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    Plenarprotokoll 12/172 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 172. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 8. September 1993 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1994 (Haushaltsgesetz 1994) (Drucksache 12/5500) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1993 bis 1997 (Drucksache 12/5501) c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (Drucksache 12/5502) d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent wurfs eines Zweiten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungsund Wachstumsprogramms (Drucksache 12/5510) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt (Fortsetzung): Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des Mißbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz) (Drucksache 12/5630) Rudolf Scharping, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz 14735 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 14744 C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA . 14754 C Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. 14754 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 14758A Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 14760 C Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14764 C Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 14767 A Hans-Ulrich Klose SPD 14775 A Dr. Renate Hellwig CDU/CSU . . . 14778 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . 14778B Friedrich Bohl CDU/CSU 14784 B Johannes Gerster (Mainz) CDU/CSU 14786B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 14786D Michael Glos CDU/CSU 14790 C Walter Kolbow SPD 14791 D Dr. Hans Modrow PDS/Linke Liste . . 14796 C Hans-Gerd Strube CDU/CSU 14798A Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14799B Volker Rühe, Bundesminister BMVg . . 14800 B Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD 14802B, 14805C Helmut Schäfer (Mainz) F.D.P. . . . . 14805 B Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14805 D Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 14807 A Dr. Ingomar Hauchler SPD 14808 B Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14809 B Dr. Klaus Rose CDU/CSU 14810B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. September 1993 Ortwin Lowack fraktionslos 14812B Ernst Hinsken CDU/CSU 14812D Dr. Ulrich Briefs fraktionslos . 14814B, 14848 C Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS 14815C Michael Habermann SPD 14817 B Norbert Eimer (Fürth) F.D.P. . . . . . 14820 C Ortrun Schätzle CDU/CSU 14822 A Michael Habermann SPD 14822 D Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . 14824 A Maria Michalk CDU/CSU 14825 A Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ 14826D Dr. Edith Niehuis SPD 14829A Uta Würfel F D P. 14831 A Dr. Edith Niehuis SPD 14832 A Petra Blass PDS/Linke Liste 14833 A Susanne Jaffke CDU/CSU 14834 A Ralf Walter (Cochem) SPD 14835 B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 14837 C Doris Odendahl SPD 14838 C Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . . 14841D Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . . 14843 C Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14844 B Carl-Ludwig Thiele F D P 14845 B Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 14846 D Dr.-Ing. Paul Krüger, Bundesminister BMFT 14849B Josef Vosen SPD 14851D, 14855 C Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann F D P 14852 C Dietrich Austermann CDU/CSU 14855 B Siegmar Mosdorf SPD . . . 14856C, 14861A Werner Zywietz F D P 14857 D Josef Vosen SPD 14858 C Ingeborg Philipp PDS/Linke Liste . . . 14859 C Erich Maaß (Wilhelmshaven) CDU/CSU 14860B Nächste Sitzung 14862 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 14863* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. September 1993 14735 172. Sitzung Bonn, den 8. September 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Andres, Gerd SPD 8. 9. 93 Bartsch, Holger SPD 8. 9. 93 Blunck (Uetersen), SPD 8. 9. 93** Lieselott Dr. Blunk (Lübeck), F.D.P. 8. 9. 93 Michaela Böhm (Melsungen), CDU/CSU 8. 9. 93 ** Wilfried Börnsen (Bönstrup), CDU/CSU 8. 9. 93 Wolfgang Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 8. 9. 93 * Clemens, Joachim CDU/CSU 8. 9. 93 Ebert, Eike SPD 8. 9. 93 Dr. Fischer, Ursula PDS/LL 8. 9. 93 Fischer (Hamburg), Dirk CDU/CSU 8. 9. 93 Dr. Gautier, Fritz SPD 8. 9. 93 Heyenn, Günther SPD 8. 9. 93 Hollerith, Josef CDU/CSU 8. 9. 93 Jaunich, Horst SPD 8. 9. 93 Dr. Kübler, Klaus SPD 8. 9. 93 Lambinus, Uwe SPD 8. 9. 93 Lenzer, Christian CDU/CSU 8. 9. 93 ** Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 8. 9. 93 Meckel, Markus SPD 8. 9. 93 Michels, Meinolf CDU/CSU 8. 9. 93* Dr. Müller, Günther CDU/CSU 8. 9. 93 * Müller (Düsseldorf), SPD 8. 9. 93 Michael Opel, Manfred SPD 8. 9. 93*** Pfuhl, Albert SPD 8. 9. 93 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 8. 9. 93 Reuschenbach, Peter W. SPD 8. 9. 93 Dr. Riedl (München), CDU/CSU 8. 9. 93 Erich Dr. Scheer, Hermann SPD 8. 9. 93 * Schell, Manfred CDU/CSU 8. 9. 93 Schmidt (Nürnberg), SPD 8. 9. 93 Renate Stachowa, Angela PDS/LL 8. 9. 93 Dr. von Teichman, F.D.P. 8. 9. 93 Cornelia Weis (Stendal), Reinhard SPD 8. 9. 93 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
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    Rede von Hannelore Rönsch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Familienpolitik, die Seniorenpolitik und die soziale Wohlfahrtspolitik sind die drei großen Aufgabenfelder des in dieser Legislaturperiode geschaffenen Ministeriums für Familie und Senioren. Sie sind sachlich und inhaltlich eng miteinander verbunden und bilden eine integrale Einheit. So gehören ganz selbstverständlich die alten Menschen mit zum Familienverbund, bei Pflegebedürftigkeit werden über 70 % von ihren Familienangehörigen versorgt. Ebenso sind die Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege aus der Versorgung alter und pflegebedürftiger Menschen außerhalb der Familie nicht mehr wegzudenken.
    Die Sozialhilfepolitik wiederum steht allein schon aufgrund der Urteile des Bundesverfassungsgerichts im engsten Bezug zur gerechten Ausgestaltung des Familienlastenausgleichs. Denn das Existenzminimum nach sozialhilferechtlichen Maßstäben ist von der Besteuerung freizustellen, dies gilt auch für den Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, der heute morgen darauf verzichten wollte. Wir sind nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts dazu gehalten. Auch sie müssen das Mindestkindergeld von 70 DM erhalten.
    Auf dem Gebiet der Familienpolitik sind im laufenden Haushaltsjahr deutliche Verbesserungen in Kraft getreten. Beim Unterhaltsvorschußgesetz konnte die Bezugsdauer von drei auf sechs Jahre verdoppelt und die Altersgrenze von sechs auf zwölf Jahre angehoben werden. Beim Erziehungsgeld wurde die Bezugsdauer auf zwei Jahre ausgeweitet.
    Dem Zwang zum Sparen konnte sich allerdings auch der Etat des Familienministeriums nicht entzie-



