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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 12/172 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 172. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 8. September 1993 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1994 (Haushaltsgesetz 1994) (Drucksache 12/5500) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1993 bis 1997 (Drucksache 12/5501) c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (Drucksache 12/5502) d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent wurfs eines Zweiten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungsund Wachstumsprogramms (Drucksache 12/5510) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt (Fortsetzung): Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des Mißbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz) (Drucksache 12/5630) Rudolf Scharping, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz 14735 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 14744 C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA . 14754 C Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. 14754 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 14758A Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 14760 C Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14764 C Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 14767 A Hans-Ulrich Klose SPD 14775 A Dr. Renate Hellwig CDU/CSU . . . 14778 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . 14778B Friedrich Bohl CDU/CSU 14784 B Johannes Gerster (Mainz) CDU/CSU 14786B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 14786D Michael Glos CDU/CSU 14790 C Walter Kolbow SPD 14791 D Dr. Hans Modrow PDS/Linke Liste . . 14796 C Hans-Gerd Strube CDU/CSU 14798A Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14799B Volker Rühe, Bundesminister BMVg . . 14800 B Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD 14802B, 14805C Helmut Schäfer (Mainz) F.D.P. . . . . 14805 B Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14805 D Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 14807 A Dr. Ingomar Hauchler SPD 14808 B Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14809 B Dr. Klaus Rose CDU/CSU 14810B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. September 1993 Ortwin Lowack fraktionslos 14812B Ernst Hinsken CDU/CSU 14812D Dr. Ulrich Briefs fraktionslos . 14814B, 14848 C Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS 14815C Michael Habermann SPD 14817 B Norbert Eimer (Fürth) F.D.P. . . . . . 14820 C Ortrun Schätzle CDU/CSU 14822 A Michael Habermann SPD 14822 D Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . 14824 A Maria Michalk CDU/CSU 14825 A Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ 14826D Dr. Edith Niehuis SPD 14829A Uta Würfel F D P. 14831 A Dr. Edith Niehuis SPD 14832 A Petra Blass PDS/Linke Liste 14833 A Susanne Jaffke CDU/CSU 14834 A Ralf Walter (Cochem) SPD 14835 B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 14837 C Doris Odendahl SPD 14838 C Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . . 14841D Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . . 14843 C Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14844 B Carl-Ludwig Thiele F D P 14845 B Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 14846 D Dr.-Ing. Paul Krüger, Bundesminister BMFT 14849B Josef Vosen SPD 14851D, 14855 C Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann F D P 14852 C Dietrich Austermann CDU/CSU 14855 B Siegmar Mosdorf SPD . . . 14856C, 14861A Werner Zywietz F D P 14857 D Josef Vosen SPD 14858 C Ingeborg Philipp PDS/Linke Liste . . . 14859 C Erich Maaß (Wilhelmshaven) CDU/CSU 14860B Nächste Sitzung 14862 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 14863* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. September 1993 14735 172. Sitzung Bonn, den 8. September 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Andres, Gerd SPD 8. 9. 93 Bartsch, Holger SPD 8. 9. 93 Blunck (Uetersen), SPD 8. 9. 93** Lieselott Dr. Blunk (Lübeck), F.D.P. 8. 9. 93 Michaela Böhm (Melsungen), CDU/CSU 8. 9. 93 ** Wilfried Börnsen (Bönstrup), CDU/CSU 8. 9. 93 Wolfgang Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 8. 9. 93 * Clemens, Joachim CDU/CSU 8. 9. 93 Ebert, Eike SPD 8. 9. 93 Dr. Fischer, Ursula PDS/LL 8. 9. 93 Fischer (Hamburg), Dirk CDU/CSU 8. 9. 93 Dr. Gautier, Fritz SPD 8. 9. 93 Heyenn, Günther SPD 8. 9. 93 Hollerith, Josef CDU/CSU 8. 9. 93 Jaunich, Horst SPD 8. 9. 93 Dr. Kübler, Klaus SPD 8. 9. 93 Lambinus, Uwe SPD 8. 9. 93 Lenzer, Christian CDU/CSU 8. 9. 93 ** Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 8. 9. 93 Meckel, Markus SPD 8. 9. 93 Michels, Meinolf CDU/CSU 8. 9. 93* Dr. Müller, Günther CDU/CSU 8. 9. 93 * Müller (Düsseldorf), SPD 8. 9. 93 Michael Opel, Manfred SPD 8. 9. 93*** Pfuhl, Albert SPD 8. 9. 93 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 8. 9. 93 Reuschenbach, Peter W. SPD 8. 9. 93 Dr. Riedl (München), CDU/CSU 8. 9. 93 Erich Dr. Scheer, Hermann SPD 8. 9. 93 * Schell, Manfred CDU/CSU 8. 9. 93 Schmidt (Nürnberg), SPD 8. 9. 93 Renate Stachowa, Angela PDS/LL 8. 9. 93 Dr. von Teichman, F.D.P. 8. 9. 93 Cornelia Weis (Stendal), Reinhard SPD 8. 9. 93 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
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    Rede von Dr. Edith Niehuis


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, Frau Merkel, hier liegt ein Mißverständnis vor. Die Meßlatte, die wir an Sie legen, ist nicht der kleine 25-Millionen-Etat, sondern das ist die Frage: Was tut die Regierung insgesamt für die Frauen?

    (Beifall bei der der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Ich denke, da können Frauen nur in Resignation verfallen. Der Kanzler entdeckt den Standort Deutschland und meint, die Löhne seien zu hoch, es gebe zu viele ordnungsrechtliche Auflagen, und die Stabilität der sozialen Sicherungssysteme sei in Gefahr. Wissen Sie, wenn Frauen dieses hören, dann wissen sie, daß sie nicht gemeint sein können. Denn wer als Arbeiterin 30 % und als Angestellte 36 % weniger als der vergleichbare männliche Kollege verdient, kann sich vom Schimpf über zu hohe Löhne nicht angesprochen fühlen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das müssen Sie den Tarifpartnern sagen!)

    Es geht darum, was der Kanzler sagt.
    Wer wie die Gruppe der Frauen nach wie vor die schlecht abgesicherten Teilzeitarbeitsplätze nehmen muß und zunehmend in sozialversicherungsfreie Beschäftigungen geschickt wird, hat von dem Zuviel an ordnungsrechtlichen Auflagen noch nichts gehört. Wer im Leben immer wieder erfährt, daß unsere sozialen Sicherungssysteme auf einer durchgängigen Erwerbsbiographie beruhen — ob es das Arbeitsförderungsgesetz ist oder die Rentenversicherung —, diese als Frau objektiv aber selten vorweisen kann, hat von der Stabilität unseres sozialen Sicherungssystems wenig erfahren, ist stets durch dessen Maschen gefallen und schließlich bei der Sozialhilfe gelandet.
    Viel zu viele Alleinerziehende und Rentnerinnen können davon ein trauriges Lied singen. Das ist die weibliche Wirklichkeit, über die der Kanzler auch hätte reden können.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste — Uta Würfel [F.D.P.]: Herr Scharping übrigens auch!)

    Der Ausspruch „Die Armut ist weiblich" kommt doch nicht von heute, wo der Kanzler den Wirtschaftsstandort Deutschland entdeckt hat, sondern aus einer Zeit, als der Kanzler noch selbstgefällig die wirtschaftliche Blüte des Vaterlandes gepriesen hat. Nun könnte man meinen, wem es in sogenannten Schönwetterzeiten schon schlechtging, der würde in Schlechtwetterzeiten vor weiterem Unbill geschützt werden. Ich denke, es wäre trügerisch, wenn die Frauen diese Hoffnung hätten. Der soziale Kahlschlag, den Sie als Bundesregierung hier vorsehen, wird gerade Frauen besonders hart treffen.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Darum werden Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, nicht damit rechnen können, daß wir Ihnen da die Hand reichen.
    Worum geht es? Da zeigen die Statistiken eine zunehmende Frauenarbeitslosigkeit, und im Osten stellen die Frauen fast 65 % der Arbeitslosen. Da sagt das Bundesministerium für Frauen und Jugend in dem Bericht über Frauenerwerbstätigkeit in den neuen Bundesländern voraus, daß Frauen immer mehr in das Stadium der Langzeitarbeitslosigkeit hineinwachsen werden. Das sind Zahlen, die alarmieren, weil Frauen ins soziale und finanzielle Abseits abgedrängt werden. Frau Merkel, da hilft die konzertierte Aktion mit Ihrem runden Tisch herzlich wenig.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste — Uta Würfel [F.D.P.]: Warum schreit ihr immer nach konzertierten Aktionen?)

    In dieser Situation stimmt die Bundesministerin für Frauen und Jugend im Kabinett den Kürzungen bei Sozialhilfe, bei Arbeitslosenhilfe, bei Arbeitslosengeld, dem Kahlschlag bei Fortbildungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem Arbeitsförderungsgesetz zu. Das sind alles Maßnahmen, die Frauen besonders hart treffen. Zumindest einen lauten Protest von Ihnen, Frau Ministerin, hätten die Frauen schon verdient gehabt.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Als zynisch empfinde ich, was Sie im Oktober 1992 vor der Frauen-Union in Sachsen-Anhalt sagten, nämlich: Frauen dürften nicht glauben, daß sie ihre Rechte „auf dem Silbertablett" präsentiert bekämen. Dazu kann ich nur feststellen: Für Arbeitslose und Sozialhilfeempfängerinnen ist das Bild vom Silbertablett eine demütigende Zumutung.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Dabei wissen Sie als Bundesregierung, daß die Frauen besonders getroffen werden. Zumindest hat die Ministerin Merkel, als wir die zehnte Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz hier zu verabschieden hatten, in Zeitungen gesagt, daß Kürzungen mit Bezug auf Qualifizierungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen besonders Frauen treffen. Dennoch bleibt der Protest aus.
    Ich will Ihnen sagen, was hier abläuft. Da redet auf der einen Seite der Kanzler von Arbeitszeitverlängerung, und auf der anderen Seite fordert die Frauenministerin vermehrte Teilzeitarbeit für Frauen, wobei Teilzeitarbeit doch nichts anderes ist als Arbeitszeitverkürzung ohne vollen Lohnausgleich.

    (Uta Würfel [F.D.P.]: Ach du meine Güte!)

    — Natürlich ist es das. Merken Sie, wohin dann die Politik der Bundesregierung läuft? Wenn Sie so weitermachen, führt sie letztendlich zur totalen Verdrängung der Frauen vom Arbeitsmarkt. Das werden wir nicht mitmachen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wollen Sie Teilzeitarbeit mit vollem Lohnausgleich?)

    Ich frage mich, wie viele alarmierende Zahlen die Bundesregierung noch braucht, um sich endlich auf



    Dr. Edith Niehuis
    die Seite der Frauen zu stellen? Frauen lassen sich sterilisieren, um einen Arbeitsplatz zu bekommen.

    (Uta Würfel [F.D.P.]: Ich kenne keine!)

    Frauen treten in einen Gebärstreik, denn wie soll man sonst das, was in den neuen Bundesländern passiert — von 1990 bis 1992 ein Rückgang der Geburtenrate um 50 % — bezeichnen? Frauen werden zunehmend psychisch krank, wie jetzt sogar der Chefarzt der Thüringer Burgklinik, Stadtlengsfeld, auch für die neuen Bundesländer — für die alten Bundesländer wissen wir das schon sehr viel länger — meldet. Vor diesen Meldungen darf eine Frauenministerin die Augen nicht verschließen.
    Es ist schon schlimm genug, daß die Bundesregierung ihrer Verantwortung gegenüber Frauen in keiner Weise nachkommt. Aber der Gipfel ist, daß der Bundesfinanzminister in einer Fußnote zum sogenannten Konsolidierungsprogramm die Länder und Kommunen geradezu einlädt, die Verwirklichung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz nicht ernst zu nehmen. Damit setzt die Bundesregierung auf ihre alte Steuerlüge eine Kindergartenlüge drauf. Sie können nicht erwarten, daß wir Ihnen dazu die Hand reichen.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Schließlich geht es doch, Frau Würfel, um eine Gesetzgebung, die wir zusammen hier im Parlament mit großer, überparteilicher Mehrheit beschlossen haben. Zuerst verschieben Sie, die Bundesregierung, die Kosten auf andere — häufig auf die Kommunen — und nennen das fahrlässigerweise Sparprogramm. Dann sind es die Kommunen, die aus lauter Verzweiflung die Kindergartenbeiträge für die Eltern zunehmend erhöhen, so daß letztendlich die Inanspruchnahme des Kindergartenplatzes irgendwann schon aus finanziellen Gründen gefährdet ist. Dann hören Sie das Stöhnen der Kommunen und raten zum Nichternstnehmen eines Bundesgesetzes, des Gesetzes über den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Besser wäre es gewesen, die Bundesregierung würde sich durch eine Gemeinschaftsinitiative aktiv an dem Bau von Kindergärten beteiligen.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Wir wissen alle: Sie zerstören durch diesen Vorstoß der Bundesregierung einen ganz wichtigen Kern des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes, wie Sie überhaupt, so meine ich, durch den Bundeshaushalt 1994 von der vom Verfassungsgericht vorgeschriebenen frauen-, familien- und kinderfreundlichen Gesellschaft erheblich abweichen. Das ist schlimm genug. Das Verfassungsgerichtsurteil hat die Eigenverantwortung der Frau in Schwangerschaftskonflikten gestärkt. Wenn Sie in den weiteren Beratungen wagen sollten, diese Eigenverantwortung der Frau zu unterlaufen, dann werden Sie auf unseren erbitterten Widerstand und, so denke ich, auch auf den erbitterten Widerstand der Bevölkerung stoßen.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Nun frage ich mich, was eine Frauenministerin eigentlich mit der berechtigten Kritik macht. Dann kommt — das war die Substanz Ihrer Rede — der kleine Etatansatz von 25 Millionen DM zur Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frau und Mann. Mit diesem Ansatz zumeist für kleine Projekte werden Sie die struktuellen Verschlechterungen für Frauen nicht ausgleichen können. Bedenken Sie nur einmal, wie viele wichtige kleine Frauenprojekte, ja ein ganzes Frauennetzwerk, zerstört werden, weil keine Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen mehr finanziert werden.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Diesen Rückschlag werden Sie mit Ihrem kleinen Etatansatz nie und nimmer ausgleichen können. Als Parlamentarierin möchte ich gerade wegen dieser 25 Millionen DM noch einiges anmerken. Es ist unbefriedigend, wenn man einen Etatposten sieht, der — dieser Etatposten ist so — eigentlich nur ein Merkmal hat, nämlich das Merkmal der Undurchsichtigkeit. Es ist noch unbefriedigender, wenn man hört, daß diese wenigen Gelder auch noch in den Sand gesetzt werden, weil Projektansätze falsch sind, wie z. B. bei dem von Ihnen gerade genannten Modellversuch „Wiedereingliederung der Frauen ins Berufsleben" . Dieses Projekt konnte nur durch eine Reform vor dem Scheitern bewahrt werden. Ich bin versucht zu sagen: Wenn keine vernünftigen Ideen da sind, dann braucht man auch kein Geld.

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Wo sind denn Ihre Ideen?)

    Aber eines vermisse ich sehr: Wir haben es mit einer Bundesregierung zu tun, die nicht müde wird, die internationale Verantwortung Deutschlands anzumahnen und diese fahrlässig auf militärische Einsätze zu verkürzen. Viele Länder haben schon längst erkannt, was internationale Frauenpolitik bedeutet und spielen dort eine wichtige Rolle. Die Bundesrepublik Deutschland ist hier leider eine graue Maus, ob auf EG-Ebene oder auf UN-Ebene.
    Auch im Haushalt werden die Mittel für die internationale Frauenpolitik verschämt versteckt, vielleicht verschämt, weil sie beschämend sind. Ich wünschte mir hier mehr Engagement, weil internationale Frauenpolitik immer wichtiger wird und die Entwicklung der Welt zu wichtig ist, als daß wir sie allein den Männern überlassen könnten.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Wir, aber nicht nur wir, sondern auch der von mir sehr geschätzte Deutsche Frauenrat, der elf Millionen Frauen repräsentiert, sehen die frauenpolitische Richtung der Bundesregierung mit großer Sorge an. Ich kann Sie nur bitten: Kehren Sie um! Dieser Kurs ist fatal.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)



Rede von Helmuth Becker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Jetzt hat unsere Frau Kollegin Uta Würfel das Wort.




