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ID1217206500

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    Plenarprotokoll 12/172 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 172. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 8. September 1993 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1994 (Haushaltsgesetz 1994) (Drucksache 12/5500) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1993 bis 1997 (Drucksache 12/5501) c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (Drucksache 12/5502) d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent wurfs eines Zweiten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungsund Wachstumsprogramms (Drucksache 12/5510) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt (Fortsetzung): Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des Mißbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz) (Drucksache 12/5630) Rudolf Scharping, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz 14735 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 14744 C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA . 14754 C Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. 14754 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 14758A Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 14760 C Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14764 C Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 14767 A Hans-Ulrich Klose SPD 14775 A Dr. Renate Hellwig CDU/CSU . . . 14778 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . 14778B Friedrich Bohl CDU/CSU 14784 B Johannes Gerster (Mainz) CDU/CSU 14786B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 14786D Michael Glos CDU/CSU 14790 C Walter Kolbow SPD 14791 D Dr. Hans Modrow PDS/Linke Liste . . 14796 C Hans-Gerd Strube CDU/CSU 14798A Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14799B Volker Rühe, Bundesminister BMVg . . 14800 B Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD 14802B, 14805C Helmut Schäfer (Mainz) F.D.P. . . . . 14805 B Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14805 D Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 14807 A Dr. Ingomar Hauchler SPD 14808 B Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14809 B Dr. Klaus Rose CDU/CSU 14810B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. September 1993 Ortwin Lowack fraktionslos 14812B Ernst Hinsken CDU/CSU 14812D Dr. Ulrich Briefs fraktionslos . 14814B, 14848 C Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS 14815C Michael Habermann SPD 14817 B Norbert Eimer (Fürth) F.D.P. . . . . . 14820 C Ortrun Schätzle CDU/CSU 14822 A Michael Habermann SPD 14822 D Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . 14824 A Maria Michalk CDU/CSU 14825 A Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ 14826D Dr. Edith Niehuis SPD 14829A Uta Würfel F D P. 14831 A Dr. Edith Niehuis SPD 14832 A Petra Blass PDS/Linke Liste 14833 A Susanne Jaffke CDU/CSU 14834 A Ralf Walter (Cochem) SPD 14835 B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 14837 C Doris Odendahl SPD 14838 C Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . . 14841D Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . . 14843 C Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14844 B Carl-Ludwig Thiele F D P 14845 B Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 14846 D Dr.-Ing. Paul Krüger, Bundesminister BMFT 14849B Josef Vosen SPD 14851D, 14855 C Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann F D P 14852 C Dietrich Austermann CDU/CSU 14855 B Siegmar Mosdorf SPD . . . 14856C, 14861A Werner Zywietz F D P 14857 D Josef Vosen SPD 14858 C Ingeborg Philipp PDS/Linke Liste . . . 14859 C Erich Maaß (Wilhelmshaven) CDU/CSU 14860B Nächste Sitzung 14862 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 14863* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. September 1993 14735 172. Sitzung Bonn, den 8. September 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Andres, Gerd SPD 8. 9. 93 Bartsch, Holger SPD 8. 9. 93 Blunck (Uetersen), SPD 8. 9. 93** Lieselott Dr. Blunk (Lübeck), F.D.P. 8. 9. 93 Michaela Böhm (Melsungen), CDU/CSU 8. 9. 93 ** Wilfried Börnsen (Bönstrup), CDU/CSU 8. 9. 93 Wolfgang Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 8. 9. 93 * Clemens, Joachim CDU/CSU 8. 9. 93 Ebert, Eike SPD 8. 9. 93 Dr. Fischer, Ursula PDS/LL 8. 9. 93 Fischer (Hamburg), Dirk CDU/CSU 8. 9. 93 Dr. Gautier, Fritz SPD 8. 9. 93 Heyenn, Günther SPD 8. 9. 93 Hollerith, Josef CDU/CSU 8. 9. 93 Jaunich, Horst SPD 8. 9. 93 Dr. Kübler, Klaus SPD 8. 9. 93 Lambinus, Uwe SPD 8. 9. 93 Lenzer, Christian CDU/CSU 8. 9. 93 ** Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 8. 9. 93 Meckel, Markus SPD 8. 9. 93 Michels, Meinolf CDU/CSU 8. 9. 93* Dr. Müller, Günther CDU/CSU 8. 9. 93 * Müller (Düsseldorf), SPD 8. 9. 93 Michael Opel, Manfred SPD 8. 9. 93*** Pfuhl, Albert SPD 8. 9. 93 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 8. 9. 93 Reuschenbach, Peter W. SPD 8. 9. 93 Dr. Riedl (München), CDU/CSU 8. 9. 93 Erich Dr. Scheer, Hermann SPD 8. 9. 93 * Schell, Manfred CDU/CSU 8. 9. 93 Schmidt (Nürnberg), SPD 8. 9. 93 Renate Stachowa, Angela PDS/LL 8. 9. 93 Dr. von Teichman, F.D.P. 8. 9. 93 Cornelia Weis (Stendal), Reinhard SPD 8. 9. 93 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Gerd Poppe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum drittenmal in dieser Legislaturperiode — diesmal noch deutlicher als in den vorangegangenen Fällen — ist zu konstatieren, daß sich die Haushaltsdebatte wieder zu einem reinen Ritual zu entwickeln droht. Das gilt besonders für die bisherigen außen- und sicherheitspolitischen Aussagen der Bundesregierung.
    Erneut müssen wir feststellen, daß sie unter einem Hauptmangel leiden: dem Fehlen eines konzeptionellen Neuansatzes, der den Veränderungen seit dem Ende der bipolaren Welt auch nur annähernd gerecht wird.

    (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Richtig!)

    Er wird immer nur angekündigt, auch heute wieder.

    (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Ja!)

    Es gibt gegenwärtig überhaupt keine Konzeption, es sei denn, man betrachtet die gebetsmühlenartige Beschwörung der neuen Rolle Deutschlands in der Welt als solche. Vermutlich müssen wir uns damit abfinden, daß es uns bis zu den Neuwahlen verborgen bleiben wird, ob diese neue Rolle noch in etwas
    anderem besteht, als daß deutsche Soldaten in Somalia auf das Erscheinen indischer Blauhelme warten.
    Statt daß nach einem in sich schlüssigen Gesamtkonzept gehandelt wird, erleben wir nach wie vor mangelnde Abstimmung verschiedener Ressorts, aber auch offenkundige Orientierungsprobleme innerhalb des Auswärtigen Amtes sowie opportunistisches, mindestens aber widersprüchliches Verhalten im internationalen Kontext.
    Dafür ein Beispiel: Noch auf dem Kopenhagener Gipfel im Juni dieses Jahres erklärte der Bundesaußenminister, Pläne zur Teilung von Bosnien-Herzegowina, die den bosnischen Muslimen gettoähnliche Restzonen überlassen, wären völlig unakzeptabel; wir bekämen dann ein neues Palästina. Noch am 28. August lehnte er eine Lösung ab — er hat das heute wiederholt —, die den Moslems ein würdiges Leben unmöglich macht, und äußerte in einem Interview seine Skepsis gegenüber dem jüngsten Teilungsplan von Owen und Stoltenberg. Ganze zwei Tage, bis zum 30. August, dauerte es, bis Staatsminister Schäfer erklärte, wenn die Moslems sich gegen den Teilungsplan sträubten, dann müßten sie die Verantwortung für die weitere Entwicklung tragen.
    Von der Kritik an der Verhandlungsführung Lord Owens bis zur Übernahme von dessen Zynismus, wonach den Opfern die Verantwortung für die absehbare Fortführung des Aggressionskrieges gegen sie anzulasten wäre, gelangt das Auswärtige Amt innerhalb von zwei Tagen. Staatsminister Schäfer, haben Sie sich nur vergaloppiert, oder ist es Ihre undankbare Aufgabe, die unangenehmen Wahrheiten zu verkünden, während sich der Außenminister der politischen Moral und der Durchsetzung der Menschenrechte widmet? Das sollten Herr Kinkel oder Sie, Herr Staatsminister, einmal erklären.
    Ein anderer beklagenswerter Mangel: Wo ist das Konzept der Bundesregierung zur Demokratisierung und Aufwertung der Vereinten Nationen? Die Reform ist überfällig. Spätestens seit den hilflosen Versuchen in Bosnien und Somalia weiß das jeder. Ich vermisse z. B. konkrete Vorschläge, um die längst in der UN-Charta vorgesehenen Verfahren zur friedlichen Beilegung von Konflikten endlich rechtsverbindlich zu machen, oder Vorschläge über ein neues Sicherheitsratsmodell, über die Partizipation von nationalen Parlamenten oder von Nichtregierungsorganisationen.
    Es ist entschieden zuwenig, als vorrangiges Ziel nur auf das größere Gewicht eines im Sicherheitsrat vertretenen starken Deutschlands zu setzen. Ohne eine demokratisierte und mit den Sonderorganisationen koordinierte UNO ist zu erwarten, daß nationale Interessensicherung in beliebigen Teilen der Welt — und dann womöglich unter Beteiligung der Bundeswehr — auch zukünftig einen höheren Stellenwert hat als der internationale Menschenrechtsschutz.
    Die einzigen außen- und sicherheitspolitischen Bemühungen, die so etwas wie ein Ziel erkennen lassen, sind solche nach dem Motto: Wir sind wieder wer in der Welt! Dem entspricht auch die Positionierung innerhalb der Militärbündnisse. Nichts ist davon zu sehen, daß die Bundesregierung der NATO eine