    Bundesministerin Hannelore Rönsch
    hen. Ich will hier kein Mißverständnis aufkommen lassen. Keine Mark, die den Familien zugute kommt, ist zu viel. Wir werden uns sicher auch in der Zukunft noch weitere Gedanken machen müssen, wie wir den Familienlastenausgleich noch gerechter gestalten können. Mir sind deshalb die Entscheidungen, die wir treffen mußten, mit Sicherheit nicht leicht gefallen, aber ich denke, daß es uns im Ergebnis nicht nur gelungen ist, unabwendbare Einsparungen sozial verträglich zu gestalten, vielmehr wurde sogar die Familienförderung ein Stück gerechter.
    Hierzu möchte ich zwei Beispiele nennen: Das Erziehungsgeld für Besserverdienende soll nun vom ersten Tag an einkommensabhängig gestaltet werden: Die Einkommensgrenze für Alleinerziehende liegt bei 110 000 DM, für Eltern bei 140 000 DM. Ich glaube, daß dies eine familienpolitisch unbedenkliche Maßnahme ist. Zu erheblich mehr Gerechtigkeit angesichts der knappen Mittel trägt bei, daß wir das aktuelle Einkommen zur Berechnungsgrundlage machen. Bisher war es üblich, daß das Einkommen von vor zwei Jahren zu Rate gezogen wurde. Geringerverdienende erhalten auch weiterhin ungeschmälert Erziehungsgeld. Wir verbinden hier das finanzpolitisch Nötige mit der Gestaltung von mehr sozialer Gerechtigkeit, und das ist durchaus zu vertreten.
    Das zweite Beispiel: Das Kindergeld bleibt unangetastet, auch beim dritten Kind. Dennoch sind Einsparungen notwendig, aber auch möglich geworden. Denn künftig wird das eigene Einkommen eines Kindes verstärkt berücksichtigt. Die Ausbildungsvergütung wurde bereits im Jahr 1976 mit einem gewissen Limit angerechnet. Zukünftig werden Einkünfte aus dem eigenen Vermögen eines Kindes mitberücksichtigt. Auch hier, meine ich, ist es ein Stück mehr Gerechtigkeit.

    (Vorsitz: Vizepräsident Helmuth Becker)

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesen Wochen, am 20. Oktober dieses Jahres, besteht das Familienministerium genau 40 Jahre. Vom ersten Bundesminister für Familienfragen — so hieß es damals —, Dr. Franz-Josef Wuermeling, war in den letzten Wochen wieder recht häufig die Rede. Der Wuermeling-Paß, die Fahrpreisermäßigung für kinderreiche Familien bei der Bundesbahn, ist seit 1955 ein Markenzeichen familienfreundlicher Tarifpolitik.
    Im Haushaltsentwurf 1994 war der Subventionsbetrag an die Bundesbahn erstmals nicht mehr enthalten. Ich darf Ihnen versichern, daß ich mich in den jetzt laufenden Verhandlungen ganz massiv dafür einsetzen werde, daß dieser Betrag auch weiterhin im Haushalt enthalten sein wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Allerdings meine ich, daß wir auch hier eine Einkommensgrenze einziehen können.
    Darüber hinaus, denke ich, sollte die Deutsche Bundesbahn aber auch aufgefordert werden, im Rahmen ihrer Tarifpolitik darüber nachzudenken, daß sie sich die Kunden von morgen, nämlich die Kinder, erhalten muß. Sie sollte Anreize schaffen, damit die Familien mit Kindern auch in der Zukunft zu ihren
    Stammkunden zählen. Ich erwarte von der Deutschen Bundesbahn, daß sie uns hier entgegenkommt.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir stehen alle gemeinsam vor der Aufgabe, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz des ungeborenen Lebens umzusetzen. Ich meine — und das ist meine feste Überzeugung —, daß dieses Thema in Wahlkämpfen nicht mißbraucht werden darf. Ich hoffe und wünsche mir, daß wir alle die Kraft aufbringen, mit der gebotenen Ernsthaftigkeit darüber zu diskutieren und auch in der gewünschten Eile gemeinsam einen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen.
    Frauen in Konfliktsituationen haben zum augenblicklichen Zeitpunkt leider sehr viel Ungewißheit; es wurde auch über die Medien sowie durch verschiedene Kolleginnen und Kollegen dazu beigetragen. Frauen in schwierigen Lebenssituationen sollten endlich wissen, an wen sie sich wenden können. Wir müssen mit dazu beitragen, daß dies schnell geschieht.
    Vor dem Hintergrund des rasanten demographischen Umbaus unserer Gesellschaft gewinnt die Seniorenpolitik zunehmend an Bedeutung. Ich freue mich, daß dies mittlerweile von allen Seiten dieses Hauses so anerkannt wird. Wir stellen heute die Weichen für morgen und übermorgen; denn schon heute leben im wiedervereinigten Deutschland 16 Millionen Menschen, die über 60 Jahre alt sind. Das ist heute jeder fünfte Bundesbürger.
    Mit zunehmendem Alter erhöht sich natürlich auch das Risiko gesundheitlicher Einschränkungen. Hilfen und Pflegeleistungen im Alter gewinnen zunehmend an Bedeutung. Deshalb verfolgt die Bundesregierung mit großer Vehemenz das Ziel, die Pflegeversicherung so schnell wie möglich einzuführen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Mir geht es ganz besonders darum, daß wir den 1,1 Millionen pflegebedürftigen alten Menschen, die zu Hause von ihren Angehörigen versorgt werden, 1994 tatsächlich weiterhelfen können. Tragen Sie alle mit dazu bei, helfen Sie mit! Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr, damit diese Pflegeversicherung, sozial gut ausgestaltet, endlich umgesetzt werden kann!
    Die Diskussion um die Pflegeversicherung überlagert augenblicklich, daß die überwiegende Mehrzahl der älteren und alten Menschen jedoch sehr aktiv und kompetent ist. Ich freue mich, wenn viele ältere Menschen ihre reiche Berufs- und Lebenserfahrung, ihre im Leben erworbene Kompetenz auch weiterhin in die Gesellschaft einbringen wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Politik muß alles tun, um dieses Engagement, dieses große Potential zu nutzen.
    Gefragt ist eine moderne Altenpolitik. Mit dem Bundesaltenplan und dem darin enthaltenen Modellprogramm „Seniorenbüros" haben wir einen wichtigen ersten Beitrag geleistet. Ende 1993 werden insgesamt 32 Seniorenbüros ihre Arbeit aufnehmen. Ich erhoffe mir davon — auch von der offenen Konzeption, die wir angeboten haben, basierend auf dem ehrenamtlichen Engagement —, daß wir die vielfältigen Möglichkeiten zu Kontakten zwischen älteren Men-



    Bundesministerin Hannelore Rönsch
    schen dann geschaffen haben und daß diese Kompetenz, die ich eben angesprochen habe, dann an viele weitergegeben wird.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren, besonders schwerwiegende Entscheidungen standen in diesen Monaten auch in der Sozialhilfepolitik an, die mit einem Leistungsvolumen von 42,5 Milliarden DM eine der großen Säulen unseres sozialen Sicherungssystems bildet. Erfreulicherweise ist es hier wie in der Familienpolitik gelungen, die notwendigen generellen Einschnitte in das Leistungssystem durch die konsequente Vermeidung bzw. durch die Überprüfung von Mißbräuchen auch sozialverträglich vorzunehmen.
    Wir müssen alles daransetzen, daß die knapper gewordenen Mittel denen zugute kommen, die sie tatsächlich benötigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir müssen auch Mißbräuche vermeiden. Hier appelliere ich ganz deutlich an die örtlichen Sozialhilfeträger, daß sie die Arbeitsgelegenheiten schaffen, die nach § 19 BSHG jetzt im Gesetz festgeschrieben sind, nämlich daß Sozialhilfeempfänger auch zu gemeinnützigen Arbeiten herangezogen werden sollen.

    (Beifall der Abg. Anneliese Augustin [CDU/CSU])

    In den Jahren 1994 und 1995 soll sich die Anpassung der Regelsätze am Anstieg der Nettolöhne ausrichten. Die Anwendung dieses Maßstabs ist sicher nur einmal ausnahmsweise gerechtfertigt. Aber sie ist gerechtfertigt in einer Situation, in der auch alle Arbeitnehmer netto keinen oder nur einen geringen Einkommenszuwachs zu erwarten haben. Dieser Schritt beinhaltet — und das gehört natürlich zur konsequenten Handhabung —, daß ab 1996 wieder auf die übliche Anpassung der Regelsätze zurückgegriffen wird.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke, daß wir im Interesse der Familien, der älteren Menschen innerhalb und außerhalb der Familien und ganz besonders im Namen der Schwächeren in unserer Gesellschaft aufgefordert sind, in den anstehenden Einzelberatungen sehr viel politische Sensibilität, Aufgeschlossenheit, aber auch das notwendige Verständnis für das wirtschaftlich Machbare aufzubringen. Bereits heute müssen wir die richtigen Weichen für langfristige, generationenübergreifende Erfordernisse unseres Zusammenlebens stellen. Wir alle haben die Aufgabe, Verantwortung wahrzunehmen. Wir sind dazu bereit, und wir laden Sie dazu ein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Helmuth Becker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege Michael Habermann, Sie haben jetzt das Wort.

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    Rede von Michael Habermann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Minister, ich kann Ihnen zusichern, daß Ihre Rede immer ein gewisses Spannungsmoment hat. Wenn man als Abgeordneter zuhört, wartet man darauf, ob Sie irgend etwas Neues sagen. Aber ich muß Sie enttäuschen: Diese Spannung hält sich noch immer bei mir. Das, was Sie heute hier erzählt haben, haben wir schon öfters gehört.

    (Maria Michalk [CDU/CSU]: Man kann das nicht oft genug sagen! — Irmgard Karwatzki [CDU/CSU]: Was wahr ist, muß gesagt werden!)

    — Es war zumindest nichts Schlechtes dabei, etwa die Ankündigung einer weiteren Kürzungsmaßnahme.
    Wenn Familien in diesem Land nach Bündnispartnern suchen, dann finden sie diese seit geraumer Zeit beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, bei den Familienverbänden und Wohlfahrtsverbänden sowie in Bonn bei der Opposition.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Uwe Küster [SPD]: Höchst bedauerlich!)

    Diese Bundesregierung ist für Familien zu einer Belastung geworden. Sie belastet die Familien, sie ist unzuverlässig, sie ist in Teilen inkompetent, und ihre Politik ist aus unserer Sicht sozial ungerecht.

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    Diese Bundesregierung hält ihre Versprechen nicht. So geschehen mit der vom Bundesfinanzminister versprochenen Nachzahlung des Kindergeldes für alle Familien auf Grund des Bundesverfassungsgerichtsurteils 1990, wo letztendlich doch nur die etwas bekamen, die noch einen offenen Steuerbescheid hatten.
    Die Bundesregierung gibt Zusagen, um die sie sich nicht mehr kümmert — ich hoffe, daß es heute keine offen bleibende Zusage von Ihnen war, was die Weiterentwicklung des Lastenausgleichs betrifft; denn es steht noch eine offene Zusage aus —; so geschehen im Januar 1992, als die Zusage gegeben wurde, daß der Kinderlastenausgleich weiter ausgebaut wird und dem Parlament dazu noch in dieser Legislaturperiode Vorschläge vorgelegt werden.
    Diese Bundesregierung diskriminiert aber auch ihre eigenen familienpolitischen Leistungen, wenn sie das Erziehungsgeld als Geburtsprämie bezeichnet, die sich ein Staat nur in fetten Jahren leisten kann.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Bundesregierung entwertet das Zusammenleben mit Kindern, indem sie verfassungswidrig das Existenzminimum von Kindern nicht steuerfrei stellt, das Bedarfsdeckungsprinzip in der Sozialhilfe außer Kraft setzt und die Lastenausgleichsregelungen für Kinder und Familien wie beim Erziehungsgeld immer weiter kürzt.
    Der vorliegende Haushalt und die ihn begleitenden Spargesetze sind die Fortsetzung der Unzuverlässigkeit, der Inkompetenz und einer Politik der mangelnden sozialen Gerechtigkeit.
    Die Familienpolitik der Bundesregierung ist aus unserer Sicht gescheitert. Immer weniger junge Menschen können sich unter den bestehenden Rahmenbedingungen vorstellen, daß sie mit Kindern zusammenleben können. Bestehende Kinderwünsche werden aufgeschoben oder werden immer weniger realisiert. In ganz Deutschland wurden 1992 rund 809 000 Kinder geboren, 21 000 weniger als 1991.



    Michael Habermann
    Von dieser Entwicklung besonders betroffen sind die neuen Länder. Zwar hat sich der drastische Geburtenrückgang von 39,6 % im Jahr 1991 verlangsamt, aber die 88 000 Geburten im vergangenen Jahr stellen immerhin nochmals einen Rückgang von 18 % gegenüber 1991 dar.
    Mit dieser Entwicklung hin zur Kinderlosigkeit nimmt Deutschland mit seiner Geburtenziffer den drittletzten Platz unter den 18 Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes ein. Als einziges Land hat es dabei noch eine höhere Sterbeziffer.
    Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, müssen sich an diesen Zahlen messen lassen; denn — jetzt kommt ein Zitat —
    der Geburtenrückgang ist in der Bundesrepublik stärker als in allen anderen europäischen Ländern. Die Ursache ist darin zu sehen, daß sich das Klima für die Familie, oder besser gesagt für Kinder, negativ verändert hat. Sie ist darin zu sehen, daß für die durchschnittlich verdienenden Bürger in der Bundesrepublik Kinderreichtum mit sozialem Abstieg identisch wurde.
    Dieses Fazit hat der damalige Oppositionsführer und heutige Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl gezogen.
    Wir müssen heute nach elf Jahren Kohl-Regierung feststellen: Das fehlende familien- und kinderfreundliche Klima in unserer Gesellschaft ist das Spiegelbild der fehlenden Interessenvertretung von Familien und Kindern in dieser Regierung.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Glatte Lüge!)

