauf setzen — dies ist ja Ihr Plan, und Sie sollten zumindest dazu stehen —, daß Sie Ihre Unternehmensteuersenkungen über Verbrauchsteuererhöhungen finanzieren wollen, dann gehen Sie genau an dieser Stelle in die falsche Richtung, und Sie brauchen sich über die daraus resultierenden Folgerungen nicht mehr zu wundern.
Ihrer Politik liegt nämlich ein falscher Leistungsbegriff zugrunde; ich habe das immer wieder gesagt. Wer glaubt, daß nur die Bezieher hoher Einkommen Leistungsträger unserer Volkswirtschaft seien, der sollte sich einmal mit der Frage konfrontieren, was eigentlich passieren würde, wenn beispielsweise alle Unternehmensvorstände einmal eine Woche lang streiken würden, oder sollte sich einmal mit der Frage konfrontieren, was passieren würde, wenn alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Woche lang streiken würden.
Vielleicht ist dieses Modell dazu geeignet, Ihnen klarzumachen, daß Leistungsträger unserer Volkswirtschaft nicht nur diejenigen sind, die hohe Einkommen haben, sondern auch diejenigen, die die Lkws fahren, die die Kranken pflegen, die die PCs bedie-
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20847
Ministerpräsident Oskar Lafontaine
nen, die die Kunden beraten, die Häuser bauen, die Stahl kochen und die Verbrechen aufklären.
Das sind die Leistungsträger unserer Volkswirtschaft, die durch Ihre Steuer- und Abgabenpolitik in die Schwarzarbeit getrieben werden, weil Sie nicht erkannt haben, daß man so mit der Nachfrage und mit der Verteilung des erwirtschafteten Wohlstandes nicht umgehen kann.
Weil die gesamtwirtschaftliche Nachfrage so ramponiert ist, sagen wir, daß wir unverzüglich darangehen müssen, Ihre verfehlte Steuer- und Abgabenpolitik zu korrigieren.Das erste, was wir nach wie vor anmahnen müssen, ist, die falsche Belastung aller Einkommen mit 7,5 % auf die Steuerschuld abzuschaffen; denn Sie fördern durch diese Entwicklung die Schwarzarbeit.
Sie entsprechen nicht den Vorgaben des Verfassungsgerichts, das Existenzminimum freizustellen. Und Sie unterlaufen die vernünftige Tarifpolitik der Tarifvertragsparteien,
die doch gerade jetzt einen Beitrag zur ökonomischen Erholung geleistet haben.Zweitens. Sie sollten sich gar nicht über Strafsteuern streiten. Stimmen Sie doch unserem seit langem auf dem Tisch liegenden Vorschlag zu, einen anderen Familienlastenausgleich auf dem Gesetzesweg zu beschließen. 250 DM ab dem ersten Kind wären ein richtiger Einstieg in einen gerechten Familienlastenausgleich und würden auch die Nachfrage in unserem Land stützen und stärken.
Drittens. Herr Kollege Waigel, da Sie so vollmundig angekündigt haben, Sie würden nachher hier ans Pulttreten
— ich bin ja sehr gespannt, was Sie ausführen werden —, dann sagen Sie doch einmal, wie Sie das steuerliche Existenzminimum freistellen wollen. Wenn Sie das hier überzeugend darlegen können, dann schenke ich Ihnen eine goldene Uhr. Aber Sie werden das nicht sagen. Sie werden wieder lavieren. Sie werden vor der Wahl lügen.
Wir warten jetzt schon mit großem Vergnügen darauf, wie Sie die Besserverdienenden zur Kasse bitten werden, um dem Gebot des Verfassungsgerichts zu entsprechen. Oder wollen Sie etwa wieder über Verbrauchsteuern den Personenkreis, den ich vorhin genannt habe, hinsichtlich der Nachfrage noch weiterschwächen und die soziale Ungerechtigkeit noch weiter treiben? Ich würde Ihnen mit großem Interesse zuhören, wenn Sie darlegen würden, wie Sie das Verfassungsgebot erfüllen werden. Sie werden das aber nicht tun. Sie wollen sich wieder bis zur Wahl durchmogeln. Sie wollen sich nicht einigen, und Sie bereiten die nächste Steuerlüge vor. Die Wählerinnen und Wähler müssen das wissen. Sie müssen wissen, wie sie dann zu entscheiden haben.
Meine Damen und Herren, neben einer sozial gerechten Steuerpolitik, die aus drei Komponenten besteht, nämlich erstens geringere Belastung der niedrigen Einkommen, zweitens Verbesserung des Familienlastenausgleichs und drittens Freistellung des Existenzminimums, wollen wir selbstverständlich auch unseren Beitrag dafür leisten, daß die zweite Stufe einer Investitionskonjunktur in Gang kommen kann, nämlich die Stärkung der Nachfrage nach Investitionsgütern. Dazu wollen wir ab 1995 die Abschreibungsbedingungen verbessern und auch Investitionszulagen gewähren.
Wir brauchen in ganz Deutschland eine Mittelstandsoffensive. Es ist bedauerlich, daß die kleinen und mittleren Unternehmen in den letzten Jahren von Ihnen vernachlässigt worden sind; die Stellungnahme des Handwerks ist ja ein Beleg dafür.
Es ist wirklich ein Meisterstück, daß Sie hier zur Gesichtswahrung ein Rabattgesetz durchgepaukt haben, mit dem Sie sieh bei allen betroffenen Verbänden nur lächerlich gemacht haben.
So kriegt man die Investitionskonjunktur in unserem Land nicht in Gang.Wir wollen die Forschung, die Bildung und die Wissenschaft stärken. Dies wird verbal von Ihnen zwar immer wiederholt,
aber die Zahlen sprechen eine gegenteilige Sprache: Die Forschungsausgaben sinken in den Haushalten des Bundes seit Jahren. Sie haben das nicht verändert. Um die Inkonsequenz Ihrer Politik deutlich zu machen: Sie sprechen in Sonntagsreden von der Stärkung der Forschung, und dann fordern Sie hier beispielsweise eine Erhöhung der Patentgebühren. Das ist doch ein Beweis dafür, daß bei Ihnen die linke Hand nicht mehr weiß, was die rechte tut und daß eine konsistente Wirtschaftspolitik, geschweige denn Ordnungspolitik, überhaupt nicht mehr gegeben ist.
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20848 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Ministerpräsident Oskar Lafontaine
Meine Damen und Herren, an einer Stelle haben Sie sich korrigiert. Noch vor etwa einem Jahr haben Sie hier alle eine Verlängerung der Arbeitszeit gefordert. Sie haben dann auch durch den Bundeskanzler immer wieder das Urteil verbreiten lassen: Nur wenn wir jetzt alle die Ärmel hochkrempeln und länger arbeiten, werden wir die Arbeitslosigkeit in unserem Lande bekämpfen können. Mittlerweile sind Sie belehrt worden und sind — wir begrüßen dies ja — von diesem Dampfer herunter. Sie haben jetzt die Teilzeit entdeckt. Das ist durchaus begrüßenswert.
— Die Teilzeitarbeit, Herr Kollege Lambsdorff.Nur, meine Damen und Herren: Wir sollten auch an dieser Stelle redlich miteinander umgehen.
Wenn wir die Beschäftigungsstatistik genau betrachten, stellen wir fest: Es sind in den letzten Jahren erheblich mehr Teilzeitarbeitsplätze dazugekommen; es sind aber in noch größerem Umfang Beschäftigungsverhältnisse ohne soziale Absicherung dazugekommen. Der Weg kann nicht sein, mit sozial nicht gesicherten Beschäftigungsverhältnissen und schlecht bezahlten Teilzeitarbeitsplätzen für die Frauen die Beschäftigungsprobleme des Arbeitsmarktes zu lösen.
Wir haben begrüßt, daß Sie sich dieses Themas angenommen haben. Aber was herausgekommen ist, ist mehr oder weniger eine Werbekampagne. Das ist auch nicht schlecht, doch es wird nicht ausreichen, um die Beschäftigung in Deutschland wieder in Gang zu bringen.Was Sie auf Grund Ihrer überzogenen Standortdebatte übersehen haben, ist, daß immer zwei Dinge zu beachten sind, einmal die Angebotsbedingungen — da möchte ich durchaus einräumen, daß Sie einiges verbessert haben —, zum anderen aber auch die Nachfrageseite unserer Volkswirtschaft. Sie haben die Nachfrage in einem Ausmaße stranguliert — und Sie sind nicht bereit, es zu ändern —, daß hinsichtlich des privaten Verbrauchs wirklich begründete Veranlassung besteht, sich Sorgen zu machen.Nach der Erfahrung unserer Republik in den letzten Jahrzehnten war Grundlage unseres wirtschaftlichen Wohlstandes auch soziale Gerechtigkeit in unserem Volke. Man kann nicht ungestraft gegen diese Grundlage immer wieder verstoßen.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir eine kurze Bemerkung, die durch die Zwischenfrage des Kollegen Hinsken veranlaßt ist. Wir haben, wie Sie alle wissen, hier im Hause eine Menge Arbeit zu verrichten, die auch während der Plenarsitzung erledigt wird. Das betrifft sowohl den Bundeskanzler wie den Oppositionschef, die Fraktionsvorsitzenden und die Geschäftsführer und die zur Zeit in fünf Ausschußsitzungen, die vor der Sommerpause unabwendbar sind, sitzenden Kollegen. Dies alles darf uns nicht dazu verleiten, jemandem wegen Terminen oder wegen Fehlens bei der einen oder anderen Veranstaltung Vorhaltungen zu machen.
Hinzu kommt noch, daß ein Teil der Kollegen schon nach Berlin abgereist ist. Sie haben unabwendbare Termine für die morgigen Sitzungen in Berlin.
Wenn die Besetzung in diesem Hause bei dieser wichtigen Debatte nicht so gut ist, dann gibt es dafür also sehr gewichtige Gründe.
— Ja, aber nicht die Redner. Dann muß ich Ihnen sagen: Das gilt genauso. Es gibt hier manchen, der durch unsere terminlichen Verschiebungen bei der Verlängerung von Debatten mit seinen Terminen überhaupt nicht zurechtkommen kann. Auch denen sollen wir keine Vorwürfe machen.
Nun, bitte schön, Herr Bundesfinanzminister Theo Waigel.
Herr Präsident! Die Uhr stünde mir zu, aber ich nehme sie nicht an.
Denn zum einen trage ich keine goldene Uhr. Ich bin mit meiner einfachen metallenen Uhr zufrieden. Ich stamme aus kleinen Verhältnissen.
Im übrigen, Herr Kollege Lafontaine, sollten Sie mit dem Geld, das der Bund Ihnen für die Sanierung des Saarlandes zur Verfügung stellt, sparsam umgehen
und niemandem etwas Goldenes versprechen. Ich hoffe, Sie nehmen die Bemerkung so auf, wie sie gemeint ist.Sie haben etwas zum Dollar gesagt. Die entscheidende Frage, Herr Lafontaine, ist, ob die Fundamentaldaten in Ordnung sind. Bei solchen Spekulationen muß man sehr vorsichtig sein, um bei solchen Entwicklungen nicht das Falsche zu sagen. Die Fundamentaldaten, vor allen Dingen in Europa, sind gut, die Wachstumsziffern werden stärker, die Stabilität wird besser — wenn man bedenkt, daß Länder wie z. B. Frankreich Stabilitätsfaktoren von immerhin 1,5 %
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Bundesminister Dr. Theodor Waigelhaben, die bei uns unter 3 % fallen, so daß wir die Chance haben, 2 % zu erreichen —, die Tarifabschlüsse sind günstig. All das führt zu Zinssenkungsspielräumen, die auch die Bundesbank in diesen Tagen wieder vorsichtig wahrgenommen hat.Auch in den Vereinigten Staaten ist das Wachstum stabil, ist auch die Währung stabil, ist auch die Stabilität gegeben. Das sind gute Daten.Wenn wir klar erkennen lassen, daß die Zusammenarbeit der G 7 und der anderen fortgesetzt wird, dann, glaube ich, ist das das richtige Signal für die Märkte.Ein zweiter Punkt. Sie haben über die Kostenkrise gesprochen. Die Bundesbank hat sich sehr wohl mehrmals auch über die Kostenkrise, die Kostensituation und die Nachteile geäußert. Es kann doch wohl nicht wahr sein, daß Sie hier die Meinung vertreten, es fehle an der Nachfrage, wenn sich die Lohnstückkosten in Deutschland in den letzten Jahren stärker entwickelt haben als in jedem anderen Land und andere Länder ohne Wiedervereinigung wesentlich geringere Steigerungen der Lohnstückkosten hatten als wir. Dies war natürlich auch ein Grund dafür, daß die Konjunktur bei uns zurückgegangen ist.Zur Steuer- und Abgabendiskussion. Wenn man so diskutiert wie Sie, dann frage ich mich allerdings, warum Sie bei den Verhandlungen über das föderale Konsolidierungspaket noch immer ein Vorziehen des Solidaritätszuschlages verlangt haben. Ich finde es ein starkes Stück, den Solidaritätszuschlag in Frage zu stellen: Sie und Herr Scharping haben ihm im Bundesrat doch zugestimmt,
damit das föderale Konsolidierungspaket verabschiedet werden konnte. Hier werden die Menschen von Ihnen getäuscht, als ob Sie ein anderes Instrument hätten. Sie haben dem zugestimmt.Meine Damen und Herren, Sie würden gerade die beginnende Investitionskonjunktur in ganz entscheidendem Umfang eindämmen, wenn Sie jetzt eine Ergänzungsabgabe einführten. Wenn Sie uns schon nicht zuhören, dann hören Sie doch wenigstens auf Karl Schiller, Helmut Schmidt und andere, die Sie dringend davor warnen, zu diesem Konzept zu greif en.
Was das Existenzminimum anbelangt, wissen Sie sehr wohl, daß nicht auf einen Schlag eine Erhöhung von 5 000 auf etwa 12 000 DM stattfinden kann, daß dies ein Volumen von 44 Milliarden DM erfordern würde, daß wir hier nach Lösungen suchen müssen. Darum gibt es im Moment eine Expertenkommission, die darüber berät, wie wir das — am besten auch in Stufen — finanzieren, so daß ein leistungsgerechter Tarif erhalten bleibt.Sie sind plötzlich der große Liebhaber der steuerstundenden Investitionsrücklage. Warum haben Sie dann unser Ansparmodell, das wir zum 1. Januar 1994 in Kraft setzen wollten, im Vermittlungsausschuß um ein Jahr verschieben lassen? Sie rühmen sich einer Sache, die wir durchgesetzt und die Sie um ein Jahr verzögert haben. Sonst wäre der Mittelstand schonheuer mit dieser, wie ich meine, günstigen Mittelstandskomponente ausgestattet.
Obwohl dies eine Wirtschaftsdebatte ist, nehme ich die Gelegenheit wahr, Herr Ministerpräsident, um etwas zurückzuweisen, was ich heute in einem Magazin gelesen habe. Sie haben dem Kollegen Schäuble abenteuerlich reaktionäre Vorstellungen unterstellt.
Sie haben von neuen nationalistischen Tönen und von anderem mehr gesprochen. Das, was Sie hier tun, ist verletzend, es ist bösartig, und es ist falsch. Schäuble nationalistisch zu nennen, das ist schlichtweg eine politische und menschliche Unanständigkeit.
Welches Weltbild, welches Geschichtsbild haben Sie eigentlich? Das ist ein Mann, der den Einigungsvertrag weitgehend gestaltet hat, der zur deutschen Einheit so viel beigetragen hat. Sie brauchen sich Ihrer Rolle im Jahre 1990, was die deutsche Einheit anbelangt, nicht zu berühmen. Sie stehen im Schatten von Wolfgang Schäuble, und Sie sollten sich dieser Bemerkungen schämen. Ich weise sie für die CDU und die CSU zurück.
Wer so schlecht wie Sie in der Debatte um Deutschland abschneidet, der muß jetzt zu diesen Mitteln der Geschichtsklitterung greifen.Meine Damen und Herren, ich bin eben dabei. Ich weiß, das ist Ihnen unangenehm, aber ich mußte die kurze Anwesenheit des Ministerpräsidenten benutzen, um ihm dies vor dem deutschen Parlament sagen zu dürfen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schily?
Ich bitte um Verständnis. Ich nehme mir sonst die Zeit. Sie hatten neulich acht Stunden Zeit, mit mir zu sprechen, Herr Schily. Das genügt mir für den Rest dieses Sommers.
Setzen Sie sich hin! Ich lasse mich von Ihnen nur befragen, wenn es verfassungsrechtlich unabdingbar notwendig ist. Sonst beschränke ich meine Kontakte mit Ihnen auf ein Minimum.
Die wirtschaftliche Lage wird besser. Darum wird die Opposition nervöser. Der Kollege Rexrodt hat die Daten dargestellt. Es gibt allerdings einen Unsicherheitsfaktor für die ökonomische Entwicklung. Das wäre, wenn widrigenfalls, was die Umfragen und die
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Bundesminister Dr. Theodor WaigelHoffnungen der Menschen im Moment nicht ausdrükken, die SPD die Wahl gewinnt. Dann sähe es in der Tat düster aus. Meine Damen und Herren, wenn dann Sie noch, Herr Lafontaine, Doppelminister für Wirtschaft und Finanzen wären, dann wäre das der ökonomische Super-GAU unserer Nachkriegsgeschichte.
Darum wird das nicht eintreten.
Noch eine Bemerkung zu Ihrer ökologischen Steuerreform. Sie müssen schon einmal überlegen, was Sie wollen. Wenn Sie mit Umweltabgaben die Senkung der Lohnnebenkosten finanzieren wollen, dann müssen Sie sich die Frage stellen: Was passiert, wenn der Lenkungseffekt greift, wenn die Bemessungsgrundlagen der Umweltsteuer schwinden und so das Steueraufkommen zurückgeht? Wollen Sie dann die Umweltsteuerschraube immer weiter drehen, bis es überhaupt nichts mehr zu besteuern gibt? Oder steigen dann die Lohnnebenkosten wieder, und alle erhofften Beschäftigungseffekte werden zunichte gemacht? Auch darauf haben Sie keine Antwort gegeben.Meine Damen und Herren, ich lasse mich gerne auch in meiner Finanzpolitik kritisieren. Aber daß mir der Ministerpräsident des Saarlandes Schulden vorwirft, das, meine Damen und Herren, ist schon ein starkes Stück.
1985 hat der Kandidat Oskar Lafontaine für das Saarland verkündet: Wir haben eine schwarze Regierung und rote Zahlen; wir brauchen endlich eine rote Regierung und schwarze Zahlen.
Heute haben wir ein Doppelrot, eine zweifache rote Ampel. Hier geht vorerst überhaupt nichts mehr.
Sie sollten sich vielleicht, mindestens in der gleichen Häufigkeit wie hier, auch im Landtag des Saarlandes sehen lassen, um dort vielleicht auf Feststellungen des Rechnungshofs des Saarlandes einzugehen: Zins-Steuer-Quote 1992 mit 30 % ungefähr dreimal so hoch wie im Durchschnitt der alten Länder, Kreditfinanzierungsquote mit 14 % ebenfalls beim dreifachen Durchschnitt. Das Saarland hat die höchste Pro-Kopf-Verschuldung aller Flächenstaaten. Die Ausgabensteigerungen liegen deutlich über dem Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts, und die Personalausgaben stellen den größten Einzelposten im Landesetat dar.
Sie sollten sich mit dem auseinandersetzen, was Dr. Jost Prüm, Präsident der IHK, kürzlich festgestellt hat: Werbung für den Wirtschaftsstandort Saar ist fastunmöglich geworden. Die politischen Affären im Saarland wirken sich nach außen hin negativ aus.
Jetzt noch zum Geld. Das Saarland erhält jährlich Milliardenbeträge aus dem Finanzausgleich. In diesem Jahr sind es z. B. fast 21/2 Milliarden DM: 1,6 Milliarden DM für die Sanierung des Saarhaushaltes, rund 100 Millionen DM für politische Führung und zentrale Verwaltung, rund 250 Millionen DM für Bundesergänzungszuweisungen und über 400 Millionen DM im horizontalen Finanzausgleich. In den Jahren 1988 bis 1993 wurden aus den Mitteln der regionalen Wirtschaftsförderung Investitionsprojekte im Saarland mit einem Volumen von fast 6 Milliarden DM gefördert und hierfür über 500 Millionen DM an Bundesmitteln bereitgestellt.
— Nein, ich bin so schön im Fluß.Zwischen 1992 und 1994 flossen rund 1,5 Milliarden DM in die Steinkohleförderung des Saarlandes; die Mittel aus dem Kohlepfennig in mindestens der gleichen Höhe wurden dabei noch nicht einmal mitgerechnet.
Wir tun das alles für die Menschen im Saarland, die unter schwierigeren Bedingungen leben als in vielen anderen Regionen Deutschlands. Nur, meine Damen und Herren, wenn dem so ist und wenn wir uns in Zeiten einer solchen gewaltigen finanziellen Herausforderung des Bundes auf Grund der Finanzierung der deutschen Einheit zu diesem großen Akt der Entschuldung des Saarlands und auch Bremens bekennen, dann sollten Sie hier ein Wort des Dankes sagen und sollten sich angesichts Ihrer eigenen Haushaltspolitik bei Vorwürfen anderen gegenüber etwas mäßigen.
Ich lasse mir doch von Ihnen nicht 2 000 Milliarden DM Schulden anhängen. Das letzte Mal, als Ihr Kanzlerkandidat hier die Höhe der Schulden genannt hat, ist er für die Bundesrepublik Deutschland auf eine Verschuldung pro Kopf der Bevölkerung von 65 000 DM gekommen. Nach einem Zeitungsbericht mußte das nachträglich im Protokoll berichtigt werden. Wer das nicht rechnen kann, wer brutto und netto nicht unterscheiden kann und wer, wie Sie, mit solchen Vorstellungen auftritt, der darf Deutschland nicht regieren, und die Wähler werden das auch nicht mitmachen.
Wir setzen auf entschlossene Konsolidierung; wir gehören zu den wenigen Ländern in Europa, die die Kriterien für die Haushaltsdisziplin gemäß dem Vertrag von Maastricht nahezu einhalten, und das trotz der Herausforderung, 5 % des Bruttosozialprodukts für die größte Solidaraktion in Deutschland zur Verfügung zu stellen.
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Bundesminister Dr. Theodor WaigelWir werden auch die Abgabenlast wieder begrenzen, sobald der finanzpolitische Spielraum dafür gegeben ist. Hierbei ist ganz entscheidend, daß wir uns darüber im klaren sind: Sobald der Spielraum da ist, kann es keine weiteren Ausgabenprogramme, sondern muß es eine Steuer- und Abgabensenkung geben, um die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft und der Betriebe zu gewährleisten.
Wir tun etwas für den Subventionsabbau. Wir erreichen einen erheblichen Subventionsabbau im Westen, zugunsten des Ostens. Bezogen auf Westdeutschland ging der Anteil der Finanzhilfen und Steuervergünstigungen des Bundes von 1,1 % des Bruttoinlandsprodukts im Jahre 1991 auf 0,75 % im Jahre 1994 zurück. Wir haben im steuerlichen Bereich Steuersubventionen in Höhe von 40 Milliarden DM in den letzten Jahren abgebaut, um damit die Steuerpolitik gestalten zu können.Unsere nationalen und internationalen Wachstumskonzepte sind deckungsgleich: Subventionsabbau, Privatisierung, Deregulierung und gestaltende Steuerpolitik. Wir befinden uns damit in Übereinstimmung mit Europa, mit der G 7, dem IWF und der OECD.Meine Damen und Herren, es gibt eine Empfehlung von einem Herrn namens Jean de La Fontaine, einem Novellisten des 17. Jahrhunderts.
Er hat festgestellt: Eilen hilft nicht; zur rechten Zeit fortgehen ist die Hauptsache. Diese Empfehlung kann ich nur nachdrücklich unterstreichen.
Bevor es für Sie am 16. Oktober 1994 endgültig zu spät ist, lesen Sie Ihren Namensvetter!Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt das Wort unserem Kollegen Dr. Otto Graf Lambsdorff.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der saarländische Ministerpräsident hat mir eben signalisiert, daß er noch fünf Minuten Zeit habe. Der Spätnachmittag fängt im Arbeitspensum des saarländischen Ministerpräsidenten ziemlich früh an.
Ich sage es noch einmal, Herr Mosdorf: Ich finde das nicht in Ordnung. Wir haben das in der vorigen Woche in der Aktuellen Stunde mit Herrn Struck genausoerlebt, auf dessen Bitte hin die Aktuelle Stunde verschoben wurde. Aber der Präsident hat das Nötige dazu gesagt. Man muß ihm ja nicht immer zustimmen.
— Nein, vielen Dank. Ich muß jetzt die Anwesenheit von Herrn Lafontaine noch benutzen, um mich mit dem, was ich sonst im zweiten Teil meiner Rede gesagt hätte, zu Beginn auseinanderzusetzen.„Für eine neue Wirtschaftspolitik" nennt die sozialdemokratische Fraktion ihren Antrag. Und was ist es? Es ist präzise die alte Wirtschaftspolitik.
Sie haben offensichtlich nichts dazugelernt.Wenn Sie, Herr Lafontaine, im übrigen davon sprechen, wir meinten, Leistungsträger seien nur die Bezieher hoher Einkommen, und dann eine Aufzählung machen, bei der ich Ihnen völlig zustimme, daß Sie recht haben — Leistungsträger ist selbstverständlich auch die Krankenschwester genauso wie das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft —,
dann haben Sie eines vergessen: Leistungsträger sind auch die, die Leistungsträger sein möchten und es aus tausend Gründen nicht sein können.
— Ja, die hat er aber nicht erwähnt, Herr Mosdorf.Und da sind wir beim Thema Arbeitslosigkeit sehr schnell angelangt, und darauf komme ich zurück.
Sie rühmen sich Ihrer in der Praxis erfolgreichen Wirtschaftspolitik; die Sozialdemokraten tun das. So hat ja Ihr Kollege Gerhard Schröder im „Spiegel" Ihre Industriepolitik, Herr Lafontaine, gerade gelobt.Ist sie lobenswert? — Von sieben seit 1991 im Land tagsuntersuchungsausschuß Landtag des Saarlandes, versteht sich, „Steuervollzug des Saarlandes" — dort überprüften und ganz offensichtlich steuerlich begünstigten Firmen haben sechs inzwischen Konkurs gemacht oder sind in ein anderes Bundesland abgewandert. Bei der siebenten sind zur Zeit die Konten gepfändet.Im Saarland alles in Ordnung? Ausweis erfolgreicher Industriepolitik? Ist das, was Sie bei der Dillinger Hütte veranstalten, nämlich die Verstaatlichung, verehrter Herr Ministerpräsident, eigentlich die Weisheit Ihrer Industriepolitik? Und ist es eine richtige Industriepolitik, ist es eine staatlich richtige Politik, wie Sie die Vorstandsbesetzung dort betreiben? Einen Oberbürgermeister — übrigens war das der große Jubilator, als Herr Honecker kam — haben Sie als Staatssekretär nach Niedersachsen geschickt; da paßt er nicht
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Dr. Otto Graf Lambsdorffmehr, da eignet er sich nicht mehr; jetzt soll er Vorstandsmitglied einer Gesellschaft werden.
Und das nennen Sie Industriepolitik und auch noch erfolgreiche.
Graf Lambsdorff, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Mosdorf?
Nein, nein. Ich werde keine — —
Meine Damen und Herren, im übrigen fallen ja den Sozialdemokraten immer nur neue steuerliche Belastungsvorschläge ein. Wir kennen ja die ganze Latte aus den letzten Wochen: Erbschaftsteuer, Vermögensteuer, Vermögensabgabe, Mineralölsteuer, Ergänzungsabgabe, Einbeziehung der freien Berufe in die Gewerbesteuer — Nordrhein-Westfalen —, höhere Besteuerung kinderloser Ehepaare.
Das, meine Damen und Herren, ist keine Steuerpolitik für rauchende Schlote, allenfalls für schlauchende Rote.
Und dann dazu, meine Damen und Herren, noch Ihr grüner Partner. „Wendepunkte" haben die GRÜNEN ihr neuestes Papier genannt, und das sieht dann so aus: Arbeitsmarktabgabe, Solidaritätsabgabe von 10 % ab 50 000 DM — warum sollen wir auf den Schelm der Sozialdemokraten nicht noch anderthalbe daraufsetzen? —, gewinnabhängige Investitionshilfeabgabe, Zwangsanleihe unter Marktzinsniveau, Erbschaftsteuererhöhung.
SPD und GRÜNE, beide wollen erst die Vermögensbildung fördern und dann die angesparten Vermögen steuerlich bestrafen — mit einem Fuß auf dem Gaspedal, mit dem anderen auf der Bremse. Sie bestrafen die Kapitalbildung; Sie verteuern damit die Basis für neue Arbeitsplätze, und solche Politik ist arbeitnehmerfeindlich, sie ist auch eigentumsfeindlich; sie ist freiheitsfeindlich, denn — ich zitiere Immanuel Kant: Frei ist nur der, der Eigentum hat oder Eigentum erwerben kann.
Die weite Entfernung des demokratischen Sozialismus von diesem Essential der persönlichen Freiheit haben SPD und PDS hier im Hause in enger Umarmung in ihrer Haltung zum Entschädigungsgesetz gezeigt.
Jetzt blockieren Sie es, und damit blockieren Sie auch den Zugriff der Siedler in den neuen Bundesländern auf landwirtschaftliches Eigentum.
Wer inhaltlich so nah bei PDS-Positionen ist, der wird sich dann auch in Magdeburg mit duldender Hilfe der PDS ins Amt des Ministerpräsidenten bringen lassen.
Meine Damen und Herren, die gemeinsame Erklärung von SED und SPD vom 27. August 1987 zur Überwindung der sprachlosen Konfrontation der Sozialdemokratischen und der Kommunistischen Partei trägt jetzt späte Früchte.
Der Ministerpräsident Lafontaine wagt es — jetzt ist er weg —
— es scheint Sie irgendwie zu stören — —
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Zwischenrufe sind gestattet — das wissen wir alle —, aber keine Störungen. Deswegen bitte ich, das zu beachten.
Bitte, Kollege Graf Lambsdorff.
Der Ministerpräsident Lafontaine wagt es, die frühere LDP, die Partei von Arno Esch, Karl Hamann, Hans-Dietrich Genscher, Wolfgang Mischnick, unseren Kollegen, als Honecker-Partei zu bezeichnen.
Die SPD in Sachsen-Anhalt wirbt um demokratische Wählerstimmen und hat sie bekommen. Drei Tage später erfleht sie die Duldung der SED-Nachfolgepartei — Duldung!Die Zwangsvereinigung von SED und SPD ist keine 50 Jahre her, jetzt gehen Rudolf Scharping, Oskar Lafontaine, Reinhard Höppner und Genossen den freiwilligen Weg zur Volksfront.
Meine Damen und Herren, auch in unserer bedrängten Situation sagen wir von der F.D.P. Ihnen: Wir werden alles tun, damit die Bundesrepublik Deutschland diesen Weg nicht geht.
Meine Damen und Herren, das Stichwort Arbeitslosigkeit habe ich genannt. „Denn das Leiden aller Leiden ist die Arbeitslosigkeit" , hat Martin Walser geschrieben.Wir freuen uns über die anziehende Konjunktur. Wir erwarten 1,5 % reales Wachstum in ganz Deutschland, vielleicht sogar mehr, 8 bis 9 % in den neuen Ländern. Die Produktivität steigt. Vernünftige Tarif-
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Dr. Otto Graf Lambsdorffabschlüsse zeigen positive Wirkung. Der Export zieht an, die Preissteigerungen gehen zurück.Aber es gibt — da bin ich mit dem Bundesfinanzminister und Herrn Lafontaine einer Meinung — auch einige warnende Zeichen: Die Zinsen am langen Ende des Kapitalmarktes sind in den letzten Monaten um fast 2 % gestiegen. Kapital ist knapp, im Gegensatz zum Angebot an Arbeitskraft, und es wird angesichts des Bedarfes in der Welt knapp und teuer bleiben.Der niedrige Dollarkurs verbilligt die Importe. Damit wirkt er den gestiegenen Weltrohstoffpreisen entgegen. Aber die Kehrseite sind die Erlöse unserer Exporte auf Dollarbasis.Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang eine Bemerkung zur Währungspolitik der Vereinigten Staaten. Jahrelang wurde der Yen heraufgeredet, jetzt äußert der Finanzminister Besorgnis, während der Handelsminister der USA das Ergebnis begrüßt. Ich frage mich wirklich, ob man in Washington ernstlich geglaubt hat, die Relation Yen/Dollar könne ausschließlich bilateral behandelt werden.Nun entwickelt sich das Verhülntis DM/Dollar entgegen allem, was in den Lehrbüchern steht. Oder haben die Lehrbücher vielleicht übersehen, daß zur Stärke einer Währung auch das internationale Vertrauen in die Politik des Landes gehört?Wir sollten dieses Exempel aufmerksam beobachten. Wenn der Dollar außen- und wirtschaftspolitische Irritationen nicht erträgt, um wieviel weniger täte es die D-Mark! Die Reaktion der Währungs- und Kapitalmärkte auf eine Politik rot-grüner Experimente ist leicht vorherzusagen.Zurück zur Arbeitslosigkeit: Da zeichnet sich eine interessante Konstellation ab. Liberale und linke Ökonomen kommen von verschiedenen Ausgangspositionen her an ein gemeinsam erkanntes Hindernis: die Tarifautonomie. Deutlich niedrigere Löhne führen weg vom Allgemeinverbindlichkeits- und Günstigkeitsprinzip. Umverteilung auf die 30-StundenWoche ohne Lohnausgleich führt ebenso dahin.Ich weiß, daß das ein Thema ist, das wir in Vorwahlzeiten nicht rational diskutieren können. Eigentlich ist das bedauerlich; denn das mündet doch in die Frage, ob die bei uns praktizierte Tarifautonomie nicht fast ausschließlich zugunsten der Arbeitsplatzbesitzer und mehr und mehr zu Lasten der Arbeitslosen geht.
Muß das so bleiben? Darf das so sein?
Die neue internationale Arbeitsteilung wird heute wesentlich durch weit unterschiedliche Arbeitskosten in benachbarten Ländern in Europa bestimmt. Das kann nicht ohne Einfluß auf Einkommen in den unteren Lohngruppen bei uns bleiben. Und das kann — nicht muß — zu unzureichenden Einkommensverhältnissen führen, zu dem, was man in den Vereinigten Staaten die „armen Arbeitenden" nennt. Ist das schlimmer, oder sind „arme Arbeitslose" bedrückender?Bei dieser Problemlage setzen die Bürgergeldüberlegungen der F.D.P. an. Kann es eine begrenzbare, gegen Mißbräuche abgesicherte staatliche Bezuschussung solcher Arbeitsverträge geben?Der Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung, Herr Bregger, hat das einen Griff in die Mottenkiste genannt. Der Herr weiß offensichtlich nicht, worüber er redet. Die „negative Einkommensteuer" ist vor Jahren von Milton Friedman ins Gespräch gebracht worden. Sie wurde lange davor schon einmal von der Fabian Society in England diskutiert.Wir meinen, eine vertiefte Diskussion ist nötig, nicht zuletzt auch deshalb, weil sich durch eine Bündelung der steuerfinanzierten staatlichen Transferleistungen eine Möglichkeit eröffnen könnte, das jetzige Durcheinander zu beenden, das darin besteht, daß heute 37 Stellen für 152 unterschiedliche Leistungen zuständig sind.Frau Matthäus-Maier hat gemeint, das sei unbezahlbar. Wir halten ihre Berechnungen auch nach Feststellungen von Wissenschaftlern, die sich mit der Frage befassen, vor allem von Professor Mitschke, für falsch.Herr Lafontaine hat die Nachfragetheorie hier wieder ins Spiel gebracht. Es ist ja alles richtig, das ist ein volkswirtschaftlicher Faktor. Wir haben das letzte Mal schon mit ihm darüber gesprochen. Ich kann die Kosten so erhöhen, daß ich die Nachfrage nicht mehr habe, weil die Arbeitsplätze, an denen die Löhne bezahlt werden sollen, verlorengegangen sind. Dann habe ich nur noch die Nachfrage durch Arbeitslose mit Arbeitslosengeld. Das macht keinen Sinn.Im übrigen wird von Herrn Lafontaine immer wieder übersehen oder jedenfalls nicht erwähnt, daß das Thema der Sparquote, die Frage der Entsparung in einer solchen Situation auf der Nachfrageseite berücksichtigt werden muß. Sie wird in diesem Jahr nach unseren Erwartungen um etwa ein halbes Prozent zurückgehen. Das klingt nach wenig, ist aber eine Menge Geld.Meine Damen und Herren, Debatten am Ende einer Legislaturperiode sind immer dasselbe: Wahlkampf — das ist ja auch in Ordnung — und ein Tagesordnungskehraus nach dem Motto „Reim dich, oder ich freß dich!" , und das auch heute. Was hat denn wohl die Welthandelsorganisation mit der elektromagnetischen Verträglichkeit von Geräten zu tun? Ich habe zu diesem weltbewegenden Thema von den bisherigen Rednern nichts gehört, und ich stimme ihnen zu.Ich will mich, meine Damen und Herren, nur noch mit ein oder zwei Themen beschäftigen. GATT und WTO haben wir im Bundestag diskutiert. Ich wiederhole die Zustimmung der F.D.P.-Fraktion und unseren Dank für den erfolgreichen Einsatz der Bundesminister Kinkel und Rexrodt in einem lebenswichtigen Feld deutscher Wirtschaftspolitik.
Ich finde, es ist wichtig, daß wir uns mit dem Problem der Textilindustrie, die vorwiegend mittelständisch geprägt ist, beschäftigen. Sie ist ein Musterbeispiel dafür, wie sich ein Wirtschaftszweig unter
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Dr. Otto Graf Lambsdorffschwierig en Wettbewerbsbedingungen ohne staatliche Hilfe und ohne Subvention durchgekämpft hat. Sie hat Anspruch darauf, daß ihre Wettbewerbsbedingungen nicht verfälscht werden.
Die Verpflichtungen der Lieferländer aus dem GATT müssen eingehalten werden. Umwegseinfuhren müssen verhindert werden.Erfreulicherweise kann festgestellt werden, daß das soeben verabschiedete Arbeitszeitrechtsgesetz flexiblere Maschinenlaufzeiten ermöglicht. Es war schwer, die Einsicht des Bundesarbeitsministers in diese Notwendigkeit zu gewinnen. Bei der SPD ist es erwartungsgemäß zu dieser Einsicht nicht gekommen. Sie wollte die 40-Stunden-Woche gesetzlich festschreiben. Sie beharrt auf veralteter Denkweise und nimmt wirklich unnötige Arbeitslosigkeit sehenden Auges in Kauf.Meine Damen und Herren, wir sind längst nicht über alle Schwierigkeiten hinweg; aber es hat auch gar keinen Sinn und wäre ein Unrecht gegenüber den Menschen im Lande, aus wahlpolitischen Gründen den sich abzeichnenden und immer deutlicher werdenden Aufschwung herunterzureden. Gewiß, er bereinigt nicht — der Bundeswirtschaftsminister hat das offen und ehrlich gesagt — die strukturellen Schwierigkeiten; aber ohne den konjunkturellen Aufschwung werden wir die strukturellen Schwierigkeiten überhaupt nicht beseitigen.Deswegen ist die Bundesregierung mit ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik auf dem richtigen Wege. Wir unterstützen sie dabei.
Meine Damen und Herren, nächste Rednerin ist jetzt unsere Frau Kollegin Dr. Barbara Höll.
I Zerr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gebe meinem Vorredner in einem Punkt recht. Diese heutige Debatte ist ein ziemliches Sammelsurium.Ich möchte mich auf einige kritische Bemerkungen zum Subventionsbericht, zum GATT-Abkommen, zum Thema Standortsicherung sowie zum Asienkonzept der Bundesregierung beschränken.Der 14. Subventionsbericht der Bundesregierung ist ein weiterer Beleg dafür, daß es der Regierung nicht gelingt, bei der Gewährung von Finanzhilfen dem Lobbyismus zu entsagen. Aber das ist wahrscheinlich auch nicht das Ziel. Zu deutlich tritt auch in diesem Bericht hervor, daß nicht zuletzt mit dem Steueränderungsgesetz 1992 und dem Standortsicherungsgesetz 1993 die Tendenz fortgesetzt wurde, den Unternehmen massive Steuererleichterungen und Steuerstreichungen zu bescheren.Aus Sicht der PDS/Linke Liste führt eine abstrakte Diskussion über Subventionen in die Irre. Wir fordern seit langem eine Verknüpfung staatlicher Finanzhilfen mit einer ökologischen und sozialen Kriterien folgenden Wirtschafts- und Finanzpolitik. So könntemittels steuerlicher Anreize eine umwelt- und ressourcensparende Energiestruktur aufgebaut werden.Statt dessen wurden bis 1990 Projekte wie der schnelle Brüter in Kalkar oder der Hochtemperaturreaktor in Hamm subventioniert. Subventionen für die Atomindustrie, den Airbus, die Raumfahrt oder den Transrapid gelten als Zukunftsinvestitionen; aber es ist schon heute abzusehen, daß eben diese Projekte dauernd am Subventionstropf hängen werden.Subventionen bis hin zu Markteinführungshilfen sind für die PDS/Linke Liste dann sinnvoll und unterstützenswert, wenn sie Bestandteil eines Gesamtkonzepts sind. Finanzhilfen für krisengeschüttelte Branchen und Wirtschaftsregionen sind berechtigt, wenn und solange sie Umstrukturierungsprozesse fördern und beschleunigen und wenn sie einer regional- und arbeitsmarktpolitisch abgestimmten Gesamtstrategie folgen.Für branchenspezifische Subventionen, die in der Regel an Anpassungsauflagen gebunden sind, müssen klare Entscheidungsregelungen entwickelt werden, um willkürlich erscheinende Entscheidungen auszuschließen. Aber der Subventionspolitik der Bundesregierung fehlt jegliche Qualitätskontrolle.Die bisher vorgelegten Subventionsberichte konnten keine Zielkontrolle ersetzen. Es fehlen immer noch klare Angaben darüber, ob das, was mit den Subventionen bewirkt werden sollte, tatsächlich erreicht wurde. Die Bundesregierung ist nicht in der Lage, eine Bewertung der Subventionen hinsichtlich ihrer Effizienz vorzunehmen, deren Kriterium nicht die Medienwirksamkeit der einen oder anderen populistischen Äußerung ihres Wirtschaftsministers ist.Die PDS/Linke Liste bekennt sich vor dem Hintergrund der Krise auf dem Arbeitsmarkt insbesondere in den neuen Bundesländern dazu, mittels Subventionen die Sicherung von Arbeitsplätzen und Produktion sowie die Sanierung mittelfristig sanierbarer Betriebe zu ermöglichen. Die PDS/Linke Liste ist auch gern bereit, an der Ausarbeitung eines derartigen Konzepts mitzuwirken, das Subventionskürzungen mit klaren Förderprioritäten und Zielvorgaben verbinden sollte.Ich komme nun zum GATT-Abkommen. In der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Errichtung einer Welthandelsorganisation heißt es — ich zitiere:Für die Entwicklungsländer bedeutet der erfolgreiche Abschluß der Verhandlungen einen weiteren Schritt zu einer tieferen Integration in das multilaterale Handelssystem, verbunden mit zahlreichen Liberalisierungsgewinnen.Über das Interesse, das sich in solche Vertragstexte zu kleiden pflegt, heißt es in einer anderen Schrift sehr zutreffend — ich zitiere nochmals:Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muß sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen. ... Sie zwingt alle Nationen, die
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Dr. Barbara HöllProduktionsweise der Bourgeoisie sich anzueignen, wenn sie nicht zugrunde gehen wollen.
