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    Plenarprotokoll 12/192 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 192. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 24. November 1993 Inhalt: Bestimmung des Abgeordneten Rolf Schwanitz als ordentliches Mitglied im Vermittlungsausschuß 16531 A Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1994 (Haushaltsgesetz 1994) (Drucksachen 12/5500, 12/5870) Einzelplan 04 Bundeskanzler und Bundeskanzleramt (Drucksachen 12/6004, 12/6030) in Verbindung mit Einzelplan 05 Auswärtiges Amt (Drucksachen 12/ 6005, 12/6030) in Verbindung mit Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung (Drucksachen 12/6014, 12/6030) in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte (Drucksachen 12/6027, 12/ 6030) Hans-Ulrich Klose SPD . . . . 16531D, 16592A Michael Glos CDU/CSU 16537A Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. 16544 C Hans-Ulrich Klose SPD 16544 D Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . . 16551A Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16554 B Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 16557 A Rudolf Scharping, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz 16566 C Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . 16576B Michael Glos CDU/CSU 16577 B Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. 16578 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 16578D Dr. Jürgen Schmude SPD 16580 C Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 16587 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU (zur GO) 16595 B Dietrich Austermann CDU/CSU 16595 C Ortwin Lowack fraktionslos 16598 D Andrea Lederer PDS/Linke Liste . . . 16600 C Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16603B Ernst Waltemathe SPD 16605 D Udo Haschke (Jena) CDU/CSU 16608 A Ingrid Matthäus-Maier SPD 16608 C Dr. Rudolf Krause (Bonese) fraktionslos 16609A Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 16610 D Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16612B Friedrich Bohl, Bundesminister BK . . 16613 D Dr. Hans Stercken CDU/CSU 16614B Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16615A II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. November 1993 Horst Jungmann (Wittmoldt) SPD . . . . 16616D, 16630 B Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 16618A Hans-Gerd Strube CDU/CSU 16622 A Dr. Hans Modrow PDS/Linke Liste . . 16623D Carl-Ludwig Thiele F.D.P. . . 16626A, 16630 C Horst Jungmann (Wittmoldt) SPD . . . 16627 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 16628 A Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 16630D Walter Kolbow SPD 16633 C Paul Breuer CDU/CSU 16636 B Dr. Karl-Heinz Klejdzinski SPD . . . 16637 B Präsidentin Dr. Rita Süssmuth 16554 A Namentliche Abstimmung 16638 C Ergebnis 16644 D Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Drucksachen 12/6021, 12/6030) Helmut Esters SPD 16639 B Christian Neuling CDU/CSU 16641D Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste . . . 16646 D Werner Zywietz F D P 16647 D Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16649 C Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 16650 C Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern (Drucksachen 12/6006, 12/6030) in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung (Drucksache 12/6026) in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung (Drucksachen 12/ 6028, 12/6030) Rudolf Purps SPD 16652 D Karl Deres CDU/CSU 16656 C Ina Albowitz F.D.P. 16659 A Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 16661 B Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16662 D Günter Graf SPD 16664 B Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 16665 D Erwin Marschewski CDU/CSU 16666 D Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 16668D Freimut Duve SPD 16670A Karl Deres CDU/CSU 16670 C Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . 16671A Klaus Lohmann (Witten) SPD 16672 C Manfred Kanther, Bundesminister BMI 16673 B Nächste Sitzung 16675 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 16677' A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 12: Einzelplan 05 — Auswärtiges Amt Dr. Klaus Rose CDU/CSU 16633' C Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 13: Einzelplan 14 — Bundesministerium der Verteidigung Hans-Werner Müller (Wadern) CDU/CSU 16679' A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. November 1993 16531 192. Sitzung Bonn, den 24. November 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Augustin, Anneliese CDU/CSU 24. 11. 93 Blunck (Uetersen), SPD 24. 11. 93 * Lieselott Böhm (Melsungen), CDU/CSU 24. 11. 93 * Wilfried Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 24. 11. 93 Clemens, Joachim CDU/CSU 24. 11. 93 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 24. 11. 93 Herta Ehrbar, Udo CDU/CSU 24. 11. 93 Ganschow, Jörg F.D.P. 24. 11. 93 Gleicke, Iris SPD 24. 11. 93 Dr. Göhner, Reinhard CDU/CSU 24. 11. 93 Großmann, Achim SPD 24. 11. 93 Dr. Herr, Norbert CDU/CSU 24. 11. 93 Heyenn, Günther SPD 24. 11. 93 Hiller (Lübeck), Reinhold SPD 24. 11. 93 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 24. 11. 93 Jung (Düsseldorf), Volker SPD 24. 11. 93 Junghanns, Ulrich CDU/CSU 24. 11. 93 Kiechle, Ignaz CDU/CSU 24. 11. 93 Dr. Kolb, Heinrich L. F.D.P. 24. 11. 93 Kraus, Rudolf CDU/CSU 24. 11. 93 Dr. Krause (Börgerende), CDU/CSU 24. 11. 93 Günther Kretkowski, Volkmar SPD 24. 11. 93 Kronberg, Heinz-Jürgen CDU/CSU 24. 11. 93 Dr. Matterne, Dietmar SPD 24. 11. 93 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 24. 11. 93 ** Dr. Ortleb, Rainer F.D.P. 24. 11. 93 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 24. 11. 93 * Rappe (Hildesheim), SPD 24. 11. 93 Hermann Dr. Röhl, Klaus F.D.P. 24. 11. 93 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 24. 11. 93 Ingrid Dr. Ruck, Christian CDU/CSU 24. 11. 93 Schartz (Trier), Günther CDU/CSU 24. 11. 93 Dr. Scheer, Hermann SPD 24. 11. 93 * Schmidt (Salzgitter), SPD 24. 11. 93 Wilhelm Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 24. 11. 93 Schröter, Karl-Heinz SPD 24. 11. 93 Schwanhold, Ernst SPD 24. 11. 93 Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 24. 11. 93 Christian Dr. Soell, Hartmut SPD 24. 11. 93** Spilker, Karl-Heinz CDU/CSU 24. 11. 93 Dr. von Teichman, F.D.P. 24. 11. 93 Cornelia Vosen, Josef SPD 24. 11. 93 Wohlleben, Verena SPD 24. 11. 93 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Wollenberger, Vera BÜNDNIS 24. 11. 93 90/DIE GRÜNEN Zierer, Benno CDU/CSU 24. 11. 93* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 12: Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Dr. Klaus Rose (CDU/CSU): Mit besonders gemischten Gefühlen stehe ich jetzt am Rednerpult. Denn während wir hier im Warmen und in Sicherheit hehre Außenpolitik formulieren, frieren und sterben weitere Hunderte und Tausende von Menschen in Bosnien. Die Welt schaut zu, Europa schaut zu, Deutschland schaut zu. Eine erfolgversprechende außenpolitische Initiative gibt es nicht. Klaus Bressers Anklage vorgestern abend im deutschen Fernsehen ist zweifellos berechtigt. Seine Schlußfolgerungen einer einzigen Lösung, nämlich eines militärischen Einsatzes, versteht jeder, man schreckt aber davor zurück. In einem neuen Buch von Hans-Peter Schwartz wird der fehlende Mut, der fehlende Wille der Deutschen zur Machtpolitik moniert. Deutschland sei zwar schon lange ein wirtschaftlicher Riese mit automatischer Macht. Aber mit der Rolle des politischen Zwergs müsse es ein Ende haben. Weltmacht wider Willen könne man auf Dauer nicht sein, der politische Gestaltungswille müsse dazukommen. Ich höre jetzt natürlich den Aufschrei, daß die Deutschen wieder von einer großen Rolle in der Weltpolitik träumten. Nein, darum geht es nicht, zumindest nicht um eine Alleinträumerei der Deutschen. In der Weltgemeinschaft, in der Europäischen Gemeinschaft und in manchen internationalen Gremien muß Deutschland seiner Bedeutung gerecht werden. Diese Bedeutung ist nach der Wiedervereinigung naturgemäß anders als früher. Diese Neubewertung deutscher Außenpolitik, diese Umorientierung muß jetzt endlich in der Praxis geschafft werden. Deutschland muß sich sowieso darüber klar werden, daß die Welt sich weiterdreht und daß wir sehr schnell vom Rad geschleudert werden können. Bei der Einbringungsrede des Haushalts im September 1993 habe ich die Bedeutung einer deutschen Asienpolitik herausgestrichen. Ich freue mich deshalb über den Erfolg der Kanzlerreise nach China. Über eines darf der Blick nach Asien nicht hinwegtäuschen: Europa ist in großer Gefahr. Die Gefahr wird beim Blick auf die asiatische Weltkarte deutlich. Dort ist nämlich der Pazifikraum im Mittelpunkt und 16678* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. November 1993 Europa Randlage, wie wir es von Alaska oder von der Kamtschatka gewöhnt sind. Genau hier setzt das Problem ein. Haben nicht vor wenigen Tagen der amerikanische Präsident und verschiedene asiatische Regierungschefs die Zukunftsrichtung der amerikanisch-pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) gewiesen? Hat nicht mit der NAFTA der nordamerikanische Wirtschaftsverbund den Wettbewerb mit der EG beschworen? Hat nicht der amerikanische Außenminister Warren Christopher gestern im ZDF-Morgenmagazin bei der Formulierung der amerikanischen Prioritäten die Stärkung der NATO erst an dritter Stelle genannt? Wir müssen erkennen, daß Europa aufpassen muß, damit es nicht wirtschaftlich, militärisch und finanziell zu einem unbedeutenden Markt wird. Mit der neuen Versuchung von Kleinstaaterei ist uns allen nicht gedient. Unverzichtbar ist für die EG und besonders für die Deutschen die Gewinnung der osteuropäischen Völker für Demokratie und Marktwirtschaft. Deshalb hatte der Haushaltsausschuß die Idee der Bundesregierung sehr begrüßt, mit der deutschen Beratungshilfe zum Aufschwung beizutragen. Über verschiedene Einzelpläne verteilt werden nächstes Jahr rund 300 Millionen DM eingesetzt. Es gibt am Ziel keinen Zweifel, denn der Aufbau von Forstverwaltungen, von Sparkassen oder von Konversionsprojekten bei früheren Rüstungsbetrieben kann nur unterstützt werden. Es wäre aber falsch, wenn wir am gleichen Weg wie bisher festhalten würden, nämlich alle Mittel an die Zentralregierungen zu geben. Es ist eine Tatsache, daß z. B. die russische Wirtschaft nur dann umgestaltet werden kann, wenn man das Potential der Regionen zur Wirkung bringt. Ich rede nicht einer politischen Dezentralisierung oder Destabilisierung das Wort. Denn ein weiterer Zerfall unter Krach und Donner ist nicht erstrebenswert. Eine einheitliche Rubelzone, eine Art Länderfinanzausgleich wären das Ziel. Doch so viel Demokratie als möglich, so viel föderative Strukturen als machbar sollten von uns herauskristallisiert werden. Mich als überzeugten Europäer, treuen Deutschen und begeisterten Föderalisten freut es jedenfalls, daß jetzt auch in der Republik Südafrika der deutschen Verfassung ähnliche Strukturen eingeführt werden. Die GUS, aber auch die Einzelnachfolger der Sowjetunion sollten auf jeden Fall, so sie es wünschen, beim Aufbau nicht bloß von demokratischen und marktwirtschaftlichen, sondern auch von föderativen Strukturen unterstützt werden. Im Rahmen des auswärtigen Etats muß ein weiteres Thema angesprochen werden. Es geht um die Hilfe in Katastrophenfällen, bei Not und Flüchtlingselend, bei Bürgerkriegen, die wir trotz eigener Haushaltsprobleme nicht vergessen dürfen. Ich erkenne in diesem Zusammenhang gerne die engagierte Leistung des Arbeitsstabs „Humanitäre Hilfe" im Auswärtigen Amt an. Mit der Soforthilfe, d. h. mit medizinischer Betreuung, Übergabe von Nahrungsmitteln und Kleidung, Herstellung von Notunterkünften oder Wiederherstellung von Strom-, Wasser-, Gasleitungen oder von Straßen und Brücken, wird viel Gutes geleistet, mit Sonderhilfen wird viel außenpolitischer Goodwill offenbart. 