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    Plenarprotokoll 12/169 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 169. Sitzung Bonn, Freitag, den 2. Juli 1993 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 14557 A Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde, für die Aktuelle Stunde sowie der Vereinbarung über die Befragung der Bundesregierung in der Sitzungswoche ab 6. September 1993 . . . . . . . . . . . 14557 C Absetzung des Punktes 24 g (Zusatztagesordnungspunkt 3) von der Tagesordnung 14567 A Änderung der Benennung der Mitglieder für die Stiftung „Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR" . . . . 14634A Tagesordnungspunkt 17: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Gewinnaufspürungsgesetz) (Drucksachen 12/2704, 12/2747, 12/5298, 12/4796) Erwin Marschewski CDU/CSU 14558A Johannes Singer SPD 14559D Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . 14560D, 14564 C Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 14561 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . 14562D Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14563 C Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD 14564 A Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P. 14565A Johannes Singer SPD . . . . . . . . . 14565 C Namentliche Abstimmungen 14566 A Ergebnisse . . . . . . . . . 14569A, 14571A Tagesordnungspunkt 24: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes (Sicherheitsüberprüfungsgesetz) (Drucksache 12/4891) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes und des Zivildienstgesetzes (Drucksache 12/5089) c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Susanne Kastner, Klaus Lennartz, Reinhard Weis (Stendal), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Grundwasserverseuchung durch GUS-Standorte offenlegen und Standorte sanieren (Drucksache 12/4789) d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-Günther Toetemeyer, Brigitte Adler, Ingrid Becker-Inglau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Beendigung des Bürgerkrieges in Angola und Hilfe für die betroffenen Menschen (Drucksache 12/4920) e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Susanne Kastner, Dr. Helga Otto, Michael Müller (Düsseldorf), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Sofortprogramm zum Schutz der Säuglinge in den neuen Bundesländern vor kupferhaltigem Trinkwasser (Drucksache 12/5164) f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Dr. Gregor Gysi und II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Juli 1993 der Gruppe der PDS/Linke Liste: Novellierung der 2. Grundmietenverordnung bezüglich der Beschaffenheitszuschläge für Wohnungen in den neuen Bundesländern (Drucksache 12/5264) g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Vera Wollenberger, Dr. Klaus-Dieter Feige, Ingrid Köppe, weiterer Abgeordneter und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Abschaffung der Wehrpflicht und des Zivildienstes (Drucksache 12/5317) (Zusatztagesordnungspunkt 3) 14566 B Tagesordnungspunkt 25: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes gegen rechtswidrige Handlungen bei der Währungsumstellung von Mark der Deutschen Demokratischen Republik in Deutsche Mark (Drucksachen 12/4585, 12/5335, 12/5336) b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 21. Dezember 1992 zu dem Abkommen vom 11. August 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Drucksachen 12/5195, 12/5337, 12/5344) c) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Finanzierung der Sanierung von Rüstungsaltlasten in der Bundesrepublik Deutschland (Rüstungsaltlastenfinanzierungsgesetz) (Drucksachen 12/3257, 12/4106) d) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, F.D.P. und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über besondere Maßgaben für die Anwendung des Parteiengesetzes (Drucksachen 12/5134, 12/5312, 12/5313) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuß) zu dem Antrag der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gleichbehandlung von politischen Vereinigungen (Drucksachen 12/3267, 12/5312) e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Entscheidung des Rates über die Annahme eines gemeinschaftlichen Aktionsprogramms zur beruflichen Aus- und Fortbildung der für indirekte Steuern zuständigen Beamten (Matthaeus-Tax) (Drucksachen 12/4555 Nr. 2.1, 12/4651, 12/5166) f) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 109 zu Petitionen (Drucksache 12/5241) g) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 110 zu Petitionen (Drucksache 12/5329) h) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 111 zu Petitionen (Drucksache 12/5330) i) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 112 zu Petitionen (Drucksache 12/5331) (Buchstabe g bis i = Zusatztagesordnungspunkt 4) 14567 A Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte (Drucksache 12/4993) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 14573 B Klaus-Heiner Lehne CDU/CSU 14574 A Margot von Renesse SPD 14575 D Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 14577B Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . 14578 A Horst Eylmann CDU/CSU 14578 D Dr. Hans de With SPD 14579A Tagesordnungspunkt 19: Beratung des Antrags der Abgeordneten Margot von Renesse, Dr. Hans de With, Gerd Andres, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Reform des Kindschaftsrechts (Drucksache 12/4024) 14579C Tagesordnungspunkt 20: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Beteiligung der Bundeswehr an UNOSOM II (Drucksachen 12/5248, 12/5338) Michael Glos CDU/CSU 14579D Vizepräsident Hans Klein 14583 B Hans Büttner (Ingolstadt) SPD 14583 B Hans-Ulrich Klose SPD . . . . . . . . 14583 C Ulrich Irmer F.D.P. . . . . . . . . . . 14587 C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Juli 1993 III Dr. Karl-Heinz Klejdzinski SPD . . . . 14588 B Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste 14589 D Markus Meckel SPD 14590A Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 14590 D Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14592 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 14594 A Karl Lamers CDU/CSU 14596C Hans-Ulrich Klose SPD 14597 A Dr. Peter Glotz SPD 14598 B Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 14600 B Manfred Opel SPD 14601 C Paul Breuer CDU/CSU 14603 A Dr. Peter Glotz SPD 14604 B Günter Verheugen SPD 14604 D Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 14605 B Ortwin Lowack fraktionslos 14606 A Namentliche Abstimmung . . . . . . 14608 D Ergebnis 14608 C Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Erklärung nach § 31 GO) . . 14606D Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grund- gesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Vierten Gesetz zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften (Viertes Mietrechtsänderungsgesetz) (Drucksachen 12/3254, 12/5110, 12/5224, 12/5342) . 14608A Zusatztagesordnungspunkt 6: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (Drucksachen 12/4518, 12/5011, 12/5223, 12/5237, 12/5343) 14608A Zusatztagesordnungspunkt 7: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Bedingungen zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland im Europäischen Binnenmarkt (Standortsicherungsgesetz) (Drucksachen 12/4158, 12/4487, 12/5016, 12/5222, 12/5236, 12/5341) 14608B Tagesordnungspunkt 21: a) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Zukunftssicherung durch freien Welthandel (Drucksache 12/5326) b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Norbert Wieczorek, Wolfgang Roth, Dr. Ingomar Hauchler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Wirtschaftsgipfel 1993 — Die weltwirtschaftliche Strukturkrise gemeinsam überwinden (Drucksache 12/4630) Peter Kittelmann CDU/CSU 14610D Dr. Norbert Wieczorek SPD 14612 C Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. 14614 C Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) PDS/ Linke Liste 14616B Friedhelm Ost CDU/CSU 14617 A Ingrid Matthäus-Maier SPD 14618B Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 14618D Tagesordnungspunkt 22: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Europawahlgesetzes (Drucksachen 12/5230, 12/5332) b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Zustimmung zur Änderung des Direktwahlakts (Drucksachen 12/4985, 12/5304) c) Erste Beratung des von der Gruppe der PDS/Linke Liste eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Artikels 38 des Grundgesetzes (Drucksache 12/5127) d) Erste Beratung des von der Gruppe der PDS/Linke Liste eingebrachten Entwurfs eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (Drucksache 12/5128) e) Erste Beratung des von der Gruppe der PDS/Linke Liste eingebrachten Entwurfs eines Dreizehnten Gesetzes zur Anderung des Bundeswahlgesetzes (Drucksache 12/5129) f) Erste Beratung des von der Gruppe der PDS/Linke Liste eingebrachten Entwurfs eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (Drucksache 12/5130) g) Erste Beratung des von der Gruppe der PDS/Linke Liste eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Europawahlgesetzes (Drucksache 12/5131) h) Erste Beratung des von der Gruppe der PDS/Linke Liste eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Europawahlgesetzes (Drucksache 12/5132) Franz Heinrich Krey CDU/CSU 14620 A Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . . 14621A IV Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Juli 1993 Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 14622A Dieter Schloten SPD 14624 B Tagesordnungspunkt 23: Beratung des Antrags der Gruppe der PDS/Linke Liste: Entwurf eines Verfahrensgesetzes zu Artikel 44 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik fiber die Herstellung der Einheit Deutschlands — Einigungsvertrag — vom 31. August 1990 (Drucksache 12/4955) Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . . 14626 B Zusatztagesordnungspunkt 7: Aktuelle Stunde betr. Nutzung von Informationen der Staatssicherheit und anderer Geheimdienste fiber westdeutsche Politiker durch die Bundesregierung Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14627 C Dr. Joseph-Theodor Blank CDU/CSU . 14628 C Dr. Peter Struck SPD 14629 B Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 14630B Bernd Schmidbauer, Staatsminister BK 14631B Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . . 14632 B Dr. Willfried Penner SPD 14633 B Nächste Sitzung 14634 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 14635* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 19 (Reform des Kindschaftsrechts) Margot von Renesse SPD . . . . . . . . 14635* D Herbert Werner (Ulm) CDU/CSU . . . . 14637* C Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . . 14639* C Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . . 14641* C Burkhard Zurheide F D P. 14642* B Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRUNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 64 2 * D Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . . 14644* A Sabine Leutheusser-Schnarrenberger BMJ 14645* D Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Antrag: Beteiligung der Bundeswehr an UNOSOM II (Tagesordnungspunkt 20) Dr. Hans de With SPD 14647* A Dr. Burkhard Hirsch F D P 14647* B Dr. Michaela Blunk (Lübeck) F.D.P. . . . 14648* A Wolfgang Lüder F.D.P. 14648* B Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses zu dem Standortsicherungsgesetz (Zusatztagesordnungspunkt 7) Detlev von Larcher SPD 14648* D Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 21 (a —Antrag: Zukunftssicherung durch freien Welthandel, b — Antrag: Wirtschaftsgipfel 1993 — Die weltwirtschaftliche Strukturkrise gemeinsam überwinden) Dr. Uwe Jens SPD 14649* A Dr. Reinhard Göhner, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . 14650* B Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 22a bis h (Änderung des Europawahlgesetzes des Artikels 38 GG, des Bundeswahlgesetzes) Wolfgang Lüder F.D.P. 14651* C Dr. Horst Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . 14652* B Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 8 (Aktuelle Stunde: Nutzung von Informationen der Staatssicherheit und anderer Geheimdienste über westdeutsche Politiker durch die Bundesregierung) Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 14653* A Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 23 (Entwurf eines Verfahrensgesetzes zu Artikel 44 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands — Einigungsvertrag — vom 31. August 1990) Monika Brudlewsky CDU/CSU 14654* A Hans-Joachim Hacker SPD 14654* C Dr. Horst Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . 14655* B Anlage 9 Amtliche Mitteilungen 14655* D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Juli 1993 14557 169. Sitzung Bonn, den 2. Juli 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 2. 7. 93* Bindig, Rudolf SPD 2. 7. 93* Blunck (Uetersen), SPD 2. 7. 93 ' Lieselott Böhm (Melsungen), CDU/CSU 2. 7. 93* Wilfried Büchler (Hof), Hans SPD 2. 7. 93* Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 2. 7. 93* Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 2. 7. 93 Peter Harry Conradi, Peter SPD 2. 7. 93 Ehrbar, Udo CDU/CSU 2. 7. 93 Dr. Enkelmann, Dagmar PDS/LL 2. 7. 93 Dr. Feige, Klaus-Dieter BÜNDNIS 2. 7. 93 90/DIE GRÜNEN Dr. Feldmann, Olaf F.D.P. 2. 7. 93* Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 2. 7. 93 * Fuchs (Verl), Katrin SPD 2. 7. 93 Gattermann, Hans H. F.D.P. 2. 7. 93 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 2. 7. 93 Dr. von Geldern, CDU/CSU 2. 7. 93 Wolfgang Gerster (Mainz), CDU/CSU 2. 7. 93 Johannes Grünbeck, Josef F.D.P. 2. 7. 93 Dr. Hauchler, Ingomar SPD 2. 7. 93 Dr. Hellwig, Renate CDU/CSU 2. 7. 93 Henn, Bernd PDS/Linke 2. 7. 93 Liste Horn, Erwin SPD 2. 7. 93 Dr. Hornhues, Karl-Heinz CDU/CSU 2. 7. 93 Keller, Peter CDU/CSU 2. 7. 93 Kittelmann, Peter CDU/CSU 2. 7. 93* Köppe, Ingrid BÜNDNIS 2. 7. 93 90/DIE GRÜNEN Kretkowski, Volkmar SPD 2. 7. 93 Leidinger, Robert SPD 2. 7. 93 Lenzer, Christian CDU/CSU 2. 7. 93* Dr. Leonhard-Schmid, SPD 2. 7. 93 Elke Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 2. 7. 93 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 2. 7. 93* Erich Marten, Günter CDU/CSU 2. 7. 93* Dr. Matterne, Dietmar SPD 2. 7. 93 Mischnick, Wolfgang F.D.P. 2. 7. 93 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 2. 7. 93* Müller (Zittau), Christian SPD 2. 7. 93 Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 2. 7. 93 Odendahl, Doris SPD 2. 7. 93 Oswald, Eduard CDU/CSU 2. 7. 93 Peters, Lisa F.D.P. 2. 7. 93 Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 2. 7. 93 Pfuhl, Albert SPD 2. 7. 93 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Poß, Joachim SPD 2. 7. 93 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 2. 7. 93* Reddemann, Gerhard CDU/CSU 2. 7. 93* Regenspurger, Otto CDU/CSU 2. 7. 93 Reimann, Manfred SPD 2. 7. 93* Reuschenbach, Peter W. SPD 2, 7. 93 Reuter, Bernd SPD 2. 7. 93 Rönsch (Wiesbaden), CDU/CSU 2. 7. 93 Hannelore Dr. Rose, Klaus CDU/CSU 2. 7. 93 Roth, Wolfgang SPD 2. 7. 93 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 2. 7. 93** Helmut Schaich-Walch, Gudrun SPD 2. 7. 93 von Schmude, Michael CDU/CSU 2. 7. 93 Schuster, Hans F.D.P. 2. 7. 93 Schwanhold, Ernst SPD 2. 7. 93 Schwanitz, Rolf SPD 2. 7. 93 Dr. Soell, Hartmut SPD 2. 7. 93 * Dr. Solms, Hermann Otto F.D.P. 2. 7. 93 Steiner, Heinz-Alfred SPD 2. 7. 93* Stiegler, Ludwig SPD 2. 7. 93 Strube, Hans-Gerd CDU/CSU 2. 7. 93 Dr. von Teichman, F.D.P. 2. 7. 93* Cornelia Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 2. 7. 93 Tietjen, Günther SPD 2. 7. 93 Vergin, Siegfried SPD 2. 7. 93 Dr. Vondran, Ruprecht CDU/CSU 2. 7. 93 Vosen, Josef SPD 2. 7. 93 Walz, Ingrid F.D.P. 2. 7. 93 Dr. Wernitz, Axel SPD 2. 7. 93 Wettig-Danielmeier, Inge SPD 2. 7. 93 Dr. Wittmann, Fritz CDU/CSU 2, 7. 93 Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 2. 7. 93 Zapf, Uta SPD 2. 7. 93 Zeitlmann, Wolfgang CDU/CSU 2. 7. 93 Zierer, Benno CDU/CSU 2. 7. 93* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * * für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 19 (Antrag: Reform des Kindschaftsrechts) Margot von Renesse (SPD): Die Zeit für eine Gesamtreform des Kindschaftsrechts ist reif. Die Betonung liegt auf dem Wort „gesamt" - denn stückchenund scheibchenweise Reformen, wie die Justizmini- 14636* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Juli 1993 sterin ankündigt, können nur mißglücken. Das Kindschaftsrecht ist eine zusammenhängende Materie, aus einem Geist und Guß. Stimmen die Grundlagen nicht mehr, dann ist eine Teilreform sinnlos wie der Versuch, sich mit einer zu kurzen Decke zu wärmen: Zieht man sie sich über die Schulter, dann frieren die Füße. Die Regierung und Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, müßten das eigentlich wissen; denn genau daran ist vor Jahren Ihr Versuch gescheitert, das Umgangsrecht nichtehelicher Väter isoliert zu reformieren. Nun wird im Justizministerium wieder ein Reförmchen im Nichtehelichenrecht vorbereitet. Die Konturen dieses Projekts sind bekannt — alles durchaus nicht verkehrt, aber zu wenig, zu zaghaft. Jetzt ist die Zeit gekommen, endlich dem über 40jährigen Auftrag der Verfassung nachzukommen und die völlige rechtliche Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder zu bewirken. Die Wiedervereinigung macht's dringend. Selbst das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken spricht sich dafür aus. Damit dürfte wohl der Beweis erbracht sein, daß gleiches Recht für alle Kinder keine ernstzunehmenden Gegner mehr hat. Auch das Bundesverfassungsgericht sitzt Ihnen im Nacken. Seit Jahren sind seine Mahnungen an den Gesetzgeber unerledigt, herrscht Richterrecht, weil gesetzliche Vorschriften außer Kraft gesetzt wurden. Das betrifft die gemeinsame elterliche Sorge nach Scheidung der Eltern, das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung, das gemeinsame Sorgerecht nichtehelicher Eltern. In Sachen Familienpolitik, auch Familienrechtspolitik, ist Ihnen das Verfassungsgericht wie immer weit voraus. Die Fachwelt mahnt seit geraumer Zeit: die Juristen auf dem Juristentag 92, der Familiengerichtstag, der Juristinnenbund, der Kinderschutzbund, Väter- und Mütterverbände. Vor allem aber sollte uns alle das unendliche Leid der Betroffenen antreiben. Da sind Kinder, eheliche wie nichteheliche, denen das Recht nicht hilft, die Beziehung zu Eltern und anderen für sie wichtigen Menschen zu bewahren, wenn diese sich nicht mehr miteinander verstehen. Da sind Mütter, die unter Verlustängsten leiden und von erzwungenen Besuchsrechten gequält werden. Da sind aber auch Väter, die — vielleicht spät — die Wichtigkeit der Vaterrolle für ihr Kind und sich selbst spüren und denen mit der Verbindung zu ihren Kindern ein Stück ihres Lebensinhalts genommen wird. Solche Fälle häufen sich; aber wären es auch nur wenige — sie zeigen, daß unser geltendes Recht nicht mehr dazu taugt, die Probleme der Familie lösen zu helfen. Familienrecht ist seiner Bestimmung nach die Förderung der Familie mit den Mitteln des Rechts. Dazu muß es zunächst die Wirklichkeit von Familien in der Gegenwart wahrnehmen. Das geltende Recht aber „macht sich ein Bildnis", malt sich die „Norm-Familie" und mißt daran die real existierende, vor allem die Familie im Konflikt. Das ist für das heutige Recht immer eine mißlungene Familie, eine, deren Mitglieder man rechtlich voneinander trennen muß. Familie aber ist immer anders, als wir denken. Das gilt vor allem heute, da die Wirklichkeit der Familien so unterschiedlich ist wie kaum je zuvor. Unser Reformentwurf reagiert darauf in mehrfacher Weise: Zunächst versucht er, die Fähigkeit der Betroffenen zur eigenen Konfliktlösung zu stärken, indem er sie nicht ohne Not in gerichtsförmige Verfahren zwingt und ihnen wieder heraushilft, falls irgend möglich. Wir nehmen die fortwährende elterliche Verantwortung mit dem Vertrauensvorschuß, den sie nach Art. 6 GG haben, auch dann noch ernst, wenn eine elterliche Ehe gescheitert ist. Wir wollen niemandem eine richterliche Entscheidung über die elterliche Sorge aufzwingen, wenn es — wie meist — auf diesem Gebiet keinen Streit gibt. Für das geltende Recht sind Eltern nur dann verläßliche Eltern, wenn sie miteinander verheiratet sind. Scheidungswillige nötigt es in ein obligatorisches Sorgerechtsverfahren — nichteheliche Mütter demütigt es mit der gesetzlichen Amtspflegschaft. In beiden Fällen mißtraut es der elterlichen Kompetenz zur verantwortlichen Entscheidung — wenn nötig, auch unter Inanspruchnahme von Hilfe. Dieses Mißtrauen ist grundgesetzwidrig und in der Sache vielfach widerlegt. Die weitaus meisten geschiedenen Eltern sind einig über Verbleib und Erziehung ihrer Kinder; nichteheliche Mütter sind heute keine „gefallenen Mädchen", sondern vielfach kompetente junge Frauen. Gute Hilfsangebote werden ein übriges tun, um Problemlagen zu entschärfen. Als letztes Mittel bleibt — für die Fälle von elterlicher Unfähigkeit oder Machtmißbrauch zum Schaden des Kindes — der kraft Wächteramt mögliche staatliche Eingriff. Entsprechend beseitigt unser Reformvorschlag die Amtspflegschaft für das nichteheliche Kind und bietet der Mutter statt dessen — wie allen Eltern — jugendamtliche Hilfe und Beistandschaft an. Er gibt das obligatorische Sorgerechtsverfahren im Fall der Scheidung von Eltern minderjähriger Kinder auf und beruft den Richter nur noch auf Antrag oder bei erkennbarem Mißbrauch der Elternstellung zur Entscheidung über die elterliche Verantwortung. Väter sind für uns wie für ihre Kinder Väter, in Recht und Pflicht. Wir nehmen die elterliche Verantwortung so ernst, wie es das Grundgesetz tut und wie es die allermeisten Eltern — in welchem familienrechtlichen Status sie auch leben — verdienen. Wenn das zur Folge hat, daß die elterliche Verantwortung auch unter geschiedenen oder unverheirateten Eltern häufiger als bisher gemeinsam ausgeübt wird, dann ist dies ganz in unserem Sinne, auch wenn wir das nicht erzwingen wollen. Kinder brauchen in aller Regel beide Eltern. Die von uns verabschiedete UNO-Kinderrechtskonvention erinnert nachdrücklich daran. Die SPD will ein Kindschaftsrecht, das dieses natürliche Recht der Kinder möglichst respektiert. Gleichzeitig wollen wir endgültig eine häßliche Tradition verabschieden, die Kinder „elterlicher" Gewalt ausliefert: das gewohnheitsrechtliche