— Marx-Engels-Werke, Band 3.Während beim GATT die Bewältigung der innerwestlichen Konflikte zwischen den Industrienationen gefeiert wird, vegetieren die Masse der Entwicklungsländer und zunehmend auch die mittel- und osteuropäischen Staaten am Rande des Weltwirtschaftssystems. Diese Länder bilden die sogenannten strukturschwachen Regionen der Weltwirtschaft und sind eher Objekte als Subjekte der internationalen Wirtschaftspolitik.Die damit verbundenen Verluste der Entwicklungsländer und die Zugewinne der Industrieländer werden in der Begründung der Bundesregierung aus verständlichen Gründen nicht erwähnt. Die tatsächliche soziale und wirtschaftliche Entwicklung der Entwicklungsländer verläuft völlig anders als propagiert. Einige Schwellenländer stehen zwar weit günstiger da als früher, aber in ganzen Regionen in Afrika, Lateinamerika und Asien haben sich die sozialen Bedingungen der großen Mehrheit der Bevölkerung gerade in den letzten zehn bis zwanzig Jahren rapide verschlechtert.
- Hören Sie zu, die Zahlen sprechen für sich.In Lateinamerika ist das Pro-Kopf-Einkommen während der 80er Jahre gesunken. Die Einkommen liegen gegenwärtig um mehr als 10 % unter dem Stand von 1980. In Afrika sank das Pro-Kopf-Einkommen noch erheblich stärker, im Durchschnitt um ein knappes Viertel, nämlich um 23 %. 1,1 Milliarden Menschen, das sind 20 % der Weltbevölkerung, sind absolut arm. Diese äußerst ungleichmäßige Entwicklung wird sich nach den jüngsten Einschätzungen der Weltbank fortsetzen.Die Wachstumsimpulse ergeben sich danach in erster Linie für die Industrienationen, während die Chancen für die Entwicklungsländer sehr ungleichmäßig verteilt sind. Selbst die nicht linksradikale Weltbank erwartet, daß die in Armut lebende Bevölkerung auf dem afrikanischen Kontinent eher noch zunehmen wird. Dazu gesellen sich auch noch viele militärische Konflikte.Die Flüchtlingsbewegung in die reichen Länder oder — anders gesagt — in Länder, in denen Menschen nicht an Hunger sterben müssen, nimmt unter diesen Bedingungen zu. Die von Koalition und SPD beschlossene juristische Abschottung nach außen beseitigt zwar nicht die Ursachen dieser Flüchtlingsbewegungen, aber sie schottet die bundesdeutsche Gesellschaft vor den Opfern der kapitalistischen Weltwirtschaftsordnung ab.Was Koalition und SPD als leistungsgerechten und fairen Welthandel bezeichnen und was die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft sichern soll, das dient nur dem einen Ziel: Die Position des deutschen Kapitals muß weltweit und gegenüber anderen Nationen gesichert werden. Aus meiner Sichtsteckt hinter dieser Politik nichts anderes als ein nationalistisches Motiv
und die stillschweigende Übereinkunft der Herrschenden, diese Weltwirtschaftsordnung zu verteidigen, die Hungersnöte, Armut, Ruinen und Tote bedeutet.Auch die systemimmanente Bilanz dieser Politik ist verheerend.
Die Industrialisierungsbemühungen sind gescheitert, deren ökonomisch-soziale Folgewirkungen die ärmsten Bevölkerungsschichten treffen. Das Gesamtsystem internationaler Abhängigkeiten wird inbesondere dadurch stabilisiert, daß gerade von den schwächsten Gliedern innerhalb der weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung Anpassungsleistungen abgefordert werden, zu denen die ökonomisch wesentlich stärkeren industrialisierten Nationen nicht bereit sind.Durch die vor allem von den nordwestlichen Industrieländern und den transnationalen Konzernen dominierten Weltwirtschaftsstrukturen entstehen in den unterentwickelten Ländern vielfältige ökonomische Verwüstungen, die sich nach den Schätzungen des UN-Entwicklungsprogramms allein 1990 auf rund 500 Milliarden US-Dollar beliefen. Die staatlich gewährte Entwicklungshilfe umfaßt nur ein Zehntel dieses Betrags, rund 54 Milliarden US-Dollar.Nach Meinung der PDS/Linke Liste sind ohne eine wirkliche Gewährung von Entwicklungschancen, ohne den Transfer moderner, den ökologischen Erfordernissen entsprechender Technologien sowie ohne eine weltweite Arbeitsteilung, die nicht weiter zu Lasten einer rückständigen Region geht, die drohende Entwicklungskatastrophe im Süden und Osten und ihre Folgewirkungen auf die entwickelten Länder kaum abzuwenden.Neben den Defiziten, die von der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung für die Entwicklung der Weltwirtschaft ausgehen, wird auch im Inland die Politik zugunsten der Profite der Unternehmen und zu Lasten der Mehrheit der Bevölkerung fortgeführt und beschleunigt. Die Bundesregierung verfaßt einen Bericht nach dem anderen, wie sie gegen eine feindliche Welt, in der es zu hohe Löhne und noch höhere Steuer- und Abgabenbelastungen der Unternehmungen gibt, die Zukunft des sogenannten Standorts Deutschland sichern will. Doch manchmal schimmert hinter dem ideologischen Wulst der Regierungsprosa ein Körnchen Wahrheit hindurch. Auf Seite 3 der Unterrichtung ist zu lesen:Das Standortsicherungsgesetz hat die Ertragsbesteuerung der Unternehmen— man höre! —auf das niedrigste Niveau seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland gesenkt.
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Dr. Barbara HöllDoch das ist noch nicht genug. 1994 soll dann eine neue Losung gelten: „nationaler Beschäftigungspakt". Hier, muß ich sagen, sind mir die Scheingefechte etwas unverständlich, die wir von den Herren der anderen Parteien bisher gehört haben. Letztendlich sind Sie sich da doch einig. Die „Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit" ist eine in Worte gekleidete Verharmlosung, denn es geht um die Stärkung der Offensivkraft des deutschen Kapitals. Das, was Sie hier machen, heißt nichts anderes, als daß Sie die sozialen Folgen möglichst auf Wohlfahrtsverbände abwälzen wollen und weiter sicherstellen wollen, daß die Gewinne der kapitalistischen Wirtschaftspolitik bei den Herrschenden bleiben und dann noch der Bundesgrenzschutz die Grenzen absichert, damit nicht irgend jemand in dieses Land hineinkommt.Sehen wir uns das Asien-Konzept der Regierung an. Die kapitalistische Erschließung und Durchdringung dieses Erdteils erfolgen unter dem stereotypen Hinweis, daß deutsche Wirtschaftskraft in die „dynamischste Wachstumsregion der Welt" hinein muß. Die PDS/Linke Liste befürwortet selbstverständlich die Entwicklung partnerschaftlicher und gerechter Beziehungen der Bundesrepublik zu den Ländern der asiatisch-pazifischen Region. Wir lehnen dieses Konzept jedoch ab, weil es über die bekannten und von mir kritisierten Phrasen, siehe „Wirtschaftsstandort Deutschland", nicht hinausgeht und sich darin erschöpft, die Verteilungskämpfe zwischen den drei Weltwirtschaftszentren zu organisieren.Deshalb treten wir für eine grundlegend andere Politik ein, die sich an den Grundbedürfnissen der Mehrheit der Bevölkerung orientiert. Die Alternativen der PDS/Linke Liste liegen auf dem Tisch:
die Demokratisierung der Weltwirtschaft nach ökologischen Kriterien mit verbindlichen Standards für alle Länder, eine Steuerreform, die u. a. auch daran gebunden sein sollte, daß Investitionen Arbeitsplätze schaffen müssen, daß entsprechende Subventionen und auch entsprechende Abgaben z. B. von Höherverdienenden ab einer bestimmten Einkommensgrenze erfolgen. Das alles kann man nachlesen. Ich denke, es ist Zeit, daß Sie sich nach den jüngsten Wahlergebnissen, die Sie im Lande erzielten, diesem Problem endlich widmen.Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt unserem Kollegen Werner Schulz das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann jeden verstehen, der dieser Wirtschaftsdebatte nicht folgen kann. Da stellt sich der Wirtschaftsminister hin und lobt sich und seine dürftige Politik über allen grünen Klee,
obwohl er doch bestens weiß, Herr Hörster, daß die seit der Standortdebatte Deutschland erkannten strukturellen Mängel und Defizite längst nicht behoben sind, daß dieser Aufschwung — ich sage das ganz deutlich, so wie das Tyll Necker gesagt hat — nicht mehr ist als ein kleines Auf ohne Schwung.Um im Bild Ihrer Karikatur zu bleiben, Herr Rexrodt: Die Mühle, die Sie offensichtlich betreiben und auf die Lafontaine und Scharping anreiten, wird ja wohl mehr mit versetzten Winden betrieben als mit regenerativer Energie. Aber wir wissen ja, Kohl bläht. An Ihnen kann man das deutlich erkennen.
Eines möchte ich noch einmal sagen.
Sie haben das vielleicht ganz gut verstanden, Herr Waigel, daß Sie den Solidaritätsbeitrag und den Unterschied zu Ihrer Ergänzungsabgabe so demagogisch verwischen. Es besteht ja so ein großer Unterschied nicht, zumindest nicht im Betrag, der erhoben wird. Da sind es nur 2,5 % Abweichung. Aber wie wird er erhoben? Auf der einen Seite wollen Sie alle abkassieren. Sie betreiben also eine Politik ohne Bart, wo alle abrasiert werden. Auf der anderen Seite nehmen wir die in die Pflicht, die in dieser Gesellschaft noch solidaritätsfähig sind, die in der Lage sind, das zu bezahlen, obwohl das schwer genug ist. Sie haben diese Solidarität in diesem Land ja wirklich auf den Hund gebracht. Sie haben sie nämlich nach der deutschen Einheit nicht abberufen.Wie tief der politische Tiefgang ist, also wie sehr der Countdown läuft, das hat Ihre Rede gezeigt, Graf Lambsdorff. Sie sollten sich lieber den Kopf zerbrechen, wo die 10 % Wähler in Sachsen-Anhalt geblieben sind, als daß Sie hier gute Ratschläge geben. Die Wähler danken es Ihnen jedenfalls nicht. Sie müssen sich offensichtlich schon selbst und Ihre beiden Minister loben, die hier langsam ihre Abschiedsvorstellung geben.
— Aber selbstverständlich.Ich will nur einen Punkt dieser miserablen Wirtschaftspolitik herausgreifen, die wir in den letzten dreieinhalb, vier Jahren erlebt haben, ein liberales Steckenpferd. Wer hätte es bisher nicht geritten. Es geht um die Absichtserklärungen zu der fröhlich weiterwuchernden Subventionitis, die wir in diesem Land haben.
Von den Finanzhilfen und Steuervergünstigungen des Bundes profitieren vielfach gesellschaftliche Gruppen, die überhaupt nicht der staatlichen Unterstützung bedürfen.Ich werte Ihre Zurufe als Zuspruch, daß Sie die Probleme ebenfalls so erkennen.Die Bundesregierung hat diesen Zustand nicht geändert, obwohl sie mit den Versprechen angetreten
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Werner Schulz
ist, die Subventionen auf den Prüfstand zu stellen. In den Koalitionsvereinbarungen ist der Abbau der Subvention sowie sonstiger Vorteile von Großunternehmen gegenüber kleineren und mittleren Unternehmen ausdrücklich vereinbart worden. Doch Reden und Handeln der Regierung sind bekanntlich zweierlei Sachen.Das deutlichste Beispiel ist das Subventionssystem in der Landwirtschaft, das Verbraucher und Steuerzahler mehr kostet, als die Landwirte dem Sozialprodukt hinzufügen. Die Bundesregierung subventioniert mit jährlich etwa 30 Milliarden DM eine die Umwelt zerstörende Überproduktion im Agrarsektor.Auch andere Beispiele zeigen, daß die Bundesregierung kein Interesse am Abbau der unnötigen Subventionen hat. So wird klammheimlich die Zonenrandförderung über das Jahr 1994 hinaus fortgesetzt. Da befindet sich wahrscheinlich das Gros der bäuerischen Schankwirte. Gefördert werden hier Unternehmen, für die heute der Subventionstatbestand weitgehend entfallen ist.Noch schwerer wiegt, daß damit die steuerlichen Förderungen von Unternehmen in den neuen Bundesländern, wenn Sie so wollen, die neue Zonengrenze, die wir eigentlich im Grenzbereich zu Polen und Tschechien haben, unterlaufen wird.Kennzeichnend für die durch mächtige Interessenverbände beherrschte Subventionsvergabe ist auch die Tatsache, daß bei den Finanzhilfen im Bereich der Luftfahrtindustrie, der Werften und im Stahlbereich ein einziger Großkonzern, und zwar Daimler-Benz, mit einem Anteil von 70 % hervorsticht.Die Bundesregierung gibt heute vor, die Subventionen seien zurückgegangen. Das ist reine Lüge. Insgesamt sind die Subventionen sogar in der Abgrenzung des Bundes von 25 Milliarden DM im Jahre 1990 auf über 37 Milliarden DM im Jahre 1993 gestiegen. Das sagt Ihre Regierung ja selbst aus; wir haben das alles über unsere Kleinen Anfragen abgefragt.
— Ich sage nur, was Sie sagen und was auf der anderen Seite Tatsache ist, Herr Waigel.Ansonsten können wir uns ein andermal unterhalten. Ich glaube, von der Regierungsbank aus sind Sie nicht zu Zwischenrufen berechtigt.
— Sie können ja als Abgeordneter Waigel eine Zwischenfrage stellen.
Das Gesamtvolumen der Subventionen unter Einschluß der Länder, Gemeinden, ERP-Finanzhilfen und Marktordnungsausgaben stieg im gleichen Zeitraum von 78 Milliarden DM auf 114 Milliarden DM. Die Subventionen pro Einwohner der Bundesrepublik stiegen von 1990 bis 1993 von 1 300 auf 1 400 DM.Die Bundesregierung stellt sich im 14. Subventionsbericht die Aufgabe, Dauersubventionen abzubauen. Die Zahlen belegen jedoch glatt das Gegenteil.Die Steuersubventionen haben sich insgesamt von 18 Milliarden DM im Jahre 1990 auf fast 22 Milliarden DM im Jahre 1993 erhöht. Dabei zeigt sich auch, daß diese Subventionen nur in relativ geringem Maß in die neuen Bundesländer fließen. Die Forderung nach Abbau blieb also ein Lippenbekenntnis, dem keine Taten gefolgt sind.Die Bundesregierung handelt nach dem Motto in Goethes Faust: „Wir wollen alle sparen und brauchen alle Tage mehr." Die ständige Beschwörung der Forderung nach Subventionsabbau hat offensichtlich nur dazu geführt, daß die staatlichen Förderleistungen immer weiter ausgedehnt worden sind. Dabei bleiben die Zwecke dieser Subventionen meist im Verborgenen.Namentlich die Liberalen rufen ständig lauthals nach Subventionsabbau und versorgen dennoch ungeniert ihre Klientel mit guten Gaben. Politische Inhalte sind in dieser Partei zur Beliebigkeit verkommen. Die Hauptsache ist, daß in Bonn mitregiert wird und daß die Besserverdienenden keine Steuervorteile einbüßen.Das ökologische Handeln dieser Regierung ist unter dem Stichwort Blackout zu finden. Die Umweltsünder werden mit Subventionen belohnt, umweltgerechtes Handeln wird nicht honoriert oder sogar bestraft. Die Subventionen von Bund und Ländern begünstigen ökologisch unsinniges Verhalten. Dafür werden insgesamt mehr als 10 Milliarden DM ausgegeben,
so ein Expertenbericht für die Umweltministerkonferenz des Bundes und der Länder, während sich die Subventionen des Bundes für den Umweltschutz im Jahre 1991 auf verschwindende sage und schreibe 2,4 Millionen DM beliefen.Nur ein Beispiel dieser ganzen Absurditätenliste: Fast 700 Millionen DM kosten die Steuervergünstigungen durch den Verzicht auf die Kfz-Steuer in der Land- und Forstwirtschaft. Diese Ausnahmeregelung aus dem Jahre 1935 sollte die Motorisierung in der Landwirtschaft fördern. Der Subventionszweck ist längst erreicht. Die Subvention besteht dennoch weiter. Rückschrittlicher kann man eine Politik doch gar nicht mehr machen.Die gesetzlichen Regelungen der Subventionsvergabe taugen nichts. Deshalb muß an die Stelle der klientelorientierten Subventionierung eine neue Form öffentlicher Förderleistung treten. Wir haben deshalb einen Gesetzentwurf eingebracht, der dieses Chaos in der Subventionspraxis, diese Unübersichtlichkeit überwindet.Wenn Herr Rexrodt beklagt, daß es hier kein Gesetz zum Subventionsabbau gibt, dann haben Sie heute die Möglichkeit, dem zuzustimmen bzw. das zu unterstützen.Ich will einen anderen Punkt der strukturellen Fehlsteuerung herausgreifen. Das ist die derzeit fehlende ökologische Steuerpolitik. Es ist schon beinahe
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Werner Schulz
rührend, wie sich nun auch der Wirtschaftsminister dieses Thema erobert. Die Steuern in der Bundesrepublik, so sagt er, müssen mittelfristig so reformiert werden, daß ökologischen Belangen und der Schonung natürlicher Ressourcen endlich Rechnung getragen wird. Mein Gott, warum tun Sie es dann nicht?Ihre Partei ist seit 25 Jahren an der Regierung, und bisher ist nichts in dieser Richtung geschehen. Solange Sie die Ökosteuern unter den Europavorbehalt stellen, wird auch weiterhin nichts geschehen. Immer wenn es darauf ankommt, wenn es spannend wird, ist bei der Partei der Besserverdienenden Fehlanzeige zu vermelden.Statt der ökologischen Auszeit, wie sie die Bundesregierung praktiziert, müssen jetzt die Chancen der Strukturkrise für eine gezielte Reformpolitik genutzt werden. Die Bundesrepublik muß in dieser Frage, wenn möglich mit anderen reformwilligen Ländern gemeinsam, vorangehen, muß einen ersten Schritt tun, um die Ökosteuer in Europa voranzubringen. Die Ergebnisse der jüngsten DIW-Studie über Öko- und Energiesteuern bestätigen den Reformansatz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.Eine Steuerreform, die ökologisch wirksam den Energieverbrauch schrittweise verteuert und die daraus entstehenden Einnahmen dafür verwendet, die Lohnnebenkosten zu verringern, schafft eine große Zahl neuer Arbeitsplätze; denn der Rationalisierungsdruck in den Unternehmen wird vom Problem Arbeitsplatzabbau auf das wirkliche Problem Energieeinsparung verlagert. Das hilft der Umwelt und belebt den Arbeitsmarkt.Wir wissen, meine Damen und Herren, es genügt nicht, die notwendigen Reformen einzufordern. Konzepte dafür sind vorhanden. Es wird Zeit, sie umzusetzen. Deshalb wollen wir, daß diese abgewirtschaftete Regierung abtritt.
Meine Damen und Herren, nächster Redner ist jetzt unser Kollege Peter Reuschenbach.
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den 22 Jahren, in denen ich dem Bundestag angehöre, habe ich selten eine Debatte — jedenfalls in ihrem ersten Teil — und schon gar keine wirtschaftspolitische Debatte erlebt, in der in einer so miesen, schludrigen und stilwidrigen Art und Weise mit Themen und mit Personen umgegangen worden ist. Zwei Minister und ein ehemaliger Minister sind in einer persönlichen, gehässigen Art und Weise über einen Ministerpräsidenten hergefallen, was sie sich allenfalls in Bierzelten oder auf irgendeinem Marktplatz drei Tage vor der Wahl leisten könnten.
Aber es ehrt sie nicht, hier so aufgetreten zu sein.Ihnen, verehrter Graf Lambsdorff, will ich sagen: Ihre Glaubwürdigkeit in allen Fragen, die mit DDR-Nachfolgewirkungen und -Nachfolgeproblemen zutun haben, ist erst dann wiederhergestellt, wenn Ihre Partei darauf verzichtet, sich an dem Vermögen der Helfershelfer der SED, nämlich der LDP, zu bereichern, das Ihnen insgesamt und wahrscheinlich auch auf heute bezogen recht ist, wohl nach dem Motto: Geld stinkt nicht.
Alle drei Reden haben darüber hinaus, meine sehr verehrten Damen und Herren, bestätigt, was kluge Beobachter der sich entwickelnden Wahlkampfszene schon seit geraumer Zeit prognostizieren,
daß Sie nämlich in Regierung und Koalition drauf und dran sind, der Steuerlüge des letzten Wahlkampfes eine Täuschung mit dem Etikett „Aufschwung" in diesem Wahlkampf folgen zu lassen. Denn die 1, 1,5 oder 2 % Wachstum beruhen auf der Nachfragesteigerung in großen Teilen der Welt, aber außerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Das ist die Ursache für den Export.
Dies als eine besonders hervorragende Leistung dieser Bundesregierung auszugeben, das ist schon ein starkes Stück.
Wenn irgendwo in der Welt, in den Vereinigten Staaten, in Südostasien und in Japan, die dortigen Regierungen es erreicht haben, daß in ihrem Land die Nachfrage wächst, Investitionen gesteigert werden und stattliches Wachstum zu verzeichnen ist und wenn die Bundesrepublik Deutschland davon profitiert, das dann als einen Leistungsbeweis der hiesigen Politik heranzuziehen ist so durchsichtig, daß Sie damit wohl kaum durchkommen werden.
Solche Wahrheiten sind aber nur die eine Seite der Medaille Täuschung mit dem Namen „Aufschwung". Die andere ist wesentlich dramatischer. Wer nämlich 1 oder 2 % Steigerung des Bruttosozialproduktes feiert und vergessen machen will, daß parallel dazu von Dezember 1993 bis Ende Mai 1994 die Zahl der Arbeitslosen saisonbereinigt noch einmal um 100 000 und gegenüber dem gleichen Zeitpunkt des Vorjahres um 360 000 zugenommen hat, und wer verschweigen will, daß die Prognose für das BPS mit einer weiteren Steigerung in diesem Jahr von 300 000 bis 400 000 zusätzlichen Arbeitslosen begleitet ist, der täuscht sich, aber auf jeden Fall das staunende Publikum, vor allen Dingen dann, wenn Sie die These verbreiten, jetzt habe man es aber gepackt.
Was heißt denn diese bittere Erfahrung: Steigerung des BPS um 1 oder 2 %, parallel dazu Steigerung um Hunderttausende von Arbeitslosen? Das heißt: Wer 2 oder 3 % als Wende feiert, findet sich in Wirklichkeit damit ab, daß es bei diesem Tempo viele, viele Jahre, ein Jahrzehnt oder länger, dauern würde, die fehlenden sechs Millionen Arbeitsplätze zu schaffen. In
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Peter W. ReuschenbachWirklichkeit haben Sie sich auch mit der Millionenzahl von Arbeitslosen abgefunden. Die interessieren Sie überhaupt nicht mehr.
Die bittere Lehre heißt auch, daß allenfalls ideologische Verbohrtheit noch daran hindert,
einzuräumen, daß konjunkturelle Erholung, so nötig und so wünschenswert sie ist, die aber von hier aus nicht stimuliert wird, um den Ausbau öffentlich geförderter Beschäftigung und Qualifizierung auf hohem Niveau ergänzt werden muß,
wenn man überhaupt — das bezweifle ich — Arbeitslosigkeit durchgreifend abbauen will.Mir ist schon klar, daß Sie denken und auch sagen: Da ist wieder einer mit der spinnerten Idee eines verbohrten staatsgläubigen Sozialdemokraten. Aber es wird Ihnen schwerfallen, auch jene so abzutun, die in diesen Tagen z. B. auf einem vom Berliner Senat veranstalteten Kongreß genau diese These dargelegt und begründet haben. Das waren das Gemeinschaftswerk des Instituts für Arbeit und Technik Gelsenkirchen, das Europäische Forschungsinstitut Königswinter, das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, sogar das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, das Oswald-von-Nell-BreuningInstitut und das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut des DGB, der Städtetag, das Rationalisierungs-Kuratorium der Deutschen Wirtschaft und die beiden Kirchen. Das sind weiß Gott keine sozialdemokraten Agitatoren, wie ich hinzufügen darf.Aber selbst kirchliche Empfehlungen zur Wirtschafts- und Sozialpolitik, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben bei der Union kaum noch Gewicht.
Katholische Soziallehre und evangelische Sozialethik kommen bei ihr allenfalls noch in Sonntagsreden vor.
In der politischen Praxis hat sich die Union meilenweit davon entfernt.
So ist es kein Wunder, daß die Caritas, die Diakonie, die Kolpingverbände, der Bund der katholischen Kirche Ihnen öffentlich die Leviten lesen, so wie es Bischof Kamphaus in diesen Tagen drastisch formuliert hat Sie können es im „Spiegel" nachlesen:Früher habe ich, wenn von der sich immer weiter öffnenden Schere zwischen Arm und Reich die Rede war, bloß an die Dritte Welt gedacht. Inzwischen beschreibt dieses Bild die Realität in Deutschland. Eine Caritas- Untersuchung vor kurzem hat ergeben, daß zehn Prozent der deutschen Bevölkerung an der Armutsgrenze unddarunter leben. Das ist doch alarmierend in einem so reichen Land.Weiter sagt er:Ich kritisiere die Verteilung des Erwirtschafteten. Die Entwicklung führt zu einer polarisierten Gesellschaft. Und wenn fast vier Millionen Arbeitslose vom Wirtschaftsprozeß einfach ausgeschlossen sind, dann ist das schlimm, dann ist das ein Skandal.
Das sagt kein Sozialdemokrat, sondern ein katholischer Bischof in Deutschland, der sich mit Ihrer Politik befaßt hat und sie kritisiert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, daß auf Grund steigender Auslandsnachfrage der Export steigt, widerlegt auch andere zentrale Thesen Ihrer sogenannten Konzeption, der neoliberalen Wirtschaftspolitik, der die Regierung und die Koalition zur Zeit so huldigen. Die Schwächen der Wirtschaft in den letzten Jahren waren nicht in Löhnen begründet, die Sie drücken wollen, nicht in Arbeitszeiten, die Sie verlängern wollen,
und nicht im Schutz von Arbeitsverhältnissen, den Sie durchlöchern wollen.
Denn das Anspringen des Exports auf Grund von konjunktureller Belebung in den Vereinigten Staaten und in Südostasien kennzeichnet Ihre obengenannten Ziele genau als das, was sie sind, nämlich als Versuch, die Gunst der Stunde ökonomischer Probleme zu nutzen, um ungeliebte und ideologisch verhaßte Rechts- und Sozialstandards abzubauen.
Das ist der wirkliche Hintergrund. Die Thatcheristen und die Reaganomics, die eine solche Politik in ihren Ländern eine Reihe von Jahren betrieben haben, haben ihren Ländern eher geschadet, sie jedenfalls nicht zu neuen Wirtschaftshöhen geführt. Erst durch den Kurswechsel scheint in den Vereinigten Staaten die Wende zum Besseren eingeläutet zu sein.
Wenn es der Regierung und der Koalition mit der Senkung von Arbeitskosten wirklich ernst wäre, dann dürfte sie sich nicht permanent an den Einkommen, an den Löhnen der Arbeitnehmer reiben. Sie hätte im weiten Feld der Lohnnebenkosten genug Spielraum, ihrem ständigen Gerede Taten folgen zu lassen.
Es hat sich nämlich weit über die Reihen der Sozialdemokraten hinaus herumgesprochen, daß die Klagen über hohe Lohnnebenkosten wie ein Bumerang auf die Regierung zurückfallen, weil Sie mit Ihrer
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Peter W. ReuschenbachKoalitionsmehrheit, Graf Lambsdorff, — das ist völlig unbestreitbar — die Lohnnebenkosten in den zurückliegenden vier Jahren zum Zwecke der Finanzierung anderer Aufgaben in unglaubliche Höhen getrieben haben.
Alle Versuche, Sie davon abzuhalten, haben Sie ignoriert.Vielen geht es auch über die Hutschnur, daß Unternehmer wie Wahlhelfer Stihl ständig klagen und fordern, aber kaum darüber berichten können, auf welche Weise Produkte erneuert und entwickelt und Marktanteile zurückgewonnen werden können.
Ich weiß, ich kenne den Zwischenruf: Billige Polemik und unfaire Unternehmerschelte. Der mußte jetzt auch kommen. Aber dann lassen Sie sich das bitte von jemandem andern sagen. Ich zitiere wieder:Die Krise der vergangenen Jahre quer durch die Branchen legte gigantische Fehlentscheidungen ganzer Vorstandsriegen bloß. Die Stützen ihrer Gesellschaften mit dem Ziel der Diversifikation auf unbekannte Geschäftsfelder suchen jetzt aber, nachdem sie die Aktionäre das Lehrgeld haben zahlen lassen,— ich füge hinzu: nachdem sie die Beschäftigten haben das Lehrgeld zahlen lassen —wieder die Konzentration auf das ureigene Geschäft. Häufig sind es dieselben Konzernlenker, die entschlossen die Rolle rückwärts kommandieren.Daneben offenbaren die meisten Bilanzen des vergangenen Jahres erhebliche Fehlentwicklungen in einzelnen Bereichen. Kommt die Rede darauf, blicken die im wahrsten Sinne des Wortes Verantwortlichen bestenfalls betrübt in ihre Unterlagen und finden blumige Erklärungen, und damit hat es sich dann. Und die Aufsichtsräte, die das Treiben der Manager beaufsichtigen sollen,— zehn oder fünfzehn, Graf Lambsdorff —zu viele haken Bilanzen offenbar nur ab, machen Kurswechsel klaglos mit, verlassen sich auf die Wirtschaftsprüfer und fühlen sich, wenn es ganz dick kommt, schnöde hintergangen. Ein Hauch von Filz läßt sich nicht leugnen.
— Ja, ich kenne das Stichwort.
Kontrolleure und Kontrollierte treffen sich so häufig wieder, mit vertauschten Rollen.Kein Sozialdemokrat, kein Gewerkschafter! Es würde ja auch einen Sturm der Entrüstung bei Ihnen hervorrufen, wenn das jemand dieser Couleur gesagt hätte. — Volker Hauff in der jüngsten „Wirtschaftswoche" zur Verantwortung von Führungskräften. So hat er das charakterisiert.
— Ich bitte um Entschuldigung, Volker Wolff. Er hätte auch statt „Führungskräfte" „Leistungsträger" sagen können. Also genau die, die die Anführer der manchester-liberalistischen Wirtschafts- und Sozialpolitik dieser Regierung zu ihren Hätschelkindern erklärt haben. Das Wort „Besserverdienende" möchten die Herren ja wohl nicht mehr hören, aber gemeint ist das gleiche.
Wie dem auch sei: Wenn das Konzept dieser Manchester-Liberalisten aufgeht und realisiert wird,
Steuersenkungen für Unternehmen und für höhere Einkommen, Privatisierung sozialer Risiken, Lohnreduzierungen bei Arbeitnehmern, bei Berufsanfängern — Herr Rexrodt hat es gestern gesagt; ich denke, er wird scheitern wie Balladur in Frankreich —, chaotisierende Individualisierung des Arbeitsmarktes und der Arbeitsverhältnisse, wenn das alles aufgeht, dann ist das Ergebnis eine andere Politik und eine andere Republik.
Wir wollen das, was unsere Republik war und was unsere Republik in der Verfassung stehen haben soll, bewahren. Wir wollen einen demokratischen und sozialen Rechtsstaat und keinen Nachtwächterstaat der Jahrhundertwende.
Meine Damen und Herren, ich mache Sie noch einmal darauf aufmerksam, daß Redezeiten vereinbart worden sind. Ich bin wirklich nicht kleinlich; aber über drei Minuten sind reichlich. — Als nächster hat der Kollege Rainer Haungs das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die beiden Reden der sozialdemokratischen Wirtschaftspolitiker waren nun wahrlich kein Signal zum optimistischen Aufbruch in dieser Gesellschaft und in dieser Wirtschaft.
Da ich mich aber an den Appell des Kollegen Reuschenbach halten will, über Anwesende und vor allem über nicht Anwesende nichts Unhöfliches zu sagen, erlauben Sie mir nur folgende Bemerkungen.Ich habe den Eindruck, daß die Prognosen der Sozialdemokraten zur Qualität der wirtschaftlichen Verbesserungen in der Bundesrepublik Deutschland von Monat zu Monat, bei jeder Debatte verändert werden. Wurde bei der vorletzten Debatte, ich glaube, bei der zum Jahreswirtschaftsbericht, noch der Aufschwung generell bestritten, wurde bei der letzten Debatte gesagt, daß es sich um ein kleines Lüftchen
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Rainer Haungshandeln könne, das man aber gar nicht ernst nehmen solle, so gilt heute wieder das Motto, und zwar vor allem von seiten des wirtschafts- und finanzpolitischen Sprechers der SPD: „Laßt alle Hoffnung fahren dahin! Die Prognosen sind nicht sicher."Nachdem wir nach unserer Definition zweifellos einen Aufschwung haben, hat Herr Lafontaine die glorreiche Idee, einfach die Definition des Aufschwungs zu ändern. Nach seiner Definition haben wir erst dann einen Aufschwung, wenn sich dies auch in der Verbesserung der Zahl der Arbeitslosen niederschlägt.
Dabei weiß jeder Volkswirtschaftsstudent im ersten Semester, daß sich eine wirtschaftliche Erholung in mehreren Schritten vollzieht und daß es auch durch noch so kraftvolle Beschlüsse eines SPD-Parteitags nicht möglich ist,
in der ersten Phase der wirtschaftlichen Erholung gleich auch Hunderttausende neuer Arbeitsplätze zu schaffen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen aber ganz genau, daß die Zahl der Arbeitslosen glücklicherweise geringer ausfällt, als Sie uns dies noch vor einem Jahr vorhergesagt haben, und Sie wissen auch ganz genau, wenn Sie die so sehr gescheiterte Wirtschaftspolitik der Vergangenheit betrachten, daß es unter der erfolgreichen Regierung dieser Koalition in den Jahren 1985 bis 1990 gelungen ist, immerhin 3 Millionen neue Arbeitsplätze zu schaffen.Wenn Sie, meine Damen und Herren von der SPD— ich will also vor allem auf die Einlassungen der Vertreter der SPD eingehen, weil mir, obwohl ich intensiv und sehr konzentriert zugehört habe, bei den Beiträgen der anderen Redner nicht allzuviel Beantwortbares aufgefallen ist , uns schon nicht glauben und dem Wirtschaftsminister vorwerfen, er habe sich zu sehr selber gelobt, dann sehen Sie sich doch einmal ganz unbefangen das Urteil einer führenden internationalen Investmentbank an, die in ihren Untersuchungen über den derzeitigen Wirtschaftszustand bei uns in der Bundesrepublik folgendes geschrieben hat:Eine Renaissance der Produktivität in Deutschland, verbunden mit der Deregulierung— ein Wort, das Sie ja allenfalls als Schimpfwort benutzen —und der Reform des Arbeitsmarkts, führt weiter auf dem langen Weg,— ich unterstreiche: langen Weg —die Wettbewerbsfähigkeit dieses Landes wiederherzustellen.Ich füge hinzu: Damit ist die Schaffung neuer, wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze wieder möglich, allerdings nur unter einer Wirtschaftspolitik, die ich Ihnen hier kurz darlegen möchte.Wer, wie Sie, vor allem wie Herr Lafontaine, die Kostenkrise erst einmal leugnet oder, wie andere, diese Kostenkrise gar nicht zur Kenntnis nimmt und gleichzeitig behauptet — dies finde ich nicht sehr fair, Herr Kollege Reuschenbach —, daß uns, die CDU/ CSU, die Arbeitslosigkeit gar nicht interessiere, der hat meines Erachtens wenig Anspruch auf eine ernsthafte, seriöse Diskussion.
Ich will diese Diskussion trotzdem zu führen versuchen.Die Rezession ist überwunden — darüber sind wir uns einig —, die Konjunkturaussagen deuten auf einen Aufschwung hin — wir wollen hier auch nichts in der Definition umformulieren —, und die Indikatoren zeigen nach oben.Sie fragen: Zufall, glückliche Fügung des Schicksals
oder das sich abzeichnende Ergebnis einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik?Ich glaube schon, daß wir in den letzten Monaten den Grundstein zur wirtschaftlichen Besserung gelegt haben — ein Fundament, auf dem wir weiter aufbauen können —, daß wir aber noch vieles benötigen, auch etwas Glück, daß wir allerdings eines nicht benötigen, nämlich eine neue Wirtschaftspolitik, wie Sie sie in Ihrem Uraltantrag gefordert haben.
Um es vorwegzunehmen: Eine Wirtschaftspolitik, wie von dem so von Terminnöten geplagten wirtschafts- und finanzpolitischen Sprecher Lafontaine vorgestellt und uns in ihrem Antrag vorgelegt, ist weder neu noch in der heutigen Situation angebracht.
Herr Kollege Haungs, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Reuschenbach?
Bitte.
Bitte, Herr Kollege Reuschenbach.
Sehr verehrter Herr Kollege Haungs, wollen Sie diese nadelstichelnde Bemerkung in bezug auf Herrn Lafontaine, „von Terminnöten geplagt", auch auf Herrn Waigel ausdehnen?
Nein. Ich habe vorhin, als sich der Präsident zu diesem Thema eingelassen hat, gesagt: Wir sind alle sehr viel von Terminnöten geplagt. Das wissen Sie ganz genau, Herr Kollege Reuschenbach. Deshalb anerkenne ich es, daß Sie und andere Kollegen hier sind. Aber eine Debatte, wie wir
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Rainer Haungssie in diesem Plenum eigentlich führen sollten, ist natürlich besser mit Anwesenden zu führen, vor allem mit denjenigen, die mit einem so hohen Anspruch kommen. Ich stelle fest: Der Wirtschaftsminister ist hier und bleibt hier. Wir führen ja vornehmlich eine Wirtschaftsdebatte, wenn ich das richtig sehe. Im übrigen brauche ich mit dem Finanzminister keine strittige Debatte zu führen, weil ich mit ihm in allen Punkten übereinstimme.
Das, was der Ministerpräsident des Saarlandes hier an abenteuerlichen Theorien zu einer Nachfragepolitik vorgebracht hat, ist so wackelig, daß ich ihm das gern in einigen Punkten widerlegt hätte, damit sich dies bei Ihnen nicht allzusehr herumspricht, damit Sie nicht glauben, daß dies ein Weg aus unserer Wirtschaftskrise wäre.Man kann der Bundesregierung als Opposition ja viel vorwerfen. Man kann ihr aber keinesfalls vorwerfen, daß sie keine nachfrageorientierte Politik betreibe. Ein wesentlicher Bestandteil unserer nachfrageorientierten Politik besteht ja darin, daß wir in den neuen Bundesländern — die Beträge kennen Sie — dreistellige Milliardenbeträge ausgeben, um dort eine neue Infrastruktur, um dort neue Arbeitsplätze aufzubauen. Wenn dies nicht historisch gesehen das größte nachfrageorientierte Konjunktur- und Strukturprogramm ist, das ein Industriestaat jemals durchgeführt hat, dann weiß ich nicht mehr, was Nachfragepolitik sein soll.
Herr Kollege Haungs, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Hörster?
Bitte.
Bitte, Herr Kollege Hörster.
Herr Kollege Haungs, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß der Bundesfinanzminister Waigel deswegen der Debatte nicht mehr folgen kann, weil er augenblicklich hier in Bonn ein Gespräch mit dem britischen Schatzkanzler führt?
Das kann ich bestätigen. Im Gegensatz zu dem anderen zitierten Herrn hat er sich hier ja auch nicht grußlos verabschiedet, sondern mit dem Ausdruck des Bedauerns und der Begründung, die Sie genannt haben.
Aber kommen wir doch zur Sache! In Ihrem Antrag zu einer „neuen Wirtschaftspolitik" kritisieren Sie, daß unsere Wirtschaftspolitik einseitig angebotsorientiert ausgerichtet sei. Da lachen ja wirklich die Hühner, daß unsere Politik einseitig angebotsorientiert ausgerichtet sein soll. Da ist bei Ihnen tatsächlich — dieses Gefühl hatte ich trotz aller Wertschätzung auch bei Ihnen, Herr Kollege Reuschenbach — dasalte sozialistische Wortgeklingel etwas durchgebrochen. Wenn man in der heutigen Situation von sozialen Schieflagen, von Bedrohung des sozialen Friedens, von Sozialabbau usw. redet, dann empfehle ich in aller Bescheidenheit, nicht den Standortbericht nachzulesen, sondern nehmen Sie Nachhilfe bei Ihrem geschätzten Super-Finanz- und -Wirtschaftsminister Professor Schiller. Er schrieb neulich in einem sehr beachtenswerten Buch
— man kann ja nur diejenigen loben, die etwas Gescheites schreiben, ich habe das mit viel Vergnügen gelesen —:Es ist völlig verfehlt, über den Abbau des Sozialstaates zu klagen. Wer jetzt das Ziel verkündet, es müsse das System — —
— Soll ich Ihnen auch noch die Seite nennen?
— Ich glaube, es wäre auch im Sinne der Pietät richtig, wenn Sie mir die Chance gäben, bevor ich zu meinen Ausführungen komme, diesen einen Satz eines so verdienten Sozialdemokraten vorzulesen, wenn er schon nicht von Ihnen, sondern von mir zitiert wird. Ich sage es also noch einmal.Professor Schiller schreibt:Es ist völlig verfehlt, über den Abbau des Sozialstaates zu klagen. Wer jetzt das Ziel verkündet, es müsse das System der Sozialleistungen ungeschmälert durch Rezession und Strukturbrüche gebracht werden, der sorgt dafür, daß Deutschland im Wettbewerb zurückfällt.
— Ja, das ist auch richtig.Sie haben vorhin kritische Stimmen aus der Wirtschaft — die kamen in früheren Monaten mehr als jetzt — zitiert. Dazu muß ich Ihnen sagen, daß der BDA-Präsident Murmann in einer beachtenswerten Rede neulich nicht den Verfall des Dollarkurses, der für die Exportindustrie schwierig ist, und auch nicht die Zinssituation in der Bundesrepublik Deutschland angemahnt hat — beides Dinge, die Lafontaine als äußerst wichtig angemahnt hat —, sondern er sagt klipp und klar:Die Achillesferse der Wettbewerbsfähigkeit der exportierenden Industrie ist die Tatsache, daß die Kostenkrise bis heute noch nicht vollständig überwunden ist.