  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Uta Würfel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Tatsächlich ist der Haushalt des Frauen- und Jugendministeriums kein Etat, der durch seinen Umfang beeindruckt. Die Finanzmittel, die im Bereich Frauenpolitik und Jugend zur Verfügung stehen, sind im Vergleich zu den Milliardenbeträgen, mit denen wir sonst Politik machen, verschwindend gering.
    Aber die Beratungen des Haushalts geben auch uns Frauenpolitikern die Gelegenheit, über die Situation eines maßgeblichen Teils der Gesellschaft zu sprechen; denn Frauenpolitik ist Gesellschaftspolitik.
    Wir befinden uns weltweit und auch bei uns in Deutschland in einer gesellschaftlichen Umbruchsituation, die durch die Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands einen weiteren Impuls bekommen hat. Die Menschen im Osten wie im Westen fühlen, daß sich die Zeiten geändert haben und daß einiges überdacht werden muß, was über Jahrzehnte Gültigkeit hatte. Die Bereitschaft der Menschen, Veränderungen zu akzeptieren, wächst.
    Es ist nicht nur den Politikern klargeworden, daß die ordnungspolitischen Konzepte, die bislang funktionierten, auslaufende Modelle sind und in Zukunft nicht mehr angewandt werden können. Fehlentwicklungen in vielen gesellschaftlichen Bereichen zwingen zur Umkehr und verlangen nicht nur von uns Politikern, sondern von allen Bürgerinnen und Bürgern ein hohes Maß an Flexibilität und auch Kreativität.
    Wir sind in einer Phase der Rezession. Das heißt, es fallen auch in einem erheblichen Umfang Arbeitsplätze weg. Wir haben einen Rückgang der Beschäftigung. Hiervon sind besonders Frauen betroffen.
    Jedem Politiker und jeder Politikerin fällt es schwer, überhaupt die Zahl von vier Millionen nicht erwerbstätigen Menschen in den Mund zu nehmen. Denn es handelt sich dabei in der Regel um Männer und Frauen, die gerne einen bezahlten und versicherungspflichtigen Arbeitsplatz hätten und die dazu keine Chance bekommen. Natürlich wissen wir auch, daß hinter jedem dieser vier Millionen Menschen ein Einzelschicksal steht.
    Die gesellschaftliche Gesamtsituation wird besonders deutlich, wenn wir uns klarmachen, daß in Deutschland 29 Millionen Menschen erwerbstätig sind und diese 29 Millionen mit ihrem Einkommen für die weiteren 51 Millionen Menschen aufkommen: für die nicht erwerbstätigen Mütter, die Rentner, die Kinder, die Kranken und die Behinderten.
    Es ist durchaus das Verdienst von Wirtschaftsminister Rexrodt, auch auf Entwicklungen hingewiesen zu haben, in die wir in den nächsten Jahrzehnten eben nicht sehenden Auges hineinstolpern dürfen.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Immer wieder stelle ich fest, wie wenige Menschen überhaupt wissen, daß es auf die in Arbeit und Brot stehenden Menschen ankommt, die Renten sicherzustellen. Es gibt eben keinen Topf, in den jeder Erwerbstätige einzahlt, um bei Eintritt seines Rentenalters daraus seine Rente finanziert zu bekommen.
    Jeder Erwerbstätige finanziert durch seinen Beitrag, der ihm monatlich abgezogen wird, die Rente seiner Mutter und seines Vaters.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Das kann man den Genossen gar nicht oft genug sagen!)

    Es ist die uns nachfolgende Generation, die durch ihre Arbeitsleistung dafür sorgen muß, daß wir, die wir dann die aus dem Erwerbsleben ausgeschiedene Menschen sind, unseren Lebensunterhalt bestreiten können.
    Nicht von ungefähr hat das Bundesverfassungsgericht in seinem viel zuwenig beachteten Urteil vom Juli 1992 deutlich herausgestellt, daß es nicht länger angeht, daß Frauen, die Kinder erziehen und damit die Leistungsfähigkeit der Rentenversicherung auf Dauer garantieren, in ihrer eigenen Rentenversorgung große Einbußen hinnehmen müssen.
    Wir als Politiker dürfen wirklich nicht länger hinnehmen, daß diejenigen, die mit ihrer Erziehungsleistung die Grundlage für die Finanzierung der Rente überhaupt erst schaffen, als Rentnerinnen um die Früchte ihrer Arbeit betrogen werden, indem sie eine ganz geringe Rente erhalten.
    Das Beispiel mit den 35 Kindern, die erzogen werden müßten, um für Mütter eine Rente auf Sozialhilfeniveau zu erreichen, ist zwingend und zeigt jedem, wie es wirklich um das Einkommen der Mütter, wenn sie Kinder erzogen haben, bestellt ist, wenn sie Rentnerinnen sind.
    Da Frauen also darauf angewiesen sind, auch als Mütter zur Finanzierung ihrer eigenen Rente eine Berufstätigkeit auszuüben, wird ersichtlich, daß es darauf ankommt, einerseits mehr versicherungspflichtige Arbeitsplätze zu schaffen, andererseits auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Frauen zu verbessern. Dazu müssen alle bisherigen Instrumente zur Schaffung von Arbeitsplätzen auf ihre Tauglichkeit überprüft werden.
    Arbeitsplätze fallen nicht vom Himmel, sondern müssen von Unternehmern und Unternehmen für Arbeitswillige eingerichtet werden. Festgefahrenes, durch Ideologie bestimmtes Denken ist bei kreativen Überlegungen eher hinderlich, wie sich an den Äußerungen von Frau Matthäus-Maier zu den versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen im Haushalt zeigt, die leider von der SPD grundsätzlich durch den Begriff „Dienstmädchenprivileg" diffamiert werden.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Mein Fraktionsvorsitzender Dr. Solms hat heute vormittag bereits auf die Bedeutung und den angestrebten Umfang dieser Dienstleistungsarbeitsplätze in Familien hingewiesen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Auch Herr Schäuble hat es ausgiebig getan!)

    Ich hätte mich in der Tat gefreut, wenn auch Herr Scharping heute in seiner Rede die Frauenproblematik in der Gesellschaft überhaupt angesprochen hätte. Ich weiß nicht, ob ich es überhört habe; aber der Begriff „Frauen" und die besondere Situation von Frauen wurden von ihm nicht erwähnt.



    Uta Würfel
    Was wir brauchen, ist eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung und ein größeres Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen; denn nur dadurch ist es möglich, mehr Frauen in Beschäftigung zu bringen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Es ist doch so — das richtet sich an die Kolleginnen und Kollegen der SPD —, daß die Frauen vor allen Dingen deshalb Teilzeitarbeitsplätze wünschen, damit sie ihre Familientätigkeit mit der Berufstätigkeit vereinbaren können.
    Wie groß das Interesse der Frauen an Teilzeitarbeitsplätzen ist, ergibt folgender interessanter Vergleich. Von 1 000 männlichen Beschäftigten befinden sich nur 26 auf Teilzeitarbeitsplätzen, während von 1 000 Gesamtbeschäftigten 338 Frauen Teilzeitarbeitsplätze innehaben. Ich freue mich, daß es auch in diesem Bereich, Gott sei Dank, eine Abkehr von dem ideologisch geprägten Ziel gibt — auch bei der SPD —, für jeden Menschen einen Vollzeitarbeitsplatz vorhalten zu müssen.
    Erfreulicherweise gilt es auch bei den Überlegungen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze nicht mehr als unanständig, über eine Öffnung in der Tarifgestaltung nachzudenken. Sie wissen ja, daß diese Überlegungen sogar in einzelnen Gewerkschaften angestellt werden. So hat der IG-Chemie-Chef Hermann Rappe sich wiederholt für flexiblere Arbeitszeiten ausgesprochen. Er sprach sogar von der Samstagsarbeit und sagte, daß wenigstens auf dem zweiten Arbeitsmarkt Löhne unter Tarif möglich sein müßten — etwas, was ich nicht will; aber er erwähnt es wenigstens überhaupt.

    (Zuruf von der F.D.P.: Sehr vernünftig!)