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    Plenarprotokoll 12/192 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 192. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 24. November 1993 Inhalt: Bestimmung des Abgeordneten Rolf Schwanitz als ordentliches Mitglied im Vermittlungsausschuß 16531 A Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1994 (Haushaltsgesetz 1994) (Drucksachen 12/5500, 12/5870) Einzelplan 04 Bundeskanzler und Bundeskanzleramt (Drucksachen 12/6004, 12/6030) in Verbindung mit Einzelplan 05 Auswärtiges Amt (Drucksachen 12/ 6005, 12/6030) in Verbindung mit Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung (Drucksachen 12/6014, 12/6030) in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte (Drucksachen 12/6027, 12/ 6030) Hans-Ulrich Klose SPD . . . . 16531D, 16592A Michael Glos CDU/CSU 16537A Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. 16544 C Hans-Ulrich Klose SPD 16544 D Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . . 16551A Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16554 B Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 16557 A Rudolf Scharping, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz 16566 C Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . 16576B Michael Glos CDU/CSU 16577 B Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. 16578 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 16578D Dr. Jürgen Schmude SPD 16580 C Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 16587 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU (zur GO) 16595 B Dietrich Austermann CDU/CSU 16595 C Ortwin Lowack fraktionslos 16598 D Andrea Lederer PDS/Linke Liste . . . 16600 C Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16603B Ernst Waltemathe SPD 16605 D Udo Haschke (Jena) CDU/CSU 16608 A Ingrid Matthäus-Maier SPD 16608 C Dr. Rudolf Krause (Bonese) fraktionslos 16609A Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 16610 D Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16612B Friedrich Bohl, Bundesminister BK . . 16613 D Dr. Hans Stercken CDU/CSU 16614B Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16615A II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. November 1993 Horst Jungmann (Wittmoldt) SPD . . . . 16616D, 16630 B Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 16618A Hans-Gerd Strube CDU/CSU 16622 A Dr. Hans Modrow PDS/Linke Liste . . 16623D Carl-Ludwig Thiele F.D.P. . . 16626A, 16630 C Horst Jungmann (Wittmoldt) SPD . . . 16627 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 16628 A Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 16630D Walter Kolbow SPD 16633 C Paul Breuer CDU/CSU 16636 B Dr. Karl-Heinz Klejdzinski SPD . . . 16637 B Präsidentin Dr. Rita Süssmuth 16554 A Namentliche Abstimmung 16638 C Ergebnis 16644 D Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Drucksachen 12/6021, 12/6030) Helmut Esters SPD 16639 B Christian Neuling CDU/CSU 16641D Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste . . . 16646 D Werner Zywietz F D P 16647 D Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16649 C Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 16650 C Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern (Drucksachen 12/6006, 12/6030) in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung (Drucksache 12/6026) in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung (Drucksachen 12/ 6028, 12/6030) Rudolf Purps SPD 16652 D Karl Deres CDU/CSU 16656 C Ina Albowitz F.D.P. 16659 A Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 16661 B Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16662 D Günter Graf SPD 16664 B Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 16665 D Erwin Marschewski CDU/CSU 16666 D Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 16668D Freimut Duve SPD 16670A Karl Deres CDU/CSU 16670 C Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . 16671A Klaus Lohmann (Witten) SPD 16672 C Manfred Kanther, Bundesminister BMI 16673 B Nächste Sitzung 16675 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 16677' A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 12: Einzelplan 05 — Auswärtiges Amt Dr. Klaus Rose CDU/CSU 16633' C Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 13: Einzelplan 14 — Bundesministerium der Verteidigung Hans-Werner Müller (Wadern) CDU/CSU 16679' A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. November 1993 16531 192. Sitzung Bonn, den 24. November 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Augustin, Anneliese CDU/CSU 24. 11. 93 Blunck (Uetersen), SPD 24. 11. 93 * Lieselott Böhm (Melsungen), CDU/CSU 24. 11. 93 * Wilfried Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 24. 11. 93 Clemens, Joachim CDU/CSU 24. 11. 93 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 24. 11. 93 Herta Ehrbar, Udo CDU/CSU 24. 11. 93 Ganschow, Jörg F.D.P. 24. 11. 93 Gleicke, Iris SPD 24. 11. 93 Dr. Göhner, Reinhard CDU/CSU 24. 11. 93 Großmann, Achim SPD 24. 11. 93 Dr. Herr, Norbert CDU/CSU 24. 11. 93 Heyenn, Günther SPD 24. 11. 93 Hiller (Lübeck), Reinhold SPD 24. 11. 93 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 24. 11. 93 Jung (Düsseldorf), Volker SPD 24. 11. 93 Junghanns, Ulrich CDU/CSU 24. 11. 93 Kiechle, Ignaz CDU/CSU 24. 11. 93 Dr. Kolb, Heinrich L. F.D.P. 24. 11. 93 Kraus, Rudolf CDU/CSU 24. 11. 93 Dr. Krause (Börgerende), CDU/CSU 24. 11. 93 Günther Kretkowski, Volkmar SPD 24. 11. 93 Kronberg, Heinz-Jürgen CDU/CSU 24. 11. 93 Dr. Matterne, Dietmar SPD 24. 11. 93 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 24. 11. 93 ** Dr. Ortleb, Rainer F.D.P. 24. 11. 93 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 24. 11. 93 * Rappe (Hildesheim), SPD 24. 11. 93 Hermann Dr. Röhl, Klaus F.D.P. 24. 11. 93 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 24. 11. 93 Ingrid Dr. Ruck, Christian CDU/CSU 24. 11. 93 Schartz (Trier), Günther CDU/CSU 24. 11. 93 Dr. Scheer, Hermann SPD 24. 11. 93 * Schmidt (Salzgitter), SPD 24. 11. 93 Wilhelm Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 24. 11. 93 Schröter, Karl-Heinz SPD 24. 11. 93 Schwanhold, Ernst SPD 24. 11. 93 Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 24. 11. 93 Christian Dr. Soell, Hartmut SPD 24. 11. 93** Spilker, Karl-Heinz CDU/CSU 24. 11. 93 Dr. von Teichman, F.D.P. 24. 11. 93 Cornelia Vosen, Josef SPD 24. 11. 93 Wohlleben, Verena SPD 24. 11. 93 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Wollenberger, Vera BÜNDNIS 24. 11. 93 90/DIE GRÜNEN Zierer, Benno CDU/CSU 24. 11. 93* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 12: Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Dr. Klaus Rose (CDU/CSU): Mit besonders gemischten Gefühlen stehe ich jetzt am Rednerpult. Denn während wir hier im Warmen und in Sicherheit hehre Außenpolitik formulieren, frieren und sterben weitere Hunderte und Tausende von Menschen in Bosnien. Die Welt schaut zu, Europa schaut zu, Deutschland schaut zu. Eine erfolgversprechende außenpolitische Initiative gibt es nicht. Klaus Bressers Anklage vorgestern abend im deutschen Fernsehen ist zweifellos berechtigt. Seine Schlußfolgerungen einer einzigen Lösung, nämlich eines militärischen Einsatzes, versteht jeder, man schreckt aber davor zurück. In einem neuen Buch von Hans-Peter Schwartz wird der fehlende Mut, der fehlende Wille der Deutschen zur Machtpolitik moniert. Deutschland sei zwar schon lange ein wirtschaftlicher Riese mit automatischer Macht. Aber mit der Rolle des politischen Zwergs müsse es ein Ende haben. Weltmacht wider Willen könne man auf Dauer nicht sein, der politische Gestaltungswille müsse dazukommen. Ich höre jetzt natürlich den Aufschrei, daß die Deutschen wieder von einer großen Rolle in der Weltpolitik träumten. Nein, darum geht es nicht, zumindest nicht um eine Alleinträumerei der Deutschen. In der Weltgemeinschaft, in der Europäischen Gemeinschaft und in manchen internationalen Gremien muß Deutschland seiner Bedeutung gerecht werden. Diese Bedeutung ist nach der Wiedervereinigung naturgemäß anders als früher. Diese Neubewertung deutscher Außenpolitik, diese Umorientierung muß jetzt endlich in der Praxis geschafft werden. Deutschland muß sich sowieso darüber klar werden, daß die Welt sich weiterdreht und daß wir sehr schnell vom Rad geschleudert werden können. Bei der Einbringungsrede des Haushalts im September 1993 habe ich die Bedeutung einer deutschen Asienpolitik herausgestrichen. Ich freue mich deshalb über den Erfolg der Kanzlerreise nach China. Über eines darf der Blick nach Asien nicht hinwegtäuschen: Europa ist in großer Gefahr. Die Gefahr wird beim Blick auf die asiatische Weltkarte deutlich. Dort ist nämlich der Pazifikraum im Mittelpunkt und 16678* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. November 1993 Europa Randlage, wie wir es von Alaska oder von der Kamtschatka gewöhnt sind. Genau hier setzt das Problem ein. Haben nicht vor wenigen Tagen der amerikanische Präsident und verschiedene asiatische Regierungschefs die Zukunftsrichtung der amerikanisch-pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) gewiesen? Hat nicht mit der NAFTA der nordamerikanische Wirtschaftsverbund den Wettbewerb mit der EG beschworen? Hat nicht der amerikanische Außenminister Warren Christopher gestern im ZDF-Morgenmagazin bei der Formulierung der amerikanischen Prioritäten die Stärkung der NATO erst an dritter Stelle genannt? Wir müssen erkennen, daß Europa aufpassen muß, damit es nicht wirtschaftlich, militärisch und finanziell zu einem unbedeutenden Markt wird. Mit der neuen Versuchung von Kleinstaaterei ist uns allen nicht gedient. Unverzichtbar ist für die EG und besonders für die Deutschen die Gewinnung der osteuropäischen Völker für Demokratie und Marktwirtschaft. Deshalb hatte der Haushaltsausschuß die Idee der Bundesregierung sehr begrüßt, mit der deutschen Beratungshilfe zum Aufschwung beizutragen. Über verschiedene Einzelpläne verteilt werden nächstes Jahr rund 300 Millionen DM eingesetzt. Es gibt am Ziel keinen Zweifel, denn der Aufbau von Forstverwaltungen, von Sparkassen oder von Konversionsprojekten bei früheren Rüstungsbetrieben kann nur unterstützt werden. Es wäre aber falsch, wenn wir am gleichen Weg wie bisher festhalten würden, nämlich alle Mittel an die Zentralregierungen zu geben. Es ist eine Tatsache, daß z. B. die russische Wirtschaft nur dann umgestaltet werden kann, wenn man das Potential der Regionen zur Wirkung bringt. Ich rede nicht einer politischen Dezentralisierung oder Destabilisierung das Wort. Denn ein weiterer Zerfall unter Krach und Donner ist nicht erstrebenswert. Eine einheitliche Rubelzone, eine Art Länderfinanzausgleich wären das Ziel. Doch so viel Demokratie als möglich, so viel föderative Strukturen als machbar sollten von uns herauskristallisiert werden. Mich als überzeugten Europäer, treuen Deutschen und begeisterten Föderalisten freut es jedenfalls, daß jetzt auch in der Republik Südafrika der deutschen Verfassung ähnliche Strukturen eingeführt werden. Die GUS, aber auch die Einzelnachfolger der Sowjetunion sollten auf jeden Fall, so sie es wünschen, beim Aufbau nicht bloß von demokratischen und marktwirtschaftlichen, sondern auch von föderativen Strukturen unterstützt werden. Im Rahmen des auswärtigen Etats muß ein weiteres Thema angesprochen werden. Es geht um die Hilfe in Katastrophenfällen, bei Not und Flüchtlingselend, bei Bürgerkriegen, die wir trotz eigener Haushaltsprobleme nicht vergessen dürfen. Ich erkenne in diesem Zusammenhang gerne die engagierte Leistung des Arbeitsstabs „Humanitäre Hilfe" im Auswärtigen Amt an. Mit der Soforthilfe, d. h. mit medizinischer Betreuung, Übergabe von Nahrungsmitteln und Kleidung, Herstellung von Notunterkünften oder Wiederherstellung von Strom-, Wasser-, Gasleitungen oder von Straßen und Brücken, wird viel Gutes geleistet, mit Sonderhilfen wird viel außenpolitischer Goodwill offenbart. 1993 sind bisher nahezu 500 Millionen DM für die humanitäre Hilfe eingesetzt worden, nicht bloß im Haushalt des Auswärtigen Amts, sondern auch beim BMZ, beim Innenminister oder beim Verteidigungsminister. Dazu kommen die internationalen Beiträge. Beliebig ausweiten läßt sich der vom Steuerzahler finanzierte Anteil an den Hilfsmaßnahmen aber auch nicht. Dankbar registrieren wir daher die Spendenbereitschaft der Deut-. schen insgesamt. Wir registrieren die wie Pilze aus dem Boden geschossenen privaten Unterstützungsorganisationen für die Not in Rußland, in Rumänien oder in Bosnien. Wir registrieren die selbstlose Einsatzfreude vieler Menschen in Deutschland, wenn es um spontane Hilfsmaßnahmen geht. Da wird viel gutgemacht, was durch andere Deutsche, ob glatzköpfige Schläger oder hohlköpfige Schreibtischtäter, an Schande über Deutschland gebracht wird. Wegen der Sperren im Haushaltsgesetz und der Globalkürzung um 5 Milliarden DM, die anteilsmäßig auch den Etat des Auswärtigen Amts betreffen und insgesamt 134 Millionen DM ausmachen könnten, steht die Auswärtige Kulturpolitik noch mehr als früher im Mittelpunkt des Interesses. Im gewünschten Ziel sind wir uns alle einig, nämlich möglichst viel und möglichst effektiv, möglichst überall und möglichst ständig kulturell präsent zu sein. Es sind, das hat der ehemalige Präsident des Goethe-Instituts, Hans Heigert, anerkannt, viele Milliarden DM in die bisherigen Kulturverbindungen mit dem Ausland gesteckt worden. Keinem fällt es leicht, wegen des allgemeinen Sparzwangs bei diesen Kulturbeziehungen Abstriche zu machen. Es war immerhin der Bundeskanzler selbst, der mehrmals betonte, daß die deutsche Sprache im Ausland noch stärker gefördert werden sollte und daß mit einem Sonderprogramm „Deutsche Sprache" besonders in Osteuropa zum Aufbau friedlicher Beziehungen beigetragen würde. Der Haushaltsausschuß jedenfalls hat diese Haltung respektiert und versucht zu helfen, wo zu helfen war — ohne deshalb die Arbeitslosenunterstützung im eigenen Land oder manch unverzichtbare Investition in den neuen Bundesländern zu gefährden. Von einer besonderen „Kultur" zeugt daher nicht, wenn die Verantwortlichen des Goethe-Instituts in München bei einer Pressekonferenz im Oktober dieses Jahres wieder einmal glaubten, von einer „Strafexpedition der Anti-Kultur-Politiker in Bonn" reden zu müssen, weil auch das GoetheInstitut einen Sparbeitrag zur allgemeinen Haushaltslage bringen muß. Am meisten wurde beklagt, daß vier Institute geschlossen werden müßten und daß damit erheblicher außenpolitischer Schaden einträte. Wollen Sie die Namen dieser vier Institute hören? Es handelt sich um Viña del Mar (Chile), Medellin (Kolumbien), San Juan (Argentinien) und Malmö (Schweden). Zumindest bei unseren schwedischen Freunden habe ich bisher keinen Liebesentzug feststellen müssen, dafür freuen sich aber die Städte, die bisher in der sozialistischen Abgeschiedenheit festgenagelt waren, wie St. Petersburg, Kiew, Minsk oder Tiflis, auch Alma Ata und Hanoi, daß ein neues Goethe-Institut dort hinkommt. Sollte etwa ein Sparzwang gar ein Anreiz zu neuem Denken sein? Ich kann nur ermuntern, auch stärker den europäischen Verbund zu sehen. Gemeinsame deutsch-französi- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. November 1993 16679* sche Botschaften oder auch Kulturinstitute oder zumindest ein gemeinsames Dach dafür könnte so manchen Anstoß zu mehr Effektivität auch in der Kulturpolitik geben. Man ist noch lange kein KulturMuffel, wenn man sich Gedanken über das Aufbrechen verkrusteter Strukturen macht. Heilsam ist letzteres im gesamten staatlichen Haushalt. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 13 Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung Hans-Werner Müller (Wadern) (CDU/CSU): Unsere Soldaten sind aus Kambodscha zurückgekehrt. Unsere Soldaten leisten humanitäre Hilfe in Somalia. Es sind besonders viele aus den Standorten meiner saarländischen Heimat dabei. Unsere Soldaten versorgen Teile der bosnischen Bevölkerung aus der Luft. Unsere Soldaten erfüllen diese Aufträge mit hohem Verantwortungsbewußtsein und vorbildlicher Haltung. Sie dienen dem Ansehen unseres Landes, dafür gebührt ihnen unser Dank. Unsere Soldaten können dies leisten, weil wir eine einsatzbereite, modern ausgestattete und bündnisfähige Bundeswehr haben, und auch weiter haben wollen. Dazu bedarf es erheblicher staatlicher Mittel, die im Einzelplan 14 des hier zu beratenden Haushaltes zur Verfügung gestellt werden. Der 94er Haushalt für die Verteidigung steht im besonderen Maße unter der Notwendigkeit substantieller Einsparungen, weil die Staatsfinanzen insgesamt gesehen zu konsolidieren sind. Konsolidierung der Staatsfinanzen ist erfolgreiche Zukunftssicherung Deutschlands. Dies ist oft genug gesagt worden. Im Wettbewerb um die knappen Ressourcen sind in der Öffentlichkeit gerade die Verteidigungsausgaben besonders zu begründen. Werden doch rund 48 Milliarden ausgegeben, aber immerhin fast 3 Milliarden weniger als 1992. Wir sind, um das gleich vorweg zu sagen, an eine Grenze gestoßen, die wir nicht mehr unterschreiten dürfen, ohne das Ganze zu gefährden. Im vergangenen Jahr wollte die SPD noch 5 Milliarden aus dem Verteidigungshaushalt herausstreichen, heute wird dieser Haushalt anders, wesentlich realistischer beurteilt; man läßt erkennen, durch einige Sprecher zumindestens, daß hier in diesem Einzelplan des Bundesministers der Verteidigung nichts mehr zu holen ist. Ich meine dies ist ein Fortschrittt. Ich will auch sagen, daß in diesem Jahr die Beratungen gerade dieses Haushaltes aus meiner Sicht besonders schwierig waren, im Vergleich zu den früheren Jahren. Ich habe ja die Ehre, schon seit einigen Jahren diesen Haushalt zu bearbeiten. Ich möchte mich an dieser Stelle auch ganz herzlich bei den Beamten des Verteidigungsministeriums für die gute Zusammenarbeit bedanken. Die Beratungen waren aber schwierig, weil es halt immer schwierig ist, die Wünsche, so berechtigt sie auch sind, und die Realität in Einklang zu bringen, wobei wir selbstverständlich den Weg des Ministers unterstützen, der durch energisches Sparen im Bereich der Betriebsausgaben der Bundewehr sich Freiräume zu schaffen sucht für neue Gestaltungsmöglichkeiten und planerische Initiativen. Wir gehen diesen Weg mit, Herr Minister, so wenn wir z. B. ca. 200 Millionen DM Betriebsausgaben sparen und dafür 200 Millionen DM investieren. Es gibt einen militärischen Grundsatz, der da lautet: Entsprechend der Auftragserteilung sind die erforderlichen Mittel bereitzuhalten. Das heißt: Wenn wir über die Auftragserteilung einig sind — und wir sind das in der Union —, dann gilt dreierlei: Erstens. Wir brauchen eine Bestätigung der Verteidigungsausgaben in den nächsten Jahren, zumindest für den Zeitraum des Finanzplanes, also bis 1997. Damit gibt man der Bundeswehr den Planungsrahmen und die erforderliche Planungssicherheit. Zweitens. Der Haushalt für 1994 für den Bundesminister der Verteidigung ist in dieser Größenordnung von etwas über 48 Milliarden DM ein Schritt in diese Richtung. Drittens. Der Haushalt des Bundesministeriums der Verteidigung muß nach entsprechender Umschichtung wiederum etwa 30 Prozent für Investitionen enthalten. Wir werden bald die Stärke von 370 000 Soldaten erreicht haben. Man spricht von Zielstrukturen. Wir hatten einmal in der alten Bundesrepublik 490 000 Soldaten. Trotz der zurückgehenden Zahl sollten wir an der Wehrpflicht festhalten. Die Bundeswehr hat damit einen ständigen Kontakt mit der jungen Generation, einen Kontakt, der prägt. Nahezu die Hälfte der Zeit- und Berufssoldaten rekrutiert sich aus den Teilnehmern am Wehrdienst. Damit bleibt die Bundeswehr ein attraktiver Arbeitgeber mit dem Angebot einer jährlichen Einstellung von rund 20 000 Soldaten auf die Zeit von 4 Jahren und länger. Im nächsten Jahr werden wir die Zielstruktur von 370 000 planmäßig erreichen. Dies gilt sowohl für Umfang als auch für Qualität. Die Laufbahnentwicklung ist damit auch von besonderer Bedeutung. Attraktivität des Soldatenberufes ist nämlich sehr wichtig. So haben wir in diesem Haushalt auch rund 3 000 Hebungen für Oberfeldwebel und 1 000 Hebungen für Stabsunteroffiziere vorgesehen. Die Beförderungswartezeiten für Zeitsoldaten werden radikal reduziert. Wir denken, daß auch dies in der Öffentlichkeit allgemein und bei den betroffenen Jugendlichen zu einer größeren Akzeptanz des Dienstes in den Streitkräften geführt hat. Deswegen gehen die Quoten der Wehrdienstverweigerung auch zurück, obwohl von einer Trendwende noch nicht gesprochen werden kann. Auch beim Zivilpersonal bauen wir im nächsten Jahr mehr als 8 500 Stellen ab. Dies geschieht ausschließlich durch Fluktuation des Personals. Kein Mitarbeiter wird entlassen. Die Sozialverträglichkeit 16680* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. November 1993 kann durch Anwendung des Bundeswehrbeamtenanpassungsgesetzes voll gewährleistet werden. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal die Bitte vortragen, daß das Verteidigungsministerium alsbald ein Personalstrukturmodell für die zivilen Bediensteten der Bundeswehr vorlegt, damit die Organisation nach neuen betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen gestaltet werden kann. Mit diesen wenigen Sätzen wollte ich darstellen, was wir u. a. mit diesen 48 Millionen DM im Bereich unserer Verteidigung machen. Ich möchte abschließend darauf hinweisen, daß die Größe, die Struktur und der Auftrag sowie das Selbstverständnis der Bundeswehr hier nicht nur allein etwas mit Geld zu tun haben, sondern daß es auch um eine politische Grundeinstellung geht. Karl Feldmeier hat vor einigen Tagen in der FAZ einen Artikel geschrieben mit der Überschrift „Wozu dient die Bundeswehr?" Er führt dort aus: „Maßgebend wird letzten Endes die Entscheidung darüber sein, ob Politik und Gesellschaft Deutschlands die veränderte Wirklichkeit annehmen und ob sie den Willen zur Selbstbehauptung aufbringen. Es geht darum, ob Deutschland eine gleichberechtigte Macht im Kreise seiner Verbündeten sein oder zum Objekt der Macht anderer werden soll. Ohne den Willen zur Selbstbehauptung wären Streitkräfte überflüssig." Soweit dieses Zitat. Wir, die wir uns mit diesem Haushalt intensiv befaßt haben, sind davon überzeugt, daß wir mit unseren Entscheidungen der Bundeswehr einen wesentlichen Beitrag zur Erfüllung ihrer vielseitigen Aufgaben geliefert haben.
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