Versetzen wir uns zurück in das Jahr 1993: Die konjunkturelle Schwäche, die sich bei uns auf Grund der Sonderbedingungen der deutschen Wiedervereinigung erst zwei Jahre später als in den Nachbarländern bemerkbar gemacht hat,
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Rainer Haungslegte die strukturelle Krisenanfälligkeit der deutschen Wirtschaft frei. Diese Krisenanfälligkeit resultierte nicht nur aus einer Verschlechterung der Produktpalette, aus der Tatsache, daß wir in einigen Bereichen nicht die neuesten Produkte haben, sondern vor allem aus einer Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen im Angesicht von neu auftretenden Konkurrenten, die unter vollkommen anderen Rahmenbedingungen produzieren.Die Internationalisierung der Märkte und des Wettbewerbs führt demzufolge nicht nur zu einem Wettbewerb der Produkte, sondern parallel hierzu auch zu einem Wettbewerb der Standorte. Von diesem Ausgangspunkt betrachtet, wurden die strukturellen Defizite des Standorts Deutschland erkennbar. Wir, die Bundesregierung und die Fraktionen der CDU/ CSU und F.D.P., haben die Diskussion um den Standort Deutschland in der breiten Öffentlichkeit geführt. Damit — dies ist ein großer Erfolg — wurde dieses Problem auch in der Bevölkerung wahrgenommen. Die Liste derer, die sich an der konstruktiven Erarbeitung von Lösungsvorschlägen beteiligten, reicht sehr weit. Wir haben nicht nur von vielen Seiten Kritik bekommen, sondern wir haben von vielen Seiten des breiten gesellschaftlichen Spektrums, von Arbeitnehmervertretungen bis zur Katholischen Bischofskonferenz, vom BDI bis zu Bürgerinitiativen, auch konstruktive Anregungen bekommen.Wir haben in dieser schwierigen Situation nicht Kassandra gespielt, wie Sie es so gerne tun, sondern mit Mut und Entschlossenheit gezeigt, daß wir die Aufgaben der Politik, nämlich auch zu diesem Umdenkungsprozeß beizutragen und dann tragfähige Lösungsansätze vorzustellen, gemeistert haben.Dieser Umdenkungsprozeß zeigte sich sowohl im Standortbericht wie auch in den maßvollen Tarifabschlüssen, beispielsweise bei der Chemie, bei einer Rückkehr der Tarifpartner zu einer beschäftigungsorientierten Tarifpolitik, um das vordringliche Ziel der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit erreichen zu können.Die Reaktion der SPD — auch heute haben wir es wieder gesehen und gehört —: Die Kostenkrise wird negiert oder bagatellisiert, und selbst in dem noch vorhandenen Antrag wird über das Pauschalwort „Lohnsenkungen" Angst und Unsicherheit verbreitet. Was Sie hingegen als Lösungsansatz in Form eines „nationalen Beschäftigungspakts" propagieren, ist mehr Semantik als greifbare Strategie zur Überwindung der Arbeitslosigkeit.
Eine Flexibilisierung der Tarifgestaltung mit der Möglichkeit von Einstiegstarifen, wie wir es immer fordern, wie es auch manche Gewerkschaften richtigerweise tun, wurde von Ihnen immer abgelehnt und kritisiert. Das gleiche gilt für die Anwendung von Härtefallregelungen für einzelne Betriebe. All diese Regelungen haben doch das Ziel, die Verantwortung dezentral in die Betriebe zu verlagern, wo es sehr viel mehr Phantasie, Kreativität, aber auch Verantwortlichkeit bei der Lösung der Probleme gibt. Dort, in den Betrieben, wird über Entlassungen oder über Mehrbeschäftigung entschieden. Die Tarifpartner müssen eine Tarifpolitik betreiben, die den Betrieben die Möglichkeit gibt, auch in Krisensituationen im Sinne der Arbeitnehmer zu entscheiden.
Wir brauchen keine schematisch vorgesehenen Lösungen von Funktionären, sondern die Öffnung vor Ort, um die lokalen, regionalen und Branchenprobleme verantwortungsvoll aufzunehmen.Glücklicherweise ist ein Großteil unserer Bevölkerung flexibler und einsichtiger, als das manch einer seiner Vertreter wahrhaben möchte. Ich betone noch einmal: Mit dem von Ihnen so kritisierten Standortbericht hat die Bundesregierung eine nüchterne und klare Analyse der Situation vorgelegt wie auch konkrete Umsetzungsaufgaben formuliert. Erweitert wurde dieser Katalog durch das Aktionsprogramm zur Belebung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt, das seine Umsetzung in einer Reihe von gesetzgeberischen Maßnahmen findet, so z. B. in dem Beschäftigungsförderungsgesetz mit der Möglichkeit der privaten Arbeitsvermittlung, von der Sie bekanntlich nichts halten, oder dem Magnetschwebebahnplanungsgesetz, von dem die einen so, die anderen so reden, wobei Sie insgesamt einen unklaren Standpunkt haben.Der von der Bundesregierung nun nach nur zehn Monaten vorgelegte Fortschrittsbericht ist ein eindrucksvolles Beispiel für das entschlossene Handeln und die Fähigkeit dieser Bundesregierung und der sie tragenden Parteien, Probleme zu lösen und auf zukünftige Herausforderungen zu reagieren.
Die Schaffung neuer wettbewerbsfähiger und rentabler Arbeitsplätze wird auch in Zukunft eine unserer Hauptaufgaben sein. Ich wiederhole aber: Jeder Ökonom weiß, daß zu Beginn der Behebung einer Strukturkrise, zu Beginn eines Aufschwunges Arbeitsplätze nicht geschaffen werden, daß es aber keine andere Chance gibt, in den nächsten Jahren entsprechende Arbeitsplätze zu schaffen.
Deshalb: Deregulierung, Privatisierung - so wievon uns vorgeschlagen. Ihre Mithilfe — ich will das vorsichtig ausdrücken — ist hier sehr gering. Deregulierung und Privatisierung sind keine Ziele, die Sie aktiv betreiben. Im besten Fall hindern Sie uns nicht daran, unsere wichtigen Pläne zu verwirklichen. Sehr oft tun Sie es aber durch Ihre Blockadepolitik im Bundesrat.
Die Flexibilisierung der Rahmenbedingungen zur Schaffung von individuellen Lösungen und Freiräumen für wirtschaftliche Kreativität kommt in Ihren Programmen nicht vor. Wer Deutschland modernisieren will
— wollen Sie, sehr schön —, dessen Hauptsorge beider Postreform aber der Wahrung des Besitzstandes
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20864 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Rainer Haungsder Arbeitnehmer gilt, ohne durch Reform des Unternehmens überhaupt erst Produktivität und damit Einkommen und Beschäftigung in der Zukunft zu schaffen, der wirkt auf mich nicht sehr überzeugend.
— Ja, aber unter welchen Bedingungen?Ich zitiere Ihren Vorsitzenden Scharping, der gesagt hat: Die SPD kann nur unter drei Bedingungen zustimmen. — Obwohl Sie heute zugestimmt haben, weil Sie sonst der Blamierte gewesen wären, können Sie durch die Hintertür des Bundesrates eine ungeliebte Entwicklung noch konterkarieren — wahrhaft eine mutige Partei bei der Modernisierung des Wirtschaftsstandorts Deutschland! Nein, meine Damen und Herren, man kann die SPD wirklich nicht als Motor der Privatisierung ansehen; man kann sie auch nicht als Befürworter einer Modernisierung unserer Volkswirtschaft betrachten. Denn immer, wenn Sie konkret gefordert sind, gehen Sie irgendwie noch durch eine Hinter- oder Seitentür.So kann ich mich nicht erinnern, daß Sie bei der Modernisierung der deutschen Energiepolitik dafür gewesen sind, daß wir in Zukunft neue Kernreaktoren entwickeln, die wesentlich sicherer sind.
— Das wäre ein Rückschritt, meinen Sie, und gleichzeitig wollen Sie all die unsicheren Reaktoren, die im Ostblock stehen, nicht durch die modernste deutsche und europäische Kernenergietechnologie modernisieren und sicher gestalten. Sie sagen statt dessen: Wenn der SPD-Parteitag es beschlossen hat, beschränken wir uns auf unseren nationalen Rahmen und kümmern uns nicht um Dinge im Ausland — wahrhaftig eine solidarische, eine der Umwelt verantwortliche und sehr progressive Politik zum Fortschritt unserer Sicherheit und zur Verbesserung der Lebensbedingungen in Europa.
Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen nur raten, den Fortschrittsbericht gut durchzulesen. Dort können Sie lernen, wie man gute Politik macht.Meine Damen und Herren, Sie haben immer so gern die Kritik der Wirtschaft gehört. Sie wundern sich, daß sie derzeit weniger geäußert wird. Das hängt damit zusammen, daß unsere Politik etwas länger erklärungsbedürftig war, daß wir aber jetzt, nachdem sich die Erfolge einstellen, durchaus auch Forderungen aus der Wirtschaft hören,
— Höchstens am Rande. — Ich zitiere den BDA-Präsidenten Murmann:Notwendig ist schließlich, daß die Fortsetzung des von der Bundesregierung eingeschlagenen wirtschaftspolitischen Kurses mit einem klaren Konzept weitergeführt wird.Also, hier ist von der Notwendigkeit einer „neuen Wirtschaftspolitik", wie Sie sie in Ihrem Antrag fordern, nicht sehr viel zu hören.Meine Damen und Herren, die SPD kommt mir vor wie ein Mensch, der als einziges Instrument einen Hammer besitzt und deshalb dazu neigt, jedes Problem für einen Nagel zu halten. Deshalb machen Sie Ihre pessimistischen Aussagen zur Wirtschaftspolitik, weil Sie glauben, daß dies die einzige Möglichkeit für die Ablösung der von Ihnen ungeliebten Regierung ist.
— Wenn Sie nicht gelacht haben, dann kann ich auch nichts dafür.Aber zum Abschluß meiner Rede habe ich mir noch etwas sehr viel Lustigeres aufgeschrieben. Die Bemühungen der Opposition erinnern mich — vielleicht gefällt Ihnen dieses Bild besser — an die Geschichte des Wettlaufs zwischen Hase und Igel. Ich kann mir schon vorstellen, was der Kollege Jens nachher fordern wird, nämlich alle Dinge, die wir in unser Aktionsprogramm aufgenommen haben: Wiedereinführung des Eigenkapitalhilfeprogramms,
Förderung des Mittelstandes über Existenzgründungs- und Innovationsinitiativen, Ausbildungsförderung über ein Darlehensprogramm zur Förderung der beruflichen Fortbildung, Unterstützung und Einsatz moderner Technologien, Offensive für Teilzeitarbeit, Förderung regenerativer Energien im Energieartikelgesetz. Es ist natürlich keine große Kunst, wenn wir ein Dreißig-Punkte-Programm machen, wenn dann anschließend Scharping ein Zehn-Punkte-Programm und Lafontaine ein Zwanzig-Punkte-Programm machen und dabei die wesentlichen Dinge aus unseren Programmen übernehmen.Ich gehe gerne auf den Zwischenruf von Herrn Kollegen Jens ein. Er hat gesagt, auf Drängen der SPD hätten wir wieder ein Existenzgründungsprogramm in den alten Bundesländern eingeführt. Die Wahrheit ist doch die — die kennen Sie genauso wie ich auch —, daß wir zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung unsere ganzen Mittel zum Aufbau einer mittelständischen Wirtschaftsstruktur für eine begrenzte Zeit in den neuen Bundesländern konzentrieren mußten. Wenn Sie aber gleichzeitig die Staatsverschuldung kritisieren, dann muß man beim Abwägen der Dinge für einige Jahre auf ein Eigenkapitalhilfeprogramm in den alten Bundesländern verzichten können.Aber ich stimme Ihnen gerne zu, daß Sie diesem Eigenkapitalhilfeprogramm — im Gegensatz zu manch anderen Reformen — keinen Widerstand entgegengesetzt haben.Meine Damen und Herren, ich komme zum Ende. Wir dürfen auf dem Weg der Restrukturierung der Wirtschaft nicht zurückfallen. Wolfgang Schäuble mahnt in seinem Buch „Und der Zukunft zugewandt" den Mut zur Zukunft an. Dieser Mut zur Zukunft und damit automatisch zur Veränderung ist gerade für die
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Rainer HaungsBewältigung nicht nur der heutigen, sondern auch der zukünftigen Probleme wichtig.
Deshalb werden wir bei dem klaren Konzept, wie es von den Rednern der Regierung, unserer Fraktion und von mir vorgestellt wurde, bleiben; denn die Vorschläge der SPD sind ungeeignet. Ich darf zum Abschluß Goethe zitieren: „Wer in schwankenden Zeiten sich schwankend verhält, der mehret das Übel. "
Als nächster spricht der Kollege Uwe Jens.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe das Gefühl, der Ton wird etwas rauher.
Die Wahl wirft ihre Schatten voraus. Die F.D.P. kämpft um ihr Überleben.Ich will Ihnen sagen, der Waigel hat die goldene Uhr wirklich nicht verdient. Der hat nämlich überhaupt nicht deutlich gemacht, wie er dem Urteil des Verfassungsgerichts gerecht werden will, mit keinem Satz.
— Von Tchibo, 49,95 DM.
Meine Damen und Herren, es ist natürlich immer so: Jeder spielt ein wenig seine Rolle. Die Regierungskoalition versucht, alles in goldenen Farben darzustellen. Und wir das gebe ich gerne zu — versuchen, ein bißchen Objektivität in die Diskussion hineinzubringen. Wenn man um Objektivität bemüht ist — und das sollten wir wenigstens von Zeit zu Zeit sein —, dann ist es wirklich sehr schwierig, von einem großen Aufschwung zu reden.Ich gebe zu, wir werden am Ende dieses Jahres wahrscheinlich einen BSP-Zuwachs von 1,5 bis 2 % haben. Wir werden allerdings auch bei den Arbeitslosen weiterhin einen Zuwachs haben. Also Herr Rexrodt, beachten Sie bitte auch die Gefahren, die es zur Zeit gibt: Das Geschäftsklima ist nach Ifo im Mai keineswegs besser geworden. Die langfristigen Zinsen steigen schon, obgleich sie sonst in dieser Situation eigentlich nach unten gehen müßten. Das ist eine ganz gefährliche Sache. Und schließlich wertet die D-Mark gegenüber dem Dollar weiter auf. Das einzige Fünkchen Hoffnung, das wir haben, der Export, wird dadurch möglicherweise kaputtgemacht.Meine Damen und Herren, wir wollen nicht Kassandra spielen, aber es gibt ein ganz gefährliches Rückschlagspotential. Wir sollten uns wirklich um Objektivität bemühen. Wir müssen die wirtschaftliche Entwicklung durch neue Weichenstellungen fördern.
Ich weiß noch sehr genau, wie 1982, vor zwölf Jahren, Bundeskanzler Kohl, der ja wohl — hoffentlich — dem Ende seiner Regierungszeit entgegengeht,
von der „geistig-moralischen Wende" gesprochen hat. Was wir jetzt erleben, macht mich im höchsten Grade ängstlich. Auch Herr Pöhl spricht mittlerweile davon, daß wir es in der Wirtschaft nur noch mit Gaunern und Ganoven zu tun haben und daß sie das Erscheinungsbild der deutschen Wirtschaft prägen. Ich erinnere an Maxwell, die Metallgesellschaft und an die Milliardenbetrügereien des Herrn Schneider und der Firma Balsam,
die mit dazu beigetragen haben, daß viele tausend kleine und mittlere Unternehmen mit in den Konkurs gerissen wurden, und zwar auf Grund von Ganovereien, die es aus meiner Sicht in der Offentlichkeit verstärkt anzuprangern gilt.
Die Kriminalität in der Wirtschaft hat aus meiner Sicht ein bisher unbekanntes Ausmaß angenommen. Da gilt es gegenzuhalten. Wir erwarten endlich auch einmal von dieser Regierung vernünftige Vorschläge, wie sie diesem Wildwuchs entgegentreten will.
Ich wollte allerdings Ihnen, meine Damen und Herren, ganz sachlich „verklickern", was wir machen würden, wenn wir am 16. Oktober die Macht und die Regierungsverantwortung übernehmen.
Ich bin davon überzeugt, meine Damen und Herren: Wir würden bis zum Jahre 2000 die Anzahl der Beschäftigten sicherlich um 3 Millionen bis 3,5 Millionen erhöhen.
— Wenn Sie eine Frage zu stellen haben, dann stehen Sie doch auf. — Es geht darum, daß das Ziel Vollbeschäftigung in Zukunft wieder das wirtschaftspolitische Ziel Nummer eins wird, meine Damen und Herren.
Erstens. Wir brauchen dringend einen Beschäftigungspakt von Bundesregierung, Gewerkschaften und Bundesbank. Ziel muß sein, daß die Zinsen eben nicht mehr steigen, sondern daß sie wieder nach unten gehen. Ich will auch das Folgende sagen — darin unterscheiden wir uns elementar von dieser Regierung —: Ziel muß ebenfalls ein, daß die Reallöhne in Zukunft nicht weiter sinken. Aber Sie — das habe ich leider aus den Reden herausgehört — wollen, daß die Reallöhne der breiten Schichten in diesem Lande weiter absinken, und das kann keine vernünftige Politik sein.
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20866 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Dr. Uwe JensZweitens. Wir brauchen eine europäische Beschäftigungsinitiative, um die transnationalen Netze in Europa besser zu verbinden. Dabei müssen wir auch unkonventionelle Finanzierungswege beschreiten; das gebe ich gerne zu.
Aber zur Zeit werden diese Wege von Herrn Rexrodt und von Herrn Waigel blockiert. Das muß anders werden; dafür müssen die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande sorgen.Drittens. Wir brauchen eine ökologische Steuerreform, vor allem um die Lohnnebenkosten endlich zu senken und den Faktor Arbeit billiger zu machen, damit er verstärkt eingesetzt wird.
Auch Wirtschaftsminister Rexrodt redet ja mittlerweile davon. Ich sage Ihnen: Wir werden alles tun, damit so etwas auf europäischer Ebene zustande kommt; aber wir werden notfalls, wenn wir dort scheitern sollten, dieses auch im nationalen Alleingang machen.Viertens. Wir brauchen eine Regionalisierung der aktiven Arbeitsmarktpolitik, um Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren und um vor Ort zu entscheiden, auf welche Art und Weise endlich Arbeitsplätze geschaffen werden können. Das ist sinnvoll; aber die Regierung macht auf diesem Felde nichts.Fünftens. Wir brauchen eine Innovationsoffensive, die sich insbesondere an kleine und mittlere Unternehmen richtet, aber die natürlich auch dafür sorgt, daß in Zukunft mehr für Forschung und Technologie ausgegeben wird.Dies sind nur einige wenige Beispiele; das gebe ich zu. Aber nur mit einer grundlegenden neuen Weichenstellung in der Wirtschaftspolitik lösen wir die wirtschaftspolitischen Probleme von morgen.Ich will Ihnen auch sagen, daß ich zutiefst davon überzeugt bin, daß es auch ökonomisch sinnvoll ist — Herr Lafontaine hatte vorhin auch davon gesprochen —, den Solidarbeitrag, der alle Bürger in diesem Lande mit 7,5 % der Steuerschuld belasten soll, auch den kleinsten Einkommensbezieher, sofern er Einkommensteuer zu zahlen hat, durch eine Ergänzungsabgabe zu ersetzen, die dazu beiträgt, daß erst die belastet werden, die alleinstehend — über 60 000 DM brutto oder — verheiratet — über 120 000 DM brutto verdienen. Das ist auch ökonomisch vernünftig, das stärkt die Nachfrage in unserem Lande.
Das ist auch ein Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigkeit, meine Damen und Herren.
Wir begrüßen selbstverständlich die Ratifizierungder GATT-Vereinbarung, die heute ansteht. Um dieseVereinbarung zu erreichen, haben wir die Regierungmanchmal recht kräftig treten müssen. In Zukunftwerden wir allerdings in der Außenwirtschaftspolitikmeine Kollegin Elke Leonhard, die das bei unsfederführend vertritt, sitzt da — vier weitere Problemeansprechen und mit Nachdruck vertreten, meine Damen und Herren.Dazu gehört erstens der Kampf gegen die Währungsspekulation. Abwertungswettläufe,
wie sie immer wieder vorkommen, müssen unterbunden werden. Es darf doch auf Dauer nicht sein, daß die Spekulanten auf den internationalen Finanzmärkten bestimmen,
was politisch in den einzelnen Nationen zu geschehen hat und was nicht.
Das muß verhindert werden, meine Damen und Herren!Zweitens geht es darum, daß wir mit allen Ländern Handel treiben wollen, die auch einheitliche Wettbewerbsregeln akzeptieren, so wie wir sie in unserem Lande kennen. Dazu gehören zum Beispiel Kartellverbote, dazu gehört die Kontrolle über marktbeherrschende Unternehmen. Wenn wir hier nicht vorankommen, wird den demokratisch legitimierten Institutionen eines Tages von monopolisierten Unternehmen das Fell über die Ohren gezogen werden. Berlusconi läßt grüßen!
Das ist eine Entwicklung, vor der ich äußerste Sorge habe, und wir müssen alles tun, um so etwas in unserem Lande zu verhindern. Ansätze dazu gibt es leider schon.
Drittens. Wir brauchen wirksame Absprachen im Rahmen der World Trade Organisation über soziale Mindeststandards. Kinder- und Zwangsarbeit können doch von zivilisierten Ländern auf Dauer nicht hingenommen werden. Wer Handel treiben will, muß auch Gewerkschaften akzeptieren. Aber als es um diese entscheidenden Fragen in Marrakesch ging, ist Wirtschaftsminister Rexrodt dem Präsidenten Clinton aus den Vereinigten Staaten in den Rücken gefallen.
Wir brauchen viertens ökologische Mindeststandards. Sie sind von besonderer Bedeutung. Warum greift diese Bundesregierung nicht endlich diesen Vorschlag von Paul Klemmer auf, damit wir zu einer Zertifikatslösung kommen, um die CO2-Emissionen zu reduzieren? Das ist doch dringend notwendig!
Muß es wirklich erst zu Klimakatastrophen kommen, bis diese Regierung endlich handelt? Das kann doch wohl nicht sein!Meine Damen und Herren, von all diesen Problemen will diese Regierung leider nichts wissen.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20867
Dr. Uwe JensIch bin zutiefst davon überzeugt: Wenn wir mit der Lösung unserer nationalen Wirtschaftsprobleme vorankommen wollen, brauchen wir auch im internationalen Bereich mehr Koordination und eine neue Politik. Auf nationaler Ebene muß die Wirtschaftspolitik wieder auf Vollbeschäftigung ausgerichtet werden.
Auf internationaler Ebene müssen wir mit den USA an einem Strang ziehen. Das ist bei der jetzigen Regierung leider nicht der Fall. Wer ein wenig von praktischer Wirtschaftspolitik versteht, weiß, daß ein politischer Wechsel zwingend notwendig ist.
Ich fasse noch einmal kurz zusammen, worin der elementare Unterschied zwischen dieser Regierung und der sie tragenden Koalition sowie den Sozialdemokraten besteht. Graf Lambsdorff hat davon gesprochen, Herr Haungs auch.Sie sind einseitig neoliberal festgelegt, auf die Ideen eines Milton Friedman — das heißt, die Löhne müssen herunter, die Löhne müssen flexibler gestaltet werden, Deregulierung, Privatisierung —, und Sie glauben, daß Sie damit die Probleme von morgen lösen — ein großer, gewaltiger Irrtum, meine Damen und Herren.
Worum geht es? — Die Sozialdemokraten greifen zurück auf die Ideen eines Schumpeter und auch eines John Maynard Keynes. Wir wollen Innovation, wir wollen mehr Produktivität in dieser Wirtschaft. Wir wollen auch die Nachfrage stärken, und wir müssen die außenwirtschaftliche Politik intensiver betreiben als bisher. Nur das bringt uns aus dieser Krise heraus, und das muß dringend passieren. Ein Wechsel steht unmittelbar bevor.Schönen Dank.
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Friedhelm Ost.
Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Bei den verschiedenen Redebeiträgen aus der SPD, die ich gehört habe, habe ich mich an Karl Marx erinnert gefühlt, der gesagt hat: Das Sein bestimmt das Bewußtsein.
— Hören Sie einmal zu; ich erkläre Ihnen das doch. — Sie blicken zu sehr auf die Baisse der eigenen Partei in den Demoskopien, auf die Talfahrt, auf die schlechten Ratings ihres Spitzenkandidaten, und Sie schauen zuwenig auf die Daten und Fakten der wirtschaftlichen Entwicklung.Natürlich, im Saarland versucht man sogar, die Pressefreiheit etwas einzuschränken, damit man in den Medien nicht mehr die Kritik daran ertragen muß, was man selbst sozusagen nicht schafft. Lassen SieIhre Finger von der Pressefreiheit und schauen Sie auf die Realitäten!
Bei Oskar Lafontaine habe ich das Gefühl, daß er mit seinem Blick auf die „rote Laterne" fast schon einseitig orientiert ist.
Wir haben doch hervorragende Plätze in der internationalen Tabelle der Wirtschaften der einzelnen Länder.
— Das mag ja sein.Lieber Kollege Uwe Jens, das ist ja wirklich ebenso alternatives wie absurdes Ökonomietheater, was Sie uns heute hier vorgespielt haben.
Wir haben doch in der Tat das gemeinsame Ziel — das sollten wir wirklich auch nach draußen vermitteln — der Wiederherstellung der Vollbeschäftigung; wir wollen die Vollbeschäftigung in unserem Lande gemeinsam erreichen.
Aber es geht um die Wege dahin. — Lieber Herr Kollege Jens, wir haben in der Tat viele Arbeitslose übernommen
und haben in den 80er Jahren über 3 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen.
Sie sollten unsere Rezepte wirklich einmal lesen und vielleicht auch dem Ministerpräsidenten des Saarlandes wenigstens die Drucksache übersenden, nämlich den Fortschrittsbericht zum Bericht der Bundesregierung zur Zukunftssicherung des Standorts Deutschland: Dort sind 97 Maßnahmen aufgeführt, die wir ergreifen, um den Weg in Richtung mehr Wachstum und Beschäftigung wirkungsvoll zu beschreiten. Die sollten auch Sie zur Kenntnis nehmen und nicht so tun, als ob Sie mit weiteren Kostenerhöhungen und einer weiteren Verteuerung der Arbeit hier mehr Arbeitsplätze schaffen. Das bedeutet doch mehr Arbeitslosigkeit.Ihr Kollege Hermann Rappe hat es doch begriffen: In der Chemie hat man die Tarife nach unten geöffnet, weil Arbeit in einigen Bereichen, auch im internationalen Vergleich und im internationalen Wettbewerb, zu teuer geworden ist. Deshalb müssen wir in der Tat sehen, daß wir mit den Kosten herunterkommen.Ich will Ihnen hier nicht die praktische Wirtschaftspolitik, die auch in den Ländern betrieben wird, vorhalten. Aber wer sich sozusagen als Doppelstratege für Wirtschaft und Finanzen in der Bundesliga bewirbt, der sollte in der Tat einmal gucken, was er in der Regionalliga Saarland erreicht hat. Das Fazit einer
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20868 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Friedhelm OstUmfrage ist — ich will Ihnen das nicht vorlesen —, daß über 30 der Unternehmen an eine Produktionsverlagerung aus dem Saarland heraus denken.Ich habe mit großer Aufmerksamkeit, lieber Herr Kollege Jens, Ihren Antrag für eine neue Wirtschaftspolitik gelesen. Das einzig Richtige ist der letzte Satz:Die Zukunftsvorsorge muß wieder mehr Gewicht gegenüber dem Gegenwartskonsum erhalten.Aber alles das, was Sie vorher schildern, heißt: mehr Konsum, mehr Nachfrage, von der Sie gesagt haben, sie sei zu schwach. Nein, wir haben eine massive Nachfrage, teilweise eine zu große staatliche Nachfrage. Wir brauchen in der Tat eine private Nachfrage im Bereich der Investitionen,
Gegenwartskonsum begrenzend, um die Investitionen zu stärken, vor allem die privaten.
Mit Ihrer Feststellung am Anfang liegen Sie schon völlig falsch: Erst einmal nehmen Sie alte Daten.Die Verteilung des Volkseinkommens hat sich mit einer Lohnquote von jetzt 66 vom Hundert einseitig zugunsten der Unternehmen verändert, . . .Sie wissen doch ganz genau, lieber Herr Professor Jens, wenn Sie sich die Verteilung des Sozialproduktes angucken, daß die Einkommen aus unselbständiger Arbeit von 1990 bis 1993 gestiegen sind, während die Einkommen aus Unternehmertätigkeit leider zurückgegangen sind. Wenn die zurückgehen, wenn keine Rendite zu erzielen ist, gehen leider auch die privaten Investitionen zurück. Und wenn die privaten Investitionen zurückgehen und Firmen pleite machen oder nicht neu investieren können, gehen auch Arbeitsplätze verloren. Oder umgekehrt: Wir müssen alles tun, damit die Unternehmen wirklich wieder kräftiger investieren.Dazu haben wir einiges getan: Steueränderungsgesetze, Standortsicherungsgesetz, auch Deregulierung und viele andere Dinge. Wir sind auf dem richtigen Wege. Aber Sie wissen ganz genau — Sie tun immer so, als ob es das gäbe —, daß es kein Patentrezept gibt. Es gibt nicht eine Operation, sondern wir müssen 30, 40, 50 verschiedene Maßnahmen gleichzeitig durchführen, um zum Ziel zu kommen.Natürlich haben wir — schauen Sie sich die Fakten an! — sozusagen die Rezession beendet und sind in einem Aufschwung, der noch auf schwachen Beinen steht. Es hat keinen Zweck, darüber hinwegzureden. Dieser Aufschwung ist in Gefahr, wenn der Dollar plötzlich um 5 % oder 10 % abgewertet und die D-Mark aufgewertet wird. In den Unternehmen sind kräftige, massive Anstrengungen gemacht worden, um die Kosten herunterzubringen, und dies wird teilweise durch währungspolitische Verschiebungen zunichte gemacht.
— Sagen Sie nicht: „So ist es!" Wir haben natürlich auch gewisse Vorteile, wenn der Dollar fällt, weil wir lediglich 10 % unserer Exporte, aber 30 % unserer Importe in Dollar fakturieren. Das heißt, wir haben einen gewissen Wohlstandsgewinn.Ich selber will die Gefahr nicht geringschätzen: Arbeitsplätze hängen von Kosten ab, lieber Herr Kollege. Die Arbeitsplätze werden infolge der Kosten für Vormaterialien und Energieimporte zu teuer; sie hängen eben nicht nur von den Arbeitskosten, sondern auch von den Materialkosten ab, und wir müssen alle Rohstoffe kaufen. Wenn die Rohstoffe billiger werden, kann man hier billiger produzieren. Das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen! Die Volkswirtschaft ist etwas komplizierter, als Sie es in Ihrem kleinen SPD-Einmaleins gelernt haben!
Wir haben aber in der Tat eine Chance, diesen Aufschwung zu verstärken. Alle Prognosen gehen davon aus, daß wir 1995 und 1996 ein stärkeres Wachstum haben werden und auch wieder positive Effekte auf dem Arbeitsmarkt erreichen können.Und nun hören Sie endlich mit diesem Lügenkatalog, mit der Steuerlüge auf! Sonst fangen wir an, hier über die Deutschlandlüge, die Engholmlüge und auch über andere Lügen, vor allem die PDS-Lüge, zu sprechen. Das, was Sie in Sachsen-Anhalt machen, ist eine Schande für das Land, für die Menschen.
Sie werden den Standort Sachsen-Anhalt nicht verbessern, sondern verschlechtern — allein durch das Signal, das Sie gegeben haben. Kein privater Investor wird jetzt mit fliegenden Fahnen nach SachsenAnhalt gehen, sondern er wird woanders hingehen.
Dies ist Ihre Lüge. Vor der Wahl haben Sie eine völlig andere Aussage gemacht. — Und hören Sie endlich mit dem Gerede von der Steuerlüge auf, auch wenn Frau Matthäus-Maier das noch so kreischend in die Gegend schreit.Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir sollten auch sehen, daß in den Betrieben selbst gewaltige Anstrengungen gemacht wurden. Auch von den Tarifpartnern sind gewaltige Anstrengungen gemacht worden. Edzard Reuter, der Daimler-BenzChef, der Ihnen ja nicht ganz so fern steht, hat jüngst in einem Gespräch gesagt, daß wir 1995 eine gute Chance für einen sich selbst tragenden Aufschwung haben, daß wir aber auch zur Lösung vieler Probleme, vor allem auf dem Arbeitsmarkt, eine neue Gesellschaftspolitik haben müssen. Er sagt wörtlich — ich darf das einmal zitieren, verehrte Frau Präsidentin —:Ich sehe keinen ernsthaften Ansatz, der durch staatliche klassische Konjunkturprogramme sozusagen ein gewaltiges Feuer im Kamin entzünden könnte, das dazu führt, daß die Arbeitslosigkeit reduziert wird.Sie selber sind immer noch von Keynes beeindruckt, variieren das ein wenig und meinen, damit könne man die Arbeitslosigkeit abbauen. Nein, wir gehen den
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20869
Friedhelm OstWeg der Verbesserung der Rahmenbedingungen, der Senkung der Kosten. Wir wollen nicht eine Kahlschlagpolitik in der Sozialpolitik, wie Sie es uns unterstellen. Das mögen Sie manchen anderen unterstellen, aber nicht der CDU/CSU. Wir sind die Partei der Sozialen Marktwirtschaft. Wir schreiben „sozial" weiterhin groß, und wir bleiben dabei.Aber ich sage Ihnen: Wir müssen die Kosten in allen Bereichen senken. Das gilt auch für die Sozialkosten. Richtig ist: Wenn wir die Sozialausgaben wirklich auf Schwache und Bedürftige konzentrieren und Eigenverantwortung, Selbstverantwortung mehr stärken, haben wir eine Chance, die Kosten für das soziale Netz zu senken.Nun lassen Sie mich ganz kurz noch eines sagen. Der Kollege Mosdorf hat eine Zwischenfrage an den Bundeswirtschaftsminister Rexrodt zu der Position des Handwerks gestellt. Ich habe es nachgelesen: Gerade das Handwerk hat in diesen 24 Thesen das Standortsicherungsgesetz ausdrücklich gelobt, aber angemahnt, daß wir die Steuerreform im Unternehmensbereich fortführen. Hören wir endlich auf, einzelne Zitate herauszugreifen und falsch zu interpretieren.Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, meine Zeit ist abgelaufen.
— Warten Sie ab. Lassen Sie das Paderborner Ergebnis, das ich erziele, als Maßstab für alle SPD-Wahlkreise gelten, dann können Sie sich kräftig anstrengen. Ich lade Sie ein zu einem Bildungsurlaub nach Paderborn.Wir setzen unsere Politik fort und verstärken damit die Schubkraft für mehr Wachstum, mehr Beschäftigung, mehr Arbeitsplätze und auch für mehr Wohlstand für alle. Wir sind auf dem richtigen Weg und gehen diesen Weg fort.
Letzter Redner zu diesem Debattenpunkt ist Herr Ortwin Lowack.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Ost, ich hoffe doch, daß Ihre Zeit noch nicht abgelaufen ist, auch wenn Sie darauf bestanden haben sollten.Die Wirtschafts- und Finanzpolitik dieser Bundesregierung ist dank ihrer Spitze ein einziges und einzigartiges Chaos, unüberschaubar für die Regierung selbst, für die Wirtschaft ohnehin, für Steuerberater, Gerichte, Arbeitnehmer und Arbeitslose ebenfalls. Dies hat gestern die Rede des Bundeskanzlers beim Bundesverband der Freien Berufe gezeigt, als er auf kein einziges berufsspezifisches Thema eingegangen ist, sondern eineinviertel Stunden lang von der Familienpolitik bis hin zu allen möglichen Dingen, sich selbst betreffend, gesprochen hat.
Ich hatte den Eindruck, er hatte sich vom Selbstauf-die-Schulter-Klopfen schon eine ganz schiefe Haltung geholt. Aber manche sind ja schon dankbar, wenn er überhaupt spricht.Dies zeigen aber auch die chaotische Rede und die Schimpfkanonade, die heute Theo Waigel gehalten hat, in der er niemals wirklich zur Sache gekommen ist.
Die chaotische Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der Europäischen Gemeinschaft zeigt auch, wie wenig eigentlich unsere Interessen wahrgenommen werden. Gerade hat der Finanzminister ja einem unglaublich aufwendigen Vorhaben im Bereich der sogenannten transnationalen Netze zugestimmt, bei denen wir überproportional zur Kasse gebeten werden und überhaupt keine Kontrolle darüber haben, ob diese Projekte gebraucht werden. Der Finanzminister hat das Kunststück fertiggebracht, 93 Milliarden DM der europäischen Kasse zu versprechen, damit wir schließlich 27 Milliarden DM für die neuen Bundesländer erhalten.Wir brauchen keine neuen Pakte, Kollege Jens, keine neuen Gesetze. Wir brauchen keine Steuerflut. Wir brauchen endlich weniger Staat, damit unsere Betriebe wieder befreit arbeiten können. Heute ist es doch schon eine Wissenschaft, überhaupt noch einen Betrieb unterhalten zu wollen.Eigentlich wollte ich zum Asien-Konzept der Bundesregierung sprechen, das seinen Ausgangspunkt darin hat, daß eine Reihe von Abgeordneten des Deutschen Bundestags gegen die an Dummheit kaum zu überbietende Entscheidung vom 28. Januar letzten Jahres vorgegangen ist und eine Aktion gestartet hat. Ich nenne hier ausdrücklich den Kollegen Wolfgang Lüder, der mit seiner Initiative Ausgangspunkt für dieses sogenannte Asien-Konzept war, das leider das, was die Initiatoren wollten, nicht wiedergibt.So fehlt eine Perspektive der Bundesregierung für eine koordinierte China-Politik. Wir werden uns als Deutsche niemals allein gegenüber einem kommunistischen Regime in Peking durchsetzen, das Katz und Maus mit uns und anderen Europäern spielt. Wir brauchen dringend eine Koordinierung zumindest der G-7-Staaten zu einer gemeinsamen Politik gegenüber Peking.Mir fehlt die Perspektive einer abgestimmten Politik gegenüber den einzelnen Ländern in Asien. Mir fehlt überhaupt die Länderanalyse, die es ermöglicht, gezielte Maßnahmen politisch zu beschließen und durchzuführen.Mir fehlt auch die politische Perspektive gegenüber Taiwan, dem nach dem Fall Hongkongs eine weit höhere Bedeutung zukommen wird, als den meisten heute vielleicht bewußt ist. Wo ist die Stellungnahme der Bundesregierung zum Antrag Taiwans, Mitglied im GATT oder auch der Welthandelsorganisation zu werden? Ich halte es schon für bodenlos, wenn im Asien-Konzept der Bundesregierung immer nur von China oder Volksrepublik China gesprochen wird, ohne das dynamische, freie, demokratische China anzusprechen. Das haben die Menschen dort nicht verdient. Ich habe fast den Eindruck, als ob die Bundesregierung mit ihrer Formulierung beschwörend bewirken möchte, daß Taiwan und seine freiheitliche Entwicklung auch noch unter ein kommunisti-
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Ortwin Lowacksches Joch kommt. Ich glaube, hier müssen wir vom Parlament etwas entgegensetzen.
— Ich bin gerne bereit, eine Zwischenfrage des Kollegen Wolfgang Lüder zuzulassen.
Herr Lüder.
Herr Kollege Lowack, nachdem Sie mich schon freundlicherweise positiv erwähnt haben, man aber mit der Bundesregierung nicht so umgehen kann, frage ich: Sehen Sie nicht, was die Bundesregierung bisher auf den Weg gebracht hat, z. B. die Aufwertung der Vertretung der deutschen Wirtschaft in Taiwan durch Präsentation eines Botschafters, und daß sich die Bundesregierung bei den europäischen Bemühungen nicht querlegt, wenn es darum geht, wie Taiwan gleichberechtigt mit Rotchina in das GATT und in andere Institutionen als Vorstufe einer UN-Mitgliedschaft aufgenommen werden kann?
Kollege Lüder, gerade Sie müßten eigentlich wissen, was es für ein unglaublich schwieriger Prozeß aus der Mitte des Parlaments gewesen ist, um die Bundesregierung hier millimeterweise nach vorne zu schieben, und wieviel Arbeit noch notwendig ist, um aus diesen Millimetern eine größere Wegstrecke zu machen.
— Wir haben viele, aber nur aus der Mitte des Parlaments heraus, nachdem sich die Bundesregierung in einer für logisch denkende Menschen nicht verständlichen Weise geradezu abstinent gezeigt hat, was die Entwicklung Taiwans betroffen hat.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich darf nur einmal zeigen, wie paradox die Formulierung in dem Asien-Konzept ist, wenn man sich nicht traut, von Taiwan überhaupt zu sprechen. Es heißt dort z. B.:
Die GATT-Beitrittskandidaten besonders die
Volksrepublik China — fordert sie auf, die Reformen zur Marktorientierung und -öffnung konsequent fortzusetzen.
Das heißt, man spricht gar nicht an, wer das soll, sondern man spricht ein Beispiel an, weil man nicht den Mut hat, ganz konkret zu sagen, wer Adressat dieser Aufforderung der Bundesregierung sein soll.
