Plenarprotokoll 12/215
BundestagDeutscher
Stenographischer Bericht
215. Sitzung
Bonn, Mittwoch, den 9. März 1994
Inhalt:
Tagesordnungspunkt 1:
Befragung der Bundesregierung (Jahresabrüstungsbericht 1993; Gesetz zu dem Abkommen vom 16. Dezember 1992 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Russischen Föderation über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen)
Helmut Schäfer, Staatsminister AA . . 18557 B
Peter Kurt Würzbach CDU/CSU 18558 A
Helmut Schäfer, Staatsminister AA . . 18558B
Jürgen Koppelin F.D.P. 18558 D
Helmut Schäfer, Staatsminister AA . . 18558D
Jürgen Augustinowitz CDU/CSU . . 18559A
Helmut Schäfer, Staatsminister AA . . 18559A
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär BMI 18559B
Tagesordnungspunkt 2:
Fragestunde
— Drucksache 12/6965 vom 4. März 1994 —
Verhandlungen mit Polen über Vermögensansprüche der vertriebenen Deutschen aus den Oder-Neiße-Gebieten
MdlAnfr 30
Ortwin Lowack fraktionslos
Antw StM Helmut Schäfer AA 18560 A
ZusFr Ortwin Lowack fraktionslos . . . 18560 B
Schwächung der militärischen Macht der
Aggressoren im früheren Jugoslawien
durch Asylgewährung für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer in allen EU-Mitgliedstaaten
MdlAnfr 33
Horst Kubatschka SPD
Antw StM Helmut Schäfer AA 18560D
ZusFr Horst Kubatschka SPD 18561A
ZusFr Rudolf Bindig SPD 18561B
Gespräch mit dem brasilianischen Außenminister über die Möglichkeiten einer Nutzung deutscher Kernkrafttechnologie
MdlAnfr 35
Hans Wallow SPD
Antw StM Helmut Schäfer AA 18561 D
ZusFr Hans Wallow SPD 18561 D
Wiederaufnahme der französischen Atomversuche
MdlAnfr 36, 37 Gernot Erler SPD
Antw StM Helmut Schäfer AA 18562B, 18562D
ZusFr Gernot Erler SPD . . . 18562C, 18563 A
Verzicht auf eine Finanzierungsbeteiligung des Bundes an den Investitionskosten für den Bau von Kindergartenplätzen
MdlAnfr 1
Michael Habermann SPD
Antw PStS'in Cornelia Yzer BMFJ . . . 18563 C
ZusFr Michael Habermann SPD 18564 A
II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. März 1994
ZusFr Uta Würfel F D P 18564 B
ZusFr Christel Hanewinckel SPD . . . 18564C
ZusFr Siegfried Vergin SPD 18564 D
Anwendung eines im Auftrag und mit Wissen der ehemaligen DDR-Regierung gefälschten Gutachtens zur Sicherheit der Mülldeponie Ihlenberg (Schönberg)
MdlAnfr 2, 3
Reinhold Hiller (Lübeck) SPD
Antw PStSekr Ulrich Klinkert BMU . . 18565A,
18565B
ZusFr Reinhold Hiller (Lübeck) SPD . . . 18565D
ZusFr Jürgen Koppelin F.D.P. 18566 C
ZusFr Dr. Uwe Küster SPD 18566D
ZusFr Horst Kubatschka SPD 18567 A
Finanzierung der Inkatha-Institute mit BMZ-Steuermitteln über die Konrad-Adenauer-Stiftung oder andere Organisationen
MdlAnfr 6
Hans Wallow SPD
Antw StS Wighard Härdtl BMZ 18567 C
ZusFr Hans Wallow SPD 18567 C
Entschließung der Familienverbände anläßlich der Tagung der Deutschen Liga für das Kind am 21. Februar 1994 in Bonn
MdlAnfr 7
Michael Habermann SPD
Antw PStS'in Roswitha Verhülsdonk
BMFuS 18568A
ZusFr Michael Habermann SPD 18568B
ZusFr Klaus Riegert CDU/CSU 18569 B
ZusFr Ortwin Lowack fraktionslos . . . 18569 C
Manipulation des Nikotingehalts durch die Tabakindustrie
MdlAnfr 8
Hubert Hüppe CDU/CSU
Antw StS Baldur Wagner BMG 18569 D
ZusFr Hubert Hüppe CDU/CSU 18570 A
Pflicht zur eindeutigen Kennzeichnung aller gentechnisch hergestellten Lebensmittel; Durchsetzung der Forderung des Europäischen Parlaments bei der Beratung der Novel-food-Verordnung im Binnenmarkt-Rat
MdlAnfr 11, 12
Dr. Marliese Dobberthien SPD
Antw StS Baldur Wagner BMG 18570C
ZusFr Dr. Marliese Dobberthien SPD . 18570 D
Zusatztagesordnungspunkt 2:
Aktuelle Stunde betr. Abschiebung von Flüchtlingen und Deserteuren nach Rest-Jugoslawien fiber Rumänien
Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18571 B
Meinrad Belle CDU/CSU 18572B
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . . 18573B
Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 18574 C
Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 18575 C
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär BMI 18576B
Rudolf Bindig SPD 18577 A
Ulrich Irmer F.D.P. 18578A
Wolfgang Zeitlmann CDU/CSU 18579A
Gerd Wartenberg (Berlin) SPD 18579C
Dr. Wolfgang Götzer CDU/CSU 18580 C
Günter Rixe SPD 18581 C
Friedrich Vogel (Ennepetal) CDU/CSU 18582 C
Nächste Sitzung 18583 D
Berichtigungen 18584
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten . 18585* A Anlage 2
Weiterführung der im Zuge der Bahnreform verlorengegangenen oder bedrohten Bahn-Ausbildungsplätze in anderer Trägerschaft
MdlAnfr 4, 5 — Drs 12/6965 — Christa Lörcher SPD
SchrAntw PStSekr Dr. Norbert Lammert
BMBW 18585* C
Anlage 3
Umsatzrückgänge von Apotheken und Ärzten nach dem Inkrafttreten des Gesundheits-Strukturgesetzes 1993
MdlAnfr 9, 10 — Drs 12/6965 — Dr. Willfried Penner SPD
SchrAntw StS Baldur Wagner BMG . . . 18586* A Anlage 4
Veruntreuung von Geldern aus der Stiftung „Polnisch-Deutsche Aussöhnung"; Ausgleich für die den Zwangsarbeitern und anderen Nazi-Opfern entstandenen finanziellen Nachteile
MdlAnfr 31, 32 — Drs 12/6965 — Siegrun Klemmer
SchrAntw StM Helmut Schäfer AA . . . 18586* D
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. März 1994 III
Anlage 5
Zeitpunkt der Vorlage des amtlichen Wahlergebnisses der Parlamentswahlen in Rußland vom Dezember 1993
MdlAnfr 34 — Drs 12/6965 —
Wilfried Böhm (Melsungen) CDU/CSU
SchrAntw StM Helmut Schäfer AA . . . 18587* B
Anlage 6
Inkrafttreten der Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten und der Republik Polen bzw. anderen MOE-Staaten
MdlAnfr 38, 39 — Drs 12/6965 — Hans-Eberhard Urbaniak SPD
SchrAntw StM Helmut Schäfer AA . . . 18587* C
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. März 1994 18557
215. Sitzung
Bonn, den 9. März 1994
Beginn: 13.00 Uhr
18584 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. März 1994
Berichtigungen
213. Sitzung, Seite 18496 B: Im letzten Absatz ist statt „Hans Schuster" „Gerhard Schüßler" zu lesen.
Seite 18499 A: Bei Anlage 9 ist in der Klammer statt „Frage 9" „Frage 19" zu lesen. Der abgedruckte Fragetext ist zu streichen. Einzufügen ist folgender Fragetext:
Welchen Einfluß hat die jüngste Meldung über die Ermordung von 200 Bewohnern Osttimors durch Soldaten auf die Entscheidung der Bundesregierung, 39 NVA-Schiffe, 5 U-Boote und 5 000 Tonnen Munition nach Indonesien zu exportieren, zumal der Abschluß des U-Boot-Geschäftes weiterhin aussteht und damit die Bundesregierung — wie in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD angegeben (Drucksache 12/6512) — mit einer Aussetzung der Lieferung dem WEU-Beschluß vom 17. Juni 1993 folgen könnte?
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich
Dr. Bauer, Wolf CDU/CSU 9. 3. 94
Baum, Gerhart Rudolf F.D.P. 9. 3. 94
Blunck (Uetersen), SPD 9. 3. 94
Lieselott
Büchler (Hof), Hans SPD 9. 3. 94 '
Clemens, Joachim CDU/CSU 9. 3. 94
Dr. Däubler-Gmelin, SPD 9. 3. 94
Herta
Duve, Freimut SPD 9. 3. 94
Eimer (Fürth), Norbert F.D.P. 9. 3. 94
Eymer, Anke CDU/CSU 9. 3. 94
Gries, Ekkehard F.D.P. 9. 3. 94
Günther (Duisburg), CDU/CSU 9. 3. 94
Horst
Dr. Hartenstein, Liesel SPD 9. 3. 94
Junghanns, Ulrich CDU/CSU 9. 3. 94
Keller, Peter CDU/CSU 9. 3. 94
Kittelmann, Peter CDU/CSU 9. 3. 94 **
Kors, Eva-Maria CDU/CSU 9. 3. 94
Kretkowski, Volkmar SPD 9. 3. 94
Lummer, Heinrich CDU/CSU 9. 3. 94 *
Dr. Matterne, Dietmar SPD 9. 3. 94
Dr. Menzel, Bruno F.D.P. 9. 3. 94
Mischnick, Wolfgang F.D.P. 9. 3. 94
Dr. Müller, Günther CDU/CSU 9. 3. 94 **
Müller (Wadern), CDU/CSU 9. 3. 94
Hans-Werner
Müller (Wesseling), CDU/CSU 9. 3. 94
Alfons
Reddemann, Gerhard CDU/CSU 9. 3. 94 **
Repnik, Hans-Peter CDU/CSU 9. 3. 94
Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 9. 3. 94
Ingrid
Schemken, Heinz CDU/CSU 9. 3. 94
Schuster, Hans F.D.P. 9. 3. 94
Skowron, Werner H. CDU/CSU 9. 3. 94
Dr. Soell, Hartmut SPD 9. 3. 94 **
Dr. von Teichman, F.D.P. 9. 3. 94
Cornelia
Dr. Töpfer, Klaus CDU/CSU 9. 3. 94
Türk, Jürgen F.D.P. 9. 3. 94
Verheugen, Günter SPD 9. 3. 94
Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 9. 3. 94
Zierer. Benno CDU/CSU 9. 3. 94
•*für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht
Anlage 2
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Norbert Lammert auf die Fragen der Abgeordneten Christa Lörcher (SPD) (Drucksache 12/6965 Fragen 4 und 5):
Welche Kosten entstehen der öffentlichen Hand durch die Schaffung von rd. 3 000 außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen - abgebaut bei den Deutschen Bahnen/Bahn AG 1993/94 -, und aus welchen Mitteln werden diese finanziert?
Welche Möglichkeiten gibt es, die durch den Abbau verlorengegangenen oder bedrohten Bahn-Ausbildungsplätze in anderer Trägerschaft weiterzuführen und damit Ausbildungsstätten mit hohem Qualifikationsniveau zu erhalten?
Das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft hat am 2. März 1994 im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft zugesagt, detailliertere Auskünfte zum Ausbildungsplatzangebot bei der Deutschen Bahn AG einzuholen. Dazu liegen bislang folgende Informationen vor: Die Deutsche Reichsbahn hat für den Eigenbedarf 1992 2 520 Ausbildungsplätze, von denen 2 169 besetzt wurden, und 1993 3 160 Ausbildungsplätze, von denen 2 979 besetzt wurden, angeboten. Für 1994 werden in den neuen Ländern 1 415 Ausbildungsplätze für den Eigenbedarf bereitgestellt.
Die Deutsche Bahn AG bzw. deren Vorgänger (Deutsche Reichsbahn) hat aus betriebswirtschaftlichen Gründen bereits 1993 nur noch für den eigenen Bedarf ausgebildet und wird auch 1994 so verfahren. Die Annahme, daß dies zu einer Ausbildungsplatzlücke führt, die durch öffentliche Förderung geschlossen werden muß, trifft allerdings nicht zu. Das gilt auch für die neuen Länder, in denen gegenwärtig selbst hochqualifizierte und zukunftssichere Ausbildungsplätze im gewerblich-technischen Bereich häufig nicht besetzt werden können. Nach der Berufsberatungsstatistik der Bundesanstalt für Arbeit standen dort am 30. September 1993 gut 1 400 unbesetzten Ausbildungsplätzen in Fertigungsberufen noch 970 unvermittelte Bewerber für solche Berufe gegenüber. In den alten Ländern blieben rund 48 500 Ausbildungsplätze in diesen Berufen unbesetzt, denen 5 240 unvermittelte Bewerber gegenüberstanden.
So konnten auch die von der ehemaligen Deutschen Reichsbahn angebotenen Ausbildungsplätze in den neuen Ländern in den letzten Jahren nie vollständig besetzt werden, auch nicht, nachdem die aus Bundesmitteln finanzierte Überbedarfsausbildung zurückgeführt wurde und Ausbildungsplätze nur für den Eigenbedarf angeboten wurden. Eine Nutzung etwa freier Ausbildungskapazitäten der Deutschen Bahn AG in den neuen Ländern durch andere, gegebenenfalls öffentlich zu finanzierende Träger, erscheint unter den gegenwärtigen Bedingungen insbesondere angesichts der Nachfragestruktur deshalb weder notwendig noch zweckmäßig.
Die ergänzende Förderung von bis zu 10 000 außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen für den Bewerberjahrgang 1993 in den neuen Ländern durch die Gemeinschaftsinitiative von Bund, neuen Ländern und Berlin, die vorraussichtlich nicht in vollem Umfang in Anspruch genommen wird, konzentriert sich vielmehr nach einvernehmlicher Bedarfseinschätzung auf die stark nachgefragten kaufmänni-
18586* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. März 1994
schen und Dienstleistungsberufe. Pro Platz und Ausbildungsjahr müssen dafür rund 18 000 DM aufgebracht werden.
Anlage 3
Antwort
des Staatssekretärs Baldur Wagner auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Willfried Penner (SPD) (Drucksache 12/6965 Fragen 9 und 10):
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, daß sich nach Inkrafttreten der Gesundheitsstrukturreform zum 1. Januar 1993 die Umsätze von Apotheken und Arztpraxen um bis zu 20 T. reduziert haben?
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, daß in Folge der Gesundheitsstrukturreform Apotheken und Arztpraxen haben schließen müssen?
Zu Frage 9:
In den alten Bundesländern sind die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahre 1993 für ambulante ärztliche Leistungen auf Basis der seit dem 1. März 1994 vorliegenden Rechnungsergebnisse (KV '45) um insgesamt 3,5 % gegenüber dem Vorjahr auf rd. 30,1 Milliarden DM gestiegen. Trotz dieses Anstiegs des gesamten Ausgabenvolumens sank das Ausgabenvolumen je Vertragsarzt im statistischen Durchschnitt im gleichen Zeitraum um rd. ca. 3,8 % infolge einer Zunahme der Zahl der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte.
In den neuen Bundesländern stiegen die Ausgaben für ärztliche Behandlung insgesamt um rd. 16,4 % auf 5,2 Milliarden DM; die auf jeden an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt entfallenden Ausgaben stiegen im statistischen Durchschnitt um rd. 10 %. Dabei muß berücksichtigt werden, daß die Zahl der Mitglieder der Krankenkassen um rd. 2,6 % zurückgegangen ist. Außerdem ergibt sich durch die Steigerung der beitragspflichtigen Einnahmen je Mitglied von 16,8 %, die höher als erwartet ausgefallen ist, zusätzlicher Spielraum für die ärztlichen Vergütungen.
Die Umsätze der öffentlichen Apotheken in den alten Bundesländern zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen (einschließlich der Zuzahlungen der Versicherten, nach Abzug des Kassenrabatts) erreichten nach Angaben des Wissenschaftlichen Instituts der Ortskrankenkassen in den alten Bundesländern 1993 rd. 23,5 Milliarden DM und waren damit um 13,3 % niedriger als im Vorjahr. Die Umsatzentwicklung je Apotheke dürfte, da sich die Zahl der Apotheken in Westdeutschland nicht wesentlich verändert hat, ungefähr die genannte Größenordnung erreicht haben. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Apotheken 1993 steigende Umsätze u. a. mit Arzneimitteln der Selbstmedikation und im Ergänzungssortiment erreicht haben dürften, deren Höhe bisher nicht bekannt ist.
Die Umsätze der öffentlichen Apotheken in den neuen Bundesländern zu Lasten der gesetzlichen
Krankenkassen stiegen 1993 um 15,9 % auf 6,2 Milliarden DM (einschließlich Zuzahlung der Versicherten, nach Abzug des Kassenrabatts und des Rechnungsabschlags). Die Umsätze je Apotheke sind für das Jahr 1993 noch nicht bekannt; im Vorjahr waren die Umsätze je Apotheke in den neuen Bundesländern mit 2,5 Millionen DM deutlich höher als in den alten Bundesländern mit 1,5 Millionen DM; Grund hierfür war die niedrigere Apothekendichte in den neuen Bundesländern.
Zu Frage 10:
Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, ob Apotheken und Arztpraxen infolge des Gesundheits-Strukturgesetzes geschlossen haben. Der Bundesregierung ist jedoch bekannt, daß die Zahl der Vertragsärzte im vergangenen Jahr in den alten und neuen Bundesländern gestiegen ist; zum Stichtag 30. Juni 1993 war die Zahl der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte in den alten Bundesländern um 7,6 % und in den neuen Bundesländern um 6,8 % höher.
Die Entwicklung der Zahl der Apotheken liegt für das Jahr 1993 noch nicht vor. Nach Verbandsangaben dürfte ihre Zahl in den alten Ländern gegenüber 1992 ungefähr gleich geblieben sein; für die neuen Länder dagegen wird mit einer deutlichen Apothekenvermehrung gerechnet.
Anlage 4
Antwort
des Staatsministers Helmut Schäfer auf die Fragen der Abgeordneten Siegrun Klemmer (SPD) (Drucksache 12/6965 Fragen 31 und 32):
Was ist der Bundesregierung bekannt über angebliche Veruntreuungen von Geldern aus der Stiftung „Polnisch-Deutsche Aussöhnung", die zur Entschädigung von Zwangsarbeitern und anderen Nazi-Opfern gegründet wurde, und um welche Summen handelt es sich?
Wie können entstandene finanzielle Nachteile zu Lasten der Opfer ausgeglichen werden, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung im Interesse der betroffenen Personen, in Zukunft solche finanziellen Manipulationen auszuschließen?
Zu Frage 31:
Die mit Notenwechsel vom 16. Oktober 1991 zwischen Polen und der Bundesrepublik Deutschland vereinbarte Stiftung „Deutsch-Polnische Aussöhnung" wurde im Frühjahr 1992 nach polnischem Recht gegründet und von deutscher Seite mit 500 Millionen DM dotiert. Ihre Mittel werden für besonders geschädigte Opfer nationalsozialistischer Verfolgung verwendet. Nach mir vorliegenden Informationen hat die Stiftung im Sommer 1993 Gelder bei der polnischen Mega-Bank angelegt, die von dieser Bank dann zur Absicherung zweifelhafter Finanzgeschäfte mißbraucht sein sollen. Es soll sich um einen Betrag von 43 Milliarden Zloty (= ca. 4,3 Millionen DM) handeln.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. März 1994 18587*
Die Staatsanwaltschaft Warschau ermittelt gegen mehrere Mitarbeiter der genannten Bank, eine der Mitarbeiterinnen wurde verhaftet.
Zu Frage 32:
Die Stiftung arbeitet eigenverantwortlich und unabhängig nach polnischem Recht. Die Bundesregierung hat keinen Einfluß auf ihre Arbeit. Im 20köpfigen Aufsichtsrat der Stiftung ist als einziger Deutscher der auf Vorschlag der Bundesregierung von polnischer Seite berufene Staatsminister a. D. Friedrich Vogel, MdB, vertreten. Der Aufsichtsrat der Stiftung hat keine direkten Kontrollrechte über finanzielle Einzelgeschäfte oder Transaktionen der Stiftung. Die Bundesregierung hat gleichwohl ihr erhebliches politisches Interesse an einer vollständigen Aufklärung der Angelegenheit geltend gemacht. Dies entspricht auch dem polnischen Interesse. Die polnische Seite hatte große Mühe darauf verwendet, den Aufsichtsrat der Stiftung mit herausragenden Persönlichkeiten des Landes zu besetzen, so die früheren Premierminister Mazowiecki und Bielecki, der angesehene frühere Abgeordnete Prof. Stomma und der Schriftsteller und Senator Szczypiorski.
Die Botschaft Warschau wird von der dortigen Staatsanwaltschaft laufend über den Fortgang der Ermittlungen informiert. An der für den 23. März 1994 vorgesehenen Sitzung des Aufsichtsrats wird Staatsminister a. D. Friedrich Vogel, MdB, teilnehmen.
Anlage 5
Antwort
des Staatsministers Helmut Schäfer auf die Frage des Abgeordneten Wilfried Böhm (Melsungen) (CDU/ CSU) (Drucksache 12/6965 Frage 34):
Seit wann hat die Bundesregierung das amtliche Wahlergebnis zu den Parlamentswahlen in Rußland vom 12. Dezember 1993 aus allen Gebietskörperschaften der Russischen Föderation vorliegen, um daraus Erkenntnisse über die politische Entwicklung in den einzelnen Republiken und Regionen gewinnen zu können?
Eine amtliche, nach Gebietskörperschaften aufgeschlüsselte Bekanntmachung des Ergebnisses der russischen Parlamentswahlen vom 12. Dezember 1993 ist dem Auswärtigen Amt am 21. Februar 1994 durch den Vorsitzenden der Zentralen Wahlkommission Rußlands, Rjabow, zugeleitet worden. Das Auswärtige Amt hat am 23. Februar 1994 beim Sprachendienst die Übersetzung der Bekanntmachung sowie der Begleitschreiben, unter anderem an die Präsidentin des Bundestages, Frau Prof. Dr. Süssmuth, und an den Chef des Bundeskanzleramtes, Herrn Bundesminister Bohl, die allesamt in russischer Sprache abgefaßt sind, in Auftrag gegeben. Sobald die Übersetzung fertiggestellt ist, wird das Auswärtige Amt sie den Adressaten übermitteln.
Anlage 6
Antwort
des Staatsministers Helmut Schäfer auf die Fragen des Abgeordneten Hans-Eberhard Urbaniak (SPD) (Drucksache 12/6965 Fragen 38 und 39):
Wann wird das Europa-Abkommen vom 16. Dezember 1991 zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten und der Republik Polen für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft treten?
Wann ist mit dem Inkrafttreten vergleichbarer Abkommen mit anderen Staaten Mittel- und Osteuropas (MOE-Staaten) zu rechnen?
Zu Frage 38:
Das Abkommen ist am 1. Februar 1994 in Kraft getreten.
Zu Frage 39:
Das Europa-Abkommen mit Ungarn ist — wie das Europaabkommen mit Polen — am 1. Februar 1994 in Kraft getreten.
Das am 1. Februar 1993 mit Rumänien, wie das am 8. März 1993 mit Bulgarien unterzeichnete Europa-Abkommen werden zur Zeit von den Mitgliedstaaten der EU ratifiziert. Es ist geplant, daß beide Abkommen in der zweiten Hälfte diesen Jahres in Kraft treten.
Nach der Zustimmung zu den entsprechenden Ratifikationsgesetzen im Kabinett am 4. November 1993 werden diese zur Zeit im Bundestag beraten.
Die Europa-Abkommen mit der Tschechischen Republik und der Slowakischen Republik, die am 4. Oktober 1993 unterzeichnet wurden, werden ebenfalls zur Zeit von den Mitgliedstaaten der EU ratifiziert. Es ist geplant, daß beide Abkommen in der zweiten Hälfte diesen Jahres in Kraft treten. Das Kabinett wird am 15. März 1994 über die entsprechenden Ratifikationsgesetze beraten.
Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, daß möglichst bald Europa-Abkommen mit Slowenien wie den Baltischen Republiken abgeschlossen werden.