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    Plenarprotokoll 12/211 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 211. Sitzung Bonn, Freitag, den 25. Februar 1994 Inhalt: Tagesordnungspunkt 9: Beratung des Antrags der Abgeordneten Johannes Gerster (Mainz), Heribert Scharrenbroich, Peter Kittelmann, Dr. Peter Struck, Peter Conradi, Freimut Duve, Manfred Richter (Bremerhaven), Ina Albowitz, Uwe Lühr, Andrea Lederer, Werner Schulz (Berlin) und weiterer Abgeordneter Verhüllter Reichstag — Projekt für Berlin (Drucksache 12/6767) Peter Conradi SPD 18275 B Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 18278 A Heribert Scharrenbroich CDU/CSU . . 18278D Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . 18280 C Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18281 B Manfred Richter (Bremerhaven) F.D.P. 18282A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 18283 A Eike Ebert SPD 18286 A Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 18287 B Freimut Duve SPD 18287 D Namentliche Abstimmung 18288 C Ergebnis 18294 A Tagesordnungspunkt 10: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Erster Altenbericht der Bundesregierung (Drucksache 12/5897) Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS 18289 A Lieselott Blunck (Uetersen) SPD . . . . 18290D Walter Link (Diepholz) CDU/CSU . . 18291B, 18305 D Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . 18291 C Klaus Riegert CDU/CSU 18292 C Arne Fuhrmann SPD 18296 A Erika Reinhardt CDU/CSU 18298 D Hans A. Engelhard F.D.P. 18300D Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . 18302C Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18304A Lisa Seuster SPD 18305 C Walter Link (Diepholz) CDU/CSU . . . 18308B Winfried Fockenberg CDU/CSU . . 18310B a) Dr. Rudolf Karl Krause (Bonese) fraktionslos 18311B Tagesordnungspunkt 11: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit (Arbeitsschutzrahmengesetz) (Drucksache 12/6752) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über den Stand der Unfallverhütung und das Unfallgeschehen in der Bundesrepublik Deutschland: Unfallverhütungsbericht 1992 (Drucksache 12/6429) Horst Günther, Parl. Staatssekretär BMA 18312B Manfred Reimann SPD 18313B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Februar 1994 Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU 18315A Hans Büttner (Ingolstadt) SPD 18315D Petra Bläss PDS/Linke Liste 18316D Paul K. Friedhoff F D P. 18317 C Nächste Sitzung 18318D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 18319* A Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den von den Abgeordneten Johannes Gerster (Mainz), Heribert Scharrenbroich und weiteren Abgeordneten eingebrachten Antrag betr. verhüllter Reichstag — Projekt für Berlin (Tagesordnungspunkt 9) Hans-Dirk Bierling CDU/CSU 18320* A Klaus Bühler (Bruchsal) CDU/CSU . . 18320* B Hartmut Koschyk CDU/CSU 18320* C Dr. Norbert Lammert CDU/CSU 18320* D Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . 18321* B Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/ CSU 18321* C Dr. Eberhard Brecht SPD 18321* D Martin Grüner F.D.P. 18322* B Birgit Homburger F D P 18322* D Jürgen Türk F.D.P. 18323' A Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 18323* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Februar 1994 18275 211. Sitzung Bonn, den 25. Februar 1994 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 25. 2. 94 Bartsch, Holger SPD 25. 2. 94 Becker-Inglau, Ingrid SPD 25. 2. 94 Berger, Hans SPD 25. 2. 94 Dr. Blanck, CDU/CSU 25. 2. 94 Joseph-Theodor Böhm (Melsungen), CDU/CSU 25. 2. 94* Wilfried Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 25. 2. 94 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 25. 2. 94 Herta Dörflinger, Werner CDU/CSU 25. 2. 94 Ehrbar, Udo CDU/CSU 25. 2. 94 Eimer (Fürth), Norbert F.D.P. 25. 2. 94 Fischer SPD 25. 2. 94 (Gräfenhainichen), Evelin Francke (Hamburg), CDU/CSU 25. 2. 94 Klaus Gallus, Georg F.D.P. 25. 2. 94 Ganschow, Jörg F.D.P. 25. 2. 94 Dr. Gautier, Fritz SPD 25. 2. 94 Gries, Ekkehard F.D.P. 25. 2. 94 Grochtmann, Elisabeth CDU/CSU 25. 2. 94 Gröbl, Wolfgang CDU/CSU 25. 2. 94 Grünbeck, Josef F.D.P. 25. 2. 94 Haack (Extertal), SPD 25. 2. 94 Karl-Hermann Hackel, Heinz-Dieter F.D.P. 25. 2. 94 Haschke (Jena-Ost), Udo CDU/CSU 25. 2. 94 Heinrich, Ulrich F.D.P. 25. 2. 94 Jung (Düsseldorf), Volker SPD 25. 2. 94 Kalb, Bartholomäus CDU/CSU 25. 2. 94 Kastning, Ernst SPD 25. 2. 94 Keller, Peter CDU/CSU 25. 2. 94 Kleinert (Hannover), F.D.P. 25. 2. 94 Detlef Köppe, Ingrid BÜNDNIS 25. 2. 94 90/DIE GRÜNEN Körper, Fritz Rudolf SPD 25. 2. 94 Kohn, Roland F.D.P. 25. 2. 94 Kolbe, Manfred CDU/CSU 25. 2. 94 Koltzsch, Rolf SPD 25. 2. 94 Koppelin, Jürgen F.D.P. 25. 2. 94 Kors, Eva-Maria CDU/CSU 25. 2. 94 Koschnick, Hans SPD 25. 2. 94 Dr. Graf Lambsdorff, Otto F.D.P. 25. 2. 94 Leidinger, Robert SPD 25. 2. 94 Dr. Leonhard-Schmid, SPD 25. 2. 94 Elke Dr. Matterne, Dietmar SPD 25. 2. 94 Mattischeck, Heide SPD 25. 2. 94 Dr. Menzel, Bruno F.D.P. 25. 2. 94 Michels, Meinolf CDU/CSU 25. 2. 94 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Mildner, Klaus CDU/CSU 25. 2. 94 Molnar, Thomas CDU/CSU 25. 2. 94 Müller (Schweinfurt), SPD 25. 2. 94 Rudolf Müller (Völklingen), SPD 25. 2. 94 Jutta Müller (Wesseling), CDU/CSU 25. 2. 94 Alfons Niggemeier, Horst SPD 25. 2. 94 Ostertag, Adolf SPD 25. 2. 94 Dr. Penner, Willfried SPD 25. 2. 94 Pesch, Hans-Wilhelm CDU/CSU 25. 2. 94 Pfuhl, Albert SPD 25. 2. 94 Dr. Pinger, Winfried CDU/CSU 25. 2. 94 Dr. Pohl, Eva F.D.P. 25. 2. 94 Rahardt-Vahldieck, CDU/CSU 25. 2. 94 Susanne Repnik, Hans-Peter CDU/CSU 25. 2. 94 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 25. 2. 94 Ingrid Schaich-Walch, Gudrun SPD 25. 2. 94 Scheffler, Siegfried SPD 25. 2. 94 Dr. Schmude, Jürgen SPD 25. 2. 94 von Schmude, Michael CDU/CSU 25. 2. 94 Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 25. 2. 94 Schütz, Dietmar SPD 25. 2. 94 Schulte (Hameln), SPD 25. 2. 94 ** Brigitte Schuster, Hans F.D.P. 25. 2. 94 Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 25. 2. 94 Christian Seibel, Wilfried CDU/CSU 25. 2. 94 Skowron, Werner H. CDU/CSU 25. 2. 94 Dr. Starnick, Jürgen F.D.P. 25. 2. 94 Dr. Frhr. von Stetten, CDU/CSU 25. 2. 94 Wolfgang Dr. Stoltenberg, Gerhard CDU/CSU 25. 2. 94 Dr. von Teichman, F.D.P. 25. 2. 94 Cornelia Dr. Töpfer, Klaus CDU/CSU 25. 2. 94 Dr. Vogel, Hans-Jochen SPD 25. 2. 94 Vosen, Josef SPD 25. 2. 94 Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 25. 2. 94 Westrich, Lydia SPD 25. 2. 94 Wettig-Danielmeier, Inge SPD 25. 2. 94 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 25. 2. 94 Wieczorek-Zeul, SPD 25. 2. 94 Heidemarie Wieczorek (Duisburg), SPD 25. 2. 94 Helmut Wimmer (Neuötting), SPD 25. 2. 94 Hermann Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 25. 2. 94 Wolf, Hanna SPD 25. 2. 94 Zierer, Benno CDU/CSU 25. 2. 94 Zywietz, Werner F.D.P. 25. 2. 94 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung 18320* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Februar 1994 Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den von den Abgeordneten Johannes Gerster (Mainz), Heribert Scharrenbroich und weiteren Abgeordneten eingebrachten Antrag betr. verhüllter Reichstag — Projekt für Berlin (Tagesordnungspunkt 9) Hans-Dirk Bierling (CDU/CSU): Ich erkläre hiermit, daß ich mich bei der Abstimmung meiner Stimme enthalten werde, da ich das parlamentarische Verfahren namentlicher Abstimmung für den Antragsgegenstand als überzogen betrachte. Wie ich Herrn Christo bereits früher mitteilte, steht meine Stimmenthaltung nicht für eine grundsätzliche Ablehnung des Projektes, zumal dafür öffentliche Mittel nicht beansprucht werden. Eine Entscheidung des Präsidiums oder Ältestenrates für das Projekt Reichstagsverhüllung hätte ich akzeptiert und nach außen vertreten. Die Befassung des Plenums jedoch und um so mehr die namentliche Abstimmung über den Antrag im Deutschen Bundestag lehne ich entschieden ab, solange wichtigste Entscheidungen des Hohen Hauses mit höchster Bedeutung für unser Volk — wie z. B. die Pflegeversicherung — in dieser Wahlperiode noch nicht durchgesetzt werden konnten. Ohne die Bedeutung von Kunst und Kultur für das Leben einer Nation unterbewerten zu wollen, sehe ich mich veranlaßt zu erklären: Meinen Wählern im sächsischen Wahlkreis Meißen-Riesa-Großenhain kann und will ich nicht den Aufwand erklären, den das Deutsche Parlament für den Streit um die Reichstagsverhüllung des Herrn Christo betreibt, während für meine Wähler existentiell bedeutsame Fragen noch offen sind. Da die Regeln des Hohen Hauses mich hindern, der Abstimmung aus Protest fernzubleiben, werde ich mich der Stimme enthalten. Klaus Bühler (Bruchsal) (CDU/CSU): Heute steht auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages der Gruppenantrag „Verhüllung des Reichstages" (Drucksache 12/6767) zur Beratung und zur namentlichen Abstimmung an. An dieser Abstimmung werde ich mich nicht beteiligen. Ich darf dies wie folgt begründen: In der derzeitigen Situation scheint es mir nicht gerechtfertigt zu sein, daß der Deutsche Bundestag das Projekt eines Künstlers, den Reichstag zu verhüllen, zum Gegenstand einer parlamentarischen Debatte mit anschließender namentlicher Abstimmung macht. Damit möchte ich keineswegs zum künstlerischen Wert einer solchen Aktion Stellung beziehen. Vielmehr bin ich der Meinung, daß sich das Parlament gerade jetzt vorrangig mit den Problemen auseinandersetzen sollte, die unseren Bürgerinnen und Bürgern unter den Nägeln brennen (Einführung einer Pflegeversicherung, Sicherung des Wirtschaftsstandortes Bundesrepublik Deutschland, weitere Maßnahmen zur konjunkturellen Wiederbelebung und Verstärkung der Anstrengungen zum Abbau der Arbeitslosigkeit, Verbesserung der Inneren Sicherheit u. a. m.). Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Gegen eine Verpakkung des Reichstagsgebäudes in Berlin durch den amerikanisch-bulgarischen Künstler Christo wende ich mich mit politischen Argumenten. Christos Absicht zielt nämlich auf die Verhüllung eines nationalen Symbols. Der Künstler hat bereits verschiedene Gebäude wie die Kunsthalle in Berlin, das Museum für Zeitgenössische Kunst in Chicago, verschiedene Denkmäler in Mailand und antike Stadtmauern in Rom verhüllt. Seit 22 Jahren trägt sich Christo mit der Absicht, den Reichstag in diese Reihe einzugliedern. Keines der genannten Objekte besitzt jedoch annähernd die historische, politische und emotionale Bedeutung des Berliner Reichstags. 1. Christos Absicht, den Reichstag zu verhüllen, kann nur angemessen vor dem Hintergrund der spezifischen deutschen Geschichte und der immer noch fortwirkenden Akzeptanzprobleme der parlamentarischen Demokratie bewertet werden. Christos Ansinnen ist geeignet, zur Beschädigung des Parlamentarismus in Deutschland beizutragen. 2. Christo begründet seine Absicht mit den Argumenten, er wolle den Reichstag als Mahnmal der untergegangenen Weimarer Demokratie und als Symbol des politischen Neubeginns in Deutschland nach der Wiedervereinigung herausstellen. Es ist jedoch in diesem Zusammenhang an die Beliebigkeit der Argumentation Christos zu erinnern, der in Verkennung der geschichtlichen Wahrheit den Reichstag anfänglich für ein Symbol des Dritten Reiches hielt, welches verdeckt werden müsse. 3. Vor allem aber stellt sich die Frage nach der Selbstachtung der Deutschen: Haben sie nicht auch ein Recht auf die Würde ihrer nationalen Symbole? In Frankreich durfte Christo lediglich den Pont Neuf, nicht aber das Parlamentsgebäude oder den ElyseePalast verpacken. Warum muß ausgerechnet der Reichstag das erste Gebäude dieser Art sein? Vielleicht versucht sich der amerikanisch-bulgarische Künstler zunächst am Kapitol in Washington oder am Parlament in Sofia. Ich bekunde meine feste Überzeugung, daß durch die heutige Debatte und die namentliche Abstimmung der Bundestag die Angelegenheit der geplanten Verhüllung des Reichstags stark überbewertet. Der Bundestag hätte wahrlich Anlaß, wesentlich bedeutsamere Probleme einer Lösung zuzuführen. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn im Vorfeld dieser Debatte ein politischer Konsens, den Reichstag nicht verhüllen zu lassen, zustande gekommen wäre. Da dies bedauerlicherweise nicht der Fall war, beteilige ich mich trotz meiner dargelegten inhaltlichen Bedenken an der Abstimmung und stimme mit nein. Dr. Norbert Lammert (CDU/CSU): Ich stimme dem Antrag zu, die künstlerische Verhüllung des Reichstagsgebäudes zu gestatten, obwohl ich viele der Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Februar 1994 18321* vorgetragenen Einwände bedenkenswert finde und insbesondere den Hinweis auf die herausragende Bedeutung des Reichstages als nationales und historisches Symbol für zutreffend halte. Dennoch komme ich persönlich zu einer anderen Bewertung. Die Verbindung von Kunst und Politik, von künstlerischem Ausdruck und nationalen Symbolen ist schwierig, aber sie ist weder ungewöhnlich noch unstatthaft. Die Neugestaltung der „Neuen Wache" in Berlin als nationale Gedenkstätte mit der — im übrigen gegenüber dem Original vergrößerten — Skulptur von Käthe Kollwitz ist ein aktuelles, ebenfalls umstrittenes, für mich persönlich überzeugendes Beispiel. Der Reichstag ist in der Tat nicht irgendein Gebäude, er ist ein einzigartiges Monument nicht nur der deutschen Geschichte. Kein anderes Parlamentsgebäude der Welt steht in gleicher Weise für Glanz und Elend der Demokratie, Aufstieg und Fall einer freiheitlich verfaßten Gesellschaft, Stärke und Schwäche des Parlamentarismus, Konfrontation und Zusammenbruch von Ideologien, den Ost-West-Konflikt und seine Überwindung. Gerade deshalb ist für mich die Absicht zur Verhüllung des Reichstages und nicht irgend eines anderen Parlamentsgebäudes alles andere und jedenfalls mehr als ein künstlerisches Experiment oder ein ästhetisches Erlebnis zur Verdeutlichung einer historischen Zäsur, es ist vielmehr eine grandiose Möglichkeit, auf ein Gebäude, seine Geschichte und seine Bedeutung aufmerksam zu machen und es in den Mittelpunkt einer breiten öffentlichen Auseinandersetzung mit großer internationaler Aufmerksamkeit zu rücken: Genau dort gehört der Reichstag, das deutsche Parlament, hin. Für mich geht es bei dieser Abstimmung nicht um die Alternative: Respekt vor der Kunst oder Respekt vor nationalen Symbolen, sondern um die seltene Gelegenheit, das eine mit dem anderen in überzeugender Weise zu verbinden. Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU): Kunst ist nicht abstimmbar. Aus diesem Blickpunkt halte ich die Abstimmung des Deutschen Bundestages über das Projekt „Reichstagsverhüllung" des Künstlers Christo auch für sehr problematisch. Unbestritten ist neben dem ästhetischen Aspekt die künstlerische Idee, durch Verhüllung eines Gebäudes und die daraus folgende Verfremdung der üblichen Sichtweise neue Anblicke, Einblicke und Reflexionen zu provozieren, ein Gedanke von beeindruckender Gestaltungs- und Aussagekraft. Mit der Verhüllung der Brücke „Pont Neuf" in Paris durch Christo wurde dies manifest. Dies ist die eine, nicht eine einem Abstimmungsverfahren zugängliche Seite. Die andere Seite ist die Frage, ob es aus der Sicht des deutschen Volkes und seiner gewählten Vertretung angemessen ist, den Sitz des deutschen Parlamentes für solch ein Projekt zur Verfügung zu stellen. Ich bin nicht dieser Ansicht. Ich bin der Meinung, daß das Reichstagsgebäude gerade im Hinblick auf die damit verbundene Geschichte und seinejetzige und zukünftige Funktion als Plenargebäude des Deutschen Bundestages frei von Entfremdung und Verfügbarkeit für alles und jedes bleiben muß. Das Reichstagsgebäude ist der Sitz des Deutschen Bundestages. Seit den Feierlichkeiten zur Deutschen Einheit in der Nacht vom 2. zum 3. Oktober 1990 hat dieses Gebäude zudem eine neue nationale Symbolik als Kristallisationspunkt des Willens aller Deutschen zur Einheit. Daraus verbietet es sich, das Gebäude, seine Funktion und Symbolik künstlerisch oder sonstwie zur Disposition zu stellen. Ich stimme aus diesem Grunde gegen den Antrag, die Verhüllung zuzulassen. Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Ein geschäftstüchtiger Mann — sicher auch Künstler — hat es fertig gebracht, daß ein nationales Parlament sich mit der Verhüllung seines Domizils beschäftigt und eine ganze Nation ungläubig, staunend zuschauend sich fragt, ob ihre Abgeordneten nichts Wichtigeres zu tun hätten. Über Kunst läßt sich sicher streiten, und wer dagegen etwas zu sagen wagt, wird allzu schnell als „Kunstbanause" verschrieen. Ich weiß, daß auch die „Nachtwache" von Rembrandt 100 Jahre auf dem Bodenraum lag, bevor sie als Kunstwerk angesehen wurde, dennoch wage ich zu sagen, daß uns Christo an der Nase herumführen will. Es mag auch um „Kunst" gehen, es geht aber in erster Linie um Geld, Kommerz und ein potentielles Millionengeschäft des Künstlers. Christo hat es verstanden, Reklame zu machen, und Presse, Funk und Fernsehen helfen mit. Wir Abgeordneten haben bei den ausstehenden großen Problemen Wichtigeres zu tun, als auch noch namentlich abzustimmen über ein solch „großes Spektakel", um dann als Kunstkenner oder Kunstbanausen abgestempelt zu werden. Die hehren Erklärungen von Christo klingen sehr nach Phrasen, er will schlichtweg Geld verdienen und Publicity machen. Wenn es ihm gelingt, die Abgeordneten so „ einzulullen" wie er den Reichstag einzupacken gedenkt, wird daraus für ihn ein Millionengeschäft. Dazu sollten sich die Abgeordneten nicht hergeben. Ich halte die Abstimmung als solche für eine Zumutung. Dr. Eberhard Brecht (SPD): Deutschland befindet sich gegenwärtig in gedrückter Stimmung. Ob begründet oder nicht: Viele Bürgerinnen und Bürger vergleichen unsere gegenwärtige Situation mit der der Spätphase der Weimarer Republik. Nicht nur, daß Millionen von Menschen ohne Arbeit sind und noch mehr die Zukunft unseres Landes vorwiegend in Grau- und Schwarztönen malen; es sind vor allem die durch Umfragen belegten Zweifel an der Fähigkeit von Politikern, mit den Schwierigkeiten unseres Landes fertig zu werden. Zudem müssen wir einen erheblichen Mangel an konsensfähigen Wertvorstellungen in unserem Land konstatieren, einen Mangel, von 18322* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Februar 1994 dem insbesondere die politischen Ränder profitieren. Wo Subkulturen in unserem Land nicht mehr miteinander kommunizieren, um sich auf gemeinsame Paradigmen zu verständigen, muß der Staat als Dompteur mehr und mehr zum Haßobjekt aller werden. Am Ende steht das Gespenst von Chaos und Diktatur. In einer solchen Situation sind solche Kommunikationsformen zwischen Politikern und Bürgern gefragt, die die letzteren nicht nur mehr informieren, sondern sie auch stärker in die Entscheidungen und in die Verantwortung für unser Land einbeziehen. Nur so werden wir die Kraft finden, die anstehenden, mitunter nicht populären Entscheidungen auch demokratisch durchsetzen zu können. Die in der Vergangenheit bewährten Instrumente des demokratischen Rechtsstaates stellen keine ausreichende Antwort auf die Krise unseres Landes dar. So sollte — auch sichtbar — ein Neuanfang mit dem vereinten Deutschland gewagt werden. Mit diesem Hintergrund stand ich anfangs dem Projekt einer Reichstagsverhüllung durch den Künstler Christo wohlwollend gegenüber. Ein verhüllter Reichstag könnte den Wert von Demokratie durch ihre augenscheinliche Verschleierung verdeutlichen; die Verhüllung könnte Neugierde nach Demokratie erzeugen. Mit den genannten Argumenten habe ich bei Menschen aus meiner Umgebung für Christos Idee geworben. Ich stieß jedoch überwiegend auf Ablehnung: Einerseits wurde die symbolische Verhüllung des Reichstages als Ersatzhandlung der politischen Kaste für wirkliche Problemlösungen interpretiert, zu denen die Politiker offenbar nicht in der Lage seien. Zum anderen befürchte ich, daß der Symbolwert des Reichstages bei jenen Bürgerinnen und Bürgern Schaden nehmen könnte, die Christos Projekt aus künstlerischen Gründen heraus ablehnen. Wir gestehen ja jedem Kunstwerk zu, daß es nur von einer Minderheit der Bevölkerung akzeptiert wird. Dies wird bei der temporären Verwandlung des deutschen Parlaments nicht anders sein. Die öffentliche Zustimmung zur Reichstagsverhüllung wird Christo zufallen. Die artikulierte Ablehnung aber wird in der Konsequenz die Politiker und mittelbar auch die Demokratie treffen. Eine solche bei der Konzeption eines jeden öffentlichen Denkmals bestehende Spannung bin ich nicht bereit auszuhalten, wenn es um das Symbol des deutschen Parlamentarismus, der Demokratie in unserem Land schlechthin geht. Als Privatperson befürworte ich Christos Projekt; in meiner Funktion als Parlamentarier kann ich jedoch der oben angeführten Gründe wegen die Verwirklichung der Reichstagsverhüllung nicht mittragen. Martin Grüner (F.D.P.): Mein Eintreten und meine Zustimmung zur Verhüllung des Reichstages durch den Künstler Christo ist — bei allem Respekt vor den Gegenargumenten — von folgenden Überlegungen getragen: Der verhüllte Reichstag wird nach den bisherigen Erfahrungen mit den Werken von Christo ein Erlebnis von großer visueller Schönheit sein und kann den Neubeginn des vereinten Deutschlands in einem neuen Bundestag in Berlin symbolisieren. Unabhängig von der Bewertung des künstlerischen Ranges dieses Ereignisses bin ich als Wirtschafts- und Finanzpolitiker beeindruckt davon, daß Christo und seine Frau Jeanne-Claude die gesamten Kosten dieses Projektes mit eigenen Mitteln finanzieren und jede öffentliche Förderung oder private Sponsoren ablehnen. Das ist ein ganz ungewöhnlicher Umstand und wird in weiten Teilen der Bevölkerung ein positives Echo haben. Gerade dieser Tatbestand sollte deshalb in der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden. Auch die positiven Beschäftigungswirkungen dieses Projektes, das immerhin eine Investition in der Größenordnung von ca. 8 Millionen Dollar erfordern wird einschließlich der positiven Auswirkungen auf Hotellerie und Gastronomie in Berlin bei den zu erwartenden Tausenden von zusätzlichen Besuchern, sollte für den Bundestag ein zusätzlicher Anlaß sein, dieses für die Stadt Berlin bedeutsame Projekt zu befürworten. So sieht es auch der Regierende Bürgermeister von Berlin in seinem Schreiben vom 18. Januar 1994 an die Mitglieder des Deutschen Bundestages. Alle bisherigen Großprojekte Christos außerhalb unserer Grenzen haben neben großer internationaler positiver Resonanz diese sehr günstigen wirtschaftlichen Nebenwirkungen gehabt, die auch und gerade für Berlin so wichtig sind. Da das Reichstagsgebäude lediglich für 14 Tage verhüllt sein soll und während der Verhüllung voll funktionsfähig bleibt, gibt es keine nachteiligen Auswirkungen, zumal die verwendeten Materialien wiederverwertet werden. Viele bedeutende Städte in Deutschland geben für die Werbung um Ansehen und Anziehungskraft jährlich Millionen an Steuermitteln aus. Das künstlerische Ereignis der Verhüllung des Reichstages durch Christo ist eine Werbung für Berlin mit internationaler Ausstrahlung, die keine öffentlichen Mittel in Anspruch nimmt. Berlin verdient es, daß seine Anziehungskraft durch dieses Projekt gefördert wird. Auch aus diesem Grunde stimme ich der Verhüllung des Reichstages durch Christo zu. Birgit Homburger (F.D.P.): Die Debatte über die Frage der Verhüllung des Reichstages durch den Künstler Christo ist eine Debatte, die die Menschen in unserem Land nicht verstehen. Wir haben wahrlich andere Probleme. Nun ist diese Debatte beantragt — also muß man sich entscheiden. 1. Die Frage der Verhüllung des Reichstages ist keine nationale Frage. 2. Die historische Diskussion und die Kunstdiskussion, die sich an diesem Projekt entsponnen haben, sind hochgezogene Diskussionen, die keinerlei Entscheidungsargumente liefern. 3. Aufgrund der Tatsache, daß das zur Verhüllung des Reichstages verwendete Material Polypropylen mit einer dünnen Schicht Aluminium sein wird, das später wiederverwendet wird, gibt es auch keinerlei Umweltrelevanz des Projektes. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Februar 1994 18323* 4. Als einziges Argument bleibt also die touristische Attraktion für die Hauptstadt Berlin, die darüber hinaus den Steuerzahler nichts kostet. Daher habe ich, nach anfänglicher Ablehnung des Projektes, mit Ja gestimmt. Jürgen Türk (F.D.P.): Berlin bleibt eine Reise wert, solange man über die Stadt nachdenkt, spricht und streitet. Der Charme der Stadt ist ihre Widersprüchlichkeit, ihr Schmelztiegelcharakter für Menschen, Lebensweisen und Künste. In und durch Berlin entstand eine Inspiration für viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, auch oder gerade im Kunstgeschehen, immer verbunden mit dem Attribut des Anstoßens und In-Bewegung-Bringens. Was kann ein Kunstwerk wie die Verhüllung des Reichstags mehr leisten, als zum Nachdenken, darüber zu sprechen und zum Streiten anzuregen? Daß über die Verhüllung des Reichstags eine Plenardebatte stattfindet, daß sich viele Parlamentarier über das Für und Wider viele schlaue Gedanken machen, darüber sprechen und streiten, erscheint mir als Rechtfertigung für die Durchführung dieses Kunstwerks mehr als genug. Den Zweck seiner Verhüllung hat der Künstler Christo bei uns 662 Abgeordneten des Deutschen Bundestages schon erreicht. Mit dem Abschluß des Kunstwerks können noch mehr Menschen erreicht werden. Oder soll die Verhüllung des Reichstags als zweite „Unvollendete" in die Geschichte eingehen? Sollte sich der Deutsche Bundestag gegen eine Verhüllung des Reichstags aussprechen, werden die Gründe dafür schnell in Vergessenheit geraten. Dagegen wird bei einer Befürwortung Berlin ein einmaliges kunstgeschichtliches Erlebnis geboten, welches sehr viele Menschen anlockt. Wir zerbrechen uns hier im Bundestag die Köpfe, wie wir Berlin und die neuen Bundesländer für die Menschen und den Tourismus attraktiver gestalten können. Viele gute Vorschläge scheitern an den leeren Staatskassen. Jetzt haben wir einmal eine Gelegenheit, ohne den Einsatz von Steuergeldern, einfach durch bloße Zustimmung, einen wichtigen Beitrag zum Kennen- und Liebenlernen von Berlin und Umgebung zu leisten, und kokettieren mit der Chance des Versagens. Berlin ist keine Insel mehr. Seine Anziehungskraft wird auch auf das Umland ausstrahlen, und davon wird es profitieren. Denn Berlin ist nicht nur pulsierendes Nachtleben, sondern auch der zur Muße einladende Spreewald. 1995 wäre nicht nur das Jahr der Reichstagsverpackung, sondern in die Reiseüberlegungen könnte auch die Bundesgartenschau in Cottbus gleich mit eingeplant werden. Berlin als Aushängeschild für das gesamte Umland, das zur Erkundungsfahrt einlädt. Die Menschen in und um Berlin herum haben es durch die wirtschaftliche Lage sehr schwer. Wer wüßte das nicht besser als ein Abgeordneter aus dieser Region. Versagen wir ihnen nicht durch eine Tourismusattraktion die Chance eines wirtschaftlichen Vorwärtskommens beim Aufbau ihrer Heimat! Darum unterstütze ich den Gruppenantrag zur Verhüllung des Reichstags. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 665. Sitzung am 4. Februar 1994 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: 1. Gesetz über den Beruf der Diätassistentin und des Diätassistenten und zur Änderung verschiedener Gesetze über den Zugang zu anderen Heilberufen (Heilberufsänderungsgesetz — HeilBÄndG) 2. Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes (Sicherheitsüberprüfungsgesetz — SÜG) 3. Drittes Gesetz zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes (3. FStrÄndG) 4. Gesetz über den Bau des Abschnitts Wismar West-Wismar Ost der Bundesautobahn A 20 Lübeck-Bundesgrenze (A 11) 5. Gesetz zur Änderung des Binnenschiffahrtsgesetzes 6. Gesetz zur Änderung des Binnenschiffahrtsaufgabengesetzes 7. Gesetz über Statistiken im Handwerk (Handwerkstatistikgesetz — HwStatG) 8. Gesetz zu dem Protokoll Nr. 9 vom 6. November 1990 sowie zu dem Protokoll Nr. 10 vom 25. März 1992 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten 9. Gesetz zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (StUAndG) 10. Gesetz zur Änderung des Handels- und Lohnstatistikgesetzes (Statistikänderungsgesetz — StatÄndG) Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: Der Bundesrat bedauert, daß das im Föderalen Konsolidierungsprogramm beschlossene Einsparvolumen für Bund und Länder für den Bereich der Bundesstatistik von insgesamt jeweils 50 Millionen DM in den Jahren 1994 bis 1996 mit dem vorliegenden Gesetz bei weitem nicht erreicht wird. Er fordert die Bundesregierung auf, ihrer Verpflichtung aus dem Föderalen Konsolidierungsprogramm nachzukommen und unverzüglich einen weiteren Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem gewährleistet wird, daß das erforderliche Einsparvolumen erfüllt wird. Begründung: Der Bundesrat hatte bereits in seiner Stellungnahme vom 24. September 1993 — BR-Drucksache 567/93 (Beschluß) — darauf hingewiesen, daß durch den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des Handels- und Lohnstatistikgesetzes das Einsparvolumen von insgesamt 50 Millionen DM für Bund und Länder jeweils in den Jahren 1994 bis 1996 bei weitem nicht erreicht wird. Die bislang vorliegenden Sparmaßnahmen ergeben für die Länder insgesamt ein Einsparvolumen von 4,91 Millionen DM und für den Bund von ca. 855 000 DM für den in Rede stehenden Zeitraum. Nach den Beschlüssen zum Föderalen Konsolidierungsprogramm handelt es sich um Vorgaben für die Bundesstatistik, so daß der Bund mithin zur Umsetzung verpflichtet ist. Globale Kürzungen in den Landeshaushalten sind insoweit nicht möglich, weil der Aufgabenbereich der Statistik nicht nur unverändert bleibt, sondern ständig zunimmt (z. B. Asylbewerberleistungsstatistik, Handwerkszählung 1995, Sozial- und Jugendhilfestatistik). Der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. Friedliche Lösung des Kurdenproblems in der Türkei — Drucksache 12/6728 — wurde zurückgezogen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Haushaltsausschuß Drucksache 12/6780 Nr. 2.3 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 12/3182 Nr. 24 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 12/5749 Nrn. 3.52, 3.53
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans A. Engelhard


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    — Ich danke, Herr Präsident, und schließe den Satz — etwas auszugeben, um auch in diesem Bereich zu ihrem persönlichen Wohlergehen etwas zu unternehmen.
    Danke schön.

    (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat nunmehr die Abgeordnete Frau Barbara Höll.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Barbara Höll


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Ersten Altenbericht hat die Bundesregierung anläßlich des Europäischen Jahres des älteren Mitbürgers eine wirklich lobenswerte, wenn auch späte Initiative ergriffen, die Lage älterer Menschen in der Bundesrepublik zu beschreiben. Dieser Analyse liegen umfangreiche Studien namhafter Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zugrunde, mehr oder weniger kritischer Art.
    Liest man dann die Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Sachverständigenkommission, dann wünscht man sich, in diesem Land zu leben, in dem alles, wirklich alles für alte Menschen getan wird, keine armen, obdachlosen und arbeitslosen Bürgerinnen und Bürger leben und es sich insbesondere Frauen leisten können, ehrenamtlich und aufopferungsvoll für die Alten zu sorgen, ohne Angst um die eigene Zukunft.
    Das Erwünschte wird zur Realität geredet. Ich muß sagen, das kennen wir auch von früher, Frau Rönsch. Da heißt es z. B., daß Frauen und Männer ihrem eigenen Alter überwiegend positiv entgegensehen und dabei wirtschaftliche Stabilität, geborgenes, komfortables Wohnen, Mobilität und bezahlbare Angebote der Altenhilfe bewerten.
    Nach den aktuellen Zahlen zur Arbeitsmarktlage gilt dies doch wohl nicht für alle Menschen, wenn auch für einen Teil. Es gibt allein im Arbeitsamtsbezirk Leipzig 60 592 registrierte Arbeitslose. 66,4 % davon sind Frauen, 6,7 % Alleinerziehende, 2,4 % Schwerbehinderte. In anderen Regionen sieht es noch schlimmer aus.
    Von den 15 544 Umschülern und Umschülerinnen in Leipzig sitzen insbesondere Frauen zum wiederholten Male auf der Schulbank, jedoch oft ohne Aussicht auf einen Arbeitsplatz. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Frau noch kleine Kinder zu versorgen hat, älter als vierzig ist und sich damit tatsächlich schon dem Alter für eine Rente nähert oder anderes „normwidriges Verhalten" aufweist, z. B. hohe Qualifikation — das war ja die Regel für Frauen in der DDR — oder eine spezifische DDR-Vergangenheit.
    Wie die 37 730 Altersübergangsgeldempfänger im Arbeitsamtsbezirk Leipzig erleben überall diese hochgeschätzten älteren, erfahrenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für die sich die Bundesregierung einsetzen will, daß sie für die Gesellschaft



    Dr. Barbara Höll
    plötzlich wertlos wurden, nicht mehr gebraucht werden und nicht mehr selbst zur Erarbeitung künftiger Rentenansprüche beitragen können. Ihre Einstiegsrente wird demzufolge auf einem niedrigeren Niveau liegen als bei voller Erwerbsbiographie.
    Aber dieser Personenkreis wird ebenso wie die Altersrentner und Altersrentnerinnen angeben, einigermaßen zufrieden zu sein, brauchen sie doch wenigstens nicht mehr den Kampf um den Arbeitsplatz und die rapide Verschlechterung des Betriebsklimas mitzuerleben oder sich zum wiederholten Male vor Personalkommissionen dafür zu entschuldigen, daß sie in der DDR aktiv mitgearbeitet haben.
    Oder nehmen wir das Problem Wohnen. Unter den über eine Million Obdachlosen in Deutschland sind auch viele alte Menschen. Mancher davon wird unter dem Hochwasser der letzten Wochen im Dezember sicher mehr gelitten haben als der Wagen des Bundeskanzlers in seiner Tiefgarage. Aber über ihre Lage wird nicht gesprochen. Im Osten sind alte Menschen stark besorgt, ob sie die nächste Mieterhöhung noch verkraften können. So haben 76 % Angst vor weiteren Preiserhöhungen, 71 % vor Mieterhöhungen und 65 % vor einer Entwertung ihrer Ersparnisse. 57 % aller Wohngeldbezieher und -bezieherinnen in Leipzig sind Senioren; 43 % der Senioren haben Wohngeld beantragt, aber 32 % wollen sich diese Schande, als die sie es empfinden, nicht antun. Da stehen Alteigentümer vor der Tür, oder es werden Wohnungen so saniert, daß alte Menschen darin keinen Platz mehr haben.
    Die Treuhand tut ihr übriges. Zu nennen wäre hier als eklatantes Beispiel die Schloßverkäufe im Land Brandenburg. Hier wurden mehrere Schlösser, u. a. mit Fördermitteln aus Nordrhein-Westfalen, saniert, da in den Schlössern Pflegeeinrichtungen der Diakonie waren. Die Treuhand verkaufte dann die Schlösser für eine Mark an einen millionenschweren Bauunternehmer aus dem alten Bundesgebiet bzw. an dessen Enkeltöchter. In zwei Fällen mußten die Heimbewohner und -bewohnerinnen, beim einen Mal alte und beim anderen Mal geistig behinderte Menschen, ausziehen. Das ist möglich in dem im Bericht beschriebenen altenfreundlichen Land.
    Um beim Thema Altenheim zu bleiben: In der Tat gab es in der DDR — das leugnen wir nicht, Frau Rönsch — eine Reihe von Heimen, die nicht den bundesdeutschen Standards entsprechen. Aber in welcher Weise sie dem nicht entsprechen, darüber wird nichts ausgesagt. Zwei Beispiele, die ebenfalls darunter fallen: In Leipzig gibt es ein sehr großes Altenheim; es hat 738 Bewohner. Das Land zahlt keine Fördermittel für die Sanierung, weil die Stadt ihren Anteil an den Fördermitteln nicht erbringen kann. Die Stadt kann es aber nicht, denn das Heim ist bei seiner Größe prinzipiell nicht förderungswürdig, es sei denn, es würde die Kapazität auf 300 Betten abbauen, weil laut bundesdeutscher Heimverordnung nur bis zu 300 Betten gefördert werden. Den Schaden haben die Heimbewohner, weil sich für sie nichts ändern wird.
    Altenheime waren in der DDR häufig die einzige, zugegeben nicht unbedingt glückliche Alternative des Wohnens im Alter, wenn die eigene Wohnung nicht mehr bewältigt werden konnte, zu groß oder
    baufällig war. Auch diese als Wohnstätten fungierenden Heime fallen aber heute unter die Heimgesetzgebung der Bundesrepublik, und so müssen sich mobile alte Menschen, die gern länger als vier Wochen ihre Kinder besuchen wollen oder sonstige Reisen unternehmen, dafür eine Genehmigung holen und prüfen lassen, ob sie überhaupt heimbedürftig bzw. reisefähig sind. In einer Aussprache mit den Heimbeiräten — Sie sehen, Frau Rönsch, auch wir machen uns hier kundig, auch wenn Sie jetzt nicht zuhören — erklärten die Senioren, daß sie dies als Freiheitsberaubung empfinden. Das kannten sie früher nicht.
    Nehmen wir einen anderen Aspekt. In unserer Gesellschaft besteht ein hoher und zukünftig steigender Bedarf an sozialen Dienstleistungen. So heißt es in der Stellungnahme der Bundesregierung. Das wird verbunden mit dem Begriff „Ehrenamtlichkeit". Tatsächlich werden infolge sich verändernder familiärer Strukturen und Lebensstile, die man als Emanzipation der Generationen bezeichnen kann, zunehmend Dienstleistungen im Bereich der Altenhilfe nötig. Aber warum die Betonung von Ehrenamtlichkeit? Kein Politiker, kein Jurist, Manager oder Arzt, der bis ins hohe Alter bei einem meist sehr hohen Entgelt tätig sein kann, würde unentgeltlich seine Dienstleistungen erbringen oder sich mit einer geringen Aufwandsentschädigung abspeisen lassen. In der Altenhilfe wird das erwartet. In Sachsen gibt es die „Aktion 55", und danach können Vorruheständler für 200 DM monatlich steuerfrei fünf bis 18 Stunden wöchentlich u. a. Altenhilfe leisten. Wer im Rentenalter ist, bekommt gar nichts. Kein reaktivierter Leihbeamter würde sich dies wohl gefallen lassen. Aktive Senioren und Seniorinnen müssen das. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Sozialstationen bekommen etwa ein Drittel der in ihrer Arbeit notwendigen Leistungen nicht bezahlt, es sei denn, sie finden Formulierungen, die die notwendigen Leistungen für Kostenträger bezahlungswürdig erscheinen lassen.
    Dazu gehört auch die psychosoziale Begleitung, die Sterbebegleitung, die Hilfe für hinterbliebene Angehörige, also Leistungen, die auch im Altenbericht als notwendige Bestandteile der Altenhilfe angesehen werden.
    Zwei Ursachen liegen dem offensichtlich zugrunde. Zum einen ist Altenhilfe und -pflege in erster Linie Frauenarbeit, und dies wird in einer männerdominierten Gesellschaft als ehrenamtliche Arbeit erwartet. Zum zweiten erfolgt in der bundesdeutschen Sozialgesetzgebung eine Aufteilung des Menschen in fiktive Ebenen, die eine tatsächliche ganzheitliche und kontinuierliche Betreuung erschweren.
    Dem ohnehin in seiner Mobilität eingeschränkten kranken alten Menschen und seiner Familie fällt es deshalb oft sehr schwer, die notwendigen Wege zu gehen, um bedarfsgerecht versorgt zu werden.
    Auf einige der angeführten Probleme konnte der Altenbericht noch nicht eingehen, da die Expertisen zum Teil in einer Zeit angefertigt wurden, als es noch eine einigermaßen wirtschaftliche Stabilität gab, die Einheit Deutschlands noch nicht bestand und die Krise in Europa noch nicht so sichtbar war.



    Dr. Barbara Höll
    Die Stellungnahme der Bundesregierung hätte aber auf diese Probleme Bezug nehmen müssen und können, soll der Altenbericht tatsächlich Anleitung zum Handeln und nicht einfach schmückendes Beiwerk zum Jahr des älteren Mitbürgers sein.
    Zum Abschluß möchte ich sagen, daß es Verantwortung besonders hier im Hause und der führenden Politikerinnen und Politiker wäre, insbesondere ältere Menschen nicht weiter durch die Diskussionen über die Renten, notwendige Einsparungen der Krankenkassen, die Pflegeversicherung und anderes zu verunsichern. Ich hoffe, daß der Altenbericht als erster Bericht ein Einstieg sein kann, wenn man auch das beherzigt, was hier in der Diskussion von verschiedenen Seiten gesagt wurde. Ich hoffe, daß er von der Erstellung eines Armutsberichtes begleitet wird, auf den wir dann nicht wieder so lange warten müssen.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste und der SPD)