Der Bundeskanzler hat gestern seine Rede mit einem interessanten Zitat beendet. Helmut Schmidt hatte es vor ihm schon einmal gebraucht, deswegen war es wohl mehr der Raub eines kleinen Redebeitrags. Er hat gesagt: „Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter." Bei dem Wort „Karawane" zog so ein nettes Lächeln über seine Züge, so daß ich mir gedacht habe, wahrscheinlich ist ihm gerade eingefallen, was eine Karawane eigentlich ist. Eine Karawane besteht nun leider aus vielen Kamelen, einigen Kameltreibern und einigen Würdenträgern an der Spitze.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit schließe ich die Aussprache.Bevor wir zur Abstimmung kommen, teile ich mit, daß eine Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung der Kollegen Michael Müller, Dr. Hermann Scheer, Professor Monika Ganseforth, Detlev von Larcher, Horst Peter und Friedhelm Julius Beucher vorliegt. *)Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation. Es handelt sich um die Drucksachen 12/7655 und 12/8122. Der Ausschuß für Wirtschaft empfiehlt, den Gesetzentwurf nach Kenntnisnahme der Unterrichtung durch die Bundesregierung, Drucksache 12/7986, in der Ausschußfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Gegenstimmen? — Enthaltungen? — Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung bei zwei Gegenstimmen der PDS/ Linke Liste angenommen.Wir kommen zurdritten Beratungund Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. — Dagegen? — Enthaltungen? — Keine. Damit ist der Gesetzentwurf bei zwei Gegenstimmen der PDS/ Linke Liste angenommen.Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 12/8157. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? — Gegenprobe! —
Enthaltungen? — Damit ist der Entschließungsantrag mit den Stimmen der CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt.Tagesordnungspunkt 3 c bis 3 e: Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen zum Tagesordnungspunkt 3 c bis 3 e an die in der Tagesordnung genannten Ausschüsse zu überweisen. Die genauen Titel dieser Vorlagen sowie die Nummern der Drucksachen entnehmen Sie bitte der Tagesordnung.Der Fortschrittsbericht zur Zukunftssicherung des Standorts Deutschland soll überwiesen werden zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Wirtschaft und zur Mitberatung an den Auswärtigen Ausschuß, den Finanzausschuß, den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, den Ausschuß für Frauen und Jugend, den Ausschuß für Post und Telekommunikation, den Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie an den Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung. Gibt es noch anderweitige Überweisungsvorschläge? — Das ist nicht der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.Tagesordnungspunkt 3 g: Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zur Stärkung der Zusammenarbeit mit Asien, Drucksache 12/7775 Nr. 1.*) Anlage 5
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Präsidentin Dr. Rita SüssmuthDer Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 12/5959 unverändert anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Damit ist die Beschlußempfehlung bei Enthaltung der SPD und zwei Gegenstimmen der PDS angenommen.Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zum Asien-Konzept der Bundesregierung, Drucksache 12/7775 Nr. 2: Der Ausschuß empfiehlt, die Unterrichtung auf Drucksache 12/6151 zur Kenntnis zu nehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist bei zwei Enthaltungen der PDS angenommen.Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Entschließungsantrag der Gruppe PDS/Linke Liste zum Asien-Konzept der Bundesregierung, Drucksache 12/7775 Nr. 3: Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 12/6279 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist bei einigen Enthaltungen und zwei Gegenstimmen angenommen.Tagesordnungspunkt 3 h: Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zur Überwindung der Strukturkrise der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie, Drucksache 12/8025 Nr. 1. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 12/7242 in der Ausschußfassung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist bei Gegenstimmen der SPD und PDS angenommen.Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Sicherung der Arbeitsplätze in der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie, Drucksache 12/8025 Nr. 2: Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 12/4919 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Damit ist die Beschlußempfehlung bei Gegenstimmen der SPD und Enthaltung der PDS angenommen.Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. eingebrachten Antrag zur Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" auf Drucksache 12/8153. Wer stimmt für den Antrag? — Gegenprobe! — Enthaltungen? Damit ist die Beschlußempfehlung bei zwei Enthaltungen von der PDS/Linke Liste angenommen.Wir kommen zum Zusatzpunkt 5. Interfraktionell wird vorgeschlagen, den Antrag der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Sicherung der Erfolgskontrolle bei der Vergabe von Subventionen auf der Drucksache 12/8150 an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? — Das ist der Fall. Dann haben wir es so beschlossen.Bevor ich zu Tagesordnungspunkt 4 komme, füge ich folgende amtliche Mitteilung ein: Interfraktionell ist vereinbart worden, daß in der ersten Sitzungswoche im September wegen der Haushaltsberatungen keine Befragung der Bundesregierung, keine Fragestunden und keine Aktuellen Stunden stattfinden.Sind Sie mit dieser Abweichung von der Geschäftsordnung einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Nach einer ebenfalls interfraktionellen Vereinbarung soll die verbundene Tagesordnung um weitere Zusatzpunkte erweitert werden. Die Punkte sind in der Ihnen vorliegenden Zusatzpunktliste aufgeführt:8. Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Else Ackermann, Dr. Walter Franz Altherr, Dietrich Austermann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU sowie den Abgeordneten Detlef Kleinert , Jörg van Essen, Manfred Richter (Bremerhaven), Burkhard Zurheide und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Personenstandsgesetzes — Drucksache 12/8187 —b) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewaltdarstellungen in Medien — Drucksache 12/8164 —c) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.Kunst am Bau - Drucksache 12/8184 -9. Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes, des Soldatenversorgungsgesetzes sowie sonstiger versorgungsrechtlicher Vorschriften — Drucksachen 12/5919, 12/7547, 12/7548 —b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1994 — Drucksachen 12/7706, 12/8194, 12/8195 —c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Egon Susset, Meinolf Michels, Siegfried Hornung, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Günther Bredehorn, Ulrich Heinrich, Johann Paintner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.Unbefristetes Anwendungsverbot von Rinder-Somatotropin — Drucksache 12/8161 —d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Anneliese Augustin, Dr. Winfried Pinger, Klaus Jürgen Hedrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Verena Wohlleben, Dr. Ingomar Hauchler, Brigitte Adler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Ingrid Walz, Ulrich Irmer, Dr. Michaela Blunk , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.Weltbevölkerungskonferenz ICPD vom 5.-13. September 1994 in Kairo — Drucksache 12/8162 —e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Klaus-Dieter Feige, Werner Schulz und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENAkuter Handlungsbedarf in Deutschland vor der ersten Klima-Vertragsstaatenkonferenz in Berlin 1995 — Drucksache 12/8149 —f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag des Abgeordneten Konrad Weiß (Berlin) und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENKinderarbeit erfolgreich bekämpfen — Drucksachen 12/7067, 12/8163 —g) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Sielaff, Marianne Klappert, Rolf Koltzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
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Präsidentin Dr. Rita Süssmuthzur Regelung von Altpachten landwirtschaftlicher Flächen im Zusammenhang mit der GarantiemengeMilch — Drucksachen 12/7412, 12/8083 —h) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die BundesregierungVorschlag für einen Beschluß des Rates über die Wahrnehmung der auswärtigen Zuständigkeit der Gemeinschaft im Rahmen der internationalen Arbeitskonferenzen bei gemeinsamer Zuständigkeit der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten — Drucksachen 12/7064 Nr. 2.7, 12/8002 —i) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der FinanzenEinwilligung gemäß § 64 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung der bundeseigenen Liegenschaft Hohbergweg 2 in Lahr/Schwarzwald -- Drucksachen 12/7882, 12/8198 —j) Beratung der Beschlußempfehlung des PetitionsausschussesSammelübersicht 160 zu Petitionen — Drucksache 12/8189 —k) Beratung der Beschlußempfehlung des PetitionsausschussesSammelübersicht 161 zu Petitionen — Drucksache 12/8190 —1) Beratung der Beschlußempfehlung des PetitionsausschussesSammelübersicht 162 zu Petitionen — Drucksache 12/8191 —m) Beratung der Beschlußempfehlung des PetitionsausschussesSammelübersicht 163 zu Petitionen — Drucksache 12/8192 —Der Aufruf dieser Zusatzpunkte erfolgt nach Aufruf des Tagesordnungspunktes 10. Von der Frist für den Beginn der Beratung soll auch hier, soweit erforderlich, abgewichen werden. Sind Sie damit einverstanden? — Auch dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Marliese Dobberthien, Angelika Barbe, Ingrid Becker-Inglau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDPrüfung des Präparates RU 486 in der Bundesrepublik Deutschland zum medikamentösen Schwangerschaftsabbruch— Drucksachen 12/1835, 12/8024 —Berichterstattung:Abgeordnete Regina Schmidt-ZadelDie ursprünglich für diesen Tagesordnungspunkt verlangte namentliche Abstimmung wurde zurückgezogen. Wir stimmen deshalb nach der Aussprache nicht namentlich ab.Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Sind Sie damit einverstanden? — Dann verfahren wir so.Als erste spricht die Kollegin Marliese Dobberthien.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Dezember 1991 haben wir den Antrag zu RU 486 eingebracht, dessen Beratung und Behandlung von den Koalitionsfraktionen jedoch nur behindert und blockiert wurde.Der Text des Antrages ist kurz und klar. Er enthält die Aufforderung an die Hoechst AG und an deren französische Tochter Roussel Uclaf, beim Bundesgesundheitsamt einen Antrag auf Zulassung des Präparats RU 486 zum medikamentösen Schwangerschaftsabbruch zu stellen, damit die pharmazeutische, medizinische und übrige wissenschaftliche Prüfung des Präparates durch das Bundesgesundheitsamt eingeleitet werden kann.Um es deutlich zu machen: Den Zulassungsantrag zu befürworten bedeutet nicht die Förderung des Schwangerschaftsabbruchs. Es geht lediglich um eine weitere medizinische Methode. Die rechtlichen Voraussetzungen eines Schwangerschaftsabbruchs gelten weiterhin, und niemand redet einer unkontrollierten Freigabe das Wort. Wer Gegenteiliges behauptet, ist böswillig und will diffamieren!Seit Einbringung des Antrags steht die Zeit still, die Positionen sind unverändert. Die Hoechst AG und Roussel Uclaf weigern sich, den Zulassungsantrag zu stellen. Von führenden Politikerinnen der CDU/CSU- und F.D.P.-Fraktion ist seit Jahren öffentlichkeitswirksam zu vernehmen, man wünsche den Zulassungsantrag. Das sind große Worte, viele Worte, aber leider keine Taten.Darum hat die SPD den Handlungsspielraum von Parlamentariern genutzt und den Antrag eingebracht. Doch dieser erlitt ein merkwürdiges Schicksal im parlamentarischen Verfahren.
Trotz mehrfacher Anmahnung kam er nicht auf die Tagesordnung, oder es hieß: Nichtbefassung. Wir mußten sogar den Geschäftsordnungsausschuß bemühen, um die fachliche Beratung zu erzwingen. Schließlich, nach zweieinhalb Jahren, wurde der Antrag abgelehnt. Wie paßt dies alles — öffentliche Verlautbarungen und faktische Ablehnungen — zusammen?Ein Privatunternehmen besitzt ein Monopol auf ein Präparat, das eine Schwangerschaft in einem frühzeitigen Stadium zu beenden vermag. Doch statt das Präparat, wie normalerweise üblich, zu erproben und, sofern als zuverlässig und unbedenklich eingestuft, auf den Markt zu bringen, schwingt sich die Herstellerfirma zur großen Bedenkenträgerin gegen Schwangerschaftsabbrüche auf.Was in Frankreich, Großbritannien, Schweden, Österreich und in den USA möglich ist, wird Frauen in Not in der Bundesrepublik verweigert, obwohl reichlich positive Erfahrungen aus dem Ausland vorliegen. RU 486 kann sehr wohl eine gesundheitlich verträglichere und risikoärmere Methode des Schwangerschaftsabbruchs sein. Im Einzelfall sollte ein Arzt oder eine Ärztin über die schonendste Abbruchmethode entscheiden und nicht ein privates Unternehmen.Die Hoechst AG beugt sich jedoch allzu willig und eilfertig den vermeintlichen Boykottdrohungen der selbsternannten Lebensschützer, die versuchen, das Präparat reißerisch als „after-morning-pill" zu diskreditieren, obgleich die fünfjährigen französischen
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Dr. Marliese DobberthienErfahrungen eindeutig gezeigt haben, daß RU 486 nicht die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche ansteigen läßt. Umgekehrt gilt aber auch: Die Verweigerung des Präparats verhindert auch keinen einzigen Schwangerschaftsabbruch.Dabei ist die Firma Hoechst in Sachen Lebens- und Gesundheitsschutz ansonsten nicht so zimperlich. Ihre schweren Chemieunfälle der Vergangenheit zeugen nicht immer von einem besonders sorgfältigen Bemühen um einen vorbeugenden Schutz. Warum spielen moralische Bedenken denn hier keine Rolle?Die Unterlassung der Antragstellung ist in Wahrheit eine unerträgliche Bevormundung von Frauen und Ärzten. Es grenzt an einen Mißbrauch unternehmerischer Macht, Frauen in Not eine schonende Methode vorzuenthalten.
Man stelle sich vor, ein Unternehmen würde ein Mittel gegen Krankheiten wie Aids entwickeln und dann keinen Zulassungsantrag stellen — eine nicht gut denkbare Alternative.Der Hoechst AG und Roussel Uclaf soll nun mit einem Appell des Deutschen Bundestages ausdrücklich klargemacht werden, daß der Zulassungsantrag für RU 486 gewünscht ist. Ich habe die Hoffnung, daß sich das Unternehmen nach dem Wechsel in der Führungsspitze bewegt und den Zulassungsantrag stellen wird oder zumindest eine Lizenz vergibt. Ellis Huber, Präsident der Berliner Ärztekammer, hat heute erklärt, daß diese Ärztekammer bereit wäre, die Verantwortung und den Vertrieb für das Präparat zu übernehmen.Diejenigen, die öffentlich eine Zulassung von RU 486 gefordert haben, wie z. B. Frau Merkel, Frau Süssmuth — Frau Präsidentin, auch Sie Frau Würfel, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, Herr Seehofer, Sie alle bitte ich: Stehen Sie zu Ihrem Wort, und stimmen Sie folgerichtig für unseren Antrag.
Aber fast niemand der Genannten ist hier anwesend.Frau Funke-Schmitt-Rink — ich sehe auch sie nicht — hat vor zwei Tagen an den Deutschen Bundestag appelliert, dem Zulassungsantrag zuzustimmen. Ich hoffe, dieser Appell gilt für die gesamte Fraktion der F.D.P.Meine Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, hören Sie auf, sich hinter formalen Bedenken zu verschanzen, der Bundestag dürfe kein privates Unternehmen zu irgendeiner Handlung auffordern. Natürlich kann er appellieren. Er tut es in zahllosen anderen Fällen auch. Ein solcher Appell ist weitaus wirksamer als der offene Brief an Roussel Uclaf, den Sie, meine Damen und Herren von der F.D.P., gerade formuliert haben. Ich denke, es grenzt fast — verzeihen Sie den harten Vorwurf anBigotterie, öffentlich etwas zu fordern und es gleichzeitig parlamentarisch niederzustimmen.
So bitte ich heute um Ablehnung der Beschlußempfehlung des Gesundheitsausschusses und um die Zustimmung zu unserem Antrag.
Als nächste Editha Limbach.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Anders, als Frau Dobberthien meint, handelt es sich bei dem, was ich vortragen will, nicht um formale Bedenken oder weniger, sondern um eine wichtige ordnungspolitische Entscheidung. Ich glaube, es ist nicht richtig, daß der Gesetzgeber ein Pharmaunternehmen auffordert, für ein bestimmtes Präparat die Zulassung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zu beantragen.
Auch wenn es sich nicht um einen speziellen Anlaß handelte, bin ich der festen Überzeugung, daß niemand auf den Gedanken käme, bei anderen Präparaten, die entwickelt worden sind, so zu verfahren und nach dem Gesetzgeber zu rufen. Das ist auch nicht unsere Aufgabe. Wir sind dafür nicht kompetent und nicht zuständig und haben auch nicht die Verantwortung.Natürlich hat die Diskussion einen speziellen Akzent, weil es nicht um irgendein Präparat geht, sondern um ein Präparat zum medikamentösen Schwangerschaftsabbruch. Es ist ja interessant: Die Firmen Hoechst und Roussel Uclaf haben in gemeinsamen unternehmenspolitischen Grundsätzen niedergelegt — nachzulesen in der Hoechst-Broschüre vom Juni 1992 —, daß als Voraussetzung für einen Antrag auf Zulassung folgendes gelten soll: eine eindeutige gesetzliche Regelung für den Schwangerschaftsabbruch, der von der Gesellschaft toleriert wird, sowie der ausdrückliche Wunsch auf Zulassung von Mifepriston — das ist RU 486 — von einer repräsentativen verantwortlichen Instanz eines Landes.Ich frage nur: Wie kommt ein Unternehmen dazu, so etwas zu verlangen? Erstens gibt es so etwas wie Unternehmenshaftung. Zweitens können und wollen wir, der Gesetzgeber, dem Unternehmen diese Verantwortung und diese Entscheidung nicht abnehmen. Es ist nicht unsere Aufgabe, Aufgabe des Gesetzgebers, hier einen Anstoß zu geben. Diese Entscheidung muß das Unternehmen, bitte schön, selbst und in eigener Verantwortung treffen. Ich bin sicher, wenn es das täte, würde bei dem entsprechenden Bundesinstitut nach Recht und Gesetz verfahren und ordnungsgemäß geprüft. Dann würde das alles seinen Gang nehmen.Ganz abgesehen davon fürchte ich, daß es hier — vielleicht wissen Sie das nicht, Frau Dobberthien — auch aus anderen Gründen Hemmungen gibt. Denn
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Editha LimbachHoechst hat eine Lizenzvergabe angeboten. Auch in den USA ist es über eine Lizenzvergabe gegangen. Es scheint sich allerdings niemand zu finden, der daran Interesse hat. Es könnte möglich sein, daß das mit Haftungsfragen zusammenhängt. Ich weiß das nicht. Jedenfalls ist es auch nicht meine Aufgabe als Politikerin, das zu entscheiden. Ich bin nicht gewählt worden, um Unternehmensentscheidungen zu treffen, sondern um hier im Parlament der Deutschen Verantwortung für die politischen Entscheidungen zu tragen.
Dann möchte ich auch warnen, Frau Dobberthien. Sie haben es nicht so deutlich gesagt, aber in dem Antrag der SPD kommt die Vorstellung zum Ausdruck, der medikamentöse Schwangerschaftsabbruch sei eine sanfte Methode; sie den Frauen vorzuenthalten stelle „ein schwer überbietbares Maß an Frauenverachtung" dar, wie die SPD erklärt hat.
Hätten Sie an der Anhörung teilnehmen können, Frau Dobberthien — —
— Dann wundert es mich erst recht. Denn dort wurde eines ganz deutlich. Die Sachverständigen aus der ehemaligen DDR, die an dem internationalen Versuch beteiligt waren, haben — für mich überraschend — sehr deutlich mit großer Zurückhaltung über diese Methode zum Schwangerschaftsabbruch berichtet.
Sie haben von der notwendigen sozialpsychologischen Begleitung der Frauen gesprochen. Sie haben gesagt, es könne Fälle geben, in denen das medizinisch sinnvoll sei, aber es könne auch andere geben. Dazu muß ich sagen: Ich kann auch keine medizinische Entscheidung fällen.
Ich empfehle auch niemandem, Kürettage oder Absaugmethode anzuwenden, weil ich dazu weder kompetent noch gewählt bin. Das ist eine medizinische Entscheidung.
Ich bin davon überzeugt, daß es richtig ist, wenn die Verantwortung für den Antrag auf Zulassung des Präparats beim Unternehmen bleibt, wo es hingehört, wenn die Verantwortung für die Zulassung selber beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte bleibt, wo das nämlich hingehört, und wenn die Verantwortung dafür — wenn es zugelassen wäre —, ob es bei einem straffrei gestellten Schwangerschaftsabbruch wegen besonderer Konfliktlage medizinisch die richtige oder nicht die richtige Methode wäre, beim Arzt und bei der betroffenen Frau bliebe.In diese Verantwortlichkeiten einzugreifen, sieht die CDU/CSU-Fraktion keinerlei Anlaß. Wir wollen auf diese Entscheidung auch keinen Einfluß nehmen.Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen, d. h. der Beschlußempfehlung des Gesundheitsausschusses zustimmen.
Als nächster hat der Kollege Bruno Menzel das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn zwei Dinge klarstellen. Erstens. Ebenso wie die meisten meiner Kollegen aus der F.D.P.-Fraktion würde ich es begrüßen, wenn das Präparat RU 486 in Deutschland zugelassen werden könnte. Zweitens möchte ich aber auch feststellen, daß es nach unserem Verfassungsverständnis nicht Aufgabe des Deutschen Bundestages sein kann, in der Frage von Arzneimittelzulassungen für den deutschen Markt Empfehlungen oder Aufforderungen an Pharma-Unternehmen auszusprechen.Die in der Gesundheitspolitik engagierten Mitglieder der F.D.P.-Bundestagsfraktion sprechen sich seit Jahren für die Zulassung des Präparates aus, und zwar seit die Erfahrungen, die bisher in Frankreich, Schweden und England gemacht worden sind, den Schluß zulassen, daß es sich bei diesem Präparat unter bestimmten Voraussetzungen um eine echte Alternative zur operativen Schwangerschaftsunterbrechung handeln kann.Ich möchte an dieser Stelle nicht näher auf etwaige Vor- und Nachteile von RU 486 eingehen. Das ist nicht Sinn dieser Debatte und könnte ohnehin von uns nicht abschließend geklärt werden. Die wissenschaftliche Prüfung und gegebenenfalls die Erteilung der Zulassung für den deutschen Markt sind Aufgaben, die dem Arzneimittelinstitut zukommen. Dieses kann nur — wie es bisher arzneimittelrechtlicher Usus war und auch bleiben soll — seinen Pflichten nachkommen, wenn eine entsprechende Unternehmensentscheidung getroffen wird und der Hersteller eines neuen Medikaments einen Antrag auf Zulassung stellt.Ich frage Sie, meine Damen und Herren, was hat denn der Deutsche Bundestag mit dieser Angelegenheit zu tun? Es kann nicht angehen, daß das Parlament sozusagen als eine Art Vorinstanz des Arzneimittelinstituts zunächst über die Notwendigkeit eines bestimmten Präparates befindet und dann einem Hersteller die unternehmerische Entscheidung über die Einführung bzw. Nichteinführung abnimmt und so aus seiner Verantwortung entläßt.
Ich gebe ja gerne zu, daß es sich im Falle von RU 486 um eine Diskussion handelt, die durch den Anwendungsbereich des Präparates sehr intensiv geführt wird und dadurch auch eine besondere Emotionalisierung erfahren hat. Sollte man aber wirklich so weit gehen und die Zulassung von RU 486 eine moralische Frage nennen, wie es bereits angeklungen ist? Selbst wenn dies für einige eine Frage der Moral sein sollte, hat der Bundestag sie nicht zu beeinflussen; denn letztlich ist das Kernproblem nur darauf zurückzuführen, ob seitens eines Pharmaherstellers ein Antrag auf
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Dr. Bruno MenzelZulassung eines Arzneimittels gestellt wird — mit allen positiven und negativen Konsequenzen, die eine solche Entscheidung für das Unternehmen mit sich bringen kann und die es selbstverständlich auch alleine tragen muß. Und so soll es auch bleiben.
Meine Damen und Herren, bedenken Sie die Folgen, finge der Deutsche Bundestag nun damit an, sich in solche Entscheidungen einzumischen und in Zukunft praktisch am Vorstandstisch welcher Unternehmen auch immer zu sitzen. Die eigentlich Verantwortlichen hätten nicht nur eine vortreffliche Rückzugslinie, fielen unternehmerische Entscheidungen zu ihren Ungunsten aus, sondern es wäre auch äußerst bedenklich im Hinblick auf die Konkurrenzsituation zwischen einzelnen Firmen. Wer weiß denn, ob mittlerweile nicht auch andere Hersteller ähnliche Produkte entwickeln? Sollen wir denn jedesmal zusammenkommen und den Unternehmen Rückendeckung geben? Das ist in meinen Augen ein merkwürdiges Verständnis von unserer Marktwirtschaft.
Gleichwohl — und damit komme ich noch einmal zum Ausgangspunkt meiner Rede zurück — hätte ich persönlich nichts gegen die Einführung des Präparates. Ich weiß, daß viele meiner Kollegen ähnlich denken. Deshalb haben wir uns in einem offenen Brief an den Hersteller von RU 486 gewandt und unsere Auffassung in dieser Frage dargelegt. Das ist das Recht und die Pflicht, die Parlamentarier haben. Dieser Weg ist nach meiner Auffassung der richtige, weil er auch dem Selbstverständnis des Parlaments gerecht wird.Meine Damen und Herren von der SPD, ich biete Ihnen an: Ziehen Sie Ihren Antrag zurück, schließen Sie sich unserer schriftlichen Aufforderung an. Dann können wir gemeinsam etwas für das tun, was wir alle gemeinsam wollen.Vielen herzlichen Dank.
Als nächstes hat die Kollegin Petra Bläss das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich denke, die Argumente pro und contra RU 486 sind zur Genüge ausgetauscht. Im übrigen geht es in dem heute zur Abstimmung stehenden SPD-Antrag auch nicht darum, das Präparat für den medikamentösen Schwangerschaftsabbruch medizinisch zu bewerten. Wir haben heute über nicht mehr, aber eben auch nicht weniger zu entscheiden, ob wir als Parlament willens sind, ein politisches Signal zu setzen.
Frau Kollegin Limbach und Herr Kollege Menzel, so ungewöhnlich ist das durchaus nicht. In Frankreich hat die Regierung mit einem Beschluß grünes Licht für die Freigabe dieses Präparats gegeben. Denn mehr als die Firma Hoechst bzw. deren französische Tochterfirma Roussel Uclaf aufzufordern, beim Bundesgesundheitsamt einen Antrag auf Zulassung des Präparats RU 486 zu stellen, damit, wie es im Antrag heißt, die pharmazeutische, medizinische und wissenschaftliche Prüfung durch das Bundesgesundheitsamt eingeleitet werden können, können wir als Politikerinnen und Politiker nämlich gar nicht tun.
Angesichts dessen möchte ich mich kurz auf zwei Aspekte beschränken. Zum einen wirkt die nunmehr über Jahre hingezogene Debatte um die Zulassung der Abtreibungspille angesichts der international gemachten Erfahrungen — ich denke da an Frankreich, England und Schweden — einfach peinlich. Aber die absolute Mehrheit dieses Hauses hat sich wohl schon längst damit abgefunden bzw. scheint sogar noch stolz darauf zu sein, daß Deutschland in Sachen Abtreibungsgesetzgebung im internationalen Vergleich mächtig hintansteht.
Zum anderen hat sich die RU-Debatte — und das scheint nicht wenigen sehr entgegenzukommen — zum Teil dermaßen verselbständigt und zu einem Nebenschauplatz entwickelt, daß sie von der eigentlichen Kernfrage ablenkt. Und die lautet nach wie vor: Wie halte ich es mit dem Selbstbestimmungsrecht der Frau,
womit wir mal wieder bei der scheinbar unendlichen Geschichte des § 218 wären.
Solange eine im Strafgesetzbuch verankerte Regelung des Schwangerschaftsabbruchs Frauen kriminalisiert und bevormundet, bewegen wir uns in der Tat nur auf der Stelle.
Die Aufforderung, die Zulassung der RU 486 zu beantragen, unterstützt die PDS/Linke Liste, denn wir sind der Auffassung, daß Frauen eine Wahlfreiheit zwischen den unterschiedlichen Methoden des Schwangerschaftsabbruchs haben müssen. Deshalb werden wir dem SPD-Antrag zustimmen.
Als nächste Frau Regina Schmidt-Zadel.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt wohl kaum ein Präparat, um das so erbittert gestritten wird und um das eine solch lange und hitzige Diskussion entbrannt ist, wie es um RU 486 heute wieder zu sehen ist. Der Besonderheit dieser Diskussion tragen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nun Rechnung, indem wir den Antrag stellen, der Deutsche Bundestag möge die Pharmafirma Hoechst auffordern, endlich die Zulassung des Präparates zu beantragen.
— Warten Sie doch einmal ab, Herr Parr, es kommt ja alles.Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, Sie haben natürlich nicht ganz unrecht, wenn Sie bezweifeln, ob eine solche Aufforderung Aufgabe des Gesetzgebers ist. In der Tat, die von uns beantragte Aufforderung an Hoechst mag ein ungewöhnlicher und vielleicht auch bisher einmaliger Vorgang
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Regina Schmidt-Zadelsein, aber das Verhalten der Hoechst AG in Sachen RU 486 ist ein ebenso einmaliger und ungewöhnlicher Vorgang.
Die Hoechst AG weigert sich beharrlich, in Deutschland die Zulassung eines Präparates zu beantragen, das sie über Tochterfirmen in Österreich, Frankreich, Großbritannien, Schweden und demnächst auch in den USA vertreibt. Die Hoechst AG verweigert den Zulassungsantrag für ein Präparat, das in den genannten Ländern und auch bei den meisten Fachleuten in der Bundesrepublik längst als eine erwiesene, sichere und weniger risikobehaftete Methode des Schwangerschaftsabbruches gilt. Auf eine ungewöhnliche Haltung muß daher auch eine ungewöhnliche Reaktion erfolgen.
Das ist der Gesetzgeber den Frauen schuldig, für die ein medikamentöser Schwangerschaftsabbruch eine Reduzierung des gesundheitlichen Risikos darstellt.Der Gesetzgeber hat die Pflicht, meine Damen und Herren, dafür zu sorgen, daß Frauen die jeweils optimale medizinische Abbruchmethode angeboten wird. Wenn ein medikamentöser Schwangerschaftsabbruch dazugehört — vieles spricht dafür; das haben auch die Anhörungen gezeigt —, dann hat er auch die Pflicht, alles für die Zulassung dieses Präparates zu tun. Das schließt aus unserer Sicht die Forderung an die Firma mit ein. Unser Antrag mag daher ungewöhnlich sein, meine Damen und Herren, notwendig aber ist er allemal.
Notwendig erscheint es mir auch, dem Medikament RU 486 den Mythos zu nehmen, der die Diskussion über das Präparat so belastet und der bisher eine sachliche Auseinandersetzung über Vor- und Nachteile einer Zulassung fast unmöglich gemacht hat. Genaugenommen sind es eigentlich zwei Mythen, mit denen man auf dem Weg zu einer sachlichen Debatte aufräumen muß, und die will ich hier vortragen.Zum einen ist da der unsägliche Begriff der Todespille. Die erbitterten Gegner von RU wollen damit suggerieren, das Medikament sei dafür geschaffen, eine Schwangerschaft mal eben und so nebenbei zu beseitigen, so wie man Aspirin einnimmt, wenn man Kopfschmerzen hat. Schwarzmarktphantasien und angeblicher Mißbrauch als „Pille danach" schüren zusätzlich die Emotionen.
— Nein, das ist nicht so. Wenn Sie sich genau informiert hätten, müßten Sie das wissen.Auf der anderen Seite wird die Debatte aber auch von dem Trugschluß bestimmt, RU 486 sei bei jeder Frau und in jedem Fall die ideale Alternative zum operativen Schwangerschaftsabbruch. Kolleginnen und Kollegen, wie so oft liegt die Wahrheit auch hier in der Mitte. Die Erfahrungen in den Ländern, in denen RU zugelassen ist, und auch die Sachverständigenanhörungen haben gezeigt, RU 486 ist nichts weiter als eine reine Frühabbruchmethode, die maximal bis zur sechsten Schwangerschaftswoche möglich ist. Dadurch ist die Zielgruppe für den Einsatz schon sehr stark eingegrenzt. Aus medizinischen Gründen wird die Gruppe dieser Frauen dann noch weiter eingegrenzt: Die Frauen dürfen nicht rauchen und nicht älter als 35 Jahre sein.Mit anderen Worten: RU 486 ist ein Präparat, das für eine klarumrissene Gruppe von Frauen und für eine klarumrissene Zahl der Fälle und auch nur dann, wenn die Frauen dies wollen, eine sichere und schonende Alternative zum herkömmlichen Abbruch darstellt.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns endlich zu dieser nüchternen und pragmatischen Sichtweise kommen. Ich bin sicher, daß dann auch die öffentliche Diskussion diese notwendige Sachlichkeit bekommt. Alles andere, auch die Debatten um Nebenwirkungen und Erfolgschancen, sollten wir den Arzneimittelexperten überlassen, die dies dann auch übernehmen würden. Dafür ist dann ja ein Zulassungsverfahren geeignet.Meine Damen und Herren, Ihr Ja zu unserem Antrag bringt uns diesem Zulassungsverfahren und auch der Versachlichung der Debatte ein gutes Stück näher. Ich begrüße daher ausdrücklich die Initiative von Abgeordneten der F.D.P. und würde mir wünschen, Sie würden heute auch unserem Aufruf zustimmen, damit wir wirklich endlich zu einer sachlichen und vernünftigen Diskussion und weg von allen Emotionen kommen, die dieses Thema bisher so belastet haben. Ich freue mich ja, daß Sie mir den Brief zeigen, Herr Dr. Thomae. Dann können Sie auch zustimmen. Wir hätten dann gemeinsam eine gute Basis, um das weiterzuführen.Vielen Dank.
Als letzte zu diesem Tagesordnungspunkt Frau Staatssekretärin Sabine Bergmann-Pohl.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schon vor zwei Jahren habe ich gesagt: Der Antrag der SPD ist völlig überflüssig. Daran hat sich bis heute nichts geändert; im Gegenteil.
Meine Damen und Herren, ich sage heute: Der Antrag ist sogar verantwortungslos!
Haben Sie denn aus den Diskussionen des 3. Untersuchungsausschusses zu HIV und Blutprodukten überhaupt nichts gelernt? Ich sage es noch einmal: Es muß klare Verantwortungen geben. Frau Schmidt-Zadel, es ist auch fragwürdig, von einer schonenden, sicheren und risikoarmen Methode zu sprechen. Sie haben ja selbst die Einschränkungen schon genannt.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20877
Parl. Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-PohlDamit widersprechen Sie sich selbst. Im übrigen waren wir, muß ich sagen, wahrscheinlich auf verschiedenen Anhörungen; denn ich habe von den Gutachtern andere Aussagen gehört.Deshalb noch einmal, meine Damen und Herren: Die Verantwortung für die Entscheidung über einen Zulassungsantrag für ein Präparat liegt allein beim Hersteller.
Das ist so, und das bleibt auch so. Daran gibt es nichts zu rütteln. Die Diskussion, die die SPD hier heute führt, gehört in die Chefetagen der Unternehmen, nicht in den Deutschen Bundestag.
Damit schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Prüfung des Präparates RU 486 zum medikamentösen Schwangerschaftsabbruch, Drucksachen 12/1835 und 12/8024. Der Ausschuß für Gesundheit empfiehlt, den Antrag abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Damit ist die Beschlußempfehlung gegen die Stimmen der SPD und der PDS angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes
— Drucksache 12/7878 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses
— Drucksache 12/8132 —
Berichterstattung:
Abgeordnete Hartmut Büttner Gerd Wartenberg (Berlin)
Dr. Jürgen Schmieder
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die Gruppen je fünf Minuten Redezeit erhalten sollen. — Dazu sehe ich keinen Widerspruch.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster spricht der Kollege Erwin Marschewski.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kürzlich haben wir in diesem Hause über den Tätigkeitsbericht des Bundesbauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR debattiert. Dabei haben alle Seiten dieses Hauses, ausgenommen die PDS — sie hat offensichtlich ihren Grund —,
die Arbeit der Gauck-Behörde gewürdigt und festgestellt, daß sie auch in Zukunft unverzichtbar sein wird,um die Hinterlassenschaft des Stasi-Imperiums und seiner Befehlsgeber aufzuarbeiten. Auch wurde betont, daß sich das Stasi-Unterlagen-Gesetz in der Praxis im wesentlichen bewährt hat. Diese Bewertung hat auch heute noch uneingeschränkt Bestand. Die Arbeit der Gauck-Behörde ist hervorragend. Ich meine, wir können keinesfalls auf sie verzichten.
Deswegen greift die vorliegende Novelle nur ein paar Einzelfragen auf, die sich in der Praxis als regelungsbedürftig gezeigt haben. Alle Punkte sind von den Fraktionen dieses Hauses aufgenommen, kritisch diskutiert und gemeinsam in den Deutschen Bundestag eingebracht worden. Unsere kleine Reform haben wir auch mit den Medienverbänden eingehend erörtert. So konnte ein breiter Konsens so weit wie möglich erzielt werden. Ich möchte diese Gelegenheit wahrnehmen, mich bei allen Beteiligten herzlich für die konstruktive Zusammenarbeit zu bedanken.
Im einzelnen enthält die zu verabschiedende Novelle des Gesetzes folgende Regelungen: Erstens. Die Anzeigepflicht nach § 7 Abs. 1 und 3 des StasiUnterlagen-Gesetzes soll auch auf Duplikate von Stasi-Unterlagen ausgeweitet werden. Dies ist einfach nötig; denn ich sehe keinen Unterschied darin, ob es sich um Originale, um Abschriften oder um ähnliches handelt. Erforderlich ist natürlich auch, daß wir die Nichtanzeige des Besitzes von Duplikaten künftig mit einem Bußgeld belegen können.
Die Gauck-Behörde muß einfach Kenntnis davon haben, daß jemand Abschriften von Stasi-Unterlagen bei sich hat. Erst dann kann die Herausgabe verlangt werden. Deswegen wollen wir dies ordnungswidrigkeitsbewehrt gestalten.Zweitens. Wir schaffen mehr Gerechtigkeit mit einer praxisnäheren und ausgewogeneren Gebührenregelung. Während schon bisher Betroffene und Dritte für Auskünfte und Akteneinsicht keine Gebühren zu zahlen hatten, wurden — das ist unverständlich; es handelt sich wohl um ein Redaktionsversehen — nahe Angehörige dieses Personenkreises mit Gebühren belastet. Dies ist nicht sinnvoll. Wir wollen eine Änderung.Ein dritter kleiner Bereich, den wir ansprechen, ist: Erhebliche Arbeitskraft der Gauck-Behörde wurde bisher durch das Kopieren von Unterlagen gebunden. Die Forschung und die Medien brauchten bisher kein Entgelt für die entsprechenden Fotokopien, für die Personalkosten zu entrichten. Auch das wollen wir ändern.
Sie wissen, daß weitere Änderungsvorschläge zum Stasi-Unterlagen-Gesetz bei uns eingegangen sind. Wir sind aber angesichts der endenden Legislaturperiode natürlich nicht mehr in der Lage, diese Vorschriften entsprechend zu ändern. Wir werden dies dem künftigen Gesetzgeber überlassen.
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Erwin Marschewski Zusammenfassend stelle ich fest:Erstens. Das Stasi-Unterlagen-Gesetz hat sich insgesamt voll bewährt.Zweitens. Die Arbeit der Gauck-Behörde verdient hohes Lob. Dies gilt nicht nur für ihren Leiter, sondern auch für dessen Mitarbeiter. Sie alle haben ihre schwierige Aufgabe, die Stasi-Hinterlassenschaft in einem nicht selten feindseligen Klima nach Recht und Gesetz aufzuarbeiten, in bewunderswerter Weise erfüllt. Dafür noch einmal ganz herzlichen Dank.Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, diesen kleinen Änderungen zuzustimmen. Es handelt sich, wie gesagt, um einen interfraktionellen Antrag der CDU/CSU-, der SPD- und der F.D.P.-Fraktion. Ich meine, wir sollten diesem Ganzen zustimmen.Herzlichen Dank.
Als nächste spricht die Kollegin Dorle Marx.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem interfraktionellen Gesetzentwurf wollen wir vor Abschluß der Legislaturperiode — der Kollege Marschewski hat schon darauf hingewiesen — wenigstens noch die dringendsten Hausaufgaben erledigen, die sich aus den bisherigen guten Erfahrungen mit dem Stasi-Unterlagen-Gesetz ergeben haben.Wir wollen die Einbeziehung der Duplikate oder Abschriften von Originalunterlagen des MfS in die Anzeigepflicht des § 7. Die Nichtherausgabe solcher Duplikate soll mit Bußgeld belegt werden können.Angehörige von Vermißten oder Verstorbenen sollen von der bisherigen Pflicht zur Entrichtung von Gebühren und Auslagen für Auskünfte der GauckBehörde befreit werden, Forschung und Medien dagegen künftig Gebühren und Auslagen zahlen. Also alles in allem nichts Dramatisches, sollte man meinen.Doch haben sich in den letzten Tagen einige Gemüter erhitzt. Mit der Einführung von Gebühren und Auslagen für Auskünfte gegenüber Forschung und Medien würden — so hieß es vereinzelt — die Kleinen beim Informationszugang behindert, wenn nicht gar ausgeschlossen. Über dieses Argument wundere ich mich. Bisher waren Anforderungen von Medien und Forschung gebühren- und auslagenfrei, d. h. vor allem die erheblichen Fotokopierkosten wurden vom Steuerzahler getragen.Ich kann mich persönlich noch sehr gut daran erinnern, daß ich in meiner Studienzeit immer einen dicken Beutel mit Kleingeld in der Tasche hatte, um die Kopierautomaten im Juristischen Seminar der Universitätsbibliothek oder der Deutschen Bibliothek zu füttern. Ich denke, daß da ein Haufen Geld zusammengekommen ist. Bei allen Mängeln im Bildungswesen wäre ich aber nie auf die Idee gekommen, daß die Tatsache, daß ich meine Fotokopien selber bezahle, eine unerträgliche Belastung für mein Studium und meine wissenschaftliche Arbeit darstellt.Wenn nun für die Forscher und Medien bei Anforderungen an die Gauck-Behörde neben den Auslagen noch Gebühren hinzukommen sollen, wird die Belastung auch nicht unerträglich. Der Blick in die sehr moderate Kostenordnung, die die Kritiker dieser Regelung wahrscheinlich nicht gelesen haben, zeigt z. B., daß für die Herausgabe von Dokumenten neben den Kopierkosten noch eine Gebühr von 10 bis 15 DM anfällt — also der Preis einer Pizza. Das dürfte bei den Betriebsausgaben der anfragenden Stellen doch sicherlich noch drin sein.Noch heißer geht es bei der von uns beantragten Einbeziehung von Duplikaten in die Anzeigeverpflichtung gegenüber dem Bundesbeauftragten zur Sache. Verständlicher ausgedrückt: Schon bisher müssen Kopien von Stasi-Unterlagen auf Verlangen des Bundesbeauftragten an ihn herausgegeben werden. Neu ist die Verpflichtung, den Bundesbeauftragten vom Besitz solcher Kopien in Kenntnis zu setzen, damit er dann von seinem Recht, sie herauszuverlangen, auch Gebrauch machen kann.Das Ziel dieser neuen Regelung ist es, die außerhalb der Behörde noch immer vielfältig vagabundierenden Bestände besser aufzufinden und damit den Bestand der Behörde soweit wie möglich zu komplettieren. Außerdem kann eine unkontrollierte Duplikatsnutzung nicht geduldet werden. Es erstaunt, daß trotzdem der Presserat durch diese neue Regelung seinen verfassungsmäßigen Auftrag in Gefahr sieht.Die Kollegin Köppe hat noch eins draufgelegt und der Presse mitgeteilt, es solle offenbar versucht werden, unbequeme Stasi-Enthüllungen über Politiker zu verhindern. Hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, fange ich an, mich ganz massiv zu ärgern. Es ist nämlich ein schlichter Denkfehler, wenn die zur Herausgabeverpflichtung neu hinzutretende Anzeigepflicht mit einem Veröffentlichungsverbot der Medien gleichgesetzt wird. Wer behauptet, hier sollten brisante Informationen dem Markt entzogen werden, sieht in der Gauck-Behörde ein Bermudadreieck, in dem einmal an sie gegebene Unterlagen auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Das kann aber nicht nur nicht wahr sein, das ist auch nicht wahr.Wir haben gemeinsam ein Stasi-Unterlagengesetz verabschiedet, das Täterakten ausdrücklich nicht schützt. Auch Informationen zu sogenannten Personen der Zeitgeschichte können und sollen weiter erfragt werden.So richtig „die Hand drauf" hat die Gauck-Behörde — und das muß auch immer wiederholt werden — nur auf einer Sorte Akten. Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind mit gutem Grund und einzig und allein die Opferakten. Diese Opferakten und nur diese sollen durch die beabsichtigte Neuregelung erfolgreicher als bisher endgültig vom Markt genommen werden können. Opferakten gehören nicht in Pressearchive. Ich wundere mich deshalb sehr, wenn ausgerechnet die Vertreter von BÜNDNIS 90 dem unberechtigten Wehgeschrei der Medien auf den Leim gehen.Nochmals: Die weitreichenden Rechte der Medien auf Auskunftserteilung bleiben unangetastet. Die Medien werden nicht behindert. Sie verlieren, wenn sie künftig ihrer Anzeigepflicht genüge tun, allenfalls
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Dorle Marxvielleicht einen Wettbewerbsvorteil im Konkurrenzkampf um eine schöne Stasi-Geschichte. Das Grundrecht der Opfer auf Persönlichkeitsschutz wiegt aber doch wohl schwerer als dieser Wettbewerbsvorteil. Frau Köppe hätte ich jetzt gerne gefragt, ob sie anderer Meinung ist. Leider ist sie heute nicht hier.Auch an dem Ziel, den Bestand der Gauck-Behörde so weit wie möglich zu komplettieren, müssen wir alle gemeinsam ein großes Interesse haben. Die Lücken im Bestand bieten nämlich eine Angriffsfläche für all diejenigen, die die Akten lieber heute als morgen wieder schließen würden. Mit dem Argument, die Unterlagen seien ohnehin unvollständig, wird suggeriert, daß eine Ent- oder Belastung von Personen immer mit Fragezeichen versehen bleibe.Wenn wir aber darauf verzichten, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln das aus heutiger Sicht rechtswidrig zustande gekommene, hochsensible Datenmaterial in der Gauck-Behörde zusammenzufassen, gefährden wir die noch lange nicht abgeschlossene Vergangenheitsbewältigung. Und wir vernachlässigen vor allen Dingen — ich sagte es bereits — unsere Fürsorgepflicht gegenüber den Opfern der Staatssicherheit. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Ergänzungsregelungen sind also nicht nur unproblematisch, sondern auch geboten.Über eine echte Novellierung, zu der auch meine Fraktion schon einige Vorstellungen hat, werden wir uns dann in der nächsten Legislaturperiode gern streiten. Für heute hätten wir Sozialdemokraten es begrüßt, wenn der interfraktionelle Antrag auch von BÜNDNIS 90 als das angesehen worden wäre, was er ist, nämlich ein schlichtes Vernunftswerk. Lohnendere Wahlkampfthemen gibt es dann immer noch zur Genüge.Wir stimmen aus ganzem Herzen und Überzeugung dem interfraktionellen Antrag zu.
Das Wort in dieser Debatte hat jetzt der Abgeordnete Lowack.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt Gründe und Abgründe. Es gibt vorgeschobene Gründe und es gibt wahre Gründe. Die Gründe des liebenswürdigen Kollegen Marschewski sind sicher nicht die wahren Gründe, sondern sind eher Vordergründe.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt hier natürlich einen Hauptgrund oder ein Hauptproblem. Das ist, daß in Zukunft die Gruppen, die sich mit der Auswertung der Gauck-Unterlagen überhaupt noch beschäftigen können, weil sie auf Grund ihres Ursprungs die Erfahrung haben, diese Menschenrechtsgruppen, die Gruppen, die heute aus einem großen Idealismus heraus arbeiten, ohne dafür Geld zu verlangen, in Zukunft auf Grund der Kostenregelung davon ausgeschlossen sind, diesen Idealismus noch einbringen zu können.
— Nein, das ist kein dummes Zeug, sondern das ist heute noch einmal im einzelnen belegt worden. Diese Gruppen haben nicht das Geld, um diese Kopien in dieser Art und Weise bezahlen zu können. Sie werden ihre Arbeit im wesentlichen einstellen müssen.
— Bitte schön.
Gehe ich recht in der Annahme, daß Ihnen bisher verborgen geblieben ist, daß die Kostenordnung zum Stasi-Unterlagen-Gesetz, die offenbar die meisten hier nicht kennen, vorsieht, daß in Fällen, in denen eine soziale Notlage vorliegt, Gebühren oder Auslagen ganz erlassen werden können?
Entschuldigung, es geht doch gar nicht um eine soziale Notlage. Ich bin seit 1966 Jurist, vielleicht einer der ältesten in diesem Raum überhaupt. Ich kenne meine Kostenordnungen wie wahrscheinlich kein anderer hier in diesem Raum, vielleicht diese spezielle nicht so genau. Ich nehme nur einen Sachverhalt auf, der heute sogar Gegenstand einer Fernsehdebatte war, in der gerade die Gruppen, die diese Arbeit leisten, gesagt haben, sie müßten sie einstellen, weil sie nicht damit rechnen könnten, daß ihnen irgendwelche Gebühren erlassen werden. Es geht hier doch gar nicht um die Frage einer Berechtigung aus sozialen Gründen, sondern es geht hier darum, daß die Gruppen ja nicht vorweisen können, sie seien arm. Vielmehr können diese Gruppen von vornherein überhaupt kein Geld investieren. Sie leisten eine Arbeit, die sie persönlich überhaupt nicht betrifft.
Wenn Sie, liebe Frau Kollegin, mir sagen würden, diese Gruppen würden in Zukunft die Gebühren erlassen bekommen, so daß ihre Arbeit nicht behindert wird, dann würde ich Ihnen gerne zustimmen. Dann erklären Sie das bitte aber auch verbindlich all jenen gegenüber, die das Gesetz beschließen wollen.
Damit schließe ich die Aussprache. Die Kollegen Dr. Schmieder, Frau Köppe und Professor Dr. Heuer haben ihre Redebeiträge zu Protokoll gegeben.*) Ich teile noch mit, daß die Kollegin Angelika Barbe eine Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung schriftlich abgegeben hat.**)Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurf zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes auf Drucksache 12/7878. Der Innenaus-*) Anlage 7 **) Anlage 6 (Nachtrag zu diesem Plenarprotokoll)
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20880 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Präsidentin Dr. Rita Süssmuthschuß empfiehlt auf Drucksache 12/8132, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung bei einer Gegenstimme aus der SPD und einer aus der PDS angenommen.Dritte Beratungund Schlußabstimmung: Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich von ihren Plätzen zu erheben. — Gegenstimmen? — Enthaltungen? — Damit ist der Gesetzentwurf bei einer Enthaltung und zwei Gegenstimmen angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 a bis 6 c auf:a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung der Bundeshaushaltsordnung— Drucksache 12/5835 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses
— Drucksachen 12/6612, 12/7402 -Berichterstattung:Abgeordnete Adolf Roth Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) Helmut Estersb) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses
zu dem Antrag des Bundesministeriums der FinanzenEntlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1991 — Vorlage der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes zu der Unterrichtung durch den BundesrechnungshofBemerkungen des Bundesrechnungshofes 1993 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung
— Drucksachen 12/4764, 12/6101, 12/5650, 12/7951 —Berichterstattung:Abgeordnete Adolf Roth Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) Helmut EstersHans Georg WagnerKarl Deresc) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Keller, Dr. Barbara Höll und der Gruppe der PDS/Linke ListeRückkehr zu einer verfassungskonformen Haushaltspolitik— Drucksachen 12/6474, 12/7057 -Berichterstattung:Abgeordnete Adolf Roth Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) Helmut Wieczorek (Duisburg)Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die gemeinsame Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. — Dazu sehe ich keinen Widerspruch.Erste Rednerin ist die Kollegin Uta Titze-Stecher.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir in meiner Funktion als Jahresberichterstatterin der Haushaltsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion einige Sätze zur Arbeit im Rechnungsprüfungsausschuß, ehe ich zur Auseinandersetzung mit den unter den Tagesordnungspunkten 6 a, 6 b und 6 c angesprochenen drei Komplexen komme.Ich will dich ansprechen, lieber Karl Deres. Ich spreche dich sicherlich auch im Namen aller Kolleginnen und Kollegen des Haushaltsausschusses ganz persönlich an, weil in diesem Rahmen die letzte Gelegenheit dazu besteht. Du hast dich entschieden, deine parlamentarische Arbeit, wie du mir eben auf dem Weg hierher gesagt hast, im Landtag und im Bundestag nach rund 20 Jahren zu beenden.Ich bin dankbar dafür, in dir einen Kollegen kennengelernt zu haben, der über all diese Jahre ausgesprochen menschlich und verständnisvoll geblieben ist — wie du mir versichert hast, war das dein fester Wunsch und Wille; du hast es geschafft —, aber auch einen Kollegen, der seine Funktion, nämlich den Vorsitz des so wichtigen Rechnungsprüfungsausschusses, in vorbildlicher Weise wahrgenommen hat.Ich denke, daß auf Grund deiner souveränen Leitung die Arbeit des Rechnungsprüfungsausschusses insgesamt als sehr gewissenhaft, sachlich und immer orientiert an tragbaren Problemlösungen gelten darf. Allerdings darf dein gemütliches Äußeres nicht darüber hinwegtäuschen, daß du mit bissiger Hartnäkkigkeit die Prüfungs- und Kontrollrechte von Parlament und Bundesrechnungshof immer dann verteidigt hast, wann und wo dir dies angebracht schien, z. B. wenn es um die Möglichkeit der Finanzkontrolle bei privatrechtlichen Trägern geht, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen.Also, trotz all dem Schmalzgebackenen und all dem Ahrwein hast du deinen Biß bis zuletzt behalten.
Da ich gerade beim Danken bin, will ich an dieser Stelle ausdrücklich Dank und Anerkennung sagen für die Arbeit, die auch die Mitglieder des Haushaltssekretariats über das ganze Jahr leisten. Sie sind die Mädchen — pardon, die Männer für alles; sie sorgen nicht nur für die Sitzungsunterlagen. Die Kolleginnen und Kollegen wissen, daß alle Wünsche erfüllt werden, von sauren Gurken über Kopfwehtabletten bis zum Erscheinen des Kellners, damit wir bei den stundenlangen Beratungen nicht vom Fleisch fallen.Ein Extralob verdienen unsere beiden Sekretäre, die Sekretäre von Rechnungsprüfungsausschuß und Haushaltsausschuß. Ich bin mir sicher, daß sie so
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Uta Titze-Stechermanches Wochenende für ihre detailgetreuen Aufzeichnungen opfern.Mein Dank gilt als drittes auch allen Kolleginnen und Kollegen des Rechnungsprüfungsausschusses, insbesondere Ihnen, Herr Bohlsen, der Sie auch mit Ablauf dieser Legislaturperiode ausscheiden, und Frau Bock.
Ihnen alles Gute für Ihr weiteres, ich denke: nicht ganz unpolitisches Leben.In insgesamt 46 Sitzungen haben wir uns alle gemeinsam bemüht, trotz und jenseits politisch bedingter Unterschiede zu einvernehmlichen Lösungen zu kommen. Das ist auch dank der souveränen Leitung von Karlchen meist gelungen.Mein Dank gilt last not least — ich weiß nicht, ob sie da ist — der Präsidentin des Bundesrechnungshofes sowie ihrem langjährigen Vorgänger und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesrechnungshofes. Ohne deren kontinuierliche Zuarbeit, d. h. die Erstellung von Prüfberichten, insbesondere aber ohne deren Unabhängigkeit wäre die Wahrnehmung einer glaubwürdigen parlamentarischen Finanzkontrolle undenkbar.Freilich erleben wir Mitglieder des Rechnungsprüfungsausschusses immer häufiger, daß sich Ministerien und Behörden mal mehr, mal weniger vehement gegen kritische Berichte des Bundesrechnungshofes mit dem Hinweis wehren, dieser Bericht prüfe ja nicht nur die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Bundesverwaltung, d. h. die effiziente und gesetzlich festgelegte Verwendung von Steuergeldern, nein, der Bundesrechnungshof erlaube sich, ihm nicht zustehende politische Bewertungen zu treffen.Ich denke, weder der Bundesrechnungshof noch die Parlamentarier sehen das so. Wir brauchen nicht nur die begleitende, wir brauchen zunehmend mehr die präventive Prüfung von Vorhaben durch den Bundesrechnungshof. Das ist unser ausdrücklicher Wunsch. Wenn dies seitens der Geprüften als politische Einmischung statt als Hilfe für die politische Entscheidungsfindung definiert wird, dann müssen sich jene, die sich so äußern, die Frage nach ihrem Verständnis von parlamentarischer Kontrolle stellen lassen.Dies gilt z. B. für einen ganz aktuellen Fall. In einem Zwischenbericht an das Bundesministerium für Verkehr stellt der Bundesrechnungshof die Pläne der Deutschen Bahn für den Bau einer 3 Milliarden DM teuren, völlig neuen ICE-Strecke in Bayern — konkret: zwischen München und Nürnberg über Ingolstadt — aus wirtschaftlicher Sicht in Frage — für mich zu Recht angesichts einer wesentlich günstigeren Alternative, nämlich dem Ausbau einer bereits vorhandenen Strecke über Augsburg.Es grenzt für mich an einen Schildbürgerstreich, für den Vorteil von nur wenigen Minuten eine 80 Kilometer lange neue Strecke mit 31 Tunneln durch das größte zusammenhängende Waldgebiet Ostbayerns zu favorisieren, und das noch auf der Preisbasis von 1989 und bei der Tatsache, daß die Strecke wegen deserheblichen Gefälles noch nicht einmal von schweren Güterzügen benutzt werden kann. Da kann ich Herrn Wissmann nur empfehlen, seinem eigenen Satz zu folgen — Zitat —: „Gutachten des Bundesrechnungshofes sind auf jeden Fall ernst zu nehmen." Wie wahr!Der Haushaltsausschuß hat mit einer weiteren wesentlichen Änderung des § 91 der Haushaltsordnung klargestellt, daß es für die Haushaltskontrolle des Parlaments unverzichtbar ist, auch den öffentlichrechtlichen Bereich, der in privater Gesellschaftsform abgewickelt wird — das war unsere Beschäftigung in den letzten Ausschußsitzungen —, der Haushalts- und Rechnungskontrolle zu unterwerfen, sofern auch nur eine müde Mark aus dem Bundeshaushalt fließt.Wir haben es uns mit dieser Frage nicht leichtgemacht. Es hat zahlreiche, lange und schwierige Diskussionen dazu gegeben. Dies betrifft insbesondere den Prüfungsumfang bei den beiden privatisierten deutschen Staatsbahnen.Der Haushaltsausschuß — und ich natürlich auch — sieht diese Diskussion noch lange nicht als beendet an. Die Frage war, inwieweit durch eine Änderung des Eisenbahnneuordnungsgesetzes der Prüfungsumfang des Bundesrechnungshofs erweitert werden muß.Ich will hier ausdrücklich für die SPD feststellen, daß niemand von uns die unternehmerischen Spielräume der Bundesbahn beschränken will. Wir stehen zu dieser Entscheidung.Aber wir stehen als Parlament in der Verantwortung gegenüber dem Steuerzahler, da allein die Zuschüsse an die Bahn AG im Volumen von 25 Milliarden DM — praktisch 5 % des Bundeshaushalts — eine besondere Kontrolle erzwingen.Nur als kleine Anmerkung: Diese Zuschüsse entsprechen immerhin den Gesamtausgaben des Bundes für solche Ministerien wie Bau, Bildung, Frauen und Jugend, Gesundheit und Umweltschutz.Angesichts genereller Weichenstellungen in Richtung Deregulierung, schlanker Staat und Privatisierung wird die Frage der Wahrnehmung und Sicherung der Kontrollrechte des Parlaments garantiert noch weiter auf der Tagesordnung bleiben müssen.Ich komme nun — jetzt wird es ein bißchen ungemütlicher, Karl — zu den Tagesordnungspunkten 6a, 6 b und 6 c, d. h. zum Gesetz zur Änderung der Bundeshaushaltsordnung, zur Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1991 im Zusammenhang mit den Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1993 und zum Antrag der PDS/Linke Liste „Rückkehr zu einer verfassungskonformen Haushaltspolitik".Ich fasse einmal zusammen: Der finanzpolitische Kern aller drei Vorlagen ist eine Grundsatzkritik am generellen finanzpolitischen Kurs der Bundesregierung und an ihrer nicht mehr verfassungskonformen Verschuldungspolitik.Der Bundesrechnungshof hat mit seinen Bemerkungen eine jahrelang insbesondere vom Bundesfinanzminister eifrig gepflegte Legende zerstört: die Aus-
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20882 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Uta Titze-Stecherblendung der Schattenhaushalte des Bundes aus seiner finanzpolitischen Gesamtverantwortung. Der Bundesrechnungshof unterstreicht in seinen Ausführungen die Auffassung der SPD, daß die finanzwirtschaftlichen Belastungen des Bundes für die Zukunft nur dann angemessen und umfassend bewertet werden können, wenn die Verschuldung des Bundes und deren Folgekosten insgesamt also unter Einschluß der Sondervermögen, sprich: Schattenhaushalte — einschließlich der daraus folgenden Zinslast einbezogen werden. Konkret betrifft das die Einbeziehung von Bundeseisenbahnvermögen, Fonds „Deutsche Einheit" und Erblastentilgungsfonds.Auf der Basis des noch geltenden Finanzplans kommt der Bundesrechnungshof zu dem gleichen vernichtenden Urteil wie die SPD-Fraktion auch: Wir steuern auf eine Zins-Steuer-Quote von 24 % zu. Das bedeutet im Klartext: In Kürze — der Bundesrechnungshof nennt hier das Jahr 1997 — wird jede vierte Steuermark zur Begleichung von Zinszahlungen benötigt.Auf deutsch: Die Zinsen fressen die Steuern auf, Steuern, die von unseren Bürgern hart erarbeitet werden müssen und die zur Ausweitung künftiger Lebenschancen, auch derer ihrer Kinder, nicht mehr zur Verfügung stehen. Das nenne ich ein Ergebnis verantwortungsloser Finanzpolitik.Ich will das am Beispiel der Nettokreditaufnahme verdeutlichen: Obwohl der Fonds „Deutsche Einheit", der Erblastentilgungsfonds und das Eisenbahnvermögen Schuldentöpfe des Bundes sind — das Wort Sondervermögen ist ja nun wirklich euphemistisch —, die nunmehr auch im Bundeshaushalt veranschlagt werden müssen, werden sie aus der Neuverschuldung des Bundes, wie bisher üblich, ausgeblendet. Für 1995 sollen sie schamhaft in den sogenannten Sonderrechnungen des Bundes zusammengefaßt werden — auch wieder ein verschönender Ausdruck.Diese Schuldenfonds nehmen zu ihrer Finanzierung insgesamt 11 Milliarden DM an Krediten auf. Einschließlich der vom Bundesfinanzminister bereits genannten 70 Milliarden DM neuer Schulden beträgt somit die Neuverschuldung des Bundes für das Jahr 1995 rund 80 Milliarden DM. Dies wurde kürzlich im Haushaltsausschuß vom Bundesfinanzministerium in der Berichterstattung über den Finanzplanungsrat selbst ausgeführt.Da ist die Frage schon erlaubt: Wann endlich wird diese Bundesregierung mit dem Verbiegen finanzpolitischer Wahrheiten und ihrer permanenten Schönfärberei der Finanzlage des Bundes aufhören? Nennen Sie doch die 80 Milliarden DM öffentlich und nicht hinter der diskreten Doppeltür des Haushaltsausschusses!
— Was heißt hier na, na, na! Alle Haushälter wissen, daß unsere Tür wirklich diskret ist, eben weil es eine Doppeltür ist. Aber die Dinge, die gesagt werden müssen, gehören auch vor die Tür.Der Bundesrechnungshof weist aber noch auf einen weiteren kritischen Punkt hin, der uns Sozialdemokraten ebenfalls aufstößt: die verfassungsrechtlicheKreditobergrenze nach Art. 115 Grundgesetz, die den Gesetzgeber verpflichtet, im Haushaltsplan grundsätzlich nicht mehr an Krediten zu veranschlagen, als für Investitionen vorgesehen ist.Wir kritisieren, daß diese Bundesregierung wie selbstverständlich die Ausnahmeregelung von der Schuldenbegrenzung in Art. 115 Abs. 2 Grundgesetz in Anspruch nimmt. Der Bundesrechnungshof stellt dazu geradezu genüßlich dar, an welche politischen Voraussetzungen die Inanspruchnahme dieser Ausnahmeregelung gebunden ist. Danach ist entscheidend, daß mit der Überschreitung der Schuldenobergrenze eine Politik finanziert wird, die nachprüfbar und glaubhaft zur Wiederherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts führt.Daß dies nicht der Fall ist, werden Sie nicht bestreiten können; denn Ihre eigenen Zahlen belegen, daß im nächsten Jahr mit einer Staatsverschuldung von über 2 Billionen Mark und einem Anstieg des Zinsanteils auf 24 % die Bewertung Ihrer Wirtschaftspolitik wohl wirklich nicht im Sinne eines finanzpolitischen Gleichgewichts erfolgen kann.Diese deprimierende Politik kann unserer Meinung nach nur durch notwendige Strukturreformen korrigiert werden. Ich nenne drei als Beispiele: die Modernisierung der Wirtschaft durch eine ökologische Politik zur Energie- und Ressourceneinsparung; eine Reform des öffentlich geförderten Arbeitsmarktes und seiner Finanzierung; eine Reform der beruflichen Bildung und Forschungsförderung. Wir denken, daß dann das vom Grundgesetz geforderte gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht eher herzustellen ist als durch das, was Sie vorlegen.Die Zustimmung der SPD-Fraktion zur Änderung der Bundeshaushaltsordnung bedeutet insofern kein Abrücken von der Grundsatzkritik an der Finanzpolitik dieser Regierung. Der Sinn einer an sich vernünftigen Vorschrift wird in der haushaltspolitischen Praxis der Bundesregierung bedauerlicherweise geradezu ins Gegenteil verkehrt, der Vorschrift nämlich, daß es eines Nachtragshaushalts dann nicht bedarf, wenn mit den über- und außerplanmäßigen Ausgaben eine Rechtsverpflichtung erfüllt wird. Diese Vorschrift ist zum Einfallstor einer beispiellosen Verwahrlosung dessen geworden, was wir ein seriöses Haushaltsverfahren nennen können.Wenn überplanmäßige Ausgaben auf Grund von Rechtsverpflichtungen — ich nenne als Beispiel nur die Defizitabdeckung bei der Bundesanstalt für Arbeit — von der Verpflichtung ausgenommen werden, in einem Nachtragshaushalt ordentlich ausgewiesen zu werden, so ist dies an die Voraussetzung geknüpft, die ich bereits genannt habe. Bei der Aufstellung des Haushaltsplans sowie auch im Beratungsverfahren im Haushaltsausschuß müssen alle erkennbaren Haushaltsrisiken auf den Tisch. Diese entscheidende Voraussetzung aber ist bei der Finanzpolitik der Bundesregierung schon längst nicht mehr gegeben.So wurden bereits in den vergangenen vier Jahren systematisch die Defizitabdeckung für die Bundesanstalt für Arbeit — ich erwähnte es — und die Ausgaben für die Arbeitslosenhilfe zu niedrig oder die Steuern zu
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Uta Titze-Stecherhoch angesetzt, um die wahre Finanzlage des Bundes zu verschleiern, vielleicht nach der Devise: Die Öffentlichkeit interessiert sich allenfalls noch für den Haushaltsplan, vom Haushaltsvollzug nimmt später fast niemand — außer uns natürlich — Notiz.Ich möchte mit einem Zitat enden — den Autor nenne ich am Schluß —:Die Bundesregierung hat die Aufgabe, bei ihrer Haushaltswirtschaft zu verhindern, daß sich ein stetig wachsender Schuldensockel bildet, der schließlich die Fähigkeit des Staatshaushaltes, auf die Probleme der Gegenwart und der Zukunft zu reagieren, in Frage stellt.Sie werden unschwer erraten, von wem das Zitat stammt: vom Bundesrechnungshof.Es ist in unseren Augen höchste Zeit, daß die Bundesregierung diese Aufgabe erledigt. Wir fordern die Bundesregierung nachdrücklich auf, endlich zu einer verfassungskonformen Haushaltsaufstellung zurückzukehren.
Als nächster spricht der Kollege Wilfried Bohlsen.
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir wollen uns in dieser Debatte noch einmal mit der Feststellung auseinandersetzen, inwieweit die Bundesregierung im Haushaltsjahr 1991 ordnungsgemäß gewirtschaftet hat.Bei der Wahrung unserer parlamentarischen Kontrollfunktionen sind wir auf die umfangreichen Prüfungsberichte des Bundesrechnungshofs sehr wohl angewiesen. Das Haushaltskontrollrecht, also das Recht des Rechnungsprüfungsausschusses, den Staatshaushalt zu überwachen, ist aus meiner Sicht eine der wichtigsten parlamentarischen Aufgaben, die wir als gewählte Volksvertreter zu erfüllen haben.Aber eines muß ich anmerken: Die Bedeutung der Haushaltskontrolle hat in neuerer Zeit insofern an Bedeutung gewonnen, als die Staatsaufgaben insbesondere nach der Vereinigung stark zugenommen haben und wir bei immer knapper werdenden Haushaltsmitteln sehr auf alles, sogar auf Details achten müssen.Neben einer vergangenheitsbezogenen Kontrolle — ich erwähnte das Haushaltsjahr 1991, das wir hier behandeln — waren wir allerdings immer bemüht, auch eine aktualisierte Berichterstattung einfließen zu lassen, um die neueste Entwicklung mit einzufangen.Die verehrte Frau Kollegin Titze-Stecher hat bereits das angenehme Arbeitsklima in unserem Ausschuß angesprochen und den Dank an den Ausschußvorsitzenden gerichtet. Ich schließe mich, lieber Karl Deres, auch von unserer Gruppe gern diesem Dank an. Ich habe diese Zusammenarbeit immer als sehr angenehm empfunden.
— Dies würde ich auch so sagen. Er bleibt es auch.
Dem Dank an die Mitarbeiter des Rechnungsprüfungsausschusses und des Sekretariats kann ich mich nur nachdrücklich anschließen. Unser Umgang im Ausschuß war freundschaftlich. Ich meine, daß wir intensiv gearbeitet haben, wobei wir in vielen Fällen Zustimmung gefunden haben, was ein Beweis dafür ist, daß der Rechnungshof eine für uns gute und wichtige Vorarbeit geleistet hat.Ich möchte drei Beispiele nennen, um deutlich zu machen, wie unterschiedlich wir votieren. Ich hatte im Rechnung sprüfungsausschuß die Berichterstattung für das Bundeskanzleramt, das Auswärtige Amt, das Presse- und Informationsamt und für das Ministerium für Post und Telekommunikation.Ich möchte mit dem letzteren, der Post beginnen, wo wir uns mit der Einlieferung von Massendrucksachen beschäftigt haben und feststellen mußten, daß für Großanlieferungen von Massendrucksachen durch die Bundespost keine Gebühren erhoben wurden, nicht zuletzt auch deswegen, weil die Postverwaltungen der neuen Bundesländer darin gar nicht geübt waren. Uns sind Millionenschäden entstanden, weil dafür keine Postgebühren entrichtet wurden.Wir haben versucht, das aufzuarbeiten und zu aktualisieren. Wir sind zu Regelungen gekommen, nach denen sogar Nachzahlungen seitens der Einlieferer geleistet werden mußten. Es ist gelungen, die Technik vermehrt einzusetzen, so daß wir durch neue Abwiege- und Zählmaßnahmen zu Regelungen gekommen sind, die den Schaden im nachhinein stark gemindert haben. Mit diesem Beispiel möchte ich nur deutlich machen: Durch das schnelle Eingreifen haben wir konkrete Verbesserungen erreicht.In einem zweiten Beispiel aus dem Auswärtigen Amt möchte ich deutlich machen, daß wir nicht immer dem Votum des Bundesrechnungshofs gefolgt sind. Es ging um Visumsbescheide, bei denen der Bundesrechnungshof erstens festgestellt hatte, sie würden zu schnell und manchmal ohne abgesicherte Überprüfung erteilt. Dadurch sei es möglich, daß Asylanten ungerechtfertigt in den Genuß eines Visums kommen.Der Bundesrechnungshof hatte zweitens festgestellt, daß die Gebühren nicht entsprechend den entstehenden Kosten ermittelt wurden.Wir haben dies sehr unterschiedlich behandelt, haben dann aber doch gesagt, daß eine zu bürokratische Verhaltensweise des Auswärtigen Amtes sicherlich auch dazu führen kann, daß Geschäftsleute, die in die Bundesrepublik einreisen wollen, durch einen langen Verfahrensgang davon abgehalten werden, zu uns einzureisen, um hier Geschäfte zu tätigen. Wir haben gesagt, dann würden sie in andere westliche Länder gehen, und der Wirtschaftsstandort Deutschland würde leiden.Wir haben über ein Abfragesystem in einer Behörde in Köln die Möglichkeit geschaffen, daß die auswärtigen Vertretungen sofort eingreifen und über die Nachfrage in Köln zu schnellen Ergebnissen kommen
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Wilfried Bohlsenkönnen, damit die Visa schnell erteilt werden können.Den zweiten Punkt, die Kostendeckung, den wir noch einmal kritisch beleuchtet haben, haben wir dahin gehend ausgelegt, daß wir angesichts der Höhe der Gehälter des Auswärtigen Dienstes eine Kostendeckung bei der Visagebühr sicher nicht erreichen können, denn wir stehen in einem internationalen Wettbewerb. Insofern ist der Rechnungsprüfungsausschuß einen anderen Weg gegangen, indem wir gesagt haben, wir müssen bemüht sein, die Visagebühren angeglichen an andere westliche Länder ohne Beachtung des Kostendeckungsprinzips festzulegen. Ich glaube, da sind wir einen Weg der Mitte gegangen, der auch von den anderen Fraktionen mitgetragen wird.An einem letzten Beispiel positiver Art aus dem Bereich des Bundeskanzleramts möchte ich noch etwas anderes deutlich machen. Der Rechnungshof hatte kritische Anmerkungen gemacht. Es ging um den Bereich Wissenschaft und Politik. Der Zuwendungsempfänger wurde über das Bundeskanzleramt aufgefordert, mit anderen Wissenschaftsinstituten besser zusammenzuarbeiten, um Doppelforschungen zu vermeiden. Da haben wir begrüßt, daß das Bundeskanzleramt von sich aus auf die Stiftung „Wissenschaft und Politik" eingewirkt hat und von sich aus ohne Eingreifen des Rechnungsprüfungsausschusses eine Haushaltssperre veranlaßt hat, die diese Einrichtung gezwungen hat, diesen Aufforderungen zu folgen.Ich will daher im Namen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion beantragen, daß wir der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1991 Entlastung erteilen.Ich möchte zum Abschluß einen besonderen Dank auch an die, so darf ich sagen, neue Präsidentin des Bundesrechnungshofs richten, Frau Dr. CzascheMeseke, die für lange Zeit unsere Kollegin im Bundestag war. Frau Präsidentin, Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bundesrechnungshof möchte ich für die gute Zuarbeit, die wir erfahren durften, herzlichen Dank sagen.Als scheidendes Mitglied hier im Bundestag und somit auch im Rechnungsprüfungsausschuß wünsche ich dem Ausschuß bei weiter unangetasteter Unabhängigkeit des Bundesrechnungshofs auch zukünftig eine wirkungsvolle wirtschaftliche Kontrolle. Ich darf abschließend sagen, daß mir als jemand, der aus der Wirtschaft kommt, die Arbeit im Haushaltsausschuß, aber auch im Rechnungsprüfungsausschuß wichtige Fingerzeige gegeben hat. Allen, die sich einmal um ein Mandat im Bundestag bemühen, kann ich nur empfehlen, eine Zeitlang auch im Rechnungsprüfungsausschuß zu sitzen. Es ist eine wahre Lehrstunde.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Jetzt hat CarlLudwig Thiele das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist vermutlich nicht überraschend, Uta Titze, daß wir einige Dinge möglicherweise etwas anders sehen. Aber das hat uns auch in der Vergangenheit überhaupt nicht daran gehindert, konstruktiv zusammenzuarbeiten, wie auch gesagt werden muß, daß wir gerade im Haushaltsausschuß und auch im Rechnungsprüfungsausschuß über die Parteigrenzen hinweg sehr gute und engagierte Arbeit betreiben und versuchen, das Beste für das deutsche Volk zu erreichen. Ich finde gut, daß das im Konsens geschieht, wie auch in den Redebeiträgen deutlich wurde.
Da schließe ich auch die SPD mit ein, denn das ist wirklich häufig recht angenehm.
— Wir auch. Lieber Helmut Wieczorek, darauf komme ich gleich noch zurück. Das bleiben wir auch.Der Jahresabschlußbericht gibt immer wieder Anlaß, in dem üblichen Tagesgeschäft einzuhalten und Bilanz über das Erreichte zu ziehen. Er gibt aber ebenso Gelegenheit, sich über die zukünftige Entwicklung des Bundeshaushalts Gedanken zu machen. Hierzu möchte ich einige wenige Grunddaten des Haushalts ansprechen.
Die Bundesregierung hat seit der deutschen Einheit Enormes zur Bewältigung der finanziellen Krisen geleistet. Jahrhundertaufgaben sind in dieser Wahlperiode gelöst worden: Bahnreform, jetzt gerade Postreform, Privatisierung der Lufthansa, um nur einige zu nennen, und vor allem die Finanzierung der deutschen Einheit, deren finanzielle Probleme natürlich noch weiter andauern.1990 wäre — ohne die deutsche Einheit — das Jahr gewesen, in dem erstmalig wieder Schulden hätten getilgt werden können. Durch die deutsche Einheit, welche die F.D.P. immer geschlossen unterstützt hat und über die ich mich auch heute noch freue, hat sich das Finanzgefüge total geändert. Wir haben von der sozialistischen DDR ein Konkursunternehmen geerbt, dessen ganzer Umfang an Schaden erst jetzt langsam deutlich wird.Wir haben aber alles darangesetzt, im Interesse der Bürger in den neuen Bundesländern und zur Herbeiführung der inneren Einheit Deutschlands einzigartige Hilfestellung zu geben, die historisch ohne Vergleich ist. Das bedeutet z. B. für den Haushalt 1994, daß bei 160 Milliarden DM Bruttotransfer aus dem Bundeshaushalt in die neuen Bundesländer — wir erhalten einen Rückfluß von etwa 40 Milliarden DM — netto ein Viertel des gesamten Bundeshaushaltes, nämlich 120 Milliarden DM in die neuen Länder transferiert werden, und dieses bei einer Nettoneuverschuldung von 70 Milliarden DM. Hätten wir also die deutsche Einheit nicht gehabt, über die ich mich nach
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Carl-Ludwig Thielewie vor freue, und wäre seit 1990 so gespart worden — —
— Ich weiß, daß einige die deutsche Einheit nicht gerne hätten, Frau Kollegin. Aber ich vermute, den Bürgern in den neuen Bundesländern geht es doch im ganzen erheblich besser.
— Ja, wenn Sie solche Zwischenrufe machen, dann müssen Sie sich nicht wundern.
— Dann sagen Sie es doch noch einmal. Ich habe Sie verstanden: Wenn das Wörtchen „wenn" nicht wär'!— Das heißt, einige wollen es nach wie vor nicht; anders war Ihr Zwischenruf leider überhaupt nicht zu verstehen.Hätten wir also die deutsche Einheit nicht und wäre seit 1990 so gespart worden, wären aber auch die Steuern so erhöht worden, wie geschehen, so hätten wir jetzt eine Schuldentilgung von 50 Milliarden DM im Jahre 1994.Diese Zahlen belegen überdeutlich, daß sich die Bundesregierung auf dem richtigen Weg zur Konsolidierung unserer Staatsfinanzen befindet. Ich sage Ihnen aber auch ganz deutlich: Weitere Sparmaßnahmen sind unumgänglich, sie sind sogar das Gebot der Stunde.Die Opposition hält dem Bundesfinanzminister vor, daß er die Schulden der letzten Jahre gemacht habe, die doch eine Folge der Konkursmasse der DDR sind!
Dieser Vorwurf zeigte doch nur eines, daß auch jetzt noch seitens der SPD von vielen die deutsche Einheit gar nicht gewollt ist.
Im derzeitigen Haushalt ist der größte Etatposten — —
— Warum schreien Sie immer so dazwischen, Frau Kollegin?
Kommen Sie doch einmal zu einer aktiven Sacharbeit im Ausschuß! Da ist von der PDS nie etwas zu sehen.Im derzeitigen Haushalt ist der größte Etatposten mit etwa 130 Milliarden DM der Etat Blüm. Das sindknapp 30 % des Gesamtetats. Wenn im Haushalt 1995 der Erblastentilgungsfonds und die Schulden generell in den Haushalt aufgenommen sind, werden wir Zinsausgaben von knapp 100 Milliarden DM zu tätigen haben. Das bedeutet, daß etwa 50 % des Etats durch diese beiden Brocken gebunden sind.
— Nein, das ging nicht. Wir mußten ja die Konkursmasse übernehmen; und die wollte keiner ausschlagen. Es war richtig, daß wir die nicht ausgeschlagen haben.Die Zinsen können nur abgebaut werden, wenn Schulden getilgt werden. Davon sind wir momentan meilenweit entfernt. Da die Neuverschuldung von 70 Milliarden DM aber entschieden zu hoch ist und gesenkt werden muß, sind Sparmaßnahmen auch zukünftig im Bundeshaushalt unumgänglich. Deshalb kann auch der dickste Brocken des Etats, der Etat von Norbert Blüm, nicht unangetastet bleiben. Das wird ja auch von führenden Sozialdemokraten mitunter erklärt, dann aber von anderen gleich widerrufen.Die PDS fordert die Rückkehr zu einer verfassungskonformen Haushaltspolitik.
Das ist so, als würde man den Totengräber beauftragen, neues Leben zu schaffen.
— Es ist klar, Sie wollen es ja auch nicht machen.
Die Steuer- und Abgabenlast in Deutschland ist zu hoch. Sie erdrückt die Leistungsfähigkeit und entmutigt die Leistungsbereitschaft der Menschen. Die F.D.P. will deshalb die Steuer- und Abgabenlast senken. Die Finanzierung muß über konsequente Überprüfung und Reduzierung von Staatsaufgaben und Staatsausgaben erfolgen. Wir müssen unseren Staat verändern, wenn wir die Aufgaben der Zukunft meistern wollen. Die jetzige Situation gibt uns die einzigartige Chance, Veränderungen in unserem System vorzunehmen, die wir wohl so nie hatten. Lassen Sie uns gemeinsam diese Chance nutzen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte mich an dieser Stelle für die F.D.P., aber auch vor allem sehr persönlich bei den Kolleginnen und Kollegen bedanken, die aus freien Stücken nicht wieder für den Deutschen Bundestag kandidieren, vor allem bei dir, Karl Deres, der du immer engagiert und mit vollem Interesse an der Sache den Rechnungsprüfungsausschuß geleitet hast. Ich bedanke mich aber auch bei den anderen Kollegen wie Wilfried Bohlsen oder auch in einer gewaltenteilungsübergreifenden Rolle bei Herrn Echternach.Ich hoffe, daß sich diejenigen, die wieder kandidieren, auch nach dem 16. Oktober hier wiedertreffen,
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Carl-Ludwig Thieledenn die Runde, die dort im Rechnungsprüfungsausschuß gearbeitet hat, hat nicht nur in die Vergangenheit gesehen, sondern hat auch positive Weichen für die Zukunft zu stellen. Das sollten wir auch weiterhin machen. Insofern bin ich den Kolleginnen und Kollegen dankbar, die nicht nur Opposition betreiben und herumstänkern, sondern die aktiv bereit sind, in den Ausschüssen Verantwortung zu tragen.Herzlichen Dank.
Herr Kollege Karl Deres, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin in der Sache sehr froh, daß wir die Entlastung der Bundesregierung noch vor der Sommerpause durchführen können. Dies ist im Hinblick auf das nahe Ende der Wahlperiode die einzig sinnvolle Möglichkeit: So können wir noch in der alten Besetzung — wenn ich das so formulieren darf — über die Ergebnisse unserer umfangreichen Arbeit im Rechnungsprüfungsausschuß berichten.Wir Rechnungsprüfer sind ja nur ein kleiner Kreis, dessen bewährte Reihen sich zudem mit Ablauf der Legislaturperiode kräftig lichten werden. Es war daher auch unser fraktionsübergreifender Wunsch, daß wir unsere Arbeit noch vollenden und sie quasi bis zur letzten Stunde tun können, auch wenn diese letzte Stunde im Parlament nur 45 Minuten dauern wird.Der Bedeutung dieses wichtigen Themas wird eine derart kurze Debattenzeit — das habe ich jedes Jahr gesagt — bei dieser Diskussion allerdings nicht gerecht. Ich hoffe, daß die zukünftigen Kolleginnen und Kollegen das vielleicht etwas ausdehnen können.
In vielen vollgepackten Sitzungen hat der Rechnungsprüfungsausschuß die Grundlagen für die Beschlußempfehlung erarbeitet, die uns jetzt auf der Drucksache 12/7951 vorliegt. Hinter diesem unscheinbaren Druckwerk versteckt sich ungemein intensive Arbeit. Ohne die schon hier von allen Kollegen genannte gute Arbeitsatmosphäre in unserem Ausschuß hätten wir das Arbeitspensum sicher nicht bewältigen können.Gestatten Sie mir, daß ich allen Ausschußmitgliedern für die harmonische und stets konstruktive Zusammenarbeit danke.Einen besonderen Gruß sende ich von hier aus an den stellvertretenden Vorsitzenden, unseren Kollegen Rudolf Purps, dem ich von hier aus noch einmal baldige Genesung wünsche, daß er gesund an diese Stätte zurückkehren möge.
Die gute Atmosphäre in unserem Ausschuß ist nicht nur dadurch gekennzeichnet, daß die „persönliche Chemie" , liebe Uta Titze-Stecher, stimmt. Vielmehr sind wir uns über alle Parteigrenzen hinweg darübereinig, daß die Finanzkontrolle eine Aufgabe des gesamten Parlaments gegenüber der Regierung ist. Daher fassen wir die überwiegende Zahl unserer Beschlüsse auch einstimmig, womit unsere Voten das notwendige Gewicht gegenüber der Exekutive bekommen.Ich habe heute allen Anlaß, bei meinem Dank etwas weiter als gewohnt auszuholen. Vorneweg möchte ich den Bundesrechnungshof nennen, der es uns ermöglicht hat, unsere Kontrollarbeit in so effektiver Art und Weise durchzuführen. Dafür möchte ich der Präsidentin, Frau Czasche-Meseke, und ihrem Vorgänger und allen Mitarbeitern ein herzliches Dankeschön und „Weiter so!" sagen und sie zu dieser weiteren Arbeit ermuntern.Die unabhängige Kontrolle öffentlicher Ausgaben ist und bleibt unverzichtbar. Steuergroschen und erst recht Steuermillionen sind schließlich anderer Leute Geld. Der Umgang damit bedarf besonderer Sorgfalt und effektiver parlamentarischer Kontrolle. Dieser Aufgabe galt unser ganzes Engagement.Es ist etwas einfacher für den deutschen Steuerzahlerbund, gewisse Punkte sehr kritisch herauszustellen, wogegen wir ja gar nichts haben; die Wirkungen bleiben dann aber auf der Strecke, denn da geschieht ja nichts mehr.Ich möchte aber auch die Mitarbeiter des Sekretariats in meinen Dank einschließen, die die Arbeit des Rechnungsprüfungsausschusses in unauffälliger, aber wirkungsvoller Weise unterstützt haben.Vergessen möchte ich nicht — wenn auch etwas abseits der Tagesordnung meine persönlichen Mitarbeiter, die mich in den vergangenen 14 Jahren begleitet und hervorragend unterstützt haben. Für sie blieb immer noch ein Stück Arbeit übrig, das eigentlich in den RPA gehört hätte; aber wir hatten keine Schwierigkeiten mit der Aufteilung.Auch wenn dies meine letzte Rede vor dem Deutschen Bundestag ist, lautet das Motto nicht Rückschau, sondern Vorausschau — dies um so mehr, als wir auch die Arbeit des Rechnungsprüfungsausschusses mehr und mehr unter dieses Motto stellen sollten. Vergangenheitsbewältigung ist unverzichtbar, reicht allein für die Gestaltung der Zukunft aber nicht aus.
Das darf ich kurz begründen. Das wichtigste Recht eines Parlamentes ist es, über Einnahmen und Ausgaben der Regierung zu bestimmen. Dazu gehört konsequenterweise aber auch die Budgetkontrolle, also die Überprüfung, ob die bewilligten Mittel in der Vergangenheit sack- und bestimmungsgerecht ausgegeben wurden.In den allermeisten Fällen ist das der Fall — das muß man einmal zu Ehren der Exekutive sagen —,
und doch sind — bei den unzähligen Aktivitäten, die unternommen werden, beinahe unvermeidbar und in den seltensten Fällen böswillig — auch immer wieder Fälle von unsachgemäßer Steuergeldverwendung
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Karl Deresfestzustellen. Diese gilt es schonungslos aufzuklären und für die Zukunft auszuschließen.Kontrolle darf aber nie nur einseitig rückwärts orientiert sein. Unsere Arbeit hat doch nur dann wirklich Sinn, wenn unsere Beschlüsse auch in die Gegenwart und die Zukunft wirken. So jedenfalls haben wir unsere Aufgabe verstanden, und hierauf lege ich besonderen Wert. Denn nur so können wir sparsame und wirtschaftlich vernünftige Wege für die jeweils zu lösenden Probleme aufzeigen. Ich gehe sogar so weit, zu sagen, daß der Rechnungsprüfungsausschuß mit seinen Beschlüssen auf Grund der Vorarbeit des Rechnungshofes einen wesentlichen Punkt in Richtung Stabilität unserer Währung gesetzt hat und hoffentlich auch in Zukunft setzen wird. Unsere Arbeit hat also auch eine stark vorbeugende Komponente.In diesem Ziel wissen wir uns mit dem Haushaltsausschuß einig, dessen ständiger Unterausschuß wir ja sind. Wir sind daher immer stärker auch zu gegenwartsbezogener und begleitender Prüfung übergegangen. Auf diesem Wege können wir anstehende Planungen und deren Umsetzung schon im Vorfeld schnell und wirksam begleiten und gegebenenfalls positiv beeinflussen. Oder um es in einfachere Worte zu fassen: Wir dürfen nicht erst handeln, wenn das Kind im Brunnen liegt. Vielmehr kommt es darauf an, erstens den Brunnen sicherer zu machen und zweitens die Kinder zur Vorsicht zu erziehen. Ich meine damit auch die Kinder der Exekutive.Gelegentlich haben wir gehört, daß wir unsere Kompetenzen doch bitte schön nicht überstrapazieren sollten. Ich halte jedoch dagegen: Wenn wir oder der Rechnungshof Fehlentwicklungen erkennen, dann müssen wir die Dinge doch auch unverzüglich aufgreifen können. Oder sollen wir sehenden Auges warten, bis es in den Schlagzeilen heißt: Diese oder jene Verschwendung hätten die Politiker doch vermeiden können? Solche Meldungen oft auch im Vorgriff auf Prüfungsberichte, die noch nicht abgeschlossen sind, erzeugen bei den Menschen zu Recht eine tiefe Bitternis, die leider allzuoft in Resignation umschlägt. Sind wir es da nicht den Menschen in unserem Land schuldig, so früh und aktiv wie möglich gegen absehbare Fehlentwicklungen anzusteuern? Ich finde, das müssen wir tun. Damit helfen wir übrigens auch, die Institutionen des Staates, unseres Staates und Gemeinwesens, vor vermeidbaren Vorwürfen zu bewahren. Ich denke, dieses Ziel ist durchaus des Schweißes der Edlen wert.Diese Anregungen möchte ich unseren Nachfolgern im 13. Deutschen Bundestag mit auf den Weg geben. Weil das Leben weitergeht, bitte ich Sie abschließend, der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1991 Entlastung zu erteilen. Vielen Dank noch einmal in alle Richtungen, adieu und tschüs.
Ich erteile das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, Jürgen Echternach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Haushaltsjahr 1991 steht stellvertretend für unsere Finanzpolitik, die eine doppelte Herausforderung zu bewältigen hat, nämlich die deutsche Einheit wirtschaftlich und sozial zu vollenden und die Wachstumskräfte der Wirtschaft zu stärken, und die auf beiden Feldern sichtbar erfolgreich ist.
Der Haushalt 1991 stand ganz im Zeichen der Wiedervereinigung. Es war der erste gesamtdeutsche Haushalt; in den die zentralen staatlichen Leistungen für die neuen Länder voll integriert wurden. Das Konzept der Bundesregierung hat das stabile Fundament gelegt, mit dem wir auch diese Jahrhundertaufgabe meistern werden. Der Aufbau in den neuen Ländern ist eine Investition in unsere gemeinsame Zukunft. Das stabile Wirtschaftswachstum der guten 80er Jahre macht vorübergehend eine erhöhte Nettokreditaufnahme möglich, deren mittelfristigen Rückgang wir in der Finanzplanung des Bundes fest verankert haben. Die Reaktionen der nationalen und internationalen Finanzmärkte zeigen: Die Finanzexperten aller Welt vertrauen der konsequenten Politik der Bundesregierung.
Unmittelbar nach der Wiedervereinigung Deutschlands hatte die Bundesregierung mit dem Eckwertebeschluß die Konsolidierungsziele für die weitere haushaltspolitische Entwicklung vorgezeichnet. Diese Ziele sind mit dem Bundeshaushalt 1991 verwirklicht worden.
Ein Schwerpunkt war die wirtschaftliche Umstrukturierung in den neuen Bundesländern. Im März 1991 haben wir dafür u. a. mit dem Beschluß über das Gemeinschaftswerk „Aufschwung Ost" mit einem jährlichen Volumen von 12 Milliarden PM eine entscheidende Voraussetzung geliefert.
Ein weiterer Schwerpunkt im Haushalt 1991 waren die internationalen Verpflichtungen Deutschlands z. B. aus dem Golfkonflikt und den Veränderungen in Osteuropa. Allein die Hilfen der Bundesrepublik für die Krisenbewältigung am Golf beliefen sich im Jahre 1991 auf 11 Milliarden DM.
Mit beträchtlichen Einsparungen und maßvollen Steuererhöhungen haben wir diese Belastungen auffangen können. Zu diesen Einnahmeverbesserungen gehörten die Anhebung der Mineralölsteuer bei gleichzeitiger Erhöhung der Kilometerpauschale und die Erhöhung der Versicherungsteuer. hinzu kam der auf ein Jahr befristete Solidaritätszuschlag.
Auf der Einnahmenseite ergaben sich Steuermehreinnahmen von 6,1 Milliarden DM. Auf der Ausgabenseite haben wir im Haushaltsjahr 1991 die Politik der Konsolidierung und der Begrenzung der Staatsausgaben konsequent durchgehalten. Trotz zwangsläufiger Mehranforderungen in einigen Bereichen lagen die Ausgaben im Ergebnis um 8,6 Milliarden DM unter dem Soll. Außerdem haben wir die im Haushalt veranschlagte globale Minderausgabe von 9,3 Milliarden DM voll erwirtschaftet. Mit diesen Ergebnissen konnten wir erreichen, daß die Nettokreditaufnahme mit 52 Milliarden DM um ca. 14,5 Milli-
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Parl. Staatssekretär Jürgen Echternach
arden DM unter dem Soll von 66,4 Milliarden DM geblieben ist.
Mit dem Konsolidierungsprogramm hat die Finanzpolitik der Bundesregierung ihre wichtigste Hausaufgabe gemacht. Stabilität in unserem Land ist nicht nur eine Aufgabe des Bundesfinanzministers. Sie kann auf Dauer nur bewahrt werden, wenn sie von allen gesellschaftlichen Kräften solidarisch getragen wird: von jedem einzelnen Bundesminister, von den Tarifpartnern, von jedem Bundesland, von jeder einzelnen Gemeinde. Hier wende ich mich insbesondere an die Länder und Gemeinden, deren Ausgabesteigerungen zum Teil um mehr als das Doppelte über die im Finanzplanungsrat vereinbarte Steigerungsrate hinausgehen.
Ich bin sicher: Wir werden die wirtschaftlichen und finanziellen Aufgaben, die uns die deutsche Einheit stellt, bewältigen. Dafür aber müssen wir alle unseren Beitrag erbringen: Wir müssen uns für einen begrenzten Zeitraum mit dem erreichten Wohlstand zufriedengeben. Wir dürfen keine neuen Anforderungen an den Staat stellen, wenn wir nicht bereit sind, an anderer Stelle Verzicht zu leisten.
Wir können uns jetzt keine Verteilungskonflikte leisten und müssen die Löhne und Preise stabil halten. Die Unternehmen müssen ihre Investitionschancen in den neuen Bundesländern voll wahrnehmen. Wir müssen die Konsolidierung der Staatsfinanzen als Gemeinschaftsaufgabe sehen. Was wir für den Aufbau im Osten Deutschlands aufbringen, ist immer auch eine gute Investition in die gemeinsame Zukunft. Es geht nicht nur um die Begleichung alter Schulden, sondern um den Aufbau neuer Werte, die auch unsere Kinder und Enkelkinder noch gewinnbringend nutzen können.
Bei der Durchführung des laufenden Haushaltes und auch bei der Beratung kommender Haushalte dürfen uns die in 1991 erzielten Erfolge nicht dazu verleiten, nachlässig zu werden. Deswegen, Frau Kollegin Titze-Stecher, werden wir auch bei der Beschlußfassung über den Haushalt 1995 im nächsten Monat den konsequenten Spar- und Konsolidierungskurs durchhalten und uns dabei auch nicht von irgendwelchen akuten Terminen irritieren lassen.
Die hochbelasteten Steuerzahler haben ein Recht darauf, daß die Verwaltung den Haushalt getreu den Parlamentsbeschlüssen vollzieht und mit dem Geld des Steuerzahlers wirtschaftlich und sparsam umgeht.
Im großen und ganzen ist dies - wie in den Vorjahren - auch im Jahre 1991 geschehen. Fehler und
Versäumnisse beim Vollzug eines Haushaltes müssen allerdings aufgedeckt, offen diskutiert und für die Zukunft abgestellt werden. Aus Fehlern müssen jeweils auch die richtigen Schlußfolgerungen gezogen werden. Der Bundesrechnungshof leistet einen unverzichtbaren Beitrag dafür, daß Fehler beim Haushaltsvollzug aufgedeckt und abgestellt werden. Er ist
aber auch ein wichtiger Ratgeber der Verwaltung für wirtschaftliches Handeln.
Gerade der Finanzminister weiß diese Tätigkeit des Rechnungshofes ganz besonders zu schätzen.
Der Deutsche Bundestag hat sich mit dem Rechnungsprüfungsausschuß des Haushaltsausschusses eine Institution geschaffen, die sorgfältig und unnachgiebig den Hinweisen des Bundesrechnungshofes nachgeht. Mit seinen besonderen Möglichkeiten trägt gerade dieser Ausschuß dafür Sorge, daß aus den Beanstandungen des Bundesrechnungshofes auch die notwendigen Konsequenzen gezogen werden, bis hin zur Regreßfrage. Dabei kommt naturgemäß der Persönlichkeit des Ausschußvorsitzenden eine besondere Bedeutung zu.
Lieber Kollege Deres, Sie scheiden genau wie ich nach vier Legislaturperioden aus dem Deutschen Bundestag aus. In den letzten eineinhalb Legislaturperioden haben Sie als Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses eine besondere Verantwortung wahrgenommen, in der Ihnen eigenen Art, mit Sachkunde, Verantwortungsbewußtsein und Augenmaß, immer aber auch kollegial und fair. Dafür, für die gute persönliche Zusammenarbeit, aber vor allem für das, was Sie für die Finanzkontrolle unseres Staatswesens geleistet haben, möchte ich Ihnen auch im Namen der Bundesregierung Dank und Anerkennung aussprechen. Sie haben mit Ihrer Arbeit Maßstäbe gesetzt.
Ich habe noch die Zustimmung des Hauses dazu einzuholen, daß der Kollege Dietmar Keller seine Rede zu diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll gibt.*)
— Dagegen erhebt sich, wie ich sehe, keinerlei Widerspruch.Dann kommen wir zu den Abstimmungen. Zunächst lasse ich über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung der Bundeshaushaltsordnung auf den Drucksachen 12/5835 und 12/7402 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen eine Stimme von PDS/Linke Liste ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung angenommen.Wir kommen zurdritten Beratungund Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist angenommen.In der 216. Sitzung wurde die Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses auf Drucksache 12/6612 an*) Anlage 8
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20889
Vizepräsident Hans Kleinden Haushaltsausschuß zurückverwiesen. Der Haushaltsausschuß empfiehlt nunmehr, die zurückverwiesene Vorlage für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Wir kommen zur Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen auf Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1991 und zu den Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1993 auf den Drucksachen 12/4764, 12/6101, 12/5650 und 12/7951. Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu? — Die Gegenprobe!— Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Wir kommen zur Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der PDS/Linke Liste zur Rückkehr zu einer verfassungskonformen Haushaltspolitik auf Drucksache 12/7057. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 12/6474 abzulehnen. Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu?— Gegenprobe! — Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Roswitha Wisniewski, Alfons Müller , Dr. Ursula Lehr, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie den Abgeordneten Dr. Gisela Babel, Dieter-Julius Cronenberg (Arnsberg), Ulrich Heinrich und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI ÄndG)Drucksache 12/8040 —a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
— Drucksache 12/8145 —Berichterstattung: Abgeordnete Ulrike Mascherb) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 12/8201 —Berichterstattung:Abgeordnete Hans-Gerd Strube Ina AlbowitzNach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. — Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Dr. Alexander Warrikoff das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den vergangenen Jahren hatte ich des öfteren Gelegenheit, zu kontroversen Themen Stellung zu nehmen, wobei mir die Opposition die Freude nicht nur zahlreicher, sondern auch lebhafter Zwischenrufe gemacht hat. Heute ist mein letzter Auftritt im Bundestag, vorbehaltlich einer Einwirkung höherer Gewalt, die sich nicht voraussehen läßt. Es ist so, daß wir hier ein Konsensgesetz präsentieren. Trotzdem Herr Kollege Heyenn, wenn Sie sich hier zu irgendwelchen Zwischenrufen aufraffen könnten, wäre ich Ihnen sehr dankbar, damit ich nicht aus der Übung komme.
— Danke. Ich komme nunmehr, auf Vorschlag meines Ausschußvorsitzenden Heyenn, zur Sache. Es handelt sich um die Frage des Kündigungsschutzes für Arbeitnehmer, die über 65 Jahre alt sind. Dieses Thema ist aus bestimmten Gründen im Rentenrecht geregelt, obwohl es sich in Wirklichkeit um ein Problem des Arbeitsrechtes handelt.Nach geltendem Recht, das seit dem Rentenreformgesetz 1992 geltendes Recht ist, hat auch derjenige, der über 65 Jahre alt ist, Anspruch auf Kündigungsschutz, auch dann, meine Damen und Herren, wenn geltende Tarifverträge eine Beendigung der Arbeitszeit mit dem 65. Lebensjahr vorsehen. Dieses beruht weniger auf der Intention des Gesetzgebers von damals, sondern vielmehr auf dem Urteil des Bundessozialgerichts, das diese Tarifverträge für ungültig erklärt hat und auch für den großen Bereich der Tarifverträge, insbesondere den öffentlichen Dienst, den Kündigungsschutz über das 65. Lebensjahr hinaus ausdehnt, es sei denn, der Arbeitnehmer hat mindestens drei Jahre vor Erreichen des 65. Lebensjahres gesagt, daß er nicht weitermachen will. Das bedeutet also, daß er noch zwei Wochen vor Erreichen des 65. Lebensjahres sagen kann: Lieber Arbeitgeber, ich will weitermachen.Dem damals im Konsens verabschiedeten Gesetz liegt ein wichtiger Gedanke zugrunde, nämlich der Gedanke der demographischen Entwicklung. Es gibt hier alle möglichen Betrachtungen. Eine ist trauriger als die andere. Alle laufen darauf hinaus, daß sich die Zahl der Arbeitenden im Vergleich zur Zahl der Rentner immer mehr zuungunsten der ersteren verschiebt, bis irgendwann einmal ein Arbeitnehmer einen Rentner voll zu versorgen hat, eine wirklich kaum vorstellbare Situation. Die größte Hoffnung, die wir in diesem Zusammenhang haben, ist natürlich, daß vielleicht doch irgendwann einmal die Zahl der Kinder in Deutschland wieder zunimmt.
Das wäre allerdings eine langfristige Entwicklung, die eine gewisse Zeit braucht, bis sie wirkt.Wir haben auch die Erwartung, daß sich die Beteiligung der Frauen am Erwerbsleben verstärkt. Die Zahl der Frauen, die im Arbeitsleben stehen, ist im Vergleich zu anderen Industriestaaten bei uns niedriger. Wir haben die Hoffnung, daß sich die Studien- und Ausbildungszeiten verkürzen.Schließlich und endlich haben wir das Thema, das uns hier beschäftigt, nämlich die Frage: Inwieweit können und wollen Menschen länger als bis zum 65. Lebensjahr arbeiten, was natürlich auch ganz gravierend zu einer Entlastung der Rentenkasse und zu einer Verstärkung der Gesamtproduktivität führen würde?
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Dr. Alexander WarrikoffSo gut der Gedanke im Prinzip ist, so sehr führt er im Augenblick zu ganz erheblichen Konflikten, die letzten Endes im Arbeitsmarkt begründet sind. Die Wirklichkeit ist die, daß das mittlere Alter derjenigen, die in den Ruhestand treten, bei etwa 59 Jahren liegt und es jetzt überhaupt nicht darum geht, Menschen zu veranlassen, über 65 Jahre hinaus zu arbeiten, sondern daß es ganz im Gegenteil der Wirtschaft schwerfällt, Leute über 59 Jahre angemessen zu beschäftigen.In dem Konflikt, ob man nun lieber jemanden, der über 65 Jahre alt ist, mit Kündigungsschutz versieht und auf der anderen Seite jemanden, der sehr viel jünger ist, entweder entläßt oder in seinem beruflichen Fortkommen beschränkt — die Älteren besetzen ja interessante Positionen oder aber womöglich einem Arbeitslosen eine Chance versperrt, muß man sich, meine ich, bei der gegenwärtigen Arbeitsmarktlage dazu entschließen, den Kündigungsschutz der Älteren nicht voll aufrechtzuerhalten, wobei natürlich hinzukommt, daß die Rentner ab 65 Jahre in der Regel aller Fälle über ein gesichertes Renteneinkommen verfügen.Ein zweites Motiv für die Änderung, die wir heute beschließen, ist der Mißbrauch. Wir haben es erlebt, daß Menschen, die in Wirklichkeit nach 65 gar nicht weiterarbeiten wollten, ihre Arbeitgeber mit der Hoffnung oder mit der Erwartung unter Druck gesetzt haben, weiterarbeiten zu wollen, um auf diese Weise nicht unerhebliche Abfindungszahlungen zu erreichen.Wir schlagen daher vor, und ich hoffe zuversichtlich, daß wir nachher dafür eine Mehrheit bekommen werden, daß wir zu der Regelung zurückkehren, wie sie bis zum Jahre 1992 gegolten hat. Das bedeutet, daß der Kündigungsschutz — ich verkürze jetzt etwas — ab dem 65. Lebensjahr nicht mehr besteht und daß insbesondere auch Verabredungen in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und Einzelverträgen zulässig sind. Im Hinblick auf die Tarifverträge möchte ich ganz besonders erwähnen, daß für den Bundesrat die Gültigkeit der Tarifverträge in bezug auf die Altersgrenze von großer Bedeutung gewesen ist.Wir verschließen aber nicht die Augen vor der Sachlage, daß sich möglicherweise in der Zukunft der Arbeitsmarkt so verändert, daß wir wieder sehr gern auf die älteren Menschen zurückgreifen, sofern sie über 65 Jahre hinaus arbeiten wollen. Wir beschließen daher heute einen Überprüfungsauftrag an die Bundesregierung, der dazu führen soll, daß dieser ganze Sachverhalt im Jahre 1997, wenn der Rentenversicherungsbericht erstattet wird, überprüft werden und die Bundesregierung eventuell Vorschläge dafür machen soll, wie wir die Arbeitskraft, die Erfahrung, das Können, auch das Engagement älterer Arbeitnehmer wieder wirksam werden lassen, ohne — das ist das Entscheidende — daß dies zu Lasten der Jüngeren und möglicherweise auch der Arbeitslosen geht.Der Vorschlag, den wir machen, ist, wie gesagt, bis auf weiteres richtig. Wir haben uns bei der Erarbeitung des Konzeptes ein wenig schwergetan, weil wir den Versuch unternommen haben der sich als zu schwierig herausgestellt hat , schon jetzt zu sagen, welche Regelung gelten soll, wenn die Übergangszeit vorbei ist. Das hat viel Energie verbraucht, auch vieleKontroversen ausgelöst, und bereits erreichte Einigungen sind vielfach wieder weggefallen, so daß wir uns in weiser Selbstbeschränkung
— das war ein Tango, ein Tango verschiedener Lagen, muß man sagen; verschiedener Levels, heißt das ja heute — entschlossen haben, eben nicht vorzusehen, was die folgende Regelung sein kann, wenn sich die heutige als nicht praktikabel erweist.Herr Präsident, gestatten Sie mir die Bemerkung, daß ich diesem Hause gern angehört habe und ja noch für einige Monate angehöre. Mir hat auch die Mitarbeit in der Sozialpolitik eine große Freude bereitet. Ich vermute, Herr Vorsitzender Heyenn, daß wir in unserem Ausschuß, verglichen mit anderen Ausschüssen, möglicherweise die heftigsten Auseinandersetzungen hatten, weil die Konfliktpotentiale ja außerordentlich zahlreich sind. Aber ich möchte doch diese Gelegenheit nutzen, um zu sagen, daß ich nie das Gefühl hatte, daß von irgendeiner Seite, ganz besonders nicht vom Ausschußvorsitzenden, mit unfairen Mitteln gearbeitet wurde. Ich scheide daher mit dem angemessenen lachenden und weinenden Auge aus dieser Funktion, wenn es soweit ist.Vielen Dank.
Herr Kollege Günther Heyenn, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Warrikoff, wir haben in den vergangenen Jahren gut zusammengearbeitet. Ich muß Sie dennoch kritisieren.
Denn ich habe mir die Mühe gemacht, das, was ich sagen möchte, aufzuschreiben, in der Hoffnung, daß Sie bei Ihrer letzten Rede genauso fleißig sein würden und wir vielleicht beide Reden zu Protokoll geben könnten. Aber ich habe volles Verständnis für Ihre Haltung.Lassen Sie mich sagen: Es ist gut gewesen, daß die Koalition Selbstbescheidung geübt hat. Denn so sind wir zu einem Kompromiß gekommen und haben die Linie, Rentenversicherung gemeinsam zu gestalten, nicht verlassen.Die zu beschließende Änderung über die gesetzliche Regelung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem 65. Lebensjahr ist notwendig. Ich vertrete aber noch heute die Auffassung, daß das, was wir 1989 für die Rentenreform 1992 beschlossen haben, von der Zielsetzung her richtig war und richtig ist. Wir wollten damals nicht mehr und nicht weniger, als zu verhindern, daß Arbeitnehmer bei Erreichen der rentenrechtlichen Altersgrenze gegen ihren Willen aus dem Arbeitsleben ausscheiden müssen.Deshalb haben wir in das Gesetz hineingeschrieben , daß arbeitsrechtliche Vereinbarung en unwirksam sind, nach denen das Arbeitsverhältnis endet, wenn der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Alters-
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Günther Heyennrente hat. Wir wollten, daß solche Vereinbarungen nur dann wirksam sind, wenn sie innerhalb der letzten drei Jahre vor Erreichen der Altersgrenze geschlossen oder vom Arbeitnehmer bestätigt worden sind. Unser Ziel war, mehr Flexibilität zu schaffen — allerdings mehr Flexibilität für die Arbeitnehmer.So richtig der I 992 eingeschlagene Weg war, gibt es doch zwei Gründe, die jetzt eine Änderung erfordern: Erstens. Der Gesetzgeber hat auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom Oktober 1993 zu reagieren.
Nach diesem BAGUrteil fallen auch Tarifverträge unter den Begriff der „Vereinbarung". Die Folge davon ist, daß sämtliche Klauseln in Tarifverträgen, denen zufolge das Arbeitsverhältnis mit dem 65. Lebensjahr endet, unwirksam sind. Dies kann genutzt werden und wird genutzt. Es wird auch ausgenutzt. Teilweise wird auch richtiggehend abgezockt, insbesondere von Angestellten in gehobenen Positionen. Nicht wenige aus dem Kreis der Besserverdienenden lassen sich ihr Ausscheiden aus dem Berufsleben mit. Abfindungen in fünf- und sechsstelliger Höhe honorieren.Zweitens. Dies war so nicht intendiert, und dies kann so auch nicht toleriert werden, insbesondere dann nicht, wenn man die nach wie vor katastrophale Lage auf dem Arbeitsmarkt — 7 Millionen Arbeitslose — betrachtet. Es kann nicht angehen, daß eine Weiterbeschäftigung mit vollem Arbeitsentgelt rechtlich durchsetzbar ist, wenn zugleich die volle Altersrente bezogen werden kann und die Alternative dazu nur in der Zahlung einer nicht unerheblichen Abfindung besteht.Wenn Sie so wollen, haben wir es hier mit einem Konflikt zwischen dem vorhin von mir hervorgehobenen Ziel der individuellen Souveränität und der Notwendigkeit von gesellschaftlicher Solidarität zu tun. Diese Frage darf nicht zu Lasten der Solidarität mit den Arbeitslosen entschieden werden.Die Koalition hat in ihrem ersten Entwurf vorgeschlagen, die Möglichkeit der Arbeitnehmer, auch dann gegen den Willen der Arbeitgeber über das 65. Lebensjahr hinaus zu arbeiten, wenn vertragliche Altersgrenzklauseln bestehen, auf Dauer und generell zu beseitigen. Als Alternative wollten Sie für die Zeit bis 1998 die frühere Regelung aus dem Gesetz in der Fassung von 1972 wiederherstellen. Dort war als arbeitsrechtliche Flankierung der flexiblen Altersgrenze bestimmt worden, daß ein Altersrentenanspruch vor dem 65. Lebensjahr kein Kündigungsgrund sei.Mit dieser materiell-rechtlichen Regelung haben wir uns einverstanden erklärt. Sie bedeutet im Klartext, daß einerseits Altersgrenzenklauseln für ein Alter unter 65 unwirksam sind und keinen Grund für eine arbeitgeberseitige Kündigung des Arbeitsverhältnisses bieten, daß aber andererseits die Arbeitsverhältnisse mit Vollendung des 65. Lebensjahres enden. Dies ist ein sinnvoller Kompromiß. Aber dieser Kompromiß muß langfristig gesichert werden. Er darf nicht zeitlich befristet werden.Die von der Koalition ursprünglich vorgesehene Befristung hätte die Gefahr beinhaltet, daß Arbeitsverhältnisse durch Einzelverträge z. B. auf das 60. oder 63. Lebensjahr befristet werden und mit Erreichen dieses Alters dann auch gegen den Willen des Arbeitnehmers enden. Dies haben wir mit unserer Forderung nach Entfristung, der Sie gefolgt sind, überwunden. Sie tragen — dafür danken wir — auch den Entschließungsantrag mit uns gemeinsam, in dem wir die Bundesregierung auffordern, im Rahmen des 1997 zu erstellenden Rentenversicherungsberichts die Auswirkung der Neuregelung darzustellen und gegebenenfalls Vorschläge für eine angemessene Änderung des Gesetzes zu unterbreiten.Ich glaube, es ist richtig, was wir tun. Ich möchte abschließend sagen, daß ich mich als jemand, der am Zustandekommen der Rentenreform 1992 beteiligt war, freue, daß wir auch hier eine einvernehmliche Regelung gefunden haben.Ich danke Ihnen.
Frau Kollegin Dr. Gisela Babel, ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beraten heute in zweiter und dritter Lesung die Änderung des § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI. Er erlaubt in seiner gegenwärtigen Fassung die Weiterarbeit eines Arbeitnehmers über das 65. Lebensjahr hinaus, und zwar gegen den Willen des Arbeitgebers und auch dann, wenn es frühere Vereinbarungen über das Ausscheiden des Arbeitnehmers bei Erreichen der Altersgrenze gibt.
Die Motive, die beim Rentenreformgesetz zu dieser Regelung geführt haben, waren sicher ehrenwert. Man ging zu Recht von der Notwendigkeit einer verlängerten Lebensarbeitszeit in der Zukunft aus. Hierfür spricht in der Tat die demographische Entwicklung. Aus diesem Grunde sieht das Rentenreformgesetz eine Anhebung der Altersgrenzen im Rentenrecht ab dem Jahre 2001 vor. § 41 Abs. 4 Satz 3 war als eine arbeitsrechtliche Flankierung gedacht, als eine Art Impuls: Gewöhnt euch schon mal daran, daß ihr länger arbeitet!
Von einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit kann aber heute noch nicht die Rede sein. Denn in der Realität gehen Arbeitnehmer noch heute durchschnittlich schon mit 58 Jahren in Rente. Gerade im öffentlichen Dienst hat es darüber hinaus — das wurde schon von meinen Vorrednern gesagt — einige skandalöse Einzelfälle gegeben, in denen sich Arbeitnehmer ihr Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit 65 Jahren vom Arbeitgeber mit einer dicken Prämie abkaufen lassen wollten.
Dieser Zustand wurde von allen Parteien als unerträglich empfunden. Es ist nicht vermittelbar, daß ältere Arbeitnehmer bei vollem Kündigungsschutz gleichzeitig Gehalt und Rente beziehen, während der Nachwuchs in einer schwierigen Arbeitsmarktphase auf Arbeitslosengeld angewiesen bleibt.
20892 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237, Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Dr. Gisela Babel
Die Korrektur des § 41 SGB VI war einfach notwendig. Die F.D.P. hatte diese Verhandlungen mit dem Ziel geführt, möglichst eine Gleichbehandlung von tarifgebundenen und tarifungebundenen Arbeitnehmern zu erreichen. Die Frage, ob jemand mit 65 aus einem Arbeitsverhältnis ausscheidet oder nicht, ist aus liberaler Sicht eine sehr persönliche Angelegenheit, die individuell entschieden werden sollte. Für die Zukunft hält die F.D.P. daher an dem Ziel fest, daß diese Frage der Altersgrenze individuell, aber zwischen den Vertragsparteien, zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, geregelt werden sollte.
Der Bundesarbeitsminister wollte aber in den Verhandlungen unbedingt an dem Signal festhalten, daß in Zukunft längere Lebensarbeitszeiten notwendig werden. So richtig diese Botschaft ist, so falsch waren die Vorschläge des Bundesarbeitsministers. Die Gesetzentwürfe, die uns aus dem I lause Blüm vorgelegt wurden, sahen samt und sonders nur die rein tarifvertraglichen Lösungen vor. Dieser Zwang zum Kollektiv stand im direkten Widerspruch zum individuellen Ansatz der Liberalen.
Es war schließlich ausgerechnet die F.D.P., die geholfen hat, liberale Ansichten durchzusetzen. Die unbefristete Rückkehr zum alten Recht bezieht sowohl tarifvertragliche Regelungen als auch Betriebsvereinbarungen und auch individuelle Abmachungen zur Altersgrenze ein. Die Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer ist dadurch weitgehend sichergestellt und die Verengung auf eine rein tarifvertragliche Regelung vermieden.
Die unbefristete Rückkehr zum alten Recht wird verbunden mit einem Entschließungsantrag. Der Gesetzgeber ist aufgefordert, im Lichte der Entwicklung des Arbeitsmarktes über Neuregelungen nachzudenken. Damit ist Spielraum geschaffen, liberale Ideen in einem späteren Gesetzentwurf noch stärker zu berücksichtigen, auch wenn es die Damen und Herren von der SPD vielleicht nicht glauben wollen.
Obwohl die Konsensfindung zwischen den im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen dieses Mal verschlungene Wege gegangen ist, haben letztlich alle Fraktionen zu einer übereinstimmenden Haltung gefunden. Dies wollen wir von der F.D.P. besonders positiv herausstellen. Auch in Zukunft werden wir uns um den Erhalt dieses Konsenses in Rentenfragen bemühen.
Ich bitte Sie daher, dem Gesetzentwurf wie auch dem Entschließungsantrag zuzustimmen.
Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Petra Bläss.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir lehnen die vorgesehene Änderung des SGB VI ab, nicht, weil wir keinen Regelungsbedarf beim flexiblen Übergang in den Altersruhestand sehen, sondern weil wir die Art, wie das geschehen soll, ablehnen. Binnen einer Woche doktern Sie an einem nicht unwesentlichen Pfeiler Ihres sonst so hochgepriesenen Kompromisses zur Rentenreform 1992 herum.
Im Grunde geht es doch bei dem Gesetzentwurf darum, die Freiheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einzuschränken, über die Dauer ihrer Lebensarbeitszeit selbst zu entscheiden. Als Argumente müssen der Mißbrauch von Regelungen des Kündigungsschutzes und die Arbeitsmarktsituation herhalten.
Wir sind grundsätzlich für Möglichkeiten eines gleitenden Übergangs in den Altersruhestand. Was Politikern und Managern jederzeit freisteht, sollte schließlich auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten. Es ist wohl evident, daß die Leistungsfähigkeit und auch die Bedeutung der Arbeitstätigkeit für das Lebenswertgefühl des einzelnen nicht vom Lebensalter abhängig sind.
Gerade hierfür erleben wir doch in der jüngsten Vergangenheit massenhaften Anschauungsunterricht, vor allem in den neuen Bundesländern. Da werden mit dem Argument „Platz für Jüngere" Hunderttausende leistungsfähige und hochmotivierte Ältere in den Vorruhestand geschickt, mit allen psychischen und materiellen Folgen. Und anschließend werden trotzdem auch die Jüngeren gefeuert.
Deshalb sind wir gegen Flickarbeit und undurchdachte Lösungen. Uns reicht es nicht aus, nur einen Satz im § 41 zu verändern. Man muß sich schon den Kontext des gesamten Paragraphen ansehen. Dieser ist doch mit dem Argument entstanden, daß es Chancen geben muß, die Lebensarbeitszeit zu verlängern, und dazu wurden ja auch noch im § 77 entsprechende Zu- und Abschläge erfunden.
Wir könnten uns vernünftige Lösungen für eine sozial abgesicherte Gestaltung der individuellen Lebensarbeitszeit vorstellen, wenn die Möglichkeiten des § 42 zu Teilrenten ausgebaut und besser genutzt würden. Auch über die tarifvertragliche Ergänzung ist neu nachzudenken. Und sicher könnte man tatsächlichen Mißbrauch von Sozialregelungen auch verhindern, wenn die Rechte der Betriebs- und der Personalräte ausgebaut würden.
Statt dessen bieten Sie eine Lösung an, mit der Sozialgerichtsurteile ausgehebelt werden und einseitig den Interessen der Arbeitgeber entgegengekommen wird. Das können wir nicht akzeptieren.
Wir werden aber dem Entschließungsantrag zustimmen, da ich denke, daß eine Analyse der Erfahrungen auf diesem Gebiet sehr geboten ist.
Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung - Frau Kollegin Babel, seien Sie froh, wenn die Debatte kürzer wird über den von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des VI. Buches des Sozialgesetzbuches, Drucksachen 12/8040 und 12/8145, Buchstabe a.Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. Gegenprobe! —
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20893
Vizepräsident Hans KleinEnthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung gegen zwei Stimmen der PDS/Linke Liste angenommen.Wir kommen zurdritten Beratungund Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist angenommen.Der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlußempfehlung die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:Unterrichtung durch die Parlamentarische Kontrollkommission
Bericht über die Kontrolltätigkeit gemäß § 6 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes
— Drucksache 12/8102 --Soweit ich das jetzt hier erkennen kann, wollen die Redner aller Fraktionen und Gruppen ihre Beiträge zu diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll geben.') Ist das Haus damit einverstanden? — Dies ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10a bis e auf:a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Roswitha Wisniewski, Werner I 1. Skowron, Michael Stübgen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Wolfgang Lader, Gerhart Rudolf Baum, Dr. Burkhard Hirsch, Heinz-Dieter Hackel und der Fraktion der F.D.P.Abschließende Regelungen zur Wiedergutmachung von NS-Unrecht— Drucksachen 12/6748 , 12/7989 —Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Roswitha Wisniewski Uwe LambinusWolfgang Lüderb) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Roswitha Wisniewski, Wolfgang Zeitlmann, Werner H. Skowron, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Wolfgang Lüder, Manfred Richter (Bremerhaven) und der Fraktion der F.D.P. Entschädigung für Opfer nationalsozialistischen Unrechts in den baltischen Staaten") Anlage 9
zu dem Antrag der Abgeordneten Gert Weisskirchen , Angelika Barbe, Hans Gottfried Bernrath, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDEntschädigung nationalsozialistischen Unrechts in den Baltischen Staaten— Drucksachen 12/7467, 12/5638, 12/7988 —Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Roswitha Wisniewski Uwe LambinusWolfgang Lüderc) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll und der Gruppe der PDS/Linke Liste Einrichtung einer Stiftung zum Schutz und zur Bewahrung der Stätten des antifaschistischen Widerstandes— Drucksachen 12/1117, 12/7830 —Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Roswitha Wisniewski Freimut DuveWolfgang Lüderd) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses
zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Roswitha Wisniewski, Erwin Marschewski, Wolfgang Zeitlmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Wolfgang Lüder, Dr. Jürgen Schmieder, Ina Albowitz und der Fraktion der F.D.P.Gedenkstätten des geeinten Deutschlandszu dem Antrag der Abgeordneten Siegfried Vergin, Freimut Duve, Angelika Barbe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Leitlinien zu den Gedenkstätten in der Bundesrepublik Deutschlandzu dem Antrag der Abgeordneten Freimut Duve, Angelika Barbe, Ingrid Becker-Inglau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDGedenkstätten ehemaliger NS-Konzentrations- und Vernichtungslager in Osteuropazu dem Antrag der Abgeordneten Freimut Duve, Dr. Willfried Penner, Wolfgang Thierse, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPDMahn- und Gedenkstätten in der Bundesrepublik DeutschlandDrucksachen 12/6111, 12/3179, 12/3178, 12/1189, 12/7884 —Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Roswitha Wisniewski Freimut DuveUwe LambinusSiegfried VerginWolfgang Lüdere) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Freimut Duve, Peter Conradi, Angelika Barbe, weiterer Abge-
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20894 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Vizepräsident Hans Kleinordneter und der Fraktion der SPDZentrale Gedenkstätte des Bundes— Drucksachen 12/4536, 12/6931 —Bericherstattung:Abgeordnete Dr. Roswitha Wisniewski Freimut DuveWolfgang LüderZur Beschlußfassung des Innenausschusses zur abschließenden Regelung zur Wiedergutmachung von NS-Unrecht liegt ein Änderungsantrag der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor.Auch hier wollen die Sprecher aller Fraktionen und Gruppen ihre Beiträge zu Protokoll geben. *) Ist das Haus damit einverstanden? — Dies ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.Wir kommen dann zu den Abstimmungen.Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. zu abschließenden Regelungen zur Wiedergutmachung von NS-Unrecht auf Drucksache 12/7989. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 12/6748 in der Ausschußfassung anzunehmen.Dazu liegt ein Änderungsantrag der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 12/8156 vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag? — Wer stimmt gegen den Änderungsantrag? — Wer enthält sich der Stimme? — Der Änderungsantrag ist in Abwesenheit der Antragsteller bei zwei Enthaltungen der Gruppe PDS/Linke Liste abgelehnt.Wer stimmt für die Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zu einer Entschädigung für Opfer nationalsozialistischen Unrechts in den baltischen Staaten auf Drucksache 12/7988 Nr. 1. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 12/7467 unverändert anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD zu einer Entschädigung nationalsozialistischen Unrechts in den baltischen Staaten auf Drucksache 12/7988 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der SPD auf Drucksache 12/5638 für erledigt zu erklären. Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu? — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu dem Antrag der Gruppe der PDS/Linke Liste zur Einrichtung einer Stiftung zum Schutz und zur Bewahrung der Stätten des antifaschistischen Widerstandes auf Drucksache 12/7830. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 12/1117 abzulehnen. Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu? — Wer stimmt*) Anlage 10
dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu den Gedenkstätten auf Drucksache 12/7884 Nr. 1. Der Ausschuß empfiehlt zunächst die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu? — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. zu Gedenkstätten des geeinten Deutschlands auf Drucksache 12/7884 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 12/6111 in der Ausschußfassung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Wer ist dagegen? — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Beschlußempfehlung des Innenausschusses zum Antrag der Fraktion der SPD zu Leitlinien zu den Gedenkstätten in der Bundesrepublik Deutschland auf Drucksache 12/7884 Nr. 3. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der SPD auf Drucksache 12/3179 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu den Anträgen der Fraktion der SPD zu Gedenkstätten ehemaliger NS-Konzentrations- und Vernichtungslager in Osteuropa und zu Mahn- und Gedenkstätten in der Bundesrepublik Deutschland auf Drucksache 12/7884 Nr. 4. Der Ausschuß empfiehlt, die Anträge der SPD auf Drucksache 12/1189 und 12/3178 für erledigt zu erklären. Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD zu einer zentralen Gedenkstätte des Bundes auf Drucksache 12/6931. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der SPD auf Drucksache 12/4536 für erledigt zu erklären. Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu? — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Ich rufe den Zusatzpunkt 8a bis c auf:Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahrena) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Else Ackermann, Dr. Walter Franz Altherr, Dietrich Austermann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU sowie den Abgeordneten Detlef Kleinert , Jörg van Essen, Manfred Richter (Bremerhaven), Burkhard Zurheide und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Personenstandsgesetzes— Drucksache 12/8187 —Überweisungsvorschlag:Innenausschuß RechtsausschußAusschuß für Familie und Senioren Ausschuß für Frauen und Jugend
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20895
Vizepräsident Hans Kleinb) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD und F.D.P.Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewaltdarstellungen in Medien— Drucksache 12/8164 —Überweisungsvorschlag:Ausschuß für Frauen und Jugend InnenausschußRechtsausschußAusschuß für Familie und SeniorenEG-Ausschußc) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD und F.D.P.Kunst am Bau— Drucksache 12/8184 —Überweisungsvorschlag:Innenausschuß
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau HaushaltsausschußInterfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? — Dann sind die Überweisungen so beschlossen.Ich rufe den Zusatzpunkt 9 a bis m auf:Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprachea) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes, des Soldatenversorgungsgesetzes sowie sonstiger versorgungsrechtlicher Vorschriften
— Drucksachen 12/5919, 12/7547, 12/7548 —
aa) Beschlußempfehlung und Bericht desInnenausschusses
— Drucksache 12/7547 —Berichterstattung:Abgeordnete Otto Regenspurger Fritz Rudolf KörperDr. Burkhard Hirschbb) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 12/7548 —Berichterstattung:Abgeordnete Karl Deres Ina AlbowitzRudolf Purpsb) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1994
— Drucksachen 12/7706, 12/8194, 12/8195 —
aa) Beschlußempfehlung und Bericht desInnenausschusses
— Drucksache 12/8194 —Berichterstattung:Abgeordnete Otto Regenspurger Fritz Rudolf KörperDr. Burkhard Hirschbb) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 12/8195 —Berichterstattung:Abgeordnete Karl DeresDr. Wolfgang Weng Helmut Wieczorek (Duisburg)c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Egon Susset, Meinolf Michels, Siegfried Hornung, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Günther Bredehorn, Ulrich Heinrich, Johann Paintner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.Unbefristetes Anwendungsverbot von RinderSomatotropin
— Drucksache 12/8161 —d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Anneliese Augustin, Dr. Winfried Pinger, Klaus Jürgen Hedrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Verena Wohlleben, Dr. Ingomar Hauchler, Brigitte Adler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Ingrid Walz, Ulrich Irmer, Dr. Michaela Blunk , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.Weltbevölkerungskonferenz ICPD vom 5.13. September 1994 in Kairo— Drucksache 12/8162 —e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Klaus-Dieter Feige, Werner Schulz und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENAkuter Handlungsbedarf in Deutschland vor der ersten Klima-Vertragsstaatenkonferenz in Berlin 1995— Drucksache 12/8149 —f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag des Abgeordneten Konrad Weiß (Berlin) und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENKinderarbeit erfolgreich bekämpfen— Drucksachen 12/7067, 12/8163 —Berichterstattung: Abgeordneter Jochen Feilckeg) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Sielaff, Marianne Klappert, Rolf Koltzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDzur Regelung von Altpachten landwirtschaftlicher Flächen im Zusammenhang mit der
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20896 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Vizepräsident Hans KleinGarantiemenge-Milch
— Drucksachen 12/7412, 12/8083 —Berichterstattung: Abgeordneter Peter Bleserh) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die BundesregierungVorschlag für einen Beschluß des Rates über die Wahrnehmung der auswärtigen Zuständigkeit der Gemeinschaft im Rahmen der internationalen Arbeitskonferenzen bei gemeinsamer Zuständigkeit der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten— Drucksachen 12/7064, Nr. 2.7, 12/8002Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Eva Pohli) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der FinanzenEinwilligung gemäß § 64 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung der bundeseigenen Liegenschaft Hohbergweg 2 in Lahr/ Schwarzwald— Drucksachen 12/7882, 12/8198Berichterstattung:Abgeordnete Nils Diederich Hans Werner Müller (Wadern) Werner Zywietzj) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 160 zu Petitionen— Drucksache 12/8189 -k) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 161 zu Petitionen- Drucksache 12/81901) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 162 zu Petitionen — Drucksache 12/8191 —m) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 163 zu Petitionen— Drucksache 12/8192 —Es handelt sich um die Beschlußfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes, des Soldatenversorgungsgesetzes sowie sonstiger versorgungsrechtlicher Vorschriften, Drucksachen 12/5919 und 12/7547. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Gegenstimmen? — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen.Dritte Beratungund Schlußabstimmung. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die dem Gesetzentwurf zustimmen, sich zu erheben. - Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltung der PDS/Linke Liste ist der Gesetzentwurf angenommen.Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf des Bundesbesoldungsund Versorgungsanpassungsgesetzes, Drucksachen 12/7706 und 12/8194. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Gegenstimmen? — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung gegen die Stimmen von SPD und PDS/Linke Liste angenommen.Dritte Beratungund Schlußabstimmung. Ich bitte alle, die dem Gesetzentwurf zustimmen, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist insgesamt gegen die Stimmen von SPD und PDS/ Linke Liste angenommen.Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zu einem unbefristeten Verbot der Anwendung von Rinder-Somatotropin, Drucksache 12/8161: Wer stimmt für den Antrag? — Wer stimmt gegen den Antrag? — Wer enthält sich der Stimme? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zur Weltbevölkerungskonferenz in Kairo, Drucksache 12/8162: Wer stimmt für diesen Antrag? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.Antrag der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum akuten Handlungsbedarf vor der ersten KlimaVertragsstaatenkonferenz in Berlin, Drucksache 12/8149: Wer stimmt für den Antrag? — Gegenprobe!— Enthaltungen? — In Abwesenheit der Antragsteller ist der Antrag abgelehnt.Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zur Kinderarbeit, Drucksache 12/8163 Nr. 1: Der Ausschuß empfiehlt die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dein Antrag der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur erfolgreichen Bekämpfung der Kinderarbeit, Drucksache 12/8163 Nr. 2: Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 12/7067 für erledigt zu erklären. Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Milchquotenregelung, Drucksache 12/8083: Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 12/7412 in der Ausschußfassung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung?— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Vorschlag für einen
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20897
Vizepräsident Hans KleinBeschluß der Europäischen Union über die Wahrnehmung der auswärtigen Zuständigkeit im Rahmen der internationalen Arbeitskonferenzen, Drucksache 12/8002: Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu?— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zur Veräußerung einer bundeseigenen Liegenschaft in Lahr/Schwarzwald, Drucksachen 12/7882 und 12/8198: Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung?— Gegenprobe! — Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf den Drucksachen 12/8189 bis 12/8192 — das sind die Sammelübersichten 160 his 163 —: Wer stimmt für diese Beschlußempfehlungen? — Gegenprobe!Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlungen sind angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:Beratung des Berichts des Rechtsausschusses gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu dem von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sexualstrafrechts — §§ 177 bis 179, 184c StGB— Drucksachen 12/1818, 12/8130 —Berichterstattung: Abgeordneter Horst EylmannNach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Aussprache dreiviertel Stunden vorgesehen. — Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Hans de With.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der offizielle Titel des soeben aufgerufenen Tagesordnungspunktes lautet — ich wiederhole ihn —:
Beratung des Berichts des Rechtsausschusses gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu dem von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sexualstrafrechts — §§ 177 bis 179, 184 c StGB.
Für den normalen Zuhörer ist diese Bezeichnung mit Sicherheit absolut nichtssagend. In Wahrheit verbirgt sich dahinter das erneute Nein von CDU/CSU und F.D.P. zur Einführung einer Strafvorschrift gegen die Vergewaltigung in der Ehe.
Als wir Sozialdemokraten im Rechtsausschuß den Antrag stellten, über unseren Gesetzentwurf abzustimmen — —
Herr Kollege de With, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, wenn ich meinen Satz zu Ende führen darf.
Als wir Sozialdemokraten im Rechtsausschuß den Antrag stellten, über unseren Gesetzentwurf abzustimmen, beantragten die Koalitionsfraktionen ein Anhörungsverfahren in dem sicheren Wissen, daß mit diesem Manöver — etwas anderes war es nicht - für diese Legislaturperiode die Einführung einer Vorschrift zur Bestrafung der Vergewaltigung in der Ehe wieder einmal verhindert wird.
Herr Kollege van Essen, bitte schön.
Herr Kollege de With, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß sich die F.D.P. bereits bei der ersten Lesung Ihres Gesetzentwurfs im Bundestag positiv zu Ihrem Anliegen ausgesprochen hat und daß es seit vielen Jahren insbesondere ein Anliegen des damaligen Justizministers Hans Engelhard gewesen ist, zu einer Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes in diesem Bereich zu kommen?
Ich will überhaupt nicht verhehlen — ich komme darauf noch zu sprechen —, daß die Vertreter aller Fraktionen, auch der Koalition, also auch die Vertreter Ihrer Partei, bei der ersten Lesung vor einem Jahr gesagt haben, es sei längst fällig, dies zu verabschieden, wobei Sie von der F.D.P. und auch die Damen und Herren von der CDU/CSU einen Zehnjahresprozeß benötigt hatten, um dahin zu kommen. Nur war die Koalition nicht in der Lage, sich in dem Zeitraum von Januar 1993 bis heute dergestalt zu einigen, daß wir die drei dürren Paragraphen hätten verabschieden können. Es ist die Unfähigkeit der Koalition in Rechtssachen, die zum Nachteil der Frauen gereichen, wenn ich hier und heute diese Rede halten muß.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit ist der vierte Versuch gescheitert, die von der Frau wohl am schmerzlichsten empfundene Demütigung endlich unter Strafe zu stellen.Ich sage das nicht von ungefähr, Herr van Essen. Als ich am 1. März 1972 - wohlgemerkt, 1972! — im Strafrechtssonderausschuß im Rahmen der Reform des Sexualstrafrechts den Antrag stellte, die Vergewaltigung durch Streichung des Wörtchens „außerehelichen" in § 177 unseres Strafgesetzbuches in jedem Fall unter Strafe zu stellen, auch wenn sie innerhalb der Ehe begangen wurde, unterlag ich einen Tag später, also am 2. März, mit nur einer Stimme. Wir hätten es also beinahe schon vor 22 Jahren geschafft.Sie verstehen deshalb, wenn ich es als besonders bitter empfinde, daß sich die Situation — ich sage noch einmal: nach 22 Jahren — um keinen Deut gebessert hat. Das ist um so schlimmer — ich komme auf das zurück, was Sie erfragt haben —, als in der ersten Lesung nach dem, was hier gesagt wurde, generell angenommen werden mußte, es bestünde Einigung, endlich diesen Schritt zu gehen. Ich erinnere an die Ausführungen des Kollegen Eylmann, der damals unter dem Beifall des gesamten Hauses erklärt hat:Es ist wirklich an der Zeit — lassen Sie mich daszum Schluß sagen —, die letzten Spuren eines
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20898 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Dr. Hans de Withüberholten Ehebildes in unserem Strafgesetzbuch zu tilgen.Nachdem Sie mit dem Geschäftsordnungstrick des Anhörungsverfahrens — ich muß sagen, es ist beinahe schon mehr als ein Manöver und als ein Geschäftsordnungstrick; es ist ganz unverhohlen eine Ablehnung — unsere Initiative wieder blockierten, läßt das, wenn ich es richtig sehe, im Grunde — ich sage es ganz ruhig — nur zwei Schlüsse zu: Entweder Sie haben trotz aller Beteuerungen immer noch nicht begriffen, daß es für eine Ehefrau wohl nichts Erniedrigenderes gibt, als vom eigenen Ehemann als Sexualobjekt mißbraucht zu werden, oder aber Sie schieben in Kenntnis dessen die Einführung dieser bitter notwendigen Strafvorschrift gleichwohl wieder hinaus, weil Sie glauben, dies den Frauen mit Rücksicht auf eine kleine Minderheit in Ihrem Lager — sehr wahrscheinlich im Lager der CSU — zumuten zu können. Es ist bezeichnend, daß von der CSU niemand anwesend ist.
— Sehr richtig, Frau Männle. Dann sage ich: keiner der Männer der CSU; an den Frauen liegt es wohl nicht.
Herr Kollege de With, es tut mir schrecklich leid, aber ich bin männlichen Geschlechts und Anhänger der CSU.
Herr Präsident, es verbietet der Takt, mit dem Präsidenten zu rechten. Aber Sie sind hier in amtlicher Eigenschaft und nicht als Abgeordneter, der etwas repräsentieren will.
Die Abgeordneten sind alle in amtlicher Eigenschaft hier.
Was auch immer, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, Ihre wahren Gründe sind: Ihr Handeln ist schlechthin nicht mehr vertretbar. Es geht ja nicht nur darum, die Vergewaltigung in der Ehe ebenso zu bestrafen wie die Vergewaltigung außerhalb der Ehe, nämlich als Verbrechen. Es geht auch darum, in unserem überholten Vergewaltigungsparagraphen ganz offenkundige Lücken zu schließen.
Ich darf Ihnen ein Beispiel nennen, ein — wie ich meine — ganz schlimmes: Wenn ein Mann mit dem Auto so an eine Hecke fährt, daß sich die Beifahrertür nicht öffnen läßt, damit für die Frau jede Gegenwehr hoffnungslos ist und sie deshalb die Vergewaltigung — ich nenne es so — über sich ergehen läßt, ist dies nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine Vergewaltigung. Denn nach der Auffassung dieses Obersten Gerichts wird hier — völlig unverständlich — das Vorliegen einer Gewaltanwendung nicht angenommen.
Im krassen Gegensatz hierzu hat dasselbe Gericht bei einer deutlich minder schweren Tat, nämlich der Nötigung, angenommen, daß das bloße Hinsetzen vor eine Straßenbahn — Stichwort für die Juristen: Läpple-Urteil — oder das Versperren eines Weges durch bloßes Dazwischentreten durchaus eine Gewaltanwendung ist. Einen gröberen Gegensatz gibt es wohl nicht.
Ich habe deshalb schon in der ersten Lesung gesagt und wiederhole es hier: Dem Opfer kann es völlig gleichgültig sein, ob sein Widerstand durch tatsächliche, körperliche erkennbare Gewalt gebrochen wird oder durch das Versetzen in eine völlig aussichtslose Lage, in der jeder Widerstand das Geschehen nur noch verschlimmert. Beide Handlungsweisen sind gleichermaßen strafwürdig.
Ich frage Sie von der Regierungskoalition: Wie können Sie es hinnehmen — das gilt auch für den Präsidenten —, daß durch Ihr Verhalten diese schmerzliche Lücke noch immer nicht geschlossen wird?
Schließlich wollen wir den Vergewaltigungsparagraphen geschlechtsneutral fassen. Es ist einfach nicht einzusehen, warum die Vergewaltigung zwischen Männern nicht gleichermaßen strafbar sein soll. Es ist auch nicht einzusehen, warum nur die Demütigung des erzwungenen vaginalen Geschlechtsverkehrs als Verbrechen erfaßt sein soll.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, am Montag dieser Woche war in der „Süddeutschen Zeitung" zu lesen, daß in den USA alle 15 Sekunden eine Frau von ihrem Ehemann oder Freund mißhandelt wird, und trotzdem werde diese häusliche Gewalt noch immer tabuisiert. Das mag in diesem Ausmaß bei uns sicher nicht der Fall sein. Unbestreitbar aber ist, daß auch bei uns mehr und mehr aufgedeckt wird, wie sehr Frauen und auch Kinder unter ich gebrauche dasselbe Wort — häuslicher Gewalt zu leiden haben. Dabei ist die Vergewaltigung wohl die schlimmste Form häuslicher Gewalt, Tötungsdelikte einmal ausgenommen.
Wenn CDU/CSU und F.D.P. dann immer noch nicht in der Lage sind, Widerstände in den eigenen Reihen zu überwinden und mit uns Sozialdemokraten eine längst überfällige Reform durchzusetzen, die wirklich auch ein Signal wäre, dann hat — lassen Sie mich das so formulieren — wieder einmal der alte Adam gesiegt. Wir Sozialdemokraten werden jedenfalls sofort nach Zusammentreten des neuen Bundestages unsere Vorlage erneut einbringen — zum fünften Mal.
Vielen Dank.
Herr Kollege Horst Eylmann, Sie haben das Wort.
So sehr viel Neues, Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, fällt einem auch nicht mehr ein, wenn man nun schon etliche Male zu diesem Thema hat Stellung nehmen müssen.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20899
Horst EylmannNatürlich muß § 177 StGB geändert werden. Daß die Vergewaltigung nun plötzlich keine Vergewaltigung mehr sein soll, wenn es sich um die eigene Ehefrau handelt, ist ein Relikt alter römischer und germanischer Rechtsvorstellungen, wonach die Ehefrau dem Ehemanne untertan war und es deshalb sein gutes Recht war, den Geschlechtsverkehr zu verlangen und ihn notfalls auch zu erzwingen. Nun plädiert zwar heute niemand mehr dafür, daß der Ehemann Gewalt anwenden dürfe. Aber weil sich der Mann auch bei einer Gewaltanwendung nur das hole, was ihm seine Frau zu gewähren verpflichtet sei, sei dies doch ganz anders zu beurteilen als der typische Fall einer Vergewaltigung — das liest und hört man noch ab und zu.In Wahrheit läßt sich die eheliche Geschlechtsgemeinschaft aber nicht auf ein Gläubiger/SchuldnerVerhältnis reduzieren, in dem jeder Teil auf Verlangen des einen Teils Ansprüche zu erfüllen habe. Die Ehe ist vielmehr eine Partnerschaft, eine Verbindung zweier Menschen, in der sich die sexuellen Beziehungen aus dieser Partnerschaft immer wieder neu kommunikativ entwickeln müssen. Hier kann und darf nichts einseitig eingefordert und beansprucht werden. Vor allem bestimmt doch nicht der Mann allein den Zeitpunkt, wann ihm seine Ehefrau sexuell zur Verfügung zu stehen habe, etwa nach einem bierschwangeren Herrenabend, und weil er es nicht allein zu bestimmen hat, ist er innerhalb der Ehe auch keineswegs berechtigt, seine Wünsche mit Gewalt durchzusetzen. Im Gegenteil läßt sich aus dem besonderen verfassungsrechtlichen Schutz, den die Ehe genießt, folgern, daß sich ein Ehemann in gesteigertem Maße strafwürdig verhält, wenn er in einer solch engen menschlichen Gemeinschaft seiner Aggression freien Lauf läßt und sie zur Durchsetzung sexueller Wünsche instrumentalisiert. Wie will man es denn rechtfertigen, daß in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft die Frau einen besseren strafrechtlichen Schutz genießt als in einer Ehe?Nun gibt es andere Argumente, die immer wieder hervorgeholt werden. Man fragt, wie man denn eine Vergewaltigung beweisen wolle, die sich unter zwei Menschen im ehelichen Schlafzimmer abspiele; die Ehe müsse von staatlicher Schnüffelei frei bleiben; der Staatsanwalt unter dem Bett, das sei doch wohl das Letzte, was man sich in der Ehe wünschen könne. Diese Argumentation klingt auf den ersten Blick plausibel, hat auch einen gewissen populären Charme, trägt aber nicht, wenn man genauer hinsieht. Die Vergewaltigung ereignet sich nämlich auch außerhalb der Ehe, in den meisten Fällen innerhalb einer schon bestehenden Zweierbeziehung. Täter und Opfer kennen sich mehr oder weniger intensiv, und das Spektrum der Fälle reicht von der Disco-Bekanntschaft, die sich nachher im PKW nicht nach den Wünschen des Mannes entwickelt, über länger dauernde Beziehungen im Bekannten-, Freundes- und Verwandtenkreis bis hin zum eheähnlichen Zusammenleben. Der Mann hinter dem Busch, der einer Frau auflauert, ist eben nicht der typische Notzuchttäter.Es liegt auf der Hand — spektakuläre Prozesse beweisen es immer wieder —, daß in solchen Fällen die Beweisschwierigkeiten groß sind, vor allem dann,wenn Spuren von Gewaltanwendung fehlen. Da Zweifel für den Angeklagten ausschlagen müssen, sind Freisprüche häufig unumgänglich, mögen sie auch von den betroffenen Frauen als empörend empfunden werden. Diese Beweisschwierigkeiten sind allerdings noch nie als Argument gegen die Strafbarkeit der Vergewaltigung schlechthin verwendet worden. Es ist daher wenig überzeugend, wenn man sie für die Straflosigkeit der ehelichen Notzucht ins Feld führt.Selbstverständlich wird es auch hier in vielen Fällen Beweisschwierigkeiten geben. Ich nenne Ihnen einen Fall, der im vergangenen Jahr in Norddeutschland durch die Presse ging. Ein in Scheidung und getrennt lebender Mann suchte kurz vor dem Scheidungstermin seine Frau in deren Wohnung auf und vergewaltigte sie in brutaler Weise in Gegenwart eines fünfjährigen Kindes. Der Mann konnte nur wegen Körperverletzung und Nötigung bestraft werden. Wie soll das gerecht sein?Nun liegt ja, meine Damen und Herren, die Frage nahe, warum wir diesen Anachronismus nicht endlich beseitigt haben. Dafür gibt es zwei Gründe.Als wir vor Jahren schon einmal nahe dran waren, kam der Einwand, die Ausweitung des § 177 StGB auch auf die Vergewaltigung innerhalb der Ehe dürfe nun aber nicht dazu führen, daß die kriminologische Indikation auf eine Schwangerschaft erstreckt würde, die aus der Vergewaltigung innerhalb einer Ehe herrühre.Ich habe diesen Einwand nie für begründet gehalten. Ich kann noch den rigorosen Standpunkt gedanklich nachvollziehen, daß auch eine Vergewaltigung nicht zum Abbruch berechtige, weil doch das ungeborene Leben nichts dafür könne, gewaltsam in die Welt gesetzt worden zu sein. Wenn man aber einer Frau nicht die psychische Tortur zumuten will, ein ihr gewaltsam aufgedrängtes Kind austragen und aufziehen zu müssen, dann kann es doch keinen Unterschied machen, ob der Vergewaltiger ihr eigener Ehemann oder ein anderer ist.
Denken Sie doch einmal an den vorhin erwähnten Fall einer Vergewaltigung kurz vor dem Scheidungstermin.Wir wissen ja alle, meine Damen und Herren, wie schwierig alle Fragen sind, die mit dem Schwangerschaftsabbruch zusammenhängen, und wie emotional belastet sie sind. Deshalb haben wir uns damals entschlossen, die Neufassung des § 177 zurückzustellen. Nun sind wir zwar mit der Neuordnung des Rechts des Schwangerschaftsabbruchs immer noch nicht am Ziel, und in § 218a Abs. 3 haben wir immer noch die kriminologische Indikation, die sich auf die §§ 176 und 179 bezieht.Aber das Problem ist durch den beratenden Abbruch innerhalb der zwölf Wochen doch entschärft worden. Denn nun kann die Schwangere nach Beratung selbst entscheiden — sie muß es dann auch verantworten —, ob sie einen Abbruch will, wenn die Schwangerschaft auf einer Vergewaltigung beruht. Wer zweifelt denn daran, meine Damen und Herren,
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20900 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Horst Eylmanndaß sich die allermeisten Ehefrauen dazu entschließen werden? Diese Gründe hat man zu respektieren. Im Ergebnis meine ich, dieser erste Grund hat sich erledigt.Nun sind wir zweitens mit der SPD auseinander, welche Rechte der Ehefrau im Strafverfahren zustehen sollen. In dem einen Punkt halte ich eine differenzierte Betrachtung der Vergewaltigung innerhalb und außerhalb einer Ehe für notwendig. Es wäre schwer erträglich, daß der Staat bei bestehender Ehe gegen den Willen der Ehefrau das Delikt einer Notzucht in der Ehe verfolgt. Wenn sich die Ehepartner wieder versöhnen, ist das Rechtsgut der Erhaltung der Ehe höher einzuschätzen als das Interesse der Rechtsgemeinschaft an der Bestrafung des Täters. Vertraut eine Frau darauf, daß es ihrem Ehemann gelingen könne, seine Aggression zu zügeln, und nimmt sie es auf sich, ihm dabei zu helfen, so ist das ohnehin der aussichtsreichere Weg zur Resozialisierung des Täters. Freiheitsstrafen sind zwar bei sexuellen Gewaltdelikten zur Abschreckung in der Regel unvermeidlich und unverzichtbar. Ihr Vollzug ist aber meistens nicht geeignet, sexuell inadäquates Verhalten abzubauen. Eine Vergewaltigung in der Ehe, so meinen wir, sollte daher nur auf Antrag der Ehefrau verfolgt werden. Ihr ist auch die Möglichkeit einzuräumen, durch die Rücknahme eines gestellten Antrages ein schon eingeleitetes Verfahren zu beenden. Ich meine, eine Einigung müßte hier mit der Opposition möglich sein.
Herr Kollege de With würde gern eine Zwischenfrage stellen, Herr Kollege Eylmann.
Bitte sehr.
Herr Kollege Eylmann, räumen Sie ein, daß unser Entwurf für diese Situation eine Möglichkeit vorsieht, wobei es für mein Dafürhalten im Grunde relativ gleichgültig ist, ob das durch das Antragsrecht reguliert wird oder durch das Absehen von Strafe, wenn nur die Möglichkeit gegeben ist, falls sich beide wieder einig sind, die Ehe zu retten? Räumen Sie ein, daß diese Problematik so zweitrangig ist, daß wir uns mit Sicherheit zusammengerauft hätten? Denn im Vordergrund steht, daß wir endlich das Signal, das Zeichen setzen und Lücken schließen.
Mein letzter Satz war, Herr Kollege de With, daß auch ich annehme, daß hier eine Einigung möglich ist. Im Augenblick sind wir noch etwas auseinander. Aber gerade weil Sie die Möglichkeit einer Strafmilderung schon vorgesehen haben, wenn Sie sie auch nicht von der Zustimmung der Ehefrau abhängig machen, deutet das auf Kompromißmöglichkeiten hin.
Lassen Sie mich fortfahren. Sie können nun sagen: Warum haben Sie diesen Kompromiß bisher nicht erzielt? Die sozialdemokratische Fraktion hat es nun wirklich nicht eilig gehabt. Am 15. Januar 1993 fand die erste Lesung ihres Gesetzentwurfes statt. Er ist ein einziges Mal im Rechtsausschuß beraten worden, und zwar am 16. Juni dieses Jahres, eineinhalb Jahre später. Vorher haben Sie nicht ein einziges Mal einen
Antrag gestellt, diesen Gesetzentwurf auf die Tagesordnung zu setzen, wobei Sie doch wissen, Herr Kollege Dr. de With, daß Sie es mit einem Antrag erzwingen können.
Nun mögen Sie ja wie auch wir gedacht haben, es gelingt uns nicht, uns wegen der noch nicht geregelten Problematik des Schwangerschaftsabbruchs zu einigen. Sie mögen ebenso wie wir gedacht haben, wir haben im Rechtsausschuß im letzten Jahr soviel zu tun gehabt, insbesondere um die innere Wiedervereinigung zu bewerkstelligen, daß wir das zurückstellen können.
Aber weshalb Sie jetzt, kurz vor Toresschluß, noch meinen, dieser Gesetzentwurf müsse in aller Eile verabschiedet werden, das überzeugt mich nicht. Das deutet darauf hin, daß Sie nicht an einer Sachlösung interessiert sind, sondern daß Sie uns vorführen wollen. Das ist allerdings ein allzu durchsichtiges Manöver.
Herr Kollege Eylmann, der Kollege Dr. de With möchte gerne noch eine Frage stellen.
Ich gebe dazu gerne noch die Gelegenheit.
Herr Kollege Eylmann, sind sie so nett und räumen Sie ein, daß ich mehrmals in Obleutebesprechungen und auch so versucht habe nachzufragen, ob die Koalition jetzt so weit sei, dies zu behandeln. Bei der F.D.P. gebe es keine größeren Schwierigkeiten, so hieß es, ebensowenig beim Bundesministerium der Justiz, das einmal einen eigenen Entwurf hatte.
Nur bei der CDU/CSU hat es geknirscht und geknirzt.
Verstehen Sie dann, daß wir unter diesen Umständen zugewartet haben, weil wir, Ihre Mehrheit wissend, nicht in dem sicheren Wissen abstimmen wollten, daß dieser Entwurf endgültig verschwindet und damit die Frauen noch länger zuwarten? Aus diesem Grunde haben wir gehofft: Vielleicht klappt es am Ende noch.
Mit anderen Worten: Wir haben gehofft, das Ziel zu erreichen, nachdem wir vorher sondiert hatten und hörten, es komme möglicherweise noch.
Herr Kollege de With, wir haben es sicherlich in den Obleutebesprechungen einmal erörtert, aber dann habe ich auch immer darauf hingewiesen, daß, solange die Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs nicht unter Dach und
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20901
Horst EylmannFach sei, die Sache in unserer Fraktion schwierig sei.
Daß es unterschiedliche Auffassungen in unserer Fraktion gibt, wissen Sie.
- Nein, dann hätten wir die Regelung längst.
Ich meine, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben dieses Problem wirklich lange genug hin- und hergewendet. In der nächsten Wahlperiode — da stimme ich Ihnen völlig zu, Herr Kollege de With — muß dieses Problem geregelt werden.
Es wird auch in der nächsten Wahlperiode geregelt werden; da bin ich völlig sicher. Dann können Sie sagen: Es hat lange genug gedauert. Es gibt andere Beispiele, wo wir uns auch jahrelang um eine Lösung bemüht haben. Aber hier meine ich: Die Zeit ist wirklich reif.Vielen Dank.
Herr Kollege Jörg van Essen, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die F.D.P. bedauert außerordentlich, daß es in dieser Legislaturperiode erneut nicht zu einer Verabschiedung der notwendigen Gesetzesänderungen kommt, die insbesondere die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe stellen.
Herr Kollege de With, wir haben gerade das Problem der Behandlung im Rechtsausschuß schon erörtert. Ich habe Verständnis dafür, daß Sie möglicherweise zugewartet haben. Aber eines ist auch klar: Wenn man die Sache am 16. Juni auf die Tagesordnung setzen lassen will, dann wird es schwierig, noch zu einer Verabschiedung zu kommen. Das wundert mich deshalb, weil ich weiß, welches Herzensanliegen es Ihnen ist, in dieser Frage zu einer Neuregelung zu kommen.
Ich muß ganz deutlich sagen: Wenn Sie mich als denjenigen, der in der F.D.P.-Fraktion für diesen Bereich zuständig ist, angesprochen hätten, hätte ich Sie unterstützt und hätte mich auch bemüht, daß wir in dieser Legislaturperiode zu einer Lösung gekommen wären.
Sie wissen — der Kollege Eylmann hat es schon angesprochen —, daß wir auch andere schwierige strafrechtliche Fragen in dieser Legislaturperiode geregelt haben. Deshalb bedaure ich sehr, daß es damit zum viertenmal nicht zu einem besseren Schutz
des selbstverständlichen Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung von Ehefrauen kommt.
Herr Kollege van Essen, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, gerne.
Herr Kollege van Essen, darf ich daran erinnern, daß ich in einer Obleutebesprechung ausdrücklich darum gebeten habe, daß dies auf die Tagesordnung gesetzt werde mit der Bitte gegenüber dem Bundesministerium der Justiz, daß der dort zuständige Unterabteilungsleiter, Herr von Bülow, mit seinen Leuten kommen möge, damit die besagten drei Paragraphen, die des langen und breiten in einem der größten Anhörungsverfahren erörtert worden waren, endlich verabschiedet werden könnten, und daß in der Tat Herr von Bülow mit seinen Leuten vom Bundesministerium der Justiz da war, daß wir nichts mehr zu beraten hatten — es war allerdings spät — und daß wir dies ohne weiteres in einer halben oder einer Stunde hätten beraten können, nachdem jedem diese Problematik seit Jahren klar war?
Herr de With, ich kann darauf antworten: Unser Koalitionspartner hat eine Anhörung gefordert. Das ist sein gutes Recht. Aber ich gebe zu: Gibt es wirklich noch Anhörungsbedarf? Ich meine, nicht. Es ist ein offenes Geheimnis — ich glaube, der Kollege Eylmann hat es hier deutlich gesagt —, daß bei unserem Koalitionspartner insbesondere deshalb Widerstand gegen diese Strafbestimmung besteht, weil sie eine zusätzliche Möglichkeit zu einer legalen Abtreibung eröffnen würde.Ich darf daran erinnern, daß der Kollege Engelhard — Sie wissen, daß er sich in gleicher Weise wie Sie engagiert hat — in der ersten Lesung darauf hingewiesen hat, daß allenfalls 0,1 % — ich wiederhole es: 0,1 % — aller legalen Abbrüche nach einer Vergewaltigung erfolgen. Dies kann doch wohl kein durchschlagendes Argument gegen eine Änderung des § 177 des Strafgesetzbuches sein.
Ich meine, das, was der Kollege Eylmann hier ausgeführt hat, ist wirklich nachdenkenswert. Ich hoffe, daß viele, die Bedenken haben, seine Ausführungen, die er heute hier gemacht hat und die ich nachdrücklich unterstütze und unterstreiche, im Protokoll nachlesen und ihre Position dann noch einmal prüfen.Wir wollen auch den besseren strafrechtlichen Schutz der Frauen, die in einer hilflosen Lage bei einer bevorstehenden Vergewaltigung zu der Beurteilung kommen, daß Widerstand und Ablehnung ihre Situation verschlechtern und sie möglicherweise sogar in Lebensgefahr bringen würden. Sich genau so, nämlich situationsangepaßt, zu verhalten, wird den Frauen doch gerade von polizeilichen Beratungsstellen empfohlen. Dies darf nicht zu einer Privilegierung, zu einem besseren strafrechtlichen Stand des Täters führen, der dann keine Gewalt mehr anwenden muß, sich aber die Todesangst der Frau schamlos zunutze
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20902 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Jörg van Essenmacht und ebenso verwerflich wie ein Gewalttäter handelt.Ich bin auch für die Erweiterung des bei der Vergewaltigung auf die vaginale Penetration begrenzten Begriffs des Beischlafes. Herr Kollege de With, Sie haben eine Begründung gegeben, der nichts hinzuzufügen ist; ich kann es deshalb kurz machen. Die F.D.P. hat ähnliche Anliegen, wie sie der Gesetzentwurf der SPD seit langem verfolgt. Ich darf noch einmal sagen, daß es insbesondere der Kollege Engelhard war, der sich als Bundesjustizminister hier in besonderer Weise engagiert hat. Wir hätten dies gerne im Rechtsausschuß abgeschlossen.Es lag nicht an uns, daß dies nicht geschehen ist. Denn die Dissenspunkte, die bleiben, sind außerordentlich gering. Ich bin sicher, daß sie zu beseitigen gewesen wären. Ich hoffe mit Ihnen, Herr de With, daß der fünfte Anlauf erfolgreich ist, und wünsche Ihnen, uns und insbesondere den Frauen, die davon betroffen sind, dafür allen Erfolg.Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Dr. Barbara Höll.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich rede als erste Frau in dieser Debattenrunde und muß sagen, daß ich über die Argumentation doch schlicht erstaunt bin. Ich bin auch entsetzt darüber, wie Sie hier ein Hin- und Hergeschiebe versuchen: Der Entwurf sei von den Obleuten nicht zeitig genug auf die Tagesordnung gesetzt worden oder ähnliches. Niemand verbietet Ihnen, meine Herren, von sich aus, aus Ihren Fraktionen das Problem zu thematisieren. Sie haben ein Papier. Warum äußern Sie sich nicht dazu?Ich glaube, es ist symptomatisch, daß es in diesem Hause nicht möglich ist, allgemein über Themen zu sprechen, die etwas mit Sexualität zu tun haben. Dies erfolgt stets zu späten Nachtstunden; heute ist es wirklich relativ zeitig. Ich muß sagen, Sie kommen nicht auf das Thema, denn es geht hier ja nicht um Sexualität, sondern es geht um Gewalt gegen Frauen in einer bestimmten Form und, wie Herr de With sagte, in einer für Frauen besonders schlimmen Form.Wenn als ein Punkt nebenbei erläutert wird, daß Frauen auf diese Weise möglicherweise unberechtigt zu einem legalen Schwangerschaftsabbruch kommen, finde ich das eine äußerst makabere Unterstellung, die Sie Frauen a priori unterschieben.Positiv ist, daß Gewalt gegen Frauen heute ein Thema ist, das tatsächlich innerhalb der Bundesrepublik thematisiert wird. Das ist Ergebnis des Kampfes der Frauenbewegung.Haupttatort von Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist die Familie; das wurde hier schon erwähnt. Das Institut für Demoskopie Allensbach schätzt nach Hochrechnung entsprechender Befragungen, daß in jeder fünften Ehe Frauen mindestens einmal von ihrem Ehemann vergewaltigt wurden. Das macht eine Gesamtzahl von mehr als 4 Millionen Männern aus,die mindestens einmal straflos eine Frau vergewaltigen durften.In der Bundesrepublik sind Straftaten gegen das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Frau wie Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und der sexuelle Mißbrauch Widerstandsunfähiger nur außerhalb der Ehe wirklich strafbar. Damit werden derartige Straftaten per Gesetz in erlaubte und unerlaubte unterteilt. Geregelt wird also nicht der Schutz der Frauen vor dieser Art Kriminalität, sondern lediglich die Bedingungen, unter denen Männer sie begehen dürfen. Innerhalb einer Ehe bejaht der Gesetzgeber noch heute de facto das Verfügungsrecht des Mannes über die Sexualität, den Körper und die psychische und physische Gesundheit der Frau und verfestigt so patriarchale Strukturen der Gesellschaft weiter.Dem patriarchalen Frauen- und Weltbild unserer Gesellschaft entspricht auch die Tatsache, daß als Vergewaltigung ausschließlich die erzwungene außereheliche Penetration anerkannt wird, anale oder orale Vergewaltigung als minderschwerer Fall nur als sexuelle Nötigung verfolgt werden. Der Hintergrund hierfür ist wichtig; denn er ist darin zu suchen, daß eine Schwangerschaft und damit die Möglichkeit nichtehelicher Kinder allein durch vaginale Penetration entstehen kann. Auch hier wird in Wahrheit nicht die Würde oder das Selbstbestimmungsrecht der Frau, sondern der Ehemann vor unliebsamen illegitimen Nachkommen geschützt.Obwohl seit Jahrzehnten darüber diskutiert wird, diese veralteten und dem grundgesetzlichen Gebot der Gleichbehandlung widersprechenden Strafrechtsbestimmungen zu ändern, konnten sich vor wenigen Tagen die Koalitionsfraktionen doch wieder einmal nicht durchringen, das Inkrafttreten eines entsprechenden Gesetzes in dieser Legislaturperiode zu ermöglichen. Sie peitschen hier nacheinander Gesetze von großer und auch kleinerer Tragweite durch. In diesem Punkte aber können Sie sich nicht dazu entschließen, obwohl umfängliche Expertisen vorliegen und die Meinung einer Vielzahl von Sachverständigen bereits eingeholt ist. Ich muß sagen: Das ist ein Skandal mehr in der Kette des frauenpolitischen Rollback der Bundesregierung und der Koalition.Wir werden uns nunmehr mit großer Wahrscheinlichkeit in der nächsten Legislaturperiode erneut mit der Problematik der in der Ehe begangenen Sexualstraftaten beschäftigen. Die SPD wäre gut beraten, wenn sie die zur Verfügung stehende Zeit nutzen würde, die noch vorhandenen Mängel des eigenen Entwurfs — ich verweise hierzu auf das, was bereits von Frau Schenk dazu angemerkt wurde — zu beheben, d. h. in erster Linie die Opferperspektive in den Mittelpunkt der Beurteilung derartiger Straftaten zu stellen. Das würde dem Ausmaß des Unrechts, das Frauen durch die Verletzung des sexuellen Selbstbestimmungsrechtes und ihrer Würde widerfährt, besser gerecht. Dies würde es mir und meinen Kollegen erleichtern, Sie dann wirklich mit voller Kraft in allen Punkten zu unterstützen.Ich bedanke mich.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20903
Das Wort hat die Kollegin Professor Ursula Männle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr de With, ich darf Sie gleich ansprechen: Es ist in der Tat so, daß wir eine unendliche Geschichte „Vergewaltigung in der Ehe" haben. Wir haben seit mehreren Legislaturperioden diskutiert und mangels Konsens — nicht im Grundsatz, sondern in Einzelheiten — immer wieder zurückgestellt.
Auch Sie werden aber sicherlich zugeben müssen, daß es in Teilen der Bevölkerung noch immer an dem Bewußtsein mangelt, daß Vergewaltigung auch unter Eheleuten eine Vergewaltigung und damit Unrecht ist. Nicht selten kursiert die Auffassung, mit der Eheschließung sei das ständige Verfügenkönnen über die Frau verbunden. Das Ja zur Ehe wird gleichgestellt mit dem Ja zum Beischlaf. Daher wird sexueller Mißbrauch in der Ehe, d. h. — so würde ich es ausdrücken — die Mißachtung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts der Ehefrau, vom Täter häufig nicht als Unrecht bewertet.
Der Kollege Eylmann hat schon sehr deutlich darauf hingewiesen, daß in der Öffentlichkeit eigentlich ein falsches Bild von Vergewaltigung verbreitet ist. Die Vergewaltigung, die im Dunkeln, im Park, von Fremden geschieht, ist ja nicht der Normalfall der Vergewaltigung. Ich möchte deutlich zum Ausdruck bringen, daß der Mißbrauch in der Ehe, unter sehr Vertrauten, eigentlich schwerer zu bewerten ist als ein Mißbrauch durch Fremde, weil Vertrauen dadurch massiv gestört wird.
Da werden psychische Verletzungen zugefügt, die sicherlich sehr gravierend sind.
Von daher komme ich für die Frauen der Union, aber nicht nur für die Parlamentarierinnen der Union — ich darf hier den Kollegen Geis, der auch von der CSU ist, mit einbeziehen, weil Sie, Herr de With, die CSU vorhin angesprochen haben — zu dem Schluß, daß die Einschränkung des Strafrechts auf Vergewaltigungen und sexuellen Mißbrauch außerhalb der Ehe nicht mehr zeitgemäß ist. Wir müssen gleiche Tatbestände gleich und nicht ungleich bewerten.
Alle Fraktionen im Deutschen Bundestag sind sich im Prinzip einig, daß sexuelle Gewalt in der Ehe verabscheuungswürdig und ein strafwürdiges Unrecht ist. Wir müssen uns bemühen, im Detail zu Regelungen zu kommen, die dem gemeinsamen Anliegen dienlich sind.
Die Frauen in der Union halten es für geboten, dem Wesen der Ehe als engster Lebensgemeinschaft, die unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung steht, Rechnung zu tragen. Erzwungene sexuelle Handlungen in der Ehe sind nicht nur für das Opfer zutiefst entwürdigend, demütigend und verletzend, sie bedeuten auch einen Mißbrauch der ehelichen Lebensgemeinschaft, die — ich denke, hier besteht Übereinstimmung — auf Liebe, auf gemeinsame Verantwortung, auf Respekt, auf Toleranz und auf gegenseitige Rücksichtnahme der Partner aufgebaut ist. Die Ausnutzung physischer Überlegenheit,
um sexuelle Gefügigkeit zu erreichen, ist für uns kein Kavaliersdelikt, sondern strafwürdiges Unrecht.
Eine Sanktionierung derartigen Verhaltens dient dem verfassungsrechtlich gebotenen Schutz der Ehe. Wir sind der Meinung, daß die bestehende Gesetzeslücke geschlossen werden muß.
Ich möchte nicht wiederholen, was der Kollege Eylmann bereits ausgeführt hat. Er hat deutlich gemacht, wo die Unterschiede zwischen unseren Auffassungen sind. In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit und der vielen Tagesordnungspunkte, die heute noch erledigt werden sollen, verzichte ich auf diese Ausführungen.
Ich denke, wir brauchen endlich eine Regelung, aber wir sollten uns nicht darüber streiten, woran es gelegen hat, daß diese Frage erst am Ende der Legislaturperiode wieder auf die Tagesordnung gekommen ist. Ich habe es eigentlich auch bedauert, daß niemand auf einen zukam, auch die Frauen der SPD-Fraktion nicht, wo es doch bisher eigentlich immer üblich war, diese Themen untereinander zu diskutieren. Ich bedauere, daß wir nicht früher dazu gekommen sind, uns ausführlich über diese Fragen zu unterhalten und sie einer Lösung zuzuführen. Ich denke aber, es ist nicht zu spät. Das gemeinsame Bewußtsein ist vorhanden, daß eine Änderung notwendig ist. Versuchen wir eine Neuregelung doch in der nächsten Legislaturperiode wirklich gemeinsam anzugehen! Versuchen wir, das noch fehlende Bewußtsein in der Öffentlichkeit, das ich angesprochen habe — leider Gottes habe ich das Fehlen dieses Bewußtseins in vielen Veranstaltungen, in denen ich dieses Thema ganz bewußt angesprochen habe, immer wieder gespürt —, zu wecken, und zwar nicht dadurch, daß wir aus diesem Thema ein Wahlkampfthema machen und Schuldzuweisungen hin und her schieben, sondern dadurch, daß wir sensibel mit dieser Thematik umgehen, daß wir deutlich machen, daß wir an einer Lösung interessiert sind. Ich bin überzeugt, daß wir diese dann in der nächsten Legislaturperiode wirklich gemeinsam erreichen können.
Frau Kollegin Brandt-Elsweier, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist leider so: Wir müssen uns heute wieder einmal mit dem Thema Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe auseinandersetzen. Schon in der Sitzung am 15. Januar 1993 habe ich mich hier in meiner Rede inhaltlich mit dem Thema auseinandergesetzt, und so, wie es heute aussieht, wird es nicht das letzte Mal gewesen sein. Denn die Regierungskoalition hat wieder in die Trickkiste gegriffen, um das Gesetzgebungsverfahren zu verzögern, um es in die nächste Legislaturperiode zu verschleppen.
Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie mögen es als Erfolg bezeichnen, hier eine Änderung des Sexualstrafrechts verhindert zu haben, aber glau-
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Anni Brandt-Elsweierben Sie mir: Die betroffenen Frauen und diejenigen, die mit ihnen Solidarität üben — und das sind sicherlich nicht wenige —, sehen hier nur die Handlungsunfähigkeit der Regierung gegenüber den Tätern. Ich denke, dieses Verhalten wird Ihnen möglicherweise auch am 16. Oktober quittiert werden.Ich bin nur darauf gespannt, wie Sie den Wählerinnen und Wählern die Notwendigkeit einer erneuten Anhörung zu diesem Thema verkaufen wollen. Welche neuen Ergebnisse erhoffen Sie sich denn? Ich denke, die Zielrichtung ist eine ganz andere. Es geht Ihnen nicht mehr in erster Linie um die angemessene Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe, denn wenn ich den Bericht des Rechtsausschusses richtig lese, so fällt mir dort der folgende Satz auf — und das ist hier schon zur Sprache gekommen —: DieProblematik sei auch im Hinblick auf die kriminologische Indikation mit der Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs in Zusammenhang gebracht worden.Damit ist für mich die Katze aus dem Sack. Sie wollen eine Verknüpfung der Themen Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe und Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs. Offensichtlich verfolgt Sie wieder einmal die traumatische Vorstellung, die Frau sei ein verantwortungsloses Wesen. Nicht nur das: Diese Vorstellung verstellt Ihnen sicherlich auch die Sicht auf das Wesentliche, denn heute habe ich aus den Redebeiträgen nur gehört, daß wir eigentlich konsensfähig sind.Kernproblem ist und bleibt — und dies seit 22 Jahren; Kollege Hans de With hat darauf hingewiesen —: Hat die Frau ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, ja oder nein? Wir sagen klar und deutlich: Ja, sie hat dieses Recht. Sie stellen diesem deutlichen Ja ein weichgekochtes „Jein" gegenüber. So beweist man niemandem Handlungsfähigkeit. Hier muß auf eine ganz einfache Frage eine klare Antwort gegeben werden.Wenn es der Minderheit in der Regierungskoalition also doch noch gelingen sollte, die Mehrheit zu einem klaren Ja zu bewegen, so muß dies auch für Ehefrauen gelten. Denn niemandem werden Sie glaubhaft begründen können, warum eine Frau, die außerehelich vergewaltigt wurde, die ungewollte Schwangerschaft abbrechen darf, eine vergewaltigte Ehefrau diese Möglichkeit nicht haben soll.Ich nehme an, Ihre Ministerin für Frauen und Jugend, Angela Merkel, hat einen etwas gestörten Informationsdraht zu den eigenen Abgeordneten des Rechtsausschusses. Denn anders kann ich es mir nicht erklären, daß Frau Merkel in der Illustrierten „SuperIllu" noch am 16. Juni erklärt, die Vergewaltigung in der Ehe müsse unter Strafe gestellt werden, während diese Möglichkeit am gleichen Tage von ihren Kollegen im Rechtsausschuß verhindert wurde. Wem dürfen wir hier bitte schön noch glauben? Sicherlich wird es dann zynisch, wenn sich Frau Merkel dann eine Woche später an einer großen Telefonanhörung derselben Illustrierten beteiligt und den Frauen zur Verfügung steht, damit Sie ihnen zuhören kann. Wenn man dann liest, daß Frau Merkel der Meinung ist, daß wir mehr Beratungsstellen brauchen, in denen sichFrauen geborgen fühlen und offen über ihre Situation reden können, so trifft dieses sicherlich nicht das Thema, das wir heute diskutieren.Was wir wollen, sind keine leeren Worte. Wir wollen, daß sich die Bundesregierung an die von ihr gegebenen Worte hält, und deshalb dürfen wir die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe nicht mit der Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs verknüpfen.Die Frauen brauchen auch — und das geht an Sie, Frau Kollegin Männle —, gerade um das Bewußtsein zu ändern, die Hilfe und den Beistand des Gesetzgebers. Lassen Sie sie nicht noch einmal 22 Jahre warten!
Ich schließe die Aussprache.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:Beratung des Antrags der Abgeordneter Katrin Fuchs , Gernot Erler, Robert Antretter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDPolitische Stärkung und institutioneller Ausbau der KSZE— Drucksache 12/7959 —Überweisungsvorschlag: Auswärtiger AusschußSoweit ich das überblicken kann, haben die vorgesehenen Redner ihre Beiträge zu Protokoll gegeben.*) Ist das Haus damit einverstanden?
— Dann ist das mit der erforderlichen Mehrheit so beschlossen.Wir kommen gleich zur Abstimmung. Wer stimmt für den Antrag? — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13a und b auf:a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Petra Bläss und der Gruppe der PDS/Linke ListeÄnderung des § 116 des Arbeitsförderungsgesetzes— Drucksachen 12/6674, 12/7997 —Berichterstattung:Abgeordneter Hans Büttner
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Petra Bläss, Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt), Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS/Linke Liste*) Anlage 11
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994 20905
Vizepräsident Hans KleinNovellierung des Betriebsverfassungsgesetzes— Drucksachen 12/6448, 12/7998 —Berichterstattung:Abgeordneter Heinz Adolf HörskenNach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die gemeinsame Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die Gruppe PDS/Linke Liste zehn Minuten erhalten soll. — Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Zu Wort gemeldet haben sich PDS, Union und SPD. Als erste erteile ich der Kollegin Petra Bläss das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die heute von uns beantragte Debatte zum Betriebsverfassungsgesetz und zur Änderung des § 116 des Arbeitsförderungsgesetzes ist uns deshalb so wichtig, weil wir in dieser ablaufenden Legislaturperiode noch einen Pflock in Sachen Verbesserung der Rechte der abhängig Beschäftigten setzen möchten. Dies vor allem deshalb, weil sich die vergangenen vier Jahre, die ich in diesem Hause miterleben durfte, durch massive Angriffe auf eben diese Rechte auszeichnen. Dazu gehört der Abbau von sozialen und arbeitsrechtlichen Standards ebenso wie der Versuch, die Tarifautomonie auszuhöhlen und Entscheidungsspielräume einzuschränken.Nun wird uns ja vorgeworfen, daß es sich um Schaufensteranträge handelt. Wenn das von den Regierungsfraktionen kommt, interessiert es mich nicht sonderlich. Daß aber Sie von der SPD dieses dümmliche Totschlagargument nachbeten, halte ich für ziemlich daneben und außerdem für reichlich überheblich. Sie sollten sich einfach daran gewöhnen, daß Sie keinen Alleinvertretungsanspruch für die die Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerinteressen betreffenden Themen haben, zumal Sie offensichtlich keine ausreichenden Anstrengungen unternommen haben, sie so zu besetzen, daß Alternativen zur Deregulierungspolitik der Bundesregierung erkennbar werden.
Wenn der Kollege Büttner uns vorwirft, daß — ich zitiere — „die Arbeitnehmer in diesem Land etwas Besseres verdient haben als die schlampige Behandlung von Sozial- und Arbeitsrechtsgesetzen", dann kann ich nur entgegnen: Die abhängig Beschäftigten in diesem Land und vor allem diejenigen, die ohne Beschäftigung sind, haben es verdient, daß überhaupt jemand ihre Probleme in diesen Bundestag trägt. Damit haben wir keinen Alleinvertretungsanspruch.
— Ich habe gerade gesagt, wir haben den Alleinvertretungsanspruch nicht.Kurz und gut, ich bin der Auffassung, daß es richtig ist, daß wir hier und heute über unsere Anträge debattieren, zumal in der ersten Lesung zum Betriebsverfassungsgesetz — soweit es aus den zu Protokoll gegebenen Reden nachzuvollziehen ist — Einmütigkeit darüber bestand, daß das Betriebsverfassungsgesetz weiterzuentwickeln sei, weil es für die zahlreichen Fragen, die in den letzten Jahren neu entstanden sind, keine Bewegungsform für die Beschäftigten und ihre Interessenvertretung vorsieht.Handlungsbedarf besteht unserer Auffassung nach vor allem durch die Entwicklung neuer Technologien und die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Arbeitsweise, durch die Erfordernisse des Umweltschutzes — Untersuchungen zum Thema „Arbeit und Ökologie" machen deutlich, daß hier der betrieblichen Interessenvertretung ein enorm wichtiger Bereich zuwächst —, durch Fragen des Datenschutzes, durch Gleichstellungsansprüche von Frauen und schließlich durch veränderte Anforderungen an betrieblichen Gesundheitsschutz und Prävention.Gerade der letzte Punkt erhält durch das von den Regierungsparteien nun wohl endgültig verhinderte Gesetzgebungsverfahren zum Arbeitsschutzrecht aktuelle Brisanz. Bei allen Mängeln des vorgelegten Arbeitsschutzrahmengesetzes hätte hier die Chance bestanden, arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren einzudämmen und den Betriebsrätinnen und Betriebsräten in diesen Fragen einen gesetzlich vereinheitlichten und modernisierten Handlungsspielraum zu eröffnen. Nun müssen sie es selber in die Hand nehmen, und genau dazu brauchen sie nicht nur Anhörungs- und Beratungsrechte, sondern sie müssen wirklich mitbestimmen können.Dies ist natürlich nur ein Beispiel. Für die anderen von mir genannten Bereiche gilt das gleichermaßen. Ich will noch einmal sagen, warum wir zu diesem Zeitpunkt die Verbesserung der Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten und ihrer Interessenvertretung auf die Tagesordnung gesetzt haben. Wir wollen damit einen Kontrapunkt setzen gegen die unsägliche Standortdebatte, die vor allem darauf hinausläuft, mit Hilfe von Regierungs- und Parlamentsmehrheiten Unternehmerstrategien auf Kosten der abhängig Beschäftigten durchzusetzen. Der beabsichtigten Intensivierung der Arbeit oder der Flexibilisierung rund um die Uhr sowie der Lohn- und Lohnnebenkostensenkung kann nur durch verbesserte Mitbestimmungsrechte auf seiten der Betriebsräte begegnet werden.
Uns geht es um die Erweiterung ihrer Handlungsmöglichkeiten und um die Stärkung ihrer Position gegenüber der Kapitalseite. Das entspricht nicht nur einem Bedürfnis vieler Betriebsrätinnen und Betriebsräte — und auch da hatten wir inzwischen ausreichend Gelegenheit, uns unmittelbar mit Betroffenen zu beraten —, nein, unser Vorschlag geht auch zurück auf das Verlangen einer zunehmend qualifizierter werdenden Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschaft nach demokratischer Beteiligung und Gestaltungsrechten statt autoritärer Kommandostrukturen und Fremdbestimmung.Das wissen natürlich auch kluge Manager. Deshalb propagieren sie unternehmensorientierte Beteiligungskonzepte, die das Ziel haben, diese Bedürfnisse im Interesse des Unternehmens zu nutzen. Gruppenarbeit, Qualitätszirkel und andere von oben initiierte Maßnahmen sind dafür Beispiele. Nicht selten ist es
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Petra Blässso, daß sich Resultate dieser Arbeit unmittelbar gegen die Interessen der Beschäftigten selbst richten.Die Gestaltungsoptionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern müssen bei der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes eine wichtige Rolle spielen durch verwirklichte Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte. Wir schlagen deshalb in unserem Antrag vor, daß ein von der Bundesregierung vorzulegender Gesetzentwurf von solchen Grundsätzen ausgeht, wie wir sie formuliert haben. Ein zentraler darunter heißt: Stärkung der Mitbestimmungsrechte an Stelle von Unterrichtungs- und Beratungsrechten der Betriebsräte und Erweiterung der Felder, auf denen sie tätig werden müssen.Zum Gesundheitsschutz habe ich eingangs schon etwas ausführlicher argumentiert. Ich will hier noch auf einen anderen Bereich zu sprechen kommen: Frauengleichstellung und Frauenförderung. Da wird mir gern entgegengehalten, wir hätten ja jetzt ein famoses Gleichberechtigungsgesetz, und damit sei nun alles paletti. Weit gefehlt, werte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition! Dieses Gesetz gilt nur für den öffentlichen Dienst und für sonst gar nichts. Wenn die Frauen in der privaten Wirtschaft um gleiche Rechte kämpfen wollen, müssen sie es selber tun. Dazu aber brauchen sie Strukturen wie die der Frauen- oder Gleichstellungsbeauftragten, die nicht ernannt, sondern gewählt und mit Entscheidungsrechten ausgestattet werden müssen. Zur Unterstützung der Arbeit der Frauenbeauftragten auf der Grundlage eines novellierten Betriebsverfassungsgesetzes bedarf es einer im Gesetz zu regelnden Beweislastumkehr, wonach nicht die Frauen den Beweis erbringen müssen, daß gegen Gleichstellung und Frauenförderung verstoßen wird.Mir ist dieser Bereich deshalb so wichtig, weil offensichtlich bis in die Reihen der CDU hinein akzeptiert wird, daß trotz vorhandener Personalräte im öffentlichen Dienst Frauenbeauftragte und gesetzliche Gleichstellungsregelungen notwendig sind. Aber die in der privaten Wirtschaft um gleiche Rechte kämpfenden Frauen bleiben ohne vergleichbaren gesetzlichen Schutz. Deshalb bedarf es dringend der Regelung im Betriebsverfassungsgesetz.Ich will abschließend noch etwas zu der von uns vorgeschlagenen Änderung des § 116 des Arbeitsförderungsgesetzes sagen. Ich weiß, daß es um die Durchsetzung der jetzigen Fassung dieses Paragraphen 1986 massive Auseinandersetzungen gegeben hat. Trotz heftiger Gegenwehr aus Gewerkschaften und Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschaft ist die sogenannte kalte Aussperrung damals mit Mehrheit beschlossen worden. Deutlicher konnte die Parteinahme der Mehrheit dieses Hauses für die Kapitalseite kaum ausfallen. Die mit dem Streikrecht anerkannte strukturelle Unterlegenheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegenüber dem Kapital wurde damit verstärkt. Das erklärte Ziel dieser denkwürdigen Koalition aus Kabinett und Kapital bestand darin, die Beschäftigten zu entsolidarisieren, die Streikkassen der Gewerkschaften zu plündern und ihre Kampfkraft zu schwächen. Dies alles paßte zum Konzept der neokonservativen Wende.Nun hat der Kollege Scharping bereits auf dem DGB-Kongreß erklärt, daß eine SPD-geführte Bundesregierung nach dem 16. Oktober den jetzigen § 116 AFG ändern will. Da machen wir natürlich gerne mit. Es würde uns gewiß leichter fallen, wenn Sie heute unseren Antrag nicht ablehnten.
Das Wort hat der Kollege Hans Büttner.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Für die Sozialdemokratische Partei war und ist die Weiterentwicklung der Betriebsverfassung stets ein Hauptanliegen gewesen; denn die Betriebsverfassung ist eine wesentliche Grundlage für die Stabilität und Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft und Gesellschaft. Sie ist aber auch ein wesentlicher Grund für die Wertschätzung, die deutsche Unternehmen im Ausland genießen, wie eine Umfrage der „Financial Times" in diesen Tagen wieder bestätigt hat, eine Umfrage übrigens, die ein weiterer Beleg für die Absurdität der Standortdebatte ist, wie die Bundesregierung sie geführt hat, um ihre unsinnige Steuer- und Abgabenpolitik des letzten Jahrzehnts zu kaschieren.Mitbestimmung und Betriebsverfassung sind ebenso wie die uneingeschränkte Tarifautonomie die Garanten für wirtschaftliche Stabilität und wirtschaftlichen Erfolg. Wir Sozialdemokraten betrachten dies als Eckpfeiler solider Wirtschaftspolitik; denn nur wenn Arbeitnehmer- und Kapitalseite gleichberechtigt mitbestimmen können, lassen sich Zufriedenheit und Effektivität, die Voraussetzungen für Produktivität, herstellen. Wir Sozialdemokraten werden dieses Hauptanliegen auch weiterhin verfolgen, so wie wir es schon getan haben, als wir es selbst bestimmen konnten, nämlich bei der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes 1972. Wir werden es auch tun, wenn wir wieder eine Mehrheit haben.Die konservative Regierung hat, wie gesagt, in der Zwischenzeit nichts unversucht gelassen, um diese Mitbestimmung abzubauen. Sie hat damit dazu beigetragen, daß die Wirtschaft eher geschwächt denn gestärkt worden ist.Frau Babel, zu Ihrem Zwischenruf vorhin nur eine Bemerkung: Sie sollten sich wirklich einmal die Mühe machen, mit den Unternehmern und qualifizierten Managern zu reden, die nun seit Jahrzehnten Mitbestimmung praktizieren und Ihnen bestätigen werden: Ohne diese Mitbestimmung wären viele Krisen überhaupt nicht lösbar gewesen, hätte es viele Möglichkeiten zur Umstrukturierung nicht gegeben, jedenfalls nicht in der Weise, in der wir das in diesem Land geschafft haben.
Auch die heute morgen von der Koalition geführte Debatte zur Postreform hat gezeigt: Sie hält eigentlich wenig von gleichberechtigter Partnerschaft im Wirtschaftsleben. Denn bei den derzeit laufenden Tarifverhandlungen geht es nicht um irgendwelche Son-
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Hans Büttner
derrechte für die Postgewerkschaft oder für die Postler,
sondern es geht lediglich darum — hören Sie einmal genau zu und informieren Sie sich —, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die gleichen Rechte einzuräumen, die es in jedem privatwirtschaftlichen Betrieb gibt.Wenn der größte Betrieb Europas, die Deutsche Bundespost, aus einer staatlichen in eine private Unternehmensform umgewandelt wird, dann haben die Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften wohl ein Recht darauf, die gleiche Rechtsstellung zu erhalten, wie sie z. B. Beschäftigte bei Daimler, Siemens oder VW haben. Auch dort gibt es Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge, die neben Lohn und Gehalt auch Sozialleistungen vielfältiger Art bis hin zu Wohnungsdarlehen und dergleichen regeln. Diese Leistungen gelten auch bei der Kündigung so lange weiter, bis eine neue Betriebsvereinbarung abgeschlossen ist.Genau dies jedoch wollen die Postunternehmen nicht. Sie wollen zwar die Weitergeltung dieser Tarifverträge; aber sie wollen sie im Falle der Kündigung auslaufen lassen. Das ist ein eklatanter Rückschritt gegenüber dem jetzigen Recht bei jedem Privatunternehmen.
— Das hat damit zu tun, meine liebe Frau Babel.
— Ich komme schon dazu. Man muß mit Ihnen noch viel massiver umgehen, weil Sie keine Ahnung haben, wie man Wirtschaft in diesem Lande vernünftig und partnerschaftlich gestaltet.
Ich sage Ihnen dazu in aller Deutlichkeit: Wenn man sich über diese Streiks hätte aufregen können, dann deswegen, weil die Postunternehmen es überhaupt dazu haben kommen lassen. Sie hätten Selbstverständlichkeiten längst unterschrieben haben können, statt sich ständig zu weigern.Ich komme zu den beiden vorliegenden Beschlußempfehlungen.
— Ich habe noch einige Zeit, ich komme noch auf das zurück, was Sie wollen. — Die Betriebsverfassung, die Mitbestimmung und die Tarifparität sind durch Ihre Politik im Land, aber auch durch die europäische Entwicklung gefährdet. Ich will nicht wiederholen, was ich in der ersten Lesung schon zu Protokoll gegeben habe. Interessant dabei ist nur so viel, daß das, was heute unter neuen Managementschulungen verkauft wird, nichts, aber auch gar nichts anderes ist, als was Sie in den Mitbestimmungsbroschüren des DGB aus dem Jahre 1983 über die Weiterentwicklung der betrieblichen Mitbestimmung nachlesen können.Was in Bad Harzburg verbreitet wird, was Hewlett Packard und andere verbreiten, ist wortwörtlich aus diesen Broschüren abgeschrieben. Das sollten Sie auch einmal zur Kenntnis nehmen, bevor Sie so leichtfertig bestimmte Forderungen aufstellen.Die meisten Vorschläge aus dem Antrag der PDS sind aus dem Forderungskatalog des DGB abgeschrieben, Forderungen, die auch die SPD schon in ihrem Programm hatte, bevor es die PDS in ihrer jetzigen Form überhaupt gab, zu einer Zeit also, als ihre Vorgängerpartei die Mitbestimmung geradezu auf den Kopf gestellt und mißbraucht hat.
Die Mitbestimmung muß durch eine sorgfältige Arbeit weiterentwickelt werden. Ich bleibe dabei, Kollegin Bläss: Aus diesem Grund sind Ihre Anträge in der Tat nur Schaufensteranträge. Sie sind jung, Sie sind engagiert. Sie setzen sich für Vorschläge zugunsten der Arbeitnehmer ein. Aber die Initiatoren, die Sie dazu bewogen haben, genau sechs Monate vor Ablauf einer Legislaturperiode ein umfassendes Gesetzeswerk — sechs Monate vorher! — auf den Weg zu bringen, haben fahrlässig gehandelt. Hierzu braucht man genügend Zeit, hierzu braucht man genügend Ansätze.
- Das werfe ich Ihnen nicht vor, aber ich sage: Für dieInteressen der Arbeitnehmer und für die Würde derer, die den Wohlstand in diesem Lande schaffen, ist es wesentlich wichtiger, zu wissen, daß man sich zu Beginn einer Legislaturperiode auf eine Partei verlassen kann, die mit ausreichender Mehrheit für wirkliche Reformen im Betriebsverfassungsrecht und für eine Reform des Tarifvertragsrechts eintritt.
Wir werden — das garantiere ich Ihnen — nach der Bundestagswahl zu Beginn der Legislaturperiode für beide Bereiche entscheidende Reformvorschläge hier auf den Tisch bringen. Wir werden dann mit ausreichender Mehrheit allen, die diesem Hause dann noch angehören, Gelegenheit geben, darüber mitzuberaten und sich für eine Weiterentwicklung und Fortentwicklung eines modernen Deutschlands in einer mitbestimmten Wirtschaft einzusetzen.
— Ach, wissen Sie, Frau Babel, Ihre Zwischenrufe sind miserabel; trotzdem halte ich mich zurück.
— Nein, das war kein Fehler. Ihnen unterlaufen ständig nur Fehler. Insofern kommt es auf einen nicht weiter an.Wir werden Ihren Anträgen nicht zustimmen, weil wir die Arbeitnehmer und ihre Interessen wirklich ernst nehmen. Sie können zu allem möglichen Schaufensteranträge stellen, aber nicht, wenn es um wirklich ernste Belange der Menschen geht, die wir seit Jahrzehnten vertreten und auch weiter zu vertreten gedenken.
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20908 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 237. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juni 1994
Hans Büttner
Wir können allerdings auch — das sage ich ganz deutlich — den Beschlußempfehlungen des Ausschusses nicht folgen. Die dort getroffene Feststellung, daß es nicht notwendig sei, die Betriebsverfassung zu reformieren, teilen wir nicht. Wir meinen, sie sei zu reformieren.Ihre Feststellung, daß das Arbeitskampfrecht durch die jetzige Regelung des § 116 AFG einigermaßen paritätisch und fair sei, ist blanker Hohn. Dem können wir keinesfalls zustimmen. Wir wollen die klare Parität in § 116 AFG, die faire Parität, und eine novellierte Betriebsverfassung.Deswegen werden wir bei der Abstimmung über die Beschlußempfehlungen mit Nein stimmen.
Herr Kollege Karl-Josef Laumann, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Tarifautonomie bedeutet, daß Arbeitskämpfe, so hart ihre Auswirkungen für die betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber auch sein mögen, möglich sind. So gerne wir den Abschluß von Tarifverträgen ohne Arbeitskämpfe sähen, muß man wissen, daß Arbeitskämpfe lebendiger Ausdruck einer freiheitlichen Gesellschaft sind. In einer staatlichen Befehlswirtschaft gibt es keine Freiheit der Tarifpartner und somit auch keine Arbeitskämpfe. Ich sage das ganz offen: Ich halte es für einen Witz, daß gerade Sie von der PDS, die ja die Nachfolgerin der SED ist, die die Arbeitnehmer in der DDR viele Jahrzehnte unterdrückt hat,
die viele Jahrzehnte dafür gesorgt hat, daß es keine freien Tarifverhandlungen gab, die viele Jahrzehnte jeden Arbeitskampf verhindert hat und, wenn es welche gab, sie mit Waffengewalt niedergeschlagen hat, es wagen, sich hier um die Parität in Arbeitskämpfen zu sorgen.Wir Arbeitnehmer und auch unsere Gewerkschaften brauchen Ihre Fürsorge nicht. Kommunisten — nichts anderes verbirgt sich ja hinter Ihrer Partei — sind die größten Feinde der Tarifautonomie; sie sind die größten Feinde von freien Arbeitnehmern und freien Unternehmern, und sie sind die größten Feinde von Wohlstand in diesem Land.
Meine Damen und Herren, dieses sollten alle demokratischen Parteien in diesem Land bedenken, wenn sie darüber nachdenken, inwieweit man mit der PDS zusammenarbeiten kann. Volksfrontbündnisse sind gegen die Menschen in diesem Land gerichtet, und wir dürfen sie auf gar keinen Fall zulassen.
Der Staat hat sich seit Bestehen der Bundesrepublik aus Arbeitskämpfen herausgehalten, und er wird es auch weiterhin tun. § 116 des Arbeitsförderungsgesetzes in seiner jetzigen Form ist Ausdruck dieser Grundhaltung. Er sichert die Neutralität des Staates, weil er gewährleistet, daß sich weder Arbeitgeber nochArbeitnehmer der Bundesanstalt für Arbeit bedienen können, um Arbeitskampfgewichte zu ihren Gunsten zu verschieben. Die Mittel der Beitragszahler nach dem Arbeitsförderungsgesetz sind weder als Streikgelder der Gewerkschaften noch als Aussperrungssubvention der Arbeitgeber gedacht
und dürfen als solche auch nicht mißbraucht werden.
Aus diesem Grunde lehnen wir den Antrag der PDS ab.Nun zum Antrag der PDS, das Betriebsverfassungsgesetz zu ändern. Sie begründen Ihren Antrag damit, daß sich die gesellschaftliche und betriebliche Wirklichkeit erheblich verändert hat. Der Einzug neuer Technologien, die Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern in den Betrieben, der Umweltschutz machten eine Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes aus Sicht der PDS notwendig. Ich teile grundsätzlich die Auffassung, daß auch ein sehr bewährtes Gesetz wie das Betriebsverfassungsgesetz fortentwickelt werden muß, wenn einige Punkte dieses Gesetzes überholungsbedürftig erscheinen. Aber, meine Damen und Herren, alle Betriebsräte in diesem Land wissen es und werden es auch bestätigen, daß gerade wir von der CDU immer wieder dafür gesorgt haben, daß das Betriebsverfassungsgesetz verbessert worden ist und an die Entwicklung angepaßt wurde.Aber der Gruppe PDS/Linke Liste — wir sollten uns immer wieder vor Augen halten, daß sie die Nachfolgerin der SED ist; viele vergessen das ja anscheinend — geht es in Wirklichkeit nicht um eine Erweiterung des Betriebsverfassungsgesetzes, sondern um Systemveränderung. Kurz auf den Nenner gebracht: Sie machen praktisch aus dem Betriebsrat durch Gesetzesinitiative einen Mitunternehmer. So soll dem Betriebsrat u. a. ein volles Mitbestimmungsrecht über Produktions- und Investitionsprogramme, über Rationalisierungsvorhaben, darüber, welche Produkte hergestellt werden sollen, sowie über eine volle Mitbestimmung in Personalentscheidungen eingeräumt werden. Berücksichtigt man zudem, daß dem Betriebsrat bereits im Rahmen seiner allgemeinen Aufgaben auch ein Initiativ- und Vetorecht eingeräumt werden soll, kann man von einer unternehmerischen Handlungsfreiheit, wenn Ihr Antrag durchkäme, nicht mehr reden.Ich halte es in der Praxis für äußerst schwierig — ich habe über zehn Jahre einem Betriebsrat angehört —, in einem Betriebsrat, der ja Mitarbeitervertretung ist, wiederstreitende Interessen, nämlich unternehmerisches Denken, unternehmerisches Führen, unternehmerisches Handeln und Vertretung von Mitarbeiterinteressen, in Einklang zu bringen.Im Bereich des betrieblichen Umweltschutzes, der weitgehend betrieblicher Arbeits- und Gesundheitsschutz ist, bestehen bereits nach dem geltenden Recht zahlreiche Beteiligungsrechte des Betriebsrates. Diese reichen von der Überwachung bestehender
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Karl-Josef LaumannUmweltvorschriften zugunsten der Arbeitnehmer bis hin zur echten Mitbestimmung bei allen betrieblichen Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen und der Unfallverhütungsvorschriften.Für die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern haben wir für den Bereich des öffentlichen Dienstes das Gleichberechtigungsgesetz geschaffen, das uns hier eine Menge Instrumente an die Hand geben wird, und diese Entwicklung im öffentlichen Dienst — da bin ich sicher — wird mittelfristig ihre Auswirkungen auch auf die private Wirtschaft haben. Ich glaube, daß wir dadurch weiterkommen.Ein tragender Pfeiler des geltenden Betriebsverfassungsgesetzes ist der Grundsatz, daß der Unternehmer wirklich wirtschaftliche Entscheidungen im Betrieb mitbestimmungsfrei entscheiden kann. Der Unternehmer soll selbst entscheiden können, in welchen Bereich er investieren will, welche Produkte er herstellen möchte und mit welchem Personalbedarf er die erforderlichen Arbeiten im Betrieb organisiert. Diese Entscheidungsfreiheit ist Ausdruck unserer Sozialen Marktwirtschaft, im übrigen das Wirtschaftssystem, das den Arbeitnehmern in Deutschland den größten Wohlstand in der Geschichte unseres Landes gebracht hat, und dabei wollen wir es belassen.Aus diesem Grunde lehnen wir die von der PDS beantragte Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes ab.Danke schön.
Das Wort hat die Kollegin Dr. Eva Pohl.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Änderung des § 116 Arbeitsförderungsgesetz und die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes — beides Anträge der PDS — liegen mit der Beschlußempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung diesem Hohen Hause vor und dienen uns einmal mehr als Grundlage für eine Beschäftigung mit den sozialpolitischen Vorstellungen der PDS.
Lassen Sie mich in Verbindung mit diesen beiden Anträgen einmal etwas Grundsätzliches sagen: Zu unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft mit ihrer Sozialen Marktwirtschaft gehören konsequenterweise auch Arbeitsauseinandersetzungen zwischen den Tarifpartnern. Gerade das eigenverantwortliche Aushandeln von Tarifen und Arbeitsbedingungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, das den Grundstock für die Prosperität der Bundesrepublik nach 1949 gelegt hat, war ja ein großer Unterschied zur bankrotten DDR, die 40 Jahre lang vom Arbeiter-und-Bauern-Staat fabulierte, aber ausgerechnet diesen Berufsgruppen noch nicht einmal existentielle Rechte im Hinblick auf eigene Forderungen zugestehen wollte.
Der Staat darf nicht bevormundend oder gar befehlsmäßig in die Konflikte zwischen den Arbeitsvertragspartnern eingreifen. Staatliche Neutralität ist eine unabdingbare Voraussetzung für eine gedeihliche wirtschaftliche Entwicklung.Vor diesem Hintergrund entspricht die gegenwärtige Fassung des § 116 Arbeitsförderungsgesetz — und hier stimme ich voll und ganz mit dem Votum des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung überein — den Voraussetzungen einer Waffengleichheit bei Arbeitskämpfen. Nach langen ausführlichen Diskussionen hat die Regierungskoalition mit viel Mut im Jahre 1986 eine Regelung beim § 116 AFG durchsetzen können, die sich als ausgewogen und sorgfältig ausgearbeitet erwiesen hat.Es ist eigentlich schon eine Unverschämtheit, wenn sich nun ausgerechnet eine Partei wie die PDS, die in ihrem eigenen Parteinamen dem Sozialismus huldigt, jener Staats- und Gesellschaftsform, die den Osten Deutschlands heruntergewirtschaftet und die Mehrzahl der Menschen 40 Jahre lang betrogen hat,
hier für Arbeitnehmerrechte stark macht.
Auch bei dem von ihr eingebrachten Antrag zur Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes sucht die Nachfolgepartei der SED das Rad der Geschichte zurückzudrehen.
Wie bei den Änderungsanträgen und Gesetzesvorschlägen zur Rentengesetzgebung und bei der sozialen Grundsicherung, so geht es auch hier bei der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes dieser Partei
um einen grundlegenden Systemwechsel.
Staatliche Bevormundung, Kollektivismus und möglichst wenig Freiheit des einzelnen heißt ihre Devise.Meine Damen und Herren, ein über Jahrzehnte bewährtes Gesetz soll mit diesem Antrag nicht mit neuen Fragestellungen systematisch fortentwickelt werden, sondern es soll ausgehöhlt und zum Einsturz gebracht werden.
Wie sähe denn das Resultat dieser Novellierung aus? Die Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers würde praktisch aufgehoben. Der Betriebsrat würde letztendlich zum Mitunternehmer, genauso wie das auch der Kollege Laumann hier gerade schon gesagt hat. Sollten aber solche Vorstellungen realisiert werden, könnten wir uns als Industriestandort aus Europa
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Dr. Eva Pohlverabschieden. Keine einzige Mark aus dem Ausland würde bei uns mehr investiert,
und unsere deutschen Unternehmer würden geradezu fluchtartig ihre Fertigungsstätten aus Deutschland in die Nachbarländer oder gar nach Fernost verlagern.
Denn kein potentieller Arbeitgeber würde sich einer solchen Knebelung, meine Damen von der PDS, unterwerfen.Meine Damen und Herren, Freiheit muß auch immer unternehmerische Freiheit — natürlich im Rahmen der Sozialgesetzgebung — beinhalten. Dafür wird die F.D.P. auch weiterhin stehen.
Dafür wird sie auch weiterhin kämpfen. Ich danke Ihnen.
Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zu den Abstimmungen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Gruppe PDS/ Linke Liste zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes, Drucksache 12/7997. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 12/6674 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! — Enthaltungen? Die Beschlußempfehlung ist angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Gruppe PDS/ Linke Liste zur Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes, Drucksache 12/7998. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 12/6448 abzulehnen. Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu? — Wer lehnt sie ab? — Wer enthält sich der Stimme? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14a bis c auf:
a) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Vera Wollenberger und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit, Neonazismus und Gewalt
— Drucksachen 12/4570, 12/7008 —
b) Beratung und Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Gruppe der PDS/Linke Liste
Stiftung für die Opfer ausländerfeindlicher Übergriffe
— Drucksachen 12/2084, 12/6295 —
Berichterstattung:
Abgeordnete Joachim Clemens
Jochen Welt Wolfgang Lüder
c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Siegfried Vergin, Evelin Fischer (Gräfenhainichen), Brigitte Adler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Rechtsextremismus und Gewalt in der Bundesrepublik Deutschland: Fakten, Ursachen und Gegenmaßnahmen
— Drucksachen 12/5602, 12/7955 —
Berichterstattung:
Abgeordnete Georg Brunnhuber Jochen Welt
Dr. Burkhard Hirsch
Alle Fraktionen und eine Gruppe haben die Beiträge ihrer Redner zu Protokoll gegeben. *) Besteht damit Einverständnis? — Das ist der Fall.
Für die Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich das Wort der Kollegin Wollenberger.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Beratung über die Große Anfrage der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit, Neonazismus und Gewalt sind bereits einmal von der Tagesordnung dieses Hohen Hauses abgesetzt worden, weil eben diese Tagesordnung überfüllt war und man darauf Rücksicht nehmen wollte.
Heute stand sie zum zweitenmal auf der Tagesordnung, und es spricht, glaube ich, für das Interesse, oder besser: Desinteresse der Fraktionen und einer Gruppe in diesem Hause, daß die Reden zu diesem Problem zu Protokoll gegeben wurden.
Ich finde es einen schlechten politischen Stil, wenn unsere Gruppe, die immerhin einen Antrag vorgelegt hat,
davon nicht einmal unterrichtet worden ist und mir dann im Plenum süffisant mitgeteilt wird, ich könne ja auch als einzelne Abgeordnete reden, das könne man mir schließlich nicht verbieten. Ich finde das sehr bezeichnend für den politischen Stil, der hier im Hause herrscht.
Ich finde das sehr bedauerlich. Ich hätte es besser gefunden, wenn sich das Parlament ernster nehmen würde.
Frau Kollegin, darf ich Sie einen Moment unterbrechen. — Erstens rufe ich Sie zur Sache.*) Anlage 12
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Ich habe zur Sache gesprochen.
Zweitens weise ich Sie darauf hin: Wenn Sie hier eine Stildebatte führen — Ihre Gruppe ist bei Anträgen, die sie selbst gestellt hat, heute dauernd abwesend gewesen.
Bitte, lassen Sie also dieses Thema und kommen Sie zur Sache!
Herr Präsident, ich bin nicht dafür verantwortlich, daß meine Kollegen bei Anträgen eventuell nicht dagewesen sind. Ich war bei meinem Antrag hier. Deswegen trifft Ihre Kritik auf mich nicht zu.
Nach diesen Bemerkungen, die ich mir aus dem Plenum anhören muß, habe ich keine Lust mehr, zur Sache zu reden, weil mir sowieso nicht zugehört wird. Deswegen werde ich meine Rede zu Protokoll geben.
Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zu den Abstimmungen.Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu dem Antrag der Gruppe PDS/Linke Liste zu einer Stiftung für die Opfer ausländerfeindlicher Übergriffe, Drucksache 12/6295. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 12/2084 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Wer stimmt dagegen? — Wer enhält sich der Stimme? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu Rechtsextremismus und Gewalt, Drucksache 12/7955 Nr. 1. Der Innenausschuß empfiehlt zunächst die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD zu Rechtsextremismus und Gewalt in der Bundesrepublik Deutschland, Drucksache 12/7955 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 12/5602 für erledigt zu erklären. Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu? — Gegenprobe! — Wer enthält sich? — Die Beschlußempfehlung ist gegen die Stimmen der Gruppe PDS/ Linke Liste angenommen.Ich muß jetzt noch die Zustimmung des I lauses dazu einholen, daß die Kollegin Wollenberger, die schon eine Weile geredet hat, ihre Rede gleichwohl zu Protokoll gibt. *) — Die Zustimmung ist erteilt. Ich bedanke mich.*) Anlage 12
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982
— Drucksache 12/7829 —
a) Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses .— Drucksache 12/8185 —Berichterstattung:Abgeordnete Christian Schmidt Dr. Eberhard BrechtUlrich Irmerb) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 12/8186 —Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Klaus Rose Dr. Sigrid HuthErnst WaltematheDazu ist interfraktionell vereinbart, die Redebeiträge zu diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. *) Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall. Dann ist es so beschlossen.Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zum Seerechtsübereinkommen, Drucksache 12/7829. Der Auswärtige Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 12/8185, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD zum Seerechtsübereinkommen, Drucksache 12/8185 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 12/6394 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! —Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Werbung für Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung
— Drucksache 12/7620 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Aus-schusses für Gesundheit
— Drucksache 12/8146 —Berichterstattung: Abgeordnete Editha Limbach
*) Anlage 13
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Vizepräsident Hans KleinAuch dazu liegt eine interfraktionelle Vereinbarung vor, die Redebeiträge zu Protokoll zu geben.*) Besteht damit Einverständnis? — Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Säuglingsnahrungswerbegesetzes auf den Drucksachen 12/7620 und 12/8146. Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen.Gegenprobe! — Enthaltungen? — Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung angenommen.Dritte Beratungund Schlußabstimmung: Wer dem Gesetzentwurfzustimmen will, der erhebe sich bitte. — Gegenprobe!*) Anlage 14
— Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist gegen die Stimmen der PDS/Linke Liste angenommen.Der Ausschuß für Gesundheit empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlußempfehlung die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Damit ist die Beschlußempfehlung angenommen.Wir sind am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 30. Juni 1994, 10 Uhr ein. Die Sitzung findet im Reichstagsgebäude in Berlin statt.Die Sitzung ist geschlossen.