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    Plenarprotokoll 12/192 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 192. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 24. November 1993 Inhalt: Bestimmung des Abgeordneten Rolf Schwanitz als ordentliches Mitglied im Vermittlungsausschuß 16531 A Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1994 (Haushaltsgesetz 1994) (Drucksachen 12/5500, 12/5870) Einzelplan 04 Bundeskanzler und Bundeskanzleramt (Drucksachen 12/6004, 12/6030) in Verbindung mit Einzelplan 05 Auswärtiges Amt (Drucksachen 12/ 6005, 12/6030) in Verbindung mit Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung (Drucksachen 12/6014, 12/6030) in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte (Drucksachen 12/6027, 12/ 6030) Hans-Ulrich Klose SPD . . . . 16531D, 16592A Michael Glos CDU/CSU 16537A Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. 16544 C Hans-Ulrich Klose SPD 16544 D Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . . 16551A Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16554 B Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 16557 A Rudolf Scharping, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz 16566 C Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . 16576B Michael Glos CDU/CSU 16577 B Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. 16578 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 16578D Dr. Jürgen Schmude SPD 16580 C Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 16587 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU (zur GO) 16595 B Dietrich Austermann CDU/CSU 16595 C Ortwin Lowack fraktionslos 16598 D Andrea Lederer PDS/Linke Liste . . . 16600 C Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16603B Ernst Waltemathe SPD 16605 D Udo Haschke (Jena) CDU/CSU 16608 A Ingrid Matthäus-Maier SPD 16608 C Dr. Rudolf Krause (Bonese) fraktionslos 16609A Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 16610 D Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16612B Friedrich Bohl, Bundesminister BK . . 16613 D Dr. Hans Stercken CDU/CSU 16614B Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16615A II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. November 1993 Horst Jungmann (Wittmoldt) SPD . . . . 16616D, 16630 B Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 16618A Hans-Gerd Strube CDU/CSU 16622 A Dr. Hans Modrow PDS/Linke Liste . . 16623D Carl-Ludwig Thiele F.D.P. . . 16626A, 16630 C Horst Jungmann (Wittmoldt) SPD . . . 16627 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 16628 A Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 16630D Walter Kolbow SPD 16633 C Paul Breuer CDU/CSU 16636 B Dr. Karl-Heinz Klejdzinski SPD . . . 16637 B Präsidentin Dr. Rita Süssmuth 16554 A Namentliche Abstimmung 16638 C Ergebnis 16644 D Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Drucksachen 12/6021, 12/6030) Helmut Esters SPD 16639 B Christian Neuling CDU/CSU 16641D Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste . . . 16646 D Werner Zywietz F D P 16647 D Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16649 C Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 16650 C Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern (Drucksachen 12/6006, 12/6030) in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung (Drucksache 12/6026) in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung (Drucksachen 12/ 6028, 12/6030) Rudolf Purps SPD 16652 D Karl Deres CDU/CSU 16656 C Ina Albowitz F.D.P. 16659 A Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 16661 B Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16662 D Günter Graf SPD 16664 B Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 16665 D Erwin Marschewski CDU/CSU 16666 D Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 16668D Freimut Duve SPD 16670A Karl Deres CDU/CSU 16670 C Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . 16671A Klaus Lohmann (Witten) SPD 16672 C Manfred Kanther, Bundesminister BMI 16673 B Nächste Sitzung 16675 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 16677' A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 12: Einzelplan 05 — Auswärtiges Amt Dr. Klaus Rose CDU/CSU 16633' C Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 13: Einzelplan 14 — Bundesministerium der Verteidigung Hans-Werner Müller (Wadern) CDU/CSU 16679' A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. November 1993 16531 192. Sitzung Bonn, den 24. November 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Augustin, Anneliese CDU/CSU 24. 11. 93 Blunck (Uetersen), SPD 24. 11. 93 * Lieselott Böhm (Melsungen), CDU/CSU 24. 11. 93 * Wilfried Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 24. 11. 93 Clemens, Joachim CDU/CSU 24. 11. 93 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 24. 11. 93 Herta Ehrbar, Udo CDU/CSU 24. 11. 93 Ganschow, Jörg F.D.P. 24. 11. 93 Gleicke, Iris SPD 24. 11. 93 Dr. Göhner, Reinhard CDU/CSU 24. 11. 93 Großmann, Achim SPD 24. 11. 93 Dr. Herr, Norbert CDU/CSU 24. 11. 93 Heyenn, Günther SPD 24. 11. 93 Hiller (Lübeck), Reinhold SPD 24. 11. 93 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 24. 11. 93 Jung (Düsseldorf), Volker SPD 24. 11. 93 Junghanns, Ulrich CDU/CSU 24. 11. 93 Kiechle, Ignaz CDU/CSU 24. 11. 93 Dr. Kolb, Heinrich L. F.D.P. 24. 11. 93 Kraus, Rudolf CDU/CSU 24. 11. 93 Dr. Krause (Börgerende), CDU/CSU 24. 11. 93 Günther Kretkowski, Volkmar SPD 24. 11. 93 Kronberg, Heinz-Jürgen CDU/CSU 24. 11. 93 Dr. Matterne, Dietmar SPD 24. 11. 93 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 24. 11. 93 ** Dr. Ortleb, Rainer F.D.P. 24. 11. 93 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 24. 11. 93 * Rappe (Hildesheim), SPD 24. 11. 93 Hermann Dr. Röhl, Klaus F.D.P. 24. 11. 93 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 24. 11. 93 Ingrid Dr. Ruck, Christian CDU/CSU 24. 11. 93 Schartz (Trier), Günther CDU/CSU 24. 11. 93 Dr. Scheer, Hermann SPD 24. 