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    Plenarprotokoll 12/166 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 166. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1993 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 14325 B Absetzung der Punkte 14 und 15 von der Tagesordnung 14325B, 14347 C Tagesordnungspunkt 11: Beratung des Berichts des Petitionsausschusses: Bitten und Beschwerden an den Deutschen Bundestag (Tätigkeitsbericht 1992) (Drucksache 12/4961) Dr. Gero Pfennig CDU/CSU 14305 B Lisa Seuster SPD 14307 B Günther Friedrich Nolting F.D.P. 14308 D Dr. Ruth Fuchs PDS/Linke Liste 14310C Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14311C Martin Göttsching CDU/CSU 14313A Angelika Barbe SPD 14314B Dr. Karlheinz Guttmacher F.D.P. 14316A Gertrud Dempwolf CDU/CSU 14317 A Jutta Müller (Völklingen) SPD 14318C Wolfgang Dehnel CDU/CSU 14320 B Tagesordnungspunkt 12: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 106 zu Petitionen (Anerkennung ausländischer Flüchtlinge) (Drucksache 12/5050) Martin Göttsching CDU/CSU 14321 B Horst Peter (Kassel) SPD 14322 C Birgit Homburger F.D.P. 14324 A Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 14324 B Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14324 C Zusatztagesordnungspunkt: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Beteiligung der Bundeswehr an UNOSOM II (Drucksache 12/5248) Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU 14325B Otto Schily SPD 14326B, 14334 C Walter Kolbow SPD 14326 C Günter Verheugen SPD 14328 D Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU 14330 C Dr. Werner Hoyer F.D.P. 14333 B Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14333 D Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD 14334 D Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste 14335 D Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14337 C Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD (gemäß § 27 GO) 14338D Volker Rühe CDU/CSU (gemäß § 27 GO) 14339B Ulrich Irmer F.D.P. (gemäß § 27 GO) 14339D Ortwin Lowack fraktionslos 14340B Tagesordnungspunkt 13: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1993 zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen: Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1990 — Vorlage der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes (Jahresrechnung 1990) zu der Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof: Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1992 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung (einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung des Bundes 1990) (Drucksachen 12/2561, 12/3250, 12/5171) Wilfried Bohlsen CDU/CSU 14341 A Uta Titze-Stecher SPD 14343 A Carl-Ludwig Thiele F.D.P. 14345 A Karl Diller SPD 14346 C Nächste Sitzung 14347 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 14349* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebener Teil der Rede zu Tagesordnungspunkt 12 (Sammelübersicht 106 zu Petitionen) (Anerkennung ausländischer Flüchtlinge) Birgit Homburger F.D.P. 14349* D Anlage 3 Zu Protokoll gegebener Teil der Rede zu Tagesordnungspunkt 13 (Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1990 — Vorlage der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes — Jahresrechnung 1990 — und Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1992 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung einschließlich der Feststellung der Jahresrechnung des Bundes 1990) Wilfried Bohlsen CDU/CSU 14350* C Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 13 (Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1990 — Vorlage der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes — Jahresrechnung 1990 — und Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1992 zur Haushaltsund Wirtschaftsführung einschließlich der Feststellung der Jahresrechnung des Bundes 1990) Karl Deres CDU/CSU 14351* D Thea Bock SPD 14353* C Anlage 5 Amtliche Mitteilungen 14353 * C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1993 14305 166. Sitzung Bonn, den 24. Juni 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Baum, Gerhart Rudolf F.D.P. 24. 6. 93 Böhm (Melsungen), CDU/CSU 24. 6. 93 Wilfried Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 24. 6. 93 Peter Harry Ehrbar, Udo CDU/CSU 24. 6. 93 Dr. Enkelmann, PDS/LL 24. 6. 93 Dagmar Dr. Faltlhauser, Kurt CDU/CSU 24. 6. 93 Gattermann, Hans H. F.D.P. 24. 6. 93 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 24. 6. 93 Genscher, F.D.P. 24. 6. 93 Hans-Dietrich Gerster (Mainz), CDU/CSU 24. 6. 93 Johannes Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 24. 6. 93 Grochtmann, Elisabeth CDU/CSU 24. 6. 93 Huonker, Gunter SPD 24. 6. 93 Dr. Klejdzinski, SPD 24. 6. 93 Karl-Heinz Dr. Köhler (Wolfsburg), CDU/CSU 24. 6. 93 Volkmar Koschnick, Hans SPD 24. 6. 93 Kretkowski, Volkmar SPD 24. 6. 93 Dr. Leonhard-Schmid, SPD 24. 6. 93 Elke LeutheusserSchnarrenberger, F.D.P. 24. 6. 93 Sabine Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 24. 6. 93 Matschie, Christoph SPD 24. 6. 93 Dr. Matterne, Dietmar SPD 24. 6. 93 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 24. 6. 93* Nolte, Claudia CDU/CSU 24. 6. 93 Odendahl, Doris SPD 24. 6. 93 Oesinghaus, Günther SPD 24. 6. 93 Pfuhl, Albert SPD 24. 6. 93 Dr. Pick, Eckhart SPD 24. 6. 93 Reuschenbach, SPD 24. 6. 93 Peter W. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Rose, Klaus CDU/CSU 24. 6. 93 Schaich-Walch, SPD 24. 6. 93 Gudrun Scheffler, Siegfried SPD 24. 6. 93 Willy Schluckebier, Günther SPD 24. 6. 93 von Schmude, CDU/CSU 24. 6. 93 Michael Dr. Soell, Hartmut SPD 24. 6. 93* Stachowa, Angela PDS/LL 24. 6. 93 Dr. Stercken, Hans CDU/CSU 24. 6. 93 Tietjen, Günther SPD 24. 6. 93 Dr. Töpfer, Klaus CDU/CSU 24. 6. 93 Vosen, Josef SPD 24. 6. 93 Welt, Jochen SPD 24. 6. 93 Dr. Wernitz, Axel SPD 24. 6. 93 Wieczorek-Zeul, SPD 24. 6. 93 Heidemarie Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 24. 6. 93 Zapf, Uta SPD 24. 6. 93 * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Zu Protokoll gegebener Teil der Rede zu Tagesordnungspunkt 12 (Sammelübersicht 106 zu Petitionen) (Anerkennung ausländischer Flüchtlinge)*) Birgit Homburger (F.D.P.): Im vorliegenden Fall handelt es sich um zwei Personen pakistanischer Staatsangehörigkeit, die Mitglied der sog. Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft sind. Sie reisten im August 1990 in die Bundesrepublik ein und beantragten wegen ihrer Zugehörigkeit zur Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft Asyl. Die Petenten berufen sich darauf, daß in Pakistan für diese Glaubensgemeinschaft eine Gruppenverfolgung vorliegt, da allein auf Grund gruppenspezifischer Merkmale eine Verfolgung zu befürchten sei. In der Tat enthält das Pakistanische Strafgesetzbuch für Ahmadis Vorschriften, die es ihnen verbietet, ihre Führer mit islamischen Titeln anzusprechen und sich selbst als Muslime zu bezeichnen oder ihren Glauben zu predigen. Darüber hinaus führte Pakistan im Jahre 1986 einen weiteren Artikel in seinem Strafgesetzbuch ein, wonach jede Beleidigung des Propheten Mohammed unter Strafe *) Vgl. Seite 14324B 14350* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1993 gestellt wird. Die zwingende Rechtsfolge dieser Vorschrift ist die Todesstrafe. Bei weiterer Auslegung dieser Norm ist jede Behauptung, Mohammed sei nicht der letzte Prophet gewesen, ein Verstoß gegen diese Norm des Pakistanischen Strafgesetzbuches. Nach den vorliegenden Berichten des Innenministeriums und des Auswärtigen Amtes sind Verurteilungen wegen dieser Strafrechtsnorm in Pakistan bislang, was das Verbot für Ahmadis, sich als Moslems zu bezeichnen bzw. bestimmte Titel zu führen, angeht, nur sehr vereinzelt und individuell erfolgt, Verurteilungen auf Grund des Artikels der zur Todesstrafe bei Beleidigung des Propheten führt, sind bislang gar nicht bekannt. Das Bundesverwaltungsgericht hat mittlerweile in mehreren Leitentscheidungen eine Gruppenverfolgung der Ahmadiyyas in Pakistan verneint. Wir haben uns die Entscheidung im Petitionsausschuß nicht einfach gemacht. Denn auch der Petitionsausschuß verkennt nicht, daß die Lage in Pakistan für die Ahmadis zumindest nicht ungefährdet ist. Daher bedarf es nach meiner Auffassung auch weiterhin einer sorgfältigen Beobachtung der Entwicklung der Situation dieser Glaubensgruppe durch das Auswärtige Amt, das dies — oft gemeinsam mit Botschaften der anderen europäischen Länder — intensiv verfolgt. Daher plädiert der Petitionsausschuß dafür, im Einzelfall zu entscheiden. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hatte die Antragssteller zunächst als Asylberechtigte anerkannt, da es von einer Gruppenverfolgung ausgegangen war. Doch selbst das Bundesamt schreibt in seiner Begründung: „Die Antragsteller vermochten zwar ... nicht zu überzeugen, daß sie in der Vergangenheit persönlich einer individuellen asylerheblichen Verfolgung ausgesetzt waren." Wegen der unterschiedlichen Entscheidungen hinsichtlich der Asylberechtigung von Mitgliedern der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft hat der Bundesbeauftragte gegen den Anerkennungsbescheid geklagt. Mit der Petition wird begehrt, daß der Bundestag auf den Bundesbeauftragten dahingehend einwirke, daß er diese Klage fallenlasse und eine letztinstanzliche Entscheidung nicht herbeiführt. Auf Grund der genannten Argumente sieht der Petitionsausschuß keinen Grund, hier einzugreifen. Ich habe auch Vertrauen in die zuständigen Organe, daß sie die Fälle sorgfältig prüfen und verantwortungsbewußt entscheiden. Eine letzte Bemerkung zur Aufgabe des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten. Seine Aufgabe besteht darin, Fälle, die erstinstanzlich uneinheitlich entschieden wurden, einer einheitlichen Rechtsprechung zuzuführen. Eine solche einheitliche Behandlung von Personen mit demselben Hintergrund ist wünschenswert. Es wäre aus meiner Sicht dann aber auch sinnvoll, wenn der Bundesbeauftragte aus Gründen dieser Einheitlichkeit nicht nur gegen Fälle Klage erhebt, die angenommen wurden, sondern auch gegen Fälle, die abgelehnt wurden. Ich empfehle für die F.D.P.-Fraktion, die Beschlußempfehlung des Petitionsausschuss es anzunehmen. Anlage 3 Zu Protokoll gegebener Teil der Rede des Abgeordneten Wilfried Bohlsen*) zu Tagesordnungspunkt 13 (Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1990 — Vorlage der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes — Jahresrechnung 1990 — und Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1992 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung einschließlich der Feststellung der Jahresrechnung des Bundes 1990) Wilfried Bohlsen (CDU/CSU): Ich darf mal einige Beispiele aus meinem eigenen Bereich als Berichterstatter nennen: Herstellung ausländischer Banknoten bei der Bundesdruckerei. Der Bundesrechnungshof hatte beanstandet, daß die Bundesdruckerei von 1980 bis 1990 Aufträge zur Herstellung ausländischer Banknoten zu nicht kostendekkenden Preisen entgegengenommen hatte, um freie Kapazitäten zu nutzen. In diesem Fall hat sich der Rechnungsprüfungsausschuß der Kritik des Bundesrechnungshofes nicht angeschlossen. Auf den ersten Blick mag der Vorwurf des Rechnungshofs berechtigt sein. Wer als Privatunternehmer nicht kostendeckende Aufträge entgegennimmt, der kann sicherlich mittelfristig sein Geschäft schließen. In diesem Fall haben wir detaillierter geprüft und haben gefragt, was wäre, wenn die Bundesdruckerei die Aufträge nicht entgegengenommen und ihre Druckkapazitäten stattdessen völlig ungenutzt hätte stehenlassen. Und wir haben festgestellt: Dann wäre der Verlust noch größer gewesen. Durch die Entgegennahme der Aufträge hat die Bundesdruckerei wenigstens ihre variablen Kosten und einen Teil der Fixkosten abgedeckt. Sie hat Deckungsbeiträge erwirtschaftet. Insofern konnten wir die Bemerkung nicht zustimmend zur Kenntnis nehmen. Jahresabschluß 1990 der Deutschen Bundespost. Der Bundesrechnungshof hat als rechtswidrig beanstandet, daß die Postunternehmen in ihrer Bilanz ihre Vermögenspositionen mit einem zu geringen Wert angesetzt hatten. Er hatte vermutet, daß die Postunternehmen die buchmäßig entstandenen Verluste in Höhe von 10 Milliarden DM aus dem allgemeinen Bundeshaushalt ersetzt erhalten wollten. Wir konnten auch diese Bemerkung nicht zustimmend zur Kenntnis nehmen. Wir haben den Fall genau untersucht und festgestellt, daß sich die Postunternehmen bei ihrer Bewertung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften des Handelsrechts bewegt haben. Die in der Bilanz ausgewiesenen Wertansätze waren rechtmäßig und nicht rechtswidrig gewesen. Zeitgerechte Einleitung der Zurruhesetzung von dienstunfähig erkrankten Beamten. Der Bundesrechnungshof hatte beanstandet, daß Postdienst und Telekom die dauerhaft erkrankten ') Vgl. Seite 14342B Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1993 14351* Beamten nicht rechtzeitig auf ihre Dienstfähigkeit untersuchten. Der Rechnungsprüfungsausschuß hatte sich der Kritik des Bundesrechnungshofes nicht in vollem Umfang angeschlossen. Er hat die Auffassung vertreten, daß das Zurruhesetzungsverfahren nach den gesetzlich vorgesehenen drei Monaten nicht eingeleitet werden muß. Aber er hat gleichzeitig die Meinung vertreten, daß die Behörde verpflichtet ist, eine Entscheidung zu treffen, aus der ersichtlich wird, daß sie von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht hat. Der Bundesminister wurde in diesem Zusammenhang aufgefordert, darauf hinzuwirken, daß die Generaldirektion Postdienst und Telekom künftig die Einhaltung der beamtenrechtlichen Zeitvorgaben zur Feststellung der Dienstunfähigkeit sicherstellen. Arbeitsplatzvergütung für Postbedienstete bei einer Beschäftigung in den neuen Bundesländern. Der Bundesrechnungshof hatte beanstandet, daß das Unternehmen Postdienst den Bediensteten aus den alten Bundesländern, die in die neuen Bundesländer abgeordnet werden, eine überhöhte Aufwandsentschädigung zahlen. Der Rechnungsprüfungsausschuß war der Auffassung, daß die Sondervergünstigungen, die sich die Bediensteten des Postdienstes bewilligen, nicht gerechtfertigt sind. Wir haben dies damit begründet, daß die Bediensteten der anderen Postunternehmen Postbank und Telekom keine Sondervergütungen erhalten. Postversorgung im Landbereich. Der Bundesrechnungshof hatte die Ansicht vertreten, daß im Landbereich 3 027 kleinere Postämter geschlossen werden könnten. In diesem Fall ist der Rechnungsprüfungsausschuß der Auffassung vom Bundesrechnungshof nicht gefolgt. Wir sehen die flächendeckende Versorgung mit Postleistungen als eine wichtige staatliche Aufgabe an. Eine ersatzlose Schließung von Postämtern wurde abgelehnt. Schließungen werden nur dann hingenommen, wenn ein gleichwertiger Ersatz bereitgestellt werden kann. Vernichtung von Postwertzeichen in den neuen Bundesländern. Der Bundesrechnungshof hatte beanstandet, daß der Postdienst bei der Vernichtung von Briefmarken keine ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen getroffen hatte, so daß die bis Ende 1991 gültigen Postwertzeichen wieder in den Verkehr gebracht werden konnten. Dadurch waren Einnahmenausfälle in Millionenhöhe entstanden. Der Postdienst hatte die Beanstandungen anerkannt und die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Der Rechnungsprüfungsausschuß hat die eingeleiteten Maßnahmen begrüßt und den Minister aufgefordert, die Sicherheitsvorkehrungen bei der Vernichtung von Postwertzeichen durch intensivere Fachaufsicht zu verbessern. Prüfung der Organisation und Personalausstattung des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation. Der Bundesrechnungshof hatte die personelle Überbesetzung des Ministeriums nach der Neuorganisation beanstandet; er hatte vorgeschlagen, 52 Stellen einzusparen. Der Rechnungsprüfungsausschuß wie auch der Haushaltsausschuß haben sich eingehend mit der Personalsituation befaßt und daraufhin 40 Stellen beim Bundesministerium gestrichen. Personaleinsatz der Deutschen Bundespost Postdienst in den neuen Bundesländern. Der Bundesrechnungshof hatte den Personaleinsatz bei den Postämtern in den neuen Bundesländern überprüft und dabei vielfältige Mängel festgestellt. Es wurden Vorschläge zur Verbesserung gemacht. Inzwischen hat der Postdienst neue Regelungen erlassen, die einen strafferen Personaleinsatz zum Gegenstand haben. Dabei konnten 11 800 Arbeitskräfte im Jahre 1992 eingespart werden. Bundespost-Betriebskrankenkasse. Der Rechnungsprüfungsausschuß hatte die Bundespost-Betriebskrankenkasse aufgefordert, diejenigen Bezirksverwaltungen aufzulösen, die satzungsmäßig nicht vorgesehen sind. Die Betriebskrankenkassen haben darauf reagiert und nicht nur die satzungsmäßige, sondern eine erheblich größere Rationalisierung durchgeführt, als zunächst gefordert war. Dabei kam es zu erheblichen Einsparungen. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden*) zu Tagesordnungspunkt 13 (Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1990 — Vorlage der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes — Jahresrechnung 1990 — und Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1992 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung einschließlich der Feststellung der Jahresrechnung des Bundes 1990) Karl Deres (CDU/CSU): I. Auch in diesem Jahr sind wir Parlamentarier wieder aufgefordert, zu prüfen, ob die Regierung die Steuergelder der Bürger überwiegend sachgemäß verwendet hat. Unsere Beanstandungen betreffen relativ wenige Einzelfälle, gemessen am gesamten Verwaltungshandeln. Jeder weiß, daß bei einem Haushaltsvolumen von fast 400 Millarden DM immer wieder Fehlentscheidungen vorkommen, daß immer wieder Geld unnötigerweise ausgegeben wird. Aber verstehen Sie diese Aussage nicht falsch, denn sie ist keine Entschuldigung für Fehlverhalten und schon gar nicht eine Absolution für kommende Sünden. In der heutigen Zeit, die durch sehr knappe Haushaltsmittel gekennzeichnet ist und in der wir der Bevölkerung zahlreiche Opfer zumuten, muß das *) Vgl. Seite 14342D 14352* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1993 Parlament erwarten, daß die Verwaltung bei allen Entscheidungen den Grundsatz äußerster Sparsamkeit beachtet. Als Abgeordnete haben wir unseren Bürgern gegenüber die Verpflichtung, unnachsichtig alle Fälle von Geldverschwendung aufzudecken. Immer wieder stellen wir fest, daß sich fremder Leute Geld leichter ausgeben läßt als eigenes. Vor allem Ressorts, die über umfangreiche Haushaltsmittel verfügen, neigen schnell dazu, Geld für unnötige Zwecke zu verwenden. Wer Geld verschwendet, wer grob fahrlässig handelt, der wird vom Ausschuß zur Rechenschaft gezogen. In vielen Fällen haben wir darauf bestanden, daß die erforderlichen Regreßverfahren, ja daß sogar Strafverfahren eingeleitet werden. II. Lassen Sie mich ein paar Worte zur Bedeutung der Haushaltskontrolle sagen. Das Haushaltsrecht und das daraus abgeleitete Haushaltskontrollrecht ist ein besonders bedeutsames Parlamentsrecht. Die drei großen Aufgabenbereiche des Parlamentes sind 1. die Gesetzgebung, 2. die Haushaltsmittelbewilligung und 3., damit in Zusammenhang stehend, die Haushaltsmittelkontrolle. Gesetzgebung und Haushaltsmittelbewilligung als wichtige Parlamentsaufgaben sind jedem Bürger bekannt. Die Haushaltsmittelkontrolle, der dritte große wichtige Bereich, gerät oft unter die Räder heißer Informationen, schon deshalb, weil wir zum Teil Vergessenheit bewältigen, die umfangreiche Arbeit im Stillen leisten und zu sehr Zurückhaltung in der sog. „Verkaufspolitik" geübt haben. Deshalb haben wir jetzt das zweite Mal in der fast 45jährigen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eine Pressekonferenz abgehalten und starken Widerhall im Fernsehen, beim Rundfunk und bei den Zeitungen gefunden. Der Bürger hat Anspruch auf diese Informationen. Ebenfalls das zweite Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland werden die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes zusammen mit den Beschlüssen des Rechnungsprüfungsausschusses in schlichter Buchform herausgegeben. Die Schrift soll dazu beitragen, daß künftig vergleichbare Fehler vermieden werden. III. Finanzkontrolle besteht nicht nur darin zu prüfen, ob die Regierung in der Vergangenheit alles richtig gemacht hat, sie besteht auch darin, vorbeugend tätig zu werden. Rechnungsprüfungsausschuß und Haushaltsausschuß versuchen darauf zu achten, daß unvernünftige Maßnahmen von vornherein unterbleiben. Sehr oft beauftragen wir deshalb den Bundesrechnungshof mit der Prüfung, ob die von der Regierung beabsichtigten Maßnahmen sinnvoll sind. Nur mal ein Beispiel in diesem Zusammenhang: Gästehaus Petersberg. Sie wissen alle: Die Kosten für dieses Bauprojekt sind unerwartet stark gestiegen. Wir haben festgestellt: Ursächlich dafür waren zum größten Teil Änderungswünsche, die während der Bauphase immer wieder gestellt worden sind. Konsequenz: Wir haben die Regierung verpflichtet, bei allen künftigen Bauvorhaben so detailliert vorzuplanen, daß Änderungswünsche nicht mehr notwendig sind. Die Bundesbaudirektion ist nicht mehr berechtigt, von sich aus irgendeinen kostenwirksamen Änderungswunsch zu erfüllen. Wenn eine Änderung wirklich unabdinbar erforderlich sein sollte, so muß der Haushaltsausschuß eingeschaltet werden, der dann die Kostenfrage stellt und beurteilt, ob in diesem Fall ausnahmsweise der Änderungswunsch vertretbar ist. IV. Gestatten Sie mir, einen weiteren Gedanken zur Geldverschwendung im öffentlichen Sektor vorzutragen. Jede Verwaltung ist dadurch charakterisiert, daß sie dazu neigt, mehr Geld als notwendig auszugeben. Ich will das begründen: Jeder Mensch strebt danach, seinen persönlichen Nutzen zu maximieren. Jeder Mensch will soviel Ansehen wie möglich erlangen. In der privaten Wirtschaft besteht die Nutzenmaximierung darin, daß ein Unternehmen soviel Umsatz und vor allem soviel Gewinn wie möglich erzielt. Wer viel Gewinn erzielt, genießt das beste Ansehen, hat die besten Chancen, im Wettbewerbskampf zu überleben. Dem Bereich der Privatwirtschaft ist es daher wesensimmanent, soviel wie möglich einzusparen, so effektiv wie möglich zu arbeiten, die Kosten so gering wie möglich zu halten. Wem das nicht gelingt, der muß aus dem Wettbewerbskampf ausscheiden. Die Bediensteten des öffentlichen Bereichs streben ebenfalls nach privater Nutzenmaximierung. Auch sie wollen so angesehen wie möglich sein mit Hilfe anderer Leute Geld, der Steuergroschen der Bürger. Nur die Kriterien sind andere. Angesehen ist, wer einen großen Aufgabenbereich hat, wer über viele Mitarbeiter verfügt. Also besteht wesensimmanent die Gefahr, den eigenen Bereich zu vergrößern. Man fordert Mitarbeiter an, die man gar nicht benötigt, nur um angesehen zu sein. All dies führt zu erheblichen zusätzlichen Kosten. Dem öffentlichen Sektor ist es daher wesensimmanent, mehr Geld auszugeben als notwendig. Wir müssen runter vom System der immanenten Geldverschwendung. Ich will das an weiteren Beispielen erläutern: 1. Dezemberfieber. Sie alle wissen: Je mehr man in diesem Jahr an Geld ausgibt, um so mehr bekommt man in nächsten Jahr. Dieser Mechanismus verursacht das sogenannte Dezemberfieber: Anschaffung von Gegenständen, die eigentlich nicht unbedingt benötigt werden. 2. Staatliche Subventionszahlungen mit automatischem Verlustausgleich. Jedes Wirtschaftssubjekt arbeitet unter der Prämisse der „privaten Nutzenmaximierung" . Bei Unternehmen, deren Verluste durch staatliche Zuschüsse ausgeglichen werden, ist die Gewinnerzielung nicht mehr primäres Unternehmensziel. Die private Nutzenmaximierung besteht hier in der Regel darin, den Umfang der staatlichen Zuschüsse zu maximieren! Und das ist sehr bedenklich! Das führt dazu, daß wir in vielen Fällen unnötige Auszahlungen in Milliardenhöhe leisten. 3. Besoldungsmäßige Eingruppierung nach der Anzahl der Mitarbeiter. In weiten Bereichen der Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1993 14353* öffentlichen Verwaltung hängt die Eingruppierung des Dienstpostens eines Vorgesetzten davon ab, wie viele Mitarbeiter er hat. Folglich wird der betreffende Vorgesetzte in erster Linie darauf achten, weitere Mitarbeiter zu bekommen, um selbst besoldungsmäßig zu steigen. Je breiter der Kegel an der Grundlinie, um so höher gerät der Bau der Pyramide. Ausgabensteigerung ist vorprogrammiert! 4. Die institutionalisierten Mangel kosten sehr viel Geld. Diese Mängel kann der Rechnungsprüfungsausschuß nicht von sich aus beseitigen. Der Ausschuß kann immer nur einschreiten, wenn Geld „rechtswidrig" verschwendet wird. Parlament und Regierung sollten gemeinsam versuchen, künftig die systemimmanenten Mängel zu beseitigen. V. In vielen Sitzungstagen und vielen Sitzungsstunden hat der Rechnungsprüfungsausschuß die Grundlagen für die Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses in der vorliegenden BT-Drucksache 12/5171 erarbeitet. Wenn hierauf die Entlastung nach einer kurzen Aussprache von einer Stunde erfolgen kann, so möchte ich doch bemerken, daß darin eine lange und intensive Arbeit steckt. Hervorheben möchte ich die gute Arbeitsatmosphäre in unsrem Ausschuß. Das liegt nicht nur an der persönlichen Wertschätzung, die wir untereinander haben. Dies beruht auch auf der gemeinsamen Einsicht, daß die Finanzkontrolle die Aufgabe des gesamten Parlamentes gegenüber der Regierung ist. Kollege Bohlsen, der Jahresberichterstatter des Rechnungsprüfungsausschusses, hat vorhin herausgestellt, wie detailiert wir prüfen. Das ist richtig, das kann ich nur bestätigen. Wenn wir gleichwohl über 90 % der Bemerkungen des Bundesrechnungshofs „zustimmend" zur Kenntnis genommen haben, so ist das ein überzeugender Beweis für die Qualität der Arbeit des Bundesrechnungshofs. Nachdrücklich möchte ich deshalb dem Präsidenten des Bundesrechnungshofs, der diesmal wohl das letzte Mal in seiner Eigenschaft als Präsident bei uns hier im Plenum ist, Herrn Dr. Zavelberg, ganz herzlich für die wertvolle Arbeit danken, die er im letzten Jahrzehnt für das Parlament geleistet hat. Ich darf betonen, daß Dr. Zavelberg ein Präsident ist, der seine Aufgaben nicht nur als Beruf ausgeübt hat. Jeder, der ihn kennt, weiß, daß bei ihm der Beruf gleichzeitig Hobby und Lebensaufgabe ist. Wir bedauern daher sehr, ihn in seiner Eigenschaft als Präsident zu verlieren. Zugleich bedanke ich mich nochmals ganz herzlich und wünsche ihm für die Zukunft alles Gute. Bedanken möchte ich mich auch bei den Mitarbeitern des Bundesrechnungshofs, die es uns ermöglicht haben, unsere Kontrollarbeit so effektiv auszuüben. In meinem Dank eingeschlossen sind die Mitarbeiter des Sekretariats, die den Ausschuß in unauffälliger, aber sehr effektiver Weise unterstützt haben. Im Namen aller Kolleginnen und Kollegen des Ausschusses bitte auch ich darum, der Bundesregierung die Entlastung für das Haushaltsjahr 1990 zu erteilen, unter — wie wir im Ausschuß sagen — „zustimmender Kenntnisnahme" der Erläuterungen, die wir hier im Plenum vorgetragen haben. Thea Bock (SPD): Ein Thema läßt die Mitglieder des Rechnungsprüfungsausschusses schier verzweifeln. Liebe Kolleginnen und Kollegen ich sage nur das Stichwort: Einsatz der Informationstechnik. Nachdem der Rechnungsprüfungsausschuß sich in den letzten Jahren immer wieder mit erheblichen Mängeln beim Einsatz der neuen Informationstechniken in den verschiedenen Bundesverwaltungen beschäftigen mußte und selbst nachdem eine „Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung für Informationstechnik in der Bundesverwaltung" (KBSt) eingerichtet worden ist, die Abhilfe schaffen sollte, hat sich die Situation kaum verbessert. Ziel der Koordinierungsstelle soll sein, Koordinierungsaufgaben wahrzunehmen und darauf zu achten, daß die neuen Informationstechniken in der Bundesverwaltung optimal und wirtschaftlich eingesetzt werden. Der Haushaltsausschuß hat deshalb den Bundesrechnungshof gebeten, einen Bericht über die Koordination der KBSt zu erstellen. Der Bundesrechnungshof hat festgestellt: — daß bedeutende Bereiche der IT-Technik der KBSt entzogen sind — daß die Wirtschaftlichkeitsberechnungen in IT-Rahmenkonzepten überwiegend unzulänglich sind, — daß Sicherheitskonzepte und Risikoanalysen teilweise ganz fehlen, — daß keine ressortübergreifenden IT-Beschaffungen unter Federführung der KBSt durchgeführt werden. Bei den Beratungen wurde uns erzählt, daß der Bundesfinanzminister keinerlei Gelder bewillige, wenn die KBSt die entsprechenden Ausgaben nicht für sinnvoll angesehen hat. Auf diese Weise würden die knappen Finanzmittel nur für sinnvolle Aufgaben verwandt. Erst auf Nachfragen wurde zugegeben, daß das Verteidigungsministerium überhaupt nicht mit der KBSt zusammenarbeitet, daß das Verteidigungsministerium auch nicht bereit ist, seine IT-Rahmenkonzepte dem Bundesrechnungshof vorzulegen. Der Ausschuß hat kritisiert, daß noch nicht alle Ministerien die KBSt in Anspruch nehmen. Der Finanzminister wurde aufgefordert, Haushaltsmittel für IT-Technik nur noch dann bereitzustellen, wenn die KBSt den Einsatz der IT-Technik ausdrücklich befürwortet hat. Die Ministerien wurden aufgefordert, stärker als bisher zu einer gemeinsamen Beschaffung von IT-Technik überzugehen, um auf diese Weise Preisvorteile beim Einkauf zu erzielen. Wir erwarten, daß der Beschluß des RPA zu weiteren Verbesserungen führt. Wir fordern das Verteidigungsministerium auf, die Blockade aufzugeben und mit der KBSt zusammenzuarbeiten. Wie wichtig das ist, zeigt folgendes Beispiel, mit dem der RPA sich dieses Jahr beschäftigen mußte: Der Bundesrechnungshof hat bei einer Vielzahl von Einzelprüfungen im Bundesministerium der Verteidigung im Bereich der Informationsverarbeitung gravierende Sicherheitsmängel festgestellt. Auch nach 14354* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1993 der Einrichtung eines „Sonderbeauftragtren für IT-Sicherheit in Rechenzentren der Bundeswehr und Wehrtechnischen Rechenzentren" bestehen nach wie vor erhebliche Mängel im Sicherheitsbereich. Die theoretisch möglichen Gefahren dürfen sich keinesfalls realisieren. Auf den Katastrophenfall ist niemand vorbereitet. Im Laufe der Behandlung dieses Themas weist der Rechnungshof daraufhin, daß bei fast allen Bundesbehörden vergleichbar schwerwiegende Sicherheitsmängel bestehen. Der Verteidigungsminister ist vom Ausschuß aufgefordert worden, schnellstens die bestehenden Mängel zu beseitigen und über das Veranlaßte und dessen Ergebnis dem Ausschuß bis zum 1. September 1994 zu berichten. Wir halten es für außerordentlich wichtig, daß der Bundesrechnungshof in diesem Bereich sehr kritisch weiter prüft, denn die folgenden Beispiele zeigen, daß in Zusammenarbeit mit dem RPA Erfolge erzielt werden konnten: Der Bundesrechnungshof hatte beanstandet, daß die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung keinen Gesamtüberblick über die eingesetzten Datenverarbeitungsgeräte hatte. Planung und Koordinierung waren mit Mängeln behaftet, so daß unnötige Sach- und Personalkosten entstanden. Außerdem sei die Wartung der IT-Geräte nicht sachgerecht erfolgt. Ein Wartungskonzept habe gefehlt, die Wartungsverträge seien nicht hinreichend überwacht worden. Der Bundesminister hat die Beanstandung anerkannt. Abhilfemaßnahmen wurden eingeleitet. Der Bundesrechnungshof hatte darauf hingewiesen, daß die Bundesbahn bei der Beschaffung von Datenverarbeitungsgeräten häufig nicht überprüft, ob Miete oder Kauf wirtschaftlicher ist. In den untersuchten Fällen entstanden in der Vergangenheit vermeidbare Kosten in Höhe von 2 Millionen DM. Die Deutsche Bundesbahn hat die Feststellung anerkannt. Gemietete Geräte hat sie zum Zeitwert gekauft. Der Ausschuß hatte beanstandet, daß die Bundesdruckerei eine Datenverarbeitungsanlage ohne ausreichende Wirtschaftlichkeitsbetrachtung betrieb. Er hatte die Bundesdruckerei verpflichtet, eine Personalneubemessung durchzuführen und das Datenverarbeitungsprojekt den Vorgaben des Ausschusses entsprechend umzugestalten. Die Bundesdruckerei ist den Auflagen nachgekommen. Dadurch können kurzfristig 187 Stellen eingespart werden. Der Ausschuß hatte beanstandet, daß die Bundesanstalt für Güterfernverkehr die Möglichkeiten der Datenverarbeitung nur unzureichend nutzt. Trotz vorhandener Anlagen hatte sie weiterhin mit hohem Personalbestand auf manueller Basis gearbeitet. Der Ausschuß hat die Anstalt verpflichtet, die Möglichkeiten der Datenverarbeitungsanlage zu nutzen und die daraus resultierenden Personaleinsparungen vorzunehmen. Die Bundesanstalt hat die Auflagen erfüllt. 250 Personalstellen können eingespart werden. Ich spreche dieses Thema ausdrücklich in dieser Debatte an, damit nicht nur auf Druck des Rechnungshofes und des Rechnungsprüfungsausschusses gehandelt wird, sondern die verschiedenen Bundesverwaltungen von sich aus die Wirtschaftlichkeit ihrer Informationstechnik überprüfen und die Koordinierungsstelle ihre Aufgaben intensiver wahrnimmt. Anlage 5 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 658. Sitzung am 18. Juni 1993 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: 1. Gesetz zu dem Abkommen vom 16. Dezember 1991 über eine Zusammenarbeit und eine Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino 2. Gesetz zu dem Vertrag vom 9. April 1991 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Argentinischen Republik über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen 3. Elftes Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes 4. Gesetz zur Aufhebung der Tarife im Güterverkehr (Tarifaufhebungsgesetz — TAufhG) 5. Gesetz zur Ausführung des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen (Ausführungsgesetz Suchtstoffübereinkommen 1988) 6. Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen (Vertragsgesetz Suchtstoffübereinkommen 1988) 7. Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der bäuerlichen Landwirtschaft 8. Gesetz zur Ergänzung der Rentenüberleitung (Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz — Rü-ErgG) 9. Sechzehntes Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (16. BAföGÄndG) 10. Gesetz über technische Assistenten in der Medizin (MTA-Gesetz — MTAG) Zu den unter den Nummern 6 bis 10 genannten Gesetzen hat der Bundesrat folgende Entschließungen gefaßt: Zu Nr. 6: Der Bundesrat verzichtet auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum Vertragsgesetz Suchtstoffübereinkommen 1988. Er geht dabei davon aus, daß das Abkommen der ggf. notwendigen Weiterentwicklung der Einschränkung der Strafverfolgung des Anbaus, des Erwerbs und des Besitzes einer geringen Mengen Drogen zum Eigenverbrauch nicht entgegensteht. Nach Auffassung des Bundesrates bietet Artikel 3 Abs. 2 i. V. m. der von der Bundesregierung beabsichtigten Interpretationserklärung dafür ausreichenden Handlungsspielraum. Zu Nr. 7: Der Bundesrat stellt fest, daß die Bundesregierung in der EG die Fortführung des 3 %igen Mehrwertsteuerausgleichs von 1993 bis 1995 im Umfang von insgesamt 4,3 Mrd. DM durchgesetzt, im Bundeshaushalt jedoch nur Mittel in Höhe von ca. 2,8 Mrd. DM eingestellt bzw. eingeplant hat. Demzufolge ist den Ländern, ohne daß ihre Zustimmung vorlag, vom Bund ein Finanzierungsanteil von 1,5 Mrd. DM zugedacht worden. Die Länder haben jedoch bereits anläßlich der Mitfinanzierung des soziostrukturellen Einkommensausgleichs im Haushaltsjahr 1992 wiederholt und nachdrücklich darauf hingewiesen, daß sie sich an einer erneuten Finanzierung aus Landesmitteln ab 1993 nicht beteiligen werden. Deutscher Bundestag - 12 Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1993 14355* Der Bundesrat bekräftigt seine Auffassung, daß es sich beim währungsbedingten Einkommensausgleich um eine Bundesaufgabe handelt, die entsprechend den grundsätzlichen Regelungen der Finanzverfassung in vollem Umfang durch den Bund zu finanzieren ist. Im übrigen ist der Bundesrat der Auffassung, daß die EG-Agrarreform und der EG-Binnenmarkt eine Neuorientierung der Förderpolitik zwingend notwendig machen. Eine breit gestreute Förderung nach dem „Gießkannenprinzip" ist angesichts der finanziellen Not der öffentlichen Haushalte nicht mehr zu verantworten. Nach Auffassung des Bundesrates sollten der „Soziostrukturelle Einkommensausgleich" und die Anpassungshilfen letztmalig 1993 ausgezahlt werden. Die künftige Förderung muß sich (unter Berücksichtigung der sehr angespannten Haushaltslage) an folgenden Grundsätzen ausrichten: — Unterstützung und Stärkung einer Landwirtschaft, die sich an den Erfordernissen des Marktes und der Umwelt ausrichtet, — Umsetzung der flankierenden Maßnahmen, — Schaffung vergleichbarer Wettbewerbsbedingungen zwischen den Mitgliedstaaten der EG, — soziale Flankierung des Strukturwandels, — Weiterentwicklung und Förderung der ländlichen Räume und Dörfer. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, in diesem Sinne die Agrarstruktur- und Sozialpolitik weiter zu entwickeln und zur Finanzierung der Maßnahmen ab 1994 die im Bundeshaushalt eingestellten Mittel für eine nach diesen Grundsätzen ausgestattete Regelung zu verwenden. Zu Nr. 8: Der Bundesrat begrüßt die im Gesetz zur Ergänzung der Rentenüberleitung enthaltenen Maßnahmen zur Beschleunigung des Bearbeitungsverfahrens und zur Verbesserung bei den Sonder- und Zusatzversorgungssystemen. Unabhängig davon weist der Bundesrat schon jetzt darauf hin, daß sich auf der Grundlage des Gutachtens, das die neuen Länder und Berlin zu diesem Gesetz in Auftrag gegeben haben, und den Schlußfolgerungen daraus weitere Änderungsvorschläge ergeben können. Die Rentenversicherungsträger haben bei der Umsetzung des § 307a Abs. 8 SGB VI im Verwaltungsverfahren zu gewährleisten, daß die Neufassung dieser Vorschrift für Rentnerinnen und Rentner nicht zu Problemen führt und auch in angemessener Zeit eine Überprüfung der Umwertungsbescheide auch von Amts wegen erfolgt. Sollte dies nicht gewährleistet werden können, behält sich der Bundesrat vor, dann auch die in der bisher geltenden Fassung des § 307 a Abs. 8 SGB VI vorgesehene Überprüfung der Renten von Amts wegen erneut einzufordern. Zu Nr. 9: Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Bericht, der dem Deutschen Bundestag rechtzeitig vor Auslaufen der Studienabschlußförderung im Herbst 1996 abzugeben ist, auch dem Bundesrat zuzuleiten. Zu Nr. 10: Die Verlängerung der MTA-Ausbildung wird — abgesehen von einer jedenfalls vorübergehenden Reduzierung der Ausbildungsplätze — für die Schulträger nicht unerhebliche Organisationsprobleme und Kostenmehrungen zur Folge haben. Der Bundesrat bittet deshalb das Bundesministerium für Gesundheit, beim Erlaß der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (§ 8 MTAG) besonders darauf zu achten, daß die praktische Ausbildung in vollziehbarer Weise gestaltet wird. Im übrigen bittet der Bundesrat, daß bei künftigen Gesetzgebungsvorhaben im Bereich der Heilberufe, welche Ausbildungsdauer und/oder -inhalte berühren, von vornherein bereits zusammen mit dem Gesetzentwurf der Entwurf der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung vorgelegt wird. Die Notwendigkeit hierfür hat sich gerade in letzter Zeit z. B. bei den Entwürfen zur Neuregelung des Rechts der Masseure und Krankengymnasten sowie der Diätassistenten gezeigt. Nur auf diese Weise ist den Ländern eine sachgerechte Beurteilung und Behandlung des jeweiligen Regelungsvorhabens möglich. Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 12/3774 Drucksache 12/4330 Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Drucksache 12/210 Nrn. 94, 96, 99, 102
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    Rede von Dr. Gregor Gysi


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal scheint mir die Interpretation der Bundesregierung und der Regierungskoalition, wonach die vom Bundesverfassungsgericht erlassene einstweilige Anordnung ihr Erfolg und nicht ein Erfolg der SPD ist, zutreffend zu sein; denn die einstweilige Anordnung verhindert wie schon beim AWACS-Einsatz nicht, daß die Bundesregierung ihre Politik der militärischen Intervention fortsetzen kann. Sie benötigt im vorliegenden Fall dafür lediglich eine einfache Mehrheit des Deutschen



    Dr. Gregor Gysi
    Bundestages und damit die Mehrheit der Regierungskoalition, die sie natürlich ohne jede Schwierigkeit bekommen wird.
    Die Bundesregierung kann auch künftig solche Einsätze planen und durchführen. Damit werden in einem Umfang Tatsachen geschaffen, daß sich jede und jeder schon jetzt ausrechnen kann, wie die Urteile des Bundesverfassungsgerichts in der Hauptsache zum AWACS-Einsatz und Somalia-Einsatz aussehen werden. Das ist, glaube ich, kein Sieg — auch nicht des Parlaments —, sondern eine Niederlage in der Politik und vollzieht außerdem eine Wende in dieser Politik.
    Ich finde es deshalb bedauerlich, daß nicht von Anfang an auch und gerade durch die SPD-Fraktion im wesentlichen eine scharfe politische Auseinandersetzung zu den eigentlichen Fragen geführt wurde und statt dessen daraus eine Rechtsfrage gemacht worden ist

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste)

    und immer im Nebel blieb, ob die SPD nun letztlich einem solchen Einsatz zustimmen würde und unter welchen Bedingungen oder nicht, wenn sie denn darüber mit zu entscheiden hätte. Ich finde, daß diese politische Auseinandersetzung dringend erforderlich ist; denn es geht doch darum, ob deutsche Soldaten nunmehr weltweit eingesetzt werden können oder nicht.
    Es geht auch nicht mehr um die Frage, ob sie nur zu humanitären Zwecken oder aber zu Kampfeinsätzen eingesetzt werden können; denn wie das Beispiel Somalia zeigt, ist eine solche Unterscheidung praktisch überhaupt nicht möglich. Es ist ein militärischer Einsatz, und täglich kann es auch zu kriegerischen Handlungen kommen. Damit wird dann Blut auf allen Seiten fließen. Ziel der Bundesregierung und der Regierungskoalition ist, die Menschen in der Bundesrepublik an solche Einsätze und damit verbundene Opfer zu gewöhnen.

    (Zuruf von der F.D.P.: Blödsinn!)

    In einer politischen Auseinandersetzung muß es doch wohl um folgende Fragen gehen. Der Bundesaußenminister hat gestern darauf hingewiesen, daß durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts garantiert sei, daß die Bundesrepublik auch künftig ihrer internationalen Verantwortung gerecht werden könne. Bedeutet dies im Umkehrschluß, daß die Bundesrepublik über 40 Jahre lang ihrer internationalen Verantwortung deshalb nicht gerecht geworden ist, weil sie keine deutschen Soldaten in die Welt entsandte? Wenn es das nicht bedeutet, wieso kann man dann heute einer internationalen Verantwortung nur noch dadurch gerecht werden, daß man seine Soldaten weltweit einsetzt? Wieso kann internationale Verantwortung nicht politisch, ökonomisch, sozial und kulturell wahrgenommen werden?

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Wie muß sich diese Welt verändert haben, wenn nach
    Wegfall des Ost-West-Konflikts internationale Verantwortung und militärische Einsätze gleichgesetzt werden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Herr Gysi, Sie sind ein Winkeladvokat!)

    Und eine andere Frage steht ja wohl auf der Tagesordnung: Überall, wo gegenwärtig militärische Konflikte und Bürgerkriege in der Welt ausbrechen, gibt es reichlich Waffen. Woher kommen eigentlich diese Waffen?

    (Dr. R. Werner Schuster [SPD]: Vom Himmel! )

    Es ist eine Tatsache, daß die Bundesrepublik Deutschland zumindest an dritter Stelle der waffenexportierenden Länder steht und um die zweite Stelle kämpft und sie wohl inzwischen auch schon erreicht hat. Wer heute aber Waffen exportiert, exportiert Krieg oder Bürgerkrieg, und er weiß es auch.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Es gibt aber nicht die geringsten Ansätze seitens der Bundesregierung, seitens der Koalition und leider auch nicht seitens der SPD-Fraktion, Waffenexporte durch die Bundesrepublik Deutschland generell zu verbieten. Das aber wäre wirkliche Friedenspolitik.
    Wir empfinden es als heuchlerisch, zunächst Waffen in die Welt zu entsenden, um nach Kriegs- oder Bürgerkriegsbeginn dann die eigenen Soldaten friedensstiftend hinterherzuschicken.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ihre Rede ist die größte Heuchelei!)

    Ob Amerikaner oder Deutsche, ihre Gegner im Krieg besitzen eine andere Nationalität. Die Waffen aber kommen aus den gleichen Fabriken und Lagern.

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Vor allem aber aus der ehemaligen DDR!)

    — Ja, die dann auch noch durch diese Bundesregierung in solche Länder verkauft worden sind.

    (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Für die Sie verantwortlich waren als SED-Mitglied!)

    — Warum haben Sie denn die NVA-Waffen nicht verschrottet, anstatt sie auch noch weltweit zu verkaufen? Dazu hätten Sie doch die Möglichkeit gehabt!

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Tatsache ist, daß weder beim Golf-Krieg noch beim Krieg bzw. Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien, noch bei den Konflikten in Somalia die Instrumente der UNO oder anderer internationaler Gemeinschaften auf rechtlichem und ökonomischem Gebiet und zur Unterstützung der Friedenskräfte in den jeweiligen Ländern voll ausgenutzt wurden, bevor an den Einsatz von Militär gedacht worden ist.
    Inzwischen ist es so, daß in der Regel der Einsatz des Militärs an erster Stelle steht, bevor dann Friedenskonferenzen oder anderes einberufen werden. Der Krieg soll auf diesem Wege wieder zum normalen



    Dr. Gregor Gysi
    Mittel der Politik gemacht werden. Dabei will die Bundesrepublik Deutschland nicht unbeteiligt sein.

    (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Herr Gysi, Sie spinnen!)

    Damit verletzt aber die Bundesregierung ein Versprechen, das sie zum Zeitpunkt der Einheit abgegeben hat, abgegeben hat durch den damaligen Außenminister, nämlich keine Großmachtrolle anzustreben. Sie strebt diese aber täglich deutlicher an, kämpft um einen ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat und um eine internationale Stellung, die es ihr ermöglicht, weltweit militärisch einzugreifen. Und das ist Großmachtpolitik.
    Dabei verkennt sie, daß z. B. viele Menschenrechtsorganisationen Afrikas diesen Einsatz in Somalia, vor allen Dingen seine Art und Weise, verurteilen. Sie geht auch auf diese Probleme überhaupt nicht ein.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste)

    Negiert wird vor allem die Tatsache, daß nicht nur die praktische Politik, sondern auch die öffentliche Diskussion immer stärker in die Richtung verläuft, ob Afrika nicht neu kolonialisiert werden soll. Die Zeitschrift „Die Woche" hat bereits eine ganze Seite dieser Frage gewidmet. Ich hoffe, daß es nicht gelingt, das Rad der Geschichte so weit zurückzudrehen.
    Ich weiß, daß die Herausforderungen im Rahmen des Nord-Süd-Konflikts noch nie so groß und so deutlich in Erscheinung getreten sind wie heute. Ich weiß, daß es um die Durchsetzung einheitlicher ökologischer Mindeststandards geht. Dann aber muß man akzeptieren, daß es auch einheitliche soziale Mindeststandards in dieser Welt geben muß.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste)

    Wer auf solche riesigen Herausforderungen nur zwei Antworten hat, nämlich den Einsatz von Militär und die eigene Abschottung, der wird diesen Herausforderungen nicht im geringsten gerecht, sondern spitzt sie weiter zu. Das ist eine Tatsache, mit der wir uns beschäftigen müssen.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Die Migrationsprobleme verursachen wir ja auch noch selbst, um dann hier das Asylrecht praktisch abzuschaffen und unser Militär hinzuschicken — eine unheilvolle Einheit.
    Ich komme zu meinem letzten Satz.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Das ist auch besser!)

    — Sie müssen wenigstens lernen, sich das anzuhören. Es reicht doch, daß Sie die Macht haben. Sie müssen auch denen zuhören, die sie nicht haben. Das fällt schwer, aber ist ganz wichtig.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist zwar grauenhaft, aber Sie kennen die Demokratie ja in vielen Phasen!)

    — Ich kenne alle möglichen Phasen.
    Es wird etwas vollzogen, was in der deutschen Geschichte immer katastrophale Folgen hatte: Der
    Pazifismus wird gesellschaftlich ausgegrenzt, an den gesellschaftlichen Rand gedrückt und letztlich verhöhnt. Das war immer der Beginn zur Schürung von Kriegsstimmung.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste sowie bei Abgeordneten der SPD — Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Das sagt ein SED-Mann!)



Rede von Helmuth Becker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, jetzt hat unser Kollege Gerd Poppe das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Gerd Poppe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In ihrer Begründung am 21. April 1993 haben der Bundesaußenminister und der Bundesverteidigungsminister UNOSOM II mit der Feststellung begründet, es handele sich nicht um einen militärischen Einsatz,

    (Staatsminister Helmut Schäfer: Um keinen Kampfeinsatz!)

    es handele sich um befriedete Gebiete, in denen die deutschen Soldaten sein werden.
    Die Ereignisse der letzten Wochen zeigen, daß die Voraussetzungen für diese Aktion, nämlich die Entwaffnung von Banden, nicht gegeben ist. Die amerikanischen Soldaten, die von den Vereinten Nationen dazu beauftragt waren, haben diese Aufgabe offensichtlich nicht oder nicht vollständig ausgeführt. Und so besteht die Gefahr, daß der vorgeblich rein humanitäre Einsatz zu einem Kampfeinsatz wird. Deshalb kann der bisher immer herangezogene § 7 des Soldatengesetzes keineswegs die Einsatzgrundlage für deutsche Soldaten sein.
    Wir meinen auch: Wenn es sich um rein zivile und humanitäre Aufgaben handelt, dann können sie von humanitären Hilfsorganisationen, von technischen Hilfswerken oder anderen dafür geeigneten Organisationen gelöst werden.

    (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Das haben wir ja gerade gesehen!)

    Falls es sich aber um einen Blauhelm- oder gar um einen Kampfeinsatz handelt, ist die Änderung des Grundgesetzes erforderlich,

    (Zuruf von der F.D.P.: Das wollen wir ja!)

    so daß im ersten Falle der Einsatz deutscher Soldaten nicht notwendig, im zweiten Fall auf Grund des Fehlens solcher Grundgesetzregelungen nicht möglich ist. So bleiben wir bei unserer Auffassung, daß deutsche Soldaten in Somalia nichts zu suchen haben.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS/Linke Liste)

    Im übrigen: Fragen Sie doch einmal die Soldaten der Bundeswehr, ob sie das, was sie dort machen, für einen Einsatz halten. Wir haben mehrfach von Soldaten und Offizieren der Bundeswehr gehört — auch gestern abend noch —, daß sie den Einsatz weder als rein zivilen noch als Blauhelm-Einsatz, sondern als



    Gerd Poppe
    einen kampfbegleitenden und damit formal als einen Kampfeinsatz betrachten.

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Wo haben Sie das denn gehört?)

    — Das haben Bundeswehroffiziere bei einer gestrigen Podiumsdiskussion gesagt. Wir können Ihnen nachher im einzelnen Aufklärung darüber geben, wer das war.
    Das ist kein Einzelfall. Wenn Sie die Medien aufmerksam verfolgt haben, dann werden Sie das in letzter Zeit öfter gehört haben, eben auch von Angehörigen der Bundeswehr, die sehr verunsichert sind und die eindeutige Regelungen im Grundgesetz für Blauhelm-Einsätze wollen. Sie wollen auch, daß Entscheidungen im deutschen Parlament zu jedem Auslandseinsatz mit einer Zweidrittelmehrheit getroffen werden.

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Wollen die nicht!)

    Entsprechende Regelungen im Grundgesetz hätte es längst geben können.

    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Woran ist das gescheitert?)

    Die erforderlichen Mehrheiten wären vorhanden gewesen, wäre die Koalition bereit gewesen, — —

    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Bei Ihnen und bei anderen!)

    — An uns ist das nicht gescheitert; unseren Antrag zu Blauhelm-Einsätzen haben Sie wahrscheinlich noch nicht einmal bemerkt, auf jeden Fall haben Sie ihn schon abgelehnt. Die Koalition war bisher nicht bereit, sich auf Einsätze im Rahmen der Vereinten Nationen zu beschränken. Daran sind mögliche Regelungen bis jetzt gescheitert.
    Erneut wurde das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe um eine Entscheidung gebeten, für die eigentlich der Bundestag zuständig ist. Dies halte ich für ein Armutszeugnis des deutschen Parlamentes. Es war zusätzlich beschämend, gestern abend in den Medien zu verfolgen, wie sowohl die Bundesregierung als auch die SPD bemüht waren, die Karlsruher Entscheidung jeweils für sich als Erfolg zu verbuchen. Da gab es keine Erläuterung des angeblich rein humanitären Einsatzes, keine Worte mehr über die notleidende Bevölkerung, sondern nur noch den Versuch, sich gegenseitig vorzuführen, sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuzuschieben — ein Parteiengerangel, das nicht gerade eine Werbung für verantwortungsvolle deutsche Politik war.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Nach der gestrigen Entscheidung in Karlsruhe ist die Zustimmung des Bundestages als konstitutiver Akt erforderlich.

    (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Stimmen Sie denn zu ? — Clemens Schwalbe [CDU/ CSU]: Noch nicht!)

    — Ich komme darauf zurück. — Da die Entscheidung in der Hauptsache nicht gefällt wurde, sollten wir die in der nächsten Woche anstehende Entscheidung als eine verfassungsrechtlich relevante betrachten und
    sie deshalb auch schon mit einer Zweidrittelmehrheit treffen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN — Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Dazu können Sie beitragen!)

    Im übrigen erwartet das Bundesverfassungsgericht, daß sich der erforderliche Beschluß von der Entschließung am 21. April 1993 unterscheidet. Ich wundere mich etwas, daß in Ihrem heutigen Antrag der gleiche Wortlaut wiederholt wurde.
    Meine Damen und Herren, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN halten es für richtig, daß im Falle schwerwiegender Verletzungen der Menschenrechte eine Einmischung der internationalen Staatengemeinschaft nötig sein kann. Diese Einmischung bedeutet aber, daß zivilen Methoden der Konfliktschlichtung die absolute Priorität eingeräumt werden muß.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Nur im äußersten Falle, wenn alle anderen Möglichkeiten versagt haben, wenn es keine anderen Möglichkeiten zum Schutz von wehrlosen Menschen gibt, kann es möglicherweise zu einer Entsendung von UNO-Soldaten kommen. Allerdings nur von UNO-Soldaten. Dazu bedarf es in jedem Falle einer Zweidrittelmehrheit des Deutschen Bundestages, nachdem eine Grundgesetzänderung, die diese Möglichkeiten klarstellt und insbesondere auch die Priorität der nichtmilitärischen Konfliktschlichtung feststellt, vorhanden ist.
    Eine andere Möglichkeit, auf Ihren Antrag einzugehen, sehen wir nicht.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)