1993 sind bisher nahezu 500 Millionen DM für die humanitäre Hilfe eingesetzt worden, nicht bloß im Haushalt des Auswärtigen Amts, sondern auch beim BMZ, beim Innenminister oder beim Verteidigungsminister. Dazu kommen die internationalen Beiträge. Beliebig ausweiten läßt sich der vom Steuerzahler finanzierte Anteil an den Hilfsmaßnahmen aber auch nicht. Dankbar registrieren wir daher die Spendenbereitschaft der Deut-. schen insgesamt. Wir registrieren die wie Pilze aus dem Boden geschossenen privaten Unterstützungsorganisationen für die Not in Rußland, in Rumänien oder in Bosnien. Wir registrieren die selbstlose Einsatzfreude vieler Menschen in Deutschland, wenn es um spontane Hilfsmaßnahmen geht. Da wird viel gutgemacht, was durch andere Deutsche, ob glatzköpfige Schläger oder hohlköpfige Schreibtischtäter, an Schande über Deutschland gebracht wird. Wegen der Sperren im Haushaltsgesetz und der Globalkürzung um 5 Milliarden DM, die anteilsmäßig auch den Etat des Auswärtigen Amts betreffen und insgesamt 134 Millionen DM ausmachen könnten, steht die Auswärtige Kulturpolitik noch mehr als früher im Mittelpunkt des Interesses. Im gewünschten Ziel sind wir uns alle einig, nämlich möglichst viel und möglichst effektiv, möglichst überall und möglichst ständig kulturell präsent zu sein. Es sind, das hat der ehemalige Präsident des Goethe-Instituts, Hans Heigert, anerkannt, viele Milliarden DM in die bisherigen Kulturverbindungen mit dem Ausland gesteckt worden. Keinem fällt es leicht, wegen des allgemeinen Sparzwangs bei diesen Kulturbeziehungen Abstriche zu machen. Es war immerhin der Bundeskanzler selbst, der mehrmals betonte, daß die deutsche Sprache im Ausland noch stärker gefördert werden sollte und daß mit einem Sonderprogramm „Deutsche Sprache" besonders in Osteuropa zum Aufbau friedlicher Beziehungen beigetragen würde. Der Haushaltsausschuß jedenfalls hat diese Haltung respektiert und versucht zu helfen, wo zu helfen war — ohne deshalb die Arbeitslosenunterstützung im eigenen Land oder manch unverzichtbare Investition in den neuen Bundesländern zu gefährden. Von einer besonderen „Kultur" zeugt daher nicht, wenn die Verantwortlichen des Goethe-Instituts in München bei einer Pressekonferenz im Oktober dieses Jahres wieder einmal glaubten, von einer „Strafexpedition der Anti-Kultur-Politiker in Bonn" reden zu müssen, weil auch das GoetheInstitut einen Sparbeitrag zur allgemeinen Haushaltslage bringen muß. Am meisten wurde beklagt, daß vier Institute geschlossen werden müßten und daß damit erheblicher außenpolitischer Schaden einträte. Wollen Sie die Namen dieser vier Institute hören? Es handelt sich um Viña del Mar (Chile), Medellin (Kolumbien), San Juan (Argentinien) und Malmö (Schweden). Zumindest bei unseren schwedischen Freunden habe ich bisher keinen Liebesentzug feststellen müssen, dafür freuen sich aber die Städte, die bisher in der sozialistischen Abgeschiedenheit festgenagelt waren, wie St. Petersburg, Kiew, Minsk oder Tiflis, auch Alma Ata und Hanoi, daß ein neues Goethe-Institut dort hinkommt. Sollte etwa ein Sparzwang gar ein Anreiz zu neuem Denken sein? Ich kann nur ermuntern, auch stärker den europäischen Verbund zu sehen. Gemeinsame deutsch-französi- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. November 1993 16679* sche Botschaften oder auch Kulturinstitute oder zumindest ein gemeinsames Dach dafür könnte so manchen Anstoß zu mehr Effektivität auch in der Kulturpolitik geben. Man ist noch lange kein KulturMuffel, wenn man sich Gedanken über das Aufbrechen verkrusteter Strukturen macht. Heilsam ist letzteres im gesamten staatlichen Haushalt. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 13 Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung Hans-Werner Müller (Wadern) (CDU/CSU): Unsere Soldaten sind aus Kambodscha zurückgekehrt. Unsere Soldaten leisten humanitäre Hilfe in Somalia. Es sind besonders viele aus den Standorten meiner saarländischen Heimat dabei. Unsere Soldaten versorgen Teile der bosnischen Bevölkerung aus der Luft. Unsere Soldaten erfüllen diese Aufträge mit hohem Verantwortungsbewußtsein und vorbildlicher Haltung. Sie dienen dem Ansehen unseres Landes, dafür gebührt ihnen unser Dank. Unsere Soldaten können dies leisten, weil wir eine einsatzbereite, modern ausgestattete und bündnisfähige Bundeswehr haben, und auch weiter haben wollen. Dazu bedarf es erheblicher staatlicher Mittel, die im Einzelplan 14 des hier zu beratenden Haushaltes zur Verfügung gestellt werden. Der 94er Haushalt für die Verteidigung steht im besonderen Maße unter der Notwendigkeit substantieller Einsparungen, weil die Staatsfinanzen insgesamt gesehen zu konsolidieren sind. Konsolidierung der Staatsfinanzen ist erfolgreiche Zukunftssicherung Deutschlands. Dies ist oft genug gesagt worden. Im Wettbewerb um die knappen Ressourcen sind in der Öffentlichkeit gerade die Verteidigungsausgaben besonders zu begründen. Werden doch rund 48 Milliarden ausgegeben, aber immerhin fast 3 Milliarden weniger als 1992. Wir sind, um das gleich vorweg zu sagen, an eine Grenze gestoßen, die wir nicht mehr unterschreiten dürfen, ohne das Ganze zu gefährden. Im vergangenen Jahr wollte die SPD noch 5 Milliarden aus dem Verteidigungshaushalt herausstreichen, heute wird dieser Haushalt anders, wesentlich realistischer beurteilt; man läßt erkennen, durch einige Sprecher zumindestens, daß hier in diesem Einzelplan des Bundesministers der Verteidigung nichts mehr zu holen ist. Ich meine dies ist ein Fortschrittt. Ich will auch sagen, daß in diesem Jahr die Beratungen gerade dieses Haushaltes aus meiner Sicht besonders schwierig waren, im Vergleich zu den früheren Jahren. Ich habe ja die Ehre, schon seit einigen Jahren diesen Haushalt zu bearbeiten. Ich möchte mich an dieser Stelle auch ganz herzlich bei den Beamten des Verteidigungsministeriums für die gute Zusammenarbeit bedanken. Die Beratungen waren aber schwierig, weil es halt immer schwierig ist, die Wünsche, so berechtigt sie auch sind, und die Realität in Einklang zu bringen, wobei wir selbstverständlich den Weg des Ministers unterstützen, der durch energisches Sparen im Bereich der Betriebsausgaben der Bundewehr sich Freiräume zu schaffen sucht für neue Gestaltungsmöglichkeiten und planerische Initiativen. Wir gehen diesen Weg mit, Herr Minister, so wenn wir z. B. ca. 200 Millionen DM Betriebsausgaben sparen und dafür 200 Millionen DM investieren. Es gibt einen militärischen Grundsatz, der da lautet: Entsprechend der Auftragserteilung sind die erforderlichen Mittel bereitzuhalten. Das heißt: Wenn wir über die Auftragserteilung einig sind — und wir sind das in der Union —, dann gilt dreierlei: Erstens. Wir brauchen eine Bestätigung der Verteidigungsausgaben in den nächsten Jahren, zumindest für den Zeitraum des Finanzplanes, also bis 1997. Damit gibt man der Bundeswehr den Planungsrahmen und die erforderliche Planungssicherheit. Zweitens. Der Haushalt für 1994 für den Bundesminister der Verteidigung ist in dieser Größenordnung von etwas über 48 Milliarden DM ein Schritt in diese Richtung. Drittens. Der Haushalt des Bundesministeriums der Verteidigung muß nach entsprechender Umschichtung wiederum etwa 30 Prozent für Investitionen enthalten. Wir werden bald die Stärke von 370 000 Soldaten erreicht haben. Man spricht von Zielstrukturen. Wir hatten einmal in der alten Bundesrepublik 490 000 Soldaten. Trotz der zurückgehenden Zahl sollten wir an der Wehrpflicht festhalten. Die Bundeswehr hat damit einen ständigen Kontakt mit der jungen Generation, einen Kontakt, der prägt. Nahezu die Hälfte der Zeit- und Berufssoldaten rekrutiert sich aus den Teilnehmern am Wehrdienst. Damit bleibt die Bundeswehr ein attraktiver Arbeitgeber mit dem Angebot einer jährlichen Einstellung von rund 20 000 Soldaten auf die Zeit von 4 Jahren und länger. Im nächsten Jahr werden wir die Zielstruktur von 370 000 planmäßig erreichen. Dies gilt sowohl für Umfang als auch für Qualität. Die Laufbahnentwicklung ist damit auch von besonderer Bedeutung. Attraktivität des Soldatenberufes ist nämlich sehr wichtig. So haben wir in diesem Haushalt auch rund 3 000 Hebungen für Oberfeldwebel und 1 000 Hebungen für Stabsunteroffiziere vorgesehen. Die Beförderungswartezeiten für Zeitsoldaten werden radikal reduziert. Wir denken, daß auch dies in der Öffentlichkeit allgemein und bei den betroffenen Jugendlichen zu einer größeren Akzeptanz des Dienstes in den Streitkräften geführt hat. Deswegen gehen die Quoten der Wehrdienstverweigerung auch zurück, obwohl von einer Trendwende noch nicht gesprochen werden kann. Auch beim Zivilpersonal bauen wir im nächsten Jahr mehr als 8 500 Stellen ab. Dies geschieht ausschließlich durch Fluktuation des Personals. Kein Mitarbeiter wird entlassen. Die Sozialverträglichkeit 16680* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. November 1993 kann durch Anwendung des Bundeswehrbeamtenanpassungsgesetzes voll gewährleistet werden. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal die Bitte vortragen, daß das Verteidigungsministerium alsbald ein Personalstrukturmodell für die zivilen Bediensteten der Bundeswehr vorlegt, damit die Organisation nach neuen betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen gestaltet werden kann. Mit diesen wenigen Sätzen wollte ich darstellen, was wir u. a. mit diesen 48 Millionen DM im Bereich unserer Verteidigung machen. Ich möchte abschließend darauf hinweisen, daß die Größe, die Struktur und der Auftrag sowie das Selbstverständnis der Bundeswehr hier nicht nur allein etwas mit Geld zu tun haben, sondern daß es auch um eine politische Grundeinstellung geht. Karl Feldmeier hat vor einigen Tagen in der FAZ einen Artikel geschrieben mit der Überschrift „Wozu dient die Bundeswehr?" Er führt dort aus: „Maßgebend wird letzten Endes die Entscheidung darüber sein, ob Politik und Gesellschaft Deutschlands die veränderte Wirklichkeit annehmen und ob sie den Willen zur Selbstbehauptung aufbringen. Es geht darum, ob Deutschland eine gleichberechtigte Macht im Kreise seiner Verbündeten sein oder zum Objekt der Macht anderer werden soll. Ohne den Willen zur Selbstbehauptung wären Streitkräfte überflüssig." Soweit dieses Zitat. Wir, die wir uns mit diesem Haushalt intensiv befaßt haben, sind davon überzeugt, daß wir mit unseren Entscheidungen der Bundeswehr einen wesentlichen Beitrag zur Erfüllung ihrer vielseitigen Aufgaben geliefert haben.
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    Rede von Hans-Ulrich Klose


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte diese Rede — in sicherlich streitiger Debatte, zu der ich beitragen will — nicht beginnen, ohne an die Morde in Mölln, gestern vor einem Jahr, zu erinnern. Es sind nicht die einzigen Gewalttaten geblieben — ich denke an Solingen und die vielen Anschläge, die es seither gegen ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger gegeben hat.
    Ich spreche davon, weil wir wie alle Menschen dazu neigen, allzuschnell zu vergessen. Wir dürfen aber nicht vergessen, was geschehen ist und was beinahe täglich geschieht. Daß der Kampf gegen Gewalt, Mord und Unrecht noch immer — leider — auf der Tagesordnung stehen muß, daran wollte ich erinnern, auch



    Hans-Ulrich Klose
    um die Rang- und Reihenfolge der Probleme zu verdeutlichen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der F.D.P. und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, es gibt so viele Probleme hierzulande, daß es wohl angemessen ist, sich bei der heutigen Debatte, die traditionell eine Generaldebatte ist, auf eben diese Probleme zu konzentrieren: Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und die zunehmende Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich.
    Es sind Ihre Probleme, Herr Bundeskanzler, denn Sie regieren dieses Land seit zwölf Jahren. Auf Erblasten früherer Regierungen können Sie sich nicht mehr herausreden, jedenfalls nicht, soweit es um die alte Bundesrepublik geht. Für die neuen Lander können Sie — das räume ich ein — auf die Erblast einer 40jährigen SED-Diktatur verweisen. Deren Verantwortung soll nicht weggedrückt und auch nicht vergessen werden.
    Dennoch wiederhole ich, weil es die Wahrheit ist: Diese Bundesregierung hat die absehbaren Lasten durch eigene Versäumnisse größer gemacht:

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    politisch, weil sie bei den Hoffnungen der Menschen hoch- und bei den Sorgen tiefgestapelt hat,

    (Beifall bei der SPD)

    handwerklich, weil sie, zumindest anfänglich, so getan hat, als würden sich die außerordentlichen Probleme der Strukturumstellung von Plan auf Markt gewissermaßen im Selbstlauf lösen — kreative Zerstörung, frei nach Schumpeter.
    Meine Damen und Herren, Zerstörung hat stattgefunden. Nahezu 70 % der industriellen Arbeitsplätze im Osten der Republik sind verschwunden, und von den verbleibenden 30 % wird, fürchte ich, ein weiteres Drittel verschwinden. Eine wahrhaft erschreckende Bilanz, die das Ausmaß an Zerstörung deutlich macht.
    Zerstörung — ich wiederhole es — hat stattgefunden. Wo aber ist das Kreative bei dieser Regierung geblieben? Was hat sie über notwendige Infrastrukturmaßnahmen hinaus, die ich nicht kleinrede, getan, um den alten und den neuen Unternehmen im Osten Deutschlands zu helfen? Den Sanierungsauftrag für sanierungsfähige Unternehmen mußten wir Sozialdemokraten und die ostdeutschen Landesregierungen Ihnen mühsam abringen. Der Erhalt der industriellen Kerne war ja nicht Ihr Programm, sondern unser Punkt in den sogenannten Solidarpaktverhandlungen.
    Ausreichende Starthilfen für ostdeutsche Unternehmer, z. B. bei der Bereitstellung von Betriebsflächen und Liquidität, fehlen bis zum heutigen Tage. Und was an Hilfsprogrammen nach und nach entwikkelt wurde, mühsam und immer nur auf Druck, geht seinen üblichen bürokratischen Gang. Das hat den DIHT — Vorstand und Vollversammlung — Ende Oktober dieses Jahres zu einem Beschluß veranlaßt, der, wenn man ihn richtig liest, eine massive Kritik an der Bundesregierung enthält.
    Die vorhandenen Hilfsprogramme, so liest man dort, müßten gestrafft und schneller und wirksamer
    eingesetzt werden. Das Eigenkapital der Unternehmen müsse im Rahmen der Erweiterung der Kreditgarantiegemeinschaften gestärkt werden. Gefordert wird ein Programm zur Liquiditätssicherung: öffentliche Bürgschaften, Zinsvergünstigungen, Konsolidierungskredite durch Bund oder Länder oder die Kreditanstalt für Wiederaufbau. Investitionszulagen und Investitionszuschüsse müßten schneller ausgezahlt werden. Das gleiche gelte für Ansprüche auf Mehrwertsteuererstattung. Öffentliche Arbeitgeber — man höre und staune! — sollten ihre Zahlungsverpflichtungen schneller erfüllen. Abnehmer in Westdeutschland sollten ihre ostdeutschen Lieferanten nicht länger als andere mit der Zahlung warten lassen. Oder: Zur Verbesserung des Marktzugangs sollten sich die staatlichen Unternehmensberatungsprogramme auf Verkaufs-, Werbungs- und Marketingmaßnahmen konzentrieren, und die Teilnahme an Messen und Ausstellungen, vor allem in westlichen Märkten, müsse unbürokratisch und schneller gefördert werden.
    Meine Damen und Herren, die SPD-Bundestagsfraktion macht sich nicht alle Forderungen des DIHT zu eigen; aber wir fordern Sie, die Mitglieder der Bundesregierung, doch auf, und zwar dringlich, die Mängelliste des DIHT durchzugehen und die erhobenen Forderungen vorurteilsfrei zu überprüfen. Das zumindest kann man von einer Bundesregierung, die als wirtschaftsfreundlich gelten will, doch erwarten: Prüfung und Bescheid.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, das gilt auch für den Vorschlag, die Altschuldenregelung zu ändern. Denn richtig ist doch, daß früh privatisierte Unternehmen häufig benachteiligt worden sind. Diese Benachteiligung ist oft gravierend und geradezu existenzgefährdend.

    (Dr. Otto Graf Lambsdorff [F.D.P.]: Das stimmt so nicht!)

    Wir schlagen deshalb vor, daß — nach Maßgabe des Einzelfalles — die Altschulden privatisierter Unternehmen, die für diese ein Entwicklungshemmnis darstellen, in langfristige, niedrigverzinsliche Kredite umgewandelt werden. Wir glauben, daß das geht und gemacht werden muß, weil sonst viele Unternehmen in Ostdeutschland allein aus Gründen mangelnder Liquidität in die Knie gehen.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Wer bezahlt?)

    Dies bringt mich, meine Damen und Herren, zu einem weiteren Punkt, den ich in diesem Zusammenhang wenigstens ansprechen will. Wenn über die Fortführung der Treuhandarbeit, in welcher Form auch immer, nachgedacht wird, muß jedenfalls sichergestellt sein, daß das sogenannte Vertrags-Controlling mit ökonomischem Sachverstand betrieben wird.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Verträge müssen gehalten werden; das ist richtig.
    Aber noch wichtiger ist, daß Arbeitsplätze erhalten



    Hans-Ulrich Klose
    und gesichert werden. An dieser Zielvorgabe vor allem muß sich das notwendige Controlling orientieren. Von daher gewinnt es seine eigentliche Bedeutung. Wenn das Pochen auf Vertragstexte am Ende zum Aus für das betroffene Unternehmen und zum Verlust von Arbeitsplätzen führt, dann ist das j eden-falls kein sinnvolles Verhalten. Es geht auch beim Controlling nicht um Rechthaberei, sondern um konkrete Hilfe.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, wir sind uns, so denke ich, einig, daß die Probleme der ostdeutschen Betriebe auf Dauer auch durch noch so effektive Hilfsmaßnahmen nicht überwunden werden können. Es geht auch nicht allein um Kostenprobleme. Entscheidend ist, ob sich diese Unternehmen am Markt neu positionieren können. Denn das ist doch das eigentliche Problem: Die alten, regulierten Märkte im Osten sind weggebrochen, und neue Märkte im Westen sind besetzt, überbesetzt und folglich heftig umkämpft.
    Natürlich muß jede Anstrengung unternommen werden, um den noch bestehenden Osthandel zu fördern und neue Exportmärkte in der GUS und in anderen Ländern Mittel- und Osteuropas zu erschließen. Dazu gehören Hermes-Bürgschaften, dazu gehört die Einrichtung von Handels-Entwicklungsgesellschaften, dazu gehören Kooperation und Projekte vor allem mit den unmittelbaren Nachbarn Polen und der Tschechischen Republik.
    Dennoch bleibt richtig, daß sich die ostdeutsche Wirtschaft für die absehbare Zukunft in erster Linie auf den gesamtdeutschen und europäischen Markt ausrichten muß. Hier steht sie zahlreichen Hemmnissen und Barrieren gegenüber, die nicht so leicht überwunden werden können. Es ist deshalb erforderlich, die Förderung des Absatzes ostdeutscher Produkte und Dienstleistungen effizient und durchsetzungsfähig zu organisieren.
    Herr Bundeskanzler, Goodwillerklärungen dazu haben wir reichlich, auch von Ihnen. Es kommt aber darauf an, daß etwas geschieht. Dafür sind Sie zuständig. Ich frage Sie deshalb: Was haben Sie getan, um die Chancengleichheit ostdeutscher Anbieter bei öffentlichen Aufträgen zu sichern? Wie stellen Sie sicher, daß die Abnahmezusagen der westdeutschen Wirtschaft eingehalten werden?

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Gar nicht!)

    Wann haben Sie zuletzt mit westdeutschen Handelshäusern über die Listung ostdeutscher Produkte gesprochen?

    (Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Letzte Woche! — Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: In China!)

    — In China, klar.
    Meine Damen und Herren, der BDI plädiert darüber hinaus für eine generelle Wertschöpfungspräferenz für Unternehmen in den neuen Bundesländern. Ob dies sinnvoll und wirksam ist, erscheint mir eher zweifelhaft. Immerhin werden wir Sozialdemokraten die neuerlich vorgetragenen Argumente des BDI prüfen, so wie wir das Bundesfinanzministerium bitten, in eine erneute Prüfung einzutreten. Ich kenne die
    Stellungnahme des Ministeriums vom Januar dieses Jahres und gebe zu: Die Argumente des Ministeriums klingen plausibel. Auf der anderen Seite sind auch die Argumente des BDI nicht völlig von der Hand zu weisen. Ein Mann mit praktischen Erfahrungen in den neuen Bundesländern wie Klaus von Dohnanyi hält sie für überzeugend. Und da ich viel von Klaus von Dohnanyi halte, bitte ich den Herrn Bundesfinanzminister um nochmalige Prüfung — nicht, weil ich ihm zusätzliche Beschwerden verschaffen wollte, sondern weil ich meinerseits bereit bin, fast alles zu tun, um die verzweifelt schlechte Lage der ostdeutschen Betriebe zu verbessern.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Es kann uns doch nicht gleichgültig sein, meine Damen und Herren, was dort geschieht, und es ist kein Argument gegen besondere Hilfsprogramme im Osten, daß auch im Westen der Republik die wirtschaftliche Lage inzwischen überaus schwierig geworden ist. Das ist leider so.
    Ich denke z. B. an die Stahlindustrie. Sie steckt europaweit in einer Krise. Diese ist nicht von gestern auf heute entstanden. Sie hat sich lange angedeutet, ohne daß es die Bundesregierung für nötig befunden hätte, irgend etwas zu deren Vermeidung oder Milderung zu tun.
    Mangelnde strukturpolitische Weitsicht, das ist das Mindeste, was man der Bundesregierung, aber auch der Europäischen Kommission vorwerfen muß. Es gibt doch den europäischen Subventionskodex, an den sich aber außer der deutschen Stahlindustrie niemand zu halten scheint. Darüber in Brüssel mit der nötigen Klarheit zu sprechen wäre Pflicht der Bundesregierung gewesen. Sie hat diese Pflicht versäumt.

    (Beifall bei der SPD)

    Ergebnis: Es gibt in der EG seit Jahren keine marktwirtschaftliche Ordnung mehr, soweit es um Stahl geht. Einige Regierungen haben ihren nationalen Erzeugern in kurzen Abständen mit hohen Subventionen Vorteile im internationalen Wettbewerb verschafft. Das Ergebnis sind Überkapazitäten, Überproduktionen, nicht kostendeckende Preise und deshalb hohe Verluste. Diese Entwicklung geht vor allem zu Lasten der nicht subventionierten privaten Stahlunternehmen in Deutschland, die schon in den vergangenen Jahren viele tausend Arbeitsplätze verloren haben und die in der nächsten Zeit, wahrscheinlich schon in den nächsten zwei Jahren, noch einmal rund 40 000 bis 50 000 Arbeitsplätze verlieren werden. Die Bundesregierung wartet einfach ab.
    Handelsauseinandersetzungen mit den Vereinigten Staaten und östlichen Stahlproduzenten, die mit Dumpingpreisen auf den europäischen Markt drängen, verschärfen die Krise. Will die Bundesregierung auch künftig einfach zuwarten?
    Unseren Antrag, eine nationale Stahlkonferenz einzuberufen, hat die Bundesregierung abgelehnt. Unser Antrag vom 3. März dieses Jahres, der darauf abzielte, den Montanstandort Deutschland zu stabilisieren und die sozialen Folgen der Krise aufzufangen,



    Hans-Ulrich Klose
    wurde erst am 10. November, acht Monate später, im Wirtschaftsausschuß behandelt. Das, meine Damen und Herren, ist mehr als verantwortungslos.

    (Beifall bei der SPD)

    Denn bis zum 31. Dezember 1995 soll ein Restrukturierungsprogramm für die europäische Stahlindustrie abgeschlossen sein. Zu diesem Zweck hat die Bundesregierung am 30. September 1993 die Freistellung von 37 000 Stahlarbeitern bei der EG angemeldet und dafür 170 Millionen Ecu beantragt. Gleichzeitig hat die EG-Kommission die Absicht, Erzeugungskapazitäten für 29 Millionen t Rohstahl und 19 Millionen t Walzstahl stillzulegen — eine Maßnahme, von der auch deutsche Stahlstandorte betroffen sind.
    Der 18. November 1993 wurde lange als Fixpunkt für die europäische Stahlindustrie gehandelt, weil an diesem Tag der EG-Ministerrat in Brüssel den Durchbruch für die Sanierung und künftige Struktur in der europäischen Stahlindustrie erreichen wollte. Der Bundeswirtschaftsminister hat in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder auf dieses Datum hingewiesen — das immerhin sei ihm als Verdienst angerechnet — und versichert, danach werde alles in ruhigeres Fahrwasser kommen. Nichts dergleichen, meine Damen und Herren: Das Ergebnis der Sitzung ist bekannt. Die alten nationalen Egoismen feierten fröhliche Urständ, die Uneinsichtigkeiten waren fester denn je, und der Bundeswirtschaftsminister zeigte sich überrascht, was mich nun überhaupt nicht überrascht.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, es liegt mir daran, in diesem Zusammenhang auf einen zusätzlichen sozialpolitischen Aspekt aufmerksam zu machen, der in Zukunft für erheblichen sozialen Sprengstoff sorgen wird. Durch das von der Bundesregierung beschlossene Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramm, in dem auch das Arbeitsförderungsgesetz geändert wird, wird es den Unternehmen der deutschen Stahlindustrie in Zukunft nicht mehr möglich sein, Arbeitnehmer nach Sozialplänen zu entlassen. Durch die Reduzierung des Arbeitslosengeldes und die Kappung der Arbeitslosenhilfe auf zwei Jahre wird es in der Stahlindustrie zu betriebsbedingten Kündigungen kommen, wobei • die soziale Komponente — Stichwort: Familiengröße — ausschlaggebend ist. Was das bedeutet, kann sich jeder leicht ausrechnen, wenn er einen Augenblick nachdenkt.
    Meine Damen und Herren, Herr Bundeskanzler, es ist absolut unverantwortlich — und ich wäge meine Worte —, das Land mit solchen Beschlüssen immer tiefer in den Konflikt hineinzutreiben.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Das sage ich schon heute: Für diese Konflikte sind Sie, Herr Bundeskanzler, und der Bundesfinanzminister verantwortlich.

    (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Wo bleibt Herr Kinkel?)

    Und den Bundeswirtschaftsminister kann ich nur
    auffordern, bei der erneut angesetzten Sitzung des
    EG-Ministerrates am 17. Dezember 1993 ein größeres Maß an Durchsetzungsvermögen zu zeigen.

    (Beifall bei der SPD — Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das kann der nicht!)

    Daß die Lage schwierig ist, weiß ich. Die Regierung ist aber dazu da, diese Schwierigkeiten zu meistern. Wenn sie es nicht kann, dann soll sie es sagen und abtreten.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. KlausDieter Feige [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Leider, meine Damen und Herren, beschränken sich die Schwierigkeiten nicht auf die Stahlindustrie. Die Krise ist allgemein. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht gemeldet wird, daß wiederum ein bedeutendes Unternehmen soundso viel tausend Arbeitnehmer freigesetzt, Arbeitsplätze eingespart hat. Es ist inzwischen — scheint es — ein Qualifikationsmerkmal für deutsche Unternehmer geworden, Arbeitsplätze einzusparen, 3 000, 5 000, 50 000 — wer bietet mehr zu Lasten der Allgemeinheit?

    (Beifall bei der SPD)

    Dabei dachte ich immer, es sei Sache der Unternehmer, etwas zu unternehmen, damit sich ein konkretes Unternehmen positiv entwickelt, Produkte herstellt, die am Markt verkauft werden können, damit die Gewinne gesteigert und Arbeitsplätze gesichert werden.
    Das scheint heute aber anders zu sein. Heute geht es vor allem um Kosten. Und wenn Unternehmer von Kosten reden, dann denken sie in erster Linie an Lohn- und Lohnnebenkosten und sonstige administrative Preise, also an Kosten, für die andere verantwortlich sind, was bei den Löhnen nicht einmal stimmt, weil — darauf haben Sie hingewiesen, Herr Bundeskanzler — unter Tarifverträgen doch immer zwei Unterschriften stehen.
    Kein Zweifel, Deutschland ist ein Hochkostenland und wird es bleiben. Jedenfalls ist es völlig abwegig, zu glauben, wir könnten die Kostenkonkurrenz mit Billigproduzenten vor unserer Haustür gewinnen.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Ich bitte Sie! Die Lohnkosten in der Tschechischen Republik liegen bei ca. 12 % der deutschen, in Polen sind sie noch niedriger, in den baltischen Staaten liegen sie bei 1 bis 2 % der deutschen Lohnkosten. Empfiehlt hier irgend jemand, wir sollten uns auf diese Konkurrenz einlassen? Ich jedenfalls kenne niemanden, der alle Tassen im Schrank hat und das tut.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Es wäre — ich wiederhole es — völlig abwegig, so zu denken. Die Wahrheit ist doch, daß wir nur dann eine Chance haben, aus den Schwierigkeiten herauszukommen — nicht von heute auf morgen, sondern mittelfristig —, wenn wir uns wieder Vorsprünge



    Hans-Ulrich Klose
    erarbeiten, die wir früher hatten und die uns trotz hoher Preise konkurrenzfähig gemacht haben.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. KlausDieter Feige [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Dazu ist es erforderlich, daß sich die Unternehmer selbst — das deutsche Management — aufmachen und endlich einsehen, daß ein Teil der Wettbewerbsnachteile, die auch Kostennachteile sind, auf ihr Konto gehen. Expertisen, die dazu erstellt worden sind, zeigen überdeutlich, was in der Vergangenheit falsch gelaufen ist. Mein Eindruck ist, daß zumindest weitsichtige Unternehmer, die es ja Gott sei Dank auch gibt, dies erkannt haben und entsprechend handeln. Nicht immer nur fordern, sondern selbst etwas tun!

    (Beifall bei der SPD)

    Entscheidend ist, daß wir uns gemeinsam zu einer strategischen Anstrengung aufraffen und uns mit einem kräftigen Innovationsschub wieder ins vordere Glied katapultieren. Produkte entwickeln und anbieten, die anderswo nicht oder nicht so gut produziert werden können — das ist die Devise.

    (Beifall bei der SPD)

    Es ist ein strategischer Fehler, Herr Bundeskanzler, die Haushaltsmittel für Forschung und Technologie zu kürzen. Das Gegenteil wäre richtig. Das wissen Sie auch, aber Sie tun nichts.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN — Widerspruch bei der CDU/ CSU)

    Es ist ein Fehler, daß auch die Unternehmen die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung zurückgefahren haben. Sie müssen erhöht werden. Und wenn es dazu — man wird ja realistisch — steuerlicher Anreize bedarf, dann, bitte, präsentieren Sie uns geeignete Vorschläge, damit wir endlich aus der appellativen Ebene herauskommen. Es muß etwas getan werden!

    (Beifall bei der SPD)

    Das gilt auch für die Förderung des sogenannten Humankapitals. Deutschland ist nicht reich an natürlichen Ressourcen. Unser Reichtum, das sind Köpfe und Hände. Diesen Reichtum müssen wir bewahren und mehren. Dazu bedarf es einer gemeinsamen Anstrengung von Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, damit endlich ein zukunftsweisendes Fortbildungssystem geschaffen wird — als vierte Säule unseres Bildungssystems.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Dies müssen wir schon deshalb tun, weil die demographischen Veränderungen der Gesellschaft uns dazu zwingen. Es macht nämlich einen gewaltigen Unterschied, ob die Arbeitnehmer an der Montagestraße, z. B. bei VW, im Durchschnitt 35 Jahre oder 45 Jahre alt sind. Auf diese Entwicklung muß man sich vorbereiten, und zwar rechtzeitig; sonst geht die Entwicklung über uns hinweg.
    Tut die Bundesregierung irgend etwas in dieser Richtung? — Der Herr Bundeskanzler redet gelegentlich über den demographischen Wandel. Mein Eindruck ist aber, daß Sie, Herr Bundeskanzler, diese Entwicklung überwiegend als Negativpunkt sehen, als Problempunkt. Ich aber sage Ihnen, daß darin auch eine Chance liegt. Die Japaner scheinen das — wenn meine Informationen richtig sind — wieder einmal früher erkannt zu haben. Was aber tut das zuständige Ministerium hier zusammen mit dem Wirtschaftsministerium, um die absehbare Entwicklung positiv zu gestalten? Wäre es nicht an der Zeit, ein neues, zukunftsorientiertes Programm zur Humanisierung des Arbeitslebens aufzulegen? Wäre es nicht hohe Zeit?