11. 93 * Schmidt (Salzgitter), SPD 24. 11. 93 Wilhelm Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 24. 11. 93 Schröter, Karl-Heinz SPD 24. 11. 93 Schwanhold, Ernst SPD 24. 11. 93 Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 24. 11. 93 Christian Dr. Soell, Hartmut SPD 24. 11. 93** Spilker, Karl-Heinz CDU/CSU 24. 11. 93 Dr. von Teichman, F.D.P. 24. 11. 93 Cornelia Vosen, Josef SPD 24. 11. 93 Wohlleben, Verena SPD 24. 11. 93 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Wollenberger, Vera BÜNDNIS 24. 11. 93 90/DIE GRÜNEN Zierer, Benno CDU/CSU 24. 11. 93* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 12: Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Dr. Klaus Rose (CDU/CSU): Mit besonders gemischten Gefühlen stehe ich jetzt am Rednerpult. Denn während wir hier im Warmen und in Sicherheit hehre Außenpolitik formulieren, frieren und sterben weitere Hunderte und Tausende von Menschen in Bosnien. Die Welt schaut zu, Europa schaut zu, Deutschland schaut zu. Eine erfolgversprechende außenpolitische Initiative gibt es nicht. Klaus Bressers Anklage vorgestern abend im deutschen Fernsehen ist zweifellos berechtigt. Seine Schlußfolgerungen einer einzigen Lösung, nämlich eines militärischen Einsatzes, versteht jeder, man schreckt aber davor zurück. In einem neuen Buch von Hans-Peter Schwartz wird der fehlende Mut, der fehlende Wille der Deutschen zur Machtpolitik moniert. Deutschland sei zwar schon lange ein wirtschaftlicher Riese mit automatischer Macht. Aber mit der Rolle des politischen Zwergs müsse es ein Ende haben. Weltmacht wider Willen könne man auf Dauer nicht sein, der politische Gestaltungswille müsse dazukommen. Ich höre jetzt natürlich den Aufschrei, daß die Deutschen wieder von einer großen Rolle in der Weltpolitik träumten. Nein, darum geht es nicht, zumindest nicht um eine Alleinträumerei der Deutschen. In der Weltgemeinschaft, in der Europäischen Gemeinschaft und in manchen internationalen Gremien muß Deutschland seiner Bedeutung gerecht werden. Diese Bedeutung ist nach der Wiedervereinigung naturgemäß anders als früher. Diese Neubewertung deutscher Außenpolitik, diese Umorientierung muß jetzt endlich in der Praxis geschafft werden. Deutschland muß sich sowieso darüber klar werden, daß die Welt sich weiterdreht und daß wir sehr schnell vom Rad geschleudert werden können. Bei der Einbringungsrede des Haushalts im September 1993 habe ich die Bedeutung einer deutschen Asienpolitik herausgestrichen. Ich freue mich deshalb über den Erfolg der Kanzlerreise nach China. Über eines darf der Blick nach Asien nicht hinwegtäuschen: Europa ist in großer Gefahr. Die Gefahr wird beim Blick auf die asiatische Weltkarte deutlich. Dort ist nämlich der Pazifikraum im Mittelpunkt und 16678* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. November 1993 Europa Randlage, wie wir es von Alaska oder von der Kamtschatka gewöhnt sind. Genau hier setzt das Problem ein. Haben nicht vor wenigen Tagen der amerikanische Präsident und verschiedene asiatische Regierungschefs die Zukunftsrichtung der amerikanisch-pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) gewiesen? Hat nicht mit der NAFTA der nordamerikanische Wirtschaftsverbund den Wettbewerb mit der EG beschworen? Hat nicht der amerikanische Außenminister Warren Christopher gestern im ZDF-Morgenmagazin bei der Formulierung der amerikanischen Prioritäten die Stärkung der NATO erst an dritter Stelle genannt? Wir müssen erkennen, daß Europa aufpassen muß, damit es nicht wirtschaftlich, militärisch und finanziell zu einem unbedeutenden Markt wird. Mit der neuen Versuchung von Kleinstaaterei ist uns allen nicht gedient. Unverzichtbar ist für die EG und besonders für die Deutschen die Gewinnung der osteuropäischen Völker für Demokratie und Marktwirtschaft. Deshalb hatte der Haushaltsausschuß die Idee der Bundesregierung sehr begrüßt, mit der deutschen Beratungshilfe zum Aufschwung beizutragen. Über verschiedene Einzelpläne verteilt werden nächstes Jahr rund 300 Millionen DM eingesetzt. Es gibt am Ziel keinen Zweifel, denn der Aufbau von Forstverwaltungen, von Sparkassen oder von Konversionsprojekten bei früheren Rüstungsbetrieben kann nur unterstützt werden. Es wäre aber falsch, wenn wir am gleichen Weg wie bisher festhalten würden, nämlich alle Mittel an die Zentralregierungen zu geben. Es ist eine Tatsache, daß z. B. die russische Wirtschaft nur dann umgestaltet werden kann, wenn man das Potential der Regionen zur Wirkung bringt. Ich rede nicht einer politischen Dezentralisierung oder Destabilisierung das Wort. Denn ein weiterer Zerfall unter Krach und Donner ist nicht erstrebenswert. Eine einheitliche Rubelzone, eine Art Länderfinanzausgleich wären das Ziel. Doch so viel Demokratie als möglich, so viel föderative Strukturen als machbar sollten von uns herauskristallisiert werden. Mich als überzeugten Europäer, treuen Deutschen und begeisterten Föderalisten freut es jedenfalls, daß jetzt auch in der Republik Südafrika der deutschen Verfassung ähnliche Strukturen eingeführt werden. Die GUS, aber auch die Einzelnachfolger der Sowjetunion sollten auf jeden Fall, so sie es wünschen, beim Aufbau nicht bloß von demokratischen und marktwirtschaftlichen, sondern auch von föderativen Strukturen unterstützt werden. Im Rahmen des auswärtigen Etats muß ein weiteres Thema angesprochen werden. Es geht um die Hilfe in Katastrophenfällen, bei Not und Flüchtlingselend, bei Bürgerkriegen, die wir trotz eigener Haushaltsprobleme nicht vergessen dürfen. Ich erkenne in diesem Zusammenhang gerne die engagierte Leistung des Arbeitsstabs „Humanitäre Hilfe" im Auswärtigen Amt an. Mit der Soforthilfe, d. h. mit medizinischer Betreuung, Übergabe von Nahrungsmitteln und Kleidung, Herstellung von Notunterkünften oder Wiederherstellung von Strom-, Wasser-, Gasleitungen oder von Straßen und Brücken, wird viel Gutes geleistet, mit Sonderhilfen wird viel außenpolitischer Goodwill offenbart. 1993 sind bisher nahezu 500 Millionen DM für die humanitäre Hilfe eingesetzt worden, nicht bloß im Haushalt des Auswärtigen Amts, sondern auch beim BMZ, beim Innenminister oder beim Verteidigungsminister. Dazu kommen die internationalen Beiträge. Beliebig ausweiten läßt sich der vom Steuerzahler finanzierte Anteil an den Hilfsmaßnahmen aber auch nicht. Dankbar registrieren wir daher die Spendenbereitschaft der Deut-. schen insgesamt. Wir registrieren die wie Pilze aus dem Boden geschossenen privaten Unterstützungsorganisationen für die Not in Rußland, in Rumänien oder in Bosnien. Wir registrieren die selbstlose Einsatzfreude vieler Menschen in Deutschland, wenn es um spontane Hilfsmaßnahmen geht. Da wird viel gutgemacht, was durch andere Deutsche, ob glatzköpfige Schläger oder hohlköpfige Schreibtischtäter, an Schande über Deutschland gebracht wird. Wegen der Sperren im Haushaltsgesetz und der Globalkürzung um 5 Milliarden DM, die anteilsmäßig auch den Etat des Auswärtigen Amts betreffen und insgesamt 134 Millionen DM ausmachen könnten, steht die Auswärtige Kulturpolitik noch mehr als früher im Mittelpunkt des Interesses. Im gewünschten Ziel sind wir uns alle einig, nämlich möglichst viel und möglichst effektiv, möglichst überall und möglichst ständig kulturell präsent zu sein. Es sind, das hat der ehemalige Präsident des Goethe-Instituts, Hans Heigert, anerkannt, viele Milliarden DM in die bisherigen Kulturverbindungen mit dem Ausland gesteckt worden. Keinem fällt es leicht, wegen des allgemeinen Sparzwangs bei diesen Kulturbeziehungen Abstriche zu machen. Es war immerhin der Bundeskanzler selbst, der mehrmals betonte, daß die deutsche Sprache im Ausland noch stärker gefördert werden sollte und daß mit einem Sonderprogramm „Deutsche Sprache" besonders in Osteuropa zum Aufbau friedlicher Beziehungen beigetragen würde. Der Haushaltsausschuß jedenfalls hat diese Haltung respektiert und versucht zu helfen, wo zu helfen war — ohne deshalb die Arbeitslosenunterstützung im eigenen Land oder manch unverzichtbare Investition in den neuen Bundesländern zu gefährden. Von einer besonderen „Kultur" zeugt daher nicht, wenn die Verantwortlichen des Goethe-Instituts in München bei einer Pressekonferenz im Oktober dieses Jahres wieder einmal glaubten, von einer „Strafexpedition der Anti-Kultur-Politiker in Bonn" reden zu müssen, weil auch das GoetheInstitut einen Sparbeitrag zur allgemeinen Haushaltslage bringen muß. Am meisten wurde beklagt, daß vier Institute geschlossen werden müßten und daß damit erheblicher außenpolitischer Schaden einträte. Wollen Sie die Namen dieser vier Institute hören? Es handelt sich um Viña del Mar (Chile), Medellin (Kolumbien), San Juan (Argentinien) und Malmö (Schweden). Zumindest bei unseren schwedischen Freunden habe ich bisher keinen Liebesentzug feststellen müssen, dafür freuen sich aber die Städte, die bisher in der sozialistischen Abgeschiedenheit festgenagelt waren, wie St. Petersburg, Kiew, Minsk oder Tiflis, auch Alma Ata und Hanoi, daß ein neues Goethe-Institut dort hinkommt. Sollte etwa ein Sparzwang gar ein Anreiz zu neuem Denken sein? Ich kann nur ermuntern, auch stärker den europäischen Verbund zu sehen. Gemeinsame deutsch-französi- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. November 1993 16679* sche Botschaften oder auch Kulturinstitute oder zumindest ein gemeinsames Dach dafür könnte so manchen Anstoß zu mehr Effektivität auch in der Kulturpolitik geben. Man ist noch lange kein KulturMuffel, wenn man sich Gedanken über das Aufbrechen verkrusteter Strukturen macht. Heilsam ist letzteres im gesamten staatlichen Haushalt. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 13 Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung Hans-Werner Müller (Wadern) (CDU/CSU): Unsere Soldaten sind aus Kambodscha zurückgekehrt. Unsere Soldaten leisten humanitäre Hilfe in Somalia. Es sind besonders viele aus den Standorten meiner saarländischen Heimat dabei. Unsere Soldaten versorgen Teile der bosnischen Bevölkerung aus der Luft. Unsere Soldaten erfüllen diese Aufträge mit hohem Verantwortungsbewußtsein und vorbildlicher Haltung. Sie dienen dem Ansehen unseres Landes, dafür gebührt ihnen unser Dank. Unsere Soldaten können dies leisten, weil wir eine einsatzbereite, modern ausgestattete und bündnisfähige Bundeswehr haben, und auch weiter haben wollen. Dazu bedarf es erheblicher staatlicher Mittel, die im Einzelplan 14 des hier zu beratenden Haushaltes zur Verfügung gestellt werden. Der 94er Haushalt für die Verteidigung steht im besonderen Maße unter der Notwendigkeit substantieller Einsparungen, weil die Staatsfinanzen insgesamt gesehen zu konsolidieren sind. Konsolidierung der Staatsfinanzen ist erfolgreiche Zukunftssicherung Deutschlands. Dies ist oft genug gesagt worden. Im Wettbewerb um die knappen Ressourcen sind in der Öffentlichkeit gerade die Verteidigungsausgaben besonders zu begründen. Werden doch rund 48 Milliarden ausgegeben, aber immerhin fast 3 Milliarden weniger als 1992. Wir sind, um das gleich vorweg zu sagen, an eine Grenze gestoßen, die wir nicht mehr unterschreiten dürfen, ohne das Ganze zu gefährden. Im vergangenen Jahr wollte die SPD noch 5 Milliarden aus dem Verteidigungshaushalt herausstreichen, heute wird dieser Haushalt anders, wesentlich realistischer beurteilt; man läßt erkennen, durch einige Sprecher zumindestens, daß hier in diesem Einzelplan des Bundesministers der Verteidigung nichts mehr zu holen ist. Ich meine dies ist ein Fortschrittt. Ich will auch sagen, daß in diesem Jahr die Beratungen gerade dieses Haushaltes aus meiner Sicht besonders schwierig waren, im Vergleich zu den früheren Jahren. Ich habe ja die Ehre, schon seit einigen Jahren diesen Haushalt zu bearbeiten. Ich möchte mich an dieser Stelle auch ganz herzlich bei den Beamten des Verteidigungsministeriums für die gute Zusammenarbeit bedanken. Die Beratungen waren aber schwierig, weil es halt immer