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    Plenarprotokoll 12/149 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 149. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 25. März 1993 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeordneten Siegfried Vergin 12721 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 12721 A Nachträgliche Überweisung von Gesetzentwürfen an weitere Ausschüsse . . . 12721 B Begrüßung einer Delegation der bolivianisch-deutschen Freundschaftsgruppe im bolivianischen Parlament 12790 B Tagesordnungspunkt 6: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Der Solidarpakt als Grundlage für die Sicherung des Standortes Deutschland Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler BK . . . 12722A Hans-Ulrich Klose SPD 12730D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . 12736B Hans-Ulrich Klose SPD . . . . . . 12738 B Peter W. Reuschenbach SPD 12739 A Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . . . . 12741 B Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . 12744 C Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 12746C Michael Glos CDU/CSU 12748 D Wolfgang Thierse SPD 12751D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . 12752B, 12763 C Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. 12752 D Ernst Hinsken CDU/CSU . . 12755D, 12769B Jan Oostergetelo SPD . . . . . . . . . 12756 A Heribert Scharrenbroich CDU/CSU . . , 12757 A Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 12757 C Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . 12759 C Hans Peter Schmitz (Baesweiler) CDU/ CSU 12760C Rudolf Dreßler SPD . . . . . . . . . . 12762 B Hans-Eberhard Urbaniak SPD 12763A, 12772B Hans Büttner (Ingolstadt) SPD 12764 A Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste . . . 12766C Michael Glos CDU/CSU 12768 C Heribert Scharrenbroich CDU/CSU . . 12769 D Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin BMBau 12770 D Petra Bläss PDS/Linke Liste . . . . . . 12772 C Dr. Walter Hitschler F.D.P. . . . . . 12773 B Dr.-Ing. Paul Krüger CDU/CSU . . . . 12774 A Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 12775 C Ortwin Lowack fraktionslos . . . . . 12777 A Tagesordnungspunkt 4: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den Übereinkommen vom 23. Oktober 1991 über Kambodscha (Drucksache 12/4469) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll Nr. 9 vom 6. November 1990 sowie zu dem Protokoll Nr. 10 vom II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. März 1993 25. März 1992 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Drucksache 12/ 4474) c) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung und der Spielverordnung (Drucksache 12/4488) d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 22. April 1992 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Albanien über den zivilen Luftverkehr (Drucksache 12/4472) e) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuchs (Mietwohnungssicherungsgesetz) (Drucksache 12/4396) f) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Sofortmaßnahmen zur Durchsetzung friedlicher Verhandlungslösungen im ehemaligen Jugoslawien (Drucksache 12/4192) g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Rücknahme des Gesetzentwurfs über den Bau der „Südumfahrung Stendal" der Eisenbahnstrecke Berlin-Oebisfelde durch die Bundesregierung (Drucksache 12/4480) h) Beratung der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu dem ersten Bericht über die Anwendung der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer (Drucksache 12/4179) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 1: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (Drucksache 12/4616) 12778C Tagesordnungspunkt 5: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 23. Juli 1990 über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen (Drucksachen 12/4071, 12/4537) b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 4. Oktober 1991 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und über gegenseitige Amtshilfe auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Drucksachen 12/4072, 12/4598, 12/ 4599) c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Reichsheimstättengesetzes (Drucksachen 12/3977, 12/4565) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über den Jugendarbeitsschutz (Drucksachen 12/2867 Nr. 2.17, 12/3721) e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zur Nachtarbeit und zur Aufkündigung des Übereinkommens 89 der Internationalen Arbeitsorganisation (Drucksachen 12/2538, 12/4380) f) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgabe im Haushaltsjahr 1993 bei Kapitel 10 04 Titel 683 21 — Erstattungen bei der Ausfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet — (Drucksachen 12/4142, 12/4476) g) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 94 zu Petitionen (Drucksache 12/4531) h) Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung: Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens (Drucksache 12/4554) in Verbindung mit Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. März 1993 III Zusatztagesordnungspunkt 2: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 95 zu Petitionen (Drucksache 12/4625) 12779B Tagesordnungspunkt 7: Beratung des Antrags der Abgeordneten Ottmar Schreiner, Adolf Ostertag, Gerd Andres, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Ablösung des Arbeitsförderungsgesetzes durch ein Arbeits- und Strukturförderungsgesetz (Drucksache 12/4294) Ottmar Schreiner SPD 12781A Julius Louven CDU/CSU 12783 B Gerda Hasselfeldt CDU/CSU 12784 B Dr. Gisela Babel F.D.P. 12786D Petra Bläss PDS/Linke Liste 12790B Horst Günther, Parl. Staatssekretär BMA 12792A Hans Büttner (Ingolstadt) SPD 12793B, 12799B, 12803 C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 12793 C Günther Heyenn SPD 12793 D Adolf Ostertag SPD 12795 C Dr. Alexander Warrikoff CDU/CSU . . 12798B, 12802 B Barbara Weiler SPD 12.798D, 12804 D Renate Jäger SPD 12800 C Hans Büttner (Ingolstadt) SPD 12802 A Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU . . . . 12802 D Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 12805 C Tagesordnungspunkt 8: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung der Tarife im Güterverkehr (Tarifaufhebungsgesetz) (Drucksachen 12/3701, 12/4231, 12/4595, 12/4596) Helmut Rode (Wietzen) CDU/CSU . . . 12806 D Dr. Rolf Niese SPD 12809 C Horst Friedrich F D P 12811D Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär BMV 12813B Zusatztagesordnungspunkt 3: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zu ihrem unter Verschluß gehaltenen Gutachten zum Ausbau von Saale- und Elbe-Staustufen Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 12814 C Clemens Schwalbe CDU/CSU . . . . . 12815 B Dietmar Schütz SPD 12816 B Dr. Sigrid Hoth F D P 12817 A Renate Blank CDU/CSU 12818B Susanne Kastner SPD 12819A Dr. Klaus Röhl F.D.P. 12820A Rudolf Meinl CDU/CSU 12821A Reinhard Weis (Stendal) SPD 12821 C Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär BMV 12822 C Heinz-Günter Bargfrede CDU/CSU . . 12823D Dr. Margrit Wetzel SPD 12824 D Dr. Harald Kahl CDU/CSU 12825 D Tagesordnungspunkt 9: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Edith Niehuis, Hanna Wolf, Brigitte Adler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Lage der Frauen- und Mädchenhäuser und gesetzgeberischer Handlungsbedarf (Drucksachen 12/2243, 12/3909) Dr. Edith Niehuis SPD . . . . . . . . . 12826 D Ilse Falk CDU/CSU . . . . . . . . . . . 12828D Dr. Sigrid Semper F D P 12829 D Petra Bläss PDS/Linke Liste 12830D Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12831C Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ 12832B Tagesordnungspunkt 10: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Petra Bläss und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Perspektiven für Frauen im ländlichen Raum in den neuen Bundesländern (Drucksachen 12/2360, 12/3910) Petra Bläss PDS/Linke Liste 12833 C Claudia Nolte CDU/CSU . . . . . . . 12835 A Angelika Barbe SPD . . . . . . . . . 12835 D Lisa Peters F.D.P. 12838A Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12839 C Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ 12840 C Tagesordnungspunkt 11: a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Übereinkommens über die Rechte des Kindes für die Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 12/4168) b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ina Albowitz, Dr. Gisela Babel, Angelika Barbe und weiterer Abgeordneter: Kinderbericht der Bundesregierung (Drucksache 12/4388) Dr. Sissy Geiger (Darmstadt) CDU/CSU . 12841 D Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . . 12843 A Norbert Eimer (Fürth) F.D.P. . 12845A, 12854 B IV Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. März 1993 Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . 12846 B Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 12847 C Klaus Riegert CDU/CSU 12848 C Gudrun Weyel SPD 12849D Norbert Eimer (Fürth) F.D.P. . . . . 12850A Margot von Renesse SPD . . . 12850B, 12854 B Klaus Riegert CDU/CSU 12850 C Susanne Rahardt-Vahldieck CDU/CSU 12852B Margot von Renesse SPD . . . 12.852C, 12855 C Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . 12853A Rainer Funke, Parl. Staatssekretär BMJ . 12854 C Herbert Werner (Ulm) CDU/CSU (Erklärung nach § 30 GO) . . . . . . . . . . . 12856 A Tagesordnungspunkt 12: a) Erste Beratung des von der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Gruppe der PDS/Linke Liste eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Opferentschädigungsgesetzes (Drucksache 12/4297) b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Vera Wollenberger, Dr. Klaus-Dieter Feige, Ingrid Köppe, weiteren Abgeordneten und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Opferentschädigungsrechts (Drucksache 12/ 4348) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Opferentschädigungsgesetzes (Drucksache 12/4611) 12857B Nächste Sitzung 12857 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 12858* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 12 (Gesetzentwürfe zur Änderung des Opferentschädigungsgesetzes) Andrea Lederer PDS/Linke Liste . . . . 12858* D Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12860* B Gertrud Dempwolf CDU/CSU 12861* D Ulrike Mascher SPD 12862* C Hans A. Engelhard F D P. 12863* A Horst Günther, Parl. Staatssekretär BMA 12863* B Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. März 1993 12721 149. Sitzung Bonn, den 25. März 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Altherr, Walter CDU/CSU 25.3.93 Antretter, Robert SPD 25.3.93* Augustin, Anneliese CDU/CSU 25.3.93 Bartsch, Holger SPD 25.3.93 Berger, Hans SPD 25.3.93 Bindig, Rudolf SPD 25.3.93* Dr. Blank, CDU/CSU 25.3.93 Joseph-Theodor Blunck (Uetersen), SPD 25.3.93* Lieselott Böhm (Melsungen), CDU/CSU 25.3.93* Wilfried Büchler (Hof), Hans SPD 25.3.93* Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 25.3.93 Doss, Hansjörgen CDU/CSU 25.3.93 Eylmann, Horst CDU/CSU 25.3.93 Dr. Feige, Klaus-Dieter BÜNDNIS 25.3.93 90/DIE GRÜNEN Dr. Feldmann, Olaf F.D.P. 25.3.93* Dr. Fell, Karl H. CDU/CSU 25.3.93 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 25.3.93* Gattermann, Hans H. F.D.P. 25.3.93 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 25.3.93 Genscher, Hans-Dietrich F.D.P. 25.3.93 Gerster (Mainz), CDU/CSU 25.3.93 Johannes Dr. Gysi, Gregor PDS/Linke 25.3.93 Liste Haack (Extertal), SPD 25.3.93 Karl-Hermann Hasenfratz, Klaus SPD 25.3.93 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 25.3.93 Hiller (Lübeck), Reinhold SPD 25.3.93 Hollerith, Josef CDU/CSU 25.3.93 Dr. Holtz, Uwe SPD 25.3.93* Ibrügger, Lothar SPD 25.3.93** Jelpke, Ulla PDS/Linke 25.3.93 Liste Jung (Limburg), Michael CDU/CSU 25.3.93 Junghanns, Ulrich CDU/CSU 25.3.93* Kirschner, Klaus SPD 25.3.93 Kittelmann, Peter CDU/CSU 25.3.93* Klemmer, Siegrun SPD 25.3.93 Köppe, Ingrid BÜNDNIS 25.3.93 90/DIE GRÜNEN Dr.-Ing. Laermann, F.D.P. 25.3.93 Karl-Hans Lenzer, Christian CDU/CSU 25.3.93* Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 25.3.93 Link (Diepholz), Walter CDU/CSU 25.3.93 Lummer, Heinrich CDU/CSU 25.3.93* Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 25.3.93* Erich Marten, Günter CDU/CSU 25.3.93* Dr. Matterne, Dietmar SPD 25.3.93 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Meyer zu Bentrup, CDU/CSU 25.3.93* Reinhard Dr. Modrow, Hans PDS/Linke 25.3.93 Liste Dr. Müller, Günther CDU/CSU 25.3.93* Neumann (Gotha), SPD 25.3.93* Gerhard Oesinghaus, Günther SPD 25.3.93 Opel, Manfred SPD 25.3.93 Dr. Otto, Helga SPD 25.3.93 Paintner, Johann F.D.P. 25.3.93 Dr. Pflüger, Friedbert CDU/CSU 25.3.93 Pfuhl, Albert SPD 25.3.93 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 25.3.93* Reddemann, Gerhard CDU/CSU 25.3.93* Reimann, Manfred SPD 25.3.93* Rempe, Walter SPD 25.3.93 Richter (Bremerhaven), F.D.P. 25.3.93 Manfred Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 25.3.93 Ingrid Dr. Scheer, Hermann SPD 25.3.93* Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 25.3.93 Schulte (Hameln), SPD 25.3.93* Brigitte Dr. Solms, Hermann Otto F.D.P. 25.3.93 Dr. Sperling, Dietrich SPD 25.3.93 Dr. Sprung, Rudolf CDU/CSU 25.3.93* Steiner, Heinz-Alfred SPD 25.3.93* Stübgen, Michael CDU/CSU 25.3.93 Dr. von Teichman, F.D.P. 25.3.93* Cornelia Tietjen, Günther SPD 25.3.93 Tillmann, Ferdi CDU/CSU 25.3.93 Vogel (Ennepetal), CDU/CSU 25.3.93* Friedrich Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 25.3.93 Wettig-Danielmeier, Inge SPD 25.3.93 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 25.3.93 Dr. Wieczorek CDU/CSU 25.3.93 (Auerbach), Bertram Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 25.3.93 Würfel, Uta F.D.P. 25.3.93 Zierer, Benno CDU/CSU 25.3.93* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 12 (Gesetzentwürfe zur Änderung des Opferentschädigungsgesetzes) Andrea Lederer (PDS/Linke Liste): Dieser Bundestag hat ja bereits mehrmals bewiesen, daß er durchaus in der Lage ist, Gesetze schnell durchzupeitschen. In Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. März 1993 12859' der Regel ist das der Fall, wenn die Regierungskoalition mißliebige Debatten abbrechen oder einfach vermeiden will. In einem Fall hätte ich mir allerdings gewünscht, daß wirklich etwas über Nacht — und zwar schon vor 1991 — durchgepeitscht worden wäre, nämlich die Änderung des Opferentschädigungsgesetzes mit dem Ziel, auch Menschen mit einer anderen als der deutschen Staatsangehörigkeit in die Ansprüche auf Versorgungsleistungen einzubeziehen. Durch den Gesetzentwurf der PDS/Linke Liste und den wenige Tage später eingereichten Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird diese erste Lesung überhaupt erst herbeigeführt — und das, nachdem über zwei Jahre eine Welle der Gewalt gegen ausländische Mitbürger und Mitbürgerinnen durch dieses Land tobt, die viele von ihnen zu Opfern gemacht hat, die aber von der bisherigen Regelung im OEG ausgeschlossen bleiben. Und obwohl gerade die großen Parteien unisono gerne ihre Bemühungen gegen Ausländerfeindlichkeit ins Rampenlicht zu bringen versuchen, reichte es lange Zeit zu nicht mehr als Worten. Die SPD hat jetzt endlich noch auf die Schnelle einen Entwurf nachgereicht. Und die Bundesregierung hat erst einmal nur einen Kabinettsentwurf beschlossen, der hier aber noch nicht einmal in erster Lesung mitberaten wird. Dies bedeutet wohl, daß die Opfer rassistischer Übergriffe noch länger werden warten müssen, um ihre Entschädigungsansprüche geltend machen zu können. Zu den Gesetzesentwürfen: Unser Entwurf sieht vor, die diskriminierende Regelung in § 1 Abs. 4 OEG zu streichen. Die Regelung war schon vor dieser Welle der Gewalt gegen Ausländer diskriminierend. Die Diskriminierung ist in der Öffentlichkeit erst jetzt deutlich geworden, nachdem die meisten der Opfer rassistischer Übergriffe gerade von einer Entschädigung nach dem OEG ausgeschlossen bleiben, nämlich Flüchtlinge und andere Ausländer, die aus Ländern kommen, die sich Gegenseitigkeitsabkommen angesichts ihrer wirtschaftlichen Lage gar nicht leisten können. Abgesehen davon stünde diesem Land eine besondere Fürsorgepflicht gegenüber allen Menschen anderer Nationalität gut an. Hünxe ist nur ein Beispiel: Fast allen Flüchtlingen wird durch die bisherige gesetzliche Regelung die Unterstützung und Hilfeleistung entzogen, wenn ihnen durch Brandanschläge auch noch ihr letztes Hab und Gut genommen wird. Der Staat handelt bislang nach dem Motto: Ihr lebt hier auf euer eigenes Risiko. Ich bin sicher, daß es im Rahmen der Ausschußberatungen zwischen den Entwürfen von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und unserem Entwurf eine Übereinstimmung geben wird, zumal ich die im BÜNDNIS90-Antrag vorgeschlagene Änderung des Bundessozialhilfegesetzes nur nachhaltig unterstützen kann. Der Entwurf der SPD ist hingegen sichtbar schnell zusammengezimmert worden. Wenn das die knallharte Oppositionspolitik sein soll, die der Kollege Struck angekündigt hat, dann kann ich nur lachen: Sie sind hier von der Bundesregierung in einigen Punkten positiv überholt worden. Abgesehen davon, daß ich es — freundlich formuliert — seltsam finde, daß in Ihrem Entwurf eine Rückwirkung bis zum 1. Juli 1992 enthalten ist, während die Bundesregierung sich immerhin dazu durchgerungen hat, eine Rückwirkung bis zum 1. Januar 1991 zuzulassen, abgesehen davon ist einfach nicht erklärlich, warum Sie erneut bestimmte Gruppen von Menschen aus den Entschädigungsregelungen ausnehmen wollen. Ich bin der Meinung, daß ein erforderliches Grundprinzip nicht verstanden und beachtet wird, wenn in Fällen von fremdenfeindlichen Übergriffen, zu deren gesellschaftlichen Klima und Umfeld maßgeblich die Diskussion um das Asylrecht — inszeniert in Bonn — beigetragen hat, auch nur irgendein Mensch einer anderen Nationalität von Versorgungsleistungen ausgeschlossen bleibt. Warum sollen Touristen, die hier von Neonazis angegriffen werden, nicht Ansprüche geltend machen können? Sie, die hier allenthalben um das Bild Deutschlands in der Welt bangen, hätten allen Anlaß dazu, nicht wieder zu selektieren, sondern eine Regelung vorzuschlagen, die allen Opfern solcher Übergriffe eine Entschädigung ermöglicht. Ich will noch einmal Motivsuche betreiben, warum es so endlos lang dauert, bis hier eine zum Himmel schreiende Diskriminierung von Menschen anderer Nationalität abgeschafft wird. Und ich will dazu an eine Debatte erinnern, in der wir per Antrag die Einrichtung einer Stiftung für Opfer fremdenfeindlicher Übergriffe forderten. Herr Göttsching von der CDU/CSU hat damals ausgeführt, daß es nicht dazu kommen dürfe, durch eine „Art Sondergesetzgebung für Ausländer diese gegenüber anderen Bürgern unseres Landes (zu) privilegieren". Ich denke, hier finden wir ein Beispiel dafür, welche Geisteshaltung bislang jedenfalls in der Regierungskoalition eine Entschädigung der Opfer von fremdenfeindlichen Übergriffen verhinderte. Es ist schon ein starkes Stück gewesen, von der Sondergesetzgebung für Ausländer zu reden, wenn es nicht nur erstmals um eine Gleichbehandlung ausländischer Mitbürgerinnen geht, sondern wenn allgemein bekannt ist, daß die bundesdeutschen Normen zahlreiche Sondergesetze gegen Ausländer enthalten. Die schreckliche Bilanz des Terrors der letzten Jahre ist bekannt. Und bekannt ist auch — zumindest in den Menschenrechtsorganisationen, aber auch bei Organisationen wie dem Weißen Ring, daß ein beträchtlicher Teil der Opfer dieses Terrors durch die bestehende Gesetzgebung in der BRD benachteiligt sind. Der Weiße Ring mußte diesen Umstand in aller Deutlichkeit wiederholt feststellen, zuletzt in Erklärungen im Jahre 1992. Die bloße Einklagung und Forderung nach gesetzlicher Gleichbehandlung für ausländische Opfer wurde aber in der damaligen Debatte als „Sondergesetze für Ausländer" diskreditiert. Nein, Tatsache ist, daß es nach wie vor benachteiligende Sondergesetze gegen AusländerInnen in die- 12860 * Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. März 1993 sem Land gibt. Und streng genommen ist dies ja auch der CDU/CSU bekannt. Das eigentliche Motiv für die Verhinderung von Gesetzen im Sinne der Gleichbehandlung für die Opfer ausländerfeindlicher Übergriffe und begleitender Maßnahmen wie die Einrichtung einer Stiftung wurde in derselben Debatte vom deutschen Kollegen Göttsching mit dankenswerter Offenheit vorgetragen: „Welches Signal setzen wir eigentlich für das Ausland, wenn wir eine solche Stiftung in der Bundesrepublik Deutschland installieren?" Das Protokoll vermerkt: (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU). Und Herr Göttsching führt den Kern seines Gedankens aus: „Wir schaffen praktisch eine Instanz, die jedem vor Augen führen würde, daß Deutschland nicht einmal mehr in der Lage ist, Ausländer vor systematischen — ich betone systematischen — Übergriffen zu schützen. Das kann nicht Sinn unserer Gesetzgebung sein." Über 5 000 ausländerfeindlich motivierte Straftaten allem im Jahr 1992 zeigen, daß es eine Tatsache ist, daß dieser Staat Immigrant Innen und Flüchtlinge in der Tat nicht vor systematischen Übergriffen schützen kann, und — sieht man sich beispielsweise die Ereignisse von Rostock-Lichtenhagen an — will. Natürlich muß in allererster Linie dies erreicht werden: Rassistische Übergriffe und jede Form von Diskriminierung ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger müssen verhindert werden. Und aber es muß selbstverständlich eine Entschädigung der Opfer von Übergriffen ermöglicht werden, die sowieso nie ausreichen wird, wiedergutzumachen, was ihnen angetan wurde. Wir fordern, die Gesetzentwürfe in der nächsten Sitzungswoche in den Ausschüssen zu beraten und noch Ende April zu einer Beschlußfassung in diesem Haus zu kommen. Vera Wollenberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Leistungen auf Grund des deutschen Opferentschädigungsgesetzes erhalten zur Zeit grundsätzlich nur Deutsche sowie seit 1990 auch Bürgerinnen und Bürger aus EG-Staaten, nachdem der europäische Gerichtshof deren Einbeziehung gefordert hatte. Wenn sonstige Ausländer in Deutschland Opfer einer Gewalttat werden, können sie derartige Entschädigungsleistungen nur dann beanspruchen, wenn festgestellt ist, daß in ihrem Herkunftsland Deutschen unter gleichen Voraussetzungen und im gleichen Umfang entsprechende Ausgleichszahlungen zustehen. Diese sogenannte Gegenseitigkeit besteht heute nur hinsichtlich einer Handvoll Staaten: Finnland, Norwegen, Schweden, der kanadischen Provinzen Ontario und British Columbia sowie der US-amerikanischen Bundesstaaten Maryland und Ohio. Den fremdenfeindlich motivierten Gewalttaten der letzten Wochen und Monate ist jedoch meines Wissens nach kein einziger Bürger aus den genannten Staaten zum Opfer gefallen, sondern eine Vielzahl von Menschen vorwiegend aus asiatischen oder afrikanischen Ländern, die schon an ihrer Hautfarbe als Ausländer erkennbar waren. Welche nicht hinnehmbaren Folgen dies für die Opferentschädigung hat, möchte ich an einigen Beispielen verdeutlichen: Keine Leistungen erhalten hiernach etwa die Hinterbliebenen — des Kurden Yusufoglu, der im Dezember 1990 in Hachenberg von Skinheads erstochen wurde; — des Afghanen, der im Februar 1991 nach dem Überfall auf seine Flüchtlingsunterkunft in Leisnig in Sachsen starb; — des Moçambikaners Gomondai, der im März 1991 in Dresden von Skinheads totgeschlagen wurde; — des Angolaners Agostinho, der im Juni 1991 in Friedrichshafen von einem DVU-Ordner erstochen wurde; — des Ghanaers Yeboah, der im Sepember 1991 nach einem Brandanschlag in Saarlouis starb; — des im Juli 1992 bei Stuttgart von vermummten Neofaschisten totgeschlagenen Jugoslawen Berisha. Keinerlei Ansprüche nach dem OEG haben auch — die Kinder des im Januar 1992 in Lampertsheim verbrannten Elternpaars aus Sri Lanka; -- die Frau des im März 1992 nahe Rostock von Neonazis erschlagenen Rumänen Christinel; — die Vietnamesin Van Thu, vor deren Augen ein Neonazi im April 1992 in Berlin-Marzahn ihren Ehemann erstach; — die Ehefrau und das kleine Kind des Angolaners Amadeu, der im November 1990 in Eberswalde erschlagen wurde. Den beiden libanesischen Kindern, die im Oktober 1991 bei einem Brandanschlag in Hünxe lebensgefährliche Verletzungen erlitten, versagte kürzlich das Landesversorgungsamt NRW die Heilbehandlungskosten, weil mit dem Libanon keine Gegenseitigkeit bestehe. Der Türke Arslan, dessen Ehefrau, Nichte und Enkelin im November vergangenen Jahres durch einen Brandanschlag in Mölln getötet wurden, erhielt zwar unmittelbar nach der Trauerfeier reichlich Gratis-Prügel von der Hamburger Polizei, jedoch keinen Anspruch etwa auf eine Hinterbliebenen-Rente. Ohne diese Aufzählung hier weiter fortsetzen zu müssen, sollte daran bereits eines deutlich geworden sein: Menschen, die hier bevorzugt Opfer fremdenfeindlicher Gewalt wurden und täglich werden, kommen gerade aus solchen Ländern, deren politische oder wirtschaftliche Verhältnisse Anlaß zur Flucht nach Deutschland gaben und in denen folglich auch die Entschädigungs-Voraussetzung der „Gegenseitigkeit" nicht erfüllt werden wird. Daher ist die geltende Fassung des Opferentschädigungsgesetzes unzureichend und muß dringend abgeändert werden. Besonders im Ausland ist der Vorwurf erhoben worden, hierzulande gediehen Neonazismus, Antisemitismus sowie Asylantenhetze, und die Polizei schaue derlei wie in Rostock tatenlos oder gar billigend zu. Wenn den Opfern solcher Gewalt nun weiterhin Entschädigungen versagt werden, wie sie jedem Deutschen zustehen, wird es Herr Kinkel künf- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. März 1993 12861* tig — zum Beispiel bei dem anstehenden Besuch in Vietnam — noch schwerer haben, dem Eindruck der Ausländer-Diskriminierung allein mit beschwichtigenden Worten entgegenzutreten. Und um auch dies noch deutlich zu sagen: Aktionismus im repressiven Bereich wie die beantragten Parteiverbote und Grundrechtsverwirkungen können eine Haltung gegenüber den Opfern nicht wettmachen, die als Hartherzigkeit empfunden werden muß! Der von uns vorgelegte Gesetzentwurf sieht daher vor, allen ausländischen Opfern von Gewalttaten grundsätzlich einen Anspruch auf Entschädigung zu gewähren und außerdem — insofern über den entsprechenden Antrag der PDS hinausgehend — für die Verwaltungspraxis klarzustellen, daß derartige Leistungen nicht z. B. von der Sozialhilfe gleich wieder abgezogen werden dürfen. Auch die SPD hat sich vorgestern kurz vor der heutigen Beratung noch eine Vorlage abgerungen. Hiernach sollen solche Ausländer weiterhin keine Entschädigung erhalten, die „ihren rechtmäßigen Wohnsitz" nicht in Deutschland, sondern — der Entwurfsbegründung zufolge — „ihren ständigen Wohnsitz im Ausland haben." Wenn ich das lese, muß ich die Verfasser fragen: Ist diese Wendung nur der Hast bei der Formulierung geschuldet, oder ist diese Übereinstimmung mit der neuen Linie der SPD gegenüber Asylbewerbern wirklich gewollt? Ihnen kann doch eigentlich nicht entgangen sein, meine Damen und Herren Sozialdemokraten, daß der Begriff des ständigen oder berechtigten Wohnsitzes gemeinhin davon abhängig gemacht wird, wo jemand den „Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse" hat. Diesen Lebensmittelpunkt sieht die Praxis der Ausländerbehörden bei Asylbewerbern — gleich in welchem Stadium des Verfahrens — jedoch in deren Herkunftsland mit der Folge, daß ein Anspruch nach dem OEG entfiele. Ich muß diesen Entwurf daher als eine gewollte Fehlleistung ansehen! Und die Bundesregierung? Obwohl die Justiz- und Sozialminister sowie Ausländerbeauftragten eine baldige Novellierung des OEG angemahnt haben, erklärte die Regierung vor genau vier Wochen in diesem Hause klipp und klar, sie sähe keinerlei Anlaß zu Veränderungen. Unmittelbar vor der heutigen Debatte hat das Kabinett nun doch noch einen eigenen Entwurf verabschiedet. Wir freuen uns ehrlich, Herr Blüm, daß es dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der PDS mit ihren Initiativen offenbar gelungen ist, die Regierung umzustimmen. Was den Inhalt ihrer Vorlage angeht, begrüßen wir zunächst die geplante Rückwirkung auf Schäden seit dem 1. Januar 1991. Die vorgesehene Kapitalisierung von Ansprüchen, falls der Berechtigte Deutschland verläßt, halten wir grundsätzlich für ebenso bedenkenswert wie eine mögliche Differenzierung der Leistungspalette je nach Aufenthaltsdauer. Nicht einverstanden sein können wir aber mit der Absicht, als Voraussetzung jeglicher Ansprüche (von Familienbesuchern und Härtefall-Ermessen abgesehen) einen rechtmäßigen Mindestaufenthalt in Deutschland von sechs Monaten oder eine humanitär begründete Duldung festzuschreiben. Wenn man daneben die derzeit beratenen Asylbegleitgesetze und die dort vorgesehenen drastischen Verfahrensabkürzungen z. T. auf sechs Wochen berücksichtigt, bedeutet diese Voraussetzung doch, daß sehr viele Asylbewerber keinerlei Entschädigungsansprüche hätten, wenn Sie hier Opfer einer Gewalttat werden. Stellen Sie sich doch einmal einen Skinhaed-Überfall auf eine Sammelunterkunft und die anschließende Resonanz im In- und Ausland vor! Danach werden Sie, Herr Blüm, doch die Versagung von Opferentschädigung nicht ernsthaft damit begründen wollen, die Opfer seien aus einem sicheren Drittstaat gekommen. Ebensowenig mag ich an einen Brandanschlag auf eine Rumänen-Unterkunft in Berlin oder anderswo denken: Soll den Opfern da vorgehalten werden, das Warten auf ihre Zurückschiebung sei entschädigungsrechtlich etwas anderes als eine humanitäre Duldung? Derlei Ungereimtheiten werden auch der Offentlichkeit nicht zu vermitteln sein. Und auch die Ausschlußgründe in diesem Regierungsentwurf sind nicht akzeptabel. Denn hiernach könnte z. B. Herr Arslan nach dem Möllner Brandanschlag auf seine Familie nun Entschädigung versagt werden mit dem Hinweis auf Medienberichte über seine angeblichen kriminellen Kontakte. Oder soll einem politisch aktiven Ausländer, der von Neonazis verletzt wird, wirklich entgegengehalten werden können, andere Mitglieder seiner Organisation hätten in ihrem Heimatland schon mal Gewalt angewendet? Das geht zu weit. Über all diese Fragen werden wir uns im Ausschuß noch gründlich auseinanderzusetzen haben; dabei muß die Novellierung trotzdem so rasch wie möglich zugunsten der Opfer wirksam werden. Gertrud Dempwolf (CDU/CSU): Zur Beratung liegen uns zunächst einmal zwei Gesetzentwürfe der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS/ Linke Liste vor, die sich nur in Nuancen unterscheiden und die einzig und allein durch ihre Schlichtheit bestechen. Wenn ich von Schlichtheit spreche, dann meine ich das zunächst einmal rechtstechnisch. Rechtstechnisch ist es ja immer am einfachsten, eine einschränkende Regelung zu streichen. Doch was sind die Folgen? Aber auch deshalb sage ich „Schlichtheit", weil sich offenbar keine der Initiatoren dieser einfachen Regelung über deren Inhalt und Folgen im klaren zu sein scheint. Was würden wir wirklich regeln, wenn wir einem der hier vorliegenden Gesetzentwürfe zustimmen würden? Meine Damen und Herren, wir würden, wenn es danach ginge, jedem durchreisenden Touristen, wenn er bei uns Opfer einer Gewalttat wird, Leistungen in die fernsten Winkel der Welt zahlen, ohne auch nur mit einiger Sicherheit prüfen zu können, ob überhaupt noch gesundheitliche Folgen der Schädigung bestehen oder ob der Geschädigte überhaupt noch lebt. Wir müßten Leistungen in einer Höhe exportieren, die — wie bereits der Vertreter der Bundesregierung gesagt hat — den Geschädigten nicht nur in Ländern der sogenannten Dritten Welt weit über das Einkom- 12862 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. März 1993 mensniveau seines sozialen Umfelds herausheben würde. Abgesehen davon, daß ich erhebliche Zweifel habe, daß sich die Bundesrepublik so etwas angesichts der derzeitigen Haushaltssituation leisten sollte, kann ich Ihnen versichern: Eine derart schlichte „große Lösung" werden die Unionsparteien nicht mittragen können. Im übrigen: Der Export von Sozialleistungen ist ein brisantes Thema. Wir sollten uns sorgfältig vor einer Regelung hüten, die zum Dammbruch führen könnte mit unabsehbaren finanziellen Folgen für andere Sozialleistungsbereiche. Das Problem des Leistungsexports löst auch der kurzfristig nachgereichte Gesetzentwurf der SPDFraktion nicht, auch wenn hier der Personenkreis durchaus enger gefaßt wird. Wenn ich zunächst plakativ die negativen Seiten der vorliegenden Gesetzentwürfe aufgezeigt habe, dann geht dies nicht gegen das Grundanliegen der Entwürfe. Die tragischen Fälle von Hilnxe und Mölln in einer Kette von Gewalttaten und Ausschreitungen gegen Ausländer haben uns Politikern auf drastische Art und Weise gezeigt, daß wir handeln müssen, daß wir nicht nur Reden halten dürfen. Wir müssen um mehr Verständnis werben für unsere ausländischen Mitbürger, die wir zum Teil als Arbeitskräfte ins Land geholt haben und die hier oft seit Jahren leben und arbeiten und deren Kinder hier geboren sind. Wir müssen auch Verständnis wecken für diejenigen, die hier bei uns Schutz suchen vor Verfolgung in ihrer Heimat. Wir haben die Verpflichtung, auch diese Mitmenschen vor Ausschreitungen und Gewalttaten zu schützen. Deshalb müssen wir auch den Opfern eine angemessene Entschädigung zukommen lassen. Was unter angemessen zu verstehen ist, darüber läßt sich sicher streiten. Nicht angemessen ist jedoch das, was die vorgelegten Gesetzentwürfe bewirken würden, weil sie weder tatsächlich das Ausmaß der Integration noch rechtlich den Aufenthaltsstatus berücksichtigen und weil sie den ungebremsten Leistungsexport bedeuten würden. Was wir brauchen, ist eine ausgewogene Regelung, die die vorgenannten Kriterien berücksichtigt, die darüber hinaus über jeden Zweifel deutlich macht, daß nicht jeder Illegale in den Schutz des Opferentschädigungsgesetzes einbezogen wird und daß wir nicht die Opfer gewalttätiger Auseinandersetzungen versorgen müssen, die ausländische Organisationen, kriminelle oder politische, in Deutschland gegeneinander veranstalten. Die vorliegenden Gesetzentwürfe erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Der gestern im Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf zur Änderung des OEG bietet für meine Fraktion eine vernünftige und notwendige Lösung an. Noch einen wichtigen Punkt möchte ich ansprechen: Es geht um Deutsche, die im Ausland Opfer von Gewalttaten geworden sind und die von dort meist keine oder nur unzureichende Entschädigungsleistungen erhalten. Auch darüber sollten wir hier einmal ernsthaft nachdenken. Ich weiß, daß eine Lösung aus rechtssystematischen Gründen im Rahmen des Opferentschädigