Rede von
Uta
Zapf
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es zeichnet sich ab, daß es in der Frage der Verurteilung der terroristischen Anschläge der PKK eine große Einigkeit in diesem Hause gibt. Ich glaube, es ist gut so, daß dies immer wieder betont wird.
Zweimal in diesem Jahr sind solche Anschläge schon verübt worden. Es hat Tote gegeben. Es hat viel Schaden gegeben. Aber der größte Schaden, meine Damen und Herren, ist mit diesen Anschlägen der gerechten Sache des kurdischen Volkes getan worden. Wir setzen uns alle gemeinsam — ich habe das auch aus Herrn Kinkels vorsichtigen Andeutungen gehört — dafür ein, daß wir der Türkei gegenüber in aller Deutlichkeit sagen: Wir verurteilen die militärische Gewaltanwendung gegen die Zivilbevölkerung zur Bekämpfung des Terrors in der Türkei. Ich denke, genau an diesem Punkt läßt sich das gesamte Dilemma dieses Problems aufzeigen, Herr Kinkel. Ich denke, da muß auch deutsche Politik einsetzen.
Auf der Tagesordnung, die für diese Woche vorliegt, ist ein Antrag der SPD-Fraktion zur Beerdigung erster Klasse, zur Ablehnung ohne Aussprache aufgeführt, nämlich das, was wir beantragt hatten: keine Waffenlieferung in die Türkei, sondern statt dessen Wirtschaftshilfe.
Ich denke, wir müssen etwas, was die SPD wiederholt vorgeschlagen hat, aufgreifen, nämlich daß man so etwas wie eine internationale Kurdenkonferenz einberuft. Ich denke, ich habe Herrn Hirsch richtig verstanden, daß er in diese Richtung gezielt hat. Wir sollten dies genauso ernsthaft durchdenken, wie wir die Maßnahmen zur Eingrenzung des Terrors durch die PKK in der Bundesrepublik bedenken sollten, die Frage des Verbotes oder anderer Mittel, mit denen man dieser Gewalttaten Herr werden kann.
Es kann doch nicht angehen, meine Damen und Herren, daß wir einfach nicht zur Kenntnis nehmen, daß in Südostanatolien ein Bürgerkrieg stattfindet, und sozusagen aus Freundschaft zur Türkei den Kopf in den Sand stecken. Ich möchte dazu einen unverdächtigen Zeugen zitieren, den ehemaligen französischen Botschafter in der Türkei, der in der Zeitschrift „Foreign Affairs" von einem Vernichtungskrieg gegen die kurdische Bevölkerung gesprochen hat und der davor warnt, daß in der Türkei ein Bürgerkrieg wie in Jugoslawien ausbrechen könne.
Heute war in der „Frankfurter Rundschau" ein hochinteressanter Artikel, der sehr genau beschrieben hat, wie die kurdische Bevölkerung, die nichts anderes will als das Recht auf ihre Kultur, das Recht auf ihre eigene Sprache, das Recht auf Bildung in eigener Sprache und das Recht, respektiert zu werden — wie es laut Menschenrechtscharta allen Menschen zusteht —, zerrieben wird zwischen dem Terror der PKK und den Militäraktionen der türkischen Regierung.
Es gibt das, was vorhin als Staatsterror bezeichnet wurde. Das Resultat ist, daß diese Menschen in die Arme einer terroristischen Organisation getrieben werden, nämlich in die Arme der PKK, weil sie in dieser Organisation die einzigen sehen, die ihre Belange noch einigermaßen vertreten.
Ich möchte Ihnen zwei Beispiele dafür geben, die ich selber erlebt habe, eines in Deutschland und eines in der Türkei. Ich war 1991 nach der Ermordung von Vedat Aydin in Diyarbakir und habe mit einer Familie gesprochen, deren Sohn bei der Beerdigung von türkischen Militärkräften erschossen worden war. Die Familie mußte fünf Tage lang nach dem Sohn suchen, bis ihr bekanntgegeben wurde, daß er tot ist. Das war eine gutbürgerliche, offensichtlich reiche kurdische Familie — Kaufleute — in Diyarbakir. Der Onkel des Erschossenen sagte voll Bitterkeit zur mir: „Einen Staat, der uns nicht will, den können wir auch nicht wollen. " — Ich denke, es muß einen ins Herz treffen,
wie verletzt diese Leute durch eine solche Behandlung sind. Es ist natürlich, daß sie sich einer solchen Organisation nähern. Ich denke, diesen Vorgang können wir auch im Augenblick dort beobachten.
Das zweite Beispiel passierte hier in Deutschland. Ein Taxifahrer, der mich zum Bundestag gefahren hat und mit dem ich ins Gespräch kam, stellte sich als Kurde heraus. Als er sagte, er komme aus Kurdistan, fragte ich ihn, aus welchem Teil er stamme. Darauf wollte er mir keine Auskunft geben. Wir kamen auf die PKK zu sprechen, und er sagte mir: „Wissen Sie, ich habe mit der PKK eigentlich gar nichts am Hut. Aber das sind die einzigen, die die Belange der Kurden vertreten. Deshalb bezahle ich ihnen jeden Monat freiwillig eine gewisse Summe Geldes für den Kampf der Kurden" . Dies, meine Damen und Herren, sollte uns doch zu denken geben.
Ich fordere die Bundesregierung ausdrücklich auf, Herr Kinkel, ihre schönen Worte über Menschenrechte und über den Dialog mit den türkischen Freunden tatsächlich wahrzumachen und nicht wieder alles unter den Tisch fallen zu lassen und in keiner Weise zu reagieren, wie es einem Staat gut ansteht, der die Menschenrechte überall verteidigt, auch gegenüber Verbündeten, die die Menschenrechte verletzen. Ich fordere Sie auf, das wahrzumachen. Ich fordere Sie auch auf, eine internationale Konferenz anzustoßen, sei es über den Europarat, sei es über die KSZE oder über die UNO. Denn wir müssen verhindern —