schwierig ist, die Wünsche, so berechtigt sie auch sind, und die Realität in Einklang zu bringen, wobei wir selbstverständlich den Weg des Ministers unterstützen, der durch energisches Sparen im Bereich der Betriebsausgaben der Bundewehr sich Freiräume zu schaffen sucht für neue Gestaltungsmöglichkeiten und planerische Initiativen. Wir gehen diesen Weg mit, Herr Minister, so wenn wir z. B. ca. 200 Millionen DM Betriebsausgaben sparen und dafür 200 Millionen DM investieren. Es gibt einen militärischen Grundsatz, der da lautet: Entsprechend der Auftragserteilung sind die erforderlichen Mittel bereitzuhalten. Das heißt: Wenn wir über die Auftragserteilung einig sind — und wir sind das in der Union —, dann gilt dreierlei: Erstens. Wir brauchen eine Bestätigung der Verteidigungsausgaben in den nächsten Jahren, zumindest für den Zeitraum des Finanzplanes, also bis 1997. Damit gibt man der Bundeswehr den Planungsrahmen und die erforderliche Planungssicherheit. Zweitens. Der Haushalt für 1994 für den Bundesminister der Verteidigung ist in dieser Größenordnung von etwas über 48 Milliarden DM ein Schritt in diese Richtung. Drittens. Der Haushalt des Bundesministeriums der Verteidigung muß nach entsprechender Umschichtung wiederum etwa 30 Prozent für Investitionen enthalten. Wir werden bald die Stärke von 370 000 Soldaten erreicht haben. Man spricht von Zielstrukturen. Wir hatten einmal in der alten Bundesrepublik 490 000 Soldaten. Trotz der zurückgehenden Zahl sollten wir an der Wehrpflicht festhalten. Die Bundeswehr hat damit einen ständigen Kontakt mit der jungen Generation, einen Kontakt, der prägt. Nahezu die Hälfte der Zeit- und Berufssoldaten rekrutiert sich aus den Teilnehmern am Wehrdienst. Damit bleibt die Bundeswehr ein attraktiver Arbeitgeber mit dem Angebot einer jährlichen Einstellung von rund 20 000 Soldaten auf die Zeit von 4 Jahren und länger. Im nächsten Jahr werden wir die Zielstruktur von 370 000 planmäßig erreichen. Dies gilt sowohl für Umfang als auch für Qualität. Die Laufbahnentwicklung ist damit auch von besonderer Bedeutung. Attraktivität des Soldatenberufes ist nämlich sehr wichtig. So haben wir in diesem Haushalt auch rund 3 000 Hebungen für Oberfeldwebel und 1 000 Hebungen für Stabsunteroffiziere vorgesehen. Die Beförderungswartezeiten für Zeitsoldaten werden radikal reduziert. Wir denken, daß auch dies in der Öffentlichkeit allgemein und bei den betroffenen Jugendlichen zu einer größeren Akzeptanz des Dienstes in den Streitkräften geführt hat. Deswegen gehen die Quoten der Wehrdienstverweigerung auch zurück, obwohl von einer Trendwende noch nicht gesprochen werden kann. Auch beim Zivilpersonal bauen wir im nächsten Jahr mehr als 8 500 Stellen ab. Dies geschieht ausschließlich durch Fluktuation des Personals. Kein Mitarbeiter wird entlassen. Die Sozialverträglichkeit 16680* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. November 1993 kann durch Anwendung des Bundeswehrbeamtenanpassungsgesetzes voll gewährleistet werden. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal die Bitte vortragen, daß das Verteidigungsministerium alsbald ein Personalstrukturmodell für die zivilen Bediensteten der Bundeswehr vorlegt, damit die Organisation nach neuen betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen gestaltet werden kann. Mit diesen wenigen Sätzen wollte ich darstellen, was wir u. a. mit diesen 48 Millionen DM im Bereich unserer Verteidigung machen. Ich möchte abschließend darauf hinweisen, daß die Größe, die Struktur und der Auftrag sowie das Selbstverständnis der Bundeswehr hier nicht nur allein etwas mit Geld zu tun haben, sondern daß es auch um eine politische Grundeinstellung geht. Karl Feldmeier hat vor einigen Tagen in der FAZ einen Artikel geschrieben mit der Überschrift „Wozu dient die Bundeswehr?" Er führt dort aus: „Maßgebend wird letzten Endes die Entscheidung darüber sein, ob Politik und Gesellschaft Deutschlands die veränderte Wirklichkeit annehmen und ob sie den Willen zur Selbstbehauptung aufbringen. Es geht darum, ob Deutschland eine gleichberechtigte Macht im Kreise seiner Verbündeten sein oder zum Objekt der Macht anderer werden soll. Ohne den Willen zur Selbstbehauptung wären Streitkräfte überflüssig." Soweit dieses Zitat. Wir, die wir uns mit diesem Haushalt intensiv befaßt haben, sind davon überzeugt, daß wir mit unseren Entscheidungen der Bundeswehr einen wesentlichen Beitrag zur Erfüllung ihrer vielseitigen Aufgaben geliefert haben.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Horst Jungmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Wir werden uns damit auseinandersetzen müssen, daß die derzeitige Bundesregierung der Industrie bei der Beschaffungspolitik die falschen Signale gegeben hat, daß sie nicht durch eine wohlüberlegte Konversionspolitik die Weichen in die richtige Richtung gestellt, sondern bei der Beschaffung Erwartungen geweckt hat, die sich als unerfüllbar erweisen.
    Wenn jetzt Rüstungsaufträge ausbleiben, können die von Ihnen fehlgeleiteten Unternehmen kaum anders als mit Entlassungen reagieren, die den Sozialhaushalt über Gebühr belasten werden. Damit dürfte der Sozialhaushalt wohl bei der Deckung der globalen Minderausgabe weitgehend ausscheiden.
    Da auch der zweitgrößte Einzelplan, nämlich der Schuldendienst, keinen Beitrag zur Deckung der globalen Minderausgabe leisten kann, wird dem Einzelplan 14 ein auch von Ihnen immer wieder, Herr Kollege Strube, vehement abgelehntes Sonderopfer auferlegt.
    Ich wiederhole: Ich weiß nicht, welcher Betrag dem Einzelplan 14 zur Deckung der im Einzelplan 60 veranschlagten globalen Minderausgabe abverlangt wird. Es werden wohl mehr sein als die von mir beantragten 770 Millionen DM. Es können auch 1,5 Milliarden DM sein, Herr Rühe, oder aber auch die rechnerisch möglichen 2,4 Milliarden DM. Niemand in diesem Haus kann das heute eindeutig sagen.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Unmöglich!)