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    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will die Blicke auf die Außenpolitik richten — wesentlich Gegenstand auch dieses Haushalts und für dieses Land ja nicht ganz unwichtig.
    Meine Damen und Herren, kein anderes Land hat so viel vom Fortfall des Ost-West-Gegensatzes profitiert wie Deutschland. 1990 hat sozusagen eine neue Zeit begonnen. Mit dem Ende des Kalten Krieges leben wir in einer erneuten Nachkriegszeit. Die Welt ist leider nicht friedlicher geworden, und die Aufgaben, die sich heute der Außenpolitik stellen, sind nicht geringer als die vor einer Generation. Nach dem Kalten Krieg muß die Völkergemeinschaft mit anderen Konflikten fertig werden, um heute eine solide Friedensarchitektur in Europa für die Welt aufzubauen. Es ist keine geringere Aufgabe als nach dem Zweiten Weltkrieg, Strukturen ganz speziell europäischer Sicherheit zu schaffen.
    Es gibt aber auch einige erfreuliche Entwicklungen; darauf sollte man hinweisen. Die Überwindung der antagonistischen Blöcke hat auch außerhalb Europas neue Lösungsmöglichkeiten für alte Krisen geöffnet. Im Nahen Osten können und müssen wir den hoffnungsvollen Friedensansatz mit allen Kräften unterstützen. Im südlichen Afrika, wo ebenfalls eine erfreuliche Entwicklung eingetreten ist, fördern wir zusammen mit unseren Partnern den neuen innenpolitischen Reformprozeß und hoffen auf freie Wahlen im nächsten Jahr, auch darauf, daß Gewalt und Apartheid endgültig ein Ende haben.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Die Herausforderungen für die deutsche Außenpolitik sind vielfältig. Worauf müssen wir uns insbesondere konzentrieren?
    Erstens. Ausbau und Vertiefung der europäischen Einigung bestimmen die Grundrichtung unserer Außenpolitik. Wer einen Gegensatz zwischen den deutschen Interessen und Europa zu konstruieren sucht, geht, wie ich meine, vor allem an drei Grundtatsachen vorbei.
    1. Als Land im Herzen des Kontinents mit mehr Nachbarn als jedes andere europäische Land sind unsere Interessen mit denen unserer Nachbarn zwangsläufig verflochten. Wir müssen immer wieder gerade auf diese Verflechtung hinweisen. Im Alleingang werden wir überhaupt nichts erreichen, sondern nur altes Mißtrauen neu beleben.
    2. Die Einheit Deutschlands — sicherlich das höchste nationale Ziel, das wir hatten — wäre ohne die konsequente europäische Politik der vorangegangenen Jahrzehnte nicht denkbar gewesen.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    3. Man sollte auch deutlich und klar sagen: Wer eigene Interessen durchsetzen will — und das wollen wir ja —, muß die der anderen auch berücksichtigen. Wer hieran rüttelt, rüttelt an den Grundfesten der europäischen Friedens-, Stabilitäts- und Wohlstandsgemeinschaft.
    An anderen Stellen in Europa toben barbarische Konflikte um nationalistische Ziele. Noch sind keine 50 Jahre vergangen, seit der Krieg — übrigens durch uns entfacht — auch diesen Teil Europas verwüstet hat. Dieser Hintergrund verdeutlicht, was es heißt, wenn wir heute mit gutem Grund sagen können: Krieg ist jedenfalls unter den Mitgliedern der Europäischen Union nicht mehr vorstellbar.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Ist uns eigentlich bewußt, wie sensationell diese Feststellung allein angesichts von Vergangenheit und Gegenwart ist? Ist uns allen bewußt, was es hieße, diese Union sozusagen wieder auf einen jederzeit kündbaren Verein reduzieren zu wollen? Nein, das wollen wir nicht.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Was dieses Europa anbelangt, müssen wir jetzt nach vorn denken und die nächsten Aufgaben ins Auge fassen, die vor dem Europäischen Rat im Dezember liegen. Diese Aufgaben sind:
    1. Die Europäische Union muß neue Wachstumsimpulse freisetzen, und Europa muß — das ist heute schon wiederholt gesagt worden — wieder an die Spitze der technologischen Entwicklungen rücken.
    Im Bereich der Europäischen Union sind 17 Millionen Menschen ohne Arbeit. Vorhandene Arbeit gerechter zu verteilen oder weniger zu arbeiten kann eben nur eine vorübergehende, keine dauernde Abhilfe sein. Wir brauchen neue, rentable, produktive Arbeitsplätze. Und Strukturkrisen überwindet man, indem man die Strukturen verändert. Natürlich muß ein solcher Strukturwandel sozialverträglich sein und bleiben. Wo wir aber Altes subventionieren, geht dies zu Lasten des Neuen. Wo wir im Besitzstandsdenken der Vergangenheit verharren, vertun wir — das muß



    Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
    deutlich gesagt werden — die Chancen der Zukunft.
    2. Wir werden als Deutsche in Brüssel ganz besonders stark darauf hinwirken müssen, daß eine konsequente Anwendung des Subsidiaritätsprinzips stattfindet. Es ist nun einmal so, daß überflüssige Regelungen Initiativen verhindern und Kosten erhöhen. Das Dickicht der europäischen Regelungen muß durchforstet, totes Unterholz muß insoweit beseitigt werden.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Es muß aber auch darauf hingewiesen werden, daß vieles von dem, was aus Europa kommt, von hier aus, gerade aus der Bundesrepublik, angeregt worden ist. Es sieht immer so aus, als käme alles aus der Kommission. Wahnsinnig viel von dem, was auch an nicht Notwendigem in Brüssel geregelt worden ist, kommt aus der Bundesrepublik, aus Forderungen, die wir erhoben haben.

    (Dr. Hermann Otto Solms [F.D.P.]: Was die Regierung hier nicht durchsetzen kann, macht sie dann in Brüssel!)

    3. Die beiden neuen Pfeiler der Europäischen Union, die im Vertrag von Maastricht vorgesehen sind, müssen zügig aufgebaut werden. Wir wollen eben ein Europa der Bürger und nicht ein Europa der Mafia, wie es manchmal leider den Anschein zu haben scheint.
    Natürlich darf auch Europa nicht in außenpolitische Egoismen zurückfallen.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU — Dr. Hermann Otto Solms [F.D.P.]: Sehr richtig!)

    Wir brauchen eine außenpolitisch handlungsfähige Union und damit natürlich eine gemeinsame Außenpolitik. Mit den Initiativen zum früheren Jugoslawien, der Balladur-Initiative und der Entsendung von Wahlbeobachtern nach Rußland haben wir erste gemeinsame Felder — wie im Maastrichter Vertrag festgelegt — für die europäische Außenpolitik gefunden.
    Wir haben als gemeinsame Aktionen auch vorgesehen, die erfreulichen Entwicklungen zu verfolgen, die ich vorhin angedeutet habe, d. h. die Entwicklungen im Nahen Osten und im südlichen Afrika. Wenn dort die Wahlen am 27. April nächsten Jahres hoffentlich gut verlaufen, haben wir Europäer vor, durch eine europäische regionale SADC-Konferenz mit Südafrika und der umliegenden Region zu zeigen, daß wir das belohnen wollen, was im südlichen Afrika und in der Region geschehen ist, und daß wir uns dafür einsetzen, daß dort wirklich demokratische Strukturen unumkehrbar geschaffen werden.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    4. Der Weg zur Wirtschafts- und Währungsunion muß zügig Schritt für Schritt gegangen werden. Wir dürfen nicht vergessen: In gut einem Monat, am 1. Januar 1994, treten wir in die zweite Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion ein. Damit gelten für alle Mitgliedstaaten, natürlich auch für uns, besondere Verpflichtungen zur Haushaltsdisziplin.
    5. Den weiteren Ausbau der Europäischen Union müssen wir in der Perspektive der bevorstehenden Erweiterungen gestalten. In gut einem Jahr — ich hoffe, daß vor unserer Präsidentschaft die griechische Präsidentschaft die Erweiterungsverhandlungen möglichst weit vorantreibt — wollen wir die vier EFTA-Länder in die Gemeinschaft aufnehmen. Danach muß die Revisionskonferenz 1996 genutzt werden, um die Union institutionell zu stärken.
    Es darf eben keine Europäische Union geben, die sich als Wohlstandsclub abkapselt. Die gleichen Gründe, die vor 40 Jahren für die Gründung der Europäischen Gemeinschaft sprachen, sprechen jetzt für ihre Erweiterung: Erstens. Kein Land muß so stark wie Deutschland bestrebt sein, den sogenannten Westen so weit und so rasch wie möglich nach Osten aszuweiten.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Dieses Ziel gewinnt an Gewicht, wenn wir sehen, daß sich in Nordamerika und im Pazifikbecken mit der NAFTA und der APEC — siehe die letzten Abschlüsse bzw. Konferenzen — neue, ungeheuer leistungsfähige, Europa viel Konkurrenz bringende Wirtschaftsräume gebildet haben. Auf diese Konkurrenz müssen wir uns in besonderem Maße vorbereiten.
    Zweitens. Deutschland muß sich in besonderer Weise als Anwalt seiner östlichen Nachbarn und Partner verstehen. Es ist eine ganz neue, gigantische und für uns ungeheuer wichtige Aufgabe, Partner und Anwalt der Umbruchländer in Mittel- und Osteuropa zu werden, in der politischen, wirtschaftlichen und sicherheitsmäßigen Heranführung an Europa.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Gerade wegen unserer Vergangenheit, als Hauptprofiteure der Umbrüche der letzten Jahre und wegen unserer geographischen Lage, unserer Größe und unserer Wirtschaftskraft sind wir verpflichtet, diese Länder an Europa heranzuführen, sie zu integrieren. Wir sind besonders daran interessiert, ihre innere Stabilität zu gewährleisten, ihre wirtschaftliche Gesundung und ihre äußere Sicherheit mit zu garantieren. Wir können uns gegenüber unseren östlichen Nachbarn — unsere einzigartigen Erfahrungen beim Umbau in den neuen Bundesländern, bei den sozialen Komponenten der Marktwirtschaft, auf allen anderen Gebieten einbringend — wirklich helfend betätigen. Es kann und darf nicht richtig sein, diese Länder über Jahrzehnte nur aufgefordert zu haben, ja, sie dringend gebeten zu haben, sich vom kommunistischen System freizumachen und sich unserem freiheitlichen, westlichen System anzuschließen. Nun haben sie es getan; jetzt dürfen wir sie nicht im Stich lassen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Wir müssen deutlich und klar sagen: Ohne die Einbeziehung der östlichen Hälfte bliebe Europa ein Torso. Der harte Aufeinanderprall von Arm und Reich, wie wir ihn gegenwärtig noch mitten in Europa erleben, würde wieder — machen wir uns da nichts vor — auf Dauer zwangsläufig zu Spannungen führen müssen.



    Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
    Mit Privatisierung und politischem Pluralismus allein ist es nicht getan. Jahrzehntelange Isolation und Indoktrination haben geistige und kulturelle Folgen hinterlassen, die oft schwieriger zu beheben sind als alles andere. Im Augenblick haben wir diesen Ländern gegenüber gerade auf kulturellem Gebiet eine riesige Chance. Es sollte uns wirklich zu denken geben — ich sehe ein, daß es leider Gottes nicht anders geht —, daß wir ausgerechnet im kulturellen Teil des Haushalts des Auswärtigen Amtes streichen müssen. Die Chance, die wir als Buchnation im Augenblick für unsere Sprache und auch sonst auf kulturellem Gebiet durch die Öffnung hin zu diesen Ländern haben, ist so gewaltig, daß wir sie uns nicht entgehen lassen dürfen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Bitte helfen Sie mit, daß wir diese Chance wahrnehmen!
    Polen, die Tschechische Republik und Ungarn befinden sich bereits in einer wirtschaftlichen Konsolidierungsphase. Dies gilt auch für die anderen Länder, für diese genannten etwas mehr. Polen wird in diesem Jahr mit mehr als 4 % voraussichtlich die höchste Wachstumsrate in ganz Europa aufweisen. Handel und Marktzugang werden für diese Lander entscheidender als Hilfe. Über die Kombination von westlicher Technologie und östlichen Kostenvorteilen kann sich eine Wirtschaftsdynamik entfalten, die jener in Ostasien im Grunde nicht nachzustehen braucht. Freilich wird eine solche Dynamik den vorhandenen Umstellungsdruck bei uns zunächst weiter verschärfen. Problem: Flucht in die Billiglohnländer, eine Ausflucht, die wir bereits in der Europäischen Gemeinschaft haben, die aber mit der Heranführung dieser Länder und der Öffnung der Märkte zwangsläufig verbunden ist.
    Wir sollten auf der anderen Seite aber nicht übersehen, daß uns das ganz gewaltige Vorteile bringt. Ja, wir müssen sehen, daß im Augenblick ein Stundenlohn in Dresden und Leipzig gleich einem Tageslohn in Breslau ist und — vergessen wir das nicht — gleich einem Monatslohn in der Ukraine. Ich habe das in den letzten Tagen noch einmal nachgeprüft. Das zeigt das Gefälle. Das zeigt, was uns, was die Billiglohnproblematik anbelangt, bei der Arbeitslosigkeit bevorsteht. Es zeigt aber auf der anderen Seite auch, welche gigantischen Märkte uns zur Verfügung stehen. Es ist schon interessant, nachzulesen und nachzuprüfen, wie sich Export und Import mit diesen Ländern in den drei letzten Jahren gewaltig verändert haben.
    Drittens. Meine Damen und Herren, es bedarf keiner besonderen Betonung: Außerordentlich wichtig bleibt für uns ein intaktes atlantisches Verhältnis, unsere Beziehungen zu den Vereinigten Staaten.
    Viertens. Dem Wunsch der Lander Mittel- und Osteuropas nach stärkerer sicherheitspolitischer Anbindung wird das Nordatlantische Bündnis bei dem bevorstehenden Gipfel am 10. Januar des nächsten Jahres mit dem Vorschlag einer Friedenspartnerschaft entgegenkommen. Das würde dem Konzept erweiterter Sicherheit entsprechen, wie ich es kürzlich definiert habe. Wir dürfen Mauern, die wir 1989 endlich einreißen konnten, nicht an anderer Stelle in Europa neu errichten.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Deshalb müssen natürlich auch die GUS-Staaten, insbesondere Rußland und die Ukraine, in diese Partnerschaft — nicht auf dieselbe Art und Weise, aber doch durch Vereinbarungen anderer Art — einbezogen werden.
    Auch in der WEU brauchen wir eine neue Vernetzung. Bei den trilateralen Gesprächen, die wir vorletzte Woche zusammen mit den Franzosen in Polen hatten, haben der französische Außenminister Main Juppé und ich angeregt, ob man nicht an eine Assoziationspartnerschaft der Visegrad-Länder zunächst gegenüber der WEU denken könnte.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Wir haben das am vergangenen Montag bei der WEU-Ministerratstagung angeregt. Das ist nicht unproblematisch — ich weiß das sehr wohl —, auch nicht unumstritten. Aber wir haben immerhin erreicht, daß vorgesehen ist, das innerhalb der WEU zu überlegen. Es wäre ein weiterer Vernetzungsakt im Sicherheitsbedürfnis dieser Länder.
    Ich kann Ihnen nur sagen, dieses Sicherheitsbedürfnis ist gewaltig. Ich habe in den letzten Tagen mehrere Gespräche mit verantwortlichen Politikern aus diesen Ländern gehabt. Sie haben Angst und sagen mit aller Deutlichkeit: Wir haben die revolutionären Umbrüche herbeigeführt. Wir haben gedacht: Wenn wir diese Umbrüche vollendet haben, dann werden wir wirtschaftlich, politisch und sicherheitsmäßig relativ schnell an dieses Europa herangeführt werden, dann werden wir mit offenen Armen aufgenommen werden. Wir sind in gewisser Beziehung enttäuscht über die relativ langsame Art und Weise, wie Europa das bewältigt, wie es die NATO bewältigt, wie es die WEU, wie es die Europäische Gemeinschaft bewältigt.
    Wir sagen allen Partnern: Wir verstehen das. Ihr müßt auf der anderen Seite aber auch die Sensibilität sehen, die in diesen Fragen liegen. Ja, wir möchten euch heranführen. Wir möchten euch im Endeffekt hereinführen. Aber wir dürfen keine neuen Brüche schaffen, nachdem wir die Ost-West-Auseinandersetzung Gott sei Dank beseitigt haben. Wir müssen insbesondere auf Rußland und die Ukraine — ohne jedes Vetorecht — sensibel und vorsichtig Rücksicht nehmen. Denn Rußland und die Ukraine sehen ein näheres Heranrücken der NATO an ihre Grenzen natürlich nicht gerade ohne Sensibilität.
    Deshalb wird dem NATO-Gipfel im Januar eine so große Bedeutung beikommen. Deshalb müssen wir ihn präzise und gut vorbereiten. Ich messe dieser europäischen Sicherheitsarchitektur, die wir finden müssen, eine weitere ganz, ganz große Bedeutung in der deutschen Außenpolitik zu.
    Fünftens. Die Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Europäischer Union, WEU und NATO einerseits und dem östlichen Teil Europas andererseits muß sich in einem umfassenden Sicherheitskonzept zusam-



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    menfügen. Dabei müssen wir natürlich auch die KSZE mit ihren Möglichkeiten einbeziehen.
    Sechstens. Wir alle wissen, daß Rußland am 12. Dezember Wahlen hat und sich eine neue Verfassung geben will. Dies sind ganz entscheidende Weichenstellungen für die Zukunft, die sich abzeichnen. Die Bundesregierung hat konsequent den auf Reform, Liberalisierung und Stabilisierung gerichteten Kurs der russischen Regierung gestützt. Das war richtig. Wir waren mit dieser Stütze nicht allein. Unsere wesentlichen und wichtigen Partner haben es genauso gesehen und haben es genauso getan wie wir.
    Noch vor Weihnachten werde ich im Dialog, insbesondere was die NATO-Erweiterung und die Sicherheitsarchitektur anbelangt, mit dem russischen Kollegen Kosyrew Fragen aufnehmen. Von nichts werden Sicherheit und Stabilität in Europa so stark abhängen wie von der weiteren konsequenten inneren Transformation Rußlands und der Sicherheit, daß die Wege hin zu demokratischen, marktwirtschaftlichen Strukturen dort endgültig unumkehrbar werden.
    Es war nicht umsonst so, daß die Welt und auch wir in Deutschland bei Ereignissen der letzten Zeit den Atem angehalten haben. Eines ist jedenfalls sicher: Mit Mitteln von gestern läßt sich dort der Wohlstand von morgen nicht schaffen. Diese Einsicht hat sich auch in Rußland durchgesetzt. Wir müssen allerdings Rußland auf dem schwierigen Weg zur endgültigen Durchsetzung der Reformen weiter unterstützen. Das haben wir uns fest vorgenommen. Das werden wir auch tun.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Ganz kurz zur Ukraine: Die geographische Lage, die Größe, die natürlichen Ressourcen und die Talente der Bevölkerung der Ukraine sind ein bedeutendes Potential. Die internationale Gemeinschaft ist genauso wie bei Rußland bereit, die Ukraine zu unterstützen. Ja, sie muß es, denn wirtschaftlich ist die Ukraine in einer noch weit schlechteren Situation als Rußland. Die Ukraine braucht deshalb ganz besonders unsere Unterstützung. Voraussetzung dafür ist, daß sich die Ukraine ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen auf dem Gebiet der nuklearen Abrüstung nicht entzieht.

    (Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.])

    START I muß eben ohne Wenn und Aber ratifiziert und implementiert werden. Wir erwarten von Kiew, wenn wir es unterstützen, auch konsequentere Schritte auf diesem Gebiet. Dazu gehört die Umsetzung des Lissaboner Protokolls und der Beitritt der Ukraine zum Nichtverbreitungsvertrag. Wir stehen mit unserer Abrüstungshilfe bereit, diesen Ländern zu helfen. Es geht immerhin darum, 27 000 nukleare Sprengköpfe und 40 000 t chemische Kampfstoffe zu beseitigen. Die Mittel, die bei uns im Haushalt zur Verfügung gestellt werden, sind nicht gering, sind aber noch zu gering, um wirklich in der Praxis etwas erreichen zu können.
    Meine Damen und Herren, die Vereinten Nationen und ihre einzigartige Verantwortung, Frieden und
    I Recht weltweit zu stärken, bleibt eine zentrale Aufgabe unserer dem Frieden verpflichteten Außenpolitik. Dies gilt auch und gerade nach den Erfahrungen in Somalia, d. h. wir müssen die Rechte und Pflichten — ich betone ausdrücklich die Pflichten; so hat es Herr Scharping auch getan —, die sich aus unserer Mitgliedschaft ergeben, voll wahrnehmen. Für die Sonderrolle, die wir bisher spielen, schwindet das Verständnis zunehmend, im Ausland, aber auch hier bei uns.
    Wir brauchen endlich die Grundgesetzänderung. Zum wiederholten Male appelliere ich an die SPD: Geben Sie in diesem Zusammenhang Ihre Blockade auf und helfen Sie mit, daß wir außenpolitisch voll handlungsfähig werden.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Herr Scharping hat mich wissen lassen, daß er wegen eines anderen wichtigen Termins während meiner Rede nicht anwesend sein kann. Ich verstehe das. Ich akzeptiere das auch, weil auch ich selber oft in Terminnöten bin. Aber ich würde ihm gerne sagen, jetzt über Sie, daß ich nicht nur ihn sondern schon Herrn Engholm, als er noch Parteivorsitzender war, vor geraumer Zeit darum gebeten habe, daß ich im Präsidium der SPD in meiner Eigenschaft als Außenminister dieses Landes vortragen kann, wie sich praktische Außenpolitik im Augenblick gestaltet und welche Probleme sie im Zusammenhang mit dieser verfassungsrechtlichen Bremse hat.

    (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Das tragen Sie mal im Verteidigungsministerium vor! Weitere Zurufe von der SPD)

    Es ist mir leider bis heute nicht ermöglicht worden. Ich habe immer auf eine Antwort gewartet. Deshalb habe ich mir vorgenommen, daß ich das heute sage.

    (Zuruf von der SPD)

    — Nein, ich nehme das sehr ernst. Bei den Koalitionspartnern kann ich diese Schwierigkeiten vortragen. Bei Ihnen konnte ich es bisher nicht. Ich bitte Sie hiermit nochmals, daß ich möglichst bald in Ihrem Präsidium über die außenpolitische Situation und wie sie sich im Augenblick mit der verfassungsrechtlichen Situation darstellt vortragen kann. Ich möchte Ihnen nämlich gern vor Augen führen, wie es tatsächlich in der Praxis aussieht. Ich könnte mir vorstellen, daß mindestens einige von Ihnen dafür Verständnis haben.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Wenn es so bleibt wie bisher, dann muß ich Ihnen allerdings — genauso wie der Bundeskanzler — entgegenhalten: Dann würden Sie, was Ihre Partei anbelangt, nicht dazu beitragen, daß wir bündnisfähig sind und bleiben, und dann zeigen Sie sich — auch das wiederhole ich — auch in dieser Frage einfach als nicht regierungsfähig.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Herr Scharping hat stolz darauf hingewiesen — und das verstehe ich —, daß es ihm beim Parteitag gelungen ist, in der ganz speziellen Frage der inneren Sicherheit einen Durchbruch zu erzielen, zwar nur



    Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
    knapp, aber immerhin aus seiner Sicht ein beachtlicher Erfolg. Wenn er jetzt noch hier wäre, hätte ich ihm gern gesagt, daß für mich die Relationen nicht stimmen. Es wäre von der Bedeutung her unvergleichlich wichtiger gewesen, er hätte sich in der anderen Frage, nämlich der Frage der Out-of-area-Einsätze, der Auffassung von Herrn Klose angeschlossen und sich in dieser für unser Land so wichtigen Frage — um Klassen wichtiger als die andere Frage — durchsetzen können.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    — Ich spiele die Problematik der inneren Sicherheit nicht herunter. Im Gegenteil: Ich weiß, welche Sorgen und Nöte wir in diesem Land haben. Aber Sie kennen unsere Auffassung. Herr Scharping hat das angesprochen. Ich bleibe dabei: Die Frage, ob wir nach einer Grundgesetzänderung außenpolitisch voll handlungsfähig wären und werden oder nicht, ist für dieses Land von grundsätzlicher Bedeutung, von einer ganz entscheidenden und wichtigen Bedeutung. Wenn Sie in der SPD nicht den Schritt finden, bei diesem Fähigmachen deutscher Außenpolitik in allen Fragen mitzumachen, nicht nur in den Rechten, sondern auch in den Pflichten, dann werden Sie sich das in den Wahlkämpfen vorhalten lassen müssen und dann werden wir jedenfalls nach draußen sagen, daß Sie insoweit weit davon entfernt sind, regierungsfähig zu sein.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Zu Somalia. Dieser Einsatz ist nicht so gelaufen, wie wir uns das vorgestellt haben und wie sich die Vereinten Nationen das vorgestellt haben. Wir haben Verantwortung übernommen, wir haben unsere Leistung erbracht. Die Vereinten Nationen haben personelle, strukturelle und andere Schwierigkeiten. In einer solchen Situation war es wohl richtig, daß wir uns nicht auf uns selber fokussiert haben, sondern gestern im Kabinett die notwendige Reduzierung, die geschehen muß, weil die indischen Truppen nicht, wie ursprünglich zugesagt, in Belet Uen angekommen sind, zu beschließen, und zwar im Einvernehmen mit den Vereinten Nationen.

    (Zuruf von der SPD)

    Die Frage, ob, wie und wann ein endgültiger Abzug stattfindet, wird Mitte des Monats Dezember zu entscheiden sein, ich hoffe, dann wieder im Einvernehmen mit unseren Partnern und den Vereinten Nationen, weil wir außenpolitisch zuverlässig bleiben müssen, gerade bei der verfassungsrechtlichen und sonstigen Situation und den Bremsen, die wir haben.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Lassen Sie mich noch auf einen Punkt eingehen, den Herr Scharping angesprochen hat. Er hat gefragt, ob man wohl, wenn diese Frage gekommen wäre, beispielsweise im humanitär-technischen Hilfsbereich 500 Millionen DM zur Verfügung gestellt hätte. Ich darf Herrn Scharping sagen, wie die Summen aussehen, die wir bilateral und multilateral über die Europäische Gemeinschaft zur Verfügung gestellt haben. Es sind allein in der humanitären Hilfe für
    Somalia insgesamt 133 Millionen DM, und bilateral haben wir in den letzten dreieinhalb Jahren für humanitäre Hilfe rund 900 Millionen DM aufgebracht.

    (Horst Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Es geht um den militärischen Einsatz, Herr Kinkel!)

    Das heißt also, wir haben, was Somalia anbelangt, im humanitären Bereich wie in anderen Bereichen, und auch im früheren Jugoslawien, wahrhaftig gezeigt, daß wir unseren Mann stehen, und es wird weltweit anerkannt, was wir auf diesem Gebiet finanziell geleistet haben. Also bitte bringen Sie uns nicht das finanzielle Argument in der Somaliafrage. Dort haben wir wirklich alles getan, was wir nur tun konnten.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Horst Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Aber 300 Millionen haben Sie verpulvert für nichts! Verpulvert für nix!)

    — Nicht verpulvert für „nix". 350 Menschen sind dort den Hungertod gestorben, bevor der UNO-Einsatz kam. Zum Schluß waren es mehrere hundert am Tag. Es gibt keine Hungersnot mehr in Somalia. Ist das nicht auch etwas, was betont werden muß?

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Nein, wir lassen uns den Einsatz in Somalia von Ihnen nicht zerreden. Sie waren dagegen. Der Einsatz hat etwas gebracht, sogar sehr viel. Er hat Menschen direkt geholfen, Menschen, die in tiefster Not waren. Wenn Sie auf die Frage, ob wir das hätten lassen sollen und nicht hätten helfen sollen, die Antwort „Ja" geben, dann sagen wir: Nein. Es war richtig, daß wir dort hingegangen sind. Dazu stehen wir auch heute noch.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Lassen Sie mich zum Schluß noch auf die schreckliche Situation im früheren Jugoslawien eingehen. Wir stehen dort vor einem furchtbaren Winter. Zirka 4 Millionen Menschen sind wirklich vom Tode bedroht, wenn es uns nicht gelingt, dort doch noch zu einer Lösung zu kommen. Das hat den französischen Außenminister Alain Juppé und mich veranlaßt, eine Initiative zu ergreifen, die sich auf drei Punkte bezieht:
    Erstens ist es der Versuch, die humanitäre Hilfe in dieser schrecklichen Winterzeit dort zu den Menschen zu bringen durch die Absicherung von Korridoren, durch die Öffnung des Flughafens von Tuzla

    (Beifall des Abg. Freimut Duve [SPD]) und durch erhöhte finanzielle Mittel.

    Zweitens sind wir der Meinung, daß man in der Krajina vor einer kriegerischen Auseinandersetzung steht. Wir wollen durch einen Modus vivendi versuchen, zu einer Lösung zu kommen.
    Drittens sind wir der Meinung, daß es nicht richtig sein kann, daß man in Genf auseinandergegangen ist, weil die moslemische Seite, die Schwächsten, damals erklärt hat, daß sie zu wenig Gebiet aus den von den Serben eroberten und besetzten Gebieten bekommt, um zu überlegensfähigen eigenen Territorien zu gelangen.



    Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
    Der Ansatz ist richtig. Wir wollen versuchen, diesen Ansatz am Schopf zu packen, und wir zwölf europäischen Außenminister wollen uns am kommenden Montag mit den Konfliktparteien — ich hoffe, daß sie kommen; ich gehe davon aus, daß sie sich uns nicht verweigern können — zusammenzusetzen, um vielleicht doch noch — ich sage es noch einmal — vor einem wahrscheinlich schrecklichen Winter mit nicht wiedergutzumachenden Schäden eine Lösung zu erreichen. Ich bin nicht absolut optimistisch, aber es ist uns, Juppé und mir, gelungen, die Europäer am Montag davon zu überzeugen, daß die schreckliche Lage dort jedenfalls den Versuch rechtfertigt.
    Halten Sie uns die Daumen, daß es gelingt. Vielen Dank.

    (Anhaltender Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Hans-Ulrich Klose das Wort.

(Ina Albowitz [F.D.P.]: Der kriegt auch nicht genug!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans-Ulrich Klose


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um aus der Debatte eine wirkliche Debatte zu machen, muß ich ein paar Punkte auf greif en.
    Der erste: Herr Bundeskanzler, wenn es richtig ist, was Sie angedeutet haben, daß nämlich im Falle Südkoreas gewisse Anmutungen an uns gestellt worden sind und daß wir diese nicht erfüllen wollten, dann reduziere ich meine Kritik, weil es keinen Sinn macht, auf einer solchen Basis Kritik zu üben.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Zweite Bemerkung: Sie wissen, daß ich in der Frage der künftigen Rolle der Deutschen in der Welt und in der Frage des Bundeswehreinsatzes eine andere Position habe als meine Partei. Man kann für seine Positionen nicht immer Mehrheiten gewinnen. Wir sind eine demokratische Partei. Da muß man auch unterliegen können. Aber gerade weil ich eine andere Position habe, möchte ich in einem wichtigen Punkt einer Legendenbildung vorbeugen: Die sozialdemokratische Partei und die sozialdemokratische Bundestagsfraktion stehen ohne Wenn und Aber zu den Bündnispflichten, die wir im Rahmen der NATO übernommen haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich möchte das einfach festhalten, denn es geht heute darum, und es wird darüber diskutiert, ob dieses Bündnis in Zukunft zusätzliche andere Aufgaben erfüllen muß; nach meiner Einschätzung ja. Der Streit geht nicht um die Erfüllung jetzt vorhandener Bündnisverpflichtungen, sondern es geht um die zukünftige Entwicklung des Bündnisses.
    Auch aus meiner Position will ich jedenfalls eines hinzufügen: Ich bin, was konkrete militärische Aktionen angeht, durch die Erfahrung der letzten Monate und Jahre eher skeptischer geworden. Zu glauben, daß ich als einer, der eine andere Position hat, ein
    Interesse daran hätte, möglichst schnell viele deutsche Soldaten an alle möglichen Fronten der Welt zu schicken, ist ein Irrglaube.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Das will niemand! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.)

    — Okay, das nehme ich interessiert und mit Befriedigung zur Kenntnis.
    Drittens. Ich wollte eine Bemerkung zu Ihren Bemerkungen, Herr Kollege Schäuble, machen, und zwar zur Wohlstandsgesellschaft: affluent society, wie die Engländer sagen. Ich glaube auch, daß die Fähigkeiten einer Wohlstandsgesellschaft zur Reform begrenzt sind. Ich muß aber um der historischen Wahrheit willen eines hinzufügen: Es ist jedenfalls meine Auffassung, wenn die Bundesregierung, wenn insbesondere der Herr Bundeskanzler unmittelbar nach dem Fall der Mauer den Menschen gesagt hätte, dies wird schwierig, das wird uns große Opfer abverlangen —,

    (Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl [CDU/ CSU]: Hat er ja gesagt! — Zuruf von der SPD: Blühende Landschaften!)

    — dann glaube ich, wäre mehr möglich gewesen. Ich bin zudem davon überzeugt, Herr Bundeskanzler, wenn Sie mit diesem Anspruch vor die Wähler getreten wären und nicht mit dem falschen Versprechen, Steuererhöhungen nicht zu machen, hätten Sie außerdem noch ein besseres Wahlergebnis bekommen.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Er hat es einmal versucht!)

    Davon bin ich fest überzeugt. Und diesen Punkt möchte ich nicht ganz untergehen lassen.
    Viertens. Ich glaube auch, daß manches, was im Zusammenhang mit der Präsidentschaftskandidatur von Heitmann gesagt und geschrieben wird, kampagneartige Ausmaße annimmt. Aber: Ich finde, es ist nicht akzeptabel, unter eine solche Überschrift einen Kritiker wie Ignaz Bubis zu stellen.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Aber Scharping!)

    — Ich rede jetzt von Ignatz Bubis. Von wem ich rede, müssen Sie mir schon überlassen, Herr Kollege Schäuble.
    Eines möchte ich jedenfalls festhalten: Woran immer es liegen mag — ich will das im einzelnen nicht verfolgen—, Tatsache ist, daß dieser Kandidat spaltet, weil er sich mindestens mißverständlich ausdrückt.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    Ich halte fest, daß es ihm offenbar schwerfällt zu begreifen, daß er mit seinen Äußerungen Mißverständnisse auslöst. Ich würde es für klug halten, Herr Kollege Schäuble, diese Aussage nicht weiter zu vertiefen.