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, in der Bundesrepublik Deutschland sind derzeit fünf Millionen Menschen ohne oder ohne regulären Arbeitsplatz. Niemand von uns kennt den Königsweg aus dieser Misere,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das glauben wir gern!)

    die mit soviel materiellem und psychischem Elend verbunden ist. Mit Konjunkturprogrammen — das wissen wir— ist es nicht getan. Es geht um die richtige strategische Weichenstellung, damit es wenigstens mittelfristig zu schaffen ist.
    Dazu gehört — ich weiß, das ist insbesondere aus der Sicht der Liberalen eine harte Anmutung —, daß wir uns endlich dazu entschließen, eine intelligente, marktkonforme Industriepolitik zu betreiben.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der F.D.P: Was ist das?)

    Ihr Besuch in China, Herr Bundeskanzler, paßt dazu. Türen öffnen, Unterstützung signalisieren — andere Regierungen waren da jedenfalls in der Vergangenheit weit aktiver. Wenn ich z. B. an die deutschen und die französischen Bemühungen gegenüber Südkorea denke — ich rede vom Verkauf des Hochgeschwindigkeitszugs —, dann tränen einem die Augen. Für Frankreich fuhr der Staatspräsident, für Deutschland ein Staatssekretär. Das muß in Zukunft besser werden, Herr Bundeskanzler.

    (Beifall bei der SPD)

    Ideologische Scheuklappen, die insbesondere liberale Wirtschaftsminister in ihren Aktivitäten hemmen, dürfen nicht länger als Hinderungsgrund für politisches Handeln akzeptiert werden. Wie lange — so frage ich mich manchmal — machen die Damen und Herren der CSU, die doch eine andere politische Tradition haben, das noch mit?
    Damit das klar ist, meine Damen und Herren: Wir denken, wenn wir von Industriepolitik reden, nicht an Erhaltungssubventionen und auch nicht an Protektionismus. Wir wollen, daß im Dialog zwischen Wirtschaft und Politik Weichen gestellt und knappe Ressourcen — finanzielle und personale — gebündelt werden. Was, um Gottes willen, ist daran eigentlich falsch? Haben nicht die vergangenen Jahre bewiesen, daß in der Konkurrenz unterschiedlich organisierter Marktwirtschaften diejenigen am erfolgreichsten waren, die sich für eine intelligente Kooperation von Politik und Wirtschaft entschieden haben?

    (Beifall bei der SPD)




    Hans-Ulrich Klose
    Wer nach Ostasien blickt und dorthin fährt, kann doch nicht übersehen, was anderswo getan wird und mit welchem Erfolg.
    Ich wiederhole es: 5 Millionen Arbeitslose. Auch wenn die Konjunktur — was wir alle hoffen — in den nächsten Monaten anspringt, wird sich daran nicht viel ändern. Der erste Arbeitsmarkt wird es eben nicht schaffen, diese Menschen in schneller Zeit in den Arbeitsprozeß zurückzuführen. Wünschen würden wir es uns. Aber Sie von der Koalition wissen so gut wie wir, daß das nicht zu erwarten ist. Deshalb müssen Sie, Herr Bundeskanzler, eine Antwort darauf geben, was Sie zu tun gedenken, um diesen Menschen, die jetzt arbeitslos oder von Arbeitslosigkeit bedroht sind, zu helfen. Sollen sie alle in das ausgedünnte soziale Netz fallen, und das war es dann? Hilft es den Menschen, wenn Sie in diesem Zusammenhang anklagend von zu kurzen Arbeitszeiten, von zuviel Urlaub, vom kollektiven Freizeitpark und davon reden, daß wir über unsere Verhältnisse leben? Das alles hilft gar nichts, Herr Bundeskanzler, im Gegenteil: Es befördert die Spaltung der Gesellschaft, die Entsolidarisierung und die wachsende Bereitschaft enttäuschter und verzweifelter Menschen, Halt bei den Rattenfängern von rechts zu suchen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Dagegen anzureden bringt nichts. Auch die bei Konservativen so beliebte Wertedebatte — ein Stekkenpferd des Kollegen Dr. Schäuble — hilft da nichts. Nicht neue Werte sind gefragt oder die Rückbesinnung auf alte — wogegen ich nichts habe —, sondern bessere Politik.

    (Beifall bei der SPD)

    Zu tun gäbe es genug, meine Damen und Herren. Ein längerfristig angelegtes Zukunftsinvestitionsprogramm zur Verbesserung der Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur, zur Verbesserung der Entsorgung, der Energieversorgung, des Städte- und Wohnungsbaus. Das wäre es, was wir jetzt brauchten.
    In ganz Deutschland fehlen z. B. 2 bis 3 Millionen Wohnungen. Es gibt wieder Wohnungsnot; das Problem der Obdachlosigkeit bedrückt die Kommunen. Was tun Sie eigentlich dagegen? Nichts. Sie bleiben bei dem System der heutigen progressionsabhängigen steuerlichen Förderung des selbstgenutzten Wohnungseigentums, subventionieren den Luxus beim Neubau und bei der Wohnungsmodernisierung und kürzen die Mittel für den sozialen Wohnungsbau.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Unglaublich!)

    Allein durch eine Veränderung der Wohnungsförderung wäre viel zu erreichen. Noch besser wäre es, wenn zusätzliche Mittel für Wohnungsbau und Städtebau und für andere Zukunftsaufgaben bereitgestellt werden könnten. Das können sie aber nicht, weil Sie sich haushaltspolitisch in eine Situation der völligen Lähmung hineinregiert haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Es ist doch unübersehbar und durch keinerlei Sprachkünste des Bundesfinanzministers wegzureden, daß die Verschuldung wächst und wächst. Die
    von mir im Frühjahr prognostizierten 80 Milliarden DM Nettoneuverschuldung werden, fürchte ich, noch übertroffen.

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Und Sie fordern doch immer noch mehr!)

    Was tun Sie dagegen? Sie schneiden tief ins soziale Netz, weil Sie sich, wenn es ums Geld geht, an diejenigen halten, von denen Sie sonst nicht allzuviel halten, die mit dem geringeren Einkommen, um ja die sogenannten Leistungsträger schonen zu können.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Wenn wir dann davon reden, daß dies sozial ungerecht sei, dann reden Sie von Sozialneid. Klientelpolitik nenne ich das; mit sozialer Gerechtigkeit hat das nichts mehr zu tun.

    (Beifall bei der SPD)

    Nein, Herr Bundeskanzler, das Land ist in keinem guten Zustand. Die Lage ist schwierig, und die Stimmung ist schlecht. Nirgendwo wird bei dieser Regierung erkennbar, daß sie ein ordentliches Konzept hätte, wie es weitergehen soll.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Was ist denn mit Ihrer Mitschuld?)

    Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Bundeskanzler, glaube ich an die Solidarität der Menschen und an die Bereitschaft, mitzuarbeiten bei dem notwendigen Prozeß der Erneuerung im Osten wie im Westen des wiedervereinigten Landes. Aber die Menschen wollen wissen, wo es langgeht. Sie wollen wissen, wofür sie sich anstrengen, wofür sie Opfer bringen sollen. Sie erwarten, daß es in unserem Land gerecht zugeht. Solche Erwartung ist nicht unbillig. Wenn sie enttäuscht wird, wachsen Unsicherheit und Verdruß. Die Folgen können fatal sein.
    Meine Damen und Herren, ich sehe mich nicht in der Rolle der Kassandra. Trotz zunehmender Besorgnis ziehe ich keine Vergleiche zwischen der politischen Entwicklung in Italien und bei uns. Ich bin fest davon überzeugt, daß wir es schaffen können, die Probleme, die wir derzeit haben, zu beherrschen und zu lösen.
    Dies ist ein gutes Land mit tüchtigen Menschen. Ohne Führung geht es aber nicht.

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Das gilt für die SPD!)

    Bei Ihnen, Herr Bundeskanzler, sehe ich leider nur noch eine Führungsleistung: die Koalition über die Runden zu bringen, koste es, was es wolle.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Das ist zuwenig, Herr Bundeskanzler, und der Preis ist zu hoch. Es ist Zeit für einen Wechsel.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als nächster spricht der Kollege Glos.

(Zuruf von der SPD: Das kann doch nicht sein!)





  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Michael Glos


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In allen entscheidenden Fragen der Wirtschafts- und der Finanzpolitik, der inneren Sicherheit und der gewachsenen Verantwortung Deutschlands in Europa und in der Welt fehlen konkrete und umsetzbare Vorschläge der Opposition.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Sie können nicht lesen! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Wer geglaubt hat, durch die heutige Rede von Herrn Klose mehr zu erfahren, der ist enttäuscht.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Einen ganzen Katalog haben wir vorgelegt!)

    Sie haben keine Alternative zum konsequenten Sparkurs der Bundesregierung aufgezeigt.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sie haben nicht zugehört!)

    Sie haben beklagt, daß der ICE z. B. in Südkorea nicht verkauft worden ist.

    (Zuruf von der SPD: Er sieht noch verschlafen aus!)

    Aber die SPD und der Wunschpartner der SPD, DIE GRÜNEN, tun alles, um neue Strecken und neue Technologien bei uns zu verhindern.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Sie haben zu Recht beklagt, daß der wirtschaftliche Aufbau in der ehemaligen DDR sehr langsam vorangeht. Sie haben aber verschwiegen, daß über einen mittelfristigen Zeitraum Finanztransfers in Höhe von 150 Milliarden DM jährlich von West nach Ost gehen und daß das eine gewaltige Solidaritätsleistung ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie haben keine Alternative zur Politik der konsequenten Verbrechensbekämpfung. Sie haben keine Alternative zum außenpolitischen Kurs dieser Regierung,

    (Horst Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Da gukken Sie mal die F.D.P. an!)

    der auf Zusammenarbeit und gleichberechtigte Kooperation mit den Partnern und Freunden in der Welt setzt und nicht einen deutschen Sonderweg geht.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Können Sie nicht lesen? — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Ich komme schon noch zu Ihrem Parteitag, weil Ihr Parteitag die angeblichen Alternativen beschlossen hat.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Wann kommen Sie zu Ihrer Politik?)

    Sie haben vor allen Dingen — ich wiederhole das; es war deutlich merkbar — keine wirtschafts- und finanzpolitische Alternative. Symbolhaft dafür war der Kniefall von Oskar Lafontaine, der auf dem Parteitag in Wiesbaden bis zur Selbstverleugnung um Verständnis für ökonomische Wahrheiten gebeten
    hat, nämlich dafür, daß sich Löhne und Renten auf die Dauer nicht vom Produktivitätsniveau abkoppeln lassen.
    Herr Klose hat die Lage der Stahlindustrie beklagt. Herr Klose, Sie wissen, die Stahlindustrie ist montanmitbestimmt. Hier bestimmen also die Gewerkschaften voll mit, was im Betrieb geschieht. Es ist so, daß es auch hier an entsprechenden Rezepten fehlt. Nicht nur die Stahlindustrie setzt Arbeitskräfte frei. Ich muß in diesem Zusammenhang einmal daran erinnern: Wir haben den neuen Zustand in unserem Land, daß inzwischen Gewerkschaften Arbeitnehmer entlassen, nämlich hauptberuflich bei ihnen tätige Funktionäre.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Das kommt daher, weil ihnen zu Recht die Mitglieder davonlaufen und weil dadurch das Funktionärskader verringert werden muß.
    Die SPD möchte gerne Regierungsfähigkeit beweisen, hat aber auf ihrem Parteitag in Wiesbaden erneut das Gegenteil bewiesen, weil sie auf die großen Herausforderungen unserer Zeit keine Antworten hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das sehen aber alle anders!)

    Arbeitsplätze lassen sich in Deutschland nur sichern und neu schaffen, wenn deutsche Unternehmen weltweit qualitativ und vor allem im Preis wettbewerbsfähige und neue Produkte verkaufen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Vollbeschäftigung einfach per Handaufheben zu beschließen, wie dies die SPD getan hat, sichert keinen einzigen Arbeitsplatz. Auch wenn es die SPD nicht wahrhaben will, besteht eben doch ein enger Zusammenhang zwischen hohen Lohnkosten und der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Produkte auf nationalen und internationalen Märkten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, es muß doch nachdenklich stimmen, wenn in den ersten Monaten dieses Jahres in Deutschland 20 % weniger deutsche Autos verkauft worden sind, der Rückgang bei den im Ausland produzierten Pkws aber nur bei 16 % gelegen hat. Das zeigt doch, daß auch dem deutschen Arbeitnehmer die deutsche Arbeit zu teuer oder die deutsche Produktivität zu gering geworden ist.
    Wer vor zu hohen Abschlüssen bei den Lohnrunden 1991 und 1992 gewarnt hat, wie wir dies getan haben, wurde von der SPD damals heftigst beschimpft.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Sehr richtig!)

    Es wurde uns entgegengehalten, wir würden die Tarifautonomie verletzen.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das ist doch nicht das Thema!)

    Es wurde uns entgegengehalten, wir würden uns
    zugunsten der Arbeitgeber in die Tarifauseinander-



    Michael Glos
    setzengen einmischen wollen. Heute wollen Sie uns für die Folgen des falschen Handelns der Tarifpartner von damals voll verantwortlich machen. Das paßt nicht zusammen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Nicht nur Ihre Fähigkeit zur Einsicht in wirtschaftspolitische Fragen ist begrenzt. Das gleiche ist leider auch bei der Außen- und Sicherheitspolitik der Fall.

    (Beifall der Abg. Uta Würfel [F.D.P.] — Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Du hast keine Ahnung!)

    Deutschland muß gerade in Zeiten großer politischer Veränderungen in Europa in der Außen- und Sicherheitspolitik berechenbar, verläßlich und glaubwürdig bleiben. Bündnisse und Mitgliedschaften in internationalen Organisationen sind keine Schönwetterverpflichtungen.

    (Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Ach Gott! — Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Nanu!)

    Ich war in der vorletzten Woche in den Vereinigten Staaten. Unsere Bündnispartner fragen uns: Wie wird sich das vereinte Deutschland verhalten? Steht Deutschland zu seinen Verpflichtungen in der NATO? Steht Deutschland zu seinen Verpflichtungen, die es eingegangen ist, als wir Mitglied der UNO geworden sind?
    In dieser außenpolitisch sensiblen Situation verfolgt die SPD eine Politik, die quasi einem Teilaustritt aus der UNO gleichkommt. Sie will den militärischen Einsatz der Bundeswehr allein auf den BlauhelmEinsatz beschränken. Dabei weiß doch jeder, daß sich Deutschland mit dem Beitritt zur UNO-Charta zur Erfüllung aller Beschlüsse der UNO verpflichtet hat, auch zu friedensschaffenden Maßnahmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Widersprüchlicher als die SPD kann man nicht sein. Einerseits fordert sie eine Stärkung der UNO — die UNO solle mehr Frieden durchsetzen, auch mit UNO-Truppen —, andererseits wird eine deutsche Mitwirkung abgelehnt, wenn es ernst wird, und damit eine gefährliche Sonderrolle Deutschlands heraufbeschworen.
    Eine Unterscheidung zwischen rein beobachtenden Missionen mit Blauhelmen und anderen Einsätzen auf Grund der UNO-Charta ist künstlich und nicht umsetzbar. Sie, Herr Kollege Klose, sind deshalb auf dem SPD-Parteitag — ich beziehe mich auf einen Bericht der Tageszeitung „Die Welt" vom 19. November 1993 — für eine deutsche Mitgliedschaft in der UNO ohne Wenn und Aber eingetreten.

    (Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU]: Recht hat er!)

    Das ehrt Sie, und ich möchte mich dafür ausdrücklich bedanken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Leider haben Sie Ihren Vorsitzenden, der anschließend zu uns sprechen wird, und auch die Parteitagsdelegierten im Regen stehen lassen. Was sollen deutsche UNO-Soldaten tun, wenn z. B. Blockaden durchbrochen werden? Wenn die SPD auf ihrem Parteitag den Frieden in der Welt beschließt, kümmert dies weder Diktatoren noch Heckenschützen. Ich möchte hierzu Ihren verstorbenen Ehrenvorsitzenden Willy Brandt zitieren. Er sagte: „Vergeßt nicht: Wer Unrecht lange geschehen läßt, bahnt dem nächsten den Weg."

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Er meinte nicht den militärischen Einsatz!)

    Die SPD hat auf ihrem Parteitag beschlossen — ich zitiere wieder —: „In diesem Zusammenhang befürworten wir einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat für die Bundesrepublik Deutschland." Deutschland würde in diesem Gremium anderen Mitgliedstaaten Pflichten auferlegen, die es nach SPD-Meinung selbst nicht erfüllen will. Das ist meiner Ansicht nach Mitgliedschaft auf Gutsherrenart: Nicht einmal Ihre Genossen von der Sozialistischen Internationale werden dafür Verständnis haben.
    In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, daß auf dem SPD-Parteitag der Antrag, die NATO in Frage zu stellen, immerhin ein Drittel der Parteitagsdelegiertenstimmen erhalten hat. Das zeigt, daß der Ungeist, die NATO in Frage zu stellen und bündnispolitische Verpflichtungen aufzugeben, bei Ihnen noch immer vorhanden ist. In diesem Zusammenhang muß daran erinnert werden, daß die SPD bereit gewesen wäre, die NATO preiszugeben, als über die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes verhandelt worden ist.

    (Eduard Oswald [CDU/CSU]: So war es!)

    Es ist Helmut Kohl im Kaukasus gelungen, beides zu erreichen: die Wiedervereinigung und die NATO- Mitgliedschaft als Lebensversicherung für die Zukunft in Freiheit zu erhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Mit der SPD wird Deutschland kein gleichberechtigtes Mitglied der Völkergemeinschaft sein können. Diese Politik führt in die Isolation. Sie wissen, eine solche Sonderrolle würde das Vertrauen in unsere Bündnisfähigkeit und damit in unsere Verläßlichkeit auf das tiefste erschüttern.
    Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dankt den deutschen Soldaten für ihren Einsatz in Kambodscha und Somalia.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Unsere Soldaten haben damit einen sichtbaren Beweis für die Verläßlichkeit und auch für die Verantwortung Deutschlands geleistet.
    Wie sehr Anspruch und Wirklichkeit bei den Sozialdemokraten auseinanderfallen, zeigt sich z. B. bei der Wehrtechnik. Der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder tritt vor die Mitarbeiter der DASA und macht sich für den Erhalt dieser Arbeitsplätze stark. Er sagt:
    Solange wir eine Bundeswehr haben, müssen wir im eigenen Land für die Ausrüstung sorgen. Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen dem Bereich der Produktion für die Verteidi-



    Michael Glos
    gungsindustrie und dem zivilen Luftfahrtbereich.
    Der Mann hat recht.
    Gleichzeitig beschließt der SPD-Parteitag die strikte Ablehnung von europäischen Rüstungskooperationen wie z. B. bei dem Eurofighter. Wo ist da die Logik?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wo bleibt die Glaubwürdigkeit? Für wie dumm halten Sie eigentlich die Arbeitnehmer in der Luft- und Raumfahrtindustrie?

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Glauben Sie, die Leute können keine Zeitung lesen und hören nicht die Berichte Ihres Parteitages?
    Interessant ist auch das doppelbödige Verhalten der SPD-Ministerpräsidenten immer dann, wenn es um Arbeitsplätze im eigenen Bundesland geht.

    (Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU]: Das kann man wohl sagen!)

    Schröder sagt in realpolitischer Verantwortung um Arbeitsplätze im Grunde nichts anderes als das, was CDU/CSU schon immer vertreten.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Dann müssen wir fliegende U-Boote nehmen!)

    In einer schwierigen Phase des Umbruchs braucht die Industrie Planungssicherheit, um Hochtechnologie und Arbeitsplätze in Deutschland sichern zu können. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dankt deshalb Herrn Bundeskanzler Kohl sehr herzlich für sein Eintreten für deutsche Wirtschaftsprojekte in China zugunsten deutscher Unternehmungen und damit zugunsten deutscher Arbeitsplätze.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. — Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Die gute Vorbereitung nicht vergessen!)

    Die SPD debattiert, der Kanzler handelt. Ich selbst war Zeuge, als der Kanzler in der China-Delegation mit Vertretern der deutschen Industrie

    (Zurufe von bei der SPD: Oh!)

    und auch des deutschen Handels darüber gesprochen hat, wie man Produkte aus den neuen Bundesländern stärker in das Sortiment aufnehmen kann. Es sind dort auch entsprechende Zusagen erfolgt.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Donnerwetter! — Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Mein Gott, was bist du ein großer Mann!)

    Durch langes Taktieren und Blockieren bei der Verhinderung des hunderttausendfachen Mißbrauches des Asylrechts hat sich die SPD als zuverlässiger Wahlhelfer von Herrn Schönhuber erwiesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Wer ist denn Schönhuber?)

    Die von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion durchgesetzte Grundgesetzänderung erweist sich heute als erfolgreich. Die Asylbewerberzahlen sind auf ein Drittel geschrumpft, Altanträge werden zügig abgearbeitet und neue Anträge rasch entschieden. Vor allem in SPD-regierten Ländern bestehen aber noch viele Vollzugsdefizite.
    Der Unmut der Bürger über wachsende Kriminalität muß ernstgenommen werden. Ich lade die SPD ausdrücklich ein, das Sofortmaßnahmenpaket 1994 der Koalition zur Verbrechensbekämpfung mitzutragen.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wir haben unsere eigenen Vorstellungen! — Tragen Sie die doch mit!)

    Die Koalition hat bereits beschlossen: beschleunigte Strafverfahren, Verschärfung des Haftrechtes, harte Strafen gegen Schlepperunwesen, höhere Strafen gegen Körperverletzung, besserer Diebstahlschutz für Kfz, Ausweitung der Kronzeugenregelung usw.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei der Zulassung elektronischer Überwachung von Gangsterwohnungen scheint es auf den ersten Blick einen Meinungsumschwung bei der SPD zu geben. Es scheint allerdings nicht so zu sein, daß dieser Beschluß besserer Einsicht entspringt. Er dient offenkundig nur dem Ziel, die Koalition auseinanderdividieren zu wollen.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Auch das wäre legitim, Herr Kollege!)

    Aber das wird Ihnen nicht gelingen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Für gemeingefährliche Gewaltverbrecher darf es keinen Freiraum geben. Wohnungen von Schwerstverbrechern dürfen keine Ruheräume sein. Wir vertrauen hier auf die Einsichtsfähigkeit unseres Koalitionspartners. Niemand ist davor geschützt, Schritt für Schritt klüger zu werden.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Zur Glaubwürdigkeit der SPD in Fragen der inneren Sicherheit gehört auch, die Blockade der Ernennung eines neuen Generalbundesanwaltes aufzugeben.

    (Lachen bei der SPD)

    Will die SPD die Verantwortung dafür übernehmen, wenn bei einem terroristischen Anschlag die Generalbundesanwaltschaft nicht voll handlungsfähig ist? Die SPD hat sich verrannt.

    (Hans-Ulrich Klose [SPD]: Warum haben Sie denn den alten entlassen?)

    — Auch Ihr Zwischenruf, Herr Kollege Klose, kann nicht davon ablenken: Hier geht personelle Parteitaktik über Interessen des Staates und den Schutz der Bürger.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. — Widerspruch bei der SPD — Hans-Ulrich Klose [SPD]: Dann holen Sie den alten doch zurück! — Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Den haben Sie doch ungerechterweise entlassen!)




    Michael Glos
    — Ich weiß, Ihnen geht es um Frau DäublerGmelin.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Eine gute Frau!)

    Ich habe sehr deutlich mitbekommen, daß man auf dem SPD-Parteitag eine neue Planstelle für die Genossin Däubler-Gmelin geschaffen hat, indem man sie zur stellvertretenden Bundesvorsitzenden gemacht hat.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Sie können nicht einmal lesen!)

    Nun, nachdem die Dame nicht mehr stellungslos ist, könnten Sie Ihre Blockade doch endlich aufgeben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Zur Sache!)

    Ebenso unverständlich ist — auch hier führen Sie Ihre Glaubwürdigkeit ad absurdum —, daß Sie die Ernennung der ersten Frau zur Präsidentin des Bundesrechnungshofs im Bundesrat immer noch blockieren, obwohl Sie im Deutschen Bundestag zugestimmt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie sollten es sich als Bundestagsfraktion nicht gefallen lassen, daß Sie vom Bundesrat so behandelt werden. Wo bleibt da Ihr Selbstverständnis als Abgeordnete?

    (Arne Fuhrmann [SPD]: Wir müssen ja sogar Sie ertragen!)

    In einem Parteitagsbeschluß in Wiesbaden beklagt die SPD zu Recht, die positive Werteorientierung in weiten Teilen unserer Gesellschaft sei verlorengegangen. Man versteigt sich allerdings in die schamlose Behauptung, Bundeskanzler Kohl sei der Hauptschuldige dafür.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Das ist allerdings eine falsche Methode, nämlich die Methode „Haltet den Dieb".

    (Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Der Kanzler hat doch damit nichts zu tun!)

    — Hören Sie zu, wenn Sie wissen wollen, wie es wirklich war.

    (Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Es fällt uns so schwer!)

    Wer hat denn jahrelang gerade im Bereich der inneren Sicherheit Werte relativiert, ja sogar verächtlich gemacht? Wer hat grenzenloser Selbstverwirklichung und Konfliktstrategien das Wort geredet? Es war Oskar Lafontaine von der SPD, der Tugenden wie Fleiß, Selbstdisziplin, Pünktlichkeit und Treue als „Sekundärtugenden" diffamierte, mit denen man genausogut ein „KZ führen" könne. Er hat das damals alles nur gesagt, um den damaligen Bundeskanzler und heutigen Wirtschaftsberater von Herrn Scharping, Herrn Schmidt, zu diffamieren. Ich bin gespannt, wie dieses neue, alte Führungsteam jetzt Arm in Arm miteinander in Wahlkämpfen auftreten will.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Uwe Lambinus [SPD]: Was hat das mit den Schulden zu tun?)

    Die SPD in Hamburg — wenn ich recht weiß, kommt Herr Klose von dort — hat jahrelang durch die Duldung rechtsfreier Räume wie in der Hafenstraße dem Rechtsbewußtsein schweren Schaden zugefügt.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Die SPD weigert sich heute, die Zusammenhänge zu erkennen. Hat man vergessen, daß die Gewalt gegen Personen mit der Duldung von Gewalt gegen Sachen begonnen hat? Hat man vergessen, daß es Strategie der 68er-Bewegung war, jede Autorität und jede Erziehung in Frage zu stellen?

    (Zuruf von der SPD)

    — Herr Kollege, Ihr lautes Schreien beweist, daß bei Ihnen die Erziehung im Elternhaus offensichtlich auch nicht richtig funktioniert hat.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD — Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Sehr gut! Ausgezeichnet! — Horst Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Herr Glos, sagen Sie mal etwas zum Haushalt!)

    Daß die SPD auch bis heute nichts dazugelernt hat, zeigt ein Blick in die aktuellen Beschlüsse. Nötigung durch Sitzblockaden will die SPD erlauben. Bei Ladendiebstahl und Kleinstkriminalität will die SPD auf Bestrafung verzichten. Die Sanktion dieser Gesetzesverstöße soll sogar durch „Richtlinien näher geregelt werden" , wie es in ihrem Programm heißt. Alt ist allerdings die Forderung, daß der Besitz von leichten Drogen wie Haschisch und Marihuana künftig straffrei bleiben soll. Neu ist hingegen, daß auch bei harten Drogen künftig in bestimmten Fällen Straffreiheit zugelassen werden soll.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Unglaublich!)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist nicht nur schlimm für das Rechtsgefühl der Bürgerinnen und Bürger,

    (Zuruf von der SPD: Daß Sie nicht zum Haushalt kommen, das ist schlimm!)

    sondern es ist schlimm für unsere Jugend,

    (Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Daß sie so einen Schwachsinn anhören muß!)

    die damit eine Verharmlosung der Drogen erfährt. Und Sie sind bereit, all dies in Kauf zu nehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Andrea Lederer [PDS/Linke Liste]: Dem widersprechen alle Sachverständigen!)

    Damit wird das von Ihnen beklagte mangelnde Wertebewußtsein und die Trennung zwischen Recht und Unrecht aufgeweicht und ein höchst gefährlicher Weg beschritten.
    Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion tritt im Gegensatz zur SPD für eine positive Wertordnung ein.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wer regiert hier eigentlich?)




    Michael Glos
    — Ich kann Ihre Frage, wer eigentlich regiert, schnell beantworten.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das merkt man Ihrer Rede nicht an!)

    Hierzu gehört an allererster Stelle der vorbehaltlose Schutz des ungeborenen Lebens. Die SPD hat mit ihrer reinen Fristenregelung ein verfassungswidriges Gesetz beschlossen, das erst vom Bundesverfassungsgericht gestoppt werden mußte.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das hat die Mehrheit im Parlament beschlossen! — Horst Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Gucken Sie zur F.D.P. hin!)

    — Das ist eine Tatsache meine Damen und Herren. — Sie sind eingeladen, das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes jetzt mit umzusetzen und dabei mitzuwirken, daß es in Zukunft einen besseren Schutz des ungeborenen Lebens gibt.

    (Horst Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Das habt ihr doch erstritten! Nun seht auch zu, wie ihr damit klarkommt!)

    Auch das Wort „Wahrheit" ist bei der SPD höchst unterentwickelt.

    (Zuruf von der SPD: Das zu sagen steht Ihnen wohl nicht zu!)

    — Okay. Wenn Sie wollen, daß ich den Wahrheitsbeweis antrete, tue ich das sehr gern. Ich habe mich natürlich darauf vorbereitet.
    Was der Untersuchungsausschuß des Landtages in Schleswig-Holstein in diesen Wochen zutage fördert, ist ein Skandal.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Otto Graf Lambsdorff [F.D.P.] — Zuruf von der CDU/CSU: Engholm-Skandal!)

    Es kann nicht mehr ausgeschlossen werden, daß der unsägliche Herr Pfeiffer mit Wissen oder sogar im Auftrag der SPD tätig geworden ist, um Herrn Engholm wählerwirksam als Opfer darstellen zu können.

    (Zurufe von der SPD)

    — Hier ist nicht Geschrei notwendig, sondern hier ist anschließend ein klares Wort des Bundesvorsitzenden Scharping notwendig.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich fordere Sie auf, Herr Scharping, im Deutschen Bundestag die Rolle der SPD offenzulegen und klar zu bewerten. Mit dieser Aktion damals ist viel Schaden hinsichtlich des Vertrauens in die deutsche Politik entstanden.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Ein unglaublicher Lügenskandal!)

    Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Anrecht auf die volle Wahrheit, und es ist geradezu ein Hohn, daß Herr Engholm noch vor wenigen Monaten durchs
    Land gezogen ist und die Union einer Diffamierungskampagne bezichtigt hat.

    (Dr. Uwe Küster [SPD]: Mönch in SachsenAnhalt z. B.! —Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Ihre Rede ist eine Zumutung!)

    — Darm verlassen Sie den Saal, wenn es Ihnen hier nicht gefällt, Frau Matthäus-Maier. Sie sind die Weltmeisterin in Polemik und beklagen sich, wenn andere die Dinge beim Namen nennen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. — Bundesminister Dr. Theodor Waigel: So ist es!)

    Ich wollte Frau Matthäus-Maier eigentlich aussparen, aber nun bin ich gezwungen, die ganze Widersprüchlichkeit aufzuzeigen. Wo sind denn die Rezepte der SPD in der Wirtschaftspolitik? Das in Wiesbaden dazu beschlossene Papier gibt keine Antwort. Selbst Frau Matthäus-Maier setzt sich davon ab und nennt das Papier „anspruchsvoll, auch was die Kosten angeht" . Zu deutsch heißt das: Die SPD hat in einer Zeit, in der die Sparsamkeit bei den öffentlichen Ausgaben oberstes Gebot ist, einen vorweihnachtlichen Wunschzettel zusammengeschrieben, der zig Milliarden neue Ausgaben notwendig machen würde.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Wo denn? — Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sie haben das nicht gelesen!)

    Mit der haushaltspolitischen Realität hat das, was Sie dort beschlossen haben, überhaupt nichts zu tun.
    Herr Schröder nennt das Wirtschaftsprogramm der SPD zu Recht „notwendig abstrakt", was immer das heißt.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Was hat das mit Frau Matthäus-Maier zu tun?)

    Auch hier kann ich Ihnen die Übersetzung in den normalen Sprachgebrauch liefern: Sie wollen mit verbalen Nebelbomben die ökonomische Wirklichkeit verhüllen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Aus diesem Nebel zeichnen sich allerdings Konturen ab. Sie wollen dem Bürger tiefer in die Tasche greifen

    (Horst Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Das geht doch gar nicht mehr!)

    und sich Spielraum für neue Umverteilungen schaffen.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Ihr sozialistischer Irrglaube hat Sie nicht verlassen, nur Ihr Vokabular ist moderner geworden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Jetzt spricht man nicht mehr von staatlichen Lenkungs- und Kontrollinstanzen wie in den 70er Jahren, nein, man nennt das jetzt im neuen Soziologendeutsch: „Regionalisierte Arbeitsmarkt-, Beschäfti-



    Michael Glos
    gungs- und Strukturpolitik braucht einen institutionellen Ort in der Region."

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es ist jedem klar, was damit gemeint ist. Herr Klose hat es vorhin umschrieben; er hat von „marktkonformer Industriepolitik" gesprochen.

    (Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Das ist schön!)

    Es ist offensichtlich: Ihr Glaube an den sozialistischen Staatsinterventionismus sitzt nach wie vor tief. Wir brauchen keine neuen Agenturen und Konferenzen, sondern wir brauchen wettbewerbsfähige Arbeitsplätze in leistungsfähigen Privatbetrieben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Horst Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Jetzt baut er wieder alte Feindbilder auf, die er braucht!)

    Ich kann Ihnen noch mehr Widersprüche aufzeigen.

    (Horst Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Ja, machen Sie mal weiter!)

    Sie, Frau Matthäus-Maier, wiederholen mit gewohnter Penetranz — wir kennen Ihre Reden — Ihre durchaus richtige Erkenntnis, daß die Neuverschuldung des Staates begrenzt werden muß.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Jetzt müssen Sie mich loben!)

    So weit, so gut. Gleichzeitig appelliert Herr Lafontaine an die Länder, das Sparpaket der Bundesregierung abzulehnen.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Weil wir bessere Vorschläge haben!)

    Frau Matthäus-Maier hält laut Bericht des „Handelsblatts" vom 10. November die Vorschläge für „nicht akzeptabel", wonach Einkommensausfälle, die durch Arbeitszeitverkürzung entstehen, durch Mittel der Bundesanstalt für Arbeit ersetzt werden sollen.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Da hat sie recht! — Ina Albowitz [F.D.P.]: Wo nehmen wir das Geld her?)

    Der Chefökonom Lafontaine hingegen, ihr Angstgegner, der ihr ja in das Schattenkabinett Scharping vorgezogen wurde, rechnet der Öffentlichkeit vor, daß es eigentlich ganz logisch sei, daß die Bundesanstalt für Arbeit zur Zahlung herangezogen werde.

    (Manfred Opel [SPD]: Was sagt denn Stoiber dazu?)

    Den Vogel schießt er allerdings ab, wenn er über die Höhe der Zuschüsse durch die Bundesanstalt für Arbeit auch noch die Tarifparteien verhandeln lassen will.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Ja!)

    Was die Tarifparteien mit ihren Verhandlungen in den letzten Jahren alles angestellt haben, das wissen wir,

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sind wir dafür auch noch zuständig?)

    und das müssen wir jetzt alle miteinander ausbaden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Horst Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Es gehören immer zwei dazu, Herr Glos! Zwei Parteien!)

    — Lieber Herr Kollege Jungmann, wenn Sie, statt selbst lautstark die Veranstaltung zu stören, zugehört hätten, hätten Sie merken müssen, daß ich von Tarifparteien gesprochen habe, und es ist selbstverständlich, daß dazu zwei gehören.

    (Horst Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: In Bayern weiß man das nicht immer so genau! — Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Herr Kollege, Sie sind nicht auf einer CSU-Veranstaltung, sondern im Deutschen Bundestag!)

    Die Gewerkschaften haben kein Monopol für wirtschaftliches Versagen bei uns im Land. Hier gab es einen unheilvollen Wettlauf mit manchen Managern.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Mit der Regierung!)

    Ihr sogenannter Frankfurter Kreis — das soll eine Organisation von linken SPD-Abgeordneten sein — bestreitet sogar, daß es eine Lohnkosten- und Steuerbelastungskrise in Deutschland gibt.
    Ein wirtschafts-, energie- und umweltpolitisches Eigentor schießt die SPD mit ihrem kompromißlosen Beschluß zum Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie. Die SPD spricht in ihrem Wirtschaftsprogramm unablässig von Ökologie. Ihre Ideologen sind jedoch nicht bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß allein im letzten Jahr durch die Kernenergie fast 160 Millionen t des klimaschädlichen CO2 vermieden werden konnten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Seit Beginn der Kernenergienutzung in Deutschland ist bis heute der Umwelt ein CO2-Ausstoß von sage und schreibe 1,8 Milliarden t Kohlendioxid erspart geblieben.

    (Dr. Klaus-Dieter Feige [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Durch den Zusammenbruch der Wirtschaft im Osten, durch nichts weiter!)

    Die SPD ist tief gespalten, wie sich an all diesen Beispielen zeigt. Eine Regierungsübernahme der SPD wäre eine Gefahr für unser Land.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Deswegen brauchen wir in dieser schwierigen Zeit Vernunft und Augenmaß zur Wiedererlangung unserer Konkurrenzfähigkeit. Die Dolchstöße der SPD gegen die Leistungsbereitschaft des einzelnen und die Investitionsbereitschaft der Unternehmen sind in einer solchen Phase unerträglich.

    (Horst Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Diese militante Sprache verrät Sie, Herr Glos!)

    Herr Scharping forderte in seiner Rede auf dem Parteitag in Wiesbaden ein Bündnis der Leistungsfähigen und der Starken; sonst könne den Schwachen nicht geholfen werden.



    Michael Glos
    Schon einige Sätze später in seiner Rede macht er allerdings gegen diese Leistungsträger Stimmung. Er läßt also die Maske fallen. Er spricht von der „Raffgesellschaft" und davon, daß jeder, der 2 000 DM Steuern zahlt, genausogut 2 200 DM bezahlen kann.

    (Zustimmung bei der SPD — Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das stimmt doch!)

    Jeder, der jetzt noch an der Steuerschraube drehen will, muß wissen, daß er die Wachstumsimpulse im Keim erstickt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sie sind geizig, Sie wollen nicht zahlen!)

    Ich würde Ihnen einmal empfehlen, beim 16. Präsidenten der USA, Abraham Lincoln, nachzulesen. Ich will nicht den ganzen Absatz vorlesen, aber wenigstens den Beginn:
    Ihr werdet die Schwachen nicht stärken, indem ihr die Starken schwächt. Ihr werdet denen, die ihren Lebensunterhalt verdienen müssen, nicht helfen, indem ihr diejenigen ruiniert, die sie bezahlen. Ihr werdet keine Brüderlichkeit schaffen, indem ihr Klassenkampf und Klassenhaß schürt. Ihr werdet den Armen nicht helfen, indem ihr die Reichen ausmerzt.
    All das gilt noch heute.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

    Die Soziale Marktwirtschaft kann nur funktionieren, wenn auch ausreichend Anreiz zur Leistung vorhanden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir haben eine Belastungsquote der Leistungsträger unserer Gesellschaft erreicht, die, wie ich meine, fast unerträglich ist und die wir nicht willkürlich weiter in Anspruch nehmen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Horst Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Wie lange sind Sie eigentlich an der Regierung?)

    Ich kann deshalb die SPD nur warnen, ihr Steuererhöhungskonzept weiterzuverfolgen. Hinter ihrer Verbalpirouette mit dem großartigen Titel „ökologische Umgestaltung des Steuersystems" verbirgt sich nichts weiter als eine drastische Erhöhung der Energiebesteuerung.
    Die Energiepreise, ein wichtiger Wettbewerbsfaktor — wir reden ja über den Wettbewerb der deutschen Wirtschaft —, befinden sich in Deutschland bereits in einer Spitzenposition. Ich erinnere daran: Der strompreisbedingte Mehraufwand der deutschen Industrie im Vergleich zu Frankreich betrug im letzten Jahr sage und schreibe 13,5 Milliarden DM.
    Wenn Sie wissen wollen, wie sich eine Energiepreiserhöhung auswirkt, so empfehle ich Ihnen einmal, einen Blick auf die Ölpreiskrisen 1973/74 und 1979/80 und auf die ökonomischen Folgen zu werfen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

    Wie wollen Sie es den Arbeitern der Stahlindustrie, der Metall- und der chemischen Industrie oder gar der Wälzlagerindustrie in Schweinfurt erklären, warum Sie die Energiepreise verteuern wollen und warum ihre Arbeitsplätze dann noch schneller ins Ausland verlagert werden sollen? Schon heute müssen diese Menschen, wie gesagt, wegen der hohen Produktionskosten bei uns im Land um ihre Arbeitsplätze bangen.

    (Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Wer regiert hier eigentlich? Das sind doch die Folgen eurer Regierung! — Ingrid MatthäusMaier [SPD]: Ja, wer regiert hier eigentlich in diesem Land?)

    — Wir sprechen im Moment von den Folgen hoher Energiekosten.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wer regiert denn hier?)

    Da kann ich nur sagen: Wir haben uns allezeit zur Kernkraft bekannt, die die preiswerteste Energie ist. Die Demonstrationszüge gegen die Kernkraftwerke sind allemal von der SPD und den GRÜNEN angeführt worden. Nicht weit weg von der Heimat des Herrn Scharping steht ein Kernkraftwerk, das man zum Museum umbauen kann,

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sie haben doch die Mehrheit! Warum regieren Sie nicht?)

    das voll intakt und in Ordnung ist, das jeden Tag für 1 Million DM Strom liefern könnte. So kostet es 1 Million DM Zinsen täglich. Wenn man all dies in wirtschaftliche Vernunft umwandeln würde, könnte man schon vielen Arbeitslosen helfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Herr Scharping kann anschließend auch erklären, was er damit gemeint hat, daß wir die Arbeitslosigkeit nur bewältigen, wenn die Menschen kürzer, also weniger arbeiten. Statt den Bürgern die unangenehme Wahrheit zu sagen, flüchten Sie sich damit in angenehme Unwahrheiten.
    Für wie dumm halten Sie eigentlich die Bürger, daß Sie glauben, ihnen sagen zu können: Ihr müßt nur weniger arbeiten, dann werden wir schon wieder wettbewerbsfähig?
    Wo bleibt Ihr Gegenfinanzierungsvorschlag für die Finanzierung der Pflegeversicherung? Hier können Sie zeigen, daß Sie wirtschaftlich dazugelernt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Lachen bei der SPD)

    Wollen Sie mit noch höheren Lohnkosten, mit noch höheren Lohnzusatzkosten, die zu höheren Lohnstückkosten führen, noch mehr Arbeitsplätze aus Deutschland vertreiben? Ob man es wahrhaben will oder nicht: In Deutschland waren die Lohnkosten je Produkteinheit 1992 immerhin um 30 % höher als 1985. In den USA sind die entsprechenden Kosten im gleichen Zeitraum nur um 3,6 % angestiegen, in Japan um 7,4 %.

    (Horst Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Wer regiert seit 1985?)




    Michael Glos
    Stefan Baron hat in der „Wirtschaftswoche" am 5. November 1993 richtig gesagt:
    Mit Umverteilung ist noch nie ein Problem gelöst worden, das seinen Ursprung im Bereich der Produktion hat.
    Bei allen wirtschaftspolitischen Entscheidungen, die wir in Deutschland treffen, müssen wir die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft im Auge behalten. Wir wissen, daß nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa von einer Rezession betroffen ist. Die gegenwärtige Situation in der EG ist geprägt von Strukturkrisen, Budgetdefiziten, Arbeitslosigkeit, steigenden Steuern und Sozialabgaben.
    Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Heil kann nicht Protektionismus sein, sondern wir müssen erst recht ja sagen zum freien Welthandel. Deswegen hoffe ich sehr, daß die Uruguay-Runde im Rahmen des GATT zu einem guten Ende geführt wird.

    (Horst Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Sitzt da auch die SPD am Verhandlungstisch?)

    Ich bedanke mich auch hier für den ausdrücklichen Einsatz des Herrn Bundeskanzlers, der die amerikanischen und die französischen Positionen näher zueinander gebracht hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Peter Sutherland, der GATT-Generaldirektor, hat in einem Interview mit der Tageszeitung „Die Welt" vorgestern gesagt:
    Mit einem GATT in den 30er Jahren wäre uns vielleicht der Zweite Weltkrieg erspart geblieben.
    Von der weiteren Öffnung der Märkte in aller Welt können wir in Deutschland neue wirtschaftliche Impulse erwarten. Bedingung ist allerdings, daß wir unsere eigenen strukturellen Krisen bewältigen, daß wir wieder lernen, nicht mehr auszugeben, als wir einnehmen, daß wir wieder lernen, daß Wohlstand nicht von Freizeit, sondern von Arbeit kommt. Hätten die Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg die wenige Arbeit, die vorhanden war, „gerecht verteilt", statt die Ärmel hochzukrempeln, hätte es nie ein deutsches Wirtschaftswunder gegeben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Horst Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Also 1945 gab es wenig Arbeit? So einen Blödsinn habe ich noch nie gehört!)

    Der bekannte Sanierer Kajo Neukirchen sagt heute zu Recht: „In Notzeiten müssen die Menschen eher mehr arbeiten als weniger."
    Die SPD ist als angebliche Arbeiterpartei aufgefordert, Arbeitsplätze zu sichern, ihre Blockadehaltung im Bundesrat gegen die Spargesetze aufzugeben, in der Energiepolitik Vernunft einkehren zu lassen, und die SPD ist vor allen Dingen aufgefordert, aufzuhören, die Menschen in unserem Land zu verhetzen.

    (Zurufe von der SPD)

    Helfen Sie lieber mit, den Karren wieder flottzumachen.
    Danke schön.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)