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    Plenarprotokoll 12/172 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 172. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 8. September 1993 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1994 (Haushaltsgesetz 1994) (Drucksache 12/5500) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1993 bis 1997 (Drucksache 12/5501) c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (Drucksache 12/5502) d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent wurfs eines Zweiten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungsund Wachstumsprogramms (Drucksache 12/5510) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt (Fortsetzung): Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des Mißbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz) (Drucksache 12/5630) Rudolf Scharping, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz 14735 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 14744 C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA . 14754 C Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. 14754 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 14758A Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 14760 C Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14764 C Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 14767 A Hans-Ulrich Klose SPD 14775 A Dr. Renate Hellwig CDU/CSU . . . 14778 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . 14778B Friedrich Bohl CDU/CSU 14784 B Johannes Gerster (Mainz) CDU/CSU 14786B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 14786D Michael Glos CDU/CSU 14790 C Walter Kolbow SPD 14791 D Dr. Hans Modrow PDS/Linke Liste . . 14796 C Hans-Gerd Strube CDU/CSU 14798A Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14799B Volker Rühe, Bundesminister BMVg . . 14800 B Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD 14802B, 14805C Helmut Schäfer (Mainz) F.D.P. . . . . 14805 B Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14805 D Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 14807 A Dr. Ingomar Hauchler SPD 14808 B Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14809 B Dr. Klaus Rose CDU/CSU 14810B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. September 1993 Ortwin Lowack fraktionslos 14812B Ernst Hinsken CDU/CSU 14812D Dr. Ulrich Briefs fraktionslos . 14814B, 14848 C Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS 14815C Michael Habermann SPD 14817 B Norbert Eimer (Fürth) F.D.P. . . . . . 14820 C Ortrun Schätzle CDU/CSU 14822 A Michael Habermann SPD 14822 D Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . 14824 A Maria Michalk CDU/CSU 14825 A Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ 14826D Dr. Edith Niehuis SPD 14829A Uta Würfel F D P. 14831 A Dr. Edith Niehuis SPD 14832 A Petra Blass PDS/Linke Liste 14833 A Susanne Jaffke CDU/CSU 14834 A Ralf Walter (Cochem) SPD 14835 B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 14837 C Doris Odendahl SPD 14838 C Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . . 14841D Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . . 14843 C Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14844 B Carl-Ludwig Thiele F D P 14845 B Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 14846 D Dr.-Ing. Paul Krüger, Bundesminister BMFT 14849B Josef Vosen SPD 14851D, 14855 C Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann F D P 14852 C Dietrich Austermann CDU/CSU 14855 B Siegmar Mosdorf SPD . . . 14856C, 14861A Werner Zywietz F D P 14857 D Josef Vosen SPD 14858 C Ingeborg Philipp PDS/Linke Liste . . . 14859 C Erich Maaß (Wilhelmshaven) CDU/CSU 14860B Nächste Sitzung 14862 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 14863* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. September 1993 14735 172. Sitzung Bonn, den 8. September 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Andres, Gerd SPD 8. 9. 93 Bartsch, Holger SPD 8. 9. 93 Blunck (Uetersen), SPD 8. 9. 93** Lieselott Dr. Blunk (Lübeck), F.D.P. 8. 9. 93 Michaela Böhm (Melsungen), CDU/CSU 8. 9. 93 ** Wilfried Börnsen (Bönstrup), CDU/CSU 8. 9. 93 Wolfgang Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 8. 9. 93 * Clemens, Joachim CDU/CSU 8. 9. 93 Ebert, Eike SPD 8. 9. 93 Dr. Fischer, Ursula PDS/LL 8. 9. 93 Fischer (Hamburg), Dirk CDU/CSU 8. 9. 93 Dr. Gautier, Fritz SPD 8. 9. 93 Heyenn, Günther SPD 8. 9. 93 Hollerith, Josef CDU/CSU 8. 9. 93 Jaunich, Horst SPD 8. 9. 93 Dr. Kübler, Klaus SPD 8. 9. 93 Lambinus, Uwe SPD 8. 9. 93 Lenzer, Christian CDU/CSU 8. 9. 93 ** Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 8. 9. 93 Meckel, Markus SPD 8. 9. 93 Michels, Meinolf CDU/CSU 8. 9. 93* Dr. Müller, Günther CDU/CSU 8. 9. 93 * Müller (Düsseldorf), SPD 8. 9. 93 Michael Opel, Manfred SPD 8. 9. 93*** Pfuhl, Albert SPD 8. 9. 93 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 8. 9. 93 Reuschenbach, Peter W. SPD 8. 9. 93 Dr. Riedl (München), CDU/CSU 8. 9. 93 Erich Dr. Scheer, Hermann SPD 8. 9. 93 * Schell, Manfred CDU/CSU 8. 9. 93 Schmidt (Nürnberg), SPD 8. 9. 93 Renate Stachowa, Angela PDS/LL 8. 9. 93 Dr. von Teichman, F.D.P. 8. 9. 93 Cornelia Weis (Stendal), Reinhard SPD 8. 9. 93 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Ullmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
    Bildungsnotstand — daran wurde schon erinnert —, dieser Ruf alarmierte das Land schon vor mehreren Jahrzehnten. Jetzt müssen wir festellen: Der Bildungsnotstand reicht noch viel weiter, als Georg Picht 1964 bei seinem Alarmsignal ahnen konnte. Auf Straßen, Schulhöfen, in Klassenräumen, ja sogar in den Familien breitet sich eine neue Art gewalttätigen Barbarentums mitten in unserer epochenalten Kultur aus. Gegen sie hilft kein Moralisieren, kein Rufen nach Tradition und Werten. Denn Tatsache ist, daß diese neue Barbarei gerade auf dem Obsolet- und Kraftlos-werden jener Werte beruht, von denen Stabilisierung und Abhilfe erwartet werden.
    Ich möchte diesen hilflosen Appellen nach rückwärts eine historische Behauptung entgegenstellen. Was wir erleben, ist das Auslaufen einer über 2 500 Jahre alten Schul- und Bildungstradition, die die Schule als unterste Stufe und Mindestbedingung für den Gelehrtenberuf ansah und darum Schreiben, Lesen und Rechnen als Basis und Anfang aller Künste lehrte. Schreiben, Lesen und Rechnen sind mittlerweile voll mechanisiert. Der Schule des digitalen Zeitalters fehlt damit jene Basis, auf der Antike, Mittelalter und Nachmittelalter aufbauten.
    Sind wir uns der ungeheuren Konsequenzen dieser Sachlage schon bewußt? Das gesprochene Wort in allen seinen Dimensionen und Strukturen hat ein so noch nie dagewesenes Gewicht bekommen. Die Kompetenz in seinem Bereich zu erlangen ist um viele Grade schwieriger geworden als zu der Zeit, in der Schriftsprache eine unmittelbar anschauliche Definition von Sprache war, ganz anders als jetzt, da vornehmlich Maschinen es sind, die die Kunst des Schreibens bzw. Druckens beherrschen.
    Alle, denen es nicht gelingt, die sprachliche Vollkompetenz der Kommunikation zu erlangen, sinken ab in die Barbarenwelt der neuen Analphabeten und Illiteraten der Informationsgesellschaft und entwikkeln sich immer mehr zu einer kritischen Masse von asozialem Gewaltpotential.
    Wer sich zur Priorität der Sozialpolitik bekennt, muß konsequenterweise in der Sozialisation durch Bildung deren ersten Schritt und ihre elementare Voraussetzung sehen.
    Eine neue Schule kann nicht aus dem Boden gestampft werden. Aber wer sie anstrebt, darf doch nicht weniger, er muß mehr Wissenschaft wollen. Um sie effektiv werden zu lassen, müssen weit ausgreifende Forschungsprogramme aufgelegt und organisiert werden, wie sie z. B. von Catenhusen und anderen in „Innovative Technologiepolitik" unlängst eingefordert worden sind.
    Es ist vollkommen unverständlich, daß der Bildungsnotstand dadurch vertieft wird, daß gerade in einer solchen Situation die Etatposten der Bundesministerien für Forschung und Technologie und für Bildung und Wissenschaft gekürzt werden. Ich kann nur sagen: Ich würde die beiden Herren Minister gerne unterstützen, aber sie sind offenbar an dieser Stelle zu weich gewesen. In beiden Fällen, könnte man sagen, handelt es sich nur um wenige Prozente.



    Dr. Wolfgang Ullmann
    Es tröstet mich nicht, daß man als mildernden Grund die geringe Kompetenz des Bundes in dieser Sache anführt. Das ist eine schwache Ausrede. Ich erinnere nur daran, daß Japan an der gleichen Stelle seinen Haushaltsansatz um 15 % erhöht hat. Ich darf an jene OECD-Studie erinnern, die der Bundesrepublik Deutschland in der Liste, die das Verhältnis von Bruttosozialprodukt zu Bildungsausgaben wiedergibt, den 22. Platz neben Ghana anweist. Also, hier muß das Parlament die Regierung in die Verantwortung nehmen.
    Ohne die Bereitschaft zu erheblichen Etatumstellungen würde es keinerlei Sinn haben, in die Diskussion folgender Fragen einzutreten, die im Sinne einer Effektivierung von Forschungs- und Hochschulpolitik unerläßlich sind:
    Erstens. Ist es angesichts der in Gang kommenden Umstrukturierung der Gesellschaft weiterhin zu verantworten, Forschung und Technologie einerseits, Bildung und Wissenschaft andererseits in zwei Ministerien aufzuspalten?
    Zweitens. Kann Studium weiter seinen akademischen Charakter, Lernen durch Teilhabe an Forschung, ohne eine erhebliche Reform und Aufstokkung der Studienfinanzierung bewahren? Diese Frage halte ich für viel wichtiger als den Versuch, etwa mit DDR-Methoden Studenten in das Handwerk abzudrängen.
    Sind die augenblicklichen Personalstrukturen samt dem sie fundierenden Hochschullehrerdienstrecht den heutigen Anforderungen an Forschung und Lehre noch gewachsen?
    Gerade wer die Beantwortung dieser Fragen nicht übers Knie brechen will, muß der Gesellschaft Zeit zum Dialog einräumen, aber auch Bereitschaft zur Finanzierung des Erforderlichen signalisieren.
    Ein Bildungsgipfel, der diese Fragen unbeantwortet ließe, wäre in meinen Augen kein Bildungsgipfel, sondern eine Bildungslücke.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)



Rede von Helmuth Becker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Nun hat als nächster unser Kollege Carl-Ludwig Thiele das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Carl-Ludwig Thiele


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! „Über allen Gipfeln ist Ruh"', so beginnt Johann Wolfgang von Goethe sein Gedicht. Zur Hochschulpolitik:
    Über allen Gipfeln ist Ruh',
    aber darunter spürest du
    nicht nur einen Hauch.
    Es ist ein Brausen und Toben, bis endlich droben
    über des Parlamentes Niederungen kommt er ans Licht gedrungen.
    Oder kommt der Bildungsgipfel etwa nicht?

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Selten wurde im Bereich der Hochschulen über ein Thema über einen so langen Zeitraum mit einer so unklaren Zeitsetzung räsoniert wie über den Bildungsgipfel. Für den Deutschen Bundestag gibt es bei den Beratungen des Haushalts 1994 fast keinen anderen Einzelposten, bei dem man — wie beim Hochschulbau — nicht weiß, ob der Regierungsansatz von 1,68 Milliarden DM das letzte Wort ist, weil — Parlament hin, Parlament her die Regierung möglicherweise doch einen Gipfel macht, der dann natürlich nicht nur mit symbolischen oder sibyllinisch verkrypteten Erklärungen enden darf, sondern konkrete Ergebnisse für den Bildungs- und Wirtschaftsstandort Deutschland bringen soll.
    Dieser Gipfel ist allerdings nicht nur für den Hochschulbau erforderlich, sondern auch aus vielen anderen Gründen. So muß es doch in dem zusammenwachsenden Deutschland möglich sein, die Zeit für die Erlangung der allgemeinen Hochschulreife einvernehmlich auf zwölf Jahre zu regeln.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Die F.D.P. fordert dies schon seit langem.
    Ferner muß deutlich werden, daß Deutschland eine lebendige Kulturnation bleibt. Das Ansehen Deutschlands in der Welt wird maßgeblich von der Vielfalt und dem Reichtum seiner Kultur geprägt. Auch deshalb war und ist Bildung nicht nur auf ökonomische Zwecke hin orientiert.
    Persönlichkeitsentwicklung und Stärkung der Eigenverantwortung sind neben der Wissensvermittlung wichtige Ziele, an denen sich die Bildung orientieren muß.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Der beste Platz, an dem dies vermittelt werden kann, ist die Familie. Unser Bildungssystem muß den Familien aber bei ihrer Erziehungsaufgabe beistehen. Die Vermittlung von positiven Wertvorstellungen wie Toleranz, Anständigkeit, Ehrlichkeit und auch die Einübung demokratischer Tugenden ist für das Zusammenleben der Menschen unerläßlich. Dieses muß durch unser Vorbild und durch Möglichkeiten geschehen, diese Werte erfahren und erlernen zu können.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Zum Hochschulbau haben wir im Haushaltsausschuß vor kurzem eine Vorstellung davon erhalten, wieviel von diesen Geldern gar nicht für den Hochschulneubau, sondern für Reparaturen, Asbestsanierungen und ähnliches ausgegeben wird. Ich frage mich in diesem Zusammenhang — auch über den Einzelplan 31 hinaus —, ob wir uns die preußisch genaue Durchsetzung von Asbestsanierungen im gesamten öffentlichen Bereich noch leisten wollen oder ob es hier nicht angesichts geringer gesundheitlicher Gefährdung durch Asbest — verglichen z. B. mit Passivrauchen; dieses ist nach Auffassung des Bundesgesundheitsamtes nämlich hundertmal schädlicher als Asbestgefährdung —, angesichts 'der Situation der öffentlichen Kassen, angesichts des knappen Ansatzes für den Hochschulbau nicht endlich angezeigt ist, das Vorschriftendickicht der Asbestsanie-



    Carl-Ludwig Thiele
    rung zu überprüfen oder es zumindest für einen auf einige Jahre befristeten Zeitraum auszusetzen. Ich meine, daß wir dieses über Parteien und alle öffentlichen Körperschaften übergreifend tun sollten. Lassen Sie uns nicht nur davon reden, daß wir Verkrustungen in unserem System haben! Lassen Sie uns auch einmal einige konkret beim Namen nennen und aufbrechen!

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Unabhängig davon halte ich es für notwendig zu überprüfen, ob nicht wieder Kolleggelder für Lehrveranstaltungen oder andere Formen finanzieller Anreize für Professoren geschaffen werden könnten; dann werden auch die Kapazitäten auf nicht ausgeschöpfte Kapazitäten überprüft.

    (Zuruf von der SPD: Zusätzlich zum Gehalt!)

    — Einverstanden.
    Während meines Studiums vor ca. 15 Jahren sagte mir ein befreundeter Arzt, daß die Zahl der Studienplätze für die Medizinstudenten trotz entsprechender Mittel für die Neueinrichtung von Studienplätzen deshalb nicht gestiegen sei, weil die Kolleggelder abgeschafft worden sind. Wir brauchen auch im öffentlichen Dienst eine Anreizförderung, damit sich dort etwas mehr bewegt, als es derzeit der Fall ist.
    Die Arbeiten, die wir verantwortlich für heranwachsende Generationen im Bildungsbereich erbringen müssen, umfassen aber nicht nur universitäre Maßnahmen, sondern auch entsprechende Maßnahmen der beruflichen Bildung. Dies gilt für die F.D.P. ebenso wie der Grundsatz, daß Begabtenförderung und Breitenförderung keine Gegensätze sind. Jeder einzelne, aber auch unsere Gesellschaft insgesamt ist darauf angewiesen, daß möglichst viele Menschen ihr individuelles Potential optimal entwickeln können. Besondere Begabungen werden nicht nur in Wissenschaft und Kunst, sondern auch in der Berufspraxis gebraucht. Wir benötigen deshalb in allen Bereichen von Aus- und Weiterbildung eine systematische Begabtenförderung; und ich freue mich, daß auch dieser Haushaltsentwurf entsprechende Mittel für die Begabtenförderung im beruflichen Bereich enthält.
    Unser duales System der beruflichen Bildung hat sich bewährt und wird international nachgefragt. Es ist allerdings erforderlich, die Gleichwertigkeit zwischen beruflicher und allgemeiner Bildung zu erhöhen, das System der beruflichen Bildung stärker zu differenzieren und seine Attraktivität im Vergleich zum Studium deutlich zu erhöhen, auch hinsichtlich erreichbarer Beschäftigungspositionen.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Dieses muß endlich dazu führen, daß die Berufsbildung die Durchlässigkeit zu anderen Ausbildungswegen und entsprechende Aufstiegsmöglichkeiten auch für beruflich Qualifizierte eröffnet.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ich begrüße es an dieser Stelle ausdrücklich, daß das Bundeskabinett dem Vorschlag des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft, Professor Dr. Rainer Ortleb, für eine Gemeinschaftsinitiative des Bundes, der Wirtschaft und der neuen Länder zur Sicherung der Berufsbildung in den neuen Bundesländern zugestimmt hat.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Doris Odendahl [SPD]: Das hat aber auch lange gedauert!)

    — Aber es kommt dann ja! Und nicht jeder Schnellschuß von Ihnen muß richtig sein.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Auch wer zu früh kommt, wird vom Leben bestraft!)

    Dieses Lehrstellenprogramm für Ostdeutschland für die Schaffung von bis zu 10 000 zusätzlichen außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen stellt auch angesichts der schwierigen finanziellen Situation des Haushalts einen enormen Kraftakt dar. Ich erwarte, daß die neuen Bundesländer dieses Angebot des Bundes positiv aufgreifen und die entsprechende Gegenfinanzierung sicherstellen.
    Ich weiß, daß sich die Haushaltspolitik und auch die Haushaltspolitiker häufig den Vorwürfen der Kollegen — allerdings selten innerhalb unserer Fraktion

    (Zurufe von der SPD: Na, na!)

    — lassen Sie mich meine Kollegen doch einmal ins Wort nehmen! — aus der Sozial-, Kultur- und Bildungspolitik ausgesetzt sehen, daß zuwenig für diese Bereiche getan werde. Dem kann ich nur entgegenhalten, daß Haushaltskonsolidierung Zukunftssicherung im besten Sinne des Wortes darstellt. Zukunftssicherung bedeutet eben auch, die Menschen davon zu überzeugen, daß sie nicht auf Kosten anderer und nicht auf Kosten ihrer eigenen Zukunft über ihre Verhältnisse leben können.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Sehr gut!)

    Gerade dieser Haushalt ist ein richtiger Schritt in diese Richtung. Lassen Sie uns hieran mitarbeiten!

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)