Züchtigungsrecht. Es ist eine schlechte, ja gefährliche Gewohnheit und muß unmißverständlich beseitigt werden. Dabei kommt es uns nicht darauf an, möglichst viele Eltern vor den Kadi zu bringen, die in der Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Juli 1993 14637 Nervosität des Augenblicks Fehler machen. Aber körperliche oder seelische Mißhandlungen dürfen kein den Eltern zustehendes Disziplinierungsmittel mehr sein. Elternrecht ist Pflichtrecht. Es gehört denen, die ihre Kinder in der Regel mehr lieben als noch so geschulte Außenstehende. Darum genießen Eltern den Vertrauensvorschuß des Art. 6 Abs. 2 GG. Das Wächteramt des Staates ist damit nicht außer Kraft gesetzt, vor allem nicht die Pflicht der Gesellschaft, auf die das Bundesverfassungsgericht am 28. Mai 1993 mit Nachdruck hingewiesen hat, elterlichen Dienst ernst zu nehmen und zu erleichtern. Es geht um die Kinder. Die SPD will ein Kindschaftsrecht, in dem Kinder, ihre Persönlichkeit und ihre Entwicklung, liebevoll in den Mittelpunkt gerückt werden. Jedes einzelne Kind in seiner konkreten Situation ist für Behörden und Gerichte, die mit ihm zu tun haben, das Wichtigste auf der Welt. Darum wollen wir ein Kindschaftsrecht, das flexibel genug ist, um für jeden Einzelfall eine genau passende Antwort zu ermöglichen. Härtefälle darf es hier nicht geben. Um der Kinder willen — so wollen wir es — muß der Gesetzgeber die Situation der Alleinerziehenden, der Pflege- und Stiefeltern rechtlich besser absichern als bisher. Die fehlende oder die mit einem anderen geteilte elterliche Verantwortung darf das Leben mit Kindern nicht erschweren. Hier schlagen wir Lösungen vor, die denjenigen den Alltag erleichtern, die sich tatsächlich um Kinder kümmern. Die Familien Alleinerziehender, der Pflege- und der Stiefeltern sind heute keine Ausnahmeerscheinungen mehr. Um der Kinder willen, die in ihnen aufwachsen, wollen wir die Rechtsmacht des Alltags für sie. Kinder sollen ihre Kontakte mit den für sie wichtigen Personen auch dann noch pflegen können, wenn die Erwachsenen ihre Bindungen abbrechen. Nicht nur der elterliche Kontaktwunsch verdient Respekt, auch der von Kindern mit Geschwistern, Großeltern, Stief- oder Pflegeeltern. Wieviel Zweifel muß ein Kind an der Echtheit erfahrener Liebe, an der eigenen Liebenswürdigkeit entwickeln, wenn eine wichtige Person plötzlich aus seinem Leben verschwindet? Für Kontaktwünsche der Kinder soll es ein eigenes Verfahren geben, in dem nach Lösungsmöglichkeiten für die zugrundeliegenden Konflikte gesucht werden kann. Niemals aber soll es die gewaltsame Durchsetzung von Kontaktrechten gegen Kinder geben. Dies führt nur zu neuen allseitigen Verletzungen, nicht aber zu einer dem Kindeswohl förderlichen Beziehung. Die verfahrensrechtliche Stellung des Kindes soll nach unserem Willen verbessert werden. Dazu greifen wir zum Teil auf den Kindesanwalt zurück, den es bei Bedarf geben muß. Aber nicht in jedem Fall ist eine eigene Parteirolle für das Kind ein Segen, nicht immer der Anwalt der bessere Sachwalter kindlicher Bedürfnisse. Auch hier wollen wir falladäquate Lösungen durch ein flexibles Recht, das Möglichkeiten vorsieht, aber keine Prinzipien reitet. Neue Gefahren für das Kindeswohl ergeben sich aus den Techniken der medizinisch unterstützten Fortpflanzung. Die klaren familienrechtlichen Zuordnungen, die jedes Kind benötigt, geraten ins Schwanken. Hier muß der Gesetzgeber dringend festlegen, wen ein Kind als seinen Vater, seine Mutter ansehen darf. Zugleich muß einem jungen Menschen, der sich nicht ohne Grund mit Zweifeln plagt, die Chance zur Klärung seiner Abstammung gegeben werden, ohne daß eine noch bestehende Ehe seiner Eltern ihn daran hindert oder daß er ohne seinen Willen familienrechtliche Sicherheiten verliert. Auch hier schlagen wir eine Lösung vor. Wir haben unseren Reformvorschlag in einem langen Diskussionsprozeß erarbeitet. Wir haben den Rat von Fachleuten eingeholt. Wir haben aufgrund unterschiedlicher Erfahrungen und Interessen auch heftig gestritten. Wir sind zu einem Ergebnis gekommen, das wir — ebenso wie eine Vielzahl von Sachkennern — für überzeugend halten. Wollen Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, in einer Sache, die viele Menschen im Innersten bewegt, nur auf die Vorlage eines Ministeriums warten, das seinerseits eine Kommission damit beschäftigt? Wir hoffen und erwarten, daß Sie unseren Vorschlag mit uns jetzt ernsthaft diskutieren, um der vom Parlament kontrollierten Regierung die Direktiven zu geben, wie wir uns ein Recht vorstellen, das Kindern dient. Herbert Werner (Ulm) (CDU/CSU): Seit mehreren Jahren wird der Ruf nach Reform des Kindschaftsrechts erhoben. Dies verwundert nicht, da die au gemeine gesellschaftliche Entwicklung und die Veränderungen innerhalb der Familie seit der Schaffung des Kindschaftsrechts nicht übersehen werden können. Als das heute noch überwiegend geltende Recht geschaffen wurde, war die sogenannte intakte Familie als ein auf einer festen ehelichen Bindung ruhender, in sich geschlossener Lebenskreis von Menschen zweier, ja dreier Generationen der ausschließliche Orientierungsfaktor. Seitdem hat die Bindungskraft der Ehe und der Familie dramatisch abgenommen. Dafür gibt es die verschiedensten Gründe. Seit der Jahrhundertwende hat die wirtschaftliche Entwicklung zu einer ständig wachsenden beruflichen Mobilität gezwungen; in zwei Kriegen haben die Frauen gelernt, daß sie in Beruf und Familie sehr wohl ihren Mann stehen können; die Emanzipation der Frau, die primär eine Frage der Bewußtseinsänderung und der Eigenverantwortlichkeit für die Lebensgestaltung ist; die Frauen sind heute langer vor der Ehe berufstätig als noch vor 25 Jahren; die Ehen werden später geschlossen als früher; die Mehrkinderfamilien werden immer weniger; jede dritte Ehe wird heute geschieden; immer mehr Kinder leben bei nur einem Elternteil; die Zahl der Kinder, die mit einem neuen Lebenspartner eines Elternteils aufwachsen, wächst ständig; neue Lebensgemeinschaften greifen neben der traditionellen Ehe um sich. Das Kind steht in allen diesen Veränderungen und Lebensgemeinschaften mitten drin. Es ist aber in der Regel Betroffener der Entscheidungen, Objekt der Beziehungen und Veränderungen. Als Rechtssubjekt, als Träger eigener Rechte, wird das Kind meist entweder gar nicht wahrgenommen oder erst viel zu spät in den Beziehungsgeflechten berücksichtigt. Dies ist eben leider gerade dort der Fall, wo Ehen und Familien auseinandergehen oder neue Lebensgemeinschaften gebildet werden. Die Neuregelung des 14638* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Juli 1993 Kindschaftsrechts muß daher zu allererst gestaltet werden aus dem Blickwinkel des Kindes heraus, unter stärkerer Beachtung seiner eigenen Rechte und Mitwirkungsmöglichkeiten! Um es vorab zu unterstreichen: Diese Betrachtungsweise richtet sich nicht gegen die Ehe und die traditionelle Familie! Das Kind braucht Sicherheit, Geborgenheit, Zuwendung und Förderung für seine freie Entfaltung, Dinge, die es am ehesten in einer intakten Familie erhalten kann. Auch wenn immer mehr Familien auseinandergehen, sollten wir nicht nur die getrennten Familien und die sogenannten neuen Lebensgemeinschaften sehen. Vielmehr müssen wir die Familie und die Ehe wieder stärken. Wir müssen in der Öffentlichkeit, in den Medien, in unserem Auftreten und in den Gesetzen, die wir hier beschließen, deutlich machen, daß eine partnerschaftliche Ehe und Familie, in der die Rücksichtnahme und nicht der Befehl im Mittelpunkt der Lebensgestaltung steht, einen großen Zusammenhalt erzeugen kann und in besonderer Weise geeignet ist, dem einzelnen Familienmitglied bei Schwierigkeiten zu helfen. Partnerschaftliche Familie besagt — um einem Mißverständnis vorzubeugen — eben nicht, daß das Kind in jeder Situation innerhalb der Familie wie ein Erwachsener behandelt werden muß. Partnerschaftliche Familie meint, daß das Kind entsprechend seines Alters, seiner Entwicklung, seiner Mitwirkungsbereitschaft in den Willensbildungsprozeß der Familie einbezogen werden soll. Eine solche intakte Familie bietet auch die beste Sicherung der Rechte der Kinder. Dies den jungen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in der Schule, in der eigenen Familie und durch die Beratungseinrichtungen zu vermitteln, ist eine ungeheure Aufgabe, die bisher sträflich vernachlässigt wurde. Für das Kindschaftsrecht besteht ein akuter Regelungsbedarf. Das Nichtehelichenrecht in der ehemaligen DDR war z. B. anders als in der Bundesrepublik; daher verpflichtet uns der Einigungsvertrag zu entsprechender Novellierung. Aber auch mehrere Beschlüsse des Verfassungsgerichts und die UNOKinderkonvention 1989 zwingen zu einer umfassenden Neuregelung des Rechts der Elterlichen Sorge und des Kindschaftsrechts. Die Koalitionsvereinbarungen für diese Periode sehen daher vor, eine umfassende Neuregelung in Angriff zu nehmen. Das Bundesjustizministerium arbeitet in Zusammenarbeit mit den anderen relevanten Ministerien seit längerer Zeit intensiv an diesen beiden Komplexen. Die nun von der SPD angeregten Änderungen sind nicht neu. Das meiste davon wurde ja schon im Februar seitens der Vertreter des Justizministeriums vorgetragen. Wir stimmen in diesem Hause gewiß darin überein, daß das Ziel der Reform sein soll, das Kindeswohl auf bestmögliche Weise zu fördern, rechtliche Unterschiede zwischen ehelichen und nicht-ehelichen Kindern soweit wie möglich abzubauen, die Rechtseinheit im Kindschafts- und Sorgerecht in Deutschland herzustellen und die Auflagen des Verfassungsgerichts zu verwirklichen. Das Kindschaftsrecht umfaßt mehrere Rechtsbereiche. Ein besonders wichtiger Bestandteil des Kindschaftsrechts ist das elterliche Sorgerecht. Das Kind braucht Sicherheit. Es braucht die Sorge der Eltern, die ihr Kind nicht einfach als einen Besitzgegenstand betrachten dürfen. Die Eltern sollen die Rechte des Kindes wahrnehmen; sie haben daher dem Kind gegenüber Rechte, aber auch Pflichten. Elternrechte und Elternpflichten gehören zusammen. Um die Begriffe Sorgerecht und Sorgepflicht zusammenzufassen, wählt die SPD den Begriff der Elterlichen Verantwortung. Dieser Begriff ist zwar umfassend, ist aber aussageschwächer als die Einzelbegriffe, die ich weiter verwenden möchte, da sie einander sehr gut ergänzen. Die in einer Ehe lebenden Eltern haben das gemeinsame Sorgerecht für gemeinsame Kinder. Bei getrennt lebenden und geschiedenen Eltern ist dies nicht so. Seit der Entscheidung des Verfassungsgerichts von 1982 zur Frage der elterlichen Sorge hat sich der Gedanke weitgehend durchgesetzt, daß für gemeinsame Kinder die gemeinsame Sorge auch nach einer Scheidung fortgelten soll. Wenn beide Elternteile eine einvernehmliche Regelung für das Betreuungs-, Umgangs- und Sorgerecht treffen, ist dies übrigens heute schon möglich. Dies sollte in Zukunft die Regel werden. Die Kinder bleiben ja auch nach einer Trennung die gemeinsamen Kinder, die einen Anspruch auf beide Eltern haben! Ein umfassendes Beratungs- und Hilfsangebot könnte den Eltern dabei helfen, eine einvernehmliche Regelung vor einer gerichtlichen Entscheidung zu treffen. Ist eine einvernehmliche Regelung zwischen den Elternteilen nicht möglich — und die Familienrichter sollten zunächst immer eine solche anstreben — darf dies nicht zu Lasten des Kindes gehen. Das Kind wird in einem streitigen Verfahren leider häufig von einem Elternteil instrumentalisiert und als Droh- und Streitobjekt benutzt. In Zukunft muß in den Verfahren die Stellung des betroffenen Kindes verbessert werden. Das Kind sollte im Streitfall vor Gericht zwingend gehört werden, oder gar von Amts wegen einen Verfahrenspfleger oder Rechtsbeistand bekommen — nicht erst nur auf eigenen Antrag oder Antrag des Jugendamtes. Die Forderung der SPD, die Zwangsvollstreckung eines gerichtlich festgelegten Umgangsrechts nicht gegen den Willen des Kindes zu vollziehen, halte ich aufgrund der Kenntnis mehrerer tragischer Fälle für begründet. Kinder sollten — auch bei Einvernehmen der Eltern! — ihre eigenen Gefühle und Auffassungen in das Kindschaftsverfahren einbringen können. Sie könnten vor einer Gerichtsentscheidung im Kindschafts- oder Scheidungsverfahren vom Familienrichter gehört werden. Viel Unglück und Unheil könnte auf diese Weise verhindert werden! Ob auch die Eltern eines nichtehelichen Kindes unter bestimmten Umständen die gemeinsame Sorge erhalten sollen, wie dies das Verfassungsgericht 1991 entschieden hat, ist ein weiteres Problem. Der SPDAntrag sieht hier für das Familiengericht die Möglichkeit vor, auf übereinstimmenden Antrag der Mutter und des Vaters, dessen Vaterschaft anerkannt ist, ihnen die gemeinsame Verantwortung/Sorge zu übertragen, übrigens sogar dann, wenn das Kind nicht in einem gemeinsamen Haushalt mit beiden Eltern lebt. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Juli 1993 14639' Hiermit wird von der SPD der Versuch unternommen, sogenannte sonstige Lebensgemeinschaften mit der Ehe, zumindest der geschiedenen Ehe, auf dem Wege über das Kindschaftsrecht gleichzusetzen. Dieser Versuch ist ein überaus gewagtes Unterfangen, dessen mögliche Konsequenzen reiflich überlegt werden müssen. In Verbindung mit dem Bemühen, die nichtehelichen Kinder mit den ehelichen gleichzustellen, würde die gemeinsame elterliche Verantwortung bei nichtverheirateten Eltern zu einem Betreuungsunterhaltsanspruch der Mutter führen, der jener einer verheirateten Mutter letztlich gleich wäre. Es stellt sich hier doch wohl die Frage, ob man tatsächlich angesichts des besonderen Schutzes von Ehe und Familie die Mutter eines nichtehelichen Kindes wie die eheliche Mutter behandeln kann. Ein entscheidender Punkt im Rahmen der Novellierung des Kindschaftsrechts wird die Gleichstellung des nichtehelichen Kindes mit dem ehelichen Kind sein. Die Gleichstellung hätte tiefgreifende Auswirkungen auf das Unterhaltsrecht und das Erbrecht. Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe im Bundesjustizministerium denkt in diese Richtung. Gleichwohl merke ich an, daß gerade hier das Recht des nichtehelichen Kindes in seiner Relation zu dem Recht der ehelichen Kinder sehr genau abgewogen werden muß. Es darf die Frage, ob ein nichteheliches Kind, das — aus welchen Gründen auch immer — nie im Umfeld der Familie seines Vaters sich befunden hat, automatisch wie ein Familienmitglied behandelt werden soll. Von daher hat der vorzeitige Erbausgleich oder der Erbersatzanspruch durchaus einen Sinn. Gewiß sind die Gründe für deren Beseitigung nicht weniger tragend. Ein Mensch hat ein Recht auf Kenntnis seiner Herkunft und Abstammung und gesicherte Elternschaft. Gerade angesichts der modernen Fortpflanzungsmedizin und einer teilweise ganze Kontinente überschreitenden Adoptionspraxis muß das zukünftige Kindschaftsrecht genauer gefaßt werden. Notwendig ist die genauere Feststellung der Elternschaft auch angesichts der Folgen, die sich aus den vorher angesprochenen Punkten der Gleichstellung von nichtehelichen und ehelichen Kindern, der u. U. veränderten Rechtsstellung der Mutter des nichtehelichen Kindes und den Überlegungen über das gemeinsame Sorgerecht nichtverheirateter Eltern ergeben können. Genau zu überlegen wird sein, in wieweit die rechtliche Stellung des Vaters eines nichtehelichen Kindes in bezug auf sein Kind verbessert werden kann. Er sollte ja nicht nur Zahlmeister bleiben, sondern den Lebensweg seines Kindes verantwortlich mitgestalten können. Dies könnte z. B. im Falle der Adoption zu Erschwernissen führen, da die Väter nichtehelicher Kinder ggfs. ihre Einwilligung dazu geben müßten. Sinnvoll scheint, nochmals in die Diskussion über das Kindschaftsrecht die Forderung hineinzubringen, daß die ledige Mutter für ihr Kind keiner obligatorischen Amtspflegschaft bedarf. Eine Gesamtnovellierung des Kindschaftsrechts muß die Stellung des Kindes in einer Vielzahl von Rechtsbereichen (Pflegschaftsrecht, Adoptionsrecht, Unterhaltsrecht, Scheidungsrecht, Vormundschaftsrecht, Züchtigungsrecht, Verfahrensrecht und anderes mehr) neu beschreiben. Für die nächste Legislaturperiode stellt sich damit eine ungeheure parlamentarische Aufgabe. Norbert Geis (CDU/CSU): Der Forderungskatalog der SPD enthält teilweise Vorschläge, mit denen wir übereinstimmen. Zum Teil allerdings enthält der Katalog auch Gemeinplätze und zum Teil überzogene und praxisferne Vorstellungen, die wir ablehnen. Einverstanden sind wir mit der Forderung, die Vaterschaftsvermutung im Falle der Scheidung einzuschränken. Bisher gilt ein Kind bis zum Beweis des Gegenteils auch dann noch als Kind des geschiedenen Ehegatten, wenn die Scheidung schon Monate zurückliegt. Dies deshalb, weil sich die Berechnung der Empfängniszeit (§ 1592) nach dem Zeitpunkt des Scheidungsurteils richtet. Dies ist jedoch lebensfremd. Einer Scheidung geht in der Regel eine einjährige Trennungszeit voraus. Es ist deshalb unwahrscheinlich, daß das nach der Scheidung geborene Kind vom geschiedenen Ehegatten stammt. Die gesetzliche Vermutung ist also falsch. Die Beteiligten sind aber gezwungen, ein umständliches Anfechtungsverfahren durchzuführen. Deshalb ist es richtig, das Gesetz zu ändern und bei Scheidungen die Vaterschaftsvermutungen entsprechend einzuschränken. Eine schwierige Frage ist die Forderung der SPD nach der gemeinsamen Sorge der Eltern bei nichtehelichen Kindern. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch steht die elterliche Sorge nur dann Mutter und Vater gemeinsam zu, wenn sie miteinander verheiratet sind. Bei nichtehelichen Kindern ist nach der derzeitigen Regelung nur ein Elternteil sorgeberechtigt. Dies hat seinen guten Grund: Der Gesetzgeber geht davon aus, daß bei einem unehelichen Kind eine eindeutige feste und dauernde Zuordnung zu einem Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Die Mutter hat, weil sie naturgemäß die engste Verbindung zu ihrem Kind hat, den Vorrang. Der Vater kann nur in seltenen Fällen die elterliche Sorge erlangen, so im Falle der Ehelicherklärung im Sinne der §§ 1723 ff. Wird aber das Kind auf diesem Wege das eheliche Kind des Vaters, verlor die Mutter gemäß § 1738 automatisch die elterliche Sorge. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Regelung 1991 in den Fällen für verfassungswidrig erklärt, in denen Vater und Mutter, ohne eine Ehe einzugehen, mit dem außerehelichen Kind wie in einer Familie zusammenleben — und beide gemeinsam für das Kind sorgen wollen. Aus dieser Entscheidung kann aber gerade nicht gefolgert werden, daß jetzt in allen Fällen die Zuordnung der elterlichen Sorge für das nichteheliche Kind auf beide Elternteile zu erfolgen hat, wenn dies von den Partnern gewünscht wird. Dies kann auf jeden Fall dann nicht gelten, wenn die Eltern nicht in einer Hausgemeinschaft zusammenleben. Beschränken wir die gemeinsame elterliche Sorge nicht auf die Fälle, in denen die Eltern zusammenleben, kommt es sehr schnell zu Nebenfamilien. Ein Mann, der verheiratet ist, würde dann zugleich mit einer anderen Frau, welche die nichteheliche Mutter seines nichtehelichen Kindes ist, eine sogenannte „rechtliche Verantwortungsgemeinschaft" bilden. Es käme so zu einer 14640* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Juli 1993 Verwischung des traditionellen Familienbegriffs. Konflikte in der intakten Ehe wären vorprogrammiert. Deshalb ist eine Ausweitung der gemeinsamen elterlichen Sorge für nichteheliche Kinder auch auf Eltern, die nicht zusammenleben, abzulehnen. Konsequenterweise fordert die SPD auch bei Scheidung und Trennung die gemeinsame Sorge. Dies wäre eine Umkehr der jetzigen gesetzlichen Regelung. Natürlich ist die gemeinsame Sorge der Eltern trotz Trennung und Scheidung der Idealfall. Meistens aber können die Ehepartner ihre Partnerschaftskonflikte nicht im Interesse der Kinder zurückstellen. Es ist deshalb höchst zweifelhaft, die gemeinsame Sorge grundsätzlich als Regelfall nach der Scheidung vorzusehen. Denkbar wäre, daß die gemeinsame Sorge zunächst nach der Trennung oder Ehescheidung bestehen bleiben soll, bis ein Partner den Antrag auf Zuweisung der Alleinsorge stellt. Dann muß eine gerichtliche Entscheidung getroffen werden. Die SPD strebt die ersatzlose Streichung der Amtspflegschaft an. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, daß die Mutter selbst in der Lage ist, für die Interessen ihres Kindes zu kämpfen. Die automatische Einsetzung des Amtspflegers erscheint vielen als unnötige Bevormundung. Hinzu kommt, daß gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, weil die Amtspflegschaft nur noch in den alten Bundesländern gilt. Die Regierung der früheren DDR hat sich bei den Einigungsverhandlungen vehement gegen die Übernahme einer solchen Regelung gewehrt, weil sie angeblich emanzipationsfeindlich sei. Wir meinen, daß ein vernünftiger Mittelweg gefunden werden muß. Nach unserer Auffassung sollte das Jugendamt kraft Gesetzes dann zum Amtspfleger berufen werden, wenn die Vaterschaft nicht innerhalb eines Jahres anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist. Keinesfalls werden wir die gänzliche Abschaffung der Amtspflegschaft zulassen. Eine heftig umkämpfte Forderung dürfte der Betreungsunterhalt für nichteheliche Mütter werden. Bisher hat die nichteheliche Mutter gegen den Vater nur einen Unterhaltsanspruch für die Dauer von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt des Kindes (§ 1615 BGB). Hingegen hat ein geschiedener Ehegatte gegen den anderen Anspruch auf Unterhalt solange und soweit von ihm wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann (§ 1570 BGB). Das nichteheliche Kind ist also im Nachteil. Das Erziehungsgeld bringt zwar für die nichteheliche Mutter eine große Entlastung. Wenn der uneheliche Vater aber ein gutes Einkommen hat, kann von gleichen Lebensverhältnissen keine Rede sein. Deshalb ist in der Tat zu prüfen, ob nicht die Mutter einen originären Unterhaltsanspruch gegenüber dem Vater des unehelichen Kindes auf Unterhalt geltend machen kann. Der Deutsche Juristentag hat allerdings im Jahre 1992 mit einer relativ knappen Mehrheit den Betreuungsunterhaltsanspruch abgelehnt. Das wichtigste Argument gegen den Betreuungsunterhalt ist die Tatsache, daß bei einer knappen Verteilungsmasse die ehelichen Unterhaltsverpflichtungen des unehelichen Vaters stark in Mitleidenschaft gezogen werden können. Außerdem besteht die naheliegende Gefahr, daß der Druck auf nichteheliche Mütter hin zu einer Abtreibung stark zunehmen wird. Dennoch erscheint uns diese Frage des Betreuungsunterhaltes regelungsbedürftig. Die Forderung nach Gleichbehandlung von ehelichen und nichtehelichen Kindern ist berechtigt. Deshalb ist auch die Forderung nach einem Betreuungsunterhalt, in welcher Form auch immer, grundsätzlich richtig. Zur Reform des Kindschaftsrechtes gehören auch die Pläne des Justizministeriums, eine erbrechtliche Gleichstellung nichtehelicher Kinder durchzusetzen. Gegenwärtig gilt bekanntlich die 1970, also in der Zeit der sozialliberalen Koalition, in Kraft getretene Regelung: Nichteheliche Kinder sind grundsätzlich nach ihrem Vater und nach väterlichen Verwandten erbberechtigt. Neben der Ehefrau oder Abkömmlingen des Erblassers haben sie aber nur einen Erbersatzanspruch, d. h. einen gegen die Erben gerichteten Anspruch auf einen Geldbetrag in Höhe des Wertes ihres gesetzlichen Erbteils. Maßgebende Erwägung für diese Regelung war, daß nichteheliche Kinder zumeist wesentlich anders gerichtete Interessen haben, als die im Regelfall aus Mitgliedern der Familien des Erblassers bestehende Erbengemeinschaft. Dies wird deutlich, wenn es um die Fortführung eines Unternehmens, eines Handwerksbetriebes, eines landwirtschaftlichen Hofes oder einer sonstigen Vermögenseinheit geht. In solchen Fällen ist die gesetzliche Miterbenstellung des nichtehelichen Kindes mit Sicherheit problematisch. Wer anderes behauptet, denkt und redet am Leben vorbei. Der Gesetzgeber hat nach meiner Auffassung seinerzeit richtig entschieden, als er nichtehelichen Kindern nur einen Erbersatzanspruch eingeräumt hat. Hinzu kommt, daß die nichtehelichen Kinder die Möglichkeit haben, zwischen dem 21. und 27. Lebensjahr von ihrem Vater einen vorzeitigen Erbausgleich zu verlangen (§ 1934d BGB). Diese Regelung gilt häufig als ein wichtiges finanzielles Fundament für die Ausbildung oder den beruflichen Start des unehelichen Kindes und stellt einen gern genutzten Vorteil dar. Beide Regelungen, sowohl den Erbersatzanspruch als auch den vorzeitigen Erbausgleich, will das Bundesministerium der Justiz in dem jetzt vorgelegten Referentenentwurf abschaffen. Dagegen haben wir erhebliche Bedenken. Verfassungsrechtlich ist eine vollständige Gleichstellung nichtehelicher und ehelicher Kinder im Erbrecht nicht geboten. Das Bundesverfassungsgericht, das nach 1970 wiederholt mit dem Erbrecht nichtehelicher Kinder befaßt war, hat die jetzt bestehende Regelung noch nie beanstandet. Zur Abschaffung des Erbersatzanspruches führt das Bundesjustizministerium an, auch in anderen Erbengemeinschaften ohne Beteiligung nichtehelicher Kinder komme es zu schweren Konflikten. Dieses Argument war aber auch dem Gesetzgeber im Jahre 1969 bereits bekannt, und er hat dennoch aus wohlerwogenen Gründen sich für den Erbersatzanspruch und gegen die volle erbrechtliche Beteiligung des unehe- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Juli 1993 14641* lichen Kindes entschieden. Nach meiner Auffassung bedenkt der Vorschlag des Justizministeriums zu wenig die wirtschaftlichen Auswirkungen der vollen Beteiligung nichtehelicher Kinder am Nachlaß. In vielen Fällen könnte es bei mittelständischen Unternehmen, bei landwirtschaftlichen oder bei Handwerksbetrieben zu existenzgefährdenden Auseinandersetzungen kommen. Freilich besteht die Möglichkeit, daß der Erblasser durch letztwillige Verfügungen solche Auseinandersetzungen von vornherein unterbindet. In vielen Fällen wird aber der Erblasser solche Auswirkungen kaum bedenken und wird sie deshalb unterlassen. Im übrigen muß man wohl mit Recht nach dem Sinn einer Gesetzgebungspolitik fragen, die einen Regelfall mit häufig entsetzlichen wirtschaftlichen Folgen vorsieht, aber insgeheim darauf hofft, daß der Erblasser diesen Regelfall durch Testament verhindert. Ich habe deshalb große Bedenken gegen die geplante Neuregelung. Bedenken melde ich auch gegen den Referentenentwurf zu einer Änderung des § 1631 BGB, der entwürdigende Erziehungsmaßnahmen der Eltern verbietet. Der Referentenentwurf sieht folgende Neuformulierung vor: „Körperliche und seelische Mißhandlungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig." Die Rechtsprechung versteht unter einer körperlichen Mißhandlung ein übles, unangemessenes Behandeln, das entweder das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht unerheblich beeinträchtigt. Eine Ohrfeige kann danach rechtlich als körperliche Mißhandlung qualifiziert werden, wie der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung vom 7. März 1990 ausdrücklich festgestellt hat. Für den Bereich körperlicher Züchtigungen durch die Eltern geht die höchstrichterliche Rechtsprechung von dem Grundsatz aus, daß jede Züchtigung tatbestandsmäßig eine Körperverletzung in der Form des körperlichen Mißhandelns im Sinne des § 223 StGB bildet. Danach ist ein leichter Klaps, den der Vater dem Sohn verpaßt und in dem lediglich eine gewisse Mißbilligung symbolisiert wird, nicht tatbestandsmäBig. Die Züchtigung im vorgenannten Sinn ist nach der Rechtsprechung — wie ausgeführt — zwar tatbestandsmäßig, dann aber nicht rechtswidrig, wenn der Vater einen rechtfertigenden Grund für eine solche Züchtigung hat. Es muß also ein hinreichender Anlaß, d. h. ein konkretes Fehlverhalten des Kindes vorliegen. Die Ohrfeige oder eine sonstige Züchtigung muß dem Erziehungszweck dienen und darf nicht entwürdigend sein. Nach dem Entwurf des Bundesjustizministeriums wären körperliche und seelische Mißhandlungen gänzlich unzulässig. Dies führt mit Sicherheit zu einer Kriminalisierung der Eltern. Der Staat greift zu sehr in die Privatsphäre der Familie ein. Der Freiraum, der für eine vernünftige Erziehung notwendig ist, würde erheblich beeinträchtigt. Böse Nachbarn, aber auch mißgünstige Verwandte hätten viele Gelegenheiten, um die Kinder gegen die Eltern aufzuhetzen. Hinzu kommt, daß eine solche gesetzgeberische Maßnahme die grauenhaften Verletzungen von Kindern durch abartig veranlagte Eltern nicht verhindern kann. Weil aber eine solche Regelung leicht geeignet ist, ein intaktes Familienleben empfindlich zu stören, haben wir größte Bedenken gegen die vorgesehenen gesetzgeberischen Maßnahmen. Abschließend weise ich darauf hin, daß wir uns allen Bestrebungen widersetzen werden, die die Familien schwächen. Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Obwohl dies kaum jemand lesen und zur Kenntnis nehmen wird, will ich vorab dennoch meinen Unmut darüber zum Ausdruck bringen, daß bei der Gestaltung der Bundestags-Tagesordnung wieder einmal ein wichtiges kinder- und jugendpolitisches Thema den aktuellen medienträchtigen Ereignissen zum Opfer fällt. Die SPD hat mit ihrem Antrag „Reform des Kindschaftsrechts" nach intensiver Vorarbeit eine konkrete Leitlinie in die politische Diskussion eingebracht, die von der Regierungsseite trotz mehrerer Ankündigungen seit Jahren nicht zustandegebracht worden ist. Auch die im Justizministerium eingesetzte Sonderkommission hat bisher nichts vorlegen können, vielmehr sind die in den Fachausschüssen vorgelegten Zwischenberichte diffus und ohne klare politische Linie gewesen. Sowohl die jetzige Justizministerin als auch ihr Amtsvorgänger haben es an den entsprechenden Vorgaben fehlen lassen, so daß sich niemand über den derzeitigen Zustand auf der Regierings- und Koalitionsseite wundern darf. Die SPD-Bundestagsfraktion setzt mit den von ihr zusammengestellten Eckwerten für ein neues Kindschaftsrecht nicht nur eigene politische Erkenntnisse aus der Rechts- und Verwaltungspraxis sowie aus den gesellschaftspolitischen Entwicklungen der vergangenen Jahre um, sondern beachtet auch mehrere Urteile des Bundesverfassungsgerichts sowie die nach entsprechender Ratifizierung seit dem 5. April 1992 in Deutschland gültige UNO-Konvention über die Rechte des Kindes. Für die SPD gehört das Kind bzw. das Kindeswohl in den Mittelpunkt aller Überlegungen und Regelungen zum Kindschaftsrecht. Als Kinderbeauftragter unterstreiche ich diese Orientierung deshalb mit Nachdruck, weil in der Regierungskoalition hierfür eine viel zu geringe Neigung besteht. Das hat sich schon im Ratifizierungsverfahren zur UNO-Kinderrechte-Konvention gezeigt und setzt sich in diesen Tagen bedauerlicherweise mit der Ablehnung des von 105 Abgeordneten fraktionsübergreifend geforderten Kinderberichts der Bundesregierung fort. Der Höhepunkt der nicht kinderfreundlichen Haltung der CDU/CSU-F.D.P.-Mehrheit im Bundestag zeichnet sich in der laufenden Debatte um eine neue deutsche Verfassung ab: Die Verankerung von eigenständigen Kinderrechten (auf Entwicklung und Entfaltung, auf gewaltfreie Erziehung und auf gesunde Lebensbedingungen) findet — leider — keine Zustimmung im konservativ-liberalen Lager. Da muß man sich allmählich schon die Frage stellen, ob von dieser Seite des Parlaments auf Grund ideologisch-verbohrter, falsch verstandener familienorientierter Haltung die Arbeit einer Kinderkommission im Bundestag noch richtig ist oder lediglich noch Alibicharakter hat. 14642' Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Juli 1993 Trotz allem ist die UNO-Kinderrechte-Konvention gültig und sieht bezüglich des Sorge- und Umgangsrechts zum Beispiel in Art. 9 den Grundsatz eines ungeteilten, gemeinsamen Sorgerechts beider Eltern vor, das im Scheidungs- oder Trennungsfall nur ausnahmsweise im Einzelfall und zum Wohl des Kindes zu einem einseitigen Entscheid zugunsten eines Elternteils geführt werden kann. An diesem Prinzip sollte sich ein neues Kindschaftsrecht weitgehend orientieren. Es kann und darf somit zukünftig nicht mehr in erster Linie darauf ankommen, die vermeintlichen „Rechte einzelner Elternteile am gemeinsamen Kind" aufzuklären und zu regeln. Die angekündigte Vorwegregelung eines Teilbereichs aus dem Gesamtkomplex, nämlich des Züchtigungsrechts, ist zu begrüßen. Alle Fachleute sind sich einig darin, daß der jetzige § 1631 Abs. 2 BGB eine Präzisierung benötigt, die zugleich das Ziel verfolgt, das Recht der Eltern zur Züchtigung ihrer Kinder prinzipiell abzuschaffen. Die Kinderkommission des Bundestages hat hierfür in Abstimmung mit den Kinderfachverbänden schon vor mehr als zwei Jahren konkrete Vorschläge in die parlamentarische Arbeit eingebracht. Lange Ausführungen, kurzer Sinn: Die gesellschaftlichen Entwicklungen erfordern eine schnelle und wirksame Veränderung des geltenden Kindschaftsrechts in seiner ganzen Bandbreite. Es ist im Interesse vieler betroffener Kinder zu wünschen, daß die Regierung bald die Kraft findet, einen konkreten Gesetzesvorschlag vorzulegen. Burkhard Zurheide (F.D.P.): Eine Reform des Kindschaftsrechts ist schon deswegen notwendig, um die in Ost- und Westdeutschland geltenden unterschiedlichen rechtlichen Regelungen anzugleichen. Für die F.D.P. bleibt weiterhin im Mittelpunkt der Überlegungen die Eigenverantwortung der Eltern. Eine kinderfreundliche Gesellschaft kann sich nur dann ergeben, wenn diese nicht auf Mißtrauen und restriktiven Regelungen beruht. Die Verrechtlichung der Beziehungen zwischen Kind und Eltern muß nicht zwangsläufig dem Kinde zugute kommen. Juristen neigen häufig dazu zu glauben, eine erwünschte bessere Lebenswirklichkeit könne sich durch die Schaffung rechtlicher Regelungen ergeben. Darin liegt aber häufig eine kontraproduktive Überschätzung und Überforderung rechtlicher Regelungsmechanismen. Im Zentrum einer wie auch immer gearteten Neuregelung muß das Wohl des Kindes stehen. Das Kind ist das schwächste Glied dieser Gesellschaft. Wir haben es — unstreitig — mit einer wachsenden Gewalt gegen Kinder, in welcher Form auch immer, zu tun. Jedermann, der sich bemüht, das Wohl des Kindes zu stärken, verdient zunächst einmal die volle Unterstützung. Der vorliegende Antrag der SPD-Fraktion kann in vielen Punkten von uns geteilt werden. Es gibt aber auch Punkte, die sehr zweifelhaft sind. Eine gewisse Ideologielastigkeit kann dem Antrag nicht abgesprochen werden. Dem SPD-Antrag merkt man noch viel zu deutlich den unausgesprochenen Grundsatz an, der da lautet: Der Staat wird es schon richten. Auch die recht apodiktischen Feststellungen „Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat" und „Vater eines Kindes ist der Mann, von dem es abstammt" können nach meiner Aufassung kaum aufrecht erhalten bleiben. Man kann nicht mit einem Satz die Probleme der sogenannten Leihmutterschaft, der künstlichen Befruchtung oder anderer noch völlig ungeklärter Dinge lösen. Auch an anderer Stelle offenbart der SPD-Antrag, daß er zumindest nicht zu Ende gedacht ist. Ist es eigentlich ernst gemeint, wenn gefordert wird, daß der Vater eines nichtehelichen Kindes seine Vaterschaft nur anerkennen kann, wenn die Mutter zustimmt? Und kann es richtig sein, in jedem Fall und ohne Ausnahme zu fordern, daß der Vater eines nichtehelichen Kindes bei der von der Mutter gewünschten Adoption zustimmen muß? Der Antrag der SPD enthält durchaus wertvolle Anregungen, die genauer geprüft werden müssen. Die Rechtsverhältnisse nichtehelicher Kinder müssen zweifellos überdacht werden. Grundsätzlich muß gelten, daß nichteheliche Kinder unterhaltsrechtlich, erbrechtlich, umgangs- und sorgerechtlich behandelt werden wie eheliche Kinder. Hier mag es aber im Einzelfall zu unterschiedlichen Regelungen kommen müssen. Wichtig erscheint mir, daß der Vater eines nichtehelichen Kindes die Möglichkeit hat, sich um sein Kind zu kümmern. In welcher Form gesetzlich vorgeschrieben werden soll, wie Angehörigen und Verwandten Umgangsrechte eingeräumt werden, bedarf der Überprüfung. Ob das gemeinsame Sorgerecht für geschiedene Eltern verpflichtend festgeschrieben werden soll, dürfte sehr zweifelhaft sein. Ein gemeinsames Sorgerecht hat Vorteile, aber zweifellos auch Nachteile. Hier muß auch in der Zukunft der Einzelfall entscheidend sein. Es darf am Ende nicht eine Regelung entstehen, nach der der weit entfernt lebende Elternteil, bei dem sich das Kind nicht aufhält, wegen jeder Kleinigkeit gefragt werden muß. Folgerungen werden auch zu ziehen sein aus der UNO-Kinderkonvention. Diese besagt zu Recht, daß die Kinder ein Recht auf Eltern haben. Das heißt, es muß noch mehr als bisher deutlich werden, daß Eltern nicht nur ein Recht auf Erziehung, sondern auch eine Verpflichtung dazu haben. Schließlich muß sichergestellt werden, daß jedermann ein einklagbares Recht darauf haben muß, zu erfahren, von wem er abstammt. Im Ergebnis ergibt sich, daß das Kindschaftsrecht auf den Prüfstand muß. Dies ist zwischen den Koalitionsparteien auch unstreitig. Die Liste, die in dem Antrag der SPD enthalten ist, ist aber unvollständig, da nur Teilbereiche angesprochen werden. Es fehlt auch noch etwas der Tiefgang, den die Koalition dem Antrag aber noch geben wird. Christina Schenk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Antrag der SPD umfaßt eine Reihe von Punkten, deren Intention und Wirkung man erst anhand ihrer Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Juli 1993 14643* konkreten Ausgestaltung wird beurteilen können. Ich möchte mich hier mit der Frage des Sorgerechts auseinandersetzen — in dieser heftig umstrittenen Frage ist schon heute klar, daß der Antrag der SPD Frauen und somit auch Kindern nichts Gutes verspricht. Um es kurz vorwegzunehmen: Ich bin der Meinung, daß es in bezug auf das elterliche Sorgerecht in der Bundesrepublik Deutschland bei den geltenden Regelungen bleiben soll, d. h. die Zuweisung der alleinigen elterlichen Sorge als Regel und in Ausnahmefällen, wenn die Eltern nach der Scheidung tatsächlich willens und in der Lage sind, miteinander zu kommunizieren, und auch bereit sind, nicht nur Rechte in bezug auf ihre Kinder wahrzunehmen, sondern auch die Pflichten, das gemeinsame elterliche Sorgerecht. Die Möglichkeit, das Sorgerecht gemeinsam zu bekommen, gibt es für geschiedene Eltern im Westteil der Republik seit 1982. In den darauffolgenden Jahren haben aber nur 1 bis 2 Prozent aller geschiedenen Eltern von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Ich halte es für lebensfremd, etwas zur Regel machen zu wollen, was die Betroffenen nicht selbst wählen, obwohl sie es wählen könnten, und frage mich, was Frau von Renesse und die SPD zu ihrer Initiative in diesem Punkt eigentlich bewegt. Bei Kindern, deren Eltern nicht miteinander verheiratet sind, hat sich die geltende Regelung, derzufolge die Mutter das uneingeschränkte Sorgerecht hat, sowohl in der DDR als auch in der BRD durchaus bewährt. Das Sorgerecht der unverheirateten Mutter ist meines Wissens,der einzige Rechtsbereich, in dem Frauen mehr Rechte haben als Männer, und sie haben sie in diesem Bereich, wie ich meine, zu Recht. Verschließen wir unsere Augen doch nicht vor der gesellschaftlichen Realität: Wenn es um die Arbeit an Kindern geht — vom Windelnwechseln bis zur Schularbeitenbetreuung, um die täglich stundenlange Aufsicht, während derer andere Tätigkeiten ausgeschlossen sind —, sind Männer in der Regel abwesend. Ob freiwillig oder nicht, das ist eine andere Frage. Ob sie sich anders verhalten würden, wenn sie von der Erwerbsarbeit nicht total absorbiert würden, wenn sie kein Familieneinkommen bekämen und damit zugleich die Rolle des Ernährers oder wenn sie durch die Quotierung einen Teil ihrer Arbeitsplätze an Frauen abgeben müßten — das muß sich erst noch herausstellen. Im Moment jedenfalls leben wir in einer Gesellschaft, in der Kinder absolute Frauensache sind. Wer das ändern will, und zu diesen Leuten gehöre ich, der muß beispielsweise endlich an eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit herangehen, den bereits stattfindenden Wandel im Rollenverständnis stärker unterstützen und die übliche Sozialisation von Jungen in Frage stellen sowie dem Wunsch der Mehrheit der Frauen nach einer existenzsichernden Berufstätigkeit mit wirksamen Mitteln nachkommen. Seit einiger Zeit gibt es eine kleine, aber medienwirksame Gruppe von Vätern, die eine Änderung des geltenden Rechtes einfordern. Dies ist ein Reflex auf die zunehmende Unabhängigkeit von Frauen und darauf, daß viele von ihnen es vorziehen, eher ohne Mann zu leben als in einer schlechten Beziehung. Diesen Männern geht es in der Regel nicht um das Kindeswohl, denn dann würden sie allein aus der Tatsache, daß die Mutter sich nicht freiwillig auf die gemeinsame Sorge einlassen will, schließen, daß es keine Grundlage dafür gibt. Das Beharren auf dem gemeinsamen Sorgerecht rat in solchen Fällen nur den Schluß zu, daß es hier ausschließlich um die Sicherung männlicher Machtansprüche geht. Die bisherige Konstruktion der gemeinsamen Sorge gibt den Vätern mehr Rechte ohne ihnen gleichzeitig auch mehr Pflichten aufzuerlegen, zum Beispiel die Pflicht, die Hälfte des Erziehungsurlaubs selbst zu nehmen, oder die Pflicht, einen Kinderbetreuungsplatz nachzuweisen, bevor eine Stelle angenommen wird, oder auch die Pflicht, die Hälfte der tagtäglichen Betreuungsarbeit auch tatsächlich zu übernehmen. Solange das nicht Bestandteil der gemeinsamen Sorge ist, ist der Begriff „Gemeinsames Sorgerecht" oder gar „elterliche Verantwortung", wie die SPD es in ihrem Antrag so schön ausdrückt, ein reiner Etikettenschwindel, denn es geht hier gerade nicht um gemeinsame Sorge oder Verantwortung, sondern ausschließlich um einen Zuwachs an Rechten für diejenigen, die bislang nur einen ganz kleinen Teil der Sorge und der Verantwortung übernommen haben. Noch etwas muß hier klar gesagt werden: Niemand hindert Eltern — geschiedene oder unverheiratete — daran, ihre Sorge und Verantwortung gegenüber dem Kind gemeinsam auszuüben, wenn sie dies wollen. Wird das gemeinsame Sorgerecht hingegen zur Norm, besteht die Gefahr, daß der so entstehende moralische Druck einen eventuell entgegenstehenden Willen einer Seite — meist der Frau — nicht zum Ausdruck kommen läßt. Eine weitere Gefahr ist, daß Männer das gemeinsame elterliche Sorgerecht anstreben, um der Zahlung des Ehegattenunterhalts zu entgehen. In solchen Fällen ist das gemeinsame Sorgerecht absolut schädlich, nicht nur für das tatsächlich die Sorge tragende Elternteil, sondern auch für das Kind. Wenn jedoch andererseits beide Elternteile in der Lage sind, einvernehmlich über die Belange des Kindes zu kommunizieren, bedarf es keines Rechtsinstituts, das eine gemeinsame Wahrnahme von Rechten festschreibt. Das Argument, das gemeinsame Sorgerecht würde Väter dazu animieren, ihre Verantwortung wahrzunehmen, entbehrt jeder sachlichen Grundlage, was schon daran erkennbar ist, wie wenig verheiratete Väter, die ja das uneingeschränkte Sorgerecht für ihre Kinder haben, für ihre Kinder tatsächlich tun. Fazit: das Rechtsinstitut der gemeinsamen elterlichen Sorge ist entweder im Grunde überflüssig oder aber schädlich. Auf keinen Fall sollte es zum Regelfall werden! In diesem Sinne empfehle ich der SPD, von ihrem Vorhaben, die Vaterrechte einfach nur zu erweitern, Abstand zu nehmen und statt dessen Projekte in Angriff zu nehmen, die geeignet sind, der Betreuung von Kindern in der Wertehierarchie von Männern einen vorrangigen Platz zu geben, und die gleichzeitig Väter die Übernahme von Verantwortung und Sorge für ihre Kinder auch tatsächlich ermöglichen. 14644* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Juli 1993 Es gibt eine sehr vernünftige Entscheidung vom Amtsgericht Bonn aus dem Jahre 1977, mit der ich meine Rede schließen will: „Eltern eines Kindes sind vornehmlich diejenigen, die sich der Mühe unterwerfen, es zu einem vollwertigen gemeinschaftsfähigen Menschen heranzubilden. Die biologische Elternschaft ist dafür weder erforderlich noch genügend. Erst durch die Übernahme von Elternaufgaben werden Erzeuger zu Eltern. " Dr. Barbara Höll (PDS/Linke Liste): Die PDS begrüßt, daß die Reform des Kindschaftsrechts nunmehr endlich in einer absehbaren Zeit zu greifbaren Resultaten führen soll. Es besteht erheblicher Nachholbedarf des überalterten Rechts im Verhältnis zu den Entwicklungen der letzten Jahre. Auf sozialem Gebiet, im Verhältnis der Geschlechter zueinander, der moralischen Einstellungen, der internationalen Rechtsentwicklung, selbst der Rechtsprechung des BGH zu einzelnen Fragen ist das geltende Recht keine Hilfe für die Gesellschaft mehr, sondern bremst deren Entwicklung. Insbesondere die UN-Kinderkonvention hat bislang keinen entsprechenden Niederschlag im Kindschaftsrecht gefunden. So stimmen wir dem Vorschlag der SPD zur Neuregelung des § 1631 BGB zu. Erziehung eines demokratischen Staatsbürgers ist unvereinbar mit der Anwendung von körperlicher und psychischer Gewalt in der Erziehung. Insgesamt ist das Problem weiter zu fassen. Wir sehen als gedankliche Ausgangspunkte für ein reformiertes Kindschaftsrecht folgende Schwerpunkte an, die die Gestaltung des Kindschaftsrechts insgesamt und jedes einzelnen Paragraphen bestimmen müssen: 1. Das Kind ist als Rechtssubjekt und nicht als Objekt, wie bisher, juristisch zu erfassen. 2. Die Unterschiede zwischen nichtehelichen und ehelichen Kindern sind konsequent zu beseitigen bis hin zur Eliminierung der Begriffe „ehelich" und „nichtehelich" im gesamten BGB. Das Familiengesetzbuch der DDR ist in dieser Hinsicht vorbildlich gewesen. 3. Im Trennungsfall der Eltern muß der Anspruch des Kindes auf Erhaltung der Beziehung zu beiden Elternteilen und ihm besonders nahestehender Menschen verwirklicht werden, wie die UN-Kinderkonvention es verlangt und wie es in dem nur zwei Tage in Kraft gewesenen verbesserten Familiengesetzbuch der DDR bereits festgelegt war. 4. Die Diskriminierung der Mutter eines nichtehelichen Kindes muß restlos aus dem BGB beseitigt werden. Die Subjektrolle des Kindes zu verwirklichen verlangt, bei jeder einzelnen Regelung ebenso wie bei der Gesamtanlage des Kindschaftsrechts einschließlich seiner prozessualen Verwirklichung von den Interessen des Kindes auszugehen, d. h. von Interessen des Kindes, die heutigen Vorstellungen von der Persönlichkeitsentwicklung und von den Bedingungen dazu entsprechen. Abgesehen davon, daß die materiellen Voraussetzungen dafür im Kindschaftsrecht nur in einem sehr beschränkten Umfang über das Unterhaltsrecht zum Tragen kommen, ist unter den gegenwärtigen Bedingungen für die Entwicklung des Kindes die juristische Gestaltung der personalen Beziehungen von entscheidender Bedeutung. Es ist wohl unbestritten, daß fast ausschließlich die Eltern und andere Menschen im familiären Umfeld dem Kind das Gefühl von Sicherheit, menschlicher Nähe, Akzeptanz und Glück vermitteln. Deshalb sind vom Standpunkt des Kindes solche Lösungen zu finden, die ein Maximum an Beziehungsreichtum sowie an Verantwortung für das Kind ermöglichen. Nach unseren Vorstellungen müßte die elterliche Sorge als gemeinsame elterliche Sorge konzipiert werden. Der § 1626 BGB müßte so gefaßt werden, daß von einem Recht des minderjährigen Kindes ausgegangen wird, von seinen Eltern betreut, versorgt und in seiner Entwicklung gefördert zu werden. Dieses Recht des Kindes sollte unabhängig davon existieren, ob die Eltern durch Trauschein miteinander verbunden sind oder die Vaterschaft durch eine Anerkennungsurkunde bzw. ein Urteil rechtskräftig feststeht. Hier ist in Erinnerung zu bringen, daß bei einer Beziehung, die auf Trauschein beruht, nicht von vornherein gewährleistet ist, daß persönliche Bindungen zwischen den Eltern und ihrem Kind entstehen. Für den Fall, daß die Eltern eines Kindes nicht bereit sind, gemeinsame Verantwortung für ihr Kind zu übernehmen, kann das Familiengericht auf übereinstimmenden Antrag der Eltern das Sorgerecht nur einem Elternteil übertragen, sofern es dem Wohl des Kindes entspricht. Beide Elternteile sollen nach unserer Vorstellung kraft Gesetzes das gemeinsame Sorgerecht innehaben, egal ob das Kind in eine eheliche oder nichteheliche Beziehung hineingeboren wird. Nur im Ausnahmefall, wie dem erwähnten übereinstimmenden Antrag der Eltern und in den Fällen der Gefährdung des Kindeswohles (§§ 1666, 1666a) kann das Familiengericht vom gemeinsamen Sorgerecht abweichen. Für den Fall, daß die elterliche Sorge auf übereinstimmenden Antrag der Eltern nur einem Elternteil übertragen wird, behält das Kind das Recht zum Umgang mit dem nichtsorgeberechtigten Elternteil. Die Regelungen der §§ 1671, 1672, 1705 und 1711 BGB sind damit überflüssig geworden. Von spezifischer Bedeutung ist das gemeinsame Sorgerecht für das Kind im Falle der Trennung oder Scheidung seiner Eltern. Hier ist das existentielle Interesse des Kindes darauf gerichtet, die Beziehung zu beiden Elternteilen gesichert zu wissen. Niemand, weder die gesamte Gesellschaft noch einzelne Personen, ist in der Lage, die Rolle zu erfüllen, die in der Regel die Eltern für das Kind haben. Aus diesem Grund entfällt nach unserer Vorstellung eine zwangsläufige Regelung der elterlichen Sorge bei Trennung oder Scheidung der Eltern. Es bleibt das gemeinsame Sorgerecht der Etern auch nach der Scheidung oder Trennung bestehen. Die Trennung der Eltern steht primär in keinem Zusammenhang mit der Beziehung der Eltern zu ihrem Kind. Im Gegenteil, in der Regel möchten beide Elternteile und das Kind wechselseitig die gewachsenen Beziehungen aufrechterhalten, unabhängig von dem Schicksal der Beziehung der Eltern zueinander. In der geltenden Rechtsregelung und Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Juli 1993 14645* Rechtspraxis zeigt sich gerade in dieser Frage, daß das Kind Objekt seiner Eltern ist und häufig für die Machtinteressen der Eltern benutzt wird. Dies gilt es zu beseitigen. Auch im Falle der Scheidung oder Trennung der Eltern bleibt es dabei, daß eine Zuweisung eines alleinigen Sorgerechts nur dann in Frage kommt, wenn ein übereinstimmender Antrag hierzu vorliegt oder die Voraussetzungen der §§ 1666, 1666 a vorliegen. Es liegt auf der Hand, daß das Verfahrensrecht vielfältige Modernisierungen braucht, um die Subjektrolle des Kindes zu verwirklichen. Es muß alles unternommen werden, zu verhindern, daß die Kinder in die Zwangslage geraten, sich für den einen oder anderen Elternteil entscheiden zu müssen. Die Erfahrungen bereits erprobter Meditationscenter sind hier nützlich. Gemeinsames Sorgerecht bedeutet nicht, daß die Eltern alle Streitfragen allein, ohne Hilfe des Gerichts, lösen müssen. Aber sie lassen sich anders lösen, wenn beide Eltern in der gleichen Rechtsposition sind und die Würde eines jeden gewahrt wird. Das letztere ist für die Beziehung der Kinder zu den Eltern besonders wichtig. Die gleichen Regelungen müssen auf nicht miteinander verheiratete Eltern angewendet werden. Zu einer konsequenten Verwirklichung der Subjektstellung des Kindes gehört es nach unserer Vorstellung auch, daß das Kind ab einem bestimmten Alter, soweit es die persönliche Reife dazu besitzt, zu dem übereinstimmenden Antrag der Eltern auf Übertragung der elterlichen Sorge anzuhören ist. Dabei entfällt die für das Kind bislang bestehende mißliche Situation, sich einem Elternteil zuneigen zu müssen, da es sich hierbei nicht um widerstreitende Interessen der Eltern, sondern um ein gemeinsames Intersse der Eltern, ausgedrückt in einem gemeisamen Antrag, handelt. Einige Bemerkungen zum Umgangsrecht. Wird die elterliche Sorge ausnahmsweise nur von einem Elternteil ausgeübt, behalten das Kind und der nichtsorgeberechtigte Elternteil das Recht zum persönlichen Umgang. Das Recht zum wechselseitigen persönlichen Umgang haben daneben auch das Kind und andere ihm nahestehende Bezugspersonen. Auch hier muß von einer Unterscheidung zwischen nichtehelichen und ehelichen Kindern abstrahiert werden, um eine völlige Gleichstellung zu erreichen, wie es nach Art. 6 Abs. 5 Grundgesetz verlangt wird. Bislang verhandelte der Sorgerechtsinhaber aus der Position der Stärke mit dem entrechteten Elternteil unter der Devise: so wenig Umgang wie möglich. Dieses Prinzip gilt es umzukehren. Ausgangspunkt für die Umgangsregelung müssen die Bedürfnisse des Kindes sein. Eine Verkürzung menschlicher Beziehungen durch eine Behörde oder mit Unterstützung einer Behörde darf nicht zugelassen werden. Schützenswert sind in gleicher Weise die persönlichen Beziehungen des Kindes zu weiteren Bezugspersonen, so z. B. Großeltern, Geschwister, Pflegeeltern. Die Umgangsbeziehungen sind neu als wechselseitige Rechte auszugestalten. Für dringend halten wir die Beseitigung der Diskriminierung nichtehelicher Kinder und deren Mütter. Für die Gleichstellung der nichtehelichen mit den ehelichen Kindern ist zu dem Vorangegangenen noch folgendes zu sagen: Die Bestimmungen über den Erbersatzanspruch, den vorzeitigen Erbausgleich, die Unterhaltsabfindung und die Ehelicherklärung müssen entfallen. Jegliche Unterschiede in den unterhaltsrechtlichen Regelungen müssen beseitigt werden, wobei wir für den Wegfall des Regelunterhaltes plädieren und diesen nicht für die ehelichen Kinder anwenden möchten. Der Unterhalt sollte einheitlich und generell von den Einkünften der Eltern abgeleitet und individuell bemessen werden. Besonders diskriminierend sind die §§ 1705 ff. BGB, für die der Normalfall die Mutter eines nichtehelichen Kindes ist, die unfähig ist, die Interessen ihres Kindes wahrzunehmen. Ihr wird derzeit eine Amtspflegschaft aufgezwungen. Dieses Relikt der Vergangenheit kannte das Familiengesetzbuch der DDR seit 1965 nicht mehr. Die Amtspflegschaft ist zu beseitigen. Statt dessen sollte für alleinstehende Sorgeberechtigte eine Beistandschaft durch das Jugendamt möglich sein. Auch die Begriffe „nichteheliche" und „eheliche" Kinder sollten eliminiert werden als konsequenter Ausdruck der Gleichstellung. So war es im Familiengesetzbuch der DDR 1965 geschehen. Im neuen Kindschaftsrecht sollten die letzten Reste einer juristischen Deklassierung einer großen gesellschaftlichen Gruppe beseitigt werden, die allein aus der Tatsache nichtehelicher Abstammung ausgegrenzt wurde und damit auch leichter ausbeutbar war, was nicht übersehen werden sollte. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Ich freue mich über die Gelegenheit, heute zur Reform des Kindschaftsrechts sprechen zu können. Bei der Vielzahl schwierigster Aufgaben, denen sich der Gesetzgeber derzeit zu stellen hat, besteht allzuleicht die Gefahr, daß diejenigen vergessen werden, die unseren besonderen Schutz und unsere besondere Aufmerksamkeit brauchen, nämlich die Kinder. Man kann es deshalb gar nicht oft genug in Erinnerung rufen, daß eine umfassende Reform des Kindschaftsrechts nötig ist. Die Bundesregierung hat dies immer wieder betont und die Arbeiten energisch vorangetrieben. Dabei hat sich gezeigt, daß Teile des Vorhabens aus der Gesamtreform herausgelöst und damit vorzeitig verwirklicht werden können. In drei von vier Teilbereichen, in denen ich große Übereinstimmung mit dem vorliegenden Antrag sehe, liegen bereits Referentenentwürfe vor: Es geht zum einen um die gesetzliche Amtspflegschaft, die derzeit in den alten Bundesländern — anders als in den neuen — bei der Geburt eines nichtehelichen Kindes automatisch eintritt. Der Entwurf eines Beistandschaftsgesetzes schlägt vor, diese Amtspflegschaft abzuschaffen. An ihre Stelle soll eine freiwillige Beistandschaft durch das Jugendamt mit den Aufgabenkreisen der Vaterschaftsfeststellung und der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen treten. Mit einer solchen Regelung wird nicht nur in den alten Bundesländern die Entrechtung der Mütter 14646' Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Juli 1993 nichtehelicher Kinder aufgehoben, sondern auch die Verbesserung von Hilfsangeboten in den neuen Bundesländern erreicht, die bisher unzureichend sind, weil eine Beistandschaft mit Vertretungsmacht zur Vaterschaftsfeststellung dort nicht möglich ist. Der Entwurf schafft damit ein weiteres Stück deutscher Rechtseinheit. Auch der Referentenentwurf eines Erbrechtsgleichstellungsgesetzes zielt darauf ab, Unterschiede im Recht der alten und der neuen Bundesländer zu beseitigen. Er schlägt vor, die Sonderregelungen für nichteheliche Kinder, also den Erbersatzanspruch und den vorzeitigen Erbausgleich, zu beseitigen und die nichtehelichen Kinder erbrechtlich voll den ehelichen gleichzustellen. Der Entwurf eines Mißhandlungsverbotsgesetzes schlägt eine Konkretisierung des § 1631 Abs. 2 BGB vor. Nach dieser Vorschrift sind bisher „entwürdigende Erziehungsmaßnahmen" unzulässig. Was dies konkret bedeutet, insbesondere welche Grenze den Sorgeberechtigten dadurch bei Bestrafungen von Kindern gezogen sind, ist leider vielen nicht bewußt. Zur Klarstellung sollen daher künftig körperliche und seelische Mißhandlungen ausdrücklich für unzulässig erklärt werden. Außerdem strebe ich an, noch in der laufenden Legislaturperiode einen Entwurf vorzulegen, der das Unterhaltsrecht zugunsten nichtehelicher Kinder neu regelt. Im geltenden Unterhaltsrecht gibt es noch immer Unterschiede zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern, insbesondere in der Ausgestaltung einer Mindestunterhaltssicherung und der Anpassung der Unterhaltsrenten an die Veränderung der Lebenshaltungskosten. Auf eine schnelle Vereinheitlichung des Unterhaltsrechtes mit einer vereinfachten Anpassung von Unterhaltstiteln ist dringend hinzuwirken. Eine Verabschiedung der Gesamtreform des Kindschaftsrechts, insbesondere des schwierigen Sorge-und Umgangsrechts sowie des Verfahrensrechts, kann ich redlicherweise nicht für die laufende Legislaturperiode in Aussicht stellen. Die Arbeiten, vor allem in der im Bundesjustizministerium eingerichtetetn interdisziplinären Arbeitsgruppe „Nichtehelichenrecht" , sind zwar gut vorangekommen, werden aber vor Ende der Legislaturperiode nicht abgeschlossen werden können. Ich habe deshalb auch Verständnis dafür, daß der vorliegende Antrag den langen und dornenvollen Weg von der These zur Gesetzesformulierung nicht gegangen ist und statt dessen die Bundesregierung zur Vorlage eines Gesetzentwurfs auffordert. Aus diesem Grund werbe ich aber auch um Verständnis dafür, daß eine Reform dieses Umfangs notwendigerweise eine erhebliche Zeit in Anspruch nimmt. Ich kann heute aber bereits sagen, daß wir bei einer Vielzahl weiterer Probleme im Grundsatz Einigkeit erzielen können. Auch ich will — die Beibehaltung der gemeinsamen Sorge nach der Scheidung erleichtern, — eine gemeinsame Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern entsprechend der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ermöglichen, — das Umgangsrecht verbessern und auf weitere Bezugspersonen wie etwa Großeltern, Stiefeltern oder Pflegeeltern ausweiten, — den Betreuungsunterhalt der Mutter eines nichtehelichen Kindes ausbauen und — Unterschiede im Recht der ehelichen und nichtehelichen Kinder soweit wie möglich beseitigen. Vieles spricht auch für den Vorschlag, den sogenannten Zwangsverband bei der Scheidung abzuschaffen. Es ist nämlich schwer einzusehen, weshalb ein Sorgerechtsverfahren bei der Scheidung auch dann durchgeführt werden muß, wenn die Eltern die gemeinsame Sorge beibehalten und ein gerichtliches Verfahren hierüber nicht wollen. Schließlich wird es bei der Auflösung nichtehelicher Gemeinschaften mit gemeinsamer Sorge einen solchen Zwangsverbund nicht geben können, da hier kein wie auch immer gestaltetes staatliches „Scheidungsverfahren" durchgeführt wird. Würde man bei der Scheidung den Zwangsverbund aufrechterhalten, so würden die Eltern ehelicher Kinder, die die gemeinsame Sorge im Konfliktfall beibehalten wollen, stärker überwacht als die Eltern nichtehelicher Kinder. Das kann schlecht angehen. Nicht verstehen kann ich deshalb, daß der Antrag im Fall der einverständlichen Scheidung verlangt, daß die Eltern dem Gericht einen sogenannten Sorgeplan vorlegen müssen, der ihre Vorstellungen über den weiteren Aufenthalt, die Betreuung des Kindes sowie das Kontaktrecht des Elternteils enthält, der das Kind nicht betreut. Schließlich ist zu bedenken, daß unverheiratete Eltern, die ein gemeinsames Sorgerecht ausüben, im Falle einer Trennung einen solchen Sorgeplan nicht vorlegen müssen. Mit dem Ziel einer sorgerechtlichen Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder ist dieser Vorschlag schwerlich vereinbar. Noch halbherziger ist der Antrag, was die Erlangung der gemeinsamen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern betrifft. Sie wollen hier — anders als bei den Eltern ehelicher Kinder — eine gemeinsame Sorge nur nach vorheriger gerichtlicher Prüfung zulassen. Ich möchte es deutlich sagen: Aus diesem Antrag spricht deutlich ein aus meiner Sicht nicht gerechtfertigtes Mißtrauen gegen die Mütter nichtehelicher Kinder, die die elterliche Verantwortung mit dem Vater teilen wollen. Ich halte hier ein staatliches Prüfungsverfahren für entbehrlich, sogar für überflüssig, und setze mich deshalb dafür ein, die gemeinsame Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern schon auf Grund einer übereinstimmenden Erklärung der Eltern eintreten zu lassen. Mit diesen kritischen Bemerkungen sollen die positiven Ansätze des vorliegenden Antrags nicht überdeckt werden. In weiten Bereichen können wir sicher zu übereinstimmenden Lösungen kommen. Ich werde meinen Beitrag dazu leisten, daß diese Chance genutzt wird. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Juli 1993 14647* Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Antrag: Beteiligung der Bundeswehr an UNOSOM II (Tagesordnungspunkt 20) Dr. Hans de With (SPD): Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zum Antrag der SPDBundestagsfraktion auf Erlaß einer Einstweiligen Anordnung zum Verbot des Somalia-Einsatzes bis zur Entscheidung in der Hauptsache Art. 87 a Abs. 1 des Grundgesetzes für nicht anwendbar erklärt und damit die Entscheidung für diesen Einsatz allein von einer konstitutiven Mehrheitsentscheidung des Deutschen Bundestages abhängig gemacht. Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht dabei nicht unterschieden zwischen Blauhelm-Einsätzen, friedenserhaltenden und friedensschaffenden Einsätzen. Das heißt, der Bundestag kann frei allein nach Zweckmäßigkeitserwägungen seine Entscheidung treffen. Kaum ein Bundeswehreinsatz in diesem Bereich wird gefahrlos sein. Ein Risiko besteht immer. Das war beim Minenräumen im Golf genauso, wie es zur Zeit noch ist bei den Hilfsflügen nach Sarajevo. Die Beteiligung an Somalia-Einsätzen nach den Beschlüssen der Vereinten Nationen haben Zehntausende wenn nicht Hunderttausende vor dem Hungertod und vor dem Bürgerkrieg bewahrt. Ohne Anwesenheit fremder Truppen aufgrund der UNO-Anforderungen droht der Bevölkerung in Somalia erneut Bürgerkrieg und sehr wahrscheinlich Hunger. Deutsche Soldaten sind bereits in Somalia. Das Verfassungsgericht wußte, daß im Beschluß des Bundestages weitere deutsche Soldaten nach Somalia geschickt werden würden. Es hat zudem zu erkennen gegeben, daß es eher Sache der Politik sei, sich zu entscheiden. Unter diesen Umständen kann ich nicht für einen Abzug der deutschen Soldaten votieren. Ich enthalte mich deshalb der Stimme. Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.) Ich stimme dem einstweiligen Verbleib von Einheiten der Bundeswehr in Somalia bis zu einer abschließenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu, obwohl ich der Überzeugung bin, daß dieser Einsatz eine Änderung des Art. 87a GG voraussetzt. Der Einsatz der Bundeswehr in Somalia hat nicht nur humanitären, sondern auch militärischen Charakter. Ein humanitärer Einsatz der Bundeswehr in Somalia, wie er von der Bundesregierung ursprünglich den Vereinten Nationen angeboten wurde, ist sinnvoll. Angesichts des vollkommenen Zusammenbruchs der eigenstaatlichen Strukturen des Landes und der politischen Wirren sollte der Bevölkerung durch technische, medizinische und wirtschaftliche Hilfe ein Überleben ermöglicht werden. Der tatsächliche Einsatz der Bundeswehr geht aber über diese Hilfeleistung an die somalische Bevölkerung weit hinaus. Er besteht offenbar auch darin, die unmittelbar kämpfenden Truppen anderer Länder logistisch zu unterstützen und deren militärische Aktionen zu ermöglichen. Das wird besonders eindringlich durch die Erklärung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Boutros Ghali bestätigt, daß die Gesamtaktion der Vereinten Nationen ohne die eingeplante Beteiligung der Bundeswehr ernsthaft gefährdet sei. Sie ist also ein wesentlichen Bestandteil dieser militärischen Aktion und kann darum nicht anders beurteilt werden als die Aktion selbst. Der Generalsekretär mag zwar seine Erklärung in der Absicht abgegeben haben, dazu beizutragen, daß eine einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichtes nicht ergeht. Tatsächlich hat er mit ihr aber bestätigt, daß der Einsatz der Bundeswehr über den Beschluß des Bundestages vom 21. April 1993 über eine humanitäre Hilfeleistung und über die traditionellen „Blauhelm-Einsätze" weit hinausgeht. Durch eine Verfassungsänderung sollte entschieden werden, daß, in welchem Umfang und unter welchen Bedingungen sich die Bundesrepublik Deutschland an militärischen Aktionen der Vereinten Nationen zukünftig beteiligen kann. In einer solchen Verfassungsänderung sollte eine qualifizierte Mehrheitsentscheidung des Deutschen Bundestages vor Beginn eines Einsatzes zwingend vorgeschrieben werden, damit Umfang und Dauer, vor allem aber das Ziel und der politische Sinn eines solchen Einsatzes vor der deutschen Öffentlichkeit definiert und begründet werden müssen. Nur so kann festgestellt werden, ob zu dieser Zielsetzung eine so breite politische Übereinstimmung gegeben ist, wie insbesondere eine Wehrpflichtarmee das erfordert. Es sollte bei dieser Gelegenheit auch verfassungsrechtlich klargestellt werden, daß es mindestens ebenso notwendig ist, die Bundeswehr in die Lage zu versetzen, ein Katastrophenschutzkorps für humanitäre Hilfeleistungen den Vereinten Nationen zur Verfügung zu stellen. Diese Voraussetzungen sind zur Zeit nicht gegeben, weil es zu einer entsprechenden Verfassungsänderung bisher nicht gekommen ist. Das gilt unabhängig davon, daß das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 23. Juni den Erlaß einer Einstweiligen Anordnung abgelehnt hat. Denn das Verfassungsgericht hat in dieser Entscheidung die Grundfrage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit ausdrücklich offengelassen. Ich stimme dem einstweiligen Verbleiben der Bundeswehr in Somalia nur deswegen zu, weil die Bundesregierung durch das Angebot an die Vereinten Nationen vom 17. Dezember 1992, durch den Kabinettsbeschluß vom 21. April 1993 und durch die Entsendung eines sogenannten Vorkommandos einen internationalen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, aus dem sich die Bundesrepublik Deutschland nicht mehr ohne einen unstreitigen, international anerkannten und zwingenden Grund lösen kann. Eine zwingende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes wäre ein solcher Grund gewesen. Eine streitige Entscheidung des Deutschen Bundestages wird aber schon deswegen international nicht anerkannt werden, weil Teile der Bundesregierung selbst die Auffassung vertreten, daß unsere Verfassung auch militärische Einsätze außerhalb des NATO-Gebietes und ohne Beschränkung auf die Verteidigung zulasse. Angesichts dieser Sachlage ist der Deutsche Bundestag in seinen außenpolitischen Entscheidungen nicht 14648* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Juli 1993 mehr frei. Selbst wenn man die oben wiedergegebene Erklärung des Generalsekretärs Boutros-Ghali als gutgemeinte Gefälligkeit einordnet, so gibt sie j eden-falls die Erwartungen wieder, die in der Völkergemeinschaft entstanden sind, der die deutschen innenpolitischen Auseinandersetzungen über die Grenzen unserer Verfassung gleichgültig sind. Weder die Bundesregierung, noch die parlamentarische Mehrheit, hat einen Anspruch gegen die Minderheit auf Zustimmung zu einer Verfassungsänderung, mag sie noch so sinnvoll sein. Ich bin der Überzeugung, daß die politische Präjudizierung des Parlamentes in einer solchen Frage zu einer schweren politischen Krise führen wird, wenn sie fortgesetzt wird oder wenn sie das Leben deutscher Soldaten kostet. Dr. Michaela Blunk (Lübeck) (F.D.P.): Ich stimme dem einstweiligen Verbleib von Einheiten der Bundeswehr in Somalia bis zu einer abschließenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nicht zu, weil ich der Überzeugung bin, daß auch dieser Einsatz eine Änderung des Grundgesetzes voraussetzt. Die Hauptaufgabe der deutschen Soldaten wird es sein, „bei Aufbau, Unterstützung und Sicherstellung der Verteilerorganisation für Hilfs- und Logistikgüter" für kämpfende Truppen anderer Nationalitäten mitzuwirken. Erst an zweiter Stelle stehen humanitäre Maßnahmen für die somalische Bevölkerung. Ich kann beim besten Willen nicht erkennen, daß die Unterstützung von Kampfverbänden unter die Kategorie „Humanitäre Maßnahmen" eingestuft werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat den Einsatz deutscher Truppen als „humanitär" klassifiziert. Diese Klassifizierung war die Grundlage für seine Entscheidung. Die oben formulierte Aufgabenstellung und die Ereignisse der letzten Zeit in Somalia zeigen aber, daß eine klare Trennungslinie zwischen humanitären und Kampfeinsätzen nicht zu ziehen ist. Auch die Befürworter von Kampfeinsätzen bestätigen, daß diese Grenze fließend ist. Wenn zudem der Generalsekretär der Vereinten Nationen den Einsatz der Deutschen als unerläßlich für die gesamte Operation der UNO bezeichnet, macht auch er deutlich, daß es sich nicht um einen ausschließlich humanitären Einsatz handeln kann. Ich halte es auch für zumindest diskussionswürdig, ob nicht die „Feindstaatenklauseln" in der UNO-Charta gestrichen werden sollten, bevor deutsche Soldaten für die UNO eingesetzt werden können. Wolfgang Lader (F.D.P.): Ich sage zu diesem Somalia-Einsatz der Bundeswehr Ja. Die wesentlichen Gründe meiner Entscheidung sind: Nachdem das Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich zugelassen hat, daß die Bundeswehr in Somalia auf Anforderung der UNO im Rahmen UNOSOM II verantwortliche Aufgaben wahrnimmt, hat der Generalsekretär meiner Partei, Dr. Werner Hoyer, in der Plenardebatte des Deutschen Bundestages am 24. Juni 1993 für die F.D.P. die verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Grundsatzposition der Liberalen dargelegt und die Notwendigkeit einer Ergänzung des Grundgesetzes begründet. Mit den von Dr. Hoyer für die F.D.P. festgeschriebenen Grundsätzen und in dem von ihm gesetzten Rahmen ist die Zustimmung des Deutschen Bundestages zum Kaolitionsantrag vertretbar. Ich hebe dazu insbesondere folgende Punkte hervor: 1. Eine Verfassungsänderung ist auch für die Wahrnehmung derartiger Aufgaben durch Bundeswehrsoldaten, wie sie jetzt in Somalia erfüllt werden müssen, notwendig. 2. Es ist verfassungsrechtlich nach unserem Verständnis festgestellt, daß es sich hierbei entsprechend der Anforderung des UN-Generalsekretärs nicht um einen Kampfeinsatz deutscher Soldaten handelt. 3. Es ist sichergestellt, daß es sich um die Wahrnehmung von Aufgaben handelt, um die die UNO Deutschland gebeten hat und die unter der Leitung und Kontrolle des UNO-Sicherheitsrates oder der von ihm Beauftragten erfüllt werden. Für militärische Kampfeinsätze der Bundeswehr außerhalb des NATO-Gebietes werde ich keine Zustimmung geben, auch nicht einer entsprechenden Änderung unseres Grundgesetzes. Anlage 4 Erklärung nach j 31 GO zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses zu dem Standortsicherungsgesetz (Zusatztagesordnungspunkt 7) Detlev von Larcher (SPD): Ich leime das Ergebnis des Vermittlungsausschusses ab. Das sogenannte Standortsicherungsgesetz ist im Vermittlungsausschuß aus meiner Sicht nicht besser geworden. 1. Die Aufkommensneutralität ist allenfalls für das Entstehungsjahr, eine fiktive Größe, gesichert. Schon in 1994 ist eine Einnahmeminderung von ca. 3 Milliarden Mark zu erwarten. In den Jahren 1995 und 1996 wird sich das Einnahmedefizit auf jeweils 5 Milliarden vergrößern. 2. Das Gesetz bringt vor allem für Großunternehmen eine steuerliche Entlastung. Auf viele Klein- und Mittelbetriebe werden zusätzliche Belastungen zukommen. Entsprechende Schreiben von Unternehmen aus meinem Wahlkreis habe ich schon bekommen. Es ist ein mittelstandsfeindliches Gesetz. 3. Das Wichtigste: Ich kann den Menschen in meinem Wahlkreis nicht erklären, wieso in einer Zeit, in der Arbeitslose, Umschüler, Kurzarbeiter, Aussiedler, Schlechtwettergeldbezieher, ABM-Beschäftigte und Sozialhilfeempfänger zur Kasse gebeten werden, die Unternehmenssteuern gesenkt werden. „Dies Sparkonzept erzwingt fortwährend Wiederholungen, weil die Konjunktur weiter nach unten Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Juli 1993 14649* weggedrückt wird. Vom Arbeitsplatz zunächst in die Kurzarbeit, von dort zunächst in die normale Arbeitslosigkeit, dann in die Langzeitarbeitslosigkeit, bei erschwerten Umschulungs- und ABM-Bedingungen mit der Endstation Sozialhilfe. " So schrieb vorgestern ein bekannter Wirtschaftsredakteur. Recht hat er. Präsident Clinton will die Wirtschaft trotz der enormen Rekordverschuldung seines Staates mit Steuererhöhungen und Konjunkturprogrammen aus der Krise herausführen. Aber diese Bundesregierung betreibt soziale Demontage, obwohl sich das in Großbritannien und den USA als verhängnisvoller Fehler erwiesenhat. Und gleichzeitig werden die Steuern für Unternehmen gesenkt. Die Ärmsten sollen die ganze Last tragen, aber ich, wir alle, die wir hier sitzen, kommen ohne zusätzliche Belastung davon. Dies alles ist die Aufkündigung des sozialen Friedens. Da gibt es für mich nur ein klares Nein. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 21 (a — Antrag: Zukunftssicherung durch freien Welthandel, b — Antrag: Wirtschaftsgipfel 1993 — Die weltwirtschaftliche Strukturkrise gemeinsam überwinden) Dr. Uwe Jens (SPD): In Tokio treffen sich nächste Woche die Regierungschefs der größten Industrieländer der westlichen Welt zu einer der pompösesten Schauveranstaltungen. Seit nunmehr 18 Jahren laufen diese Veranstaltungen immer mit dem gleichen kaum noch zu überbietenden Ritual. Tausende von Journalisten, Tausende von Wirtschaftsexperten und ein Millionenaufwand geben der Veranstaltung einen Rahmen, in dem sich Regierungschefs und Präsidenten sonnen und darstellen können. In krassem Gegensatz zu dem rituellen Getue und Gehabe und der ja schon monarchischen Selbstpräsentation der hohen Herren stehen die Resultate dieser Gipfelveranstaltungen. Was ist bei den letzten Weltwirtschaftsgipfeln von Houston 1990, London 1991 und München in 1992 eigentlich herausgekommen? Schon 1992 herrschte in den meisten Gipfelländern tiefe Rezession. Die Überschrift der sogenannten Willenserklärung von München hieß vielversprechend „Mehr Zusammenarbeit für Wachstum und eine sichere Welt" und „Mehr Sicherheit von Kernkraftwerken in den neuen unabhängigen Staaten der früheren Sowjetunion wie in Mittel- und Osteuropa". Welche Initiativen und konkreten Maßnahmenbündel zur Sicherung von Wachstum und Beschäftigung in den Industrieländern sind denn seitdem getroffen worden? In der Erklärung von München vom vergangenen Jahr heißt es: „Zu viele Menschen sind ohne Arbeit. " Wie wahr! Es heißt weiter in der Erklärung: „Die Gipfelländer verpflichten sich zu einer Politik, die auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und Wachstum abzielt. Es ist unser Ziel," — so der Wortlaut der Erklärung — „unter Berücksichtigung der jeweiligen Lage in unseren Ländern die geeigneten Schritte zur Durchsetzung einer gesunden makroökonomischen Politik zu unternehmen, um ein stärkeres dauerhaftes Wachstum voranzubringen. " — Schöne und richtige Ankündigungen, aber nichts, gar nichts wurde erreicht. Es kommt noch besser. In München hat der Bundeskanzler gemeinsam mit seinen Kollegen folgende Leitlinien beschlossen. Wir — also die Regierungschefs — werden — eine solide Geld- und Finanzpolitik verfolgen, um den Aufschwung zu stützen; — den Spielraum für niedrigere Zinsen durch Verringerung öffentlicher Defizite schaffen; — unsere Umwelt- und wachstumspolitischen Ziele durch verstärkte Nutzung marktwirtschaftlicher Anreize und technologische Innovationen besser in Einklang bringen. Anstatt eine solide Finanzpolitik zu betreiben, haben sie die Neuverschuldung auf neue Rekordhöhen getrieben. Daran ändert auch nichts der geplante soziale Kahlschlag mit 20 Milliarden DM Einsparungen. Anstatt, wie noch auf dem Münchner Gipfel groß angekündigt, Spielräume für niedrigere Zinsen zu schaffen, haben sie der Bundesbank den Spielraum für deutliche Zinssenkungen verbaut. Anstatt umwelt- und wachstumspolitische Ziele zu vereinbaren und technologische Innovationen zu fördern — wie sie es auf dem Münchner Gipfel versprochen haben — haben sie die Ausgaben für Forschung und Entwicklung gekürzt, in der Umweltpolitik versagt und unsere Vorschläge für eine ökologische Modernisierung unserer Volkswirtschaft stets vom Tisch gefegt. Während sich die Regierungschefs und Präsidenten zu einem weiteren pompösen Gipfel in Tokio treffen, hält die Wirtschaftskrise in den Industrieländern unvermindert an. In Europa sind 17 bis 18 Millionen Menschen ohne Arbeit. In Nordamerika sind 10,5 Millionen Menschen ohne Arbeit. Aus Japan wird gerade in den letzten Tagen ebenfalls eine Rekordarbeitslosigkeit (1,7 Millionen) gemeldet. Während sich Regierungschefs und Präsidenten bei Champagner zu Kamingesprächen in Tokio treffen, sind etwa 30 Millionen Menschen in ihren Industrieländern arbeitslos. Und das sind nur die offiziellen Arbeitslosenzahlen aus den Gipfelländern. Wie auch in Deutschland, dürften auch in den USA und Japan die tatsächlichen Zahlen noch viel dramatischer sein. In keinem der Gipfelländer ist ein nachhaltiger Wirtschaftsaufschwung in Sicht. In den USA mußten in den letzten Wochen die viel zu optimistischen Prognosen der Regierung deutlich nach unten korrigiert werden. Präsident Clinton kommt mit seinem Wirtschaftsprogramm nicht durch Kongreß und Senat. Auch in Japan ist ein Wiederaufschwung der Wirtschaft nicht in Sicht. Die Bundesrepublik Deutschland als drittgrößte Industrienation ist das Schlußlicht bei den wirtschaftlichen Grunddaten unter allen Gipfelländern. In den konkreten Handelsbeziehungen ist von der Eintracht der Gipfel-Schauveranstaltungen zwischen den Regierungschefs wenig zu spüren. Zwischen der 14650 * Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Juli 1993 EG und den USA, den USA und Japan und der EG und Japan wird nicht mehr Handelspolitik im Sinne von Sicherung und Ausbau des freien Welthandels betrieben, sondern es herrscht Handelskrieg. Anders kann man es wohl kaum bezeichnen, wenn wir die täglichen Meldungen über den Streit im Agrarbereich, im Telekommunikationsbereich und über Strafzölle bei Stahl in den Medien verfolgen. Seit nunmehr 8 Jahren wird in der Uruguay-Runde über eine Liberalisierung im Welthandel ohne Ergebnis verhandelt. Das nach dem bisherigen Generalsekretär des GATT benannte „Dunkel-Paket" ist heute nicht mehr das Papier wert, auf dem es geschrieben stand. Dem neuen Generalsekretär Suntherland kann man nur wünschen, daß er mehr Rückendeckung von den Regierungen der Gipfelländer erhält als sein Vorgänger. Der öffentliche Streit über kleinkarierte Handelsprobleme zwischen den großen Handelsblöcken erinnert an die Zeit Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre. Sind die Verantwortlichen nicht in der Lage, aus den Erfahrungen der damaligen Zeit zu lernen? Die „beggar my neighbour policy" scheint sich zu wiederholen. Das war ein wichtiger Grund für das Abrutschen der Weltwirtschaft ins Chaos. Auch sogenannte Intellektuelle tuten vor allem aus Frankreich schon wieder in das gleiche Horn. Ich kann nur warnen: Wer nicht bereit ist, aus der Vergangenheit zu lernen, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen. Das darf auf keinen Fall sein. Wir und mit uns 30 Millionen arbeitslose Menschen in den Gipfelländern erwarten vom Weltwirtschaftsgipfel: — ein konkretes, zwischen den Weltwirtschaftsnationen abgestimmtes wirtschaftspolitisches Maßnahmenbündel zur Überwindung der Rezession und Wiedergewinnung wirtschaftlichen Wachstums durch Beschleunigen von öffentlichen Investitionen, Förderung gewerblicher Investitionen und durch Initiativen zur ökologischen Modernisierung der Volkswirtschaften; — abgestimmte Zielvorgaben für die mittelfristige Konsolidierung der Haushalte in den führenden Weltwirtschaftsnationen, insbesondere den USA, Frankreich, Italien und der Bundesrepublik Deutschland; — konkrete Beschlüsse über Eckpfeiler und einen konkreten Zeitplan für den Abschluß der GATT-Verhandlungen. Danach müssen Initiativen für die Einbeziehung von Umwelt- und Sozialmindeststandards in die Verträge ergriffen werden. Wenn der Weltwirtschaftsgipfel in Tokio sich nicht in diesem Sinne für ein wirtschaftspolitisches Maßnahmenbündel zur Rezessionsbekämpfung bereit findet, hat er seine Existenzberechtigung verloren und sollte besser heute als morgen abgeschafft werden. Pompöse Schauveranstaltungen sind eine Verhöhnung der Millionen von Arbeitslosen, die noch zusätzlich von der Bundesregierung geschröpft werden sollen. Dr. Reinhard Göhner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die Nachkriegsordnung hat sich nicht nur in politischer und militärischer Hinsicht fundamental verändert, auch die weltwirtschaftlichen Bedingungen und damit die Aufgaben für die internationale Zusammenarbeit haben sich gewandelt. Wir müssen über die Ordnungselemente der künftigen Weltwirtschaft neu nachdenken. Die Spielregeln des Zusammenlebens der Völker sind dort zu festigen, wo sie sich bewährt haben, dort zu ergänzen bzw. fortzuentwickeln, wo sich neue Felder für die internationale Zusammenarbeit aufdrängen. Der Gipfelprozeß kann hierzu im Zusammenwirken mit den Internationalen Organisationen der Weltwirtschaft einen Beitrag leisten. Der Wirtschaftsgipfel in Tokio vom 7. bis 9. Juli 1993 soll wie schon in München einen straffen Themenkatalog haben, der es den Staats- und Regierungschefs ermöglicht, ihre Zeit und Aufmerksamkeit auf wirklich wichtige und strategische Themen zu konzentrieren. Dazu gehören aus meiner Sicht die Lage der Weltwirtschaft und die Situation in Rußland. Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit und die Unsicherheiten über die weitere wirtschaftliche Entwicklung zwingen zu einer sachlichen und nüchternen Analyse der Ursachen der Wachstumsschwäche. Es geht um eine gemeinsame Strategie für mittelfristiges inflationsfreies Wachstum. Deren Elemente müssen sein: — Ein zügiger Abschluß der Uruguay-Runde, — die mittelfristige Haushaltskonsolidierung in den G7-Ländern, — die notwendigen Strukturreformen. Grundlage der Diskussion dieser Thematik ist ein Bericht der Finanzminister, der vom Münchener Gipfel für Tokio erbeten wurde. Die Spannungen in der Weltwirtschaft sind nicht zuletzt durch wirtschaftliche Konflikte innerhalb der Gruppe der großen Industrieländer verursacht. Wir alle tragen politische Verantwortung, derartige Konflikte, insbesondere im handelspolitischen Bereich, zu begrenzen. Schon jetzt ist erkennbar, daß solche Konflikte unsere freundschaftlichen Beziehungen im transatlantischen Bereich, aber auch im Verhältnis zu Japan gefährden. Man gewinnt den Eindruck, daß mit dem Wegfall der disziplinierenden Wirkung der Ost-West-Konfrontation wirtschaftliche Konflikte die politischen Beziehungen insgesamt zu beeinträchtigen drohen. Die Bundesregierung ist entschlossen, in diesem Zusammenhang ihre Verantwortung wahrzunehmen. Dabei sind folgende Grundsätze maßgebend: 1. Die Bundesregierung wird innerhalb der Europäischen Gemeinschaft mit allem Nachdruck dafür eintreten, daß die europäische Integration nicht durch eine Abschottung der Gemeinschaft nach außen vorangetrieben wird. Die deutsche Wirtschaftspolitik muß deshalb die Anpassungs- und Reformfähigkeit der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung weiter stärken, um unseren Wohlstand in einer offenen Weltwirtschaft behaupten zu können. 2. Die Bundesregierung erwartet von der Europäischen Gemeinschaft und von der Europäischen Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Juli 1993 14651* Kommission eine Außenwirtschaftspolitik, die den Grundsätzen eines offenen, multilateralen Welthandelssystems Rechnung trägt. Schließlich müssen wir auch im G7-Kreis dazu beitragen, dØ die Verfolgung handelspolitischer Interessen nicht bilateralen Arrangements anheim fällt. Die Bundesregierung wird sich nicht an handelspolitischen Konfrontationen gegen Dritte beteiligen. Der beste Weg zur Sicherung des mulitlateralen Systems ist der baldige Abschluß der GATT-Runde. Neben diesen großen weltwirtschaftlichen Orientierungen hat sich der Gipfel mit einer Stärkung von Wachstum und Beschäftigung sowie der weiteren Unterstützung der Reformen in Osteuropa, den Staaten der ehemaligen Sowjetunion und nicht zuletzt den Entwicklungsländern auseinanderzusetzen. Das Problem der strukturellen Arbeitslosigkeit wird sich nicht lösen lassen über eine globale Steuerung der Nachfrage in den Industrieländern. Es scheint mittlerweile klar zu sein, daß hier nur strukturelle Reformen in vielen Bereichen unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zur nachhaltigen Stärkung der weltwirtschaftlichen Wachstumskräfte führen werden. Die jüngsten Beschlüsse der Bundesregierung zur dauerhaften Konsolidierung des Haushalts sind ein wichtiges Signal an unsere G7-Partner, daß die Bundesregierung die historische Herausforderung der deutschen Vereinigung nicht nur bewältigen wird, sondern mit einer Politik meistert, die zugleich zum weltwirtschaftlichen Wachstum beiträgt. Die Haushaltskonsolidierung verbessert den Handlungsspielraum der Bundesbank. Sie hat dies gestern genutzt und wird damit auch zum deutschen Beitrag für einen erfolgreichen Gipfel beitragen. Wie Sie wissen, ist Präsident Jelzin wie anläßlich des Gipfels in München auch nach Tokio eingeladen worden. Für die Gespräche mit Präsident Jelzin haben wir eine gute Ausgangsposition durch das multilaterale Unterstützungspaket des Finanz- und Außenministertreffens in Tokio von Mitte April und durch die erneute demokratische Legitimierung Präsident Jelzins durch das Referendum vom 25. April. Auf dieser Grundlage kann die partnerschaftliche Zusammenarbeit weiter ausgebaut werden. Bei der Umsetzung des Tokio-Paketes steht die Zusammenarbeit Rußlands mit dem Internationalen Währungsfonds, der Aufbau eines Mittelstandes in Rußland und die Privatisierung großer Unternehmen im Mittelpunkt. Generell müssen wir uns um eine noch wirksamere Umsetzung westlicher Hilfen bemühen. Ein besonderes Anliegen deutscherseits ist es, den im letzten Jahr in München eingeleiteten Prozeß zur Erhöhung der Sicherheit der Kernkraftwerke sowjetischer Bauart weiter voranzubringen. Die eingeleiteten Verbesserungen im Bereich der Sofortmaßnahmen müssen jetzt effektiv genutzt werden. Parallel gilt es, den schwierigen Prozeß der längerfristigen Verbesserung der Sicherheit der Kernkraftwerke voranzubringen. Im Umweltbereich sollte der Gipfel in diesem Jahr die Entschlossenheit zur Umsetzung der Ergebnisse der Rio Konferenz zum Ausdruck bringen. Beim Thema Entwicklungsländer kann Tokio die Gedanken von München aufgreifen und weiterentwickeln. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 22 a bis h (Änderung des Europawahlgesetzes, des Artikels 38 GG, des Bundeswahlgesetzes) Wolfgang Lüder (F.D.P.): In weniger als einem Jahr wird das vierte Europäische Parlament der EG gewählt. Zum ersten Mal sind dann die Bürger in allen Bundesländern, nicht nur in den westlichen, sondern auch in den östlichen einschließlich der Bundeshauptstadt aktiv wahlberechtigt. Mit der gesetzlichen Regelung, die wir heute verabschieden, wird die Rechtsgrundlage dazu gelegt. Wir vollenden die Wiedervereinigung Deutschlands für die parlamentarische Vertretung unseres Landes in Europa. Dies allein ist schon ein wichtiger Schritt. Die Bürger in Berlin, in Brandenburg, in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen erhalten zum ersten Mal Gelegenheit, unmittelbar an den Wahlen zum Europäischen Parlament teilzunehmen, unmittelbar Einfluß zu nehmen auf die parlamentarische Repräsentanz in Europa. Auch wenn es immer noch nicht gelungen ist, auch nicht in den Maastricht-Verträgen und in ihrem Gefolge, dem Europäischen Parlament die Kompetenz und Wirkungskraft einzuräumen, die dem Europa der Demokratien, die dem demokratischen Europa gebührt, ist dies ein Schritt, der zu begrüßen ist. Deutschland, bevölkerungs- und flächenmäßig größer geworden, erhält einen größeren Anteil an den Sitzen des Europäischen Parlaments. 99, nicht, wie bisher, 81 Europaabgeordnete werden unser Land repräsentieren. Wir hoffen und erwarten, daß im ganzen Europa der EG die Voraussetzungen dazu geschaffen werden, daß die dadurch verbundene Erweiterung des Europäischen Parlaments Wirklichkeit werden kann. Nur vorsorglich sage ich: Sollten wegen zeitlicher Verzögerung der Ratifizierung die Bestimmungen zum Direktwahlakt des Europäischen Parlaments nicht rechtzeitig in allen EG-Mitgliedstaaten ratifiziert sein, werden wir darauf hinwirken, daß dies dann alsbald geschieht. In einem solchen Fall, den wir weder wünschen noch erwarten, werden wir unser Recht dahin zu interpretieren haben, daß zunächst die ersten 81 Abgeordneten in das Europaparlament einziehen, dann, sobald die europarechtliche Grundlage geschaffen ist, die weiteren Kolleginnen und Kollegen aus den Plätzen 82 bis 99 zum Zuge kommen, sobald der letzte EG-Nachzüglerstaat die Bremse dazu gelockert hat. Das heute vorgelegte Gesetz gibt dazu die nötige Legitimation. Das heute vorgelegte Gesetz ist unvollkommen, weil es die Intentionen Europas noch nicht voll umsetzt, noch nicht voll umsetzen kann: es entspricht 14652* Deutscher Bundestag -- 12. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Juli 1993 dem Geist der Maastrichter Verträge, es entspricht den politischen Vereinbarungen in Europa, es entspricht den Ergebnissen des EG-Gipfels von Edinburgh, daß an den nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament im jeweiligen Mitgliedstaat auch diejenigen EG-Bürger teilnehmen können, deren Paß noch nicht die Nationalität ihres Wohnsitzes ausweist. 5 Millionen Europäer leben außerhalb der traditionellen Grenzen ihres staatlichen Gemeinwesens. 5 Millionen Europäer wären nach dem bisherigen traditionellen Recht von den Wahlen zum Europäischen Parlament ausgeschlossen. Dies zu andern war und ist Absicht aller europäisch motivierten Politiker. Ein entsprechender Richtlinienvorschlag ist in den Gremien der Gemeinschaft ausgearbeitet, wird dem Ministerrat und dem Europäischen Parlament möglichst schnell, hoffentlich noch in diesem Monat, unterbreitet. Wir erwarten, daß die entsprechende Richtlinie, die allen Europäern in allen europäischen Ländern für das gemeinsame Europäische Parlament das eigene Wahlrecht gibt, rechtzeitig vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im Frühjahr nächsten Jahres in Kraft tritt. Wir haben uns im Innenausschuß über die Parteigrenzen hinweg darauf verständigt, daß wir dies wollen und daß wir die Bundesregierung bitten, beschleunigt darauf hinzuwirken. Sobald das Europarecht die Voraussetzungen dazu schafft, werden wir daher in einem weiteren Änderungsgesetz zum Europawahlgesetz innerstaatliches Recht schaffen, um der Realisierung Europas näher zu kommen. 290 000 deutsche Mitbürger würden durch die Europäisierung des europäischen Wahlrechts wahlberechtigt. 290 000 Deutsche leben in EG-Staaten außerhalb unserer traditionellen Staatsgrenze. Ihnen das Mitbestimmungsrecht in europäischen Belangen in gleicher Weise zu geben, wie es die anderen Europäer haben, ist eine der wichtigen Aufgaben auf dem Weg zu einem vereinten Europa. In dem Bundesland, in dem ich die liberale Landesliste für die Bundestagswahlen angeführt habe, in der Bundeshauptstadt Berlin, würde es zu etwa 40 000 zusätzlichen Wahlberechtigten führen. 40 000 Berliner sind EG-Bürger, ohne den deutschen Paß zu besitzen. Auch um diese Landsleute geht es mir. Und dann wird es darauf ankommen, daß wir die Europäer mobilisieren, für Europa eine aktive Wahlbeteiligung zu bringen. Ich bin zuversichtlich, daß es der F.D.P. mit ihrer voraussichtlichen Spitzenkandidatin Uta Würfel gelingen wird, Europa zum gemeinsamen Erfolg zu bringen, die europäischen Wahlen mit hoher Wahlbeteiligung und guten Ergebnissen zu bestehen. Dr. Horst Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Von der Mehrzahl der Gesetzentwürfe, die Ihnen heute zur Beratung vorliegen, möchte ich an dieser Stelle zwei besonders hervorheben. Es handelt sich dabei zum einen um den Entwurf des Zustimmungsgesetzes zum EG-Direktwahlakt, zum andern um den Entwurf zur Änderung des Europawahlgesetzes, zwei Gesetzentwürfe, die erfreulicherweise wenig Kontroverse hervorrufen dürften. Alle Fraktionen des Hauses und die politischen Parteien haben ein großes Interesse daran, daß die zusätzlichen deutschen Sitze im Europaparlament so früh wie möglich vor den Europawahlen 1994 zur Verfügung stehen. Wie Sie wissen, hatte das Europäische Parlament im Gefolge der deutschen Einigung bereits im Oktober 1991 mit großer Mehrheit eine Erhöhung der deutschen Abgeordnetensitze im EP um 18 vorgeschlagen. Nach dem schließlich verbindlichen Beschluß des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 1. Februar 1993 zur Anpassung der Anzahl der Mandate im Europäischen Parlament hat die Bundesregierung — wie Ihnen bekannt ist — schnell gehandelt. Bundesrat und Bundestag haben den Gesetzentwurf zur Änderung des Direktwahlaktes zügig beraten, so daß wir, wenn Sie heute diesem Gesetzentwurf zustimmen, das innerstaatliche Verfahren auf der Plenarsitzung des Bundesrates nächste Woche abschließen können. Damit wäre Deutschland nach Irland das zweite Land, das die Ratifikation vollzieht. Auch in den anderen Mitgliedstaaten sieht das Gesamtbild, was den Zeitplan der Ratifizierung angeht, nicht ungünstig aus. Fünf Länder — die Benelux-Staaten sowie Griechenland und Portugal — haben ebenfalls das Ratifikationsverfahren eingeleitet und werden dieses z. T. noch vor der Sommerpause abschließen. Die Bundesregierung wird sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch weiterhin bei den übrigen Mitgliedstaaten für eine zügige Umsetzung des Ratsbeschlusses einsetzen. Die Erhöhung der deutschen Abgeordnetenzahl durch den Direktwahlakt muß auch im Europawahlgesetz umgesetzt werden. Dazu dient die heute in zweiter und dritter Lesung beratene Novelle. Sie enthält darüber hinaus einige Anpassungen an das Bundeswahlgesetz und Übergangsregelungen für die neuen Länder, in denen bisher noch keine Europawahl stattgefunden hat. Das sogenannte Wohnsitzprinzip, das durch Art. 8 b des Vertrags über die Europäische Union eingeführt werden soll, konnte in dem Gesetz noch nicht berücksichtigt werden. Zwar hat die Kommission soeben einen ersten informellen Richtlinienentwurf vorgelegt, seine Verabschiedung durch den Rat nach vorangegangener Anhörung des Europäischen Parlaments wird aber erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Aus diesem Grunde sollte die Umsetzung des aktiven und passiven Wahlrechts für Unionsbürger bei der Europawahl in einer eigenen weiteren Novelle erfolgen. Lassen Sie mich abschließend zu den Ihnen heute ebenfalls vorliegenden Gesetzentwürfen der Gruppe PDS/Linke Liste zur Änderung des Bundes- bzw. des Europawahlrechts nur kurz folgendes bemerken: Ein allgemeines Wahlrecht für Ausländer läßt sich mit den tragenden Grundsätzen unserer Verfassung, den Art. 20 Abs. 2 und Art. 79 Abs. 3 GG, nicht vereinbaren. Darauf hat das Bundesverfassungsgericht noch 1990 in seiner Entscheidung im 83. Band S. 37 ausdrücklich hingewiesen. Das bisherige Wahlsystem für die Wahlen zum Deutschen Bundestag sowie für die Wahlen zum Europäischen Parlament hat sich bewährt. Das Bundesverfassungsgericht hat Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Juli 1993 14653* in ständiger Rechtsprechung die im Bundes- sowie im Europawahlgesetz vorhandene Sperrklausel von 5 v. H. für unbedenklich gehalten. Eine der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl vergleichbare Regionalisierung der Sperrklausel auf das Gebiet der alten Länder einerseits, der neuen Länder andererseits ist heute verfassungsrechtlich nicht mehr geboten. Aber auch verfassungspolitisch wäre eine derartige Regelung wenig wünschenswert, da sie zumindest wahlsystematisch die Trennung der Wahlgebiete fortschreiben würde. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 8 (Aktuelle Stunde: Nutzung von Informationen der Staatssicherheit und anderer Geheimdienste über westdeutsche Politiker durch die Bundesregierung) Ulla Jelpke (PDS/Linke Liste): Eine gewisse Berechtigung liegt in der Politik der Großen Koalition der CSU bis SPD, die Aktuelle Stunde auf Freitagabend zu verlegen. Kein Mensch kann ernsthaft davon ausgehen, heute abend den von ihnen aufgeführten Schlamm von Gerüchten, gezielter Desinformation und parteipolitischen Zweckmäßigkeiten auch nur ansatzweise zu klären. Man muß heute abend feststellen, daß die Bundesregierung in den letzten Wochen alles unternommen hat, um Spuren zu verwischen und in den entscheidenden Fragen absolute Geheimhaltung aufrechtzuerhalten. Daran dürfte sich zukünftig auch wenig ändern. Selbst in der banalsten Frage des Falls Vöcking betreibt die Bundesregierung eine stoische Politik der Auskunftsverweigerung: nämlich in der Frage, ob die Bundesregierung Akten, Mikrofilme etc. vom KGB oder anderen Geheimdiensten erhalten hat, in denen MfS-Akten über westdeutsche Politiker ausgewertet worden sind. Während diese Auskunftsverweigerung selbst gegenüber parlamentarischen Kontrollgremien schon fast ins Komische gesteigert wird, kann mensch aus Medien mittlerweile relativ detaillierte Auskünfte über die Art der Sendung erhalten, wenn auch alles als Spekulation. Haben wir in den letzten Wochen beim politischen Schlachtfest des Grundgesetzes das fatale Mitmachen der größten Oppositionspartei, der SPD, erleben können, so ist dies auch bei der schleichenden politischmoralischen Hinrichtung dieser Republik das erste, was in die Augen springt: ein Geflecht von Parteicliquen und Geheimdienstexperten bestimmt darüber, was Bürger und Bürgerinnen erfahren können und was vor allem eben nicht. Denn eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Schon bei der Ausarbeitung und Verabschiedung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes haben wir darauf hingewiesen, daß wir durch die Aneignung entscheidender Aktenbestände durch die Geheimdienste, eine Aufarbeitung der Geschichte der DDR und der BRD von Gnaden der Geheimdienste haben. Die historische Aufarbeitung der Geschichte der beiden deutschen Staaten erfolgt durch die lancierte und gefilterte Herausgabe von Akten durch bundesdeutsche Geheimdienste und die Bundesregierung. Meine Damen und Herren, was kann man heute inhaltlich zum „Fali Vöcking" sagen? Wieso geht ein Abteilungsleiter im Kanzleramt, der zuständig für die Geheimdienste ist, los, um einer Journalistin einer Regionalzeitung illegal Akten zukommen zu lassen? Wieso geht er das hohe Risiko einer Enttarnung ein? Und war es beabsichtigt, daß diese Journalistin die Akten an die SPD, quasi als Warnschuß, weitergibt? Vielleicht war bei dieser Übergabeaktion, die jeder beliebige kleine Agent hätte durchführen können, gerade die Symbolik entscheidend. Hier wurde auf höchster Ebene entschieden und gehandelt. Vermutlich wollte man gar nicht eine relativ unbedeutende Landtagswahl manipulieren. Denkbar wäre eben durchaus, daß man durch zeitgleich öffentlich vorgetragene Anschuldigungen des ehemaligen VS-und BND-Chefs Hellenbroich aufgeschreckt worden war, nach denen ein ranghoher Politiker aus der Regierungskoalition für MfS gearbeitet haben soll. Logisch wäre, daß die SPD hiermit aufgefordert worden ist, das gegenseitige Stillhalteabkommen über eine Zusammenarbeit von einzelnen Politikern unbedingt einzuhalten. Denn zu der Zeit, als Vöcking die internen Akten in die Öffentlichkeit lancierte, da tauchten in anderen Presseorganen Akten über den IM „Tulpe" auf. Und es wurde innerhalb der Öffentlichkeit zum Sport, darauf zu warten, welcher Politiker oder gar Minister denn demnächst amtsmüde werden würde oder aus gesundheitlichen Gründen sein Amt rechtzeitig vor einer Enttarnung zur Verfügung stellt. Denkbar ist, daß der Fall Vöcking dazu beigetragen hat, daß man erst heute aus dem Prozeß gegen den HVA-Chef Wolf erfährt, daß der damalige Büroangestellte Kinkel des damaligen Außenministers Genscher schon ein Jahr vor der Aufdeckung über den „Fall Guillaume" informiert war. Wie in vielen anderen Fällen auch, wurden vernünftige Wege zum Umgang mit Akten und Geheimdienst ausgeschlagen. Weder über eine Amnestie wurde ernsthaft nachgedacht, noch wurde die Bedeutung der Geheimdienste massiv zurückgedrängt. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 23 (Entwurf eines Verfahrensgesetzes zu Artikel 44 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands — Einigungsvertrag — vom 31. August 1990) Monika Brudlewsky (CDU/CSU): Zwar verwundert es, daß Herr Dr. Gysi durch seinen Antrag das Parlament zwingt, sich mit einer Angelegenheit zu befassen, die eigentlich durch die Antwort der Bundesre- 14654* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Juli 1993 gierung auf eine fast Bleichlautende Kleine Anfrage des Abgeordneten Gysi geklärt wurde. Dennoch halten wir uns natürlich an die demokratischen und parlamentarischen Spielregeln. Einer juristischen Bewertung des Antrags möchte ich mich heute enthalten und statt dessen auf Punkt 5 der Begründung Ihres Antrags eingehen. Schon der erste Satz dieses Abschnitts stößt bei mir auf Unverständnis: Ich frage mich, wie jemand aus einem zwischen zwei Parteien geschlossenen Vertrag Rechte politisch geltend machen will. Nach meinem Verständnis läßt sich über die Ergebnisse der Vertragsverhandlungen sicherlich politisch streiten; die Geltendmachung der im Vertrag festgelegten Rechte muß jedoch nach meinem laienhaften Verständnis wohl den dort genannten Rechtsträgern überlassen bleiben. Ich bin sicher, daß dies die neuen Bundesländer leisten können. Diese haben mittlerweile eine Struktur, die es ihnen erlaubt, ihre Interessen im eigenen Land, beim Bund und in Europa hervorragend zu vertreten. Ich stimme mit Ihnen, Herr Gysi, darin überein, daß die politische Arbeit in der Bundesrepublik Deutschland derzeit und zukünftig durch die Unterschiede in Ost und West geprägt wird. Ich teile jedoch nicht Ihre Auffassung, daß die Bürger der neuen Länder zur Bewältigung der Ost-West-Probleme eines politischen „Konfliktregulierungsmechanismus" — was immer Sie sich auch darunter vorstellen mögen — bedürfen. Seit der Wende und der damit verbundenen Demokratisierung des gesellschaftlichen Lebens haben die Bürger erkannt, welche Möglichkeiten ihnen ein demokratischer Staat zur Durchsetzung und Wahrung ihrer Interessen bietet. Besonders in diesem Jahr, und dies wurde mir von Kollegen bestätigt, konnte ich feststellen, daß die ehemaligen DDR-Bürger vermehrt die ihnen zustehenden Rechte in Form von Widersprüchen oder Gerichtsverfahren wahrnehmen und sich darüber hinaus in Verbänden und Interessenvereinigungen zusammenschließen, um so ihre Probleme auch in Bonn vorzutragen. Längst ist die anfängliche Lethargie in den neuen Ländern überwunden, ohne daß damit alle Probleme gelöst wären. Die bisherigen Regulierungsversuche, auch die von Herrn Gysi mitgegründeten Komitees für Gerechtigkeit, haben ganz klar als Alternativen versagt. Für mich steht außer Frage, daß die Mitglieder dieses Hauses entscheidend dazu beitragen können, die Ost-West-Probleme weiterhin abzubauen. Hierzu ist es unbedingt notwendig, sich der Probleme der Leute vor Ort in den Wahlkreisen ehrlich anzunehmen und diese in die politische Diskussion in Bonn einzubringen. Dabei dürfen wir nicht davor zurückschrekken, den Bürgern die politischen, juristischen und monetären Grenzen aufzuzeigen. Das, Herr Gysi, ist der einzig gangbare Weg. Hans-Joachim Hacker (SPD): Der Antrag der Gruppe der PDS/Linke Liste geht von der Voraussetzung aus, daß die Frage der Aktivlegitimation bei der Wahrnehmung von Rechten aus Art. 44 des Einigungsvertrages unklar sei und es weiterhin einer Klärung der Gerichtszuständigkeit bedürfe. Bei allen Problemen, die uns die Bundesregierung Kohl mit falschen Weichenstellungen und Versprechungen im Zuge der Herbeiführung der Einheit und in der Zeit danach beschert hat, meine ich, diese Fragen bedürfen keiner gesetzlichen Klarstellung. Halten wir uns den Text des Art. 44 des Einigungsvertrages vor Augen. Er lautet: „Rechte aus diesem Vertrag zugunsten der Deutschen Demokratischen Republik oder der in Artikel 1 genannten Länder können nach Wirksamwerden des Beitritts von jedem dieser Länder geltend gemacht werden." In der Denkschrift zum Einigungsvertrag wird der Wortlaut des Art. 44 des Einigungsvertrages dahingehend interpretiert, daß in Anknüpfung an eine gemeindeutsche Rechtstradition klargestellt wird, daß solche Rechte künftig von den Selbstverwaltungskörperschaften prozessual geltend gemacht werden können, die als Repräsentanten der untergegangenen DDR angesehen werden können. Die Vorschrift regelt nicht und kann eine derartige Regelung auch nicht treffen, vor welchem Gericht derartige Rechte eingeklagt werden können. Die Gerichtszuständigkeit ist von den im Einzelfall geltend gemachten Ansprüchen abhängig. Soweit zur Gesetzeslage und deren verbindlicher Interpretation. Zu fragen bleibt allerdings, ob die Interessen der Bürgerinnen und Bürger der neuen Länder in ausreichendem Maße hier in Bonn vertreten werden. Eine sinngemäße Fragestellung wird in der Denkschrift der PDS/Linke Liste „Blickpunkt Einigungsvertrag", die von einem hochkarätigen Professorenkollektiv ausgearbeitet wurde, auch aufgeworfen. Auf Seite 17 der Denkschrift vom März 1993 heißt es: 3. Kann der Einigungsvertrag der Durchsetzung ostdeutscher Interessen dienen? Diese Frage stellt sich natürlich angesichts des tatsächlichen Charakters dieses ungleichen Vertrages, gleichwohl ist sie eindeutig mit „Ja" zu beantworten: Der Wortlaut des Vertrages enthält Zielstellungen, Regelungen und Bestimmungen, auf deren Einhaltung und objektiver Auslegung gedrungen werden muß, weil sie berechtigte Interessen der Bürger der neuen Bundesländer zum Ausdruck bringen. Als geltendes Bundesrecht enthält der Einigungsvertrag Handlungsaufträge für die politischen Entscheidungsträger in der Bundesrepublik, für Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung sowie Ministerien und andere Einrichtungen öffentlichen Rechts zur Umsetzung der Zielstellungen, Regelungen und Bestimmungen des Vertrages. Aus der staatsrechtlichen und staatsvertragsrechtlichen Qualität des Einigungsvertrages ergibt sich ein Gebot der Bundestreue gegenüber den neuen Bundesländern zur Einhaltung des Vertrages. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Juli 1993 14655* Ich meine auch, daß spezifische Interessen der neuen Länder und ihrer Bürgerinnen und Bürger von der Mehrheit dieses Hohen Hauses nicht ausreichend vertreten wurden. Zu nennen sind insbesondere die Bereiche — Treuhandpolitik, — eigentumsrechtliche Fragen, — 10. Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz, — Mieterschutz. Dieses sind allerdings keine Fragen der Einklagbarkeit von Rechten aus Art. 44 des Einigungsvertrages, sondern der politischen Willensbildung in Bundestag und Bundesrat. An dieser Stelle muß nachdrücklich unterstrichen werden, daß sich die CDU-regierten neuen Länder trotz anderslautender verbaler Erklärungen in nicht nur einem Fall den Vorgaben und Direktiven der Bundesregierung unterworfen haben. Es ist also keine Frage von Ost oder West, sondern eine Frage des politischen Standpunktes. Und auf den politischen Standpunkt kommt es doch an. Die Vertretungskörperschaften der neuen Länder sind und bleiben aufgefordert, als Interessenwahrer der Bürgerinnen und Bürger zu fungieren, d. h. die bestehenden Möglichkeiten der Rechtswege auszuschöpfen und, sofern notwendig, Gesetzesinitiativen zu ergreifen. Aus vorstehenden Darlegungen ergibt sich m. E. schlüssig, daß sich die SPD-Bundestagsfraktion dem vorliegenden Antrag der Gruppe der PDS/Linke Liste nicht anschließen kann. Dr. Horst Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Der Antrag der PDS/ Linke Liste greift einen Artikel des Einigungsvertrages heraus. Mit diesem Vertragswerk war die damalige DDR gemäß ihrem Beitritt in die Verfassungs- und Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland integriert worden. In den umfangreichen Anlagen war in einer Überleitungsgesetzgebung durch Vertrag der angemessen zielführende und zugleich schonende Übergang auf das neue Rechtssystem sichergestellt worden. Durch Art. 45 des Vertrags wird zudem gewährleistet, daß der Bundesgesetzgeber im Interesse rascher Herstellung der Rechtseinheit wie auch im Interesse sachgerechter Berücksichtigung besonderer Entwicklungsschwierigkeiten die Einzelnormierungen des Vertragswerks fortschreiben und ändern kann. Allerdings sind beim Beitritt eines Staats immer auch Regelungen denkbar, die längerfristige oder dauerhafte Reservatrechte für die Bevölkerung dieses Staatswesens festhalten sollen. Dies war auch bei der Herstellung der deutschen Einheit der Fall. Hierfür ist in Art. 44 des Einigungsvertrags eine Verfahrensvorschrift getroffen worden, nach der diese Reservatrechte durch jedes Bundesland im Beitrittsgebiet geltend gemacht werden können. Der Einigungsvertrag hat hierbei an eine gemeindeutsche Rechtstradition angeknüpft, die vom Bundesverfassungsgericht in Rechtsstreitigkeiten näher erläutert worden ist, die noch auf die Vereinigung Coburgs mit dem Freistaat Bayern im Jahre 1920 zurückgehen. Danach werden die Befugnisse des untergegangenen Staates von der verbleibenden jeweils nächsten Ebene — im Fall Coburgs durch die Stadt- und Landkreise, im Falle der DDR durch die Bundesländer — geltend gemacht. Dies hat Art. 44 im Einigungsvertrag verdeutlicht. Die Reservatrechte können und müssen innerhalb der jeweils einschlägigen Verfahren unmittelbar durchgesetzt werden, ohne daß es hierfür noch weiterer Ausführungsvorschriften in prozessualer oder materieller Hinsicht bedarf. Dies galt nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts im Falle Coburg; es gilt hier in gleicher Weise. Die Bundesregierung hat hierauf in ihrer Antwort auf eine Kleine Frage der Antragsteller in Bundestags-Drucksache 12/4980 schon eingehend hingewiesen. Meine Damen und Herren, es ist das stete Bemühen der Bundesregierung, nach der Herstellung der äußeren Einheit die innere Einheit herzustellen und gleichwertige Lebensbedingungen aller Teile Deutschlands zu schaffen. Es wird noch geraume Zeit besonderer Anstrengungen aller und auch besonderer gesetzgeberischer Aktivitäten bedürfen, um dieses Ziel so rasch wie möglich zu erreichen. Anlage 9 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Drucksachen 12/4183, 12/4501 Auswärtiger Ausschuß Drucksache 12/4141, Drucksachen 12/4237, 12/4375 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 12/4207 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 12/4006 Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Drucksache 12/4062 Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 12/4508 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 12/4377 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Haushaltsausschuß Drucksachen 12/4797 Nm. 3.5, 3.6, 12/5190 Nrn. 2.2, 2.3, 2.4 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksachen 12/2774 Nr. 2.34, 12/3317 Nr. 2.5
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans-Ulrich Klose


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bis zum Ende der 80er Jahre gab es in der Bundesrepublik Deutschland einen Grundkonsens in der Frage, was die Aufgabe der Bundeswehr ist: die Verteidigung des eigenen Territoriums und des Territoriums der Bündnispartner im Verteidigungs- und Bündnisfall entsprechend der Regelung von Art. 87 a unseres Grundgesetzes — dies und nur dies.
    Dieser Grundkonsens ist zerbrochen. Die Bundesregierung will, daß sich die Bundeswehr ab sofort auch an Aktionen „out of area" im Rahmen der UNO und der Bündnisse beteiligt.

    (Paul Breuer [CDU/CSU]: Sie persönlich wollen es doch auch!)

    Die bisher von allen Bundesregierungen übereinstimmend vertretene Auffassung, daß für eine solche Ausweitung des Auftrages der Bundeswehr eine Verfassungsänderung erforderlich sei, wird von dieser Bundesregierung nicht mehr akzeptiert. Es muß, meine Damen und Herren, ausdrücklich betont werden: Diese Bundesregierung hat den Grundkonsens aufgekündigt.

    (Beifall bei der SPD)

    Es wäre ihre Aufgabe gewesen, sich um die Herstellung eines neuen Grundkonsenses zu bemühen. Sie hat es nicht getan; es ist ihr jedenfalls nicht gelungen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das liegt nicht bei uns! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, es ist klar, warum ihr dies mißlungen ist. Es gab und gibt unterschiedliche Auffassungen nicht nur im Verhältnis von Koalition zur Opposition, sondern, soweit es um die verfassungsrechtlichen Fragen geht, auch in der Koalition. Die F.D.P. will eine Ausweitung des Bundeswehrauf-



    Hans-Ulrich Klose
    tragen — wir wissen es —; aber sie teilt ganz überwiegend die Auffassung der SPD, daß dazu eine Verfassungsänderung nötig ist. Der neue Generalsekretär der F.D.P. hat sich erst kürzlich noch einmal in diesem Sinne geäußert. Ich bin gespannt auf die Äußerungen heute.
    Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Koalitionspartnern führten, wie Sie sich erinnern werden, zu einer höchst merkwürdigen Koalitionsabsprache, die Überwachung des Flugverbotes über Bosnien-Herzegowina betreffend.

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Thema!)

    Die Mehrheit des Kabinetts stimmte zu, die Minderheit bemühte das Bundesverfassungsgericht: Vizekanzler verklagt Kanzler. Eine wahrhaft lächerliche Situation!

    (Beifall bei der SPD — Paul Breuer [CDU/ CSU]: Alles nur Ablenkungsmanöver! Das sind Nebensächlichkeiten!)

    Bei dem konkreten Fall Somalia versuchte Kollege Kinkel, sich über die Runden zu retten mit dem untauglichen Argument, es handele sich gar nicht um einen Einsatz — und wenn schon, dann jedenfalls um einen ausschließlich humanitären. Sie sollten, wenn Sie ehrlich bleiben wollen, Herr Kollege Kinkel, so nicht argumentieren.
    Bei dem Engagement der Bundeswehr handelt es sich zweifellos um einen militärischen Einsatz: logistische Unterstützung für einen etwa 4 000 Mann starken Kampfverband, der, ausgehend von Belet Uen, Befriedungsaufgaben zu lösen hat. Der Auftrag ist — eine Selbstverständlichkeit auch aus unserer Sicht — mit einer Selbstschutzkomponente versehen; hinzu kommt eine in den rules of engagement definierte Nothilfekomponente, die sich — das sage ich Ihnen voraus — in der Praxis schnell ausweiten wird. Der ursprüngliche, im Kabinettsbeschluß vom 21. April 1993 im Vordergrund stehende humanitäre Teil des Einsatzes ist durch die Konkretisierung des Auftrags am 3. Juni 1993 durch das Bundesverteidigungsministerium in den Hintergrund gerückt. Nur soweit noch Kapazitäten verfügbar sind — so steht dort zweimal in der Vorlage —, kann humanitäre Hilfe geleistet werden. Wenn dafür ein Drittel der verfügbaren Kapazitäten angesetzt wird — so die Schätzung von General Bernhardt —, wäre es viel. Dies, Herr Kollege Kinkel, ist die Wahrheit und sonst gar nichts.

    (Beifall bei der SPD)

    Vielleicht interessiert es Sie, meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang eine Äußerung aus der Truppe zu hören.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Karlsruhe!)

    Ein Offizier des Pionierbataillons 4, der dem Vorkommando von General Bernhardt angehörte, erklärte bei der Berichterstattung vor einer Feldwebeltagung in Süddeutschland, er gebrauche den Begriff „humanitäre Hilfe" ungern, da es sich um einen reinen Einsatz der Streitkräfte handele. — Recht hat er.
    Und Sie, Herr Außenminister, haben unrecht.

    (Beifall bei der SPD) Sie reden an der Wahrheit vorbei, weil Sie sonst in extreme Argumentationsschwierigkeiten kommen. Wenn es richtig ist, was Sie bisher immer betont haben, daß sich die Bundeswehr in Somalia nur an humanitären Aktionen beteiligen dürfe, daß der Verband abgezogen werden müsse, wenn er in Kampfhandlungen verwickelt werde oder das Stationierungsgebiet zum Kampfgebiet würde, wenn das richtig ist und bleibt, dann müßten Sie bzw. Ihre Fraktion heute konsequenterweise gegen den Somalia-Einsatz stimmen.


    (Beifall bei der SPD)

    Aber Sie tun es natürlich nicht und behaupten statt dessen unverdrossen, es gehe um einen humanitären Einsatz.
    Herr Kollege Kinkel, ich widerspreche nicht, wenn Sie erklären, daß UNOSOM II insgesamt einem humanitären Ziel dient. Daß aber bei diesem Einsatz auch gekämpft wird und daß die Bundeswehr jedenfalls mittelbar an diesen Kampfeinsätzen beteiligt ist, können Sie Ihrerseits auch nicht bestreiten. Und eben deshalb, weil das so ist und weil wir Sozialdemokraten unverändert daran festhalten, daß ein solcher Einsatz verfassungsrechtlich nicht gedeckt ist — auch die vorläufige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts klärt diese der Hauptsache vorbehaltene Frage nicht —,

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    können und werden wir der vorliegenden Beschlußlage nicht zustimmen.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Aber mit der Zustimmung des Parlaments ist die Verfassungslage gegeben!)

    Damit das klar ist: Wir verweigern die Zustimmung nicht, weil wir den Einsatz in Somalia für gefährlich halten. Er ist gefährlich, was das Bundesverteidigungsministerium auch zugibt, indem es die Bewaffnung des Verbandes laufend verstärkt, „auf Grund der Sicherheitslage", wie es in den entsprechenden Vermerken heißt, z. B. in dem Vermerk des Brigadegenerals Frühhaber vom 9. Juni 1993. Gefährlich — wahrscheinlich noch gefährlicher — sind die Flüge des Transportgeschwaders nach Sarajevo, denen wir zugestimmt haben. Wir haben zugestimmt, weil diese Aktion tatsächlich ausschließlich humanitären Zwekken dient, nämlich der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Medikamenten.

    (Beifall bei der SPD)

    Das ist hier aber nicht der Fall. Logistik für Kampftruppen ist kein humanitärer Einsatz, und deshalb ist dieser Einsatz verfassungsrechtlich nicht in Ordnung.

    (Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, wir hatten Ihnen in der Debatte am 22. April angeboten, durch eine schnell auf den Weg zu bringende Verfassungsänderung „die Beteiligung deutscher Streitkräfte an friedenserhaltenden Maßnahmen der Vereinten Nationen (Blauhelm-Einsätze) auf klarer verfassungsrechtlicher Grundlage zu ermöglichen" , und zwar, wie wir hinzugefügt haben, „ungeachtet weiter bestehender Mei-



    Hans-Ulrich Klose
    nungsverschiedenheiten" . Sie haben das abgelehnt, weil — so Sie, Herr Kollege Schäuble, in der Debatte am 17. Juni 1993 — der Antrag der SPD dem Einsatz der Bundeswehr in Somalia den Boden entziehe. Dazu ist zweierlei anzumerken.
    Erstens: Ja, das wäre so — womit Sie, Herr Kollege Schäuble, freilich zugleich eingeräumt haben, daß der Einsatz der Bundeswehr in Somalia über einen Blauhelm-Einsatz hinausgeht.

    (Zurufe von der SPD: Sehr wahr!)

    Zweitens: Wir hatten unseren Vorschlag sehr sorgfältig formuliert. Er lautete: „Grundgesetzänderung auf der Grundlage" unseres Antrages, womit angedeutet werden sollte, daß dieser Antrag durchaus verändert — im Klartext: erweitert — werden könnte. Denn auch wir wissen, daß die Grenze zwischen friedenserhaltenden und friedensschaffenden Einsätzen in der Praxis schwer zu ziehen ist.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: So, jetzt haben Sie die Antwort gegeben!)

    Was wir nicht wollen — da soll es keine Unklarheit geben —, sind Einsätze, deren erstens und zumeist ausschließliches Ziel darin besteht, einen Gegner zu bekämpfen.

    (Beifall bei der SPD)

    Über robuste Blauhelm-Einsätze, wie die Experten heute formulieren, waren wir bereit zu reden, gerade auch im Falle Somalia, wo das Elend groß und Hilfe nötig ist.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Dann stimmen Sie doch heute zu!)

    Gegen einen sorgsam geplanten, in den Zielsetzungen klaren und, was den deutschen Beitrag angeht, unmißverständlichen Einsatz in Somalia wenden wir uns nicht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ach, jetzt ist die UNO schuld!)

    Ein solcher Einsatz mit deutscher Beteiligung auf klarer verfassungsrechtlicher Grundlage wäre auch aus unserer Sicht vertretbar und angemessen. So war unsere Einlassung nach dem Beschluß des Kabinetts vom 21. April 1993, und an dieser Einlassung halten wir fest.
    Wir fügen aber — hören Sie gut zu — hinzu: Leider ist der UNO-Einsatz bis heute in seinen Zielen unklar, und es gibt Mißverständnisse und offene Fragen bei dem deutschen Beitrag.
    Am 22. April titelte zum Beispiel die „FAZ" — keine sozialdemokratische Zeitung —:

    (Paul Breuer [CDU/CSU]: Bedauerlich!)

    „Was soll die Bundeswehr in Somalia eigentlich machen?" Untertitel: „Auftrag ungenau definiert". Am 2. Juni lautet die Überschrift in der FAZ: „Die Aufgaben sind so bunt wie die Zusammensetzung der Truppe". Untertitel: „Ganz klar ist der deutsche Auftrag in Somalia nicht".

    (Paul Breuer [CDU/CSU]: Und was sagt die UNO?)

    In dem Artikel vom 22. April wird übrigens sehr anschaulich über Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Außenministerium und dem Verteidigungsministerium über den Somalia-Einsatz berichtet. Offenbar lag dem Verfasser schon damals der Vermerk des UNO-Referats des Auswärtigen Amtes vom 30. März vor. Dieser Vermerk ist für die Beurteilung der ganzen Operation so interessant, daß es sich lohnt, ihn in diese Debatte einzuführen. Auf Seite 2 dieses Vermerks heißt es — ich zitiere —:
    Die Entsendung der Bundeswehr unter den vom Bundeskabinett festgelegten Voraussetzungen (humanitäre Aufgaben im sicheren Umfeld) und in dem vom BMVg bevorzugten geographischen Verwendungsraum (Nordosten Somalias, Raum Bosaso) stößt auf Schwierigkeiten. Eine Mission des AA unter Beteiligung des BMVg in den Nordosten Somalias hat festgestellt, daß für eine bloße Verteilung der Hilfsgüter durch den angebotenen verstärkten Verband (1 500 Mann) kein Bedarf mehr besteht und daß in dem als Rückfallposition vorgesehenen Bereich der Flüchtlingsrepatriierung der Bedarf nicht die Entsendung eines umfangreichen Kontingents der Bundeswehr rechtfertigt.
    Weiter heißt es in dem Vermerk auf Seite 3 — hören Sie gut zu, das ist hochinteressant —:
    Angesichts der bestehenden Schwierigkeiten, geeignete Aufgaben für das angebotene Bataillon zu finden, erscheint es notwendig, unser Angebot innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen an die gegebenen Umstände anzupassen.
    Und gleich im Anschluß an diesen Satz heißt es:
    Das VN-Sekretariat scheint ... aus politischen Gründen bereit zu sein, bei einer gewissen Anpassungsbereitschaft unsererseits unser Angebot trotz praktischer Schwierigkeiten zu berücksichtigen.

    (Lachen und Zurufe von der SPD)

    Geredet worden ist dann zwischen Auswärtigem Amt und Bundesverteidigungsministerium über eine Tätigkeit im Rahmen der Flüchtlingsrepatriierung im Nordosten Somalias, über Pionieraufgaben und über Logistikaufgaben. Zu diesen wird dann in dem zitierten Vermerk geschrieben — ich zitiere nochmals —:
    Die vom VN-Sekretariat und von unseren in Somalia tätigen Partnern ... erwünschte Übernahme logistischer Tätigkeiten durch die Bundeswehr ist im Kabinettsbeschluß nicht ausdrücklich vorgesehen. Zudem ist aus rechtlicher Sicht zu beachten, daß derartige Aktivitäten unter Umständen zur Übernahme von Aufgaben führen können, die verfassungswidrig wären (Einsatz im Sinne des Art. 87a GG).

    (Zurufe von der SPD: Hört! Hört!)

    Unter Punkt 5 des Vermerks auf Seite 4 heißt es dann:
    Dem BMVg geht es ... nach Aussagen der
    Arbeitsebene entweder um eine möglichst um-



    Hans-Ulrich Klose
    fangreiche, öffentlichkeitswirksame Beteiligung oder um eine völlige Abstinenz.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Kollege Klose, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schmidt (Fürth)?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans-Ulrich Klose


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich schließe mich dem Beispiel des Kollegen Glos an: Nein.
    Ich habe dies, meine Damen und Herren, so ausführlich zitiert, weil ich der Legende entgegenwirken möchte, es gehe der Bundesregierung in erster Linie um Hilfe für die Menschen in Somalia, wie der Kollege Rühe bei jeder Gelegenheit so wortreich darzulegen versucht. Es geht ihr auch darum; das unterstelle ich. Am Anfang aber stand der Wille, ein politisches Signal zu setzen. Zum Beleg für diese Feststellung erlaube ich mir, aus einem Brief vom 9. Dezember 1992 vom Führungsstab der Streitkräfte an den Bundesverteidigungsminister zu zitieren. Es heißt dort wörtlich:
    Unsere Situation im Zusammenhang mit der Beteiligung im Rahmen des Golf-Krieges sollte sich nicht wiederholen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie reden schon eine Viertelstunde und haben immer noch kein Wort dazu gesagt, was die SPD will!)

    Es kommt jetzt darauf an, durch die personelle Beteiligung Deutschlands an der Aktion der VN in Somalia ein deutliches Signal zu setzen und dabei verfassungspolitische Bedenken zurückzustellen.

    (Zurufe von der SPD: Unglaublich! — Nicht zu fassen!)

    Die Aussage in diesem Brief ist ziemlich klar, meine Damen und Herren: Die Bundesrepublik Deutschland muß sich aus dem Golf-Trauma lösen, und das geht nur durch Beteiligung eines Bundeswehrverbandes an den UN-Aktionen in Somalia. So sah es dann auch das Kabinett, das dem UN-Generalsekretär mit Beschluß vom 17. Dezember 1992 die Entsendung eines Bundeswehrverbandes nach Somalia anbot. Der Generalsekretär hatte darum nicht gebeten. Noch im Januar 1993, als er Bonn besuchte, redete er vor allem über Polizeihilfe. In einem Gespräch, das mein Kollege Verheugen und ich mit dem Generalsekretär Boutros-Ghali führten, war nur davon die Rede; er brauche nicht die Bundeswehr, sondern viele Polizisten, wie er immer wieder betonte.
    Erst in der Folgezeit, meine Damen und Herren, hat dann die Bundesregierung den Generalsekretär davon überzeugen können, daß aus politischen Gründen ein Bundeswehreinsatz nötig sei, für den dann mühsam ein vernünftiger Auftrag definiert wurde. Dabei entstand die Unterscheidung zwischen „befriedeten und nichtbefriedeten Gebieten", die so weit von der Realität entfernt ist, daß die Amerikaner eine solche Entscheidung ausdrücklich ablehnen, wie uns aus dem Department of Defense mitgeteilt wurde.

    (Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Was will eigentlich die SPD?)

    Angesichts dieses durch Dokumente zu belegenden Entscheidungsprozesses haben wir wenig Zweifel an dem eigentlichen Ziel Ihrer Somalia-Politik, meine Damen und Herren. Es geht um den Einstieg in eine neue Sicherheits- und Außenpolitik, deren zentrales Anliegen der Wiedereinstieg Deutschlands in die Weltpolitik, der ständige Sitz im Sicherheitsrat und — als angeblich notwendige Voraussetzung dafür — die militärische Normalisierung Deutschlands ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich werfe Ihnen das nicht vor, Herr Außenminister. Was ich Ihnen vorwerfe, ist, daß Sie dieses Ziel verdeckt verfolgen und humanitär verkleiden.

    (Beifall bei der SPD)

    Lassen Sie uns doch offen über Deutschlands Rolle in Europa und in der Welt reden und streiten, konzeptionell und nicht in so schrecklicher Weise beschränkt auf Fragen militärischer Interventionen!

    (Beifall bei der SPD — Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Das ist doch gar nicht das Problem! Was wollen Sie denn?)

    Wir sind doch, denke ich — oder hoffe ich zumindest —, einig in dem Bestreben, die UNO zu stärken. Was wir dazu beitragen können, sollten wir tun.

    (Paul Breuer [CDU/CSU]: Dann müssen Sie auch zustimmen!)

    Die UNO ist doch aber nicht beschränkt auf die eine Aufgabe der militärischen Intervention.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD — Paul Breuer [CDU/CSU]: Wer behauptet das denn?)

    Dies, meine Damen und Herren, spielt auch eine Rolle, aber, füge ich eher besorgt hinzu, eine derzeit ganz und gar überschätzte Rolle. Die UNO kann nicht bei allen internationalen Konflikten militärisch intervenieren, aus ganz praktischen und politischen Gründen.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der F.D.P.: Das sagt doch niemand!)

    Wer wäre denn bereit, der UNO das Interventionsmonopol zu überlassen? Es muß daher dabei bleiben, daß die Aufgabe der UNO in erster Linie darin liegt, den vielfältig bedrohten Frieden in der Welt mit anderen als militärischen Mitteln sichern zu helfen.

    (Beifall bei der SPD)

    Die meisten Konflikte, meine Damen und Herren, die wir heute registrieren — und es sind sehr viele —, sind mit militärischen Mitteln ohnehin nicht zu lösen, der in Ex-Jugoslawien eingeschlossen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Es wäre deshalb gut, wenn die Bundesregierung eigene Vorschläge zur Stärkung der UNO, ihren ganzen Aufgabenkatalog betreffend, auf den Tisch legen würde.

    (Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Der Antrag liegt doch vor!)




    Hans-Ulrich Klose
    Warum, frage ich Sie, streben wir nicht eine führende Rolle in der Entwicklungspolitik und in der globalen Umweltpolitik an?

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Haben wir doch!)

    Eine solche Rolle würde uns Deutschen gut anstehen. Wenn dazu eine Mitgliedschaft der Bundesrepublik im Sicherheitsrat hilfreich ist, dann bitte sehr. Dies aber zum Ziel an sich zu erklären und allein deswegen alles mitmachen zu wollen oder zu müssen, was militärisch läuft, das kann nicht die primäre Aufgabe der deutschen Außenpolitik sein.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Natürlich muß, Herr Außenminister, auch über die europäische Sicherheitsarchitektur geredet werden. Die KSZE hat sich zur Regionalorganisation der UNO erklärt. Jedoch hat sich dadurch ihr friedensstiftender Einfluß auf die europäischen Konfliktregionen nicht vergrößert. Weder hat sie bisher geeignete Methoden entwickelt, Krisenvorbeugung und Konfliktverhütung praktisch zu verwirklichen, noch hat sie Einfluß auf die Beilegung und Beendigung militärischer Konflikte nehmen können. Die Instrumentarien sind unzureichend. Das muß geändert werden. Ich weiß, daß dies schwierig ist. Militärisches läßt sich eben leichter und schneller operationalisieren als Politisches; aber im Bereich des Politischen müssen wir unsere außenpolitische Schwerpunktaufgabe sehen.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der F.D.P.: Ein völlig neuer Gesichtspunkt!)

    Uns ist klar, daß im Rahmen einer europäischen Sicherheitsarchitektur natürlich auch über militärische Aspekte und — in diesem Zusammenhang — über die künftigen Aufgaben von NATO und WEU zu reden ist. Wir sperren uns nicht dagegen, im Gegenteil! Wir wissen, daß die veränderten Aufgaben von NATO und WEU — und das Verhältnis der beiden Bündnisse zueinander — geklärt werden müssen, aber nicht mit Großmachtflausen im Kopf, sondern unter realistischer Einschätzung unserer tatsächlich und politisch begrenzten Möglichkeiten.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Präsident, meine Damen und Herren, erlauben Sie mir eine Abschlußbemerkung. Ich habe gestern die Infanterieschule der Bundeswehr — des Heeres — in Hammelburg besucht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Da haben Sie garantiert anders gesprochen!)

    Ich wollte mit diesem Besuch deutlich machen, daß wir Sozialdemokraten, indem wir über Somalia streiten, uns nicht mit der Bundeswehr streiten. Es ist auch unsere Bundeswehr. Ich sage das mit großem Ernst, und Sie sollten es mit großem Ernst zur Kenntnis nehmen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn die Bundeswehr, durch Mehrheitsentscheidung des Deutschen Bundestages legitimiert, nach
    Somalia geht, kann sie sich auch auf unsere Unterstützung verlassen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Den Streit mit der Bundesregierung werden wir fortsetzen; den deutschen Soldaten in Somalia aber wünschen wir Glück und Erfolg und daß sie gesund nach Deutschland zurückkommen.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD)