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    Plenarprotokoll 12/166 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 166. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1993 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 14325 B Absetzung der Punkte 14 und 15 von der Tagesordnung 14325B, 14347 C Tagesordnungspunkt 11: Beratung des Berichts des Petitionsausschusses: Bitten und Beschwerden an den Deutschen Bundestag (Tätigkeitsbericht 1992) (Drucksache 12/4961) Dr. Gero Pfennig CDU/CSU 14305 B Lisa Seuster SPD 14307 B Günther Friedrich Nolting F.D.P. 14308 D Dr. Ruth Fuchs PDS/Linke Liste 14310C Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14311C Martin Göttsching CDU/CSU 14313A Angelika Barbe SPD 14314B Dr. Karlheinz Guttmacher F.D.P. 14316A Gertrud Dempwolf CDU/CSU 14317 A Jutta Müller (Völklingen) SPD 14318C Wolfgang Dehnel CDU/CSU 14320 B Tagesordnungspunkt 12: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 106 zu Petitionen (Anerkennung ausländischer Flüchtlinge) (Drucksache 12/5050) Martin Göttsching CDU/CSU 14321 B Horst Peter (Kassel) SPD 14322 C Birgit Homburger F.D.P. 14324 A Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 14324 B Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14324 C Zusatztagesordnungspunkt: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Beteiligung der Bundeswehr an UNOSOM II (Drucksache 12/5248) Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU 14325B Otto Schily SPD 14326B, 14334 C Walter Kolbow SPD 14326 C Günter Verheugen SPD 14328 D Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU 14330 C Dr. Werner Hoyer F.D.P. 14333 B Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14333 D Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD 14334 D Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste 14335 D Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14337 C Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD (gemäß § 27 GO) 14338D Volker Rühe CDU/CSU (gemäß § 27 GO) 14339B Ulrich Irmer F.D.P. (gemäß § 27 GO) 14339D Ortwin Lowack fraktionslos 14340B Tagesordnungspunkt 13: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1993 zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen: Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1990 — Vorlage der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes (Jahresrechnung 1990) zu der Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof: Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1992 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung (einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung des Bundes 1990) (Drucksachen 12/2561, 12/3250, 12/5171) Wilfried Bohlsen CDU/CSU 14341 A Uta Titze-Stecher SPD 14343 A Carl-Ludwig Thiele F.D.P. 14345 A Karl Diller SPD 14346 C Nächste Sitzung 14347 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 14349* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebener Teil der Rede zu Tagesordnungspunkt 12 (Sammelübersicht 106 zu Petitionen) (Anerkennung ausländischer Flüchtlinge) Birgit Homburger F.D.P. 14349* D Anlage 3 Zu Protokoll gegebener Teil der Rede zu Tagesordnungspunkt 13 (Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1990 — Vorlage der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes — Jahresrechnung 1990 — und Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1992 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung einschließlich der Feststellung der Jahresrechnung des Bundes 1990) Wilfried Bohlsen CDU/CSU 14350* C Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 13 (Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1990 — Vorlage der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes — Jahresrechnung 1990 — und Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1992 zur Haushaltsund Wirtschaftsführung einschließlich der Feststellung der Jahresrechnung des Bundes 1990) Karl Deres CDU/CSU 14351* D Thea Bock SPD 14353* C Anlage 5 Amtliche Mitteilungen 14353 * C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1993 14305 166. Sitzung Bonn, den 24. Juni 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Baum, Gerhart Rudolf F.D.P. 24. 6. 93 Böhm (Melsungen), CDU/CSU 24. 6. 93 Wilfried Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 24. 6. 93 Peter Harry Ehrbar, Udo CDU/CSU 24. 6. 93 Dr. Enkelmann, PDS/LL 24. 6. 93 Dagmar Dr. Faltlhauser, Kurt CDU/CSU 24. 6. 93 Gattermann, Hans H. F.D.P. 24. 6. 93 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 24. 6. 93 Genscher, F.D.P. 24. 6. 93 Hans-Dietrich Gerster (Mainz), CDU/CSU 24. 6. 93 Johannes Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 24. 6. 93 Grochtmann, Elisabeth CDU/CSU 24. 6. 93 Huonker, Gunter SPD 24. 6. 93 Dr. Klejdzinski, SPD 24. 6. 93 Karl-Heinz Dr. Köhler (Wolfsburg), CDU/CSU 24. 6. 93 Volkmar Koschnick, Hans SPD 24. 6. 93 Kretkowski, Volkmar SPD 24. 6. 93 Dr. Leonhard-Schmid, SPD 24. 6. 93 Elke LeutheusserSchnarrenberger, F.D.P. 24. 6. 93 Sabine Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 24. 6. 93 Matschie, Christoph SPD 24. 6. 93 Dr. Matterne, Dietmar SPD 24. 6. 93 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 24. 6. 93* Nolte, Claudia CDU/CSU 24. 6. 93 Odendahl, Doris SPD 24. 6. 93 Oesinghaus, Günther SPD 24. 6. 93 Pfuhl, Albert SPD 24. 6. 93 Dr. Pick, Eckhart SPD 24. 6. 93 Reuschenbach, SPD 24. 6. 93 Peter W. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Rose, Klaus CDU/CSU 24. 6. 93 Schaich-Walch, SPD 24. 6. 93 Gudrun Scheffler, Siegfried SPD 24. 6. 93 Willy Schluckebier, Günther SPD 24. 6. 93 von Schmude, CDU/CSU 24. 6. 93 Michael Dr. Soell, Hartmut SPD 24. 6. 93* Stachowa, Angela PDS/LL 24. 6. 93 Dr. Stercken, Hans CDU/CSU 24. 6. 93 Tietjen, Günther SPD 24. 6. 93 Dr. Töpfer, Klaus CDU/CSU 24. 6. 93 Vosen, Josef SPD 24. 6. 93 Welt, Jochen SPD 24. 6. 93 Dr. Wernitz, Axel SPD 24. 6. 93 Wieczorek-Zeul, SPD 24. 6. 93 Heidemarie Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 24. 6. 93 Zapf, Uta SPD 24. 6. 93 * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Zu Protokoll gegebener Teil der Rede zu Tagesordnungspunkt 12 (Sammelübersicht 106 zu Petitionen) (Anerkennung ausländischer Flüchtlinge)*) Birgit Homburger (F.D.P.): Im vorliegenden Fall handelt es sich um zwei Personen pakistanischer Staatsangehörigkeit, die Mitglied der sog. Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft sind. Sie reisten im August 1990 in die Bundesrepublik ein und beantragten wegen ihrer Zugehörigkeit zur Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft Asyl. Die Petenten berufen sich darauf, daß in Pakistan für diese Glaubensgemeinschaft eine Gruppenverfolgung vorliegt, da allein auf Grund gruppenspezifischer Merkmale eine Verfolgung zu befürchten sei. In der Tat enthält das Pakistanische Strafgesetzbuch für Ahmadis Vorschriften, die es ihnen verbietet, ihre Führer mit islamischen Titeln anzusprechen und sich selbst als Muslime zu bezeichnen oder ihren Glauben zu predigen. Darüber hinaus führte Pakistan im Jahre 1986 einen weiteren Artikel in seinem Strafgesetzbuch ein, wonach jede Beleidigung des Propheten Mohammed unter Strafe *) Vgl. Seite 14324B 14350* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1993 gestellt wird. Die zwingende Rechtsfolge dieser Vorschrift ist die Todesstrafe. Bei weiterer Auslegung dieser Norm ist jede Behauptung, Mohammed sei nicht der letzte Prophet gewesen, ein Verstoß gegen diese Norm des Pakistanischen Strafgesetzbuches. Nach den vorliegenden Berichten des Innenministeriums und des Auswärtigen Amtes sind Verurteilungen wegen dieser Strafrechtsnorm in Pakistan bislang, was das Verbot für Ahmadis, sich als Moslems zu bezeichnen bzw. bestimmte Titel zu führen, angeht, nur sehr vereinzelt und individuell erfolgt, Verurteilungen auf Grund des Artikels der zur Todesstrafe bei Beleidigung des Propheten führt, sind bislang gar nicht bekannt. Das Bundesverwaltungsgericht hat mittlerweile in mehreren Leitentscheidungen eine Gruppenverfolgung der Ahmadiyyas in Pakistan verneint. Wir haben uns die Entscheidung im Petitionsausschuß nicht einfach gemacht. Denn auch der Petitionsausschuß verkennt nicht, daß die Lage in Pakistan für die Ahmadis zumindest nicht ungefährdet ist. Daher bedarf es nach meiner Auffassung auch weiterhin einer sorgfältigen Beobachtung der Entwicklung der Situation dieser Glaubensgruppe durch das Auswärtige Amt, das dies — oft gemeinsam mit Botschaften der anderen europäischen Länder — intensiv verfolgt. Daher plädiert der Petitionsausschuß dafür, im Einzelfall zu entscheiden. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hatte die Antragssteller zunächst als Asylberechtigte anerkannt, da es von einer Gruppenverfolgung ausgegangen war. Doch selbst das Bundesamt schreibt in seiner Begründung: „Die Antragsteller vermochten zwar ... nicht zu überzeugen, daß sie in der Vergangenheit persönlich einer individuellen asylerheblichen Verfolgung ausgesetzt waren." Wegen der unterschiedlichen Entscheidungen hinsichtlich der Asylberechtigung von Mitgliedern der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft hat der Bundesbeauftragte gegen den Anerkennungsbescheid geklagt. Mit der Petition wird begehrt, daß der Bundestag auf den Bundesbeauftragten dahingehend einwirke, daß er diese Klage fallenlasse und eine letztinstanzliche Entscheidung nicht herbeiführt. Auf Grund der genannten Argumente sieht der Petitionsausschuß keinen Grund, hier einzugreifen. Ich habe auch Vertrauen in die zuständigen Organe, daß sie die Fälle sorgfältig prüfen und verantwortungsbewußt entscheiden. Eine letzte Bemerkung zur Aufgabe des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten. Seine Aufgabe besteht darin, Fälle, die erstinstanzlich uneinheitlich entschieden wurden, einer einheitlichen Rechtsprechung zuzuführen. Eine solche einheitliche Behandlung von Personen mit demselben Hintergrund ist wünschenswert. Es wäre aus meiner Sicht dann aber auch sinnvoll, wenn der Bundesbeauftragte aus Gründen dieser Einheitlichkeit nicht nur gegen Fälle Klage erhebt, die angenommen wurden, sondern auch gegen Fälle, die abgelehnt wurden. Ich empfehle für die F.D.P.-Fraktion, die Beschlußempfehlung des Petitionsausschuss es anzunehmen. Anlage 3 Zu Protokoll gegebener Teil der Rede des Abgeordneten Wilfried Bohlsen*) zu Tagesordnungspunkt 13 (Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1990 — Vorlage der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes — Jahresrechnung 1990 — und Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1992 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung einschließlich der Feststellung der Jahresrechnung des Bundes 1990) Wilfried Bohlsen (CDU/CSU): Ich darf mal einige Beispiele aus meinem eigenen Bereich als Berichterstatter nennen: Herstellung ausländischer Banknoten bei der Bundesdruckerei. Der Bundesrechnungshof hatte beanstandet, daß die Bundesdruckerei von 1980 bis 1990 Aufträge zur Herstellung ausländischer Banknoten zu nicht kostendekkenden Preisen entgegengenommen hatte, um freie Kapazitäten zu nutzen. In diesem Fall hat sich der Rechnungsprüfungsausschuß der Kritik des Bundesrechnungshofes nicht angeschlossen. Auf den ersten Blick mag der Vorwurf des Rechnungshofs berechtigt sein. Wer als Privatunternehmer nicht kostendeckende Aufträge entgegennimmt, der kann sicherlich mittelfristig sein Geschäft schließen. In diesem Fall haben wir detaillierter geprüft und haben gefragt, was wäre, wenn die Bundesdruckerei die Aufträge nicht entgegengenommen und ihre Druckkapazitäten stattdessen völlig ungenutzt hätte stehenlassen. Und wir haben festgestellt: Dann wäre der Verlust noch größer gewesen. Durch die Entgegennahme der Aufträge hat die Bundesdruckerei wenigstens ihre variablen Kosten und einen Teil der Fixkosten abgedeckt. Sie hat Deckungsbeiträge erwirtschaftet. Insofern konnten wir die Bemerkung nicht zustimmend zur Kenntnis nehmen. Jahresabschluß 1990 der Deutschen Bundespost. Der Bundesrechnungshof hat als rechtswidrig beanstandet, daß die Postunternehmen in ihrer Bilanz ihre Vermögenspositionen mit einem zu geringen Wert angesetzt hatten. Er hatte vermutet, daß die Postunternehmen die buchmäßig entstandenen Verluste in Höhe von 10 Milliarden DM aus dem allgemeinen Bundeshaushalt ersetzt erhalten wollten. Wir konnten auch diese Bemerkung nicht zustimmend zur Kenntnis nehmen. Wir haben den Fall genau untersucht und festgestellt, daß sich die Postunternehmen bei ihrer Bewertung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften des Handelsrechts bewegt haben. Die in der Bilanz ausgewiesenen Wertansätze waren rechtmäßig und nicht rechtswidrig gewesen. Zeitgerechte Einleitung der Zurruhesetzung von dienstunfähig erkrankten Beamten. Der Bundesrechnungshof hatte beanstandet, daß Postdienst und Telekom die dauerhaft erkrankten ') Vgl. Seite 14342B Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1993 14351* Beamten nicht rechtzeitig auf ihre Dienstfähigkeit untersuchten. Der Rechnungsprüfungsausschuß hatte sich der Kritik des Bundesrechnungshofes nicht in vollem Umfang angeschlossen. Er hat die Auffassung vertreten, daß das Zurruhesetzungsverfahren nach den gesetzlich vorgesehenen drei Monaten nicht eingeleitet werden muß. Aber er hat gleichzeitig die Meinung vertreten, daß die Behörde verpflichtet ist, eine Entscheidung zu treffen, aus der ersichtlich wird, daß sie von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht hat. Der Bundesminister wurde in diesem Zusammenhang aufgefordert, darauf hinzuwirken, daß die Generaldirektion Postdienst und Telekom künftig die Einhaltung der beamtenrechtlichen Zeitvorgaben zur Feststellung der Dienstunfähigkeit sicherstellen. Arbeitsplatzvergütung für Postbedienstete bei einer Beschäftigung in den neuen Bundesländern. Der Bundesrechnungshof hatte beanstandet, daß das Unternehmen Postdienst den Bediensteten aus den alten Bundesländern, die in die neuen Bundesländer abgeordnet werden, eine überhöhte Aufwandsentschädigung zahlen. Der Rechnungsprüfungsausschuß war der Auffassung, daß die Sondervergünstigungen, die sich die Bediensteten des Postdienstes bewilligen, nicht gerechtfertigt sind. Wir haben dies damit begründet, daß die Bediensteten der anderen Postunternehmen Postbank und Telekom keine Sondervergütungen erhalten. Postversorgung im Landbereich. Der Bundesrechnungshof hatte die Ansicht vertreten, daß im Landbereich 3 027 kleinere Postämter geschlossen werden könnten. In diesem Fall ist der Rechnungsprüfungsausschuß der Auffassung vom Bundesrechnungshof nicht gefolgt. Wir sehen die flächendeckende Versorgung mit Postleistungen als eine wichtige staatliche Aufgabe an. Eine ersatzlose Schließung von Postämtern wurde abgelehnt. Schließungen werden nur dann hingenommen, wenn ein gleichwertiger Ersatz bereitgestellt werden kann. Vernichtung von Postwertzeichen in den neuen Bundesländern. Der Bundesrechnungshof hatte beanstandet, daß der Postdienst bei der Vernichtung von Briefmarken keine ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen getroffen hatte, so daß die bis Ende 1991 gültigen Postwertzeichen wieder in den Verkehr gebracht werden konnten. Dadurch waren Einnahmenausfälle in Millionenhöhe entstanden. Der Postdienst hatte die Beanstandungen anerkannt und die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Der Rechnungsprüfungsausschuß hat die eingeleiteten Maßnahmen begrüßt und den Minister aufgefordert, die Sicherheitsvorkehrungen bei der Vernichtung von Postwertzeichen durch intensivere Fachaufsicht zu verbessern. Prüfung der Organisation und Personalausstattung des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation. Der Bundesrechnungshof hatte die personelle Überbesetzung des Ministeriums nach der Neuorganisation beanstandet; er hatte vorgeschlagen, 52 Stellen einzusparen. Der Rechnungsprüfungsausschuß wie auch der Haushaltsausschuß haben sich eingehend mit der Personalsituation befaßt und daraufhin 40 Stellen beim Bundesministerium gestrichen. Personaleinsatz der Deutschen Bundespost Postdienst in den neuen Bundesländern. Der Bundesrechnungshof hatte den Personaleinsatz bei den Postämtern in den neuen Bundesländern überprüft und dabei vielfältige Mängel festgestellt. Es wurden Vorschläge zur Verbesserung gemacht. Inzwischen hat der Postdienst neue Regelungen erlassen, die einen strafferen Personaleinsatz zum Gegenstand haben. Dabei konnten 11 800 Arbeitskräfte im Jahre 1992 eingespart werden. Bundespost-Betriebskrankenkasse. Der Rechnungsprüfungsausschuß hatte die Bundespost-Betriebskrankenkasse aufgefordert, diejenigen Bezirksverwaltungen aufzulösen, die satzungsmäßig nicht vorgesehen sind. Die Betriebskrankenkassen haben darauf reagiert und nicht nur die satzungsmäßige, sondern eine erheblich größere Rationalisierung durchgeführt, als zunächst gefordert war. Dabei kam es zu erheblichen Einsparungen. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden*) zu Tagesordnungspunkt 13 (Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1990 — Vorlage der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes — Jahresrechnung 1990 — und Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1992 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung einschließlich der Feststellung der Jahresrechnung des Bundes 1990) Karl Deres (CDU/CSU): I. Auch in diesem Jahr sind wir Parlamentarier wieder aufgefordert, zu prüfen, ob die Regierung die Steuergelder der Bürger überwiegend sachgemäß verwendet hat. Unsere Beanstandungen betreffen relativ wenige Einzelfälle, gemessen am gesamten Verwaltungshandeln. Jeder weiß, daß bei einem Haushaltsvolumen von fast 400 Millarden DM immer wieder Fehlentscheidungen vorkommen, daß immer wieder Geld unnötigerweise ausgegeben wird. Aber verstehen Sie diese Aussage nicht falsch, denn sie ist keine Entschuldigung für Fehlverhalten und schon gar nicht eine Absolution für kommende Sünden. In der heutigen Zeit, die durch sehr knappe Haushaltsmittel gekennzeichnet ist und in der wir der Bevölkerung zahlreiche Opfer zumuten, muß das *) Vgl. Seite 14342D 14352* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1993 Parlament erwarten, daß die Verwaltung bei allen Entscheidungen den Grundsatz äußerster Sparsamkeit beachtet. Als Abgeordnete haben wir unseren Bürgern gegenüber die Verpflichtung, unnachsichtig alle Fälle von Geldverschwendung aufzudecken. Immer wieder stellen wir fest, daß sich fremder Leute Geld leichter ausgeben läßt als eigenes. Vor allem Ressorts, die über umfangreiche Haushaltsmittel verfügen, neigen schnell dazu, Geld für unnötige Zwecke zu verwenden. Wer Geld verschwendet, wer grob fahrlässig handelt, der wird vom Ausschuß zur Rechenschaft gezogen. In vielen Fällen haben wir darauf bestanden, daß die erforderlichen Regreßverfahren, ja daß sogar Strafverfahren eingeleitet werden. II. Lassen Sie mich ein paar Worte zur Bedeutung der Haushaltskontrolle sagen. Das Haushaltsrecht und das daraus abgeleitete Haushaltskontrollrecht ist ein besonders bedeutsames Parlamentsrecht. Die drei großen Aufgabenbereiche des Parlamentes sind 1. die Gesetzgebung, 2. die Haushaltsmittelbewilligung und 3., damit in Zusammenhang stehend, die Haushaltsmittelkontrolle. Gesetzgebung und Haushaltsmittelbewilligung als wichtige Parlamentsaufgaben sind jedem Bürger bekannt. Die Haushaltsmittelkontrolle, der dritte große wichtige Bereich, gerät oft unter die Räder heißer Informationen, schon deshalb, weil wir zum Teil Vergessenheit bewältigen, die umfangreiche Arbeit im Stillen leisten und zu sehr Zurückhaltung in der sog. „Verkaufspolitik" geübt haben. Deshalb haben wir jetzt das zweite Mal in der fast 45jährigen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eine Pressekonferenz abgehalten und starken Widerhall im Fernsehen, beim Rundfunk und bei den Zeitungen gefunden. Der Bürger hat Anspruch auf diese Informationen. Ebenfalls das zweite Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland werden die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes zusammen mit den Beschlüssen des Rechnungsprüfungsausschusses in schlichter Buchform herausgegeben. Die Schrift soll dazu beitragen, daß künftig vergleichbare Fehler vermieden werden. III. Finanzkontrolle besteht nicht nur darin zu prüfen, ob die Regierung in der Vergangenheit alles richtig gemacht hat, sie besteht auch darin, vorbeugend tätig zu werden. Rechnungsprüfungsausschuß und Haushaltsausschuß versuchen darauf zu achten, daß unvernünftige Maßnahmen von vornherein unterbleiben. Sehr oft beauftragen wir deshalb den Bundesrechnungshof mit der Prüfung, ob die von der Regierung beabsichtigten Maßnahmen sinnvoll sind. Nur mal ein Beispiel in diesem Zusammenhang: Gästehaus Petersberg. Sie wissen alle: Die Kosten für dieses Bauprojekt sind unerwartet stark gestiegen. Wir haben festgestellt: Ursächlich dafür waren zum größten Teil Änderungswünsche, die während der Bauphase immer wieder gestellt worden sind. Konsequenz: Wir haben die Regierung verpflichtet, bei allen künftigen Bauvorhaben so detailliert vorzuplanen, daß Änderungswünsche nicht mehr notwendig sind. Die Bundesbaudirektion ist nicht mehr berechtigt, von sich aus irgendeinen kostenwirksamen Änderungswunsch zu erfüllen. Wenn eine Änderung wirklich unabdinbar erforderlich sein sollte, so muß der Haushaltsausschuß eingeschaltet werden, der dann die Kostenfrage stellt und beurteilt, ob in diesem Fall ausnahmsweise der Änderungswunsch vertretbar ist. IV. Gestatten Sie mir, einen weiteren Gedanken zur Geldverschwendung im öffentlichen Sektor vorzutragen. Jede Verwaltung ist dadurch charakterisiert, daß sie dazu neigt, mehr Geld als notwendig auszugeben. Ich will das begründen: Jeder Mensch strebt danach, seinen persönlichen Nutzen zu maximieren. Jeder Mensch will soviel Ansehen wie möglich erlangen. In der privaten Wirtschaft besteht die Nutzenmaximierung darin, daß ein Unternehmen soviel Umsatz und vor allem soviel Gewinn wie möglich erzielt. Wer viel Gewinn erzielt, genießt das beste Ansehen, hat die besten Chancen, im Wettbewerbskampf zu überleben. Dem Bereich der Privatwirtschaft ist es daher wesensimmanent, soviel wie möglich einzusparen, so effektiv wie möglich zu arbeiten, die Kosten so gering wie möglich zu halten. Wem das nicht gelingt, der muß aus dem Wettbewerbskampf ausscheiden. Die Bediensteten des öffentlichen Bereichs streben ebenfalls nach privater Nutzenmaximierung. Auch sie wollen so angesehen wie möglich sein mit Hilfe anderer Leute Geld, der Steuergroschen der Bürger. Nur die Kriterien sind andere. Angesehen ist, wer einen großen Aufgabenbereich hat, wer über viele Mitarbeiter verfügt. Also besteht wesensimmanent die Gefahr, den eigenen Bereich zu vergrößern. Man fordert Mitarbeiter an, die man gar nicht benötigt, nur um angesehen zu sein. All dies führt zu erheblichen zusätzlichen Kosten. Dem öffentlichen Sektor ist es daher wesensimmanent, mehr Geld auszugeben als notwendig. Wir müssen runter vom System der immanenten Geldverschwendung. Ich will das an weiteren Beispielen erläutern: 1. Dezemberfieber. Sie alle wissen: Je mehr man in diesem Jahr an Geld ausgibt, um so mehr bekommt man in nächsten Jahr. Dieser Mechanismus verursacht das sogenannte Dezemberfieber: Anschaffung von Gegenständen, die eigentlich nicht unbedingt benötigt werden. 2. Staatliche Subventionszahlungen mit automatischem Verlustausgleich. Jedes Wirtschaftssubjekt arbeitet unter der Prämisse der „privaten Nutzenmaximierung" . Bei Unternehmen, deren Verluste durch staatliche Zuschüsse ausgeglichen werden, ist die Gewinnerzielung nicht mehr primäres Unternehmensziel. Die private Nutzenmaximierung besteht hier in der Regel darin, den Umfang der staatlichen Zuschüsse zu maximieren! Und das ist sehr bedenklich! Das führt dazu, daß wir in vielen Fällen unnötige Auszahlungen in Milliardenhöhe leisten. 3. Besoldungsmäßige Eingruppierung nach der Anzahl der Mitarbeiter. In weiten Bereichen der Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1993 14353* öffentlichen Verwaltung hängt die Eingruppierung des Dienstpostens eines Vorgesetzten davon ab, wie viele Mitarbeiter er hat. Folglich wird der betreffende Vorgesetzte in erster Linie darauf achten, weitere Mitarbeiter zu bekommen, um selbst besoldungsmäßig zu steigen. Je breiter der Kegel an der Grundlinie, um so höher gerät der Bau der Pyramide. Ausgabensteigerung ist vorprogrammiert! 4. Die institutionalisierten Mangel kosten sehr viel Geld. Diese Mängel kann der Rechnungsprüfungsausschuß nicht von sich aus beseitigen. Der Ausschuß kann immer nur einschreiten, wenn Geld „rechtswidrig" verschwendet wird. Parlament und Regierung sollten gemeinsam versuchen, künftig die systemimmanenten Mängel zu beseitigen. V. In vielen Sitzungstagen und vielen Sitzungsstunden hat der Rechnungsprüfungsausschuß die Grundlagen für die Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses in der vorliegenden BT-Drucksache 12/5171 erarbeitet. Wenn hierauf die Entlastung nach einer kurzen Aussprache von einer Stunde erfolgen kann, so möchte ich doch bemerken, daß darin eine lange und intensive Arbeit steckt. Hervorheben möchte ich die gute Arbeitsatmosphäre in unsrem Ausschuß. Das liegt nicht nur an der persönlichen Wertschätzung, die wir untereinander haben. Dies beruht auch auf der gemeinsamen Einsicht, daß die Finanzkontrolle die Aufgabe des gesamten Parlamentes gegenüber der Regierung ist. Kollege Bohlsen, der Jahresberichterstatter des Rechnungsprüfungsausschusses, hat vorhin herausgestellt, wie detailiert wir prüfen. Das ist richtig, das kann ich nur bestätigen. Wenn wir gleichwohl über 90 % der Bemerkungen des Bundesrechnungshofs „zustimmend" zur Kenntnis genommen haben, so ist das ein überzeugender Beweis für die Qualität der Arbeit des Bundesrechnungshofs. Nachdrücklich möchte ich deshalb dem Präsidenten des Bundesrechnungshofs, der diesmal wohl das letzte Mal in seiner Eigenschaft als Präsident bei uns hier im Plenum ist, Herrn Dr. Zavelberg, ganz herzlich für die wertvolle Arbeit danken, die er im letzten Jahrzehnt für das Parlament geleistet hat. Ich darf betonen, daß Dr. Zavelberg ein Präsident ist, der seine Aufgaben nicht nur als Beruf ausgeübt hat. Jeder, der ihn kennt, weiß, daß bei ihm der Beruf gleichzeitig Hobby und Lebensaufgabe ist. Wir bedauern daher sehr, ihn in seiner Eigenschaft als Präsident zu verlieren. Zugleich bedanke ich mich nochmals ganz herzlich und wünsche ihm für die Zukunft alles Gute. Bedanken möchte ich mich auch bei den Mitarbeitern des Bundesrechnungshofs, die es uns ermöglicht haben, unsere Kontrollarbeit so effektiv auszuüben. In meinem Dank eingeschlossen sind die Mitarbeiter des Sekretariats, die den Ausschuß in unauffälliger, aber sehr effektiver Weise unterstützt haben. Im Namen aller Kolleginnen und Kollegen des Ausschusses bitte auch ich darum, der Bundesregierung die Entlastung für das Haushaltsjahr 1990 zu erteilen, unter — wie wir im Ausschuß sagen — „zustimmender Kenntnisnahme" der Erläuterungen, die wir hier im Plenum vorgetragen haben. Thea Bock (SPD): Ein Thema läßt die Mitglieder des Rechnungsprüfungsausschusses schier verzweifeln. Liebe Kolleginnen und Kollegen ich sage nur das Stichwort: Einsatz der Informationstechnik. Nachdem der Rechnungsprüfungsausschuß sich in den letzten Jahren immer wieder mit erheblichen Mängeln beim Einsatz der neuen Informationstechniken in den verschiedenen Bundesverwaltungen beschäftigen mußte und selbst nachdem eine „Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung für Informationstechnik in der Bundesverwaltung" (KBSt) eingerichtet worden ist, die Abhilfe schaffen sollte, hat sich die Situation kaum verbessert. Ziel der Koordinierungsstelle soll sein, Koordinierungsaufgaben wahrzunehmen und darauf zu achten, daß die neuen Informationstechniken in der Bundesverwaltung optimal und wirtschaftlich eingesetzt werden. Der Haushaltsausschuß hat deshalb den Bundesrechnungshof gebeten, einen Bericht über die Koordination der KBSt zu erstellen. Der Bundesrechnungshof hat festgestellt: — daß bedeutende Bereiche der IT-Technik der KBSt entzogen sind — daß die Wirtschaftlichkeitsberechnungen in IT-Rahmenkonzepten überwiegend unzulänglich sind, — daß Sicherheitskonzepte und Risikoanalysen teilweise ganz fehlen, — daß keine ressortübergreifenden IT-Beschaffungen unter Federführung der KBSt durchgeführt werden. Bei den Beratungen wurde uns erzählt, daß der Bundesfinanzminister keinerlei Gelder bewillige, wenn die KBSt die entsprechenden Ausgaben nicht für sinnvoll angesehen hat. Auf diese Weise würden die knappen Finanzmittel nur für sinnvolle Aufgaben verwandt. Erst auf Nachfragen wurde zugegeben, daß das Verteidigungsministerium überhaupt nicht mit der KBSt zusammenarbeitet, daß das Verteidigungsministerium auch nicht bereit ist, seine IT-Rahmenkonzepte dem Bundesrechnungshof vorzulegen. Der Ausschuß hat kritisiert, daß noch nicht alle Ministerien die KBSt in Anspruch nehmen. Der Finanzminister wurde aufgefordert, Haushaltsmittel für IT-Technik nur noch dann bereitzustellen, wenn die KBSt den Einsatz der IT-Technik ausdrücklich befürwortet hat. Die Ministerien wurden aufgefordert, stärker als bisher zu einer gemeinsamen Beschaffung von IT-Technik überzugehen, um auf diese Weise Preisvorteile beim Einkauf zu erzielen. Wir erwarten, daß der Beschluß des RPA zu weiteren Verbesserungen führt. Wir fordern das Verteidigungsministerium auf, die Blockade aufzugeben und mit der KBSt zusammenzuarbeiten. Wie wichtig das ist, zeigt folgendes Beispiel, mit dem der RPA sich dieses Jahr beschäftigen mußte: Der Bundesrechnungshof hat bei einer Vielzahl von Einzelprüfungen im Bundesministerium der Verteidigung im Bereich der Informationsverarbeitung gravierende Sicherheitsmängel festgestellt. Auch nach 14354* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1993 der Einrichtung eines „Sonderbeauftragtren für IT-Sicherheit in Rechenzentren der Bundeswehr und Wehrtechnischen Rechenzentren" bestehen nach wie vor erhebliche Mängel im Sicherheitsbereich. Die theoretisch möglichen Gefahren dürfen sich keinesfalls realisieren. Auf den Katastrophenfall ist niemand vorbereitet. Im Laufe der Behandlung dieses Themas weist der Rechnungshof daraufhin, daß bei fast allen Bundesbehörden vergleichbar schwerwiegende Sicherheitsmängel bestehen. Der Verteidigungsminister ist vom Ausschuß aufgefordert worden, schnellstens die bestehenden Mängel zu beseitigen und über das Veranlaßte und dessen Ergebnis dem Ausschuß bis zum 1. September 1994 zu berichten. Wir halten es für außerordentlich wichtig, daß der Bundesrechnungshof in diesem Bereich sehr kritisch weiter prüft, denn die folgenden Beispiele zeigen, daß in Zusammenarbeit mit dem RPA Erfolge erzielt werden konnten: Der Bundesrechnungshof hatte beanstandet, daß die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung keinen Gesamtüberblick über die eingesetzten Datenverarbeitungsgeräte hatte. Planung und Koordinierung waren mit Mängeln behaftet, so daß unnötige Sach- und Personalkosten entstanden. Außerdem sei die Wartung der IT-Geräte nicht sachgerecht erfolgt. Ein Wartungskonzept habe gefehlt, die Wartungsverträge seien nicht hinreichend überwacht worden. Der Bundesminister hat die Beanstandung anerkannt. Abhilfemaßnahmen wurden eingeleitet. Der Bundesrechnungshof hatte darauf hingewiesen, daß die Bundesbahn bei der Beschaffung von Datenverarbeitungsgeräten häufig nicht überprüft, ob Miete oder Kauf wirtschaftlicher ist. In den untersuchten Fällen entstanden in der Vergangenheit vermeidbare Kosten in Höhe von 2 Millionen DM. Die Deutsche Bundesbahn hat die Feststellung anerkannt. Gemietete Geräte hat sie zum Zeitwert gekauft. Der Ausschuß hatte beanstandet, daß die Bundesdruckerei eine Datenverarbeitungsanlage ohne ausreichende Wirtschaftlichkeitsbetrachtung betrieb. Er hatte die Bundesdruckerei verpflichtet, eine Personalneubemessung durchzuführen und das Datenverarbeitungsprojekt den Vorgaben des Ausschusses entsprechend umzugestalten. Die Bundesdruckerei ist den Auflagen nachgekommen. Dadurch können kurzfristig 187 Stellen eingespart werden. Der Ausschuß hatte beanstandet, daß die Bundesanstalt für Güterfernverkehr die Möglichkeiten der Datenverarbeitung nur unzureichend nutzt. Trotz vorhandener Anlagen hatte sie weiterhin mit hohem Personalbestand auf manueller Basis gearbeitet. Der Ausschuß hat die Anstalt verpflichtet, die Möglichkeiten der Datenverarbeitungsanlage zu nutzen und die daraus resultierenden Personaleinsparungen vorzunehmen. Die Bundesanstalt hat die Auflagen erfüllt. 250 Personalstellen können eingespart werden. Ich spreche dieses Thema ausdrücklich in dieser Debatte an, damit nicht nur auf Druck des Rechnungshofes und des Rechnungsprüfungsausschusses gehandelt wird, sondern die verschiedenen Bundesverwaltungen von sich aus die Wirtschaftlichkeit ihrer Informationstechnik überprüfen und die Koordinierungsstelle ihre Aufgaben intensiver wahrnimmt. Anlage 5 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 658. Sitzung am 18. Juni 1993 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: 1. Gesetz zu dem Abkommen vom 16. Dezember 1991 über eine Zusammenarbeit und eine Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino 2. Gesetz zu dem Vertrag vom 9. April 1991 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Argentinischen Republik über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen 3. Elftes Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes 4. Gesetz zur Aufhebung der Tarife im Güterverkehr (Tarifaufhebungsgesetz — TAufhG) 5. Gesetz zur Ausführung des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen (Ausführungsgesetz Suchtstoffübereinkommen 1988) 6. Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen (Vertragsgesetz Suchtstoffübereinkommen 1988) 7. Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der bäuerlichen Landwirtschaft 8. Gesetz zur Ergänzung der Rentenüberleitung (Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz — Rü-ErgG) 9. Sechzehntes Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (16. BAföGÄndG) 10. Gesetz über technische Assistenten in der Medizin (MTA-Gesetz — MTAG) Zu den unter den Nummern 6 bis 10 genannten Gesetzen hat der Bundesrat folgende Entschließungen gefaßt: Zu Nr. 6: Der Bundesrat verzichtet auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum Vertragsgesetz Suchtstoffübereinkommen 1988. Er geht dabei davon aus, daß das Abkommen der ggf. notwendigen Weiterentwicklung der Einschränkung der Strafverfolgung des Anbaus, des Erwerbs und des Besitzes einer geringen Mengen Drogen zum Eigenverbrauch nicht entgegensteht. Nach Auffassung des Bundesrates bietet Artikel 3 Abs. 2 i. V. m. der von der Bundesregierung beabsichtigten Interpretationserklärung dafür ausreichenden Handlungsspielraum. Zu Nr. 7: Der Bundesrat stellt fest, daß die Bundesregierung in der EG die Fortführung des 3 %igen Mehrwertsteuerausgleichs von 1993 bis 1995 im Umfang von insgesamt 4,3 Mrd. DM durchgesetzt, im Bundeshaushalt jedoch nur Mittel in Höhe von ca. 2,8 Mrd. DM eingestellt bzw. eingeplant hat. Demzufolge ist den Ländern, ohne daß ihre Zustimmung vorlag, vom Bund ein Finanzierungsanteil von 1,5 Mrd. DM zugedacht worden. Die Länder haben jedoch bereits anläßlich der Mitfinanzierung des soziostrukturellen Einkommensausgleichs im Haushaltsjahr 1992 wiederholt und nachdrücklich darauf hingewiesen, daß sie sich an einer erneuten Finanzierung aus Landesmitteln ab 1993 nicht beteiligen werden. Deutscher Bundestag - 12 Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1993 14355* Der Bundesrat bekräftigt seine Auffassung, daß es sich beim währungsbedingten Einkommensausgleich um eine Bundesaufgabe handelt, die entsprechend den grundsätzlichen Regelungen der Finanzverfassung in vollem Umfang durch den Bund zu finanzieren ist. Im übrigen ist der Bundesrat der Auffassung, daß die EG-Agrarreform und der EG-Binnenmarkt eine Neuorientierung der Förderpolitik zwingend notwendig machen. Eine breit gestreute Förderung nach dem „Gießkannenprinzip" ist angesichts der finanziellen Not der öffentlichen Haushalte nicht mehr zu verantworten. Nach Auffassung des Bundesrates sollten der „Soziostrukturelle Einkommensausgleich" und die Anpassungshilfen letztmalig 1993 ausgezahlt werden. Die künftige Förderung muß sich (unter Berücksichtigung der sehr angespannten Haushaltslage) an folgenden Grundsätzen ausrichten: — Unterstützung und Stärkung einer Landwirtschaft, die sich an den Erfordernissen des Marktes und der Umwelt ausrichtet, — Umsetzung der flankierenden Maßnahmen, — Schaffung vergleichbarer Wettbewerbsbedingungen zwischen den Mitgliedstaaten der EG, — soziale Flankierung des Strukturwandels, — Weiterentwicklung und Förderung der ländlichen Räume und Dörfer. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, in diesem Sinne die Agrarstruktur- und Sozialpolitik weiter zu entwickeln und zur Finanzierung der Maßnahmen ab 1994 die im Bundeshaushalt eingestellten Mittel für eine nach diesen Grundsätzen ausgestattete Regelung zu verwenden. Zu Nr. 8: Der Bundesrat begrüßt die im Gesetz zur Ergänzung der Rentenüberleitung enthaltenen Maßnahmen zur Beschleunigung des Bearbeitungsverfahrens und zur Verbesserung bei den Sonder- und Zusatzversorgungssystemen. Unabhängig davon weist der Bundesrat schon jetzt darauf hin, daß sich auf der Grundlage des Gutachtens, das die neuen Länder und Berlin zu diesem Gesetz in Auftrag gegeben haben, und den Schlußfolgerungen daraus weitere Änderungsvorschläge ergeben können. Die Rentenversicherungsträger haben bei der Umsetzung des § 307a Abs. 8 SGB VI im Verwaltungsverfahren zu gewährleisten, daß die Neufassung dieser Vorschrift für Rentnerinnen und Rentner nicht zu Problemen führt und auch in angemessener Zeit eine Überprüfung der Umwertungsbescheide auch von Amts wegen erfolgt. Sollte dies nicht gewährleistet werden können, behält sich der Bundesrat vor, dann auch die in der bisher geltenden Fassung des § 307 a Abs. 8 SGB VI vorgesehene Überprüfung der Renten von Amts wegen erneut einzufordern. Zu Nr. 9: Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Bericht, der dem Deutschen Bundestag rechtzeitig vor Auslaufen der Studienabschlußförderung im Herbst 1996 abzugeben ist, auch dem Bundesrat zuzuleiten. Zu Nr. 10: Die Verlängerung der MTA-Ausbildung wird — abgesehen von einer jedenfalls vorübergehenden Reduzierung der Ausbildungsplätze — für die Schulträger nicht unerhebliche Organisationsprobleme und Kostenmehrungen zur Folge haben. Der Bundesrat bittet deshalb das Bundesministerium für Gesundheit, beim Erlaß der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (§ 8 MTAG) besonders darauf zu achten, daß die praktische Ausbildung in vollziehbarer Weise gestaltet wird. Im übrigen bittet der Bundesrat, daß bei künftigen Gesetzgebungsvorhaben im Bereich der Heilberufe, welche Ausbildungsdauer und/oder -inhalte berühren, von vornherein bereits zusammen mit dem Gesetzentwurf der Entwurf der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung vorgelegt wird. Die Notwendigkeit hierfür hat sich gerade in letzter Zeit z. B. bei den Entwürfen zur Neuregelung des Rechts der Masseure und Krankengymnasten sowie der Diätassistenten gezeigt. Nur auf diese Weise ist den Ländern eine sachgerechte Beurteilung und Behandlung des jeweiligen Regelungsvorhabens möglich. Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 12/3774 Drucksache 12/4330 Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Drucksache 12/210 Nrn. 94, 96, 99, 102
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Dehnel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich werde das berücksichtigen.
    Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Jahresbericht 1992 des Petitionsausschusses gibt mir erstmalig auch die Chance, über die Aufarbeitung eines Stücks allgemeiner Politikverdrossenheit zu sprechen. Austritte aus Parteien, Kirchen und Gewerkschaften, die als Eckpfeiler in der Bastion der Demokratie stehen, bereiten mir als Demokraten besondere Sorge. Nun ist der Petitionsausschuß wiederum nur eine Zinne in dieser Bastion.
    Sicher haben manche Entscheidungen des Ausschusses nicht jeden Petenten zufriedengestellt. Aber es wurde in demokratischer Weise und in gegenseitiger Achtung um den Anschub von Problemlösungen gerungen und dann letztlich auch entschieden. Mit diesem Anschub der Bewegung setzte der Petitionsausschuß sichtbare Zeichen für Gesetzesinitiativen, aber auch Einzelfallentscheidungen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Beifall des Abg. Günther Friedrich Nolting [F.D.P.])

    Die Debatten zum Jahresbericht des Petitionsausschusses gehören gewiß nicht zu den sogenannten Sternstunden des Parlaments.

    (Günter Verheugen [SPD]: Doch! — Horst Peter [Kassel] [SPD]: Das sehe ich ganz anders!)

    Diese haben aber wiederum oft nur den Glanz von Kometen, die schnell am politischen Himmel verglühen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Horst Peter [Kassel] [SPD]: Da gebe ich Ihnen auch wieder Recht!)

    Vergleichbar ist die Arbeit des Ausschusses vielmehr mit dem zarten, aber ausdauernden Leuchten von Fixsternen.

    (Martin Göttsching [CDU/CSU]: Sehr schön!)

    Unser Vorsitzender, Herr Kollege Dr. Pfennig, hat es schon gesagt: 353 Fälle, in denen Petitionen der Bundesregierung zur Berücksichtigung, und 90 Fälle, in denen sie der Bundesregierung zur Erwägung überwiesen worden waren, sind bis 1. Januar 1992 noch nicht endgültig abgeschlossen worden. Davon wurden aber bis 31. Dezember 1992 298 Berücksichtigungs- und 25 Erwägungsfälle positiv erledigt. Kann sich diese Erfolgsquote nicht sehen lassen?

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Doch!)

    Meine Damen und Herren, hinter dieser kühlen Statistik verbirgt sich viel Einsatz und Engagement der Mitarbeiter des Ausschußdienstes und der Bundesregierung, wofür ich mich im Namen meiner Kollegen und auch sicher vieler Petenten herzlich bedanken möchte.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Beifall des Abg. Günther Friedrich Nolting [F.D.P.])

    Bei den Überweisungen zur Erwägung sind die Exekutive und die Legislative allerdings in der Pflicht, den Wirkungsgrad — das sage ich Ihnen hier als gelernter Techniker — spürbar zu erhöhen.
    Anschub zur Bewegung konnte der Ausschuß u. a. bei der Änderung zum Renten-Überleitungsgesetz, bei den Vorruhestandsregelungen, den Vertriebenengesetzgebungen, bei Entschädigungsleistungen, Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen und vielen anderen parlamentarischen Initiativen leisten.
    Für mich sind aber diese mehr oder weniger positiven Ergebnisse dieser Arbeit nicht die wichtigste Erfahrung. Die Zahl der Petitionen hat sich vervielfacht. Damit ist die Zahl derer, die von diesem verfassungsmäßigen Grundrecht Gebrauch gemacht haben, stetig angewachsen. Diese Bürger und ihre Abgeordneten haben sich in einer Wechselbeziehung in unseren demokratischen Rechtsstaat eingebracht. Oftmals war dabei der Petitionsausschuß die Notruf-



    Wolfgang Dehnel
    säule der Nation, die letztlich die Feuerwehr, sprich: die Bundesregierung und ihre Ämter, zum Löschen der Schwelbrände aufforderte.
    Viele Mandatsträger n unserem Land bewältigen so auf kommunaler, Landes- und Bundesebene ihre Pflichten und Hausaufgaben. Manche sind über das zähe Ringen, über mangelnde Entscheidungsentschlossenheit oder auch über demokratisch getroffene Entscheidungen — wenn ich nur an unsere Kreisreform denke — politikverdrossen geworden, wollen aufgeben oder aussteigen.
    Als ehemaliger DDR-Bürger und auch als Mitglied der Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland weiß ich, daß Eingaben mit systemkritischem oder rechtsanzweifelndem Charakter eine StasiBespitzelung nach sich zogen. Auch deshalb sollten Demokraten ihre Plätze nicht den Demagogen und Despoten von morgen überlassen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Denn gestern noch wurden Diktaturen bejubelt und Demokraten geschmäht. Die Demokratie müssen wir heute liebevoll hüten wie einen erzgebirgischen Bergkristall.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Lassen wir gemeinsam nicht zu, daß sie von Chaoten der Gewalt und des Hasses zerschlagen wird!
    „Wir wollen nicht nur reden, sondern bewegen", war mein Motto einer Rede am 5. November 1989 auf dem Marktplatz meiner Heimatstadt. Vieles ist seitdem auf wunderbare Weise in Bewegung gekommen. Nicht weniges wartet noch auf unseren gemeinsamen Anschub.
    Ich bedanke mich.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P., der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Dehnel, auch ich möchte mich bei Ihnen bedanken. Sie sind meiner Aufforderung bei Ihrer ersten Rede, die Sie hier im Hause gehalten haben, nachgekommen.

(Beifall)

Ich hoffe, daß bei späteren Reden meine Nachfolger mit Ihnen ebenfalls keine Probleme haben.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende dieses Tagesordnungspunktes.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuß)

Sammelübersicht 106 zu Petitionen (Anerkennung ausländischer Flüchtlinge) — Drucksache 12/5050 —
Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor.
Der Ältestenrat hat eine Debattenzeit von einer halben Stunde vorgesehen. Ich nehme an, das Haus ist damit einverstanden. — Ich stelle das als beschlossen fest. Ich gehe davon aus, daß, wenn der eine oder
andere seine Rede zu Protokoll geben will, niemand etwas dagegen einzuwenden hat.
Zunächst darf ich nun dem Abgeordneten Martin Göttsching das Wort erteilen.

(Zuruf von der SPD: Darf der schon wieder?)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Martin Göttsching


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der SPD — die sich gerade nachhaltig darüber freut, daß sie mich heute das zweite Mal hört —

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    hat die Aussprache über die Sammelübersicht 106 zu einer Petition zum Thema Asylrecht beantragt.
    Zur Sachlage: Der Petent ist pakistanischer Staatsbürger und Mitglied der sogenannten AhmadiyyaGlaubensgemeinschaft. Der Petent beanstandet die Klage des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten gegen einen Anerkennungsbescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge.
    Im Juli 1991 erkannte das Bundesamt den Petenten als Asylberechtigten an. Hiergegen erhob der Bundesbeauftragte Klage. Das Verwaltungsgericht Hamburg gab der Klage statt und hob den Anerkennungsbescheid auf. Daraufhin wandte sich der Petent an den Petitionsausschuß des Bundestages und bat darum, den Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten anzuweisen, die Klage zurückzuziehen.
    Ich gestehe offen meinen Kollegen aller Fraktionen und Gruppen, daß es für mich schwierig gewesen ist, das Anliegen des Petenten möglichst objektiv und gerecht zu beurteilen. Dazu war ein gründliches und aufwendiges Studium sowohl der Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes wie auch des Bundesinnenministeriums und verschiedener Gerichtsurteile notwendig.
    Deshalb zum besseren Verständnis einige Anmerkungen zu den Anhängern der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft, den Ahmadis: Der AhmadiyyaBewegung des Islams gehören ca. 4 Millionen Menschen an. Die Situation der Ahmadis ist auf Grund der zunehmenden Islamisierung in Pakistan kritisch. Die Ahmadis betrachten sich selbst als Muslime. Nach ihrem Glauben ist jedoch nicht Mohammed, sondern der vor 100 Jahren verstorbene Mirza Ghulam Ahmed der letzte Prophet.
    Aus diesem Grunde bestehen Konflikte mit orthodoxen Muslimen, die sich u. a. auch in gegen Ahmadis gerichteten Strafrechtsnormen niederschlagen. So ist es nach dem pakistanischen Strafgesetzbuch für Ahmadis verboten, ihre religiösen Führer mit islamischen Titeln anzusprechen, sich selbst als Muslime zu bezeichnen oder ihren Glauben zu predigen.
    Aus diesem Grunde erkannte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Petenten als Asylberechtigten an, obwohl er nicht glaubhaft machen konnte, einer individuellen asylerheblichen Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein. In Pakistan liege aber eine Gruppenverfolgung von Mitgliedern der Ahmadiyya-Gemeinde vor.



    Martin Göttsching
    Dagegen führt der Bundesinnenminister in seiner Stellungnahme zu dem vorliegenden Fall aus, es lasse sich nicht feststellen, daß die Mitglieder der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft wegen ihrer Religion asylrelevanten Repressalien unmittelbar von staatlicher Seite ausgesetzt seien.
    Nicht stark religiös geprägte Ahmadis, die urverfolgt aus ihrer Heimat ausgereist sind — das trifft auf den Petenten zu —, haben derzeit in ihrem Heimatland wegen ihrer Religionszugehörigkeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit keine staatliche Verfolgung zu befürchten.
    Der Petent gab an, er habe sich durch die Verbotsnormen nicht in seiner religiösen Identität betroffen gefühlt. Der mithin unverfolgt ausgereiste Petent konnte sich auch nicht auf einen asylrechtlich beachtlichen Nachfluchtgrund berufen. Das heißt, es bestehe keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, daß er in Pakistan gegenwärtig oder in absehbarer Zukunft Opfer einer staatlichen Gruppen- oder anlaßgeprägten Einzelverfolgung werden könnte. Ich beziehe mich nachdrücklich auf das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes vom September 1992. Der Petent sei innerlich nicht in einem solchen Maße mit der Glaubenslehre der Ahmadiyya verbunden, daß ihn die in Frage stehenden Strafvorschriften in seiner religiösen Identität träfen, wenn er in seine Heimat zurückkehrte.

    (Horst Peter [Kassel] [SPD]: Vielleicht, Herr Kollege!)

    — Herr Kollege, Sie können nachher Ihren Part zuspielen.
    Er hat zwar nachgewiesen, daß er Mitglied der Ahmadiyya-Bewegung ist. Er konnte aber nicht vermitteln, daß er seinen Glauben als so verbindlich empfindet, daß er dadurch in eine ausweglose Lage geriete.
    Er hat erkennen lassen, daß er zur Sicherung seiner materiellen Existenzgrundlage in der Bundesrepublik Deutschland bereit ist, Kompromisse bei der Erfüllung der nach der Glaubenslehre der Ahmadiyya und damit des Islams zwingenden religiösen Hauptpflichten einzugehen. Er führte aus, daß er sich zwar an den religiösen Veranstaltungen der Ahmadis in der Bundesrepublik beteilige, allerdings nur insoweit, als dies seine Arbeit in der Fabrik und seine zusätzliche Nebentätigkeit als Markthändler zulasse. Außerdem müsse er sich um seine Ehefrau sorgen, die Deutsche und nicht Mitglied der Ahmadiyya sei. Die täglich fünf Pflichtgebete könne er schon wegen seiner Arbeit nicht einhalten. Er verrichte ein Gebet, bevor er zur Arbeit gehe. Mit seiner Arbeit sei es ebenfalls nicht vereinbar, das Fasten im Fastenmonat Ramadan einzuhalten. Das ergebe sich schon aus der Notwendigkeit, bei Kräften bleiben zu müssen.
    Daß der Petent in der Glaubenslehre der Ahmadiyya nicht fest verwurzelt ist und daher am Rande dieser Glaubensgemeinschaft steht, wird durch eine Mitteilung der Ahmadiyya-Muslim-Jamaat vom 22. September 1992 bestätigt. Danach nimmt der Petent nur unregelmäßig an den Veranstaltungen der Gemeinschaft teil, und auch seine weitere Kooperation mit ihr ist dürftig.
    Für den Bundesinnenminister liegt auch deshalb keine mittelbare politische Verfolgung vor, weil diskriminierende Aktionen fanatischer Moslems nur temporär und lokal begrenzt stattfänden, so daß die betroffenen Ahmadis immer auch noch die Möglichkeit hätten, innerhalb ihres Heimatlandes ihren Wohnort zu wechseln.
    Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Bundesverwaltungsgericht hat mittlerweile in mehreren Leitentscheidungen eine Gruppenverfolgung der Ahmadis in Pakistan verneint, weil die konkrete Strafverfolgungspraxis in diesem Land eine tatsächliche Anwendung bestehender — objektiv gegen Ahmadis gerichteter — Strafrechtsnormen nicht erkennen lasse. Dieser Entscheidungslinie haben sich die Oberverwaltungsgerichte weitgehend — zum Teil mit Nuancen — angeschlossen.
    Auf Grund des von mir aufgeführten Sachverhaltes bleibt die Fraktion der CDU/CSU bei dem im Ausschuß gefaßten Votum, das Petitionsverfahren abzuschließen und es nicht, wie die Kollegen der SPD es wollen, zur Berücksichtigung zu überweisen, weil wir nicht wollen, daß mit dieser Einzelpetition Tür und Tor für vier Millionen Ahmadis in Deutschland geöffnet wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)