    Das hat mit Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit bei der Verabschiedung eines Bundeshaushalts überhaupt nichts zu tun.

    (Beifall bei der SPD)

    Einem solchen Haushalt, dessen verfügbarer Plafond bei 48 oder bei 47 oder bei 46,1 Milliarden DM oder einer beliebigen Zahl irgendwo dazwischen liegen kann, wollen Sie die Zustimmung geben? Mit den Stimmen meiner Fraktion können Sie selbstverständlich nicht rechnen.

    (Dr. Willfried Penner [SPD]: Richtig! Besser kann man es nicht formulieren!)

    Bei der ersten Lesung des Einzelplans 14 am 8. September 1993 haben Sie, Herr Kollege Strube, beklagt,



    Horst Jungmann (Wittmoldt)

    daß die Struktur des Einzelplans 14 nicht mehr gesund sei, daß die Betriebsausgaben im Verhältnis zu den investiven Ausgaben viel zu hoch seien. Insoweit stimme ich Ihnen zu, aber die Lösung haben Sie und Ihre Freunde zwischen der Haushaltsberatung am 8. September und heute nicht gefunden.

    (Hans-Gerd Strube [CDU/CSU]: Kleiner Ansatz!)

    Sie stecken wie weiland Vogel Strauß Ihre Köpfe in den Sand, lassen das Jahr 1994 mit aller Ungewißheit auf sich zukommen und tun nichts.

    (Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Der Vogel heißt jetzt Stoiber!)

    Sie entscheiden nach dem Motto „Mehrheit ist Mehrheit", ohne die praktischen Auswirkungen auf die Menschen zu berücksichtigen.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Folgen für die Beschäftigten in der Bundeswehr sind Ihnen völlig egal. Damit tragen Sie zur Verunsicherung in den Streitkräften bei. Das haben die Menschen in der Bundeswehr nicht verdient. Sie haben in schwierigen Zeiten die deutsche Einheit in den Streitkräften unter schwierigen Bedingungen vollendet und in anerkennenswerter Weise vollzogen.
    Wahrscheinlich ist Ihnen jetzt auch schon gleichgültig, was aus dem Jahre 1995 wird, wenn Sie auf der Oppositionsbank sitzen und wir die von Ihnen eingebrockte Suppe auslöffeln dürfen. So sieht es doch aus.

    (Beifall bei der SPD — Brigitte Baumeister [CDU/CSU]: Nie!)

    — Man sollte im Leben, Frau Kollegin, nie nie sagen; das kann einen schon morgen einholen.
    Durch Ihre, eine völlige Ratlosigkeit offenbarende Reaktion auf die jüngsten Steuerschätzungen, d. h. durch die 10 %-Sperre auf die Ausgaben auch der Obergruppe 55, also der verteidigungsinvestiven Ausgaben, verändern Sie die Struktur des Verteidigungshaushaltes weiterhin in die verkehrte Richtung.
    Ich darf Ihnen vorrechnen, was geschieht, wenn der Verteidigungshaushalt, was zu befürchten ist, voll von der Haushaltssperre getroffen wird. Der Anteil der Betriebsausgaben steigt von 78,1 % auf 80,3 %. Der Anteil der verteidigungsinvestiven Ausgaben sinkt von jetzt 21,9 % auf nur noch 19,7 %. Dabei halten Sie — so haben Sie es in der ersten Lesung gesagt — ein Verhältnis von 30 % Investitionen zu 70 % Betriebsausgaben für einen einigermaßen gesunden Ansatz. Ich frage mich, was an dem Haushalt noch gesund ist.
    Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie waren nicht gut beraten, als Sie Ihren Beschlußantrag nach der Rasenmähermethode eingebracht haben, dessen Folgen auf den Verteidigungshaushalt Sie wohl überhaupt nicht bedacht haben. Aber so pflegen Sie es ja zu halten: zuerst einmal handeln, und erst, wenn sich negative Folgen zeigen, fangen Sie an, darüber nachzudenken, was Sie mit Ihrem unüberlegten Aktionismus angerichtet haben. Das nenne ich vorausschauende Politik.
    Ein praktisches Beispiel hat der Verteidigungsausschuß am 29. September 1993 geliefert. Ich will darauf nicht im Detail eingehen.
    Im Gegensatz zu früher sehe ich nur den stellvertretenden Generalinspekteur hinter der Regierungsbank sitzen; früher saßen da auch noch die Inspekteure. Ich denke, es muß eine große Freude sein, jetzt auf der Hardthöhe einen Bundeswehrplan aufzustellen. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen dabei, unter den Prämissen des Haushalts 1994 die Zukunft der Bundeswehr zu gestalten, für eine kleinere, aber feinere Bundeswehr eine auf neue Aufgaben optimierte, Krisenreaktionskräften angemessene Ausrüstung zu planen, wenn die Eckdaten nicht stimmen, wenn die Zahl von 370 000 Soldaten für den Friedensumfang ein Tabu ist.
    Richtig ist, Herr Rühe, daß sich auch die Bundeswehr stetig und systematisch an die veränderten Rahmenbedingungen und neuen Aufgaben anpassen muß und dazu keine sich überholenden Reduzierungsmodelle, keine immer neuen Umgliederungen, kein permanentes Hin und Her bei der Stationierung, keine Spekulationen über die Änderung der Wehrform, sondern Ruhe und Planungssicherheit benötigt. Aber dies hat zur Voraussetzung, daß die Eckdaten realistisch, d. h. finanzierbar sind. Die Bundeswehr braucht also ein wohlüberlegtes, aufgabengerechtes und finanzierungsfähiges Reduzierungsmodell sowie eine optimale Stationierungsplanung.
    Auch bestimmte Standorte dürfen nicht — das sage ich hier bewußt; ich habe es in den letzten vier Jahren bei der Standortdebatte immer wieder gesagt — tabuisiert werden. Sie wissen, wo die größten Stationierungen sind: Sie sind im Süden Deutschlands. Dann können Sie mit dem Finanzminister — —

    (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Sie sollten nicht hierhin, sondern zur SPD gucken! — Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Er kann gukken, wohin er will! — Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Sie sollten ihm ins Auge schauen!)

    — Herr Kollege Koppelin, wissen Sie, wenn ich dem Verteidigungsminister etwas sage, dann mache ich es im Gegensatz zu vielen anderen Leuten so, daß ich ihn angucke, egal wer da oder dort sitzt.
    Herr Minister, noch einmal: Auch Standorte dürfen nicht tabuisiert werden.
    Das Haushaltsgesetz sieht auch eine zusätzliche Sperre von 5 % bei den Reisekosten vor. Ich hoffe, Herr Rühe, daß diese Kürzung dazu dient, Ihre Reisetätigkeit in Zukunft drastisch einzuschränken und daß Sie die Zeit sinnvoll nutzen können, um ein finanzierungsfähiges Reduzierungsmodell für die Bundeswehr zu erarbeiten, es sei denn, Sie haben mit Ihrer politischen Laufbahn als Minister schon abgeschlossen und überlassen die schwierigen Aufgaben den Sozialdemokraten.
    Die Ausgaben, die für die Verteidigung bewilligt werden sollen, sind nicht hinreichend fest bestimmt, Herr Minister. Mit Ausnahme der Personalausgaben, die über 52 % des Etats ausmachen, unterliegen alle



    Horst Jungmann (Wittmoldt)

    Ausgaben einer Sperre von mindestens 10 %, es sei denn, der Finanzminister läßt Ausnahmen zu und erwirtschaftet die globale Minderausgabe an anderer Stelle. Diese Vorgabe gestattet keine ordnungsgemäße Haushaltsführung. Die gesetzlichen und auch die vertraglichen Zahlungsverpflichtungen können Sie vielleicht noch erfüllen. Aber ob die Bundeswehr ihren gesetzlichen Auftrag und ihre Bündnispflichten noch erfüllen kann, erscheint mir recht fraglich.
    Den Ausgaben liegt keine realistische Planung zugrunde. Wichtige Vorhaben der Bundeswehrplanung sind Makulatur. Selbst Rüstungskooperationen sind gefährdet. Sie werden tiefe Eingriffe in die Übungsplanung vornehmen müssen. Die Ausbildung wird zurückgeschnitten werden müssen. Die Infrastrukturplanung wird desolat sein. Den Entwurf des Bundeswehrplans 1995, den Sie dem Parlament im Dezember vorlegen sollen, können Sie gleich dem Reißwolf überantworten. Er ist nämlich nicht mehr das Papier wert.

    (Beifall bei der SPD)

    Zu Somalia ist heute schon viel gesagt worden. Die Entscheidung, die die Bundesregierung damals getroffen hat, sich an der UNO-Mission in Somalia zu beteiligen, war meiner Auffassung weniger von der Überzeugung der Notwendigkeit des Einsatzes bestimmt. Sie diente vielmehr innenpolitisch dazu, Fakten zu schaffen. Dabei ist am Ende ein ungeordneter, zwischen dem Verteidigungs- und dem Außenminister strittiger Rückzug herausgekommen,

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Leider wahr!)

    der nicht dazu geeignet ist, das Ansehen der Bundesrepublik zu stärken.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das kann man wohl sagen!)

    Herr Minister, ziehen Sie die Soldaten so schnell wie möglich ab!

    (Beifall bei der SPD)

    Sie haben das vor. Der Außenminister sollte Sie nicht daran hindern. Denn 300 Millionen DM könnten sinnvoller und effektiver für humanitäre Hilfe eingesetzt werden, wie z. B. auf dem Balkan oder in Kambodscha.
    Den Soldaten ist wegen der Entscheidung der Bundesregierung überhaupt kein Vorwurf zu machen. Sie haben aus der von der Regierung verfahrenen Situation das Beste gemacht.
    Mein besonderer Dank gilt vor allem den Piloten und Besatzungen der Transall-Maschinen,

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)

    die fast täglich unter Lebensgefahr Lebensmittel und Medikamente nach Sarajevo einfliegen und gemeinsam mit Franzosen und Amerikanern über Bosnien abwerfen.
    Wir müssen endlich eine politische Lösung für den Einsatz der Bundeswehr unter UNO-Befehl finden.
    Was meine Partei dazu zu sagen hat, ist hier schon ausgeführt worden.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Aber nicht das letzte Wort!)

    Maßstab dessen dürfen nicht Kampfeinsätze sein, sondern Maßstab dessen soll die humanitäre Hilfe und die Hilfe für das Leben der Menschen sein. Meine Partei hat sich bewegt. Um einen verfassungspolitischen Konsens zu finden, muß man aufeinander zugehen und kann nicht nach der Methode „Alles oder nichts" verfahren. Wer alles will, bekommt am Ende nichts.

    (Beifall bei der SPD — Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Die SPD sollte sich bewegen!)

    Meine Damen und Herren, der Verteidigungshaushalt ist der Ausdruck einer verfehlten, nicht zu Ende gedachten Verteidigungspolitik, die nicht der realen Umwelt gerecht wird.

    (Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Richtig! )

    Die Bundesregierung läuft Gefahr, in diesem Bereich den Rest ihrer Glaubwürdigkeit, falls sie überhaupt noch eine hat, zu verlieren. Der Verteidigungsminister müßte nach dem, was er in der ersten Lesung gesagt hat, eigentlich seinen Hut nehmen, wenn dieser Haushalt in der zweiten und dritten Lesung so beschlossen wird.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich wiederhole: Meine Fraktion stimmt diesem nach meiner Auffassung gegen das Grundgesetz verstoßenden Verteidigungshaushalt nicht zu.
    Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, Sie haben beim Haushalt 1993 schon einmal eine Beschlußempfehlung der Mehrheit im Haushaltsausschuß in der zweiten Lesung an den Haushaltsausschuß zurücküberwiesen. Da ging es um die Personalstruktur. Damals waren Sie guten Argumenten zugänglich und haben eingesehen, daß dies, auch wenn Sie es im Plenum des Deutschen Bundestages beschließen würden, nicht realisierbar wäre. Deswegen gebe ich Ihnen den guten Rat und die Empfehlung: Verfahren Sie genauso wie damals mit der Beschlußempfehlung heute mit dem Bundeshaushalt 1994 in seiner Gesamtheit und überweisen Sie ihn an den Haushaltsausschuß zurück, damit gegebenenfalls auf der Basis eines neuen Regierungsentwurfs das Parlament, seiner verfassungsmäßigen Aufgabe entsprechend, einen in Einnahmen und Ausgaben ausgeglichenen Bundeshaushalt feststellen kann.
    Es würde diesem Hause gut anstehen, wenn politische Entscheidungen, die zum Haushaltsausgleich notwendig sind, vom Parlament getroffen und nicht ohne Not der Exekutive überlassen werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie haben dazu nicht mehr die Kraft. Das Ende Ihrer Koalition beginnt damit.
    Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der SPD)






Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich erteile nun dem Abgeordneten Hans-Gerd Strube das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans-Gerd Strube


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Horst Jungmann, ich habe mich bei Ihrer Rede gefragt: Was hätten Sie bloß heute gesagt, wenn wir die 5 Milliarden DM nicht global gesperrt hätten? Es muß doch ein ganz besonders hervorragendes Gefühl für Sie gewesen sein, einmal in eine andere Rolle schlüpfen zu dürfen.

    (Ernst Waltemathe [SPD]: Ach, Sie haben ihm die Rede ermöglicht? Das war der eigentliche Grund?)

    Der Verteidigungshaushalt 1994 sieht nach den Empfehlungen des Haushaltsausschusses Ausgaben in Höhe von rund 48,5 Milliarden DM vor. Das sind etwa 1,4 Milliarden DM weniger, als der Plafond für 1993 ausweist, bzw. rund 1 Milliarde DM weniger, als der Verteidigungsminister nach Abzug der im Nachtragshaushalt ausgebrachten Sperren und Verstärkungen für die Lohnrunde 1993 in diesem Jahr ausgeben kann.
    Nach Abschluß der Beratungen im Haushaltsausschuß mußten die Steuereinnahmeschätzungen nach unten korrigiert werden; denn auch die „fünf Weisen" des Sachverständigenrates sehen für 1994 noch keine Konjunkturbelebung. Da wir einen ausgeglichenen Haushalt zu verabschieden haben und uns nicht noch höher verschulden können, müssen die Staatsausgaben in größtmöglichem Umfang eingeschränkt werden. Deshalb haben wir im Bundeshaushalt eine globale Minderausgabe von 5 Milliarden DM vorgesehen, zu der auch der Verteidigungshaushalt seinen Beitrag leisten muß.
    Im Haushaltsgesetz haben wir vorgesehen, daß alle Sachausgaben, aber auch alle militärischen Beschaffungen, Entwicklungen und Infrastrukturausgaben in Höhe von 10 % gesperrt werden. Dies — das sei eingeräumt — würde eine überproportionale Beteiligung der Verteidigungsausgaben an der Erbringung der globalen Minderausgaben bedeuten und, wäre dies das letzte Wort, zugleich unvertretbare Einschnitte in Betrieb und Struktur der Bundeswehr notwendig machen.

    (Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Sehr mutig!)

    Durch das Haushaltsgesetz wollen wir aber den Finanzminister ermächtigen, im Benehmen mit dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages Ausnahmen zuzulassen, damit rechtliche Verpflichtungen erfüllt und zukunftsorientierte Politikschwerpunkte beibehalten werden können. Hier ist also zunächst die Regierung gefordert, mit Augenmaß und nicht mit der Rasenmähermethode zu agieren.

    (Horst Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Die soll das bringen?)

    Nun mag man uns vorwerfen, wir selbst hätten uns des Rasenmähers bedient und unser Budgetrecht aufgegeben. Dies ist nicht der Fall. Ohne parlamentarische Beteiligung läuft nichts. Aber wir erhalten eine
    Flexibilität bei der Haushaltsdurchführung, die es der Regierung im Benehmen mit uns gestattet, alle unabweisbar notwendigen Ausgaben zu leisten und dabei der Entwicklung der finanziellen Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen.
    Natürlich kann niemand erwarten, der Verteidigungsbereich könne voll entlastet werden. Aber, meine Damen und Herren, ebenso kann niemand erwarten, daß der Verteidigungsminister die Hälfte der globalen Minderausgaben erbringt. Auch ohne Berücksichtigung dieser haushaltsgesetzlichen Sperre haben wir der Bundeswehr mit dem Verteidigungshaushalt einen so engen Anzug geschneidert, daß er nicht nur kneift, sondern eine Schlankheitskur erfordert.
    Die Bundeswehr muß schlanker werden. Der Friedensumfang wird bis Ende 1994 auf 370 000 Soldaten reduziert. Nur, ganz verzichten können wir auf eine einsatzfähige, entsprechend den Erfordernissen im Bündnis ausgerüstete Bundeswehr nicht. Denn auch wenn sich die Aufgaben im Bündnis wandeln und eine große Konfrontation mit dem Osten weniger aktuell ist, so müssen wir doch feststellen, daß zahlreiche Konfliktherde mit allen ihren Risiken weiter bestehen, ja, noch neu entstehen. Das Bündnis der NATO ist für unsere nationale Sicherheit unverzichtbar. Es steht nicht zur Disposition.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Aus Anlaß der ersten Lesung des Haushalts 1994 habe ich beklagt, daß der Regierungsentwurf ein weiteres Absinken der Investitionen um rund 1,6 Milliarden DM auf einen Anteil von nur noch knapp 21,5 % am Verteidigungshaushalt vorgesehen hat. Ich habe angekündigt, daß wir bei den Beratungen im Haushaltsausschuß auf eine Verbesserung der Situation achten würden. In Höhe von rund 300 Millionen DM konnten wir eine Strukturverbesserung durch Umschichtung aus dem Betriebsbereich in die Investition erreichen und damit den Anteil der Investitionen am Verteidigungsplafond auf rund 21,9 % verbessern. Ich räume ein: Es ist ein bescheidener Erfolg. Doch auch wir haben bei den Beratungen der Tatsache Rechnung tragen müssen, daß die Betriebskosten nicht beliebig abgesenkt werden können und daß langfristige rechtliche Verpflichtungen in vielfältiger Hinsicht bestehen, die erfüllt werden müssen.
    Der Gestaltungsmöglichkeit unter Beibehaltung der bisherigen Eckdaten sind enge Grenzen gesetzt. Ohne eine einschneidende Neustrukturierung der Bundeswehr werden die Probleme wohl nicht zu meistern sein.

    (Horst Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Jetzt geben Sie mir doch recht, Herr Kollege Strube!)

    Der Verteidigungshaushalt 1994 ist auch ohne Berücksichtigung der haushaltsgesetzlichen Sperre ein Sparhaushalt, der den Verteidigungsminister zwingt, die Umstrukturierung der Bundeswehr voranzutreiben. Der Verteidigungshaushalt 1994 ist als ein



    Hans-Gerd Strube
    weiterer Übergangshaushalt für die Bundeswehr auf ihrem Weg zu ihrer neuen Gestalt zu werten.

    (Horst Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Das ist schon der vierte Übergangshaushalt!)

    Meine Damen und Herren, es sollte nicht hingenommen werden, daß sich die Sanierung der Bundeswehrliegenschaften in den neuen Bundesländern verzögert. Bei Planungssicherheit könnte hier sehr wohl privates Kapital eingesetzt werden. Der Bund müßte dann lediglich den vereinbarten Mietzins zahlen.
    Bei den militärischen Beschaffungen müssen auch laufende Verträge auf ihre Strukturgerechtigkeit hin überprüft werden. Wenn ohne wirtschaftliche Nachteile möglich, sollten auch Stückzahlen neu überdacht werden.

    (Horst Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Das kommt aber sehr spät!)

    Denn unabdingbar notwendig scheint mir zu sein, daß die Ausrüstung der Bundeswehr auf ihren künftigen Einsatz als Krisenreaktionskräfte hin optimiert wird.
    In diesem Zusammenhang muß auch beklagt werden, daß sich bisweilen die Neuordnung von Verträgen besonders im Bündnis nur schleppend gestalten läßt.
    Die vom Verteidigungsminister angestrebte Umorientierung beim neuen europäischen Jagdflugzeug hat immer noch keine befriedigende Gestalt angenommen.

    (Zustimmung bei Abgeordneten der F.D.P. und der SPD)

    Die Einbindung in die europäische Partnerschaft erfordert eine zeitraubende Rücksichtnahme. Ich bin aber sicher, daß sich die von uns gesetzten Zeichen auszahlen werden und daß am Ende ein der veränderten Sicherheitslage angepaßtes und auch finanzierbares Jagdflugzeug entwickelt sein wird. Es ist hochinteressant, daß auch die SPD durch Herrn Schröder nunmehr signalisiert, daß sie bereit ist, dieses Flugzeug möglicherweise mitzutragen. Man staunt und staunt, was man vor Wahlen nicht alles zum Ausdruck bringen kann.
    Wegen der Kosten für die Entwicklung des Jagdflugzeuges wird der Anteil der Forschung und Entwicklung am Verteidigungsplafonds trotz Absinkens des nominalen Ansatzes von 5,0 auf 5,2 % anwachsen. Die Ansätze sind nach meiner Überzeugung an der untersten Grenze der Tragbarkeit angesiedelt. Weitere Kürzungen würden unsere Dialogfähigkeit im Bündnis einschränken

    (Horst Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Das haben Sie auch im letzten Jahr schon gesagt!)

    und den Standort Deutschland für die Verteidigungsindustrie in Frage stellen.
    Der Verteidigungshaushalt 1994 sieht, wenn die Folgen der haushaltsgesetzlichen Sperre ausgeklammert bleiben, für die Beschaffungen einen Anteil von noch 12,2 % vor. Mit diesem Ansatz — obwohl über 1 Milliarde DM unter dem Ansatz von 1993 — können
    Beschaffungen für die Bundeswehr eingeleitet werden, die für ihren Einsatz als Krisenreaktionskräfte von großer Wichtigkeit sind. Ich denke hier besonders an die Führungsmittel, z. B. Heros oder die Funkgeräte SEM 93, Satellitenanlagen, aber auch an die Sanitäts- und Bekleidungsausstattung für humanitäre Einsätze.
    Gestatten Sie mir noch ein abschließendes Wort: Wenn auch Verteidigungsaufträge kein Mittel zur Struktur- und Beschäftigungspolitik sein sollen, so darf ihre Wirkung auf Beschäftigung und Konjunktur doch nicht unterschätzt werden. Ein mehr oder weniger totaler Auftragsstopp wirkt kontraproduktiv. Nicht nur beeinflußt er den Arbeitsmarkt und die Konjunkturlage negativ, sondern er kann auch den Rückzug der deutschen Industrie vom Rüstungsmarkt bedeuten. Das, meine Damen und Herren, können wir nicht wollen.
    Die Bundesrepublik Deutschland muß an einer deutschen Rüstungsindustrie festhalten und alles tun, um die Dialogfähigkeit im Bündnis zu erhalten. Ich bin davon überzeugt, daß es dem Verteidigungsminister gelingen wird, trotz der knappen Haushaltsmittel die Bundeswehr angemessen für ihren Auftrag auszustatten und ihr eine Struktur zu geben, mit der sie im Bündnis leistungsstark bleibt.
    Ich möchte mich herzlich bei den Beamten des Hauses und bei Ihnen, Herr Verteidigungsminister, für die gute und konstruktive Zusammenarbeit bedanken. Die CDU/CSU-Fraktion wird dem Einzelplan 14 ihre Zustimmung geben.
    Meine Damen und Herren, da dies vermutlich meine letzte Etatrede zum Verteidigungshaushalt war,

    (Horst Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Wer bleibt denn bei Ihnen überhaupt?)

    möchte ich mich auch ganz herzlich bei den Mitberichterstattern bedanken, bei Hans-Werner Müller, Carl-Ludwig Thiele, Horst Jungmann und Rudi Walther. Wir haben in der Sache sehr oft gestritten, aber ich meine, wir haben an der Sache orientiert gearbeitet, wenn auch aus verschiedenen Aufgabenstellungen heraus. Herzlichen Dank für die gute und kollegiale Zusammenarbeit!

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD)