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    Plenarprotokoll 12/236 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 236. Sitzung Bonn, Freitag, den 24. Juni 1994 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 20699 A Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde sowie der Vereinbarung über die Befragung der Bundesregierung in der Sitzungswoche ab 27. Juni 1994 20699D Zusatztagesordnungspunkt 8: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes im Bereich des Baugewerbes (Drucksachen 12/7564, 12/7688, 12/7863, 12/7844) Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 20699 D Rudolf Dreßler SPD 20700 C Paul K. Friedhoff F.D.P. 20701 B Namentliche Abstimmung 20701 D Ergebnis 20707 B Zusatztagesordnungspunkt 9: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Beschäftigungsförderungsgesetz 1994 (Drucksachen 12/7565, 12/7688, 12/7865, 12/7838) 20702 A Zusatztagesordnungspunkt 10: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und zur Änderung anderer Gesetze (Drucksachen 12/7563, 12/7688, 12/7864, 12/7843) 20702 B Zusatztagesordnungspunkt 11: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Vermeidung von Rückständen, Verwertung von Sekundärrohstoffen und Entsorgung von Abfällen (Drucksachen 12/5672, 12/7240, 12/7284, 12/7672, 12/7675, 12/8084) 20702B Zusatztagesordnungspunkt 12: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Ausführungsgesetz zu dem Basler Übereinkommen vom 22. März 1989 über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung von Abfällen und ihrer Entsorgung (Ausführungsgesetz zum Basler Übereinkommen) (Drucksachen 12/6351, 12/7032, 12/7479, 12/8085) 20702 C Zusatztagesordnungspunkt 13: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über den Bau und die Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private (Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz) (Drucksachen 12/ 884, 12/7555, 12/7867, 12/7836) 20702 D Zusatztagesordnungspunkt 14: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte (Drucksachen 12/4993, 12/7656, 12/7868, 12/7835) 20702 D II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 236. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Juni 1994 Zusatztagesordnungspunkt 15: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften (Drittes Durchführungsgesetz/EWG zum VAG) (Drucksachen 12/6959, 12/7595, 12/7869, 12/7831) 20703 A Zusatztagesordnungspunkt 16: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG-Änderungsgesetz) (Drucksachen 12/7345, 12/8089) 20703 B Zusatztagesordnungspunkt 17: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS/Linke Liste eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (Drucksachen 12/7614, 12/8093) 20703B Tagesordnungspunkt 18: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Siebzehnten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes (Drucksachen 12/7777, 12/7994, 12/7995) Helmuth Becker (Nienberge) SPD 20704 A Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU 20705 A Joachim Hörster CDU/CSU 20705D Manfred Richter (Bremerhaven) F.D.P. 20706B Tagesordnungspunkt 14: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Vorschriften über den Bundesgrenzschutz (Bundesgrenzschutzneuregelungsgesetz) (Drucksachen 12/7562, 12/8047, 12/8101) Joachim Clemens CDU/CSU 20709 B Günter Graf SPD 20710D Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . 20711A, 20715A Joachim Clemens CDU/CSU 20712A Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 20713 C Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20714 C Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 20715 C Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär BMI 20716A Günter Graf SPD 20717 B Tagesordnungspunkt 16: Familienpolitische Debatte a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Familien und Familienpolitik im geeinten Deutschland Zukunft des Humanvermögens — Fünfter Familienbericht — (Drucksache 12/7560) b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundeserziehungsgeldes (Drucksache 12/6678) c) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Michael Habermann, Christel Hanewinckel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Wirtschaftliche Situation von Familien und deren sozialen Auswirkungen (Drucksachen 12/4353, 12/6224) d) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Hildegard Wester, Christel Hanewinckel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Bundeserziehungsgeldgesetz (Drucksachen 12/6441, 12/7778) e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Habermann, Christel Hanewinckel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Zur Verhinderung der Aushöhlung des Kinderlastenausgleichs im unteren Einkommensbereich (Drucksache 12/7023) f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie und Senioren zu dem Antrag der Abgeordneten Michael Habermann, Christel Hanewinckel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Für einen verfassungsgemäßen und sozial gerechten Familienlastenausgleich (Drucksachen 12/4128, 12/6428) g) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie und Senioren zu dem Antrag der Abgeordneten Michael Habermann, Christel Hanewinckel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Verstärkung der Zusammenarbeit in familienpolitischen Fragen auf europäischer Ebene (Drucksachen 12/5377, 12/7625) Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS 20718D Ingrid Matthäus-Maier SPD 20721A, 20728C Norbert Eimer (Fürth) F.D.P. 20723D, 20726B Margot von Renesse SPD 20725 D Ursula Männle CDU/CSU 20726C, 20728D Hildegard Wester SPD 20729A Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste 20731A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 236. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Juni 1994 III Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20732D Angelika Pfeiffer CDU/CSU 20734 A Christel Hanewinckel SPD 20736 B Dr. Rudolf Karl Krause (Bonese) fraktionslos 20737 D Ortrun Schätzle CDU/CSU 20738 C Tagesordnungspunkt 17: a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie und Senioren zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Erster Altenbericht der Bundesregierung (Drucksachen 12/5897, 12/7992) b) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Gerd Andres, Konrad Gilges, Gerlinde Hämmerle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Situation ausländischer Rentner und Senioren in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksachen 12/4009, 12/5796) c) Beratung des Zwischenberichts der Enquete-Kommission Demographischer Wandel — Herausforderungen unserer älter werdenden Gesellschaft an den einzelnen und die Politik — gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages vom 16. Oktober und 2. Dezember 1992 (Drucksachen 12/2272, 12/3460, 12/3461, 12/3717, 12/7876) Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS 20740D, 20748B Arne Fuhrmann SPD 20743 B Hans A. Engelhard F.D.P. 20745B Dr. Barbara 11611 PDS/Linke Liste 20746 C Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20748 D Peter Keller CDU/CSU 20749 C Lisa Seuster SPD 20750D Renate Diemers CDU/CSU 20751 D Konrad Gilges SPD 20753 A Tagesordnungspunkt 19: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Anti-Doping-Bericht (Drucksache 12/7540) Ferdi Tillmann CDU/CSU 20755A Peter Büchner (Speyer) SPD 207561) Wolfgang Mischnick F.D.P. 20758B Dr. Ruth Fuchs PDS/Linke Liste 20759A Tagesordnungspunkt 20: a) Zweite und dritte Beratung des von der Gruppe der PDS/Linke Liste eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Korrektur des Rentenüberleitungsgesetzes (Rentenüberleitungs-Korrekturgesetz) (Drucksachen 12/6217, 12/8081, 12/8082) b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Mehrbedarf der Sozialhilfe in den neuen Bundesländern (Drucksache 12/7463) Petra Bläss PDS/Linke Liste 20760 C Heinz Rother CDU/CSU 20762B Ulrike Mascher SPD 20763 C Dr. Eva Pohl F.D.P. 20764 D Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20765 C Rudolf Kraus, Parl. Staatssekretär BMA 20766A Nächste Sitzung 20767 C Anlage i Liste der entschuldigten Abgeordneten . 20769* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Klaus-Dieter Feige (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Lehrerbesoldung (Tagesordnungspunkt 7 der 235. Sitzung) 20770* A Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 16 (Familienpolitische Debatte) Ortwin Lowack fraktionslos 20770* C Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 19 (Anti-Doping-Bericht) Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär BMI 20772* B Anlage 5 Amtliche Mitteilungen 20773* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 236. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Juni 1994 20699 236. Sitzung Bonn, den 24. Juni 1994 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Babel, Gisela F.D.P. 24. 6. 94 Bartsch, Holger SPD 24. 6. 94 Becker (Nienberge), SPD 24. 6. 94 Helmuth Berger, Hans SPD 24. 6. 94 Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 24. 6. 94* Dr. Blank, CDU/CSU 24. 6. 94 Joseph-Theodor Dr. Böhme (Unna), Ulrich SPD 24. 6. 94 Borchert, Jochen CDU/CSU 24. 6. 94 Brähmig, Klaus CDU/CSU 24. 6. 94 Brunnhuber, Georg CDU/CSU 24. 6. 94 Buwitt, Dankward CDU/CSU 24. 6. 94 Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 24. 6. 94 Peter Harry Dörflinger, Werner CDU/CSU 24. 6. 94 Dr. Eckardt, Peter SPD 24. 6. 94 Dr. Enkelmann, Dagmar PDS/Linke 24. 6. 94 Liste Eppelmann, Rainer CDU/CSU 24. 6. 94 Erler, Gernot SPD 24. 6. 94 Esters, Helmut SPD 24. 6. 94 Eymer, Anke CDU/CSU 24. 6. 94 Ferner, Elke SPD 24. 6. 94 Fischer SPD 24.6.94 (Gräfenhainichen), Evelin Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 24. 6. 94 Francke (Hamburg), CDU/CSU 24. 6. 94 Klaus Friedrich, Horst F.D.P. 24. 6. 94 Fuchs (Verl), Katrin SPD 24. 6. 94 Gallus, Georg F.D.P. 24. 6. 94 Dr. Gautier, Fritz SPD 24. 6. 94 Geiger, Michaela CDU/CSU 24. 6. 94 Dr. Glotz, Peter SPD 24. 6. 94 Götz, Peter CDU/CSU 24. 6. 94 Grochtmann, Elisabeth CDU/CSU 24. 6. 94 Günther (Duisburg), CDU/CSU 24. 6. 94 Horst Günther (Plauen), F.D.P. 24. 6. 94 Joachim Dr. Gysi, Gregor PDS/Linke 24. 6. 94 Liste Hackel, Heinz-Dieter fraktionslos 24. 6. 94 Dr. Hauchler, Ingomar SPD 24. 6. 94 Haungs, Rainer CDU/CSU 24. 6. 94 Hauser CDU/CSU 24.6.94 (Rednitzhembach), Hansgeorg Heyenn, Günther SPD 24. 6. 94 Hollerith, Josef CDU/CSU 24. 6. 94 Ibrügger, Lothar SPD 24. 6. 94* Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 24. 6. 94 Kolbe, Manfred CDU/CSU 24. 6. 94 Koschnick, Hans SPD 24. 6. 94 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 24. 6. 94 Dr. Kübler, Klaus SPD 24. 6. 94 Dr.-Ing. Laermann, F.D.P. 24. 6. 94 Karl-Hans Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr, Leonhard, Elke SPD 24. 6. 94 Leutheusser- F.D.P. 24. 6. 94 Schnarrenberger, Sabine Link (Diepholz), Walter CDU/CSU 24. 6. 94 Marten, Günter CDU/CSU 24. 6. 94 Dr. Matterne, Dietmar SPD 24. 6. 94 Dr. Menzel, Bruno F.D.P. 24. 6. 94 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 24. 6. 94 Müller (Pleisweiler), SPD 24. 6. 94 Albrecht Müller (Völklingen), SPD 24. 6. 94 Jutta Müller (Wadern), CDU/CSU 24. 6. 94 Hans-Werner Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 24. 6. 94 Niggemeier, Horst SPD 24. 6. 94 Nolte, Claudia CDU/CSU 24. 6. 94 Oostergetelo, Jan SPD 24. 6. 94 Dr. Pinger, Winfried CDU/CSU 24. 6. 94 Priebus, Rosemarie CDU/CSU 24. 6. 94 Purps, Rudolf SPD 24. 6. 94 Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 24. 6. 94 Hermann Repnik, Hans-Peter CDU/CSU 24. 6. 94 Dr. Riedl (München), CDU/CSU 24. 6. 94 Erich Dr. Riesenhuber, Heinz CDU/CSU 24. 6. 94 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 24. 6. 94 Ingrid Schmidt (Mülheim), CDU/CSU 24. 6. 94 Andreas Schmidt (Salzgitter), SPD 24. 6. 94 Wilhelm von Schmude, Michael CDU/CSU 24. 6. 94 Dr. Schnittler, Christoph F.D.P. 24. 6. 94 Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 24. 6. 94 Schwanitz, Rolf SPD 24. 6. 94 Seiler-Albring, Ursula F.D.P. 24. 6. 94 Simm, Erika SPD 24. 6. 94 Dr. Solms, Hermann Otto F.D.P. 24. 6. 94 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 24. 6. 94 Stübgen, Michael CDU/CSU 24. 6. 94 Dr. von Teichman, F.D.P. 24. 6. 94 Cornelia Dr. Vogel, Hans-Jochen SPD 24. 6. 94 Voigt (Frankfurt), SPD 24. 6. 94 Karsten D. Dr. Voigt (Northeim), CDU/CSU 24. 6. 94 Hans-Peter Wagner, Hans Georg SPD 24. 6. 94 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 24. 6. 94 Wartenberg (Berlin), SPD 24. 6. 94 Gerd Weis (Stendal), Reinhard SPD 24. 6. 94 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 24. 6. 94 Wimmer (Neuötting), SPD 24. 6. 94 Hermann Wittmann (Tännesberg), CDU/CSU 24. 6. 94 Simon Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 24. 6. 94 * für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung 20770* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 236. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Juni 1994 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Klaus-Dieter Feige (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Lehrerbesoldung (Tagesordnungspunkt 7 der 235. Sitzung, Seite 20604 C) Ich lehne den vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung der Vorschriften der Lehrerbesoldung ab, da er der Verpflichtung des Einigungsvertrages zur baldmöglichsten Herstellung einheitlicher Rechts- und Lebensverhältnisse im gesamten Deutschland nicht gerecht wird und Unterschiede auf Jahrzehnte festschreibt. Für mich ist es nicht zu akzeptieren, daß Lehrerinnen und Lehrer mit einer in der DDR abgeschlossenen Ausbildung jahrzehntelang schlechter bezahlt werden als ihre Kolleginnen und Kollegen aus dem Westen oder die nach der Vereinigung in den neuen Bundesländern ausgebildeten Pädagogen. Und diese Ungerechtigkeit findet dann teilweise an ein- und derselben Schule und bei denselben Tätigkeiten statt. Ich frage mich, wie bei dieser Logik angeblich minderqualifizierte Lehrerinnen und Lehrer, die ihre Ausbildung in der DDR durchlaufen haben, überhaupt gleichwertig Schülerinnen und Schüler ausbilden können. Ich stimme gegen den vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung der Vorschriften der Lehrerbesoldung auch deshalb, weil er das übliche Umsetzungsverfahren der einstimmig getroffenen Beschlüsse der Kultusministerkonferenz durchbricht. Von daher sind die Vorschläge zur Anerkennung und Zuordnung der Lehrerausbildungsgänge der DDR im Gesetz zu verankern. Und ich bin gegen die Gesetzesvorlage, weil es nicht angehen kann, daß Lehrerinnen und Lehrer nur deshalb als minderqualifiziert eingestuft werden, weil ihre Ausbildung eine andere war — und dies, wo die Lehrerinnen und Lehrer gar keinen anderen Ausbildungsweg durchlaufen konnten. Ich lehne den vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung der Vorschriften der Lehrerbesoldung ab, da die Lehrerbesoldung nicht allein finanziellen Sparzwängen untergeordnet werden darf. Dies ist ein pädagogisches Armutszeugnis. Und ich stimme dagegen, weil die Leidtragenden des Gesetzentwurfs insbesondere die niedrig eingestuften Unterstufenlehrkräfte sind. Auf Dauer bedeutet diese klare Diskriminierung bei teilweise auf Teilzeitstellen befindlichen Lehrerinnen und Lehrern einkommenspolitisch: Die Ost-Lehrerinnen und -Lehrer erhalten vielfach wegen einer Teilzeitbeschäftigung von 80 % wiederum nur 80 % - wegen der Ost-Gehälter von 70 % auf Grund der schlechteren Einstufung als ihre West-Kollegen und -Kolleginnen. Wenn das nicht neues Unrecht ist. Meines Erachtens entwickelt sich pädagogische Kompetenz nicht durch das Durchlaufen einheitlicher verschulter Ausbildungsgänge, sondern wesentlich durch die Berufstätigkeit als Lehrkraft. Ich habe in meiner Funktion als ostdeutscher Abgeordneter über 400 Briefe von mehreren tausend Lehrerinnen und Lehrern aus meinem Bundesland erhalten. Diese waren teilweise von sehr persönlicher Betroffenheit gekennzeichnet. Vor diesen kann ich es nicht vertreten, diskriminierende und abqualifizierende Eingruppierungsregeln zu beschließen. So werden wir nie eine geeinte Bundesrepublik erhalten. Im übrigen lehne ich mit den Kollegen Schulz und Ullmann auch die Beschlußempfehlung des Innenausschusses ab, da die vorgeschlagene schlechte Kompromißlösung die Verantwortung der Anpassung der Lehrerbesoldung an die Länder verweist und das Ergebnis bei der derzeitigen Finanzknappheit schon vorherzusehen ist. Ich habe den Eindruck, meine Damen und Herren von der Koalition, daß Sie keine einheitliche Regelung für Ost und West wollen, Ihnen die Last der Wiedervereinigung schon zu groß ist. So sind auch Sie dafür verantwortlich, daß immer mehr Menschen in Ostdeutschland die PDS wählen. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 16a bis 16g (Familienpolitische Debatte) Ortwin Lowack (fraktionslos): Die Enquete-Kommission „Demograpischer Wandel" hat nach intensiver Arbeit in einem relativ kurzen Zeitraum von 20 Monaten einen Zwischenbericht vorgelegt, der auch nach der heutigen Debatte im Deutschen Bundestag große Beachtung, kritische Diskussionen zu Einzelbereichen, aber auch grundlegende Auseinandersetzungen über die Langzeitperspektiven von Staat und Gesellschaft auslösen wird. Positive Würdigung verdient vor allem die Empfehlung der Kommission, daß die Arbeiten in der nächsten Legislaturperiode fortgesetzt werden sollen, daß dabei auch Abweichungen von bisherigen Annahmen berücksichtigt werden sollen und daß der Beobachtungszeitraum über das Jahr 2030 hinaus erstreckt werden soll. Zu begrüßen ist die Empfehlung, auch den demographischen Wandel in Europa und, im Prozeß der Einigung Deutschlands, die sich nach wie vor verändernden Situationen und Perspektiven in einer alternden Gesellschaft mit den entsprechenden Anforderungen für die sozial en Änderungssysteme einschließlich der Perspektiven für ältere Arbeitnehmer und ältere Ausländer weiter zu untersuchen. Die Kommission Demographischer Wandel sollte auch in der nächsten Legislaturperiode weiterarbeiten, aber sinnvollerweise nur dann, wenn eine Verständigung darauf erreichbar ist, alle Chancen und Risiken der weiteren Entwicklung von Staat und Gesellschaft nüchtern und umfassend aufzuzeigen und die jeweiligen Konsequenzen unterschiedlicher Entwicklungstendenzen deutlich zu machen. Der jetzt vorgelegte Zwischenbericht zeigt sicher eine Reihe von Einzelproblemen — teilweise mit Lösungsansätzen — auf. Er ist aber aus meiner Sicht Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 236. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Juni 1994 20771* äußerst bedenklich in seiner Gesamttendenz, den Alterungsprozeß unserer Gesellschaft zu verharmlosen und in den Empfehlungen die Lebensinteressen der älteren Generation zuwenig im Kontext mit Konsequenzen aus dem Geburtentiefstand darzustellen. Schon die Modellrechnungen der Bevölkerungsentwicklung erscheinen hinsichtlich der Einschätzung der Geburtenentwicklung fragwürdig, da sie alle sehr in der Nähe der Annahmen der siebten koordinierten Bevölkerungsvorausschätzung liegen, wonach sich die Bevölkerung im langfristigen Trend zu etwa zwei Dritteln regeneriert. Jüngste Trends weisen aber wesentlich niedrigere Geburtenraten aus, in extremer Weise in den neuen Bundesländern, deutlich aber auch im Altbundesgebiet — und hier besonders bei der deutschen Bevölkerung. Noch stärkere Geburtenrückgänge sind wahrscheinlich. Es wären mindestens Alternativberechnungen zu erwarten gewesen, denen auch deutlich niedrigere zusammengefaßte Geburtenziffern zugrundeliegen. Es würde dann deutlich, welch verheerende Auswirkungen für den Altersaufbau der Bevölkerung aus sehr niedrigen Geburtenzahlen resultieren können — besonders über den untersuchten Zeitraum bis 2030 hinaus. Hier ist der Bundesregierung vorzuwerfen, daß sie offensichtlich