    Gerd Poppe
    zeitgemäße Rolle zudenkt, etwa ihre Umwandlung in ein gesamteuropäisches, der KSZE zugeordnetes kollektives Sicherheitssystem.
    Statt eines Konzepts erleben wir nun den peinlichen Vorgang einer einseitigen Ankündigung gemeinsamer Manöver von Bundeswehr und polnischer Armee, was sofort dementiert wird. Schon handfester ist da das Deutsch-Französische Korps. Das aber gehört nun eher zu den Versuchen einer Wiederbelebung der WEU.
    Bleibt also nur die westeuropäische Wohlstandssicherung und Großmachtpolitik statt einer gesamteuropäischen Sicherheit?
    Im übrigen zeichnet sich die EG-Politik weiterhin durch einen Mangel an Koordinierung aus. Maastricht scheint schon fehlgeschlagen, denn einen qualitativen Schritt zur Demokratisierung der EG gibt es nicht, und das Kernstück Währungsunion hat sich bereits, wie zu erwarten war, als Phantom erwiesen.
    In Sicht ist ein Binnenmarkt mit nicht deklarierten genmanipulierten Lebensmitteln, aber keine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik einer demokratischen zivilen Europäischen Union mit gesamteuropäischer Perspektive. Dadurch wird eine Tendenz verstärkt, die in manchen europäischen Ländern schon zu beklagen ist und der sich die Bundesrepublik nun zu öffnen anschickt: eine Renaissance nationalstaatlich geprägter Außenpolitik mit deutlichen Zügen traditionellen militärisch abgestützten Großmachtstrebens.
    Wenn sich der Haushalt 1994 auf einen derartigen Politikersatz bezieht, bleibt nur, ihn ganz entschieden abzulehnen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat nunmehr der Bundesminister der Verteidigung, Volker Rühe.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Volker Rühe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Abgeordnete Strube, Berichterstatter der CDU/CSU im Haushaltsausschuß, hat recht: Der Verteidigungsetat des Jahres 1994 bewegt sich am Rande des für die Bundeswehr Erträglichen. Es gibt keinen weiteren Spielraum für Absenkungen. Wir haben eine noch einmal um 2,5 % gesenkte Summe Geld zur Verfügung, haben aber gleichzeitig mehr Aufgaben übernommen, indem nämlich alle internationalen Einsätze aus dem Haushalt finanziert werden müssen.
    Die Bundeswehr braucht jetzt eine ruhige Entwicklung. Sie muß sich ja noch weiter auf 370 000 Mann reduzieren. Die meisten tun so, als sei das bereits erreicht. Das muß zum 1. Januar 1995 erreicht sein. Das darf nicht übersteuert werden.
    Deswegen plädiere ich an alle zu begreifen: Wir brauchen keine neue Unruhe, keine neuen Stationierungsdebatten. Ich muß im übrigen sagen: Wer Soldaten nach Somalia schickt und dann hier Stationierungsdebatten anzettelt, den Soldaten also sozusagen zu Hause die Tür zumacht, handelt unverantwortlich gegenüber den Soldaten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich muß von allen Fraktionen erwarten, daß wir ausreichende Finanzen zur Verfügung haben, um die Bundeswehr in Ruhe auf eine Stärke von 370 000 Mann zurückzuführen.
    Positiv ist die Verstetigung für die Jahre danach. Das ist auch notwendig, denn nur dann haben wir Planungssicherheit. Ich stimme zu: Wir brauchen mehr Geld für Investitionen. Wir wollen sparen, wir wollen Redundanzen zwischen den Teilstreitkräften beseitigen. Wir wollen auch Privatisierungen im Bereich der Logistik klären.
    Das Ersparte soll zu einem stärkeren Anteil der Investitionen bei der Bundeswehr führen.
    Dieser harte Sparhaushalt war notwendig, weil wir noch mitten in dem schwierigen Einigungsprozeß stehen. Ich möchte auch deutlich machen, daß die Bundeswehr in der Tat Schrittmacher im Einigungsprozeß ist. Alles zusammengenommen geben wir 5 Milliarden DM aus. Ich versuche, Kürzungen bei den Investitionen im Osten fast völlig zu vermeiden. Wer versucht, diese Mittel weiter zu beschneiden, muß wissen, daß das direkte Auswirkungen auf Stralsund, Dresden, Erfurt und wo auch immer in Ostdeutschland hat. Das, was wir an Investitionen in einer Größenordnung von 1 Milliarde DM vorhaben, ist dann nicht mehr zu halten.
    Die Bundeswehr ist vorbildlich im Einigungsprozeß. Manche können sich da eine Scheibe abschneiden. Ich nutze auch alle Reden in Westdeutschland, um deutlich zu machen, daß wir von dem westdeutschen Egoismus herunter müssen.
    Wir schließen eben die Heeresoffiziersschulen in München und Hannover — hervorragende und moderne Gebäude — und gehen nach Dresden. Jeder Offizier des deutschen Heeres wird in Zukunft nur in Dresden seine Ausbildung finden. Es muß eben auch Eliteausbildungen nur in Ostdeutschland geben. Ich weiß, die Dresdner Bank wird nicht nach Dresden zurückkehren. Aber ich würde mir schon wünschen, daß manch große Versicherung und manch großes Unternehmen auch mit der Führung in den Osten ginge.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir schließen eine Reihe von Marinetechnikausbildungsstätten in Westdeutschland, um eine einzige große Marinetechnikschule in Stralsund-Parow aufzubauen.
    Neue Flugplätze in Ostdeutschland kosten bis zu 1 Milliarde DM. Militärisch sind sie nicht notwendig; denn die Flugzeuge sind in zwei bis drei Minuten da. Aber es wäre keine Armee der Einheit, wenn ich sagen würde: Wir bleiben auf unseren schönen Flugplätzen im Westen, die Flugzeuge schicken wir hinüber, sollen sie da patrouillieren! Das muß man auch begreifen, wenn man über den Verteidigungsetat spricht: Wir setzen Milliarden ein, die militärisch nicht zwingend geboten sind, aber die im Sinne der Herstellung der Armee der Einheit zwingend geboten sind. Dafür bitte ich auch um Unterstützung aus allen Bereichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)