    Ihre Versprechungen, die Sie nicht gehalten haben, haben das Vertrauen vieler Familien in die Interessenvertretung durch die Politik nachhaltig beeinträchtigt. Fehlende Konzepte, um gesellschaftliche Entwicklungen und deren Auswirkungen auf Familien zu begleiten, zeigen die familienpolitische Inkompetenz der Bundesregierung. Der Eindruck in der Fachöffentlichkeit muß bestätigt werden, daß die Bundesregierung eher mit großflächigen Werbeplakaten für die Ministerin mit Senioren auffällt als durch Aussagen und Handlungsstrategien für eine sozial gerechte Familienpolitik.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn die Dreiteilung des ehemaligen BMJFFG einen Sinn gemacht hat, dann doch nur, um die Interessen von Familien und Kindern zielgerichteter und wirksamer wahrnehmen zu können. Wenn die Innovationskraft und die Kompetenz, die Fachlichkeit und das Durchsetzungsvermögen hätten verbessert werden können, so wäre auch dies eine Zielsetzung gewesen. Diese Zielsetzungen sind aber bis heute nicht erfüllt. Glauben Sie uns: Wir Sozialdemokraten hätten uns doch lieber mit den familienpolitischen Vorschlägen und Absichten des Ministeriums auseinandergesetzt als mit dem stetigen Problem des Personalmangels in den einzelnen Häusern.
    Der Verlauf der bisherigen Legislaturperiode zeigt, daß die Familienpolitik durch die Koalition und die Regierung keine neuen Impulse erfahren hat. Sie waren noch nicht einmal bereit, gute Vorschläge von uns zu unterstützen. Sie sind gegen einen Kinderbericht, wie ihn die Kinderkommission vorgeschlagen hat. Sie sind gegen einen Bericht über die Höhe des Existenzminimums, wie es aus der ersten Lesung herauszuhören war, und Sie sind gegen einen Armutsbericht. Dabei ist Ihre Angst vor dem Offenlegen der Wahrheit und dem ganzen Ausmaß der benachteiligten Lebenssituation von Familien mit Kindern durchaus begründet.
    Der Armutsbericht des Deutschen Caritasverbandes sowie jüngste Untersuchungen des rheinland-pfälzischen Sozialministeriums belegen die zunehmende materielle Verarmung von Familien. Bei immer mehr Personen mit Kindern ist festzustellen, daß das Einkommen mittlerweile unterhalb der Sozialhilfeschwelle liegt. Der Anteil der Familien unterhalb der nach Sozialhilfesätzen definierten Armutsgrenze hat sich in dem Zeitraum von 1981 bis 1986 verdoppelt. In Rheinland-Pfalz hat sich die Zahl der Familien mit Kindern, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, von 1980 bis 1990 um 250 % erhöht.
    Die noch vor 20 Jahren klassische Armutsgruppe der älteren Menschen, insbesondere der älteren Frauen, ist längst von einer neuen Armutsgruppe, nämlich von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowie von Frauen, die mit Kindern zusammenleben, abgelöst worden.

    (Dr. Barbara Höll [PDS/Linke Liste]: Skandalös ist das!)

    Wir wissen alle, welche negativen Auswirkungen materielle Armut auf die Entwicklung von Kindern und das Zusammenleben der Eltern hat.
    Der Zusammenhang zwischen Kindern und Armut ist auch von Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren der Regierungskoalition, nicht mehr zu leugnen. Wir als SPD-Bundestagsfraktion finden es beschämend, daß Kinder in einer der reichsten Industrienationen wie der unsrigen jetzt zum Armutsrisiko Nummer eins geworden sind.

    (Dr. Edith Niehuis [SPD]: Schlimm ist das!)

    Eine für die Familien positive Antwort auf diese Entwicklung bleibt die Bundesregierung allerdings schuldig.
    Wir Sozialdemokraten verfolgen mit der von uns vertretenen Familienpolitik mit Sicherheit keine demographischen Ziele. Angesichts der von der Bundesregierung ständig beklagten Alterung unserer Gesellschaft vermisse ich jedoch zusätzliche Initiativen, die die individuelle Entscheidung für Kinder positiv unterstützen. Im Gegenteil: Wir müssen feststellen, daß in jeder neuen Sparrunde Personen mit Kindern überproportional zur Kasse gebeten werden. Bei Familien mit Kindern kumulieren die Auswirkungen Ihrer Sparoperationen. Und Ihnen ist das — so sieht es zumindest aus — gleichgültig. Sie schneiden immer tiefer in das soziale Netz für Familien.

    (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: So etwas können Sie beim Seminar der Arbeiterwohlfahrt sagen!)

    — Dann sind Sie hier genau richtig! Hören Sie genau zu, dann können Sie vielleicht auch noch etwas mitnehmen.



    Michael Habermann
    Sie schrecken auch nicht davor zurück, weitere Kürzungen im Bereich des Bundessozialhilfegesetzes vorzuschlagen. Schon innerhalb des Föderalen Konsolidierungsprogramms wurden die Kürzungen im Bereich der Sozialhilfe seitens der Bundesregierung damit begründet, das im BSHG verankerte Gebot des Abstands zwischen unteren Lohngruppen und Sozialhilfeempfängern sei nicht mehr gewahrt. Wir wissen alle, daß diese Behauptung so nicht zutrifft. Vergleicht man nämlich das Nettoeinkommen eines alleinstehenden Vollzeitarbeitnehmers der unteren Lohngruppe in Höhe von 1 894 DM im Jahre 1991 mit der Höhe des Sozialhilfeeinkommens eines Alleinstehenden in Höhe von 1 049 DM, so ist der vielzitierte Lohnabstand sehr wohl gewahrt.
    Kritisch, sehr kritisch wird der Vergleich erst mit steigender Kinderzahl. Daß der Lohnabstand mit zunehmender Anzahl von Kindern kleiner wird, liegt daran, daß sich die Leistungen des Bundessozialhilfegesetzes am Existenzminimum aller Familienmitglieder orientieren, was bei den Arbeitseinkommen, bedingt durch einen völlig unzureichenden Familienlastenausgleich, fatalerweise nicht der Fall ist.
    Selbst der Deutsche Caritasverband — ein Verband, der Ihnen sehr nahe steht — stellt in seinem Armutsbericht „Arme unter uns" die Forderung auf, daß sich das Abstandsgebot zu unteren Lohngruppen nur auf den Abstand zu dem Nettoeinkommen Alleinstehender beziehen darf.
    Ganz abgesehen von dieser Kritik ist die Ausgewogenheit von Löhnen und Sozialhilfe in nahezu 90 aller Fälle auch gewahrt. Nach Berechnungen des Deutschen Caritasverbandes lebten 1991 78 % der Sozialhilfeempfänger in Ein- und Zwei-PersonenHaushalten und 9 % in Drei-Personen-Haushalten.

    (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: So hoch stand Caritas bei Ihnen noch nie im Kurs!)

    — Doch, bei uns schon immer. Da täuschen Sie sich.
    Dazu der Caritasverband in seiner Stellungnahme zum Sparprogramm der Bundesregierung:
    Selbst Kritiker
    — zu denen gehören Sie ja —
    des zu geringen Abstandes von Lohn und Sozialhilfe behaupten eine Verletzung des Abstandsgebotes nur bei den Haushalten mit vier oder mehr Personen. Folglich wird fast 90 % der Sozialhilfeempfänger eine Einbuße zugemutet mit einer Begründung, die für sie gar nicht zutrifft.

    (Zurufe von der SPD: So ist es! — Genau! — Das ist Mißbrauch!)

    Es ist ein Skandal — und das macht mich besonders betroffen —, daß die Bundesregierung die von ihr in Auftrag gegebene statistische Untermauerung des angeblich nicht vorhandenen Lohnabstandes bis heute nicht vorlegen kann. Mit anderen Worten: Die Bundesregierung kürzt die Sozialhilfe nun schon zum zweitenmal in diesem Jahr mit einer Begründung, deren Verifizierung noch aussteht. Deshalb fordern wir Sozialdemokraten: Legen Sie endlich Ihre Daten offen, und weisen Sie die Schlüssigkeit Ihrer Begründung für die Kürzung der Sozialhilfeleistungen nach.
    Meine Damen und Herren, die soziale Kälte der Politik der Bundesregierung hat nicht nur weitere Verarmungsprozesse der betroffenen Menschen zur Folge — so wie uns der DGB das vorgerechnet hat —, sie führt auch zu skandalösen Ausgrenzungsprozessen aus den Sicherungssystemen und zu einem Abgleiten in die Sozialhilfe. Sie reichen mit Ihrer Politik die Menschen von den Leistungen des Arbeitsförderungsgesetzes direkt an die Sozialhilfe weiter. Den Kommunen, von denen Sie immer vollmundig verlangen, für die Umsetzung des Rechts auf einen Kindergartenplatz geradezustehen, verschütten Sie mit Ihrer Sozialpolitik hemmungslos die finanziellen Spielräume, um dieser und anderen sozialen Aufgaben auch nur annähernd gerecht zu werden.
    Ihrer Verantwortung obliegt es, daß die schon benachteiligten Familien nicht noch weitere Nachteile erleiden müssen.
    Familien in den neuen Ländern sind noch stärker von den Auswirkungen Ihrer Politik betroffen. Wer die Lebensverhältnisse vieler Familien in den neuen Ländern kennt, weiß von den ungleich schwereren Bedingungen, als Familie leben zu können. Nicht nur die Wohnung und das Wohnumfeld, auch die erst im Aufbau befindliche soziale Infrastruktur und die weitaus größere Problematik der Arbeitslosigkeit machen den Familien zu schaffen.
    Dabei reduziert sich die vorhandene familiäre Selbsthilfemöglichkeit in dem Umfang, wie die äußeren Belastungen und Einschränkungen dieses Selbsthilfepotential zunehmend in Anspruch nehmen. Viele Familien fürchten um ihre Existenz, sehen sich den Belastungen nicht gewachsen, zerbrechen und gehen auseinander. Ihre Politik für Familien nicht nur in den neuen Ländern läßt das notwendige Maß an Fürsorglichkeit vermissen. Es ist Ihr fehlendes Gespür und Ihre nicht sichtbar werdende Verantwortung, die betroffen macht und erschreckt.
    Nicht erst durch die Vereinigung Deutschlands hat sich die Lebensrealität vieler Familien in den letzten Jahren stark verändert. Trotzdem orientiert sich Ihre Familienpolitik an Leitbildern, die diese gesellschaftlichen Veränderungen nicht berücksichtigen. Obwohl die Erziehung von Kindern eine gesellschaftlich notwendige Leistung ist, werden Menschen, die diese Aufgabe übernehmen, von dieser Regierung nur unzureichend unterstützt.
    Spüren alle Familien gegenüber Kinderlosen diese Nachteile, so sind die alleinerziehenden Mütter und Väter, insbesondere die Mütter, von dieser Situation besonders betroffen. Gerade diese in den letzten Jahren immer größer gewordene Gruppe von Familien benötigt positive Veränderungen in den bestehenden Rahmenbedingungen für ihre Lebensführung.
    Eine dieser positiven Veränderungen wäre die Flexibilisierung der Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs und des Erziehungsgeldes. Warum soll es nicht möglich sein, den Erziehungsurlaub als Zeitkontingent bis zum 12. Lebensjahr eines Kindes zu nehmen, nämlich genau dann, wenn er von der



    Michael Habermann
    Familie und dem Kind benötigt wird? Der Verwaltungsaufwand wäre sicherlich geringer als der für die Umsetzung der aktualisierten Einkommensgrenzen beim Erziehungsgeld.

    (Margot von Renesse [SPD]: Das ist wahr!)

    Dabei verstehen die Familien die Aktualisierung der Einkommensgrenzen beim Erziehungsgeld nicht; denn seit 1986 ist das Erziehungsgeld in seiner Höhe gleichgeblieben. Warum aktualisieren Sie nicht auch einmal die Höhe des Erziehungsgeldes, um eine jährliche Entwertung der Honorierung der Erziehungsleistungen zu verhindern?

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Die aktualisierten Einkommensgrenzen führen zwar laut Haushaltsentwurf zu Einsparungen im Bundeshaushalt, aber der Verwaltungsaufwand bei den Ländern frißt diese Einsparung auch schon wieder auf.

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Die Länder sollen sich verschlanken! Was halten Sie davon?)

    Für diese Bundesregierung gilt eben der Spruch, daß sich aus anderer Leute Leder gut Riemen schneiden läßt.
    Hier — und nicht nur hier — unterscheiden wir Sozialdemokraten uns von Ihnen: Statt mehr Bürokratie und Verwaltungsaufwand für familiäre Leistungen wollen wir Sozialdemokraten mehr Transparenz und mehr Durchschaubarkeit. Leistungen für Familien dürfen für diese nicht im Paragraphendschungel hängenbleiben. Leistungen müssen einfach erreichbar sein. Diesen Forderungen wird Ihre Familienpolitik nicht gerecht.
    Ihre Familienpoliltik hat nicht nur Strukturdefizite. Auf neue Entwicklungen und Anforderungen wissen Sie auch keine Antwort. Selbst die Auflagen des Bundesverfassungsgerichtes sind Sie nicht bereit zu erfüllen. Ohne Rücksicht auf dessen Urteil besteuern Sie seit fast zwei Jahren verfassungswidrig die Unterhaltsaufwendungen für das Existenzminimum von Kindern. Sie nehmen den unterhaltsleistenden Eltern so Jahr für Jahr Milliardenbeträge ab und tragen so zu den Verarmungsprozessen von Familien bei.
    Das Existenzminimum von 600 DM pro Kind und Monat wollen Sie durch Ihre Eingriffe in die Sozialhilfe auf Dauer festschreiben.

    (Zuruf von der SPD: Unmöglich!)

    Wir appellieren an Sie: Hören Sie auf, am Existenzminimum der Ärmsten zu manipulieren!

    (Beifall bei der SPD)

    Wir fordern Sie deshalb auch hier und heute wiederholt auf: Stellen Sie umgehend eine verfassungskonforme Besteuerung der Familie sicher.

    (Margot von Renesse [SPD]: Wenigstens das!)

    Einen Haushaltsentwurf, der gegenüber dem laufenden Jahr mehr als eine Verdoppelung der Ausgaben für das Internationale Jahr der Familie vorsieht, aber bei Erziehungsgeld und Kindergeld Ausgabenkürzungen zu verzeichnen hat, können wir so nicht akzeptieren. Eine Bundesregierung, die die Haushaltsmittel für ihre Selbstdarstellung erhöht, es aber nicht schafft, einen verfassungsgemäßen Kinderlastenausgleich sicherzustellen, kann von uns für ihren Haushalt keine Zustimmung erwarten.
    Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der SPD)