der Kommission realitätsnähere, jedenfalls die ganze Bandbreite der Entwicklungsmöglichkeiten erfassende Hilfestellungen vorenthalten hat. So ist der Bundesregierung schon nicht möglich gewesen, einen wiederholt in Aussicht gestellten Bevölkerungsbericht vorzulegen. Es ist aus meiner Sicht sehr zu bedauern, daß die Kommission — offensichtlich einvernehmlich — der Ansicht ist, es gebe keine „richtige" oder „optimale" Altersstruktur und es könne so auch keine Oberalterung der Bevölkerung geben. Die „politische Klasse" in Deutschland, vom Regierungslager im Bund bis zur Opposition mit ihrer Mehrheit im Bundesrat, betreibt eine unzulässige Verharmlosungsstrategie — nicht zur Kenntnis nehmend, daß diese von den Bürgern nicht mehr angenommen wird, die vielfach von großer Sorge über die langfristigen Entwicklungsperspektiven bedrückt sind. Der Fehlanalyse der längerfristigen Bevölkerungsentwicklungen folgt auch im Zwischenbericht der Kommission eine gravierende Fehleinschätzung familienpolitischer Notwendigkeiten. So wird als Mehrheitsmeinung der Kommission herausgestellt, daß auch ein Land, das bewußt auf eine Politik der Geburtenförderung verzichtet, nicht von der Pflicht enthoben sein kann, „geborenen Kindern und deren Eltern Chancen der Teilhabe an der Gesellschaft und Entwicklungschancen zu ermöglichen" . Tatsächlich kommen wir an einer Umorientierung dahingehend nicht vorbei, die Rahmenbedingungen für Familien und Kinder so zu gestalten, daß wenigstens ursprüngliche Kinderwünsche au ch realisiert werden können. Nur dann gibt es auch wieder mehr Kinder und geringere Geburtendefizite. Dazu gehört auch die Möglichkeit der Option eines Elternteils für die ausschließliche Tätigkeit für Familie und Kinder im Sinne einer echten. Wahlfreiheit. Eine einseitige gesamtgesellschaftliche Orientierung auf zunehmende Berufstätigkeit von Müttern — besonders bei Defiziten an Arbeitskräften nach 2010 — dürfte zusätzlich die Bereitschaft zu Kindern beeinträchtigen — selbst bei Ausweitung des Angebots an familienergänzenden Einrichtungen der Pflege, Betreuung und Erziehung von Kindern. Viele junge Menschen verzichten lieber auf Kinder, wenn sie sie weitgehend kollektiven Einrichtungen überantworten müßten, für deren Leistungen sie aber auch noch große finanzielle Aufwendungen zu tragen hätten. Fragwürdig sind langfristig auch Spekulationen darauf, man könne demographisch bedingten Fehlbedarf an Arbeitskräften durch Ausländerzuwanderung ausgleichen. Schon heute liegt die Arbeitslosenquote bei Ausländern überdurchschnittlich hoch — trotz ihrer durchschnittlich günstigeren Altersstruktur. Kaum berechnet werden die Eingliederungskosten von der Sprachförderung über das Nachholen von Bildungsdefiziten bis zur Berufsausbildung und Umschulung. Es stellt sich die grundsätzliche Frage, ob Einwanderung überhaupt auf Dauer noch limitierbar und steuerbar ist, wenn nach den derzeitigen Perspektiven absehbar ist, daß im Verlauf des nächsten Jahrhunderts über die Hälfte der Erwerbstätigen Ausländer sein sollten. Können wir von ihnen, wenn sie bestimmender Faktor der Arbeitswelt sind, noch erwarten, daß sie gegenüber den Deutschen Altersruhegeldempfängern Generationensolidarität unter großen Opfern üben, wenn sie dann aus dem verbleibenden Nettoeinkommen individuell für unversorgte Eltern oder Großeltern aufkommen müssen? Müssen wir uns nicht auch die Frage stellen, ob nicht hochqualifizierte Inländer ihr berufliches und privates Leben außerhalb Deutschlands aufbauen, wenn sich im Inland die Lebensumstände ungünstig entwickeln? Wollen wir nicht als verantwortliche Politiker oder Multiplikatoren in Wirtschaft und Gesellschaft zur Kenntnis nehmen, daß in den nächsten Jahren große Teile des qualifizierten Berufsnachwuchses schlechte Berufsperspektiven haben werden, obwohl es Arbeit genug gibt, diese unter den obwaltenden Bedingungen aber nicht bezahlbar ist, auch als Folge zumontierter Tarifstrukturen, die sich an Forderungen von Machtblökken orientieren, nicht aber ausreichend an den Interessen der einzelnen Menschen? Und sehen wir nicht schon heute, daß viele junge Leistungsträger im Ausland gefragt sind, auch in Niederlassungen deutscher Unternehmen, die zunehmend Produktionsstätten verlagern? Wer sich den Problemen des demographischen Wandels nüchtern stellt, muß zu der Einsicht kommen, daß sich unser Staatsvolk letztlich schwergewichtig nur auf seine eigene Leistung jetzt und die Erhaltung seiner Leistungskraft für morgen verlassen kann, und dies heißt, wir müssen wieder soviel arbeiten, daß wir aus dem Ertrag unserer Arbeit auch die Bildung ausreichenden Humankapitals sichern können — eine ausreichend nachwachsende Generation. Ohne die Stärkung der Leistungskraft der Familien hat unser Volk keine Zukunft. Es droht der Zusammenbruch der sozialen Sicherungssysteme. Unser Land schafft es schon heute nicht, selbst die aktuellen Aufgaben des Staates — einschließlich der sozialen Sicherung — solide zu finanzieren. Es drohen bei wachsender Abgabenbelastung trotzdem Einschnitte im Sozialnetz. Die Chancen für eine Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Familien ste- 20772* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 236. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Juni 1994 hen somit sehr schlecht, obwohl sie schon jetzt nicht verfassungsrechtlichen Mindestnormen entspricht. Man hat den Eindruck, daß Geburtenrückgänge sogar politisch in die Landschaft passen, erspart dies doch Aufwendungen für Jahrzehnte. Es wird dabei nicht gesehen, daß dieser Weg die Arbeitslosigkeit wegen steigenden Erwerbspersonenpotentials als Folge rückläufiger Familienaufgaben erhöht und daß dies auch die öffentlichen Aufwendungen für die Absicherung Arbeitsloser hochtreibt. Volkswirtschaftlich befinden wir uns strukturell in einer Spirale sowohl unzureichender Nachfrage als auch zuwenig wachsenden Angebots an Gütern und Dienstleistungen. Aus diesem Teufelskreis können wir nur ausbrechen, wenn wir für einen gewünschten hohen Lebensstandard mehr arbeiten, um nicht nur international wettbewerbsfähiger, sondern auch binnenwirtschaftlich leistungsfähiger zu werden. So können wir auch die finanzielle Not des Staatssektors überwinden, indem aus einer wachsenden Wirtschaft wieder mehr Staatseinnahmen fließen, ohne daß die Staatsquote steigen muß. Nur so können wir auch die finanzielle Basis für eine Verbesserung der Situation der Familien schaffen und junge Menschen ermutigen, sich für die Gründung einer Familie zu entscheiden. In einer Zeit, in der leider ein ausreichender Schutz ungeborener Kinder in der Rechtsordnung bis hin in die Mehrheit der CDU/CSU nicht mehr durchsetzbar ist, wie die jüngst gelaufene Debatte zu § 218 erneut deutlich gemacht hat, ist es besonders wichtig, die sozialen Rahmenbedingungen für Familie und Kind so zu setzen, daß positive Entscheidungen für Kinder generell und in Konfliktlagen im besonderen erleichtert werden. Folgen wir doch den Wünschen der jungen Menschen, die Sinnerfüllung auch in Familie mit Kindern finden möchten, und zwar als Eigenwert und nicht mit dem individuellen Ziel, Beitragszahler für die sozialen Sicherungssysteme — dies ist das Interesse der Allgemeinheit — zu erziehen. Schaffen wir wieder bessere gesellschaftliche und soziale Bedingungen für Familien und Kinder. Nur dann brauchen wir uns für die fernere Zukunft keine Sorgen um das Wohlergehen aller Generationen von jung bis alt zu machen. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 19 (Anti-Doping-Bericht) Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich freue mich, daß über den Anti-Doping-Bericht der Bundesregierung so zeitnah nach seiner Vorlage beraten wird. Es zeigt, welche große Bedeutung das Parlament dem Sport im allgemeinen und im besonderen dem Kampf gegen negative Begleiterscheinungen beimißt. Mit diesem Bericht, der auf eine Anforderung des Deutschen Bundestages zurückgeht, wird ein umfassender Überblick über das Anti-Doping-System in der Bundesrepublik Deutschland gegeben. Aus der Sicht der Bundesregierung möchte ich die zentralen Aussagen des Berichts noch einmal kurz nennen: Erstens. Der deutsche Sport hat aus Dopingverstößen Konsequenzen gezogen. Damit unterstreicht er das Bestreben, seiner Verantwortung für die Bekämpfung des Dopings gerecht zu werden. Zweitens. Das für Hochleistungsportler bestehende Kontrollnetz zeigt zunehmend präventive Wirkung. Gesetzliche Maßnahmen werden nicht für erforderlich gehalten. Drittens. Bundesfördermittel gibt es nur für einen sauberen, manipulationsfreien Sport. Darauf hat Bundesminister Kanther nach der Beschlußfassung durch das Kabinett besonders hingewiesen. Spitzenverbände, die aus dem Doping-Kontroll-System ausscheren, setzen ihre Bundeszuwendung aufs Spiel. Viertens. Es gibt jedoch keinen Grund, sich auf den erzielten Erfolgen der letzten Jahre im Kampf gegen Doping auszuruhen. Vom deutschen Sport wird erwartet, daß er das Anti-Doping-System optimiert. Fünftens. Dem Mißbrauch bei Einfuhr, Vertrieb und Konsum von Anabolika und Wachstumshormonen muß mit Mitteln des Verwaltungsvollzugs begegnet werden. An die Bundesländer, in deren Zuständigkeit die exekutiven Maßnahmen überwiegend liegen, appelliere ich besonders, das bestehende AntiDoping-System engagiert zu unterstützen. Sechstens. 1m europäischen Vergleich ist insbesondere das Trainingskontrollsystem beispielhaft, so daß Umsetzungsprobleme bei der Europaratskonvention kaum zu erwarten sind. Die positive Bewertung der Entwicklung des Dopingkontroll-Systems von 1989 bis 1993 ist an den erheblich gestiegenen Probenahmen ablesbar, die um das Vierfache von 1 542 auf 6 791 stiegen. Bei den für den Anti-Doping-Kampf wichtigen Trainingskontrollen, die erst 1989 einsetzten, erfolgen inzwischen rd. 4 000 Probenahmen jährlich. Jede 13. der weltweit vorgenommenen Dopingkontrollen erfolgte in Deutschland. Das ist eine eindrucksvolle und vorzeigenswerte Leistungbilanz des deutschen Sports. Der Bericht macht die Vorreiterrolle der olympischen Verbände deutlich. 96 Prozent der Kontrollen — 6 517 von 6 791 — wurden an Sportlern in den olympischen Verbänden durchgeführt. Die dennoch zurückgegangene Zahl der Dopingfälle läßt eine Wechselwirkung zwischen Kontrollhäufigkeit, angedrohten Sportsperren und Prävention erkennen. Ich halte es für unverzichtbar, auf internationaler Ebene Niveaugleichheit bei der Dopingbekämpfung, und zwar insbesondere bei den Trainingskontrollen, anzustreben. Das sind wir unseren Leistungssportlern und ihrer Chancengleichheit auf der internationalen Sportbühne schuldig. Gefordert sind hier in erster Linie die internationalen Gremien, aber auch die deutschen Spitzenverbände. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 236. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Juni 1994 20773* Neben der erfreulichen Entwicklung im Leistungssport zeigt der Bericht auch Schattenseiten. Die häufig geäußerte Vermutung, daß es außerhalb des Spitzensports eine aktive „Dopingszene" gibt, wird mit dem Bericht erhärtet. Von 47 Dopingkontrollen beim Deutschen Bodybuilding-Verband im Jahr 1993 waren 27 und damit 55 Prozent positiv. Das sind 41 Prozent aller im deutschen Sport aufgedeckten 66 Dopingverstöße, Bereits 1992 betrug deren Anteil an den Dopingverstößen 41 Prozent — 18 von 44. Dabei liegen die Motive offenkundig außerhalb der „klassischen" Leistungssteigerung. Es geht hier vielmehr um das äußere Erscheinungsbild. Von Idealen möchte ich in diesem Zusammenhang lieber nicht sprechen. Auf dem Gebiet der Dopingbekämpfung besteht, wie im übrigen auf fast allen Feldern der Sportpolitik, ein breiter politischer Grundkonsens. Daß dennoch heute über getrennte Anträge zum Anti-DopingBericht der Bundesregierung entschieden werden muß, liegt daran, daß unterschiedliche Auffassungen über das „Wie" der Verhinderung des Arzneimittelmißbrauchs für Dopingzwecke bestehen. Der Bericht stellt die Haltung der Bundesregierung klar: Eine Änderung des Arzneimittelgesetzes wird nicht als erforderlich angesehen. Hauptmißbrauchsformen, wie der Verkauf von Dopingmitteln in Fitneßzentren und der illegale Import, werden durch das Arzneimittelgesetz sanktioniert. Hier geht es wie so häufig darum, bestehenden Gesetzen durch Verwaltungsvollzug Geltung zu verschaffen. Dafür ist die Bundesregierung auf die Mitwirkung der Bundesländer angewiesen. Für die Anti-Doping Diskussion müssen die Prinzipien einer glaubwürdigen Politik beachtet werden. Man darf nicht auf der einen Seite die Straffreiheit bei Besitz und/oder Konsum geringer Mengen selbst harter Drogen propagieren, wenn man auf der anderen Seite Strafverschärfungen bei Arzneimittelmißbrauch, und zwar nur für den Fall des Dopings, fordert. Die Bundesregierung sieht das überzeugende Eintreten der Spitzenverbände für einen sauberen Sport als „Geschäftsgrundlage" für den Fortbestand der Bundesförderung an. Der autonome deutsche Sport kann sich dann darauf verlassen, daß die Bundesregierung auch in dieser Beziehung ein verläßlicher Partner des Sports bleibt. Die Frage „Doping im Sport" hat uns schon oft beschäftigt. Ich möchte daher die auslaufende Sitzungsperiode zum Anlaß nehmen, die positive Rolle des Sportausschusses des Deutschen Bundestages für die Sportpolitik und den Sport selbst hervorzuheben. Auch wenn über den richtigen Weg gestritten wurde, bei der Zielsetzung gab es im Sportausschuß eher eine „parteiübergreifende Koalition für die Belange des Sports". Die Erfolge deutscher Sportlerinnen und Sportler bei den Olympischen Sommer- und Winterspielen sowie den Paralympics von Barcelona und Lillehammer stehen für die wirksame politische wie finanzielle Unterstützung durch den Bundestag und die Bundesregierung in schwieriger Zeit. Für die gute Zusammenarbeit dabei danke ich dem Sportausschuß und an der Spitze seinem Vorsitzenden Ferdi Tillmann. Anlage 5 Amtliche Mitteilungen Die Abgeordnete Bärbel Sothmann zieht ihre Unterschrift zu dem Gesetzentwurf auf Drucksache 12/6708 zurück. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 12/2310 Innenausschuß Drucksache 12/5490 Drucksache 12/6629 Drucksache 12/6847 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 12/6458 Drucksache 12/7173 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 12/6374 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 12/6235 Drucksache 12/7081 Drucksache 12/7194 Drucksache 12/7195 Ausschuß für Familie und Senioren Drucksache 12/7079 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 12/6923 Drucksache 12/6995 Ausschuß für Post und Telekommunikation Drucksache 12/6236 Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 12/7122 EG-Ausschuß Drucksache 12/7132 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 12/5662 Nrn. 3.1, 3.2 Innenausschuß Drucksache 12/6902 Nr. 2.1 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 12/7371 Nrn. 2.3-2.7 Drucksache 12/6582 Nr. 3.4 Drucksache 12/6649 Nrn. 2.13, 2.15 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 12/6902 Nr. 2.49 Drucksache 12/7293 Nr. 3.4 Drucksache 12/7461 Nr. 2.3 Ausschuß für Verkehr Drucksache 12/7180 Nr. 7 Drucksache 12/7371 Nr. 2.12 Drucksache 12/7741 Nrn. 2.21, 2.22, 2.23 Ausschuß für Post und Telekommunikation Drucksache 12/6780 Nr. 2.9 Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 1 2/7371 Nr. 2.16 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 12/7371 Nrn. 2.18, 2.19
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    Rede von Renate Diemers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich weiß nicht, in welchem Umfang deutsche Fernsehsender repräsentativ unser Bild, unsere Einschätzungen und Erfahrungen von und mit älteren Menschen wiedergeben. Sehe ich mir allerdings die Studie über die Darstellung älterer Menschen im Fernsehen, die im Auftrag der Unabhängigen Landesanstalt für das Rundfunkwesen in Kiel erstellt wurde, an, dann bin ich mehr als erschrocken. Diese Studie besagt, daß ältere Menschen im Fernsehen nicht nur erheblich unterrepräsentiert sind und äußerst selten als eigenverantwortliche Mitglieder unseres Gemeinwesens dargestellt werden, vielmehr sind sie offenbar die „Lachnummern der Nation".
    Festgestellt wurde: Alte Männer erhielten Rollen als Exzentriker, Clowns oder die von verschrobenen Experten. In den meisten Fällen tauchten sie mit dem Charakterzug „nicht ganz ernst zu nehmen" in Spielfilmen, Nachrichten, Magazinsendungen und in der Werbung auf. Dagegen sei den älteren und alten Frauen nicht einmal diese Palette geboten worden. Für sie blieben nur die Rollen als trottelige Großmütter und Hausfrauen.



    Renate Diemers
    Wer glaubt, auf diese Studie empört reagieren zu müssen, den frage ich: Und wie sieht es mit unserer Sprache aus? Was ist mit dem Gerede von der „Altenlast" oder vom „Rentenberg"? Verfallen wir nicht sehr leicht in den Jargon, der Alter mit Betreuung und Tüddeligkeit übersetzt?
    Ich bin sehr froh darüber, daß auf Grund des Ersten Altenberichts und der Diskussionen und Vorschläge der Enquete-Kommission „Zukunft der älter werdenden Generation" eine öffentliche Bewußtseinsbildung über das Leben im Alter und über generationenverbindende Gemeinsamkeiten geführt wird. Ich gehe davon aus, daß die Erkenntnisse, die in diesem Zusammenhang im Altenbericht und von der Enquete-Kommission zum Ausdruck gebracht wurden, zusammengeführt werden, um noch bestehende Defizite aufzubereiten und auszugleichen. Das gilt für alle gesellschaftspolitischen Bereiche. Die Ministerin und der Kollege Keller haben dazu entsprechende Aussagen gemacht.
    Voraussetzung für die angesprochene Bewußtseinsbildung ist, daß wir uns, daß sich unsere Gesellschaft vergegenwärtigt, was es bedeuten würde, wenn sich die älteren Menschen von den Dienstleistungen, die sie täglich unbezahlt erbringen, zurückzögen. Wie sähe es dann im Gesundheits- und Pflegebereich, in den Einrichtungen der Kirchen, in Vereinen aus? Wie wäre es dann um die Nachbarschaftshilfe bestellt? Würde nicht die Organisation in manchen Familienhaushalten zusammenbrechen?
    Ich bin davon überzeugt, daß eine sehr große Mehrheit diese Fragen zugunsten der älteren Menschen beantwortet. Es bleibt die Frage: Warum fällt es derselben Mehrheit so schwer, die Kompetenzen und Erfahrungen, die von den älteren Generationen für unsere Gesellschaft eingebracht und eingesetzt werden, anzuerkennen und mit deutlicher Akzeptanz zu belegen?
    Eine Antwort ist, daß uns offensichtlich der Jugendlichkeitswahn einholt — ein Jugendlichkeitswahn, der Jugend mit Aktivität, Kreativität, Können und Erfolg übersetzt, der für Alter keinen Platz hat, der ältere Menschen ausgrenzt. Vielleicht liegt auch hierin eine Erklärung, warum Aggressivität und Gewalt gegenüber älteren und alten Menschen zunimmt.
    Mit Appellen können wir die gegebene Situation, in der ältere Menschen isoliert werden und gleichzeitig ihre Mitarbeit für die Gesellschaft genutzt, aber nicht anerkannt wird, nicht überwinden. Das notwendige Miteinander der Generationen kann auch nicht verordnet, es kann jedoch bewußtgemacht und eingeübt werden. Das bedeutet, es müssen neue, von der Gesellschaft akzeptierte Formen des Miteinander gefunden und unter Beteiligung aller erprobt werden.
    Ich halte es für geboten, daß Fragen und Probleme des Älterwerdens und der selbstverständlichen Akzeptanz von Kompetenzen älterer Menschen Inhalt des Schulunterrichts sein müssen. Dazu gehört auch die Wissensvermittlung, daß unsere Gesellschaft diese Kompetenzen braucht, ja auf sie angewiesen ist. Für mich gehört dazu, daß der theoretische Teil des
    Unterrichts praxisbezogen verstärkt wird. So könnte durch Einbeziehung älterer Menschen in den Geschichtsunterricht erlebte Geschichte vermittelt und diskutiert werden.
    Schulen oder Schulklassen könnten Patenschaften für Alteneinrichtungen übernehmen. Andererseits könnten Alteneinrichtungen Patenschaften über Kinderbetreuungseinrichtungen übernehmen. Diese unmittelbaren Begegnungen, die auch verschiedene Anforderungen an die Beteiligten stellen, wären nicht nur eine Erfahrungserweiterung der jeweils Betroffenen. Vielmehr könnte so auch die Anonymität aufgebrochen werden und eine neue Form der Gemeinsamkeit entstehen.
    Die Kompetenzen und die Erfahrungen, die ältere Menschen einbringen, decken eine breite Palette ab. Ich sage: Wer diese Vielfalt ungenutzt läßt, handelt verantwortungslos. Das Nichtnutzbarmachen dieser Kompetenzen für die Gesellschaft ist in meinen Augen eine besondere Form der Altersdiskriminierung.
    Das Miteinander der Generationen zu fördern ist eine Herausforderung an die Gesellschaftspolitik. Dabei muß aber auch deutlicher werden, daß eine generationenverbindende Gesellschaftspolitik gerade für die Zukunft der Arbeitswelt unverzichtbar ist. Die Wirtschaft unseres Landes kann weder auf die Erfahrungswerte noch auf die Kompetenzeigenschaften, noch auf das Wissen um wirtschaftliche und betriebliche Zusammenhänge der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verzichten.
    Es bleibt die Frage, ob die aus Arbeitsmarktgründen radikale Verjüngung von Belegschaften, wie sie derzeit erfolgt, wirtschaftlich und sozial vertretbar ist. Es muß bewußter werden, daß unser System der sozialen Sicherheit auf dem Solidaritätsprinzip beruht. Die Solidargemeinschaft ist jedoch auf Dauer nur dann lebens- und leistungsfähig, wenn sie generationenverbindend verantwortlich handelt. Älterwerdende aus der Arbeitswelt auszugrenzen bedeutet auch, die Solidargemeinschaft zu mißbrauchen.
    Es mag sein, daß die Mehrzahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bzw. der Arbeitgeber bei der derzeitigen Arbeitsmarktsituation in der Ausgrenzung Älterer aus dem Arbeitsleben den bequemsten Weg sehen, um mit der Arbeitsplatzknappheit fertigzuwerden. Der intelligenteste und zukunftsweisendste Weg ist es jedoch mit Sicherheit nicht.

    (Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Ullmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Zu einer generationenverbinden den Gesellschaftspolitik gehört eine generationenverbindende Arbeitsmarktpolitik, die für die Älterwerdenden vielfältige Beschäftigungschancen eröffnen muß. Dazu gehört die Motivation für Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen ebenso wie ein umfassendes flexibles Arbeitszeitangebot und der leichtere Zugang zur Teilrente. Dazu gehören präventive Gesundheitsvorkehrungen. Dazu gehört auch, daß das Prinzip Reha vor Rente wieder bewußter angenommen wird.
    Das Ziel einer generationenverbind end en Gesellschaftspolitik ist nach meiner Überzeugung nur dann



    Renate Diemers
    zu erreichen, wenn wir uns alle dieser Verantwortung stellen und wenn die künftig Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Unternehmen frühzeitig lernen und erfahren, daß in der Gemeinsamkeit der Generationen der Schlüssel zum Erfolg liegen kann.
    Allen Beteiligten muß deutlich werden, daß Jungsein nicht automatisch mit Erfolg und daß Älterwerden nichts mit Ausmusterung zu tun haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Kollege Konrad Gilges.

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    Rede von Konrad Gilges


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich der Großen Anfrage der SPD-Fraktion zur Situation ausländischer Rentner und Senioren in der Bundesrepublik Deutschland zuwenden, deren Antwort in dieser Debatte beraten werden soll. Ich will kurz begründen, warum wir diese Große Anfrage gestellt haben.
    Zum einen haben wir große Befürchtungen, daß ein gesellschaftspolitisches Problem in Vergessenheit gerät und vernachlässigt wird, nämlich die besondere Lebenslage von ausländischen Rentnern und Senioren.
    Zum zweiten besteht die Gefahr, daß ausländische Rentner und Senioren nach Ablauf ihres Arbeitslebens in seelische Not geraten und abgeschoben werden. Wer einmal in die Städte unseres Landes geht und sich das anschaut, wird sehen, wie schwierig es für viele ausländische Bürger ist, sich wieder zurechtzufinden. Der Mittelpunkt ihres Lebens war die Arbeit, war der Betrieb, in Köln überwiegend die Ford-Werke oder KHD. Das gilt aber auch für andere Städte, etwa Düsseldorf oder München. Dieser Bezugsrahmen ist weggefallen. In ihrem Wohnbereich konnten selten Bezugsrahmen gebildet werden. Das gilt auch für die kleineren Städte, selbst für die Dörfer, überall, wo es ausländische Rentner und Senioren gibt.
    Zum dritten wollten wir die Gründe aufzeigen, warum wir dankbar sein müssen, daß es Bürger ausländischer Nationalität gibt, die unser Land mit aufgebaut, die einen großen Teil zur Schaffung des Sozialprodukts in unserem Land beigetragen haben, das wir heute verbrauchen und von dem wir leben.
    Wir wissen heute, daß es eine Lebenslüge war, zu glauben, daß die ausländischen Arbeitnehmer eines Tages in ihre Heimatländer zurückgehen. Ein Teil hat das getan, aber der größere Teil bleibt hier in der Bundesrepublik. Sie bleiben in dem Land, wo sie Arbeit hatten. Dieses Land ist ihre neue Heimat geworden. Hier haben sie ihre Heimat gefunden. Es ist außerordentlich schwer für sie, in die Lebensverhältnisse ihrer ehemaligen Länder — ob es die Türkei ist, Italien, Griechenland oder Spanien — zurückzufinden. Es ist eben nicht so einfach, wenn man nach 30 Jahren Arbeit in der Bundesrepublik wieder in ein anatolisches Dorf oder nach Valencia oder sonst irgendwo hin zurückkommt, sich dort wieder einzufinden. Auch da sind die Bezugsrahmen weg. Auch
    die Kinder sind meistens nicht mehr da. Auch die sind in die Bundesrepublik nachgezogen; usw. usf.
    Das heißt: Die Beziehung zur alten Heimat hat sich aufgelöst und ist nicht mehr vorhanden. Ihre neue Heimat ist eben die Bundesrepublik Deutschland. Sie haben auch in den 30 Jahren, in denen sie hier gearbeitet haben, neue Lebensbeziehungen aufgebaut. Das heißt: Sie haben neue Bindungen hergestellt, nicht nur zu dem Land und zu ihrer Arbeit, sondern auch zu den Menschen, die in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft leben.
    Ich will etwas zu der Entwicklung sagen: Wahrscheinlich wird es so kommen, daß wir im Jahre 2030 -- Sie haben das ja auch in der Antwort geschrieben, Frau Ministerin — im Altersjahrgang bei den 60jährigen einen Anteil von 24,1 % haben werden. Das heißt: Fast ein Viertel der 60jährigen wird im Jahre 2030 nicht deutscher Nationalität sein. Das ist eine große Anzahl. Man muß sich einmal vergegenwärtigen, was das im konkreten bedeutet und was das mit sich bringt.
    Diese Bürger nichtdeutscher Nationalität sind in unserem sozialen System benachteiligt. Das ist schlicht und einfach eine Tatsache, und auch Sie, Frau Ministerin, haben in der Antwort selber dargestellt, daß z. B. die ausländischen Mitbürger eine relativ niedrige Rente haben. Ein Türke erhält heute eine Durchschnittsrente von 893 DM. Mit 893 DM — man muß sich das einmal vorstellen — kann man kaum in der Bundesrepublik leben, wobei das Wort „kaum" vielleicht noch übertrieben ist. Man kann mit diesen 893 DM hier eigentlich nicht leben.
    Eine Witwe erhält durchschnittlich 507 DM an Witwenrente. Auch das macht eigentlich eine Lebensmöglichkeit hier in der Bundesrepublik unmöglich. So aber sind die Zahlen aus Ihrem Bericht, Frau Ministerin.
    Ich will auch mit einer Legende aufräumen, die immer wiederholt wird, daß z. B. die ausländischen Senioren zunehmend Sozialhilfe beanspruchen. Auch das ist unrichtig. Das stimmt nicht. Das wird zwar immer wieder dargestellt und überall gesagt, aber es ist unrichtig. Sie schämen sich und versuchen eben, mit diesen 507 DM oder mit den 893 DM Durchschnittsrente in diesem Land zurechtzukommen, wie schwer dies denn auch sei. Das möchte ich zumindest an dieser Stelle feststellen.
    Ich komme zum nächsten Punkt. Es gibt ein großes Sprachproblem. Dies gilt insbesondere für die türkischen Frauen, die vielfach keine eigene Erwerbstätigkeit gehabt haben, die in einer relativ isolierten Umwelt gelebt haben, deren Männer wegsterben und die dann allein hier in der Bundesrepublik sind. Sie können kaum deutsch sprechen. In der Regel können sie nur über ihre Enkel und Kinder mit ihrer Umwelt kommunizieren. Das ist eine schwierige soziale Situation.
    Ich will zum nächsten anmerken, daß der gesundheitliche Zustand, insbesondere für ausländische Bürger, nicht besonders gut ist. Sie leiden überdurchschnittlich an psychosomatischen Erkrankungen. Sie sind übermäßig häufig — viel, viel früher als Deutsche — erwerbs- oder berufsunfähig. Das hängt natür-



    Konrad Gilges
    lieh auch damit zusammen, daß sie, wenn sie arbeiten, überwiegend schwere Arbeitsplätze — im Bergbau, in der Stahlindustrie, auf dem Bau, in der Autoindustrie usw. —haben. Es verschleißt natürlich den Menschen, wenn man 30 Jahre am Fließband bei Ford gestanden hat. Die Chance, das 65. Lebensjahr als Arbeiter bei Ford zu erreichen, ist relativ gering. Auch das muß berücksichtigt werden, wenn wir über diese Fragen hier diskutieren.
    Zum letzten will ich anmerken: Es gibt ja einen großen Verfall der Familienstrukturen bei ausländischen Bürgern in der Bundesrepublik, und zwar einfach deswegen, weil zwei Kulturen aufeinander-stoßen. Es handelt sich um Menschen, die aus einer anderen Kultur kommen und hier mit einer zum großen Teil schon verfallenen Familienstruktur konfrontiert werden. Das, was ich hier eben gehört habe, höre ich immer mit großer Verwunderung. Wer sich einmal in diesem Land umsieht, wird sehen, daß in der Industriegesellschaft — wie der Kollege Mikat das einmal vor vielen Jahren hier gesagt hat; der Kollege Mikat war ein CDU-Abgeordneter, und ich will das hinzufügen, weil das vielleicht nicht jeder weiß — die Chance, daß diese traditionelle Familienstruktur aufrechterhalten werden kann, schlicht und einfach nicht mehr gegeben ist. Das geht nicht so einfach, wie sich das Familientheoretiker am grünen Tisch vorstellen. Die Industriegesellschaft zerstört auch alter traditionelle Familienstrukturen, weil die Produktionsverhältnisse und die Produktionsnotwendigkeiten Familienleben nicht mehr so einfach ermöglichen, wie sich das manch einer hier als Ideal vorstellt. Ich will das nur einmal anmerken. Diese Schwierigkeiten bestehen natürlich auch für ausländische Familien.
    Ich will zum Schluß einige Bemerkungen dazu machen: Was muß getan werden? Wie muß man gegensteuern?
    Erstens. Ich glaube, daß die Bundesregierung, die Länder und die Kommunen verpflichtet sind, differenzierte Maßnahmen anzubieten, um eine Integration und eine Lebensmöglichkeit für ausländische Bürger in der Bundesrepublik herzustellen.
    Zweitens. Es muß durch Forschung und auch durch Modellmaßnahmen das Thema aufgehellt werden. Es muß durchsichtig gemacht werden. Es muß aus der manchmal bestehenden Tabuzone herausgeholt werden.
    Drittens. Die Ausbildung von Sozialarbeitern, Altenpflegern und allen, die mit fürsorgenden Aufgaben befaßt sind, müssen auf die Problemlage, die auf sie zukommt, vorbereitet werden. Das heißt, die Ausbildung muß darauf eingestellt werden.
    Viertens. Das Angebot der Kommunen und der Wohlfahrtsverbände muß auf die ausländischen Bürger ausgerichtet werden. Das gilt z. B. für die Eßgewohnheiten. Bei dem Essensdienst, den viele Wohlfahrtsverbände anbieten, muß etwas geschehen. Das heißt, man kann das nicht so machen, wie sich das einige Wohlfahrtsverbände vorstellen.

    (Beifall bei der SPD)

    Fünftens. Gerade für die ausländischen Frauen, die, wie schon dargestellt, in einer besonders schwierigen Situation sind, muß etwas geschehen. Man muß überlegungen anstellen, wie man ihnen helfen kann.
    Sechstens: Herstellung der Reise- und Niederlassungsfreiheit für ältere Erwerbstätige und Rentner. Wir haben heute den Zustand: Wenn jemand, der hier Rente erhält, in sein Heimatland zurückgeht, dann kann er nach einer gewissen Zeit nicht mehr hierher zurückkommen. Ich will jetzt nicht das komplizierte System darstellen. Aber es führt dazu, daß viele ältere Mitbürger überhaupt nicht wagen, in ihre alte Heimat zurückzukehren, weil damit die Chance verwirkt wird, wieder in die Bundesrepublik Deutschland zurückzukommen, wenn diese Basis nicht besteht. Ich glaube, das ist eine Fehlentwicklung. Man muß darüber nachdenken, ob das so richtig ist. Das heißt, es muß die Reise- und Niederlassungsfreiheit gerade für diese Mensch en wiederhergestellt werden.
    Ich will zum Schluß kommen.