    Bundesminister Volker Rühe
    Für mich ist der Schritt in den Bendlerblock auch ein ganz wichtiger Schritt zum Zusammenwachsen der Streitkräfte dieses Landes. Ich freue mich über die positive Reaktion und über das Zusammenwachsen der Menschen in dieser Bundeswehr. Ich freue mich, daß wir anknüpfen können an die Tradition des deutschen Widerstands. Ich denke, das ist auch etwas, was wir gemeinsam fördern sollten.
    Im übrigen gibt es kaum einen Bereich der Gesellschaft, in dem Deutschland so schnell zusammenwächst wie in der Bundeswehr, weil sich da die junge Generation trifft, die sich vorher nicht getroffen hat.
    Manche mögen es für etwas sentimental halten, aber ich werde für immer in Erinnerung behalten, wie es war, als ich das erste Mal auf der Reiteralpe war. Für einen Flachländer wie mich sind 2 000 m ohnehin schon ziemlich hoch. Dort habe ich sächsische und thüringische Laute gehört. Wehrpflichtige aus Sachsen waren da, mit denen ich gesprochen habe. Sie sind dort wie die Bayern und die Hessen und andere die Berge hochgekraxelt. Sie haben 16 Jahre lang in ihrem Leben die Alpen nur von Postkarten gekannt, und sie dachten auch, das würde immer so bleiben. Jetzt waren sie dort gemeinsam mit Wehrpflichtigen aus Bayern, aus Hamburg und aus Nordrhein-Westfalen. Dort in der Bundeswehr wächst Deutschland wirklich zusammen. Darauf sind wir auch stolz.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir müssen die Bundeswehr behutsam in die Zukunft führen und auch weiter sparsam sein. Ein Element der Sparsamkeit — da wende ich mich an die Sozialdemokraten — besteht eben darin, daß wir uns verabschieden müssen von der Universalarmee, die alles macht und alles kann. Wir müssen uns in den Fähigkeiten international ergänzen. Nicht jede Armee muß alles können.
    Aber wenn man das macht, dann muß man sich natürlich aufeinander verlassen können. Deswegen war die AWACS-Auseinandersetzung so wichtig. Es wäre eine Katastrophe, wenn zwölf Nationen jeweils ihr eigenes Flugzeug hätten. Es ist ein riesiger, politischer und finanzieller Fortschritt, daß zwölf Nationen ein Flugzeug haben. Aber dann müssen sie auch gemeinsam fliegen. Deswegen brauchen wir dieselben Bedingungen für internationale Einsätze wie unsere Verbündeten, wie unsere Nachbarn.
    Wir diskutieren sehr interessante Dinge z. B. mit den Niederländern. Ich weiß nicht, ob wir auf die Dauer eine eigene, separate deutsche U-Bootflotte von der Größenordnung her haben können. Wir führen interessante Gespräche darüber, ob man das nicht zusammenführen kann. Aber das geht doch nur, wenn man auch gemeinsam handelt.
    Ich frage mich, ob wir auf die Dauer die Fähigkeit haben müssen, Patrouillenflugzeuge des Typs Breguet Atlantique zu haben. Das ist viel zu teuer. Auch da gibt es ein Interesse, etwas miteinander zusammen zu machen, Fähigkeiten sich ergänzen zu lassen. Aber das geht nur, wenn man auch gemeinsame Grundsätze hat.
    Was immer wieder unterschätzt wird: Es gibt keine Zukunft für eine deutsch-französische Brigade, wenn die nicht für das Eurokorps und auch für andere dieselben Einsätze machen kann. Ich bitte, zu sehen, daß dieses der entscheidende Orientierungspunkt ist.
    Ich will jetzt nicht ausführlich auf Herrn Scharping eingehen; nur einen Punkt möchte ich ansprechen. Ich habe in den letzten Tagen interessante Reisen nach Dänemark und Norwegen gemacht: Sozialdemokratisches Urgestein, die norwegische Arbeiterpartei, Willy Brandt — die deutsche Sozialdemokratie hat kaum einer Partei nähergestanden. Wenn man dann die Gespräche hört, das Maß der Übereinstimmung mit mir und das Maß der Fragen im Hinblick auf Ihre Politik, dann zeigt das, wo Sie im Augenblick international stehen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Isoliert!)

    Eine Frage möchte ich stellen. Die Dänen — auch geführt von einer sozialdemokratischen Regierung — schicken eine Panzerkompanie mit in Deutschland gebauten Leopard I a nach Jugoslawien. Ist das damit eine Interventionsarmee? Hört Dänemark auf, ein ziviler Staat zu sein, so wie Herr Scharping das von uns gefordert hat? Sind Sie bereit, so etwas — nicht Jugoslawien, da haben wir unsere historischen Gründe — auch für Deutschland mitzutragen? Sind Sie bereit, AWACS-Missionen zu tragen oder den Einsatz von Jagdflugzeugen unter der Autorität der Vereinten Nationen, wie die Niederländer das in dem dortigen Konflikt machen? Das sind alles Fragen, die Sie beantworten müssen.
    Wir sollten vorsichtig sein mit den Worten. Wenn ein kleines, gewiß friedliebendes Land wie Dänemark bereit ist, unter der Verantwortung der Vereinten Nationen Leopard-Panzer nach Jugoslawien zu schikken, dann können wir nicht glauben, uns hier auf die Dauer grundsätzlich unterscheiden zu können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir wollen auch mit Dänemark international zusammenarbeiten. Im Augenblick stellen die Dänen eine Brigade, 4 500 Mann, für friedenerhaltende und friedenschaffende Einsätze auf. Die Frage lautet: Wo werden sie angebunden? An einem deutschen Korps, an einer deutschen Division oder an einer Einheit, die durch die Engländer geführt wird? Ich will jetzt nicht auf Einzelheiten eingehen, aber die Frage spielt eine große Rolle: Wenn wir mit euch zusammenarbeiten, können wir dann auch dasselbe machen? Oder orientieren wir uns nicht lieber an denen, bei denen wir sicher sind, daß wir dasselbe machen? Das sind die wirklichen Probleme, die sich für den Verteidigungsminister stellen.
    Es darf keinen Gegensatz zwischen Entwicklungshilfe und dem Einsatz von Blauhelmsoldaten geben. In Belet Uen kann man es physisch sehen: Dort, wo unsere Soldaten heute sind, ist, zum Teil mit viel Geld, mit deutschen Steuergeldern, in der Vergangenheit eine veterinärmedizinische Station gebaut worden. Sie ist zerstört worden. Es kann dort wegen des Bürgerkriegs nicht mehr gearbeitet werden. Erst durch die Soldaten der UNO, die jetzt in Somalia sind, ist Entwicklungshilfe wieder möglich. Ich freue mich in Zusammenarbeit mit dem Bundesminister Spranger, daß auch in Belet Uen die deutsche Entwicklungs-



    Bundesminister Volker Rühe
    hilfe wieder greift. Das ist der Zusammenhang, den man sehen muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es macht keinen Sinn, wie in der Vergangenheit Mittel auszugeben, die dann bei den Banken landen. Es macht keinen Sinn, veterinärmedizinische Stationen aufzubauen, die dann im Bürgerkrieg zerstört werden. Lassen Sie uns also aufhören, dort Gegensätze zu konstruieren!
    Meine letzte Bitte lautet: Die SPD ist alleine nach Belet Uen gefahren; ich hoffe, in der Zukunft können wir den Soldaten — —

    (Zuruf von der SPD: Sie auch!)

    — Ich auch allein?

    (Zuruf von der SPD)

    — Sie sind nicht eingeladen worden? Ich glaube, da liegt ein Mißverständnis vor. Von Anfang an haben wir Sie eingeladen, in der Vorbereitung auch schon nach Hammelburg. Es ist eine ganz neue Wende, daß Sie häufiger von mir eingeladen werden möchten mitzukommen.
    Lassen Sie uns über die Zukunft reden: Es ist wichtig für die deutschen Soldaten, daß wir möglichst gemeinsam auftreten. Ich habe das bei einer der letzten Debatten hier im Juni gespürt; ich bin danach nach Bogen zu den Pionieren gegangen. Meine Rede fanden die nicht so wichtig, denn die wußten, was der Bundesminister der Verteidigung sagt. Aber daß Herr Verheugen damals im Juni gesagt hat, jetzt, nach dem Urteil des Verfassungsgerichts, gebe es eine klare rechtliche Grundlage für den Einsatz in Somalia, war für sie die wichtigste Rede. Das habe ich verstanden.
    Da mir vor allen Dingen das Interesse der Bundeswehr am Herzen liegt, ist meine Bitte, in der Zukunft anders zu verfahren und vielleicht auch aus dieser Debatte heraus zu sagen, daß wir, glaube ich, schon stolz sein können auf das, was die Soldaten in Somalia geleistet haben.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU)