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    Plenarprotokoll 12/225 Deutscher Stenographischer Bericht 225. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 19361A Absetzung von Tagesordnungspunkten 19361 B Nachträgliche Ausschußüberweisung . 19361 C Abwicklung der Tagesordnung 19361 D Bestimmung des Abgeordneten Wolfgang Mischnick als ordentliches Mitglied im Vermittlungsausschuß 19361 D Begrüßung des Präsidenten des rumänischen Abgeordnetenhauses, Herrn Dr. Adrian Nastase, und seiner Delegation 19367 D Begrüßung des Präsidenten des Nationalrates von Namibia, Herrn Kandy Nehova 19432 D Tagesordnungspunkt 2: a) — Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr.-Ing. Dietmar Kansy, Jürgen Sikora, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU sowie den Abgeordneten Dr. Walter Hitschler, Jörg Ganschow, und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung des Wohnungsbaues (Wohnungsbauförderungsgesetz 1994) (Drucksache 12/6616) — Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, des Wohnungsbindungsgesetzes und anderer wohnungsrechtlicher Vorschriften (Wohnungsbauänderungsgesetz 1993) (Drucksache 12/5473) — Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Bundesfinanzhilfen für den sozialen Wohnungsbau (Wohnungsbaufinanzierungsgesetz 1993) (Drucksachen 12/6880, 12/7399, 12/7400) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu dem Antrag der Abgeordneten Norbert Formanski, Achim Großmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Erhöhung der Einkommensgrenzen im sozialen Wohnungsbau (Drucksachen 12/3913, 12/7399) Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU 19362C Ilse Brusis, Ministerin des Landes Nordrhein-Westfalen 19364 B Dr. Walter Hitschler F.D.P. 19365 C Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 19366D Jürgen Sikora CDU/CSU 19368A Achim Großmann SPD 19369B Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin BMBau 19371B Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 19372B Dr. Walter Hitschler F.D.P. 19373 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Vereinbarte Debatte zu den Aussagen der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute in ihrem Frühjahrsgutachten betreffend den weiteren Konjunktur- und Arbeitsmarktverlauf Dr. Theodor Waigel CDU/CSU 19373 C Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 19374 D Hans-Ulrich Klose SPD 19375 D II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 Dr. Werner Hoyer F:D:P: 19379 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 19381D, 19396D Hans-Ulrich Klose SPD 19382 D Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste 19383 A Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 19384 D Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 19386A Dr. Uwe Jens SPD 19386D, 19400B, 19402 D Günter Graf SPD 19387 B Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste 19388D Manfred Reimann SPD 19390C, 19397 C Rudolf Dreßler SPD 19391 A Wolfgang Lüder F.D.P. 19393 D Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 19395 B Rudolf Dreßler SPD 19396 A Friedhelm Ost CDU/CSU 19399A Ortwin Lowack fraktionslos 19401 B Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU 19402 A Ernst Hinsken CDU/CSU 19403 B Tagesordnungspunkt 3: Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erleichterung der Einbürgerung und Hinnahme der Doppelstaatsangehörigkeit (Drucksache 12/4533) und Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Staatsangehörigkeitsrechts (Drucksachen 12/5684, 12/7318) Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD 19404 B Erwin Marschewski CDU/CSU 19406 D Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 19408D Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 19410C Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19411B Gerd Andres SPD 19412B Meinrad Belle CDU/CSU 19413D Tagesordnungspunkt 17: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom ... über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Straßen mit schweren Nutzfahrzeugen (Drucksache 12/7267) c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des D-Markbilanzgesetzes (Drucksache 12/7262) d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umwandlungssteuerrechts (Drucksache 12/7263) e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungsrechts (Drucksache 12/7265) f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Drucksache 12/7269) g) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation (Postneuordnungsgesetz) (Drucksache 12/7270) h) Erste Beratung des von den Abgeordneten Siegfried Hornung, Dr. Hans Stercken, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU sowie den Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Ina Albowitz, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den deutschen Auslandsrundfunk (Drucksache 12/7401) i) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG-Änderungsgesetz) (Drucksache 12/7345) j) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Raumordnungsbericht 1993 (Drucksache 12/6921) k) Beratung des Antrags der Abgeordneten Monika Ganseforth, Hermann Bachmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Kündigung des deutsch-brasilianischen Abkommens über Zusammenarbeit auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie (Drucksache 12/6881) 1) Beratung der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zur Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben in der EG (Drucksache 12/7069) m) Beratung des Antrags des Bundesministeriums der Finanzen: Veräußerung bundeseigener Liegenschaften im Wert von mehr als 30 Mio. DM; hier: Ehemalige NVA-Kaserne in Zwickau, Werdauer Straße (Drucksache 12/7311) in Verbindung mit Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 III Zusatztagesordnungspunkt 2: Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebzehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (Drucksache 12/7430) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Zehnter Bericht nach § 35 Bundesausbildungsförderungsgesetz (Drucksache 12/6605) 19415 A Tagesordnungspunkt 18: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Umweltstatistiken (Umweltstatistikgesetz) (Drucksachen 12/6754, 12/7397, 12/7398) d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" (Drucksachen 12/6848, 12/7361, 12/7362) e) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über die Deutsche Bundesbank (Drucksachen 12/6909, 12/7346, 12/7355) f) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Griechischen Republik zur Westeuropäischen Union und über die assoziierte Mitgliedschaft der Republik Island, des Königreichs Norwegen und der Republik Türkei in der Westeuropäischen Union (Drucksachen 12/5439, 12/7385, 12/7386) g) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Rechtspflegergesetzes und anderer Gesetze (Drucksachen 12/6243, 12/7277) h) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 15. Juni 1990 über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags (Dubliner Übereinkommen) (Drucksachen 12/6485, 12/7381) i) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur steuerlichen Entlastung von Grenzpendlern und anderen beschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen (Grenzpendlergesetz) (Drucksachen 12/6476, 12/7427, 12/7428) j) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.: Aktionsprogramme SOKRATES und LEONARDO (Drucksachen 12/ 6939, 12/7274) k) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung in die Veräußerung einer Teilfläche der ehemaligen WGT-Garnison in Halle-Heide an das Land Sachsen-Anhalt gemäß § 64 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung (Drucksachen 12/ 6412, 12/7285) 1) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgabe im Haushaltsjahr 1992 bei Kapitel 10 02 Titel 656 54 —Zuschüsse zur Sicherung der späteren Altersversorgung als Arbeitnehmer bei Abgabe landwirtschaftlicher Unternehmen (Nachentrichtungszuschüsse) (Drucksachen 12/2590, 12/7286) m) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zur Verringerung von Beteiligungen und Liegenschaften des Bundes (Drucksachen 12/6889, 12/7287) n) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung zur Veräußerung der von den britischen Streitkräften freigegebenen bundeseigenen Wohnsiedlung in Soest (Drucksachen 12/6879, 12/7288) o) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der Bundesregierung: Aufhebbare Einhundertdreiundzwanzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz (Drucksachen 12/6542, 12/7347) p) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der Bundesregierung: Einunddreißigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung (Drucksachen 12/6543, 12/7348) IV Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 q) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 148 zu Petitionen (Drucksache 12/7335) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Abschließende Beratung ohne Aussprache Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Friedliche Lösung des Kurdenproblems (Drucksachen 12/6858, 12/7224) 19416C Tagesordnungspunkt 1: Fragestunde (Fortsetzung) — Drucksache 12/7356 vom 22. April 1994 — Gespräche des Staatsministers im Bundeskanzleramt, Bernd Schmidbauer, mit dem iranischen Minister Fallahian u. a. auch über das sog. „Mykonos"-Attentat MdlAnfr 3, 4 Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Antw StMin Bernd Schmidbauer BK 19420C, 19421 B ZusFr Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 19420D, 19421C Verhinderung der Einreise deutscher Neonazis nach Südafrika angesichts der Bedrohung von Nelson Mandela und weiterer Personen MdlAnfr 9, 10 Friedhelm Julius Beucher SPD Antw StMin Helmut Schäfer AA 19422C, 19423 B ZusFr Friedhelm Julius Beucher SPD 19422 D ZusFr Dr. Eberhard Brecht SPD 19422 D ZusFr Dr. Klaus Kübler SPD 19423 B Deutscher Beitrag für eine politische Lösung in Ruanda; humanitäre Hilfsaktionen MdlAnfr 12 Dr. Klaus Kübler SPD Antw StMin Helmut Schäfer AA 19423 C ZusFr Dr. Klaus Kübler SPD 19424 A ZusFr Dr. Eberhard Brecht SPD 19424 C Deutsche Beteiligung an der Umsetzung der Ergebnisse der von der IAEO durchgeführten Tschernobyl- Sonderkonferenz MdlAnfr 53 Dr. Klaus Kübler SPD Antw PStSekr Ulrich Klinkert BMU 19425A ZusFr Dr. Klaus Kübler SPD 19425B Berichte von Greenpeace über gefährliche Bahntransporte mit Atommüll durch die Stadt Trier MdlAnfr 52 Karl Diller SPD Antw PStSekr Ulrich Klinkert BMU 19425D ZusFr Karl Diller SPD 19426A Tagesordnungspunkt 4: a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Neuordnung zentraler Einrichtungen des Gesundheitswesens (Gesundheitseinrichtungen-Neuordnungs-Gesetz) (Drucksachen 12/6551, 12/7112, 12/7419) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Karl Hermann Haack (Extertal), Klaus Kirschner, Dr. Hans-Hinrich Knaape, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Reorganisation des Bundesgesundheitsamtes (BGA) als Bundesamt für Gesundheitsschutz (Drucksachen 12/6490, 12/7419) Dr. Paul Hoffacker CDU/CSU 19427 A Klaus Kirschner SPD 19428C, 19434 D Gudrun Schaich-Walch SPD 19429 C Dr. Paul Hoffacker CDU/CSU 19429D, 19430B Dr. Dieter Thomae F.D.P. 19431 C Uta Titze-Stecher SPD 19432B, 19438A, B Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste 19433A Klaus Kirschner SPD 19434 A Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 19434 C Dieter Heistermann SPD 19435 C Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste 19435D Gudrun Schaich-Walch SPD 19438D Karl Hermann Haack (Extertal) SPD 19439B Tagesordnungspunkt 5: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung sachenrechtlicher Bestimmungen (Sachenrechtsänderungsgesetz) (Drucksachen 12/5992, 12/7425) Dr. Michael Luther CDU/CSU 19441 C Dr. Hans Otto Bräutigam, Minister des Landes Brandenburg 19445A, 19455D Dr. Michael Luther CDU/CSU 19446D Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. 19447 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 19448A Rolf Schwanitz SPD 19449A Dr. Walter Hitschler F.D.P. 19449 D Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19451A Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . 19452A, 19456D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 V Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P. 19452B Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19454 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 19456A Dr. Walter Hitschler F.D.P. 19456 C Norbert Otto (Erfurt) CDU/CSU 19457A Hans-Joachim Hacker SPD 19458 C Norbert Geis CDU/CSU 19461 B Siegfried Scheffler SPD 19462 C Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 19464 D Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste (Erklärung nach § 31 GO) 19466 C Uwe Lambinus SPD (Erklärung nach § 31 GO) 19467 A Namentliche Abstimmung 19467 B Ergebnis 19467 C Tagesordnungspunkt 6: Kommunalpolitische Debatte Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. h. c. Adolf Herkenrath, Wolfgang Zeitlmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Burkhard Hirsch, Wolfgang Lüder, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Lage der Städte, Gemeinden und Kreise (Drucksachen 12/5373, 12/6815) Dr. h. c. Adolf Herkenrath CDU/CSU 19469 D Brigitte Schulte (Hameln) SPD 19471 D Gerhard Schüßler F.D.P. 19474 B Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . 19476D Brigitte Schulte (Hameln) SPD 19477A, 19491A, 19499D Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 19479B Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 19480A, B Dr. Horst Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 19482A Meinrad Belle CDU/CSU 19483 B Dr. Franz-Josef Mertens (Bottrop) SPD 19484 B Gerhard Schüßler F.D.P. 19485 B Dr. Jürgen Schmieder F.D.P. . . . . . 19486B Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär BMF 19487B Dr. Christine Lucyga SPD 19488D Peter Götz CDU/CSU 19489 D Dieter Maaß (Herne) SPD 19491 B Wolfgang Ehlers CDU/CSU 19492 C Dr. Joseph-Theodor Blank CDU/CSU 19494A Wieland Sorge SPD 19495 A Theo Magin CDU/CSU 19496 C Dr. R. Werner Schuster SPD 19497 C Wolfgang Zeitlmann CDU/CSU 19499 A Tagesordnungspunkt 7: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Hanna Wolf, Dr. Hans de With, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes — Verjährung von Sexualstraftaten an Kindern und Jugendlichen (Drucksache 12/2975) und Zweite und dritte Beratung des von der Abgeordneten Christina Schenk und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes — Verjährung von Sexualstraftaten an Kindern und Jugendlichen (Drucksachen 12/3825, 12/6980) Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD 19500D Ilse Falk CDU/CSU 19501 D Jörg van Essen F.D.P. 19503 C Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste 19504 B Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19505 A Anni Brandt-Elsweier SPD 19505 D Rainer Funke, Parl. Staatssekretär BMJ 19506D Uta Würfel F.D.P. (Erklärung nach § 31 GO) 19507 C Tagesordnungspunkt 9: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur abschließenden Erfüllung der verbliebenen Auf gaben der Treuhandanstalt (Drucksachen 12/6910, 12/7429, 12/7431) 19508D Tagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans Wallow, Hans-Gottfried Bernrath, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Einflußnahme der Bundesregierung auf Rundfunksendungen (Drucksache 12/7418) Hans Wallow SPD 19509B, 19514 D Dieter Vogel, Staatssekretär BK 19511B Peter Conradi SPD 19511D Eduard Oswald CDU/CSU 19512 C Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P. 19514B Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19515D Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 19516B Tagesordnungspunkt 11: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Lieselott Blunck (Uetersen), Dr. Ulrich Böhme (Unna), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Verbraucherfreundliche Lebensmittelkennzeichnung (Drucksachen 12/4575, 12/6072) 19516D VI Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 Tagesordnungspunkt 12: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Michael Müller (Düsseldorf), Hermann Bachmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Radioaktive Verseuchung der Meere durch die Ablagerung von Atommüll (Drucksachen 12/5494, 12/6506) 19517 A Tagesordnungspunkt 13: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag des Abgeordneten Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Arbeit in Deutschland (Drucksachen 12/5901, 12/6870) 19517 A Nächste Sitzung 19517 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 19519* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (PDS/Linke Liste) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung zum Bericht der Bundesregierung zur Verringerung von Beteiligungen und Liegenschaften des Bundes (Tagesordnungspunkt 18m) 19519* C Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Horst Eylmann (CDU/CSU) zur Abstimmung über die Gesetzentwürfe eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes — Verjährung von Sexualstraftaten an Kindern und Jugendlichen (Tagesordnungspunkt 7) 19520* C Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 9 (Gesetzentwurf zur abschließenden Erfüllung der verbliebenen Aufgaben der Treuhandanstalt) Manfred Hampel SPD 19521* A Josef Hollerith CDU/CSU 19522* D Dr. Hermann Pohler CDU/CSU 19523* A Dr. Gerald Thalheim SPD 19523* D Wilfried Seibel CDU/CSU 19524* D Paul K. Friedhoff F.D.P. 19525* D Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19526* D Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) PDS/ Linke Liste 19528* A Arnulf Kriedner CDU/CSU 19528* C Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 19529* B Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär BMF 19529* D Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 11 (Große Anfrage: Verbraucherfreundliche Lebensmittelkennzeichnung) Lieselott Blunck (Uetersen) SPD 19531* B Editha Limbach CDU/CSU 19532* B Marita Sehn F.D.P. 19532* D Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretärin BMG 19533* B Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 12 (Große Anfrage: Radioaktive Verseuchung der Meere durch die Ablagerung von Atommüll) Monika Ganseforth SPD 19534* D Klaus Harries CDU/CSU 19536* B Birgit Homburger F.D.P. 19537* A Ulrich Klinkert, Parl. Staatssekretär BMU 19537* C Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 13 (Beschlußempfehlung zu dem Antrag: Arbeit in Deutschland) Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) PDS/ Linke Liste 19538* B Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU 19539* C Dr. Uwe Küster SPD 19540* B Marita Sehn F.D.P. 19541* A Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 19541* D Anlage 8 Vereinbarkeit der Warnung von Bundesminister Dr. Klaus Kinkel in den USA hinsichtlich der Embargos gegen Bosnien und Serbien mit dem Willen des Deutschen Bundestages MdlAnfr 11 — Drs 12/7356 — Claus Jäger CDU/CSU SchrAntw StMin Helmut Schäfer AA 19543* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 VII Anlage 9 Gewährleistung der im Kaufvertrag über 39 Kriegsschiffe und 3 U-Boote enthaltenen einschränkenden Verwendungsklausel für die indonesischen Streitkräfte MdlAnfr 13 — Drs 12/7356 — Dr. Elke Leonhard-Schmid SPD SchrAntw StMin Helmut Schäfer AA 19543* B Anlage 10 Einheitliche Farbgestaltung der Sammelgefäße zur Entsorgung von Haushaltsmüll MdlAnfr 50, 51 — Drs 12/7356 — Ina Albowitz F.D.P. SchrAntw PStSekr Ulrich Klinkert F.D.P. 19543* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 19361 225. Sitzung Bonn, den 28. April 1994 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 28. 4. 94 * Beckmann, Klaus F.D.P. 28. 4. 94 Blunck (Uetersen), SPD 28. 4. 94 Lieselotte Bock, Thea SPD 28. 4. 94 Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 28. 4. 94 Peter Harry Clemens, Joachim CDU/CSU 28. 4. 94 Ehrbar, Udo CDU/CSU 28. 4. 94 Dr. Feige, Klaus-Dieter BÜNDNIS 28. 4. 94 90/DIE GRÜNEN Dr. Feldmann, Olaf F.D.P. 28. 4. 94 * Fuchs (Verl), Katrin SPD 28. 4. 94 Gerster (Mainz), CDU/CSU 28. 4. 94 Johannes Henn, Bernd PDS/Linke 28. 4. 94 Liste Dr. Holtz, Uwe SPD 28. 4. 94 * Dr. Jobst, Dionys CDU/CSU 28. 4. 94 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 28. 4. 94 Kretkowski, Volkmar SPD 28. 4. 94 von Larcher, Detlev SPD 28. 4. 94 Leutheusser- F.D.P. 28. 4. 94 Schnarrenberger, Sabine Marten, Günter CDU/CSU 28. 4. 94 Dr. Matterne, Dietmar SPD 28. 4. 94 Meckel, Markus SPD 28. 4. 94 Dr. Menzel, Bruno F.D.P. 28. 4. 94 Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 28. 4. 94 Dr. Mildner, Klaus CDU/CSU 28. 4. 94 Gerhard Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 28. 4. 94 Dr. Möller, Franz CDU/CSU 28. 4. 94 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 28. 4. 94 * Müller (Pleisweiler), SPD 28. 4. 94 Albrecht Müller (Wadern), CDU/CSU 28. 4. 94 Hans-Werner Müller (Wesseling), CDU/CSU 28. 4. 94 Alf ons Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 28. 4. 94 Paintner, Johann F.D.P. 28. 4. 94 Petzold, Ulrich CDU/CSU 28. 4. 94 Pfeiffer, Angelika CDU/CSU 28. 4. 94 Rahardt-Vahldieck, CDU/CSU 28. 4. 94 Susanne Reddemann, Gerhard CDU/CSU 28. 4. 94 * Reuschenbach, Peter W. SPD 28. 4. 94 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 28. 4. 94 ** Helmut Schmidt-Zadel, Regina SPD 28. 4. 94 Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 28. 4. 94 Schröter, Gisela SPD 28. 4. 94 Schuster, Hans Paul F.D.P. 28. 4. 94 Hermann Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 28. 4. 94 Christian Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Skarpelis-Sperk, SPD 28. 4. 94 Sigrid Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 28. 4. 94 Tappe, Joachim SPD 28. 4. 94 Dr. Töpfer, Klaus CDU/CSU 28. 4. 94 Toetemeyer, SPD 28. 4. 94 Hans-Günther Welt, Jochen SPD 28. 4. 94 Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 28. 4. 94 Zierer, Benno CDU/CSU 28. 4. 94 Zurheide, Burkhard F.D.P. 28. 4. 94 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (PDS/Linke Liste) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung zum Bericht der Bundesregierung zur Verringerung von Beteiligungen und Liegenschaften des Bundes (Tagesordnungspunkt 18 m) Der Haushaltsausschuß empfiehlt, von dieser Unterrichtung der Bundesregierung Kenntnis zu nehmen. Der Ältestenrat hat vorgeschlagen, über diese Vorlage unter dem Tagesordnungspunkt „Beratung" nicht zu debattieren. Der Inhalt dieses Berichtes fordert jedoch eine Debatte geradezu heraus. Ich möchte deshalb kurz begründen, warum ich diese Drucksache ausdrücklich mißbilligend zur Kenntnis nehme. Die Bundesregierung teilt dem Bundestag mit, bei welchen Beteiligungen des Bundes nach wie vor ein wichtiges Bundesinteresse gegeben ist. Zu den entbehrlichen Beteiligungen gehören z. B. die abzuwikkelnde Staatsbank Berlin sowie die GBB-Genossenschafts-Holding Berlin. Diese Holding steht nicht nur für die „Bank für Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft" der DDR, die im April 1990 in „Genossenschaftsbank Berlin" umgetauft wurde. Sie ist auch ein Musterbeispiel für die regierungsamtlich unterstützte Bereicherung westdeutscher Banken, das es wert wäre, hier in diesem Hause diskutiert zu werden. Am 10. September 1990 übertrug die „Genossenschaftsbank Berlin" ihr Bankgeschäft auf die „DG Bank - Deutsche Genossenschaftsbank" in Frankfurt am Main, an der der Bund über die oben erwähnte GBB-Holding, die ihm zu 100 % gehört, beteiligt ist. Bundesregierung und DG-Bank hatten zuvor einen positiven Saldo der GBB von 700 Millionen D-Mark bilanziert und als Kaufpreis festgelegt. Die Käuferin „DG-Bank" zahlte 100 Millionen DM in bar, für den 19520* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 Rest erhielt der Bund Anteile am Eigenkapital zum geschätzten Marktwert von 600 Millionen DM, deren Nennwert 120 Millionen DM betrug. Die „DG-Bank" übernahm von der „Genossenschaftsbank Berlin" Forderungen in Höhe von 16 Milliarden DM sowie sämtliche Zinsansprüche, für die sie seitdem Zinsen kassiert. Laut Übernahme- und Einbringungsvertrag soll sich der Bund verpflichtet haben, für den Fall, daß ein Schuldner nicht zahlen kann, das finanzielle Risiko abzudecken. Dieser unübliche Garantiefonds erhöht den Wert der Forderungen natürlich beträchtlich. Der Vertragstext wurde dem Bundestag bis heute nicht vorgelegt. Deshalb ist es auch nicht möglich herauszubekommen, ob es zutrifft, daß Grundstücke und Gebäude auf die DG-Bank übertragen wurden. Betrug deshalb der Kaufpreis nicht 700 Millionen DM, sondern 1,2 Milliarden DM? Trifft es zu, daß die Summe aus dem Bilanzüberschuß, den Zinsansprüchen, den Immobilien- sowie den Wertpapierwerten, die die DG-Bank übernahm, bis zu 3 Milliarden DM betrug? — Fragen, an deren Beantwortung offenbar nur die PDS/Linke Liste ein Interesse zeigt. Da die DG-Bank bei Wertpapiergeschäften kräftige Verluste eingefahren hatte und von den Eigentümern mit 1,4 Milliarden DM gestützt werden mußte, verloren die vom Bund übernommenen Anteile an Wert. Ihr einstiger Marktwert von 600 Millionen DM wird angeblich auch im Bundesfinanzministerium nur noch als „Hoffnungswert" bezeichnet. Inwieweit sind diese Anteilsscheine überhaupt handelbar? Wer kann kaufen und an wen darf verkauft werden? Vorsitzender des Verwaltungsrats der „GBB Genossenschafts-Holding Berlin" ist der Ministerialrat im Bundesministerium der Finanzen, Dr. Knut Kage. Ich frage den Bundesfinanzminister: Trifft es zu, daß dieser Herr den Verkauf der Genossenschaftsbank an die DG-Bank abgewickelt hat, den er laut „Spiegel" so kommentiert haben soll: „Mit heutigem Wissen hätten wir das Geschäft so bestimmt nicht gemacht"? Über diesen Deal und seine Hintergründe findet sich in der Unterrichtung der Bundesregierung keine Zeile. Dem Bundestag wird lediglich nüchtern mitgeteilt, an der Genossenschafts-Holding Berlin bestehe kein wichtiges Bundesinteresse mehr bzw. der Bund habe die Absicht, seine Beteiligung an der DG-Bank aufzugeben. Nur ist leider vergessen worden hinzuzufügen, daß die von der DG-Bank eingefahrenen Verluste bei heimlichen Wertpapiergeschäften die vom Bund gehaltenen Anteile zu Ladenhütern gemacht haben! Die „Staatsbank Berlin", die dem Bund gehört, ist Rechtsnachfolgerin der „Staatsbank der DDR". Ende 1992 betrug ihr Eigenkapital 5,8 Milliarden DM. Hinzu kam eine Sonderrücklage von 3 Milliarden DM. Der Unterrichtung ist zu entnehmen, daß die „Staatsbank Berlin" von der „Kreditanstalt für Wiederaufbau" übernommen werden soll. Verschwiegen wird, daß der Bund an der von ihm in diesem Jahr beabsichtigten Herabsetzung des Eigenkapitals der Staatsbank 800 Millionen DM verdienen wird. Verschwiegen wird auch, daß der Bund für das kommende Jahr weitere Kapitalentnahmen bis zur Höhe von 4 Milliarden DM plant, um — so ist zu vermuten — seine Neuverschuldung zu begrenzen. Die „Erblasten" aus dem Banksystem der DDR füllen die Kassen der westdeutschen Banken und des Bundes. Aber diese Fakten würden nicht ins Horrorbild passen, das uns die Bundesregierung von der DDR zeichnet. Deshalb werden sie verschwiegen. Uns liegt heute ein Bericht vor, in dem von der Beteiligung des Bundes an einer „oberschlesischen", einer „ostpreußischen" sowie einer „pommerschen" Landgesellschaft die Rede ist, deren Vermögensgegenstände „zu sichern und zu erhalten" seien. Über diese Phantom-Gesellschaften findet sich auch noch im jüngsten Bericht der Bundesregierung über die Bundesbeteiligungen die aus meiner Sicht ungeheuerliche Formulierung: „Die Gesellschaften üben gegenwärtig keine Siedlungstätigkeit aus. " Sie werden doch nicht im Ernst erwarten, daß ich diesen Ungeist des Kalten Krieges lediglich ohne Aussprache zur Kenntnis nehme! Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Horst Eylmann (CDU/CSU) zur Abstimmung über die Gesetzentwürfe eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes — Verjährung von Sexualstraftaten an Kindern und Jugendlichen (Tagesordnungspunkt 7) Dem Antrag, die Verjährung bis zum 18. Lebensjahr des Opfers ruhen zu lassen, kann ich nicht zustimmen. Das würde bedeuten, daß eine Frau bis zum 37. Lebensjahr mit einer Anzeige warten könnte, wenn sie als Vierzehnjährige vergewaltigt worden ist. Der Täter könnte 24 Jahre nach der Tat noch angeklagt werden. Nach diesem Zeitablauf noch den sicheren Beweis der Tat führen zu können, ist illusionär. Selbst wenn dies gelänge, würde der Täter mit einer niedrigen Strafe davonkommen, weil nach ständiger Rechtsprechung der lange Zeitraum zwischen Tat und Verurteilung strafmildernd zu berücksichtigen wäre. Das Opfer müßte dies als Verhöhnung betrachten, wenn es überhaupt bereit wäre, sich der Tortur des Gerichtsverfahrens zu unterwerfen. Das Ruhen der Verjährung bis zum 14. Lebensjahr des Opfers anzuordnen, ist schon das Höchstmaß dessen, was unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten und im Hinblick auf Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention zu verantworten ist. Der weitergehende Antrag ist der geradezu klassische Fall einer populistischen Reaktion auf eine Stimmungslage in der Bevölkerung. Da er mit Sicherheit nicht zu mehr Verurteilungen führen wird, tendiert seine abschreckende Wirkung gegen Null. Würde ich zustimmen, würde ich alles, was ich in 40 Jahren an Wissen und Erfahrung über das Strafrecht, seine Wirksamkeit und seine Grenzen, gesammelt habe, über Bord werfen. Dazu bin ich nicht bereit. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 19521* Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 9 (Gesetzentwurf zur abschließenden Erfüllung der verbliebenen Aufgaben der Treuhandanstalt) Manfred Hampel (SPD): Mit der heutigen Lesung des Gesetzentwurfes zur abschließenden Erfüllung der verbliebenen Aufgaben der Treuhandanstalt werden die Grundlagen für wirtschaftspolitische Weichenstellungen vorgenommen, deren Zeitrahmen weit über den hinausgeht, der ursprünglich von der Bundesregierung für die zentralstaatlichen Aufgaben der Treuhandanstalt vorgegeben war. Ein paar Bemerkungen zum vorausgegangenen Gesetzgebungsverfahren und zur konzeptionellen Vorbereitung der Umstrukturierung: Schon lange vor der ersten Lesung des Gesetzentwurfes am 4. März 1994 haben sich der Treuhand- und der Haushaltsausschuß mit den von der Treuhandanstalt und der Bundesregierung vorgelegten Konzepten zur Treuhandnachfolge befaßt. Nach einer von der SPD angeregten Expertenanhörung wurden deutliche Verbesserungen der ursprünglichen Vorstellungen erzielt. Bundesregierung und Treuhandanstalt wollten fast alle Nachfolgeeinrichtungen in private Hände geben und damit dem parlamentarischen Einfluß entziehen. Um diese für das Parlament völlig unerträglichen Absichten zu verhindern, hat die SPD bis zuletzt versucht, eine einvernehmliche Regelung zwischen Koalition und Opposition zu erreichen. Nach der ersten Lesung und den Ausführungen der Abgeordneten Herr Türk und Herr Dr. Pohler war ich recht zuversichtlich, einen Konsens erreichen zu können. Mit dem Beschluß vom 9. März 1994 in Treuhand- und Haushaltausschuß hatte sich diese Zuversicht verfestigt. In einem Gespräch der Obleute beider Ausschüsse wurde vereinbart, auf der Grundlage des Berichts zum Konzept der Neuorganisation der Treuhandanstalt vom 11. April 1994 einen gemeinsamen Beschluß vorzubereiten. Dies ist auf Referentenebene geschehen. Zu weiteren Beratungen auf der Ebene der Obleute kam es jedoch nicht, da die Koalition den Weg des Konsenses einseitig aufgekündigt hat. Ein letzter Versuch, durch Zustimmung zu dem haushaltspolitisch orientierten Beschluß vom 20. April 1994 im Haushaltsausschuß Einlenken zu erreichen, ist ebenfalls gescheitert. Vielmehr hat die Koalition mit ihrer Mehrheit im Treuhand-Ausschuß einen eigenen Beschluß durchgesetzt und unseren gleichzeitig eingebrachten Beschlußvorschlag abgelehnt. Da damit der Weg eines Konsenses aufgekündigt war, bringen wir folgerichtig unsere SPD-Positionen wieder im vollem Umfang ein. Sie finden ihren Niederschlag in dem heute von der SPD-Bundestagsfraktion eingebrachten Antrag zur Änderung des Nachfolgegesetzes. Inhaltlich sind wir in den zehn folgenden Punkten anderer bzw. weitergehender Auffassung als die Koalition: Erstens. Die Tätigkeit der Treuhandnachfolge bzw. deren Töchter betrifft fast ausschließlich das Gebiet und die Aufgaben der neuen Länder. Nach dem föderalen Charakter unserer bundesstaatlichen Verfassung stehen den einzelnen Ländern mindestens Mitwirkungs- und Mitspracherechte zu, damit sie ihrer regional- und strukturpolitischen Verantwortung gerecht werden können. Während wir dies für die einzelnen Nachfolgeeinheiten BVS, DISOS, TLG und BVVG konkret festgelegt haben wollten, hat die Koalition in ihrem Beschluß dazu nur einen Satz mit bestenfalls FeigenblattCharakter. Unsere Anträge, die den Ländern weitergehende Mitsprache- und Mitwirkungsrechte sichern sollten, wurden im Ausschuß abgelehnt. Mit unserem Änderungsantrag stellen wir dies im Plenum erneut zur Abstimmung, da wir der Auffassung sind, daß den Ländern diese Rechte zukommen sollen, aber auch die daraus erwachsenden Pflichten. Es gibt ernst zu nehmende Auffassungen, daß die jetzigen Regelungen spätestens nach 1995 verfassungswidrig sind. Unser Vorschlag, ein Expertengespräch zu verfassungsrechtlichen Fragen zu führen, wurde nicht realisiert, sondern ist der Eile, die plötzlich eingekehrt ist, zum Opfer gefallen. Dies halte ich für leichtfertig, da die Regelungen zur Treuhandnachfolge erneut in Frage gestellt sind, wenn ein Land, z. B. nach den Wahlen, Klage beim Bundesverfassungsgericht erhebt. Zweitens. Die parlamentarischen Kontroll- und Einflußmöglichkeiten in den Treuhand-Nachfolgeeinrichtungen sollen gesichert werden. Allerdings wird die Bundesregierung für die jetzt vorgesehenen Ausgründungen dem Parlament keine Einzelkonzepte mehr vorlegen. In einem Wahljahr, in dem praktisch keine Haushaltsberatungen für das kommende Jahr stattfinden, ist dies ein hohes Risiko und sehr viel, ich bin der Auffassung, zu viel Vertrauen in den guten Willen der Führungsstrukturen der Nachfolgeeinheiten. Das gleiche gilt für die Wahrung der Kontroll- und Prüfungsrechte des Bundesrechnungshofes. Drittens. Auch die Forderungen nach Reduzierung des Stellensolls, der Vergütungsstruktur und nach Einschränkung der Zahl der externen Berater werden sich ohne Vorlage von Einzelkonzepten für die Nachfolgeeinheiten und Beratungen im Parlament als Papiertiger erweisen, zumal die Papiere des BMF in bezug auf die Anzahl der Mitarbeiter stark fehlerbehaftet sind. Aufschluß könnten nur konkrete Konzepte für die einzelnen Nachfolgeeinheiten geben. Unsere Forderung ist: Vor dem endgültigen Abschluß von Personalverträgen ist dem Ausschuß Treuhandanstalt ein Personalstatut für diese vorzulegen. Nur dann kann das Parlament z. B. mitentscheiden, wie viele Geschäftsführer nötig sind, und exzessive Gehaltsvorstellungen eindämmen. Viertens. Die SPD hatte auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten eine strenge zeitliche Befristung der eigentlichen Treuhandnachfolge und eine verfahrensmäßige Regelung für den Übergang gefordert. Dies ist aber nur für die hoheitlichen Restaufgaben ab 1997 vorgesehen. Für die restlichen, nicht hoheitlichen Aufgaben ist die Rede nur noch davon, daß diese bis Ende 1996 weitestgehend erledigt sein sollen. Ein verfahrensmäßiger Übergang ist nicht festgeschrieben. Wie aus Pressemeldungen zu entnehmen ist, ist der Privatisierungsgedanke für das 19522* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 Vertragsmanagement, wenn auch zu einem späteren Zeitpunkt, weiterhin aktuell. Ein hanebüchener Unsinn, wenn man bedenkt, daß dann ausschließlich die langfristigen, für große strukturbestimmende Unternehmen abgeschlossenen Verträge zur Kontrolle anstehen. Fünftens. Nicht sichergetsellt ist auch, daß bei zukünftigen Privatisierungen die Treuhand-Nachfolgeeinrichtungen den Personalanpassungsprozeß wie bisher sozial abfedern sollen. Die Bundesregierung ist offensichtlich nicht bereit, dieses soziale TreuhandMandat zu verlängern. Und ich darf an dieser Stelle einfügen, daß die Treuhandanstalt in diesem Bereich Positives geleistet und viel Lob erfahren hat. Wir fordern, daß sich insbesondere die BeteiligungsManagement-Gesellschaft zukünftig aktiv für die Weiterführung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente einsetzt. Unser Antrag, dies als rechtliche Verpflichtung in das Gesetz aufzunehmen, wird von der CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt. Das ist ihr wahres Gesicht! Sechstens. Mit seinem Beschluß vom 12. April diesen Jahres hat der DGB unter anderem die stärkere Mitbestimmung und Mitwirkung der unmittelbar betroffenen Arbeitnehmer und Gewerkschaften bei der Erfüllung der Treuhandaufgaben gefordert. Dies entspricht unseren seit Jahren gegenüber Bundesregierung und Treuhand-Spitze ausgesprochenen Aufforderungen, die Arbeitnehmerseite mit in die Umstrukturierungsprozesse einzubeziehen. Doch dies ist nur selten, viel zu selten, geschehen. Darum fordert die SPD, Anhörungs- und Informationsrechte für Betriebsräte im Nachfolgegesetz festzuschreiben. Siebtens. Statt die verfehlte Politik der schnellen Privatisierungen um jeden Preis fortzusetzen, soll die Beteiligungs-Management-Gesellschaft im Bereich ihres operativen Geschäfts neben der Privatisierung die notwendige aktive Sanierung der einzelnen Betriebe unterstützen. Bei diesen Unternehmen ist der Vorrang der Sanierung vor der Privatisierung zu gewährleisten. Es ist sicher nicht zu erwarten, daß bei den verbleibenden Unternehmen, die nach fast vier Jahren Privatisierungsbemühungen noch immer im Treuhandbestand sind, ein schneller Verkauf möglich ist. Was diese Unternehmen brauchen, ist die notwendige Ruhe zur Umstrukturierung, einen angemessenen Zeitraum und die dafür notwendige Finanzausstattung. Ein dann gesundetes Unternehmen ist bestimmt leichter zu privatisieren. Achtens. Zu den bedeutendsten Zukunftsaufgaben in Ostdeutschland zählt die Liegenschaftspolitik. In diesem Bereich werden mit der Nachfolgeregelung Weichen gestellt, die für viele Generationen bestimmend sein werden. Hierzu wird sich mein Kollege Gerald Thalheim im einzelnen äußern. Im Augenblick bleibt festzustellen, daß die Bundesregierung das Parlament bisher nicht ausreichend über die Details der beabsichtigten Strukturen bei den Nachfolgegesellschaften informiert hat. Neuntens gilt dies insbesondere für die Ausgründung des Datenverarbeitungs- und Service-Bereiches — DISOS. Bisher waren wir nicht in der Lage, diesen Komplex ausreichend zu beurteilen. Im KienbaumGutachten stehen mehr Fragen als Antworten. Verdachtsmomente, die Ausgründung und eine mögliche spätere Privatisierung zugunsten einer großen Datenverarbeitungs-Firma und zur stillschweigenden Versorgung leitender Treuhand-Mitarbeiter mit lukrativen Geschäftsführerposten zu nutzen, sind bisher nicht ausgeräumt. Ich werde den Eindruck nicht los, da gibt es unheilige Allianzen. Und ich frage mich: Wo bleiben denn die marktwirtschaftlichen Ordnungspolitiker? Es gibt überhaupt keinen Grund, einen quasi staatlichen Subventionsempfänger gegen die rein marktwirtschaftlich agierenden DatenverarbeitungsAnbieter in einen ungleichen Wettbewerb zu schikken! Ich kündige bereits jetzt an, daß die SPD im Haushaltsausschuß alle Möglichkeiten ausschöpfen wird, um diese Ausgründung kritisch zu begleiten. Zehntens. Bevor ich zum Schluß komme, noch kurz zur Altlastenregelung: Die SPD hat hierzu im Sinne der neuen Länder einen Vorstoß unternommen, um diesen eine besseren Kalkulationsgrundlage zu geben. Dieser wurde schlichtweg abgelehnt. Von sachlicher Arbeit ist auch hier wenig zu spüren. Bei der ersten Lesung des Nachfolgegesetzes am 4. März diesen Jahres habe ich die lach- und fachgerechte Mitarbeit meiner Fraktion angeboten. In wichtigen Punkten haben wir dadurch gute oder bessere Lösungen erreicht. Lassen Sie mich dieses Angebot für die Zukunft erneuern: Einmal gilt dies für die kritische Begleitung der Arbeit der Treuhand-Nachfolger. Dies gilt jedoch viel mehr für den Wiederaufbau der zusammengebrochenen Industrie in Ostdeutschland. Lassen Sie mich daher meinen Beitrag mit einem Appell beenden, einem Appell, neue Felder zu erschließen, einem Appell, unkonventionell zu denken und zu handeln, einem Appell, in Ostdeutschland blühende Industrielandschaften aufzubauen, d. h. neue, andere Bedingungen zu schaffen, damit sich die Voraussagen des Herrn Bundeskanzlers nun doch in einem für die Menschen erlebbaren Zeitraum realisieren lassen. Josef Hollerith (CDU/CSU): Nachdem heute endgültig die Weichen für das Ende der Treuhand und für die Nachfolgelösung gestellt werden, möchte ich einige grundsätzliche Ausführungen machen. Ausdrücklich nehme ich die Treuhandanstalt gegen die Angriffe der SPD in Schutz. Dafür gibt es auch prominente Experten, die die gleiche Auffassung vertreten. So analysierte in ihrem jüngsten Monatsbericht die Deutsche Bundesbank ausführlich „die Finanzen der Treuhandanstalt" und kommt zu dem Schluß, daß eine noch stärkere Beteiligung der Treuhand an der Sanierung der übernommenen Unternehmen mit noch höheren Belastungen für den Staatshaushalt und noch größeren Kosten für die Volkswirtschaft verbunden gewesen wäre. Die Experten der Notenbank sprechen von dem „ordnungspolitischen Erfordernis einer möglichst raschen Privatisierung" und treten dafür ein, die Umwandlung der früheren Staats- und Planwirtschaft in eine private Marktwirtschaft möglichst bald zum Abschluß zu bringen. Ein weniger zügiges Privatisierungstempo und eine noch stärkere Sanierungsbeteiligung der Treuhandanstalt wären im Ergebnis mit noch höheren fiskalischen sowie volkswirtschaftlichen Kosten teuer erkauft worden. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 19523* Zu den außergewöhnlichen Schwierigkeiten, mit denen die Treuhand zu kämpfen hatte, zählt die Bundesbank die ursprünglich bei weitem zu optimistischen Vorstellungen über die Werthaltigkeit des Volksvermögens in der DDR. Hinzu kam der scharfe Wettbewerb, dem sich die Produzenten in den neuen Ländern gleichsam über Nacht ausgesetzt sahen, sowie der große Produktivitätsrückstand gegenüber den westlichen Anbietern. Dies löste zusammen mit dem rasch voranschreitenden Zusammenbruch des RGW und der Märkte in den Ländern des früheren Ostblocks eine akute Absatz- und Ertragskrise aus. Hinzu kam nach Meinung der Bundesbank der Lohnkostenschock durch die rasche Annäherung der Löhne und Gehälter an das westliche Niveau als hausgemachte Fehlentwicklung. Die Treuhandanstalt ist, historisch betrachtet, ohne Vorbild. Die SPD, die von dem Urvater des realen Sozialismus, Karl Marx, aus verwandtschaftlichen Gründen zu retten versucht, was sie retten kann, mag daran herumdeuteln, soviel sie will. Die Treuhand hat die Aufgabe, den Konkurs des Kommunismus abzufangen, und hat dies in überraschend kurzer Zeit und mit überraschend geringen Reibungsverlusten gemeistert. Dr. Hermann Pohler (CDU/CSU): Die Zukunft der Treuhandanstalt, über die wir heute hier debattieren, heißt mehr als die Veränderung von Organisationsstrukturen. Die Zukunft der Treuhandanstalt bedeutet, Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine zügige und effektive Erledigung der Restaufgaben für die Zukunft gewährleisten. Das heißt, daß wir mit unseren Entscheidungen einen Beitrag dafür leisten müssen, daß der Transformationsprozeß, daß die Umstrukturierung der Staatswirtschaft der DDR in eine funktionierende Marktwirtschaft alsbald zu einem Ende geführt werden kann. Die Übergangsphase und die dafür zentrale Rolle der Treuhandanstalt wird beendet; der schrittweise Eintritt in die Normalität kann erfolgen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung findet unsere Zustimmung, weil wir davon überzeugt sind, daß mit dem Konzept zur Neuorganisation der Treuhandanstalt die richtigen Signale gesetzt werden und ein geeigneter Rahmen geschaffen wird. Das Konzept, das hier vorgestellt wurde, ist überzeugend. Ich will es hier nicht erneut darstellen, sondern möchte mich auf Einzelheiten beschränken. Hervorzuheben ist zum Beispiel, daß die Aufgaben des Vertragsmanagements nicht ausgegründet werden. Die Betreuung und Überwachung der weit über 40 000 Verträge ist eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe. Es geht dabei um einen Finanzspielraum von mehr als 45 Milliarden DM. Dieser Bereich wird in die eigentliche Nachfolgeeinrichtung der Treuhandanstalt, der BVS, integriert. Wir haben bei dem Konzept unsere Handschrift hinterlassen, es ist uns in konstruktiver Zusammenarbeit mit der Bundesregierung gelungen, unsere Überlegungen in die Ausgestaltungen einzubringen. Für das Engagement, für die vielen hilfreichen Anstöße aller Beteiligten, für die sachverständige Begleitung des Konzepts möchte ich allen danken. Ich finde, wir haben ein gutes Ergebnis erzielt. Um so unverständlicher ist für mich daher auch der Zickzackkurs, den die SPD hier eingeschlagen hat. Erst kümmert sich die SPD kaum um inhaltliche Fragen, dann — nach Vorlage eines veränderten Konzepts — stimmt sie erst zu, dann stimmt sie dagegen. Die SPD zeigt wieder einmal, daß sie keine konstruktive Politik machen will, sie zeichnet sich vielmehr durch untaugliches Manövrieren aus. Will oder kann die SPD z. B. die Feststellung des Sachverständigenrates nicht zur Kenntnis nehmen, daß die privatisierten Betriebe weitestgehend schwarze Zahlen schreiben, während Treuhandbetriebe negative Bilanzen ausweisen. Zumindest sollte dies auch für sie Anlaß sein, darüber nachzudenken, ob nicht doch der von uns vertretene Grundsatz „Privatisierung ist die beste Sanierung" richtig ist. Wenn es nach der SPD gegangen wäre, wären noch weit höhere fiskalische und volkswirtschaftliche Kosten entstanden; eine Verbesserung der Lage der Unternehmen wäre aber nicht eingetreten. Als Abgeordneter aus den neuen Ländern will ich mich auf einen zentralen Punkt konzentrieren: Das sind die Mitwirkungsrechte der Länder, das heißt angemessene Einbeziehung der Länder in die Aufgabenerfüllung für die Zeit nach 1994. Wir haben durch den Beschluß der Mitglieder der Regierungskoalition im Ausschuß Treuhandanstalt klargemacht, daß der Verantwortung der Länder in den Fragen der Struktur- und Regionalpolitik angemessen Rechnung zu tragen ist. Wir müssen uns verdeutlichen, daß die bereits bestehenden Mitwirkungsrechte auch bei den Nachfolgeeinrichtungen der Treuhandanstalt erhalten bleiben und ausgebaut werden. So werden die Länder auch weiterhin im Verwaltungsrat der BVS vertreten sein, sie werden Sitze im Aufsichtsrat der TLG erhalten, sie werden auch im Beirat der BMG beteiligt werden. Ich will auch im Hinblick auf die nach 1994 noch zu privatisierenden Unternehmen an die Verantwortung der Länder appellieren. Sanierungsfähige Unternehmen können, ausgestattet mit ausreichendem Sanierungskapital, in die Verantwortung der Länder übergehen. Aber die Länder müssen sich im klaren darüber sein, daß sie dann auch die Finanzverantwortung für diese Unternehmen tragen. Zur weiteren Sicherung und Ausgestaltung der Mitwirkungsrechte werden zur Zeit zwischen Bund und Ländern weitere Gespräche geführt, ich will und ich kann dem nicht vorgreifen. Ich bin aber davon überzeugt, daß das Ergebnis den nachvollziehbaren Interessen der neuen Lander gerecht werden wird. Dr. Gerald Thalheim (SPD): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Nachfolge der Treuhandanstalt fällt eine wichtige Entscheidung über die weitere Entwicklung der Wirtschaftsstruktur in den neuen Bundesländern. Auch wenn die Treuhandanstalt die Privatisierung der ehemaligen volkseigenen Betriebe weitgehend abgeschlossen hat, bleiben noch unzählige Immobilien im Besitz der Treuhandliegenschaftsgesellschaft und der BVVG. Die Art und Weise der Privatisierung dieser Immobilien wird ausschlaggebend sein, in welchem Umfang ortsansässige Existenzgründer und Mittelständler insbesondere im 19524* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 Bereich des verarbeitenden Gewerbes eine Chance erhalten. Angesichts der Bedeutung dieser Frage droht erneut der Streit aufzubrechen, ob eine industriepolitische bzw. strukturpolitische Schwerpunktsetzung erforderlich ist oder nicht. Von Anfang an hat die SPD die Auffassung vertreten, daß die Umgestaltung der ostdeutschen Industrie nicht ohne eine industriepolitische Orientierung auskommt. Eine solche Prioritätensetzung wurde von seiten der Bundesregierung mit dem Hinweis auf die Regeln der Marktwirtschaft abgelehnt. Dem ist entgegenzuhalten, daß bewußt oder unbewußt die Treuhandanstalt mit ihren Privatisierungsentscheidungen Strukturpolitik gemacht hat. Wie verhängnisvoll sich das in der Vergangenheit ausgewirkt hat, belegt allein die Tatsache, daß bezogen auf Arbeitsplätze, ganze 6 % der Verkäufe der Treuhandanstalt an Ostdeutsche getätigt wurden. Die künftige Frage lautet also nicht, ob die Treuhandnachfolgegesellschaften Strukturpolitik machen oder nicht, sondern sie lautet, ob neben Haushaltsgesichtspunkten auch strukturpolitische Schwerpunkte gesetzt werden. Diese Entscheidungen betreffen allerdings nicht nur Industrie und Gewerbe, sondern auch die Landwirtschaft. Auch wenn die THA gegenwärtig nur noch mit 8 % an der Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft (BVVG) beteiligt ist, kann der Einfluß der THA und des Bundes auf die weitere Verwertung von land-und forstwirtschaftlichen Flächen nicht hoch genug eingeschätzt werden. Wir fordern eine Zielstellung, die den spezifischen Bedingungen in den ländlichen Regionen der neuen Bundesländer Rechnung trägt. Fehler der Vergangenheit dürfen nicht wiederholt werden. Bei der Privatisierung der Flächen sowohl im landwirtschaftlichen als auch im gewerblichen Bereich müssen verstärkt ostdeutsche Bewerber berücksichtigt werden. Das Ziel ist nur dann zu erreichen, wenn den Betroffenen ein entsprechendes Mitspracherecht eingeräumt wird. In der Vergangenheit ist das leider zu kurz gekommen. Auch der neue Gesetzentwurf läßt keine Besserung erwarten. Besonders nachteilig wird sich das im Bereich der BVVG und der TLG auswirken. Beide Gesellschaften stellen mit ihren Privatisierungsentscheidungen strukturpolitische Weichen von Dauer. Wenn sich schon die Parlamentsmehrheit nicht darauf verständigen konnte, ein Mitentscheidungsrecht im Gesetz zu verankern, fordern wir, daß der BVVG zumindest ein Beirat zur Seite gestellt wird, wie das bereits bei der Unternehmensgruppe Land- und Forstwirtschaft praktiziert wird. Vertreter ostdeutscher Interessen aus den Parlamenten und Verbänden sollten in diesem Beirat eine Mehrheit haben, damit nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden werden kann, wie das in der Vergangenheit leider allzuoft der Fall war. In bezug auf die Nachfolgeorganisationen der Treuhandanstalt fällt die BVVG etwas aus dem Rahmen. Im Gegensatz zur TLG haben hier die Banken als Gesellschafter das Sagen. Es ist zu fragen, ob diese Konstruktion heute noch ihre Berechtigung hat. Sie war meines Wissens bei der Gründung gewählt worden, um eine Vorfinanzierung der Verkäufe zu tätigen um den Bundeshaushalt zu entlasten. Da diese Regelung nicht zum Tragen kam, ist damit auch die sachliche Grundlage für die damalige Entscheidung entfallen. Heute deuten sich zunehmend Interessenkonflikte zwischen den Gesellschaftern und dem Bund an, der für die Verwertung die politischen Vorgaben macht. Wichtig ist, daß auch künftig nicht rein fiskalische Gesichtspunkte die Entscheidungen der BVVG bestimmen, sondern die Privatisierung der land- und forstwirtschaftlichen Flächen so vorgenommen wird, daß ostdeutsche Bewerber ihre Chancen erhalten. Aufgrund der Probleme bei der Kapitalbeschaffung heißt das, daß der Verpachtung auf längere Sicht der Vorrang vor dem Verkauf eingeräumt wird. Das muß im gewerblichen Bereich auch die Vergabe von Erbbaurechten einschließen. Nur so ist zu gewährleisten, daß nicht zuviel Kapital für den Kauf der Immobilie gebunden wird, das später bei der Finanzierung von Investitionen und des laufenden Betriebes fehlt. Im landwirtschaftlichen Bereich kommt hinzu, daß der Verkehrswert von Grundstücken weit über dem Ertragswert liegt und deshalb ein Kauf von Flächen bestenfalls steuerlich, aber keinesfalls betriebswirtschaftlich zu begründen ist. Darüber hinaus muß ein ausreichender Spielraum geschaffen werden, daß der Landbesitz in öffentlicher Hand auch für öffentliche Zwecke verwendet werden kann, das heißt ganz konkret, daß die Aufgaben der Kommunen insbesondere in den ländlichen Regionen ihre Berücksichtigung finden. Außerdem dürfen die Belange des Umwelt- und Naturschutzes nicht vernachlässigt werden. Es macht wenig Sinn, Flächen möglicherweise durch das Siedlungskaufprogramm subventioniert zu privatisieren und dann anschließend dem Eigentümer mit erheblichen öffentlichen Mitteln Ausgleichszahlungen für Nutzungsbeschränkungen aus Gründen des Umwelt- und Naturschutzes zu gewähren. Aufgrund dieser Überlegungen wäre es sinnvoll, den land- und forstwirtschaftlichen Besitz langfristig in ein Sonder- oder Zweckvermögen zu überführen, das den Gegebenheiten der landwirtschaftlichen Nutzung besser Rechnung trägt als die gegenwärtige Regelung. Die Menschen in den Dörfern wollen endlich verläßliche Entscheidungen, die ihnen eine sichere Perspektive in die Zukunft eröffnen. Wilfried Seibel (CDU/CSU): Für den Aufbau und Umstrukturierungsprozeß der ostdeutschen Wirtschaft hat die Treuhandanstalt eine Schlüsselrolle. Es gehört zu ihren Kernaufgaben, die ihr anvertrauten Unternehmen wettbewerblich zu strukturieren und vor allen Dingen zu privatisieren. Die Treuhandanstalt ist von ihrer ordnungspolitischen Einordnung und Konstruktion ein Unikum, eine Einrichtung suis generis, die es in vergleichbarer Form nicht gibt. Weil dies so ist, stand und steht, die Treuhandanstalt von ihrer ersten Stunde an unter zweitseitigem Beschuß. Sozialisten und Staatswirt- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 19525* schartler erwarten von ihr mehr Staatswirtschaft, und eingeschworene Marktwirtschaftler vermuten, leider gelegentlich auch zu Recht, daß im marktwirtschaftlichen Schafspelz eigentlich der staatspolitische Wolf stecke. Die Treuhandanstalt hat große Verdienste erworben, sie hat ihre Arbeit ganz überwiegend gut gemacht und ist deshalb auch in dieser Debatte zu Recht gelobt worden. Natürlich ist und war es dem Image der Treuhandanstalt abträglich, daß sich bei dem hohen Privatisierungstempo in der riesigen Verwaltung nicht nur edle Ritter tummelten, sondern auch miese Glücksritter ihr Unwesen getrieben haben. Der Bundestag versucht durch seinen Untersuchungsausschuß einigen dieser Untaten auf die Spuren zu kommen, wobei der angerichtete Vertrauens- und Geldschaden sicherlich nicht geheilt werden kann. Hinsichtlich Konstruktion und Aufgabenstellung ist die Treuhand historisch betrachtet ohne Vorbild. Sie ist ein effektives Transformationsinstrument der Wirtschaftspolitik und nicht in das traditionelle Sektorenschema der Volkswirtschaft einzuordnen. Sie wird der Unternehmenssphäre zugerechnet, aber schon vom Gesetzesauftrag her ist sie dem öffentlichen Sektor zu zurechnen. Sie betreibt Ihre Geschäfte im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, steht aber mit ihrem Handeln unter der Fach- und Rechtsaufsicht des Bundesministers der Finanzen. Viele von uns, und ich bekenne, auch ich selbst, haben sich über die Werthaltigkeit des Staatsvermögens der ehemaligen DDR Illusionen gemacht. So müssen wir bedauerlicherweise heute feststellen, daß aus dem Handeln der Treuhandanstalt an ihrem Ende kein Erlös, sondern ein beträchtlicher Verlust stehen wird. Ende 1994 läuft wie von Vorrednern näher dargestellt die gesetzliche Verfassung der Treuhandanstalt aus. Wir hatten in den Beratungen des Ausschusses mit der Treuhandanstalt und der Bundesregierung zu entscheiden, wie die neue Ordnung sein sollte. Auch das ist bereits ausführlich dargestellt worden. Für die heutige Entscheidung hatten wir u. a. abzuwägen: Soll nach wie vor Privatisierung vor Sanierung stehen oder umgekehrt? Sollen die verbleibenden Aufgaben strukturpolitischen Zielen untergeordnet werden? Sind arbeitsmarktpolitische Argumente stärker als vorher zu gewichten? Sollen Aufgaben ganz oder teilweise auf die Länder übertragen werden? Es war auch zu diskutieren, ob die Bewältigung der jetzt verbliebenen Aufgaben eher in privater oder eher in öffentlich-rechtlicher Form wie bisher durchzuführen ist. Das scharfe Privatisierungstempo, das die Treuhand bei anderen vorgelegt hat, wäre eigentlich ihr selbst auch zu verordnen gewesen. Der Beibehalt der eher öffentlich-rechtlichen Form war sicherlich nicht zwingend. Ich denke jedoch, daß ein Beispiel deutlich belegt, daß wir den jetzt eingeschlagenen Weg gehen sollten. Ich hoffe, alle Parteien dieses Hauses werden sich diesem Votum anschließen. Hätten wir, wie beabsichtigt, große Flächen aus dem derzeitigen landwirtschaftlichen Grundvermögen umgewidmet und zu Entwicklungsflächen in die Treuhandliegenschaftsgesellschaft eingestellt, wäre uns sicherlich nicht der Vorwurf erspart geblieben, hier habe der Staat billig fremdes Eigentum mit Steuergeldern aufgewertet, um für die eigene Staatskasse Spekulationsgewinne einzustreichen. Das Risiko, daß solche möglichen Gewinne nicht in die richtigen, sondern in falsche Taschen geflossen wären, war gemäß der menschlichen Natur nicht auszuschließen. Ich denke, es ist deshalb richtig, daß wir uns dafür entschieden haben, im wesentlichen so weiterzumachen wie bisher, das Tempo der Privatisierung nicht zu verlangsamen und die strukturpolitischen, arbeitsmarktpolitischen und sonstigen Spannungsfelder in der Einzelentscheidung geduldig zu diskutieren und auszutragen. Anders ausgedrückt: Die Bewältigung der Restaufgaben verlangt weiterhin ein hohes Tempo, sie braucht engagierte Mitarbeiter, aber sie braucht vor allem ein schnelles Ende. Auf diesem Weg kann das Parlament in der jetzigen Form besser mitberaten, Ideen einbringen, kontrollieren und letztlich Entscheidungen treffen. Ich denke, dies ist ein guter und richtiger Weg, den wir um des Zieles willen gut verantworten können. Paul K. Friedhoff (F.D.P.): Die heutige Abschlußdebatte zur Treuhandnachfolgeregelung markiert einen Abschluß der ersten Phase der Wiedervereinigung Deutschlands. Der Konkurs der Kommandowirtschaft ist weitgehend abgewickelt, so daß nun auch die Konkursverwalter neue Aufgaben suchen können. Dieser Schritt in die wirtschaftliche Normalität kann nur erfolgen, weil die Führung der Treuhandanstalt und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in schwierigstem wirtschaftlichen Umfeld mit großem Engagement daran gearbeitet haben, sich selbst überflüssig zu machen. Dafür gebührt ihnen unser respektvoller Dank. Die heute abschließend zur Beratung anstehende Gesetzesvorlage hat eine für Wahlkampfzeiten typische Geschichte hinter sich. Zunächst wurden die Vorstellungen der Betroffenen, also der Regierung und der Treuhandanstalt, mit denen der Fraktionen dieses Hohen Hauses abgeglichen. Nach Hinzuziehen von außerparlamentarischem Sachverstand ergab sich eine weitgehende Übereinstimmung zwischen Parlament und Regierung. Die ersten Beschlüsse und Empfehlungen sowohl im Haushalts- als auch im Treuhandausschuß wurden folgerichtig einvernehmlich getroffen. Doch die Opposition hat in den letzten Tagen wieder bewiesen, daß Wahlkampf '94 für sie nur bedeutet, sich von der Regierung und in diesem Fall sogar von eigener Mitarbeit abzusetzen. Dabei gehen Sachargumente über Bord; es wird gestritten um des Streitens willen. Wir meinen, daß dies nicht der Weg sein kann, sich für verantwortungsvollere Aufgaben zu qualifizieren. 19526* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 Dies wird der Wähler erkennen und der Opposition die Quittung geben. Es ist Konsens, daß viele der Aufgaben der Treuhandanstalt erledigt bzw. weitgehend abgearbeitet sind. Die noch zu erledigenden Aufgaben müssen auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt werden. Deshalb ändern wir heute das Treuhandgesetz und heben die Satzung der Treuhandanstalt auf. Bei den Beratungen ergaben sich zwei grundsätzlich unterschiedliche Positionen. Die eine ging von der Aufteilung der Treuhandanstalt in mehrere eigenständige Gesellschaften aus, die dann, zumindest teilweise privatisiert, die Restaufgaben erledigen sollten. Die andere Vorstellung, die wir einvernehmlich bevorzugen, sieht vor, drei bundeseigene Gesellschaften zu gründen. Deren Aufgaben sollen, wenn immer möglich, privatisiert werden. Wir glauben, daß auch die Restaufgaben der Treuhandanstalt Aufgaben und Verpflichtungen sind, um die der Staat sich weiter kümmern muß und bei denen er sich nicht seiner Verantwortung entziehen kann. Bei den Vorstellungen, die Aufgaben neu gegründeten und danach weitgehend privatisierten oder mehrheitlich privatisierten Gesellschaften zu übertragen, wären die Aufsicht und die Kontrolle des Parlaments nur sehr schwer möglich gewesen. Außerdem sind Gesellschaften mit zeitlich begrenztem Auftrag und ständig abnehmendem Geschäft, also ohne einen wirklichen Markt, nur schwierig und teuer zu privatisieren. Einen Vorgeschmack dessen, was auf uns zugekommen wäre, erkennen wir bei der BVVG. Die Regelung „Kostenerstattung zuzüglich eines Aufschlages und gleichzeitig festgeschriebenes Auftragsvolumen" erinnert mich an eine KohlesubventionsFormel oder das Kostendeckungsprinzip beim Krankenhaus. Beides führt zu Unwirtschaftlichkeit und damit zu hohen Kosten. Das Kostendeckungsprinzip beim Krankenhaus haben wir vernünftigerweise im Zuge des Gesundheitsstrukturgesetzes abgeschafft. Wir wollen nicht einen Fehler durch einen anderen ersetzen. Deshalb haben wir uns für die Alternative entschieden, drei Gesellschaften mit sehr unterschiedlichen Aufgaben zu gründen: die BMG für die Unternehmen einschließlich der Wismut, die TLG für die Liegenschaften und die BVS als eigentliche Treuhandnachfolge. In allen drei Gesellschaften werden die Interessen der Länder ausreichend berücksichtigt. Die Opposition hat gestern dazu weitergehende Änderungswünsche im Ausschuß geäußert, die wir ablehnen mußten, da sie dem alten preußischen Grundsatz „Wer die Musik bestellt, muß sie auch bezahlen" bei weitem nicht entsprachen. Wir erwarten, daß vor allem in der BVS und in der TLG alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, Aufgabenbereiche nach Kriterien der Wirtschaftlichkeit an bereits bestehende Unternehmen zu vergeben. Damit kann ein weiterer Personalabbau einhergehen. Wir sind sicher, daß die zur Zeit vorgesehenen etwa 3 900 festen Mitarbeiter zu Beginn '95 noch erheblich gesenkt werden können. Im Zuge der Aufgabenprivatisierung werden sicherlich noch weitere Einsparpotentiale zu erkennen sein, die zu zusätzlicher Personalverminderung führen werden. Wir werden gerade diesen Bereich sorgfältig beobachten und, wenn notwendig, erneut außerparlamentarischen Sachverstand einbeziehen. Die Beschlüsse sehen weiter vor, die TOB sofort vollständig zu privatisieren. Es kann nicht die Aufgabe des Staates sein, den vielen in aller Welt erfolgreichen privaten Beratungsgesellschaften eine staatliche hinzuzufügen. Hier wird eine falsche Entwicklung korrigiert. Bei der DISOS, der DV-Informationssysteme, Organisation und Service GmbH, ist die Lage komplizierter, da sie als Rechenzentrum für die Treuhandanstalt entwickelt wurde. Eine Privatisierung und damit eine Freigabe vieler sensibler Daten erscheinen nicht unproblematisch. Außerdem wollen wir auf dem hart umkämpften Markt der Datenverarbeitung nicht noch unbedingt einen staatlichen oder zumindest mit Steuermitteln ausgestatteten Konkurrenten etablieren. Hier ist unsere Präferenz, daß sich die DISOS als staatlicher Dienstleister für öffentliche Einrichtungen mit nicht privatisierungsfähigen Aufgaben in der neu entstehenden Behördenlandschaft der Hauptstadt Berlin betätigt. Das Treuhandnachfolgegesetz faßt die noch verbliebenen Aufgaben in der Weise zusammen, daß ein weiterer Schritt hin zur Normalität der Wirtschaftsordnung auch in den jungen Bundesländern zügig gemacht werden kann. Es zeigt den Weg, wie die verbliebenen staatlichen Aufgaben schnell und wirtschaftlich erledigt werden können. Es gibt dem Parlament ausreichend Kontrollrechte, um auch seiner Aufgabe gerecht zu werden. Meine Fraktion wird dem Gesetz zustimmen. Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Vorliegen eines Gesetzentwurfes über die Zukunft der Treuhandanstalt gibt Anlaß zu einem kurzen Blick auf die Ergebnisse der Arbeit der Treuhand. Ist ihre Bilanz wirklich so positiv, wie Bundesregierung und Treuhand glauben machen wollen? Ein Beispiel. Der Prozentsatz der durch Vertragsstrafen gesicherten Arbeitsplätze — gemessen an der Anzahl der noch 1990 vorhandenen Arbeitsplätze — entspricht etwa dem Prozentsatz der durch Verwertung, also Abwicklung, erhaltenen Arbeitsplätze. Das hätte man einfacher haben können. Wie konnte eine solche Mammutbehörde mit einem zu erwartenden Abschlußsaldo von minus 275 Milliarden D-Mark zu einer solchen Arbeitsplatzbilanz gelangen? Nur wenn wir auf diese Frage eine ehrliche Antwort finden, können wir verantwortlich ein neues Treuhandgesetz auf den Weg bringen. Wir meinen, der vorliegende Entwurf genügt dieser Forderung in keiner Weise. Der Gesetzentwurf ist Ergebnis konservativen Denkens im negativen Sinne. Statt die vorhandenen erheblichen Schwachstellen aufzuzeigen und Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 19527* nachzudenken, wie man diese in Zukunft vermeiden kann, verpaßt man dem mißratenen Kind einen neuen Namen, räumt ihm noch mehr Freiheiten ein und läßt es weiter Unheil stiften. Viele Fehler lassen sich in der Tat nicht wiedergutmachen. Unternehmen sind in ihrer Sanierungsfähigkeit grob falsch eingruppiert worden, die Treuhand ist betrügerischen Investoren aufgesessen, weil sie deren Bonität nur schlampig geprüft hat, Vertragsverhandlungen sind nicht dokumentiert worden, und Arbeitsplatz- und Investitionszusagen nicht angemessen vertraglich abgesichert worden. Die verheerenden Folgen für die Menschen in den ostdeutschen Bundesländern sind bekannt und oft genug in diesem Hause diskutiert worden. Nur mit geeigneten Konsequenzen warten Koalition und Bundesregierung nicht auf. Fast alle Fehler haben ihre Ursache in der Konstruktion der Treuhand; wir haben seinerzeit darauf hingewiesen. Wesentliches Problemfeld hierbei ist die Aufsicht des Bundesministers der Finanzen über die Treuhandanstalt. Nach eigenen Angaben hat dieser eine „passive Aufsicht" geführt: Die Treuhand legte dem Finanzminister das vor, was sie für richtig hielt, und machte daneben, was sie wollte. Folgerichtig wurden dem Treuhandausschuß alle wirklich wichtigen Informationen über das Wirken der Treuhand vorenthalten, was zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses führte. Auch im Untersuchungsausschuß wird diese Verschleierungs- und Verdunklungspolitik vollzogen. Die Gründe liegen auf der Hand. Die wahren Ursachen für das Scheitern der Treuhandpolitik sollen nicht gerade im Wahljahr '94 namhaft gemacht werden. Deshalb werden zum Beispiel mit juristisch fragwürdigen Argumenten dem Untersuchungsausschuß die Protokolle des Treuhandverwaltungsrats vorenthalten. Die Treuhand nimmt bereitwillig die Rolle des Watschenmannes für das Versagen der Bundesregierung ein; sie braucht Wahlen nicht zu fürchten. Auch durch die Kräfte des Marktes ist sie nicht legitimiert. Gerade deshalb ist eine funktionierende Kontrolle unbedingt erforderlich. Der vorliegende Gesetzentwurf schreibt die Geschichte der Treuhand in die Zukunft fort, benennt die Anstalt anders und verlagert oder privatisiert Aufgaben. Damit entstehen für die Treuhand neue Spielräume, die Einflußmöglichkeiten der Länder verringern sich, und durch die Verlagerung von Aufgaben verschlechtern sich Kontrollmöglichkeiten. Das Unvermögen, Fehler zu erkennen und zu beheben, hat eine umfangreiche und weit in die Zukunft reichende Konsequenz. Zu dem gewaltigen Schuldenberg, den die Treuhand aufgehäuft hat und den die kommenden Generationen abzutragen haben, kommen beträchtliche Folgekosten für die Bezahlung von Arbeitslosigkeit und für eine Reindustrialisierung der ostdeutschen Bundesländer. Erforderlich ist zuallererst eine Verpflichtung aller Nachfolgegesellschaften der Treuhandanstalt, wettbewerbsfähige Arbeitsplätze zu schaffen. Ohne diese Zielsetzung verkommen die Treuhand und ihre Nachfolgegesellschaften zu einem Instrument von Partikularinteressen und sind für die langfristige Gesundung der wirtschaftlichen Situation in den neuen Ländern kontraproduktiv. Eine große Anzahl von Unternehmen kranken dauerhaft an den Folgen einer verfehlten Privatisierung. Diese Initialwirkung wirkt über Jahre fort und gefährdet Hunderttausende Arbeitsplätze. Die rechtliche Konsequenz der Situation ist strittig. Der Gesetzentwurf weist keinen Ausweg aus dem Dilemma. Eine Haftung der Treuhand für Fehler bei der Privatisierung, auch rückwirkend, wäre nicht nur für die betroffenen Unternehmen nützlich, sie böte auch die Gewähr, daß in Zukunft sorgsamer verfahren würde. Die Konstruktion von mehreren Nachfolgegesellschaften, die Aufgaben privatisieren können, läßt den Einfluß der Länder weiter schrumpfen. Bisher konnten die Länder über den Verwaltungsrat Entscheidungen der Treuhand mitgestalten. Doch dessen Bedeutung sinkt durch die Aufgliederung. Dies sollten die Ländervertreter bei der Beschlußfassung im Bundesrat bedenken. Ein Zustimmungsvorbehalt für Aufgabenübertragungen und erst recht für deren Privatisierungen durch die Ländervertreter im Verwaltungsrat wäre das Mindestmaß an nötiger Einflußnahme. Der Verweis auf ein damit nötigerweise einhergehendes finanzielles Engagement der Länder geht am Problem vorbei und ist der vordergründige Versuch, das Handeln der Treuhandanstalt jeder Kritik und Einflußnahme zu entziehen. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß nur ein bestimmter Bereich von Aufgaben privatisiert werden darf. Gerade die Gefahr der Verfolgung von Privatoder Firmeninteressen in einer privatrechtlich verfaßten Gesellschaft schließt zum einen bestimmte Aufgaben wie die Vertragskontrolle aus und erfordert andererseits eine gleichberechtigte Kontrolle auch dieser Nachfolgegesellschaften. Davon ist im Gesetzentwurf keine Spur. Auch die Information des Parlamentes und dessen Kontrollmöglichkeiten werden keineswegs verbessert. Durch die Aufgliederung und mögliche Privatisierung von Aufgaben verringern sich die ohnehin unzureichenden Möglichkeiten. In der Verwaltung und Verwertung der ostdeutschen Industrie wurde und wird ein vordergründig fiskalisches Problem gesehen. Jetzt, nachdem die Industrie in den neuen Ländern auf ein trauriges Skelett abgemagert ist — oder wurde? —, müßte eigentlich klar sein: Die verbliebenen Treuhandunternehmen haben in den meisten Fällen eine herausgehobene strukturpolitische Bedeutung. Damit wäre deren Erhalt und Sanierung eine originäre Aufgabe des Wirtschaftsministers. Bei ihm sollten die Nachfolgegesellschaften der Treuhand ressortiert werden. Allenfalls die Vertragskontrolle könnte beim Finanzminister verbleiben. Schon am Beginn der Treuhand war offensichtlich, daß eine Ausrichtung der Treuhandanstalt auf schnelle Privatisierung falsch war. Während der gesamten Arbeit der Treuhand erwies sich die nur auf betriebswirtschaftliche Entscheidungen orientierte 19528* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 Politik der Treuhand als verhängnisvoll. Allerspätestens jetzt müßte erkannt werden, daß die Privatisierung nur ein Mittel zum Zweck ist. Sie ist nicht der einzige — mit Bonuszahlungen für Treuhandchefs vergoldete — Weg. Wichtiger sind die Erhaltung und Sicherung von wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen. Diese Zielsetzung für alle Nachfolgegesellschaften verbindlich festzuschreiben ist unsere wichtigste Forderung. Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) (PDS/Linke Liste): Das vorliegende Gesetz zur abschließenden Erfüllung der verbleibenden Aufgaben der Treuhandanstalt war eine schwierige Geburt und ist wohl auch nur in Verbindung mit dem Ergänzungsbericht des BMF unter Ausschußdruckseiten 249 u. 259 konkret anzuwenden. Nach unserer Intention hätte man das Gesetz konkreter fassen müssen. Unser Antrag zur abschließenden Beratung im Ausschuß beinhaltete Konkretisierungen des Gesetzes. Er kam zugegebenermaßen sehr spät und fand keine Berücksichtigung, dennoch sind wir der Auffassung, daß die im Antrag geforderten Ergänzungen für die Fortführung und Kontrolle der Arbeit der Treuhandanstalt unerläßlich sind. Erstens. Das Gesetz ermöglicht die Verlagerung von Aufgaben der Treuhand unter anderem auf Einrichtungen des Bundes. Diese unterstehen dann in Wahrnehmung dieser Aufgaben dem Treudhandgesetz, haben aber durchaus auch andere Aufgaben wahrzunehmen und werden die Treuhandunternehmen unter ihren Gesichtspunkten behandeln. Wir fordern deshalb eine konrete Festlegung im vorliegenden Gesetz, die Nachfolgeorganisationen zu beauftragen, wettbewerbsfähige Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen sowie Industriestandorte zu entwickeln. Auch die Mitwirkung von Gewerkschaftsvertretern im Verwaltungsrat wird mit der Übertragung von Aufgaben an Nachfolgeorganisationen nicht klarer. Die Kompetenz der Gewerkschaften bei der Strukturgestaltung bleibt unbeachtet und wird nicht für die Schaffung von Arbeitsplätzen genutzt. Die Bundesregierung ist gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern der neuen Länder in der Pflicht, mit Hilfe der Treuhand aus dem vorhandenen Potential Arbeitsplätze zu schaffen, damit die Menschen ihr Leben selbst bestimmen können und Werte geschaffen werden. Diese Pflicht hat die Bundesregierung auch gegenüber den Steuer- und Beitragszahlern in West und Ost. Die Transferzahlungen für die fehlenden Arbeitsplätze in den neuen Ländern belasten die öffentlichen Kassen. Ein lebenswerter Standort Deutschland verlangt die Finanzierung von Arbeit statt Arbeitslosigkeit. Zweitens. Mit der Aufteilung der Aufgaben auf die Nachfolgeorganisationen werden die Einflußmöglichkeiten der neuen Länder weiter eingeschränkt. 1990 war eine Wahrnehmung von Aufgaben, die laut Grundgesetz den Ländern und in diesem Fall den neuen Ländern zufallen durch den Bund mit der fehlenden Verwaltung erklärlich, 1994 nach unserer Auffassung nicht mehr. Faktisch gehört nach dem Gesetzentwurf das Treuhandvermögen nun dem Bund. Das nimmt den neuen Ländern ihre Gestaltungsmöglichkeiten für einen Wirtschaftsaufbau. Drittens fordern wir eine Übertragung von Liegenschaften an die Kommunen und Länder zur Ansiedlung von Investoren, damit Arbeitsplätze entstehen können. Viertens halten wir eine Nachsorge insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen für erforderlich, damit die vereinbarten Arbeitsplatzzusagen eingehalten werden können. Fünftens. Ein Umbenennen der Treuhand lehnen wir ab. Die dafür notwendigen Mittel sollten zur Sicherung wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze eingesetzt werden. Sechstens fordern wir, die Möglichkeit für eine Gewährung von Anteilsrechten am volkseigenen Vermögen nicht zu streichen, wie das im Gesetzentwurf vorgesehen ist. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten unseres Erachtens zu Recht eine Erstattung der bei der Währungsumstellung 1990 reduzierten Beträge. Möglichkeiten dafür sehen wir unter anderem in der Ausgabe von Anteilsrechten an Treuhand-Liegenschaftsgesellschaften. Arnulf Kriedner (CDU/CSU): Mit der heutigen Debatte wird ein Provisorium der jüngsten deutschen Geschichte beendet: die Treuhandanstalt. Zur Erledigung der noch vorhandenen restlichen Aufgaben dieser Anstalt werden im vorliegenden Gesetz Organisationsstrukturen bestimmt, die auf einen raschen, effizienten und möglichst kostengünstigen Abschluß der verbleibenden Aufgaben abzielen. Über die notwendigen Folgestrukturen der THA hat es eine lebhafte und kontroverse Debatte gegeben. Aber ein Ausbleiben einer solchen Diskussion wäre auch mehr als verwunderlich gewesen. Hat es doch in der endenden Wahlperiode kaum ein Thema gegeben, das häufigere und heftigere Debatten hervorrief, als die Arbeit der Treuhandanstalt. Zeitgenossen haben es immer schwer, die Bewältigung historischer Aufgaben objektiv zu bewerten. Diese Schwierigkeit bestand im Falle der THA in besonderem Maße. Wurden doch dieser Anstalt die wesentlichen Lasten der wirtschaftlichen Umstrukturierung in den neuen Ländern aufgebürdet, die in der Geschichte keine Parallele kennt! So ist die Anstalt im Jahre 1990, zu Beginn ihrer Tätigkeit also, das größte Wirtschaftsunternehmen gewesen, das je weltweit existierte. Es galt, diese Aufgabe aus dem Stand heraus zu bewältigen. Es existierte weder ein „Drehbuch", noch waren die geeigneten Mitarbeiter da, noch gab es einen ausformulierten politischen Auftrag. Neudeutsch heißt das „learning by doing" — nur in welchem immensen Umfang mit Millionen von Arbeitskräften, zehntausend teilweise gigantischen Kombinatsbetrieben und einer unter der Fehlwirtschaft des „realen Sozialismus" in sich zusammenbrechenden Wirtschaft. Mehr noch: Neben dem Wegbrechen des Inlandsmarktes nahezu von einem Tag zum anderen gab es ebenso plötzlich auch keinen Comecon-Markt mehr, Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 19529* der ohnehin eine Chimäre ohne kalkulierte Preise und mit stattdessen vorgegebenen Absatzmengen war. Aus dieser Situation heraus begann die Treuhandanstalt ihre Privatisierung. Diese Leistung gilt es vor allem dann zu würdigen, wenn sich die Kritiker auf unleugbar vorhandene Fehlleistungen stürzten. Ich behaupte, daß die Leistung dieser Anstalt und ihrer Mitarbeiter in der historischen Aufarbeitung zu den großen, gelungenen und friedlichen Aufräum- und Aufbauarbeiten unseres Landes ihren Platz erhalten wird. Heute regeln wir die Nachfolge dieser Anstalt in einer Weise, auf die dieses Haus auch ein wenig stolz sein darf: Es ist das Parlament, es sind der Treuhand- und der Haushaltsausschuß gewesen, die die Debatte um das Treuhand-Nachfolgegesetz bestimmt haben und besonders in Wahrnehmung der Verantwortung für die künftigen Bundeshaushalte inhaltlich ausfüllten. Mit dem Gesetz, das wir heute weit einvernehmlicher verabschieden, als es in dieser Debatte hier deutlich wird, ist der Bundestag seinem Auftrag gerecht geworden. Ich möchte allen danken, die sich am schwierigen Werden dieses Gesetzes beteiligt haben, auch denen, deren Vorstellungen sich im Gesetz nur teilweise finden. Auf der Grundlage des heute zu beschließenden Gesetzes kann ein bedeutender Abschnitt im wirtschaftlichen Leben der neuen Bundesländer im Sinne der Bewältigung wirtschaftlicher Probleme weiter vorangebracht werden. Dr. Ulrich Briefs (fraktionslos): Die Treuhandanstalt beendet ihre Tätigkeit. Die Aufgaben sind jedoch bei weitem nicht gelöst. Wohl ist eine Hauptaufgabe die Privatisierung des weitaus größten Teils der DDR-Wirtschaft durchgeführt — allerdings mit sehr problematischen Konsequenzen. Eine Industriewüste ist entstanden. Damit ist in einer Zeit hoher Überkapazitäten im Westen — nicht nur in Westdeutschland, sondern in der Europäischen Union insgesamt — zugleich eine völlig perspektivlose Situation entstanden. Die Steuerzahler, insbesondere die der nächsten zwei Generationen, werden einen riesigen Schuldenberg abzutragen haben. Arbeitslosigkeit, im Westen eine wachsende, aber immer noch erst einen geringeren Teil der Bevölkerung erfassende bittere Realität, ist im Osten — u. a. dank der Treuhand bzw. dank der Treuhandpolitik der Regierungen Kohl und de Maizière — inzwischen fast ebenso häufig anzutreffen wie Erwerbsarbeit. Ein bemerkenswertes Ergebnis des Privatisierungsprozesses der Treuhandanstalt und dieser Bundesregierung! Mit diesem Ergebnis der Treuhandanstalt und der Treuhandpolitik der Regierungen Kohl und de Maizière ist im übrigen honoriert worden, daß durch die Wahl am 18. März 1990 die klassische Situation des Selbstkontrahierens entstanden ist: Mit Schäuble und Krause saß auf beiden Seiten des Verhandlungstisches beim Aushandeln des Einigungsvertrages derselbe Kontrahent. Die Bürgerinnen und Bürger der früheren DDR haben mit ihrer Wahlentscheidung im Frühjahr 1990 dafür gesorgt, daß eine unabhängige, selbständige, zumindest ein gewisses Gegengewicht verkörpernde Vertretung ihrer Interessen nicht zustande kam. Um so wichtiger wird jetzt die Schaffung einer hinreichend ausgestatteten Nachfolgeeinrichtung für die Treuhandanstalt. Die Memo-Gruppe, die Arbeitsgruppe alternative Wirtschaftspolitik, fordert die Schaffung einer „Deutschen Agentur für Entwicklung und Strukturpolitik" . Diese Forderung ist, glaube ich, zweckmäßig und richtig. Die Nachfolgeeinrichtung muß so ausgestaltet und ausgestattet werden, daß sie ein wirksames Vertragscontrolling, vor allem auch hinsichtlich der Beschäftigungszusagen, ermöglicht. Auch die weitere Führung der privatisierten Unternehmen der Treuhandanstalt ist eine „eminent wichtige industrie-, struktur- und regionalpolitische Aufgabe" - so das Memo-Gutachten. Die Kontrolle dieser ostdeutschen Agentur für Entwicklung und Strukturpolitik sollte mehrheitlich von den ostdeutschen Ländern ausgeübt werden. Das gleiche gilt für die Bodenverwertungsgesellschaften. Sie müssen so ausgestattet werden, daß sie nicht nur privatwirtschaftliche Verwertungsinteressen zur Geltung kommen lassen. Auch regional und stadtplanerische Aspekte müssen Berücksichtigung finden. Kurz und gut: Nach den bitteren Erfahrungen mit der gelegentlich geradezu blindwütigen Privatisierungspolitik der Treuhandanstalt ist ein ganz anderer Ansatz notwendig, überfällig. Ich empfehle den Verantwortlichen in der Regierungskoalition die Lektüre insbesondere der Seiten 161 und 162 im heute hier in Bonn der Öffentlichkeit vorgelegten Memo '94 der Arbeitsgruppe alternative Wirtschaftspolitik, das den Titel trägt „Wirtschaftsreformen statt Standortparolen" Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Die Treuhandanstalt wird ihre Kernaufgabe, die Staatsunternehmen der ehemaligen DDR in wettbewerbsfähige, privatwirtschaftliche Strukturen zu überführen, in diesem Jahr abschließen. Sie hat damit in einem für uns alle unerwartet kurzen Zeitraum von nur vier Jahren den schwierigsten Teil der ihr übertragenen Aufgaben erfolgreich bewältigt. Seit 1990 hat sie über 13 200 Unternehmen privatisiert und zusammen mit den Liegenschaftsverkäufen rund 50 000 Privatisierungsvorgänge abgeschlossen — eine gigantische, weltweit sicherlich einmalige Leistung. Ende dieses Jahres werden nach heutiger Schätzung weniger als 100 Unternehmen in fünf Management-KGs, wenige größere Unternehmen und einige Minderheitsbeteiligungen und Auslaufgesellschaften in der Beteiligungsbetreuung der Treuhandanstalt sein. Schon heute läßt sich feststellen: Von den ursprünglich erhofften oder behaupteten Milliardenwerten im Industrievermögen der früheren DDR konnte nie die Rede sein. Statt dessen mußte die Treuhandanstalt und damit der Bund Milliardenlücken decken und die verbrauchte Substanz vieler Betriebe erst wieder 19530* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 auffüllen, bevor diese an private Investoren veräußert werden konnten. Wir haben im Rahmen der Treuhandanstalt allerdings nicht nur Verluste übernommen, sondern alles Vertretbare getan, um möglichst viele Industriestandorte und Arbeitsplätze zu erhalten. Den Privatisierungs- und Restrukturierungserfolg der Treuhandanstalt haben wir zweifellos dem bereits vom verstorbenen Präsidenten der Treuhandanstalt, Herrn Dr. Rohwedder, aufgestellten Grundsatz zu verdanken, daß die Sanierung in der Hand des verantwortlichen neuen Eigentümers die beste Form der Sanierung darstellt. Wo Privatisierung noch nicht möglich, aber Sanierung geboten war, hat die Treuhandanstalt ihre Aktivitäten darauf konzentriert, das Unternehmensmanagement zu verbessern, und mit der Einbeziehung der Unternehmen in ManagementKGs die Sanierung aktiv begleitet. Die Erfahrungen der Treuhandanstalt haben gezeigt, daß die von der SPD aufgestellte Forderung eines Vorrangs der Sanierung vor der Privatisierung keinen erfolgversprechenden Ansatz für die Erreichung der Wettbewerbsfähigkeit der sanierungsfähigen Unternehmen darstellt. Sowohl vom Sachverständigenrat als auch von der Deutschen Bundesbank wurde erst in jüngster Zeit die Notwendigkeit und Richtigkeit der raschen Privatisierung von Treuhandunternehmen hervorgehoben. Ein deutlich langsameres Privatisierungstempo und eine noch stärkere Staatsbeteiligung bei der Sanierung wären nach Meinung der Bundesbank letztlich mit noch höheren volkswirtschaftlichen Kosten teuer erkauft worden. Wenn Ende 1994 der Kernauftrag erfüllt ist, werden noch einige längerfristige Nachfolgearbeiten zu erledigen sein. Die zügige und wirtschaftliche Erfüllung der verbleibenden Aufgaben erfordert neue Organisationsstrukturen. Die Novellierung des Treuhandgesetzes schafft hierfür die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen. Für die organisatorische Neuordnung der Treuhandanstalt hat die Bundesregierung unter Einschaltung nahmhafter Experten in enger Zusammenarbeit mit den Fachausschüssen ein Konzept erarbeitet, das eine rasche und effektive Aufgabenerledigung sicherstellt. Der Haushaltsausschuß und der Ausschuß Treuhandanstalt des Deutschen Bundestages haben sich über Monate intensiv mit dem Konzept befaßt und auch ihre Handschrift hinterlassen. Das am 20. April 1994 verabschiedete Konzept sieht folgende Maßnahmen vor: Die wenigen verbleibenden operativen Unternehmen und die Auslaufgesellschaften werden in die noch zu gründende Beteiligungs-ManagementGesellschaft mbH (BMG) eingebracht und in die Beteiligungsführung des Bundes übergeleitet. Am Ziel einer möglichst raschen Privatisierung der sanierungsfähigen Unternehmen wird selbstverständlich festgehalten. Die Liegenschaftsgesellschaft der Treuhandanstalt mbH (TLG) wird zu einer Besitzgesellschaft fortentwickelt; ihr werden die nicht land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienenden Grundstücke der Treuhandanstalt übertragen. Die Aufgaben des Vertragsmanagements, der Reprivatisierung und Abwicklung (VRA), die Verwaltung und Verwertung des Sonder- und Finanzvermögens sowie die hoheitlichen Aufgaben der Vermögenszuordnung, Investitionsvorrangentscheidungen und Grundstücksverkehrsgenehmigungen sollen von der Nachfolgeeinrichtung der Treuhandanstalt, der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BVS), wahrgenommen werden. Angestrebt wird, diese Aufgaben bis Ende 1996 weitestgehend zu erledigen. Noch verbleibende hoheitliche Restaufgaben sollen ab 1997 auf andere Behörden übertragen werden. Der Auftrag der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG), einer Beteiligungsgesellschaft mehrerer Banken, bleibt erhalten. Sie konzentriert sich als Geschäftsbesorger der BVS auf die Verwertung der land- und forstwirtschaftlichen Flächen. Das Eigentum an diesen Flächen bleibt bei der BVS. Dieses Konzept muß nunmehr in einem straffen, alle Organisationseinheiten übergreifenden Projektmanagement unter Einbindung sachverständiger Dritter umgesetzt werden. Auch nach 1994 wird die Erfüllung des Treuhandauftrages die Interessen der neuen Bundesländer berühren und daher ihre angemessene Einbeziehung erfordern. Die Mitspracherechte der Länder müssen ihrem Umfang nach jedoch dem Umstand Rechnung tragen, daß die funktionale wie finanzielle Verantwortung für den weiteren Transformationsprozeß beim Bund verbleibt. Abstrakte gesetzliche Regelungen sind in Anbetracht der Vielfalt der Fälle wenig geeignet, hier weiterzuhelfen. Wir setzen deshalb auf eine Verständigung mit den betroffenen Ländern und auf die guten Erfahrungen, die wir in der Zusammenarbeit im Verwaltungsrat der Treuhandanstalt und im Rahmen des Gemeinschaftswerks Aufschwung Ost gesammelt haben. Es sind Zweifel geäußert worden, ob die BVS und die anderen Nachfolgeorganisationen eingegangene Verpflichtungen der Treuhandanstalt erfüllen werden. Hierzu gilt: Was die Treuhandanstalt begonnen hat, wird auch zu Ende geführt. Dies betrifft insbesondere eingegangene Verpflichtungen zur Beseitigung ökologischer Altlasten und die Nutzung der arbeitsmarktpolitischen Instrumentarien, z. B. der Arbeitsförderung nach § 249 h AFG. Neue Aufgaben, die einer zügigen Erledigung ihres Auftrages entgegenstehen, kann sie jedoch nicht übernehmen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird die Finanzierung der BVS künftig eng an den Bundeshaushalt angebunden. Ende 1994 läuft die Regelung über die Finanzierung der Defizite durch Kreditaufnahme nach dem Treuhandkreditaufnahmegesetz aus; sie soll nicht verlängert werden. Für die nach 1994 entstehenden Defizite erhält die BVS deshalb als Ausgleich Zuwendungen aus dem Bundeshaushalt. Sie hat für jedes Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 19531 * aufzustellen. Die Einzelheiten des Verfahrens, seiner Aufstellung und Ausführung sowie die Rechnungslegung und -prüfung sind in einem Finanzstatut zu regeln, welches das Bundesministerium der Finanzen nach Anhörung des Vorstandes und des Verwaltungsrates im Einvernehmen mit dem Bundesrechnungshof erläßt. Die haushaltsmäßige und parlamentarische Kontrolle wird dabei in vollem Umfang gewährleistet sein. Darüber hinaus werden Optionen geschaffen, die BVS nach vollständiger Erledigung ihrer Aufgaben durch Rechtsverordnung aufzulösen. Die Bundesregierung wird auch im erneuten rechtlichen Rahmen alles unternehmen, um die Transformation der früheren Staatswirtschaft im Interesse der Bürger so erfolgreich wie möglich zu gestalten. Wir laden alle Beteiligten ein, an der wichtigen Aufgabe umfassend mitzuwirken und so die Bilanz von über 40 Jahren Sozialismus abzuschließen. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 11 (Große Anfrage: Verbraucherfreundliche Lebensmittelkennzeichnung) Lieselott Blunck (Uetersen) (SPD): „Der Verbraucher spielt in der Sozialen Marktwirtschaft eine Schlüsselrolle. Um ihn dreht sich letztlich alles, denn seine bestmögliche Versorgung mit Waren und Dienstleistungen ist ein zentrales Ziel dieser Wirtschaftsordnung. Diese Schlüsselrolle kann der Verbraucher aber nur dann erfolgreich einnehmen, wenn er ausreichend informiert ist; er muß Qualität und Preise vergleichen können, er muß seine Rechte als Verbraucher kennen und wissen, wie er diese Rechte durchsetzen kann." Das sagt die CDU in der Theorie. Wie die Praxis aussieht, das wissen wir alle besser. „Wirtschaft findet in der Wirtschaft statt", sagt die F.D.P. — oder besser: Wirtschaftsminister Rexrodt. Er lächelt feinsinnig und tut ansonsten nichts. Entsprechend sieht dann auch sein Engagement für die Verbraucher aus. Das hat für den Nahrungsmittelproduzenten, den Händler, die Verkäufer, die Verbraucher folgende Konsequenzen: Stellen Sie sich einmal diese Situation vor: Ein schöner, heißer Tag, und Sie wollen Eis essen. Was nehmen Sie? Kremeis, Fruchteis, Rahmeis, Milchspeiseeis, Eiskrem, Einfach-Eiskrem, Kunstspeiseeis, Soft-eis? Wissen Sie, was hinter diesen Verkehrsbezeichnungen verborgen ist? Wenn das Eis einen Schokoladenüberzug hat, hat der Überzug dann 31 Prozent Kakaobestandteile oder 18 Prozent Kakaobutter? Wieviel Zucker ist enthalten? Welches Eis enthält Vollei bzw. 100 g Eidotter je Liter Milch? Sie können jetzt sagen: Alles Peanuts. Aber für den Allergiker sieht das schon ganz anders aus, da sind diese Fragen eben nicht unerheblich und lächerlich. Was konkurriert am Markt? Haushaltsschokolade mit Haushaltsmilchschokolade, mit Schokolade, mit Milchschokolade, mit Magermilchschokolade, mit Gianduja-Haselnußschokolade, mit Gianduja-Haselnußmilchschokolade, mit weißer Schokolade, mit gefüllter Schokolade, mit Kuvertüre. Alles klar? Sie können jetzt Ihrem Part als vielbeschworener „mündiger Verbraucher" in einer Marktwirtschaft gerecht werden. Selbstverständlich wissen Sie, wieviel Kakaobestandteile, wieviel Milchtrockenmasse, wieviel Kakaobutter, wieviel Zucker, welche weiteren Lebensmittel diese „Schokolade" enthält. Natürlich kennen Sie alle Zusatzstoffe, die möglich sind. Und bestimmt sind Sie darüber informiert, ob und wie gekennzeichnet werden muß. Diese Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen: Joghurt und Fruchtsäfte; diätetische Lebensmittel konkurrieren mit sogenannten Light-Produkten usw. usw. Und wer weiß schon, daß Verpackungsmaterialien für Lebensmittel Bedarfsgegenstände nach dem deutschen Lebensmittelrecht sind, an die besondere Anforderungen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit zu stellen sind! Fragen über Fragen — und dies nur in dem kleinen, aber wichtigen Bereich der Lebensmittel. Wie soll da der „König Kunde" sein Wahlrecht ausüben? Wo konkurrieren gleichwertige Produkte am Markt? Ist nicht der Produzent, der „ordentliche Kaufmann" hoffnungslos im Nachteil — auch angesichts der Konkurrenz im größer werdenden europäischen Markt? Produktinformationen sind die Voraussetzung, daß die Verbraucher und Verbraucherinnen ihr Recht auf Wahlfreiheit ausüben können. Diese Produktinformationen müssen umfassend, leicht verständlich und gut vergleichbar sein. Und wenn für hochgefönte Werbung auf Verpakkungen Platz genug ist, dann reicht dieser allemal auch für Produktinformationen, die noch den Vorzug haben, daß sie tatsächlich notwendig und nützlich sind. Nur wenn beide Seiten — Anbieter und Nachfrager — einen Überblick über das Marktgeschehen haben, kann Wettbewerb funktionieren, der bekanntlich das „Schmiermittel" unserer Marktwirtschaft ist. Erkennbare hohe Verbraucherstandards sind allemal ein Vorteil gegenüber dem Mitbewerber am Markt und dienen nicht allein dem „König Kunde", sondern auch den Produzenten und damit der Wirtschaft. Mit einer umfassenden, leicht verständlichen und gut vergleichbaren Produktinformation wird ein größerer Beitrag zur Deregulierung und für die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland geleistet als etwa mit der unsinnigen Abschaffung des Rabattge- 19532* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 setzes, der Änderung des Ladenschlußgesetzes oder was es sonst noch an Absonderlichkeiten aus dem Hause Rexrodt geben mag. Nur wer weiß, womit gehandelt wird, kann am Marktgeschehen teilnehmen, und Marktwirtschaft setzt Marktgeschehen voraus. Es kann nicht länger angehen, daß wir ständig nur neuen Betrügereien, Versäumnissen und Manipulationen hinterherlaufen, um größere Schäden zu begrenzen. Wir brauchen endlich eine Gesamtsicht zum Schutz der Gesundheit, der Umwelt und der Verbraucher. Wir Sozialdemokraten haben immer wieder einen „vorsorgenden Verbraucherschutz" gefordert. Bei allen wirtschaftlichen Aktivitäten muß Schadensvermeidung Vorrang vor nachträglicher Schadensbegrenzung oder Schadensbehebung haben. Diesem Ziel dient auch unser heutiger Antrag. Wer es ernst meint mit seiner Umweltpolitik, der braucht eine Verhaltensänderung der Verbraucher und Verbraucherinnen. Eine umfassende Kennzeichnung ist ein erster Schritt dorthin. Wer es ernst meint mit Verbraucherpolitik, der muß auch die Instrumente dafür schaffen. Sonst ist das Gerede vom Verbraucher, der nach den eingangs zitierten CDU-Vorstellungen eine „Schlüsselrolle" in der Sozialen Marktwirtschaft spielt, nur billiger Wahlkampfplunder. Editha Limbach (CDU/CSU): Lebensmittelkennzeichnung ist in der Tat für alle Verbraucherinnen und Verbraucher sehr wichtig, damit alle beim Kauf ihre Entscheidung gezielt treffen können. Deshalb ist es gut und richtig, daß wir in der Bundesrepublik ein Lebensmittelrecht haben, das sowohl dem vorsorgenden Gesundheitsschutz als auch dem Schutz vor Täuschung und Irreführung und natürlich der Information dient. Wer allerdings den Entschließungsantrag der Opposition liest, könnte den Eindruck haben, daß es weder in der Bundesrepublik noch in Europa Regelungen zur Lebensmittelkennzeichnung gebe bzw. das Vorhandene absolut unzureichend sei. Selbstverständlich haben die Verbraucherinnen und Verbraucher in der Sozialen Marktwirtschaft das Recht auf Produktinformation. Dies gilt auch oder erst recht auf Grund des Binnenmarkts mit der erweiterten Produktpalette auch bei den Lebensmitteln. Aber: Um Konsumenten den vorsorgenden Gesundheitsschutz zu ermöglichen, sie vor Täuschung und Irreführung zu schützen, gibt es bei uns das Lebensmittelrecht und in der Europäischen Gemeinschaft das Lebensmittelkennzeichnungsrecht, das allerdings noch nicht abgeschlossen ist. Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage macht dies auch deutlich. Selbstverständliches wie „verbraucherfreundliche Lebensmittelkennzeichnung" müssen wir nicht eigens beschließen oder beantragen. Ebensowenig müssen wir geltendes Recht wie z. B. die umfassende, leicht verständliche Information erneut beschließen. So ist z. B. auch die Forderung nach Klassifizierung der Zusatzstoffe nach Gesundheitsverträglichkeit überflüssig, weil überhaupt nur gesundheitlich unbedenkliche Zusatzstoffe erlaubt sind. Die CDU/CSU-Fraktion hat die Forderung nach Kennzeichnung von bestrahlten Lebensmitteln selbst gestellt und unterstützt diese. Beschlüsse der zuständigen Ausschüsse liegen vor. Das gilt auch für gentechnisch hergestellte oder veränderte Lebensmittel, einschließlich der Zutaten. Allerdings muß auch klar sein, daß die Lebensmittelkennzeichnung nicht als Vehikel zur Neuauflage der Gentechnik-Debatte benutzt werden sollte oder gar die öffentliche Diskussion angeheizt werden sollte. Genau das führt dann zur Verwirrung oder sogar zur Irreführung der Verbraucherinnen und Verbraucher. Spontan Sympathie findet zunächst die Idee der besseren Verständlichkeit durch graphische Darstellung. Aber die Erfahrungen, die unsere Nachbarn in den Niederlanden damit gemacht haben, raten zur Vorsicht. Dort sieht der Entwurf einer gesetzlichen Regelung die graphische Darstellung als Kennzeichnungsmittel nicht mehr vor, weil es sich offensichtlich nicht bewährt hat. Lebensmittelkennzeichnung ist für jede Verbraucherin und für jeden Verbraucher sehr wichtig. Sie muß den Bedürfnissen der Konsumenten gerecht werden, den technischen Fortschritt und das sich verändernde Konsumentenverhalten beachten und die Kaufentscheidung durch gute und ausreichende Information erleichtern. Dafür treten wir ein. Wie auch die Antworten der Bundesregierung auf die Große Anfrage zeigen, ist der Entschließungsantrag der SPD überflüssig und deshalb abzulehnen. Marita Sehn (F.D.P.): Verbraucherschutz im Lebensmittelrecht umfaßt den Schutz der Gesundheit des Verbrauchers sowie seinen Schutz vor Täuschung beim Kauf von Lebensmitteln. Unser Lebensmittelrecht orientiert sich dabei am Grundsatz des vorsorgenden Verbraucherschutzes, ist also eindeutig auf Vorsorge ausgerichtet. Wer den heute zu beratenden Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zu der Großen Anfrage „Verbraucherfreundliche Lebensmittelkennzeichnung", aufmerksam liest und mit unserer Gesetzgebung nicht vertraut ist, gewinnt den Eindruck, bei uns herrsche ein großes Defizit. Gerade das deutsche Lebensmittelrecht mit seinen Gesetzen und Rechtsverordnungen hat einen hohen Verbraucherschutzstandard erreicht. Die deutschen Vorschriften sind beispielhaft bei der Zulassung von Zusatzstoffen und der Festsetzung von Höchstmengen und Pflanzenschutzmittelrückständen; auch dies dürfte der Opposition nicht unbekannt sein. Die Aufforderung im Entschließungsantrag der SPD an die Bundesregierung, die notwendigen Schritte für eine verbraucherfreundliche Lebensmittelkennzeichnung auf europäischer Ebene einzuleiten, ist vollkommen überflüssig. Es bedarf keiner besonderen Aufforderung der SPD. Die Bundesregierung hat schon einiges erreicht und dort, wo Handlungsbedarf besteht, ist es selbstverständlich, daß sie ihre Bemühungen in unserem Sinne fortsetzt. Wir werden im Rahmen der Verhandlungen aber auch Zugeständnisse machen müssen, die uns Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 19533* nicht besonders angenehm sind, die wir letzten Endes aber akzeptieren müssen. Im Gemeinschaftsrecht ist eine für den Verbraucher leicht verständliche, gut vergleichbare und deutlich lesbare Kennzeichnung bereits festgelegt. Hier sind durchaus, auch bei uns, noch Verbesserungen möglich. Daß Produktinformationen mehr Markttransparenz schaffen und so die Verbraucher in die Lage versetzen, Kaufentscheidungen bewußter zu treffen, ist uns allen verständlich. Aber zwei Punkte dürfen wir dabei nicht aus den Augen verlieren: Erstens. Die Gefahr, daß der Verbraucher eine Information, die zu ausführlich, zu umfassend ist, gar nicht mehr liest, also überhaupt nicht mehr zur Kenntnis nimmt, ist groß. Dann haben wir genau das Gegenteil von dem erreicht, was wir erreichen wollten. Zweitens. Die Anforderungen an die Wirtschaft, an die Produzenten, dürfen nicht zu einer Überforderung und zu übermäßigem Bürokratismus führen. Wir haben bereits Reglementierungen genug und sollten uns davor hüten, neue Hürden aufzubauen. Wie schwierig Kennzeichnungsfragen im einzelnen sein können, zeigt sich an der Kennzeichnung gentechnisch hergestellter Lebensmittel. Soll z. B. die Schokolade, die mit Zucker aus einer gentechnisch veränderten Zuckerrübe hergestellt wird, die entsprechende Kennzeichnung erhalten? Hier besteht noch Diskussions- und Beratungsbedarf. Die verschiedenen Meinungen gehen gerade in diesem wichtigen Bereich der gentechnisch hergestellten Lebensmittel weit auseinander. Soviel ist aber heute schon klar: Ohne eine breite öffentliche Akzeptanz wird es nicht möglich sein, die Bio- und Gentechnologie in der Bundesrepublik zu nutzen. Die Wissenschaft muß deutlich machen, wo noch Wissenslücken liegen und mit welchen Risiken die einzelnen Anwendungen verbunden sein können. Nahrungsmittel, die gentechnisch veränderte Organismen darstellen oder enthalten, sind als solche zu kennzeichnen. Verbraucherschutz muß gewährleistet werden durch deutliche Informationspflicht gegenüber dem Bürger über gentechnisch veränderte wie auch bestrahlte und chemisch veränderte Lebensmittel. Unverständlich ist für mich, warum die Bundesregierung einen Forschungsauftrag vergeben und was genau das Ziel dieses Auftrages sein soll. Der Rat der Europäischen Union hat der Kommission einen Prüfauftrag über künftige Maßnahmen auf dem Gebiet der verbraucherfreundlichen Kennzeichnung erteilt. Wir sollten diesen Bericht erst einmal abwarten. Es muß unser gemeinsames Anliegen sein, gerade im sensiblen Lebensmittelbereich, den Forderungen der Verbraucher nach Information und Transparenz durch ausreichende Kennzeichnung die Wahlfreiheit zu lassen, welche Produkte er kaufen will und welche nicht. Dem Verbraucher nützen weder Panikmache noch Verharmlosung. Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Über die Fraktionsgrenzen hinweg sind wir uns einig, daß im europäischen Markt mit einem vielfältigen Angebot unterschiedlicher Lebensmittel einer verbrauchergerechten Lebensmittelkennzeichnung zur Sicherstellung eines hohen Verbraucherschutzniveaus eine entscheidende Rolle zukommt. Dies um so mehr, als alle in einem Mitgliedsland der Europäischen Union rechtmäßig hergestellten oder im Verkehr befindlichen Lebensmittel — sofern keine gesundheitlichen Gründe zwingend entgegenstehen — auch in jedem anderen Mitgliedstaat frei verkehrsfähig sein müssen. Die Forderung nach einem harmonisierten Lebensmittelrecht hat der Rat der Europäischen Union im Bereich der Kennzeichnung von Lebensmitteln schon frühzeitig durch die Einführung umfangreicher gemeinschaftlicher Bestimmungen erfüllt, welche die nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten weitgehend abgelöst haben. Die Bundesregierung hat sich stets im besonderen Maße an der Entwicklung gemeinschaftlicher Kennzeichnungsbestimmungen beteiligt und dafür eingesetzt, daß durch angemessene Kennzeichnungsregeln zum einen der Schutz des Verbrauchers vor Täuschung und Irreführung, zum anderen seine Information sichergestellt werden. Die Grundlage für eine in der Gemeinschaft einheitliche Kennzeichnung von Lebensmitteln ist durch die Etikettierungs-Richtlinie vom 18. Dezember 1978 geschaffen worden. Sie regelt die Grundkennzeichnung von Lebensmitteln, die zur Abgabe an den Endverbraucher bestimmt sind. Diese Richtlinie ist mit der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung in nationales Recht umgesetzt worden. Zur Wahrung des Schutzes vor Täuschung der Verbraucherinnen und Verbraucher im Lebensmittelverkehr in einem Binnenmarkt ohne Grenzen hält die Bundesregierung jedoch eine Reihe von ergänzenden Regelungen in der Etikettierungs-Richtlinie für erforderlich. Sie hat die Europäische Kommission um die notwendigen Ergänzungen der gemeinschaftlichen Kennzeichnungsbestimmungen für Lebensmittel gebeten. Im wesentlichen handelt es sich um folgende Problemkreise: Nach dem von der Kommission vorgelegten Vorschlag zur Änderung der Etikettierungs-Richtlinie, der zur Zeit auf Ratsebene beraten wird, ist hinsichtlich der Bezeichnung von Lebensmitteln eine Wahlfreiheit vorgesehen zwischen der Verkehrsbezeichnung des Lebensmittels in dem Mitgliedstaat, in dem die Abgabe an den Verbraucher erfolgt, und der Verkehrsbezeichnung des Herstellungsmitgliedstaates. Die Wahlfreiheit zwischen der Verkehrsbezeichnung des Abgabe- und des Herstellungslandes kann zur Irreführung des Verbrauchers führen, wenn der Verbraucher mit einer bestimmten Verkehrsbezeichnung bestimmte Erwartungen an die Zusammensetzung des bezeichneten Lebensmittels knüpft, die das Lebensmittel aus dem anderen Mitgliedstaat aber nicht erfüllt. Die Unterschiede der Zusammensetzung und damit auch der Qualität von gleichlautend bezeichneten Lebensmitteln aus verschiedenen Mitgliedstaaten können erheblich sein. Zum Ausschluß von Täuschungen sind nach Auffassung der Bundes- 19534* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 regierung zusätzliche Regelungen geboten. Die Bundesregierung hat hierzu Formulierungsvorschläge vorgelegt. Weiterhin hat die Bundesregierung sich mehrfach gegenüber der Kommission für die Einführung eines Verzeichnisses der Zutaten auch bei Getränken mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 % vol. wie Spirituosen und weinähnlichen Getränken auf Gemeinschaftsebene eingesetzt. Über die hiermit zusammenhängenden Fragen wird zur Zeit in Brüssel beraten. Eine Verbesserung der Kennzeichnungsregelungen auf EU-Ebene strebt die Bundesregierung auch im Hinblick auf die zunehmenden Allergie-Erkrankungen in der Bevölkerung an, die im Zusammenhang mit dem Verzehr bestimmter Lebensmittel gesehen werden. Die deutsche Delegation hat deshalb im Februar dieses Jahres bei der Annahme des gemeinsamen Standpunktes des Rates über den Vorschlag einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über andere Lebensmittelzusatzstoffe als Farbstoffe und Süßungsmittel eine Erklärung abgegeben, mit der die Kommission aufgefordert wird, zur Kennzeichnung von Zusatzstoffen, die unverträgliche Reaktionen wie Allergien beim Menschen auslösen können, dem Rat geeignete Regelungsvorschläge vorzulegen. Bevor jedoch gemeinschaftsrechtliche Regelungen entwickelt werden, soll nach der Auffassung der Kommission zunächst der Wissenschaftliche Lebensmittelausschuß eine Liste derjenigen Stoffe erarbeiten, die bekanntermaßen häufig zu Allergien oder Unverträglichkeiten führen. Außerdem soll der Ausschuß die Gefahr beurteilen, die für allergiegefährdete Personen von der Aufnahme dieser Stoffe ausgehen kann. Ausgelöst durch die Diskussion über eine Änderung der Etikettierungsnorm im Codex Alimentarius wird darüber hinaus derzeit auf Kommissionsebene erörtert, wie dem Informationsbedürfnis von Verbrauchern mit Überempfindlichkeiten gegenüber bestimmten Stoffen besser entsprochen werden kann. Zur Diskussion steht eine Ergänzung der Etikettierungs-Richtlinie dergestalt, daß in einem Anhang diejenigen Zutaten aufgelistet werden, die ausnahmslos im Zutatenverzeichnis genannt werden müssen. Für sie würden künftig die in der EtikettierungsRichtlinie vorgesehenen Möglichkeiten, nach denen unter bestimmten Voraussetzungen von der Angabe bestimmter Zutaten abgesehen werden kann, nicht mehr gelten. Bei der aktuellen Frage der Kennzeichnung neuartiger Lebensmittel, denen auch die gentechnisch veränderten Lebensmittel zuzuordnen sind, setzt sich die Bundesregierung für klare und unmißverständliche Regelungen ein, die dem Informationsbedürfnis der Verbraucherinnen und Verbraucher gerecht werden. Auf diese Weise soll den Verbrauchern die Entscheidungsfreiheit erhalten bleiben, ob sie diese Lebensmittel erwerben oder nicht. Was die Kennzeichnung von bestrahlten Lebensmitteln angeht, ist zunächst festzuhalten, daß die Behandlung von Lebensmitteln mit ionisierenden Strahlen in der Bundesrepublik Deutschland durch Gesetz verboten ist. Zur Zeit wird auf Gemeinschaftsebene an einem Richtlinienvorschlag zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über mit ionisierenden Strahlen behandelte Lebensmittel gearbeitet. Die Bundesregierung nimmt hierbei eine restriktive Haltung ein. Falls gleichwohl für einzelne Lebensmittel wie Gewürze oder Kräuter in der Gemeinschaft die Bestrahlung unter Einhaltung bestimmter für den Gesundheitsschutz erforderlicher Vorgaben zugelassen werden sollte, muß eine ausreichende Kenntlichmachung nicht nur der bestrahlten Lebensmittel selbst, sondern auch von Lebensmitteln, die bestrahlte Zutaten enthalten, sichergestellt sein, damit der Verbraucher auch insoweit seine Kaufentscheidung in Kenntnis der für ihn wichtigen Information treffen kann. Die Bundesregierung wird alles im Rahmen ihrer Möglichkeiten unternehmen, um auch in Zukunft ein hohes Verbraucherschutzniveau im Lebensmittelverkehr in der Europäischen Union sicherzustellen. Dazu gehört unbestritten ein klares, insbesondere an den Bedürfnissen der Verbraucher ausgerichtetes Kennzeichnungsrecht. Allerdings sind wir Politiker auch hier gefordert, auf einen maßvollen Ausgleich zwischen der notwendigen Unterrichtung der Verbraucher und einer Überfrachtung der Erzeugnisse mit einer Vielzahl von Angaben, die die Käufer eher verwirren als informieren, hinzuwirken. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 12 (Große Anfrage: Radioaktive Verseuchung der Meere durch die Ablagerung von Atommüll) Monika Ganseforth (SPD): Wer geglaubt hat, daß es bisher weltweit kein Endlager für radioaktiven Müll gibt, hat sich getäuscht: Es sind die Meere. Seit etwa 50 Jahren werden sie als Müllkippe für nuklearen Abfall mißbraucht. Selbst hochradioaktive Abfälle wurden versenkt. Von allen Atomindustrienationen wie Belgien, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Korea, Neuseeland, den Niederlanden, Schweden, Schweiz, den USA und auch der Bundesrepublik wurde in der Vergangenheit nuklearer Abfall verklappt. Dies geschah zwar vermutlich unter Einhaltung der einschlägigen Empfehlungen der Atombehörde IAEO, ist aber schlimm genug. Die ehemalige, Sowjetunion bzw. die Russische Föderation verstieß jedoch bei der Versenkung ihrer Reaktoren, Sprengköpfe und Atomraketen massiv gegen internationales Recht. Wieviel die internationalen Vereinbarungen wert sind, zeigt sich daran, daß dieses unverantwortliche Verhalten der bisherigen Sowjetunion keinerlei Konsequenzen hatte. Auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Tokio im Juli letzten Jahres hat man sich nur dazu durchgerungen, „die Sorge über die Verklappung von radioaktivem Abfall im Meer durch Rußland zu unterstreichen" . Das war es dann auch. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 19535* Die Kenntnisse über das, was wirklich geschah und wie hoch die Verseuchung der Meere tatsächlich ist, sind nur sehr vage. Das geht aus der Antwort auf unsere Große Anfrage „Radioaktive Verseuchung der Meere durch die Ablagerung von Atommüll" hervor. Man hat auch nicht den Eindruck, als sei die Bundesregierung durch großen Wissensdurst getrieben. Wieder einmal wissen Umweltverbände wie Greenpeace sowie Journalistinnen und Journalisten mehr. Die Bundesregierung stützt sich auf den unter Leitung von Jablokow erstellten und vor einem Jahr vom Präsidenten der Russischen Föderation der Öffentlichkeit übergebenen Bericht. Auch wenn danach vieles im dunkeln und unklaren bleibt, ist das, war wir erfahren, ungeheuerlich: 17 Reaktoren wurden in der Karasee versenkt. Bei sieben dieser Reaktoren wurde nicht einmal der nukleare Brennstoff entfernt. Bis zur Freisetzung von Nukleiden werden etwa 500 Jahre vermutet. Wir Europäer haben aber Glück: „Auf Grund der vorherrschenden Meeresströmungen wird durch oben genannte Versenkung für die nordwesteuropäischen Fischgründe keine Gefahr gesehen", meint die Bundesregierung in ihrer Antwort auf unsere Anfrage. Zu den russischen Fischereigebieten in der Karasee oder Laptevsee heißt es, daß „zukünftige Überwachungsprogramme und Untersuchungen" zeigen müssen, ob diese betroffen sind. Anscheinend werden bis dahin die Fische weiter munter verzehrt. Neben diesen Versenkungsaktionen ist es zu Unfällen militärischer Einheiten mit Verlusten von Kernreaktoren und Kernwaffen im Meer gekommen, wie die Bundesregierung mitteilt. Nach dem JablokowBericht wurden Hafenbereiche zwar nicht als Versenkungsgebiete angegeben. Es wird jedoch über einen Unfall berichtet, der sich 1985 in einem Marinehafen ereignete. Dieser Unfall, der bisher nicht bekannt war, hat regional zur Erhöhung der Strahlendosis und der Kontamination von Meereslebewesen geführt. Lapidar stellt die Bundesregierung zu diesem Unfall fest: „Informationen über signifikante Anstiege von strahlungsbedingten Erkrankungen liegen nicht vor." Unter diesen Umständen ist das Fehlen von Informationen eher ein Grund zur Beunruhigung. Nur weil der Jablokow-Bericht auf keine Versenkungsgebiete beispielsweise im Hafen von Murmansk hinweist, heißt das nicht, daß dort tatsächlich nichts verklappt wurde. Man weiß doch, daß es drängende Kapazitätsprobleme bei der Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle in russischen Häfen gibt. Wie sorglos und unverantwortlich mit radioaktiven Abfällen umgegangen wurde, zeigt die Praxis. Die flüssigen radioaktiven Abwässer wurden einfach ins Meer gekippt, feste Stoffe wurden in Behälter verpackt, die über Bord versenkt wurden. Die Bundesregierung bestätigt die Berichte, daß auf die Behälter teilweise mit Bordkanonen geschossen wurde, um sie zu versenken. Das muß man sich einmal vorstellen! Nach inoffiziellen Übersichten liegt die Gesamtzahl atomgetriebener Schiffe bei ungefähr 500. Bis heute liegen 6 atomgetriebene U-Boote in Tiefen zwischen 1 680 und 6 000 m. Die von ihnen ausgehende Gefährdung wird auch hinsichtlich der späteren Entwicklung nach Ansicht der Bundesregierung als gering eingeschätzt. Wie gefährlich solch eine verharmlosende Fehleinschätzung sein kann, hat sich vor wenigen Wochen gezeigt. Russische Wissenschaftler haben mitgeteilt, daß Salzwasser inzwischen die Nuklearsprengköpfe eines versunkenen Atom-U-Bootes zerfressen habe. Nach einem Brand im Oktober 1986 war dieses U-Boot versunken. An Bord befanden sich 2 Nuklearreaktoren, 2 Nukleartorpedos und 16 Langstreckenraketen mit je 2 nuklearen Gefechtsköpfen. Die Trümmer des U-Bootes haben sich wegen der starken Strömung im Bereich des Ozeans 800 km östlich von den Bermudas auf ein größeres Gebiet verstreut. Sie liegen etwa 5 000 m tief. Inzwischen beginnt Plutonium und Uranium aus den Trümmern auszutreten. Zwar ist das U-Boot abseits aller größeren Fischereigebiete untergegangen. Die Gefahr für die Bermudas selbst ist bisher noch ungewiß. Bis zur Stunde läßt sich schwer sagen, wie groß die Risiken tatsächlich sind. Russische Wissenschaftler sprechen bei diesem verunglückten Atom-U-Boot von „der gefährlichsten und größten radioaktiven Zeitbombe des Nuklearzeitalters". Die Gefahr wird als wesentlich höher eingeschätzt als jene vom sowjetischen U-Boot „Konsomolet", das vor vier Jahren vor der norwegischen Küste unterging. Die Zahl der „schwimmenden Atomkraftwerke" ist nach wie vor beängstigend. 315 militärisch genutzte Schiffe mit Nuklearantrieb, darunter 295 U-Boote, sollen es noch sein. Technischer Zustand der Boote und Länge ihres Einsatzes sind offiziell nicht bekannt. Für militärisch genutzte Nuklearschiffe liegen bezüglich des Sicherheitsstandards keine Informationen vor. Die Bundesregierung geht davon aus, daß die nukleare Sicherheit und der Strahlenschutz der Marineschiffe anderer Staaten dem gleichen Standard entspricht wie ihre kerntechnischen Anlagen. Das läßt im Fall der veralteten russischen Technologie Schlimmes befürchten. Zwar wurde im November 1993 die Londoner Konvention über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen um das uneingeschränkte Verbot der Versenkung von Atommüll erweitert. Mehrere Vertragsstaaten haben sich jedoch der Stimme enthalten wie z. B. Belgien, China, Frankreich, Großbritannien und die Russische Föderation. Damit ist für diese Staaten eine verbindliche Beachtung der Konvention nicht gewährleistet. Darüber hinaus hat ein Vertragsbruch ja auch keine ernsthaften Konsequenzen, wie der Fall der russischen Verklappung in der Japanischen See verdeutlicht. Großbritannien und Frankreich haben sich darüber hinaus die Option der Versenkung niedrigradioaktiver Stoffe ab dem Jahr 2008 offengehalten. Nicht geklärt ist dazu, wie die wachsende Zahl Kernenergie nutzender Staaten wie z. B. Indien, Pakistan und Nordkorea einbezogen werden können. Trotz dieser Risiken sieht die Bundesregierung keine Gefährdung des Ökosystems Meer. Sie beruft sich in erster Linie auf die Auswertung wenig aktueller Meßreihen und Schätzungen. 19536* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 Daß es bis jetzt nicht zu größeren Freisetzungen kam, sagt jedoch nicht viel. Wegen der Langzeitfolgen kann bisher wenig über die Gefahr der Verseuchung der Weltmeere gesagt werden. Die Umwälzung tiefer Wasserschichten dauert Jahre bzw. Jahrzehnte. Das Ausmaß einer Gefährdung durch Atomreaktoren, die in mehreren tausend Metern Tiefe versenkt wurden, ist überhaupt noch nicht abschätzbar. Die Bundesregierung verharmlost das Problem sträflich. Folgerichtig unterstützt Sie auch nicht die Forderung nach einem Verbot atomgetriebener Schiffe. Sie hält es für ausreichend, bei den Beratungen der Internationalen Seeschifforganisationen IMO zur Festlegung eines internationalen Sicherheitsstandards von Reaktoren ziviler Schiffe mitzuwirken. Das ist angesichts der Gefahren und Risiken bei weitem zuwenig. Wir verlangen von der Bundesregierung, daß sie die Verharmlosung der Risiken der radioaktiven Verseuchung der Meere durch die Ablagerung von Atommüll beendet. Sie muß auf lückenlose Information drängen. Es muß ein internationales Informationssystem geschaffen werden, das von einer unabhängigen Instanz kontrolliert wird und nicht von der Atomlobby IAEO. Es bedarf sorgfältiger umfangreicher Untersuchungen und Messungen, um die Belastungen und die Langzeitfolgen der radioaktiven Meeresverseuchung abschätzen zu können. Atomgetriebene Schiffe müssen sowohl für den militärischen als auch für den zivilen Bereich verboten werden. Die internationalen Vereinbarungen gegen die Verseuchung der Meere sind zu verschärfen und verbindlicher zu gestalten. Die Bundesregierung darf sich nicht damit zufriedengeben, daß die russische Regierung zu „erkennen gegeben hat", daß sie Einrichtungen für die Behandlung, Zwischen- oder Endlagerung der anfallenden radioaktiven Abfälle erstellen wird, die frühestens 1997 in Betrieb gehen sollen. Pressemitteilungen zufolge wurde aber bisher kein Rubel für ihre Errichtung ausgegeben. Neben einem überfälligen längerfristigen Konzept zur Entsorgung von Atommüll fehlt es der Bundesregierung auch am kurzfristigen Willen zur Mitverantwortung bei der Lösung des russischen Atommüllproblems. Da die Lagermöglichkeiten für Atommüll wieder erschöpft sind, werden die Russen weiterhin radioaktive Abfälle ins Japanische Meer versenken. In der Region Wladiwostok werden augenblicklich etwa 20 000 m3 radioaktive Abfälle gelagert, davon rund 10 % auf Schiffen. Selbst wenn die militärische und zivile Atomnutzung längst beendet sein wird, wird die Menschheit von ihrer Hinterlassenschaft bedroht bleiben. Klaus Harries (CDU/CSU): Die Kernenergie wird von zahlreichen Staaten seit Jahrzehnten genutzt. Hieran wird sich auch für die Zukunft nichts ändern. Dabei handelt es sich bekanntlich um die friedliche Nutzung der Kernenergie zur Stromgewinnung. Es gibt aber weiterhin eine umfangreiche und hoffentlich nicht außer Kontrolle geratene militärische Nutzung. Schließlich ist im heutigen Zusammenhang zu erwähnen die Nutzung der Kernenergie zum Antrieb von Schiffen. Als Energiequelle für Strom ist die Kernenergie auch für die Zukunft unverzichtbar. Die Nutzung setzt aber in jeder Beziehung durch die Betreiber und Staaten verantwortungsvolles Handeln voraus. Hieran hat es in der Vergangenheit insofern oft gefehlt, als die meisten Staaten über Jahre und Jahrzehnte insbesondere niedrig radioaktive Festabfälle in die Weltmeere versenkt haben. Man hat das getan, weil man damit zusammenhängende Gefahren und Konsequenzen falsch beurteilt hat. Man hat es aber auch aus fahrlässiger Leichtfertigkeit getan, zum Teil sicher auch in Kenntnis der Gefahren. Wer merkt das schon? Inzwischen ist man weltweit wach geworden. Man handelt. Man sieht die Gefahren. Internationale Gremien nehmen sich inzwischen mit Erfolg dieses Problems der Versenkung radioaktiver Abfälle in den Weltmeeren an. Als Ergebnis können wir heute festhalten, daß von einer Gefährdung der europäischen Küstengewässer durch Versenkungen von Atommüll und von einer generellen Verseuchung der Weltmeere durch radioaktive Abfälle nicht gesprochen werden kann. Die Anfrage der SPD im Bundestag und die vorliegende umfangreiche und exakte Antwort der Bundesregierung geben uns ein lückenloses Bild über die Situation. Auch die Bundesrepublik Deutschland hat sich 1967 mit einer einmaligen Versenkung geringer Abfallmengen von leicht radioaktiven Stoffen beteiligt. 1975 wurde die Konvention über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen, die sogenannte Londoner Konvention, völkerrechtlich verbindlich in Kraft gesetzt. Diese Konvention gilt weltweit. Die Bundesrepublik ist beigetreten. Es gibt weitere 71 Vertragsstaaten; dazu gehört auch die Sowjetunion und jetzt Rußland. Die Bundesregierung ist seit Jahrzehnten in internationalen Verhandlungen dafür eingetreten, daß ein 1983 vereinbartes freiwilliges Moratorium zur Versenkung niedrig radioaktiver Abfälle in Meere in ein dauerhaftes Verbot umgewandelt wurde. Dies ist 1993 erfolgt. Nur Rußland hat Vorbehalte angemeldet. Anfang der 90er Jahre wurde bekannt — die Medien hatten hierüber berichtet —, daß die ehemalige UdSSR radioaktive Abfälle in den Nordmeeren versenkt hätte, insbesondere auch durch Versenkung von Kernreaktoren und durch Verklappung flüchtiger radioaktiver Abfälle. Ein russisches Atom-U-Boot ist mit plutoniumhaltigen Waffen vor der norwegischen Küste untergegangen. In die Beobachtungen und Kontrollen müssen auch Sellafield in Großbritannien und La Hague in Frankreich einbezogen werden. Werden hier Einleitungen von radioaktiven Abwässern — Detailkenntnisse liegen mir hier nicht vor — in die Irische See oder in den Ärmel-Kanal vorgenommen? Klare Aussagen sind erforderlich. Man begnügt sich im übrigen weltweit nicht nur mit Konventionen, die international Verbote aussprechen. Es finden endlich auch Untersuchungen und Messungen statt. Die Bundesrepublik ist aktiv und an hervorragender Stelle an diesen Untersuchungen Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 19537* beteiligt. Die Messungen haben ergeben, daß — ich habe es bereits gesagt — von einer Verseuchung der Weltmeere nicht gesprochen werden kann. Das bedeutet aber keine Entwarnung. Gerade die Verhältnisse der militärischen Absenkungen in der Barentsee etc. müssen auf Jahre weiterhin untersucht werden. In diesem Zusammenhang wird immer wieder die Frage gestellt, ob sich die Bergung von versenkten Schiffen, Brennstäben etc. als Lösung des Problems anbietet. Die Wissenschaft winkt hier ab. Die Gefahren seien größer. Abschließend appelliere ich an die Staaten dieser Welt, die die Verantwortung tragen, wach zu bleiben und im Interesse der Menschheit zukünftig verantwortungsvoll vorzugehen. Birgit Homburger (F.D.P.): Die Große Anfrage der SPD packt ein ernstes Thema an. Es ist sehr ärgerlich, daß wir uns damit zu dieser späten Stunde, sozusagen unter Ausschluß der Öffentlichkeit befassen müssen. Die Antwort der Bundesregierung kann und will uns nicht beruhigen. In den Weltmeeren und insbesondere in den arktischen Meeren liegen radioaktive Zeitbomben in Form von verunglückten und ausgemusterten atombetriebenen U-Booten. Es kann nicht beruhigen, daß die gemessenen Konzentrationen bisher keine Gefährdung der Meere, ihrer Ökosysteme sowie der Menschen erkennen lassen. Wenn die Barrieren durchrosten, kann es schlagartig zu erheblichen Kontaminationen kommen. Dies gilt insbesondere für die 17 Kernreaktoren, die in der Karasee versenkt wurden. Immerhin ist bemerkenswert, daß die „Entsorgungspraxis" der UdSSR durch den „Jablokow-Bericht" unbeschönigt offengelegt wurde. Das Geschehene läßt sich nicht rückgängig machen. Insbesondere sollten wir nicht leichtfertig die Forderung nach Bergung all dieser Altlasten erheben, ehe wir nicht wissen, ob damit das Risiko radioaktiver Belastungen von Umwelt und Menschen noch erhöht wird. Es ist gut und richtig, daß sich die Bundesregierung aktiv an der Überwachung der betroffenen Meere und an der Bewertung der Risiken beteiligt. Wir müssen jetzt verhindern, daß solche Praktiken auch in Zukunft noch stattfinden. Mit dem Vorsorgeprinzip lassen sich solche Verhaltensweisen nicht vereinbaren. Das im November 1993 im Rahmen der Londoner Konvention beschlossene unbefristete und uneingeschränkte weltweite Verbot der Versenkung radioaktiver Stoffe auf der Hohen See ist der richtige Weg. Bedauerlich, daß gerade Rußland durch seinen Einspruch nicht eingebunden ist. Hier muß Überzeugungsarbeit und Hilfe geleistet werden, wenn nötig auch Druck ausgeübt werden. Aber wie wollen wir überzeugend auftreten, wenn sich selbst Europa nicht einig ist über ein Verbot der Einbringung radioaktiver Abfälle? Ich empfinde es als beschämend, daß sich hochentwickelte, moderne Industriestaaten wie Frankreich und Großbritannien die Option offenhalten, ab dem Jahre 2008 erneut radioaktive Abfälle in die Nordsee bzw. den Nordostatlantik einzubringen. Hier muß die Bundesregierung weiter am Ball bleiben und sich nachdrücklich für eine Nachbesserung der Nordostatlantik-Konvention von 1992 einsetzen. Die Erkenntnisse über die russische Entsorgungspraxis sind nur ein Beispiel für den sorglosen Umgang mit der Kernenergie in der ehemaligen UdSSR. Das Beispiel Tschernobyls zeigt, daß auch heute in den Nachfolgestaaten keine entscheidende Wende erreicht wurde. Das Risiko, dem nicht nur diese Staaten, sondern ganz Europa mit dem Weiterbetrieb der alten RBMK-Reaktoren ausgesetzt ist, ist nicht vertretbar. Die Bundesrepublik Deutschland setzt sich wirklich vorbildlich durch bilaterale Hilfen und im Rahmen von internationalen Hilfsprogrammen ein. Das Beispiel der Ukraine zeigt, daß wir aber auch über Druckmittel nachdenken müssen, z. B. durch Konditionierung unserer beträchtlichen wirtschaftlichen und finanziellen Hilfen. Wir können diesen Gesichtspunkt im Rahmen der heutigen Debatte nicht vertiefen, das Thema bleibt aber auf der politischen Tagesordnung. Ulrich Klinkert, Parl. Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Die Bundesregierung hat auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion zur radioaktiven Verseuchung der Meere durch die Ablagerung von Atommüll geantwortet. Aus der Antwort der Bundesregierung geht hervor, daß die Besorgnisse über eine Gefährdung, die durch die Ablagerung von radioaktiven Abfällen im Meer entstehen kann, von ihr grundsätzlich geteilt werden. Sie hat sich deshalb seit langem intensiv bemüht, die Versenkung von radioaktiven Abfällen zu unterbinden. Dies ist ein Anliegen, welches nur in Zusammenarbeit mit allen Staaten, die Verursacher der Versenkungen oder Betroffene der Folgen sind, befriedigend gelöst werden kann. Den ersten Schritt zu einer Lösung dieses Problems stellt die Konvention über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen — die sogenannte Londoner Konvention — dar, die am 30. August 1975 in Kraft gesetzt wurde. Die damalige Sowjetunion trat dieser Konvention 1976 bei; die Russische Föderation als Rechtsnachfolgerin ist ebenfalls daran gebunden. Die Vereinbarungen, die die Londoner Konvention enthält, sind seither mehrmals überarbeitet worden; die Bundesregierung hat dabei eine tragende Rolle gespielt. Auf ihr Hinwirken ist 1983 von den Vertragsstaaten der Londoner Konvention ein freiwilliges Moratorium zur Versenkung niedrig radioaktiver Abfälle eingeleitet worden. Zu dem im November 1993 beschlossenen unbefristeten, uneingeschränkten weltweiten Verbot der Versenkung in die Meere hat die Bundesregierung wesentlich beigetragen. Die Bundesregierung beteiligt sich auch bei den Untersuchungen zur Kontrolle der Belastung der Meere, die im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit erfolgen. Sie versucht durch bilaterale Gespräche und Verhandlungen die Wirksamkeit der Londoner Konvention zu unterstützen. Die Bundesregierung kann nicht im Alleingang einzelnen Staaten — hier insbesondere der Russischen Föderation — die Versenkung von radioaktiven 19538* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 Abfällen verbieten. Dies kann nur die Völkergemeinschaft. So ist es gelungen, durch den gemeinsamen Einspruch mehrerer Staaten, zu denen auch die Bundesrepublik gehörte, die kürzlichen Versenkungsaktivitäten der Russischen Föderation zu unterbinden. Wenn auch die aktuellen Meßwerte der Umweltradioaktivität in den verschiedenen Meeresgebieten im Moment keinen Anlaß zur Sorge geben, muß doch die internationale Staatengemeinschaft zu einer Bewertung kommen, ob die „Entsorgungspraxis" der früheren UdSSR, insbesondere ihrer Reaktoren und anderer Abfälle in den Arktischen Schelfmeeren, auf längere Sicht ein akzeptables Risiko darstellt. Die Bundesregierung beteiligt sich intensiv durch die Teilnahme deutscher Wissenschaftler, insbesondere des Bundesamtes für Seeschiffahrt und Hydrographie, an den Untersuchungen der Umweltradioaktivität in den am stärksten betroffenen Meeresgebieten. Sie ist der Überzeugung, daß die genannten Probleme nur durch gemeinsame Anstrengung der internationalen Staatengemeinschaft gelöst werden können. Ein akuter Handlungsbedarf für etwaige Bergungsmaßnahmen besteht nicht, so daß die Ergebnisse der internationalen Untersuchungsprogramme, insbesondere der IAEO, abgewartet werden können. Nach bisherigen Erkenntnissen ist in den von den EU-Mitgliedstaaten genutzten Fischereigebieten mit keiner signifikanten radioaktiven Kontamination von Fischen und sonstigen Fischereiprodukten zu rechnen. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 13 (Beschlußempfehlung zu dem Antrag: Arbeit in Deutschland) Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) (PDS/Linke Liste): Fast 4 Millionen Menschen sind offiziell arbeitslos. Um weitere 1,8 Millionen Menschen wird der offizielle Arbeitsmarkt „entlastet". 600 000 sind in Kurzarbeit, 560 000 in Weiterbildungsmaßnahmen, 286 000 in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Für alle muß ein Dauerarbeitsplatz angeboten werden. Nicht zu vergessen diejenigen von den 700 000, die sich in Altersübergang und Vorruhestand befinden und eigentlich noch arbeiten wollten. Die Zahl der Erwerbstätigen ist von 1990 bis 1993 um 1,9 Millionen in den alten Ländern und um 3,5 Millionen in den neuen Ländern zurückgegangen. Diese Fakten erfordern nach unserer Auffassung ein ganz entschiedenes Handeln des Bundestages und der Bundesregierung. Ich bin mir der Unvollkommenheit und fehlenden Präzision unserer Vorschläge, wenn sie von heute auf morgen verwirklicht werden sollten, bewußt. Wir sind allerdings der Auffassung, daß mit der Politik der Bundesregierung kein Beitrag zu einer wesentlichen Reduzierung der Arbeitslosigkeit geleistet wird. Insbesondere wird seitens der Bundesregierung behauptet, daß nur verbesserte Ertragskraft der Unternehmen und sinkende Lohnkosten den Wirtschaftsstandort und Arbeitsplätze sichern könnten. Die Zahlen der achtziger Jahre beweisen das Gegenteil. Der Anteil der Arbeitseinkommen am Volkseinkommen sank in der Regierungszeit von CDU/CSU und F.D.P. um 10 %, die Unternehmereinkommen und Einkommen aus Vermögen stiegen dagegen netto auf das 2,1fache. Sie haben sich also mehr als verdoppelt. Statt Nachfrage auf dem Markt zu stärken, haben die Maßnahmen der Bundesregierung, insbesondere die Kürzung von Sozialleistungen, die Nachfrage weiter geschwächt. Und diese Politik soll fortgesetzt werden. Hauptanliegen der PDS/Linke Liste mit dem Antrag Arbeit in Deutschland ist vor allem, Möglichkeiten zur Förderung von Arbeit aufzuzeigen: Erstens kann die vorhandene Erwerbsarbeit durch Arbeitszeitverkürzungen und neue tariflich abgesicherte Arbeitszeitmodelle gerechter verteilt werden. Allein durch die gesetzliche Begrenzung der Überstunden und die finanzielle Unterstützung eines sofortigen Übergangs zur 35-Stunden-Woche könnten 2 Millionen Arbeitsplätze entstehen. Nach unserer Auffassung müßten bei einer drastischen Arbeitszeitverkürzung unterhalb der 35-Stunden-Woche einen vollen Lohnausgleich zumindest jene Beschäftigten erhalten, deren Löhne unter dem gesellschaftlichen Durchschnittseinkommen liegen. Dazu müßte der Staat bei Unternehmen, die damit wirklich überfordert wären, Löhne teilweise subventionieren. Das ist immer noch billiger für die Steuerzahler als die Bezahlung von Arbeitslosigkeit. Zweitens verlangt die Lage der Millionen Arbeitslosen und von Arbeitslosigkeit Bedrohten eine Wirtschaftspolitik, die langfristig Arbeitsplätze sichert. Geeignetes Mittel ist staatliche Industriepolitik. Sie muß einhergehen mit einer staatlichen Rahmenplanung, die aktive Angebote unterbreitet, wie und wo Arbeitsplätze geschaffen werden können. Zugleich kann nur so ein sozialer und ökologischer Umbau der Wirtschaft und der Verkehrssysteme eingeleitet werden. Insbesondere sollte eine staatliche Förderung von Innovationen in diesen Fragen ausgeweitet werden. Die Sicherung und Wiederherstellung einer lebensfähigen Umwelt, die Beseitigung der Obdachlosigkeit und Wohnungsnot erfordert die Arbeit vieler Bürgerinnen und Bürger. Die Lösung dieser drängenden Fragen sollte durch einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor angegangen werden. Schließlich ist es erforderlich, daß sich die Bundesregierung darüber Auskunft verschafft, wie die Maßnahmen zu einer wirklichen Veränderung der Lage beitragen, und daß sie diese Ergebnisse für die Bürgerinnen und Bürger öffentlich macht. Drittens sind wir der Auffassung, daß dieses Land nicht nur reich genug ist, sondern im Interesse seiner Zukunftsfähigkeit sogar darauf angewiesen ist, endlich die vorrangig von Frauen geleistete Arbeit im Bereich Familie, Kindererziehung und Pflege sowie andere bisher unbezahlte Arbeit durch eine soziale Grundsicherung anzuerkennen. Die davon ausgehen- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 19539* den Veränderungen hätten nicht nur positive beschäftigungspolitische Konsequenzen, sondern könnten Ausgangspunkt für den sozialen, ökologischen und kulturellen Umbau unserer Lebens- und Wirtschaftsweise sein. Viertens erwarten wir einen wesentlichen Beitrag zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit durch die Förderung von alternativen Produktionsformen, Selbsthilfegruppen, Sozialbetrieben und Genossenschaften. Fünftens besteht weitgehende Übereinstimmung, daß in Bildung, Kultur, Wissenschaft und bei humanen Dienstleistungen ein enormer Bedarf der Gesellschaft an Arbeitsplätzen besteht. Unterschiedliche Auffassungen bestehen über die Finanzierbarkeit. Wir schlagen vor, die Mittel in erster Linie durch Abrüstung, durch die Abschaffung überflüssiger Geheimdienste, durch Entbürokratisierung der Gesellschaft, durch höhere und gerechtere Besteuerung der Vermögenden und Besserverdienenden, durch die Abschöpfung von Spekulationsgewinnen und durch eine Zwangsanleihe übermäßiger Gewinne der Banken aufzubringen. Sechstens sehen wir zahlreiche Möglichkeiten für mehr Beschäftigung durch den Abbau von Beschäftigungs- und Investitionshemmnissen. Solange Finanzanlagen weit sicherer gewinnbringend sind als Produktionskapital, wird es wenig Investitionen in wettbewerbsfähige Arbeitsplätze, aber immer mehr Spekulationen an den in- und ausländischen Finanzmärkten geben. Außerdem möchte ich auf das Problem beschäftigungsintensiver Betriebe verweisen. Bei gleichem Umsatz müssen sie wesentlich mehr Abgaben für die Kranken-, Renten- und Arbeitslosen- und Pflegeversicherung bezahlen. Zu einer sinnvollen Lösung sollten diese Abgaben der Unternehmen nicht nur an die Löhne, sondern zugleich auch an die Gewinne gebunden werden. Siebtens. Ein ganz wesentliches Element für die Stärkung der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft sehen wir in der Erweiterung der gesellschaftlichen und betrieblichen Demokratie. Eine neue Produktionsweise verlangt die bewußtere Mitarbeit der Beschäftigten. Reale Mitsprache- und Teilhaberechte für Beschäftigte, Betriebsräte und Gewerkschaften bei allen ökonomischen, sozialen und ökologischen Entscheidungen würden eine neue Produktionsweise wirksam unterstützen. Achtens hält die PDS/Linke Liste die Bewältigung der dramatischen Lage auf dem Arbeitsmarkt nur durch bundesweite Veränderungen für möglich. Zugleich verlangt die Situation in den neuen Ländern jedoch ein Bündel spezifischer Sofortmaßnahmen. Ich meine in erster Linie die Absatzförderung, die Vorschläge, wie sie auch von anderen Verbänden kommen, einer Wertschöpfungspräferenz für Ostprodukte, eine Erstattung der Werbegebühren in öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten, die Erstattung der Listungsgebühren für Ostprodukte in Handelsketten, die Förderung des Osthandels sowohl als Hilfe zur Selbsthilfe in den mittel- und osteuropäischen Ländern als auch zur Ausweitung der Beschäftigung in den neuen Ländern. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag Arbeit in Deutschland. Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Der Antrag der PDS/Linke Liste zur „Arbeit in Deutschland" ist durch und durch von einer Mentalität geprägt, die immer noch nicht begriffen hat, daß in unserem Wirtschafts- und Sozialsystem nur das verteilt werden kann, was vorher erwirtschaftet wird. Zunächst möchte ich den Vorwurf zurückweisen, die Bundesregierung mißbrauche die Diskussion zum Wirtschaftsstandort Deutschland zu Lasten der Beschäftigten sowie der Bezieher von Sozialleistungen. Es geht hier um etwas vollkommen anderes: nämlich um die Frage, wie wir politisch zum einen Einkommen aus produktiver Tätigkeit bewerten und demgegenüber Einkommen aus Nicht-Arbeit, also beispielsweise aus Lohnersatzleistungen oder Sozialhilfeleistungen. Mit anderen Worten: Es geht um das sogenannte Lohnabstandsgebot, das es auf alle Fälle zu wahren gilt. Wenn Einkommen aus Nicht-Arbeit nahezu ebenso hoch ist wie Einkommen aus produktiver Tätigkeit, dann wird sich mancher fragen, ob es sich für ihn lohnt, einer regulären sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachzugehen, bei der er mit einer Steuer- und Abgabenlast von über 40 Prozent zu rechnen hat. Wenn — wie durch Untersuchungen des Bundesministeriums für Familie und Senioren belegt — das verfügbare Nettoeinkommen eines Alleinverdienerehepaares mit drei Kindern monatlich ganze DM 360,— mehr beträgt als die Sozialhilfe, sofern dieselbe Familie von Sozialhilfe lebt, dann ist dieses Lohnabstandsgebot eben nicht gewahrt. Dann muß auf dieser Speckseite unseres Sozialsystems hineingeschnitten werden, um dieses bewährte soziale Netz für diejenigen tragfähig zu erhalten, die seiner wirklich bedürfen: die wirklich Armen in unserer Gesellschaft nämlich, die oft nicht marktschreierisch auftreten, sondern häufig zu den besonders Stillen unserer Gesellschaft gehören. Insofern ist der Wirtschaftsstandort der Bundesrepublik Deutschland und sein soziales Netz eben doch teilweise durch zu hohe Sozialleistungen bedroht, was die PDS in ihrem Antrag bestreitet. Die PDS folgt auch einem vollkommen verkehrten Ansatz, wenn sie behauptet, der Wirtschaftsstandort Deutschland könne „durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze gesichert werden". Das würde ja heißen: Zunächst einmal — für was auch immer — mehr oder weniger künstlich Arbeitsplätze schaffen, und der Wirtschaftsstandort würde sich dann schon entwickeln. Da kann ich nur sagen: welch fundamentale Fehleinschätzung volkswirtschaftlicher Grundtatsachen! Jeder Volkswirtschaftsstudent lernt dagegen im 1. Semester, daß sich Wirtschaftskraft, Investitionen und davon abhängig auch Arbeitsplätze zunächst einmal originär entwickeln müssen, in der Regel von der Absatzseite her. An erster Stelle steht Produktion und Absatz, und daraus ergeben sich gleichzeitig oder in Folge solide Arbeitsplätze. Die Vorschläge, durch Arbeitszeitverkürzungen die Arbeit in unserer Volkswirtschaft gerechter zu verteilen, sind geradezu naive Sandkastenspiele. Auch dies ist ein grundlegender Irrtum zu meinen, daß man sich mit immer weniger volkswirtschaftlicher Beschäfti- 19540* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 gung ruhig abfinden könne, weil man die immer weniger werdende Arbeit nur auf immer mehr Schultern mehr oder weniger gleichmäßig zu verteilen brauche. Welch schlimmer Irrtum! Diese Rechnung kann schon allein deshalb nicht aufgehen, weil auf Dauer gesehen immer weniger produziert würde, jedoch die Ansprüche an dem großen sozialen Kuchen, der entweder über die Sozialversicherungszweige oder steuerfinanziert verteilt werden soll, trotzdem Bleichgroß bleiben soll. Es kann nicht gut gehen, wenn man weiterhin 100 Prozent Sozialleistungen verteilen will, andererseits jedoch beispielsweise mit der Vier-Tage-Woche nur noch 80 Prozent erwirtschaften möchte. Diese wirtschafts- und sozialpolitischen Binsenweisheiten werden jedoch die Umverteilungspolitiker der PDS niemals begreifen. Im übrigen wären solche Arbeitszeitverkürzungen niemals Sache des Gesetzgebers, sondern der Tarifparteien. Die Tarifhoheit der Sozialpartner hat sich hervorragend bewährt. Auch dies ist für die Bewahrer des Sozialismus aus vergangenen DDR-Zeiten wohl unbegreiflich. Die ordnungspolitischen Vorstellungen, auf denen der Antrag der PDS/Linke Liste beruht, sind mit den Grundprinzipien einer sozialen Marktwirtschaft und eines darin funktionierenden, sich selbst tragenden sozialen Netzes vollkommen unvereinbar. Für meine Fraktion kann ich deshalb guten Gewissens die kompromißlose Ablehnung des Antrages empfehlen, wie dies bereits der federführende Ausschuß für Wirtschaft getan hat. Dr. Uwe Küster (SPD): Die Bekämpfung der immer noch zunehmenden Massenarbeitslosigkeit ist ohne Zweifel die Hauptaufgabe der Politik in dieser Legislaturperiode. Die Unfähigkeit der Bundesregierung zu einer aktiven und arbeitsplatzschaffenden Wirtschaftspolitik wird sie leider auch zu der Hauptaufgabe für die kommende Legislaturperiode machen. Daran ändern auch die neuerlichen Beschwörungen blühender Konjunkturlandschaften nichts. Wir begrüßen ja jeden noch so schwachen Aufwärtstrend, aber die Sockelarbeitslosigkeit wird unverändert hoch bleiben. Ganz von selbst werden wir nicht aus dieser größten Beschäftigungskrise der Nachkriegszeit herauskommen. Dazu ist ein umfassender Neuanfang in der Wirtschaftspolitik zwingend erforderlich. Untätigkeit und Gesundbeten der Arbeitslosigkeit ist eine unverzeihliche Mißachtung menschlicher Probleme. Genauso schlimm, wenn nicht noch schlimmer ist es aber, wenn bei den Arbeitslosen die Illusion geweckt wird, Massenarbeitslosigkeit sei ganz einfach und ganz schnell zu beseitigen. Genau das täuscht der Antrag der PDS aber vor. 21/2 bis 3 Millionen Arbeitsplätze wollen Sie, meine Damen und Herren von der PDS, allein durch arbeitszeitpolitische Maßnahmen schaffen. Mal abgesehen davon, daß diese Zahl utopisch ist, bleiben zwei Fragen offen, vor denen Sie sich anscheinend drücken wollen. Erstens: Wollen Sie in die Tarifautonomie eingreifen? Und zweitens: Wollen Sie die Arbeitszeitverkürzungen mit oder ohne Lohnausgleich? Ohne Lohnausgleich bedeutet, daß die Konsumausgaben sinken werden. Das schafft bekanntlich keine Arbeitsplätze, sondern kostet welche. Bei sinkendem Konsum wird sich die Investitionsbereitschaft der Unternehmen wohl kaum erhöhen. Der Zusammenhang von privatem Verbrauch und Beschäftigungssituation ist offensichtlich. Mit Lohnausgleich bedeutet, daß die Unternehmen finanziell vollkommen überfordert wären. Das ist bei den momentanen wirtschaftlichen Verhältnissen indiskutabel. Es ist also naiv und irreführend, wenn hier vorgegaukelt wird, man brauche nur an einem Rädchen zu drehen, und alles käme wieder ins Lot. Das Gegenteil ist wahr. Massenarbeitslosigkeit braucht ein umfassendes Konzept. Die PDS stiehlt sich aus jeder Verantwortung, wenn sie die Frage von Arbeitszeit und Lohnhöhe einfach unterschlägt. Ähnliches gilt für Ihr Investitionsprogramm. Erstaunlich ist schon, daß bei den vielen gesellschaftlichen Aufgaben, die genannt werden, nur so wenig zusätzliche Arbeitsplätze herauskommen. Umwelt und Verkehr, Pflege und Wohnungsbau sind zweifellos dringende und von der Bundesregierung vernachlässigte Bereiche. Aber auch hier gilt: Wer mehr fordert, muß auch sagen, wie diese Investitionen finanziert werden sollen. Es ist zu überlegen, inwieweit die Besserverdienenden einen höheren Beitrag als bisher leisten. Aber auch hier ist Augenmaß für das Machbare nötig. Funktionale Gewinneinkommen, vor allem nichtausgeschüttete Gewinne der Unternehmen, brauchen wir für Investitionen. Deshalb hat sich die SPD für die Beibehaltung der bestehenden Abschreibungsregelung eingesetzt und im Bundesrat auch durchgesetzt. Es ist aber eine Illusion zu glauben, alle neuen Aufgaben der Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik könnten durch höhere Besteuerung größerer Vermögen und Einkommen finanziert werden. Nötig ist vielmehr, wie es die SPD seit langem fordert, eine Politik der mittelfristigen Haushaltskonsolidierung und der Umschichtung innerhalb der Haushalte einzuschlagen. Wir müssen endlich Abschied nehmen von wirtschaftspolitischen Illusionen und Taschenspielertricks. Die Beschäftigungskrise ist zu ernst, als daß in dieser Art und Weise damit umgegangen werden kann. Wir brauchen endlich einen durchgreifenden Neuanfang in der Wirtschaftspolitik. Wenn wir diese Aufgabe, mehr Arbeitsplätze zu schaffen, ernstnehmen, müssen wir neben der ökologischen Erneuerung auch die Wettbewerbsfähigkeit der Arbeitsplätze steigern. Produktivitätssteigerung, neue Formen der Arbeitsorganisation, Entwicklung neuer Produkte und Erschließung neuer Märkte sind Aufgaben, denen nicht weniger Bedeutung zukommt als Arbeitszeitpolitik und staatlichen Investitionen. Wir brauchen Innovationen, nicht nur um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, sondern auch und vor allem für die ökologisch verträgliche Gestaltung der zukünftigen Wirtschaftsentwicklung. Erst damit werden wir in nennenswertem Umfang neue Arbeitsplätze schaffen können. Arbeitsmarkt- und Arbeits- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 19541* zeitpolitik haben dabei eine wichtige Brückenfunktion, sie sind aber kein Allheilmittel. Die SPD-Fraktion kann diesem Antrag nicht zustimmen, weil er unausgegoren und populistisch ist. Die PDS versucht schon seit Jahren, vor dem Hintergrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation ihr politisches Süppchen zu kochen. Illusionen erwecken, Allheilmittel anbieten und dann die Mitleidstour reiten, weil solche Anträge natürlich keine Mehrheiten finden — das ist Ihr politisches Konzept, mit dem Sie vor allem in Ostdeutschland auf Stimmenfang gehen. Glauben Sie nicht, daß Sie mit dieser Masche durchkommen. Mit solchen Methoden hat man in der Politik kein sehr langes Leben, weil irgendwann die Fragen kommen, was denn eigentlich konkret und realistisch verändert werden soll. Bei der PDS kommt da nur heiße Luft. Da haben Sie dann allerdings mit der Bundesregierung etwas gemeinsam. Marita Sehn (F.D.P.): Bei der Lektüre des uns vorliegenden Antrages der Gruppe PDS/Linke Liste zum Thema „Arbeit in Deutschland" konnte ich mir nur noch verwundert die Augen reiben. Fast dreieinhalb Jahre gehören die Abgeordneten dieser Gruppe dem Parlament an. Dazugelernt hat man offenbar nichts. Da wird frank und frei behauptet, der Wirtschaftsstandort Bundesrepublik Deutschland sei nicht durch zu hohe Löhne, Gehälter und Sozialleistungen bedroht. Die Begründung dafür wird dann auch gleich mitgeliefert und lautet: „Wenn geringe Löhne und Gehälter den dominierenden Faktor für die Qualität des Wirtschaftsstandortes darstellen würden, müßten z. B. in Europa die osteuropäischen Staaten wirtschaftliche Spitzenpositionen einnehmen." Da kann man wirklich nur noch staunen! Wo waren denn die Vertreter dieser Gruppe bei Anhörungen, die der Wirtschaftsausschuß durchgeführt hat? Ich erinnere nur an die Anhörung im vergangenen Jahr und an unsere Debatte am letzten Freitag zur Lage der Textilindustrie in Deutschland. Es ist doch ganz deutlich geworden, daß unsere Unternehmen, bedingt durch die im Internationalen Vergleich zu hohen Lohn- und Lohnzusatzkosten in unserem Land, nicht mehr wettbewerbsfähig sein konnten und deshalb ihre arbeitsintensiven Produktionsstätten ausgelagert haben. Eine Arbeiterin in Bayern verdient in der Stunde 13mal soviel wie ihre Kollegin in der Tschechischen Republik. Osteuropäische Arbeitskosten sind nicht zu unterbieten. Dies kann auch nicht das Ziel sein. Mittlerweile sind viele andere Industriebranchen dabei, ihre Produktionsstätten in Richtung Osteuropa auszulagern. Ich denke hierbei insbesondere an die Möbelindustrie und den großen Bereich der Zulieferer. Diese Entwicklung erfüllt mich auf der einen Seite mit großer Sorge. Natürlich muß es auch in der Bundesrepublik Arbeitsplätze geben für weniger gut ausgebildete Arbeitnehmer. Auf der anderen Seite sehe ich aber auch große Chancen in dieser Entwicklung, da ohne Zweifel neue Absatzmärkte für unsere Unternehmen entstehen. Der Aussage, der Wirtschaftsstandort Deutschland könne durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze gesichert werden, kann ich nur zustimmen. Es fehlt allerdings der Hinweis, wer diese Arbeitsplätze schaffen soll. Es wird doch hoffentlich nicht daran gedacht, daß der Staat diese Aufgabe übernehmen soll. Das hatten Sie doch bis 1989, und aus heutiger Sicht kann man sagen: „Es ist ganz gewaltig danebengegangen! " Ich möchte nur zwei konkrete Vorschläge aus diesem Antrag herausgreifen: — Abbau von Überstunden und Verringerung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden! Ich bin grundsätzlich mit einer solchen Regelung einverstanden, aber unter einer Bedingung: Alle diejenigen, die dies für andere fordern, sollten zunächst einmal selber diese Zeiten einhalten. Dies gilt ganz besonders für Abgeordnete und Spitzenfunktionäre der Gewerkschaften, also für die Damen und Herren Politiker. Wenn dort solche Regelungen machbar sind und auch eingehalten werden, bin ich sofort bereit, über diese beiden Punkte zu reden. Zu den Vorschlägen, wie Fördermittel für neue Arbeitsplätze aufgebracht werden sollen, muß auch noch ein Wort gesagt werden. Wer hat denn hier bei wem abgeschrieben? Alle Vorschläge sind in den letzten Monaten wiederholt vorgetragen worden. Die F.D.P. hat diesen Umverteilungsvorschlägen eine klare Absage erteilt. Mit den bereits beschlossenen Mehrbelastungen — Pflegeversicherung und Solidaritätszuschlag — ist die Obergrenze des Erträglichen erreicht, wenn nicht gar überschritten. Diejenigen in unserer Gesellschaft, die durch Arbeiten und Sparen für ihre Zukunft vorsorgen, wollen Sie dafür auch noch bestrafen. Was heißt denn bei Ihnen Ergänzungsabgabe für Besserverdienende? Gelten die Grenzen, die die SPD hier genannt hat, oder haben Sie andere Vorstellungen? Nein, dieser Antrag trägt nicht dazu bei, daß bestehende Arbeitsplätze gesichert werden und neue Arbeitsplätze entstehen können. Die Bundesregierung hat mit dem Aktionsprogramm für mehr Wachstum und Beschäftigung die Weichen richtig gestellt. Rahmenbedingungen müssen so verändert werden, daß Investieren und damit verbunden das Schaffen von neuen Arbeitsplätzen sich wieder lohnt. Die Anstrengungen der Lohnpolitik müssen ergänzt werden durch eine Politik wachstums- und beschäftigungsfreundlicher Rahmenbedingungen. Zentrale politische Herausforderung der kommenden Jahre ist es, den Staat schlanker zu machen. Zuviel wurde in der Vergangenheit vom Staat verlangt — und der Staat war bereit, zu vieles zu übernehmen. Harte Arbeit, neue Beweglichkeit und auch das Akzeptieren von mehr Ungleichheit sind erforderlich, damit die Beschäftigungsmöglichkeiten entstehen können, die so dringend gebraucht werden. Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Der Antrag wird dem Ziel, die Beschäftigungsprobleme in Deutschland zu 19542* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 mindern, in keiner Weise gerecht. Die Antragsteller haben wieder einmal gezeigt, daß sie immer noch nicht die richtigen Lehren aus der jüngeren deutschen Geschichte gezogen haben. Die Antragsteller verzichten auf eine Ursachenanalyse der Beschäftigungsprobleme, sie ignorieren die ökonomischen Zusammenhänge in der Marktwirtschaft und kommen daher zu falschen Rezepten. Die Antragsteller messen den Arbeitskosten keine Bedeutung für die Beschäftigung bei. Ansonsten, so ihre Begründung, müßten in Europa die osteuropäischen Staaten wirtschaftliche Spitzenpositionen einnehmen. Die unterschiedlichen Produktivitätsniveaus spielen für sie offensichtlich keine Rolle. Viele Fachleute sind sich einig, daß ein Großteil der Beschäftigungsprobleme strukturelle Ursachen hat. Zuletzt hat sich der Internationale Währungsfonds in seinem Bericht zur Lage der Weltwirtschaft in dieser Weise geäußert. Die Bundesregierung hat in ihrem Standortbericht auf diese strukturellen Fehlentwicklungen hingewiesen. Die Standortdiskussion geht nicht, wie im Antrag behauptet wird, zu Lasten anderer Staaten. Standortpolitik ist Wachstumspolitik. Diese ist weder europaweit noch weltweit gesehen ein Nullsummenspiel. Alle Nationen können davon profitieren. Als Maßnahme zur Lösung der Beschäftigungsprobleme wird von den Antragstellern Umverteilung von Arbeit vorgeschlagen: Begrenzung von Überstunden, Verringerung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden und Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit. Mit diesen Maßnahmen sollen bis zu 3 Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden. Diese Milchmädchenrechnung ist völlig absurd. Arbeitszeitverkürzung macht nur dann einen Sinn, wenn dadurch die Lohnstückkosten für die Unternehmen günstig beeinflußt werden. Bei Einführung einer gesetzlichen Begrenzung der Überstunden würde die Flexibilität der Unternehmen eingeschränkt, und die Stückkosten würden steigen. Auch eine generelle Arbeitszeitverkürzung auf 35 Wochenstunden ist keine Lösung. Die Beschäftigungswirkungen hängen davon ab, ob ein Lohnausgleich erfolgt, welche Rückwirkungen auf Betriebs- und Maschinenlaufzeiten eintreten, ob die benötigten zusätzlichen Arbeitskräfte mit entsprechender Qualifikation zu finden sind. Rasenmähermethoden sind bei der Arbeitszeitproblematik das falsche Rezept. Beschäftigungspolitisch geboten ist eine flexiblere und intelligentere Verteilung der Arbeitszeit. Dies ist notwendig, um den Kostendruck für die Unternehmen zu reduzieren, die Auslastung der teuren Produktionsanlagen zu verbessern und flexible Reaktionen auf Auftragsschwankungen zu ermöglichen. Auch den individuellen Wünschen und Möglichkeiten von Beschäftigten und Arbeitssuchenden kann so besser entsprochen werden. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für flexible Lösungen sind durch das neue Arbeitszeitgesetz verbessert worden. Es ist Aufgabe der Tarifpartner und der Verantwortlichen in den Betrieben, diesen Freiraum beschäftigungssichernd und beschäftigungsschaffend zu nutzen. Neben den defensiven Vorschlägen zur Umverteilung der Arbeit wird im Antrag vorgeschlagen, durch staatliche Ausgabenprogramme Arbeitsplätze in Bereichen zu schaffen, in denen gesellschaftliche Aufgaben unerledigt sind. Finanziert werden sollen diese Maßnahmen durch stärkere Besteuerung sogenannter leistungsunabhängiger Einkommen, Beseitigung von angeblichen Steuerprivilegien, Einführung einer Ergänzungsabgabe für Besserverdienende, einer Arbeitsmarktabgabe, einer Investitionshilfeabgabe in Westdeutschland sowie Einsparungen im Verteidigungshaushalt. Es soll also private Nachfrage durch Staatsnachfrage ersetzt werden. Wie hierdurch netto zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden, bleibt das Geheimnis der Antragsteller. Der Weg zu einem angemessenen Wachstum und zu mehr Beschäftigung führt nicht über eine Erhöhung der Staatsquote, sondern über mehr private Investitionen. Private Investoren brauchen gute und verläßliche Angebotsbedingungen. Deshalb muß die Wirtschaftspolitik ein Umfeld schaffen, in dem Verbraucher, Investoren und Anleger im Vertrauen auf Stabilität und verläßliche Rahmenbedingungen bereit sind, zukunftsgerichtete Entscheidungen zu treffen und Risiken einzugehen. Die Bundesregierung hat hierfür mit ihrem Bericht zur Zukunftssicherung des Standortes Deutschland und dem Aktionsprogramm für mehr Wachstum und Beschäftigung ein konkretes Handlungsprogramm vorgelegt und in Teilen bereits umgesetzt. Diese Politik ist Voraussetzung dafür, daß der Wiederaufbau in den neuen Ländern weiter zügig voranschreitet, die konjunkturellen Auftriebskräfte gestärkt werden und unsere Volkswirtschaft auf einen langanhaltenden und beschäftigungsintensiven Wachstumspfad einschwenkt. Die Vorschläge der Antragsteller bewirken genau das Gegenteil. Der Staat entzieht den Privaten bereits jetzt finanzielle Mittel in zuvor nicht gekannter Größenordnung. Wer diejenigen noch stärker belasten will, auf die es bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze in besonderem Maße ankommt, setzt die wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung leichtfertig aufs Spiel und leitet einen neuen Abwärtstrend ein. Das große internationale Vertrauen in die Leistungskraft und Stabilität unserer Volkswirtschaft würde geschwächt. Der mühsam erarbeitete Spielraum für die schrittweise Lockerung der Geldpolitik würde leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Eine solche Politik hätte katastrophale Auswirkungen auf die Investitionsneigung. Es würden keine zusätzlichen Arbeitsplätze geschaffen, sondern die Sicherheit vorhandener Arbeitsplätze würde gefährdet. Ein solcher Antrag gehört in den Papierkorb und nicht in den Deutschen Bundestag. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. April 1994 19543* Anlage 8 Antwort des Staatsministers Helmut Schäfer auf die Frage des Abgeordneten Claus Jager (CDU/CSU) (Drucksache 12/7353 Frage 11): Trifft es zu, daß der Bundesminister des Auswärtigen bei seinem Besuch in den USA vor einer Aufhebung des einseitig gegen die muslimischen Bosniaken wirkenden Waffenembargos und vor einer Verschärfung des Handelsembargos gegen Serbien gewarnt hat, und wie sind solche Äußerungen zutreffendenfalls mit dem am selben Tag im Deutschen Bundestag zutage getretenen Willen des Parlaments vereinbar, jede nur erdenkliche rechtlich mögliche Maßnahme zu unterstützen, die den Serben die Fortsetzung ihrer Massaker erschwert? Grundsätzlich hat die Bundesregierung keine Einwände gegen eine Aufhebung des Waffenembargos. Sie teilt die Auffassung der US-Regierung, daß eine einseitige Aufhebung mit Rücksicht auf die bestehende Resolution des VN-Sicherheitsrates nicht in Frage kommt. Eine Aufhebung müßte in jedem Falle die Interessen derjenigen Staaten berücksichtigen, deren Truppen im Rahmen von UNPROFOR die Risiken einer solchen Entscheidung tragen würden. Vor einer solchen Aufhebung müßte auch sichergestellt sein, daß eventuelle Waffenlieferungen die bosnische Regierung ungehindert und rechtzeitig erreichen, damit eine bloß deklaratorische Aufhebung nicht faktisch zu einer Verschlechterung der militärischen Situation der Regierungstruppen führt. Was eine Verschärfung des Embargos gegen Serbien/Montenegro betrifft, so ist die Bundesregierung bereit, in Abstimmung mit ihren Partnern zu prüfen, ob hier noch zusätzliche Maßnahmen möglich sind. Hierüber wird die Diskussion mit unseren Partnern und Verbündeten fortgesetzt werden. Anlage 9 Antwort des Staatsministers Helmut Schäfer auf die Frage der Abgeordneten Dr. Elke Leonhard-Schmid (SPD) (Drucksache 12/7353 Frage 13): Wie gedenkt die Bundesregierung die Verifizierung der im Kaufvertrag über die 39 Kriegsschiffe und 3 U-Boote enthaltenen einschränkenden Verwendungsklausel für die indonesischen Streitkräfte zu gewährleisten, und welche diplomatischen und wirtschaftlichen Maßnahmen plant die Bundesregierung für den Fall, daß es zu einem vertragswidrigen Einsatz der deutschen Kriegswaffenlieferungen kommt? *) Die Bundesregierung hat seit 1953 eine Vielzahl von Abkommen mit Indonesien geschlossen. Die dabei gemachten Erfahrungen geben ihr keinen Anlaß, an der Vertragstreue der indonesischen Regierung zu zweifeln. Die Bundesregierung ist daher der festen Überzeugung, daß Indonesien auch die im Kaufvertrag über die 39 Schiffe aus Beständen der ehemaligen NVA niedergelegten Bestimmungen erfüllen wird. 0) siehe hierzu Frage 41 Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ulrich Klinkert auf die Fragen der Abgeordneten Ina Albowitz (F.D.P.) (Drucksache 12/7353 Fragen 50 und 51): Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Sammelgefäße zur getrennten Sammlung der Haushaltsabfälle (Altpapier, Wertstoffe, organische Abfälle) in der Bundesrepublik Deutschland je nach Gebietskörperschaft farblich uneinheitlich bereitgestellt werden, und wenn ja, wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit zur Förderung der getrennten Sammlung von Abfällen, die Farben der Sammelgefäße bundeseinheitlich festzulegen, um damit einen Beitrag zur Senkung der Abfallgebühren zu leisten? Kämen hierfür nach Ansicht der Bundesregierung Anforderungen an die Entsorgung nach dem Stand der Technik bzw. mit den Ländern abgestimmte Empfehlungen in Frage, und wie beurteilt sich die Rechtslage nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz? Zu Fragen 50 und 51: Wegen des inhaltlichen Zusammenhangs möchte ich die Fragen im Zusammenhang beantworten. In den Gebietskörperschaften der Bundesrepublik Deutschland werden in der Tat Abfälle und Wertstoffe nicht in durchweg gleichartigen Systemen erfaßt. Gleichwohl gibt es sehr weitgehend einheitliche Sammelsysteme. Gewisse Unterschiede sind auch aufgrund der unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten nachvollziehbar. Für die Sammlung von Restabfällen hat sich in den letzten Jahren auch ohne bundesrechtliche Regelung eine weitgehende Vereinheitlichung der farblichen Gestaltung der Sammelgefäße ergeben. So werden in „Grauen Tonnen" normale Hausmüllabfälle gesammelt, schadstoffhaltige Abfälle werden in „Roten Tonnen" erfaßt. Sogenannte Bioabfälle werden ganz weitgehend in „Braunen Tonnen" gesammelt. Vor dem Hintergrund der Verordnung über die Vermeidung von Verpackungsabfällen vom Juni 1991 sammelt die Duale System Deutschland GmbH seit Januar 1993 überwiegend in „Gelben Tonnen" bzw. „Gelben Säcken" gebrauchte Verkaufsverpackungen aus Kunststoff, Weißblech, Aluminium sowie Verbundverpackungen. Verkaufsverpackungen aus Glas werden üblicherweise in „Grünen Tonnen" und Verkaufsverpackungen aus Papier sowie auch graphische Papiere werden regelmäßig in „Blauen Tonnen" erfaßt. In einigen Gebietskörperschaften weichen die Einsatzbereiche für die grünen und blauen Sammelgefäße, selten auch für die gelben und grünen Erfassungsbehälter noch voneinander ab. Dies beruht in aller Regel darauf, daß diese Gefäße in den einzelnen Gebietskörperschaften schon seit langer Zeit eingeführt waren und die Bürger an eine entsprechende Benutzung dieser Sammelgefäße gewöhnt sind. Die Möglichkeiten einer noch weitergehenden Vereinheitlichung der Sammelsysteme sollten nach Ansicht der Bundesregierung durch die entsorgungspflichtigen Körperschaften, insbesondere vertreten durch die kommunalen Spitzenverbände geprüft und ggf. initiiert werden. Inwiefern eine weitere Vereinheitlichung der Farben der Sammelgefäße einen direkten Beitrag zur Senkung der Abfallgebühren leisten sollte, kann aus Sicht der Bundesregierung nicht nachvollzogen werden.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans Klein


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?


Rede von Dr. Franz-Josef Mertens
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Bitte sehr.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Gerhard Schüßler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Kollege, da Sie aus Nordrhein-Westfalen kommen, möchte ich Sie fragen, ob nicht gerade die Landesregierung von NordrheinWestfalen eine der kommunalunfreundlichsten Landesregierungen ist.

    (Uwe Lambinus [SPD]: Und Bayern?)

    Ist es z. B. richtig, daß Pflichtaufgaben nach Weisung, die den Kommunen zugewiesen worden sind, finanziert worden sind — wie das auch richtig ist — und dann auf einmal nicht mehr bezahlt wurden, weil gesagt wurde: Das ist jetzt im Steuerverbund, im Länderfinanzausgleich enthalten? Das war die erste Frage.
    Die zweite Frage: Sind Sie mit mir der Meinung, daß die Kommunalfreundlichkeit des Landes NordrheinWestfalen letztmalig bei den liberalen Innenministern Weyer und Hirsch gegeben war?

    (Lachen bei der SPD — Brigitte Schulte [Hameln] [SPD]: Vor 20 Jahren!)

    Und die Steuerverbundquote von 28,5 % haben Sie
    inzwischen im Finanzausgleich auf 21,5 % heruntergewirtschaftet! Können Sie diese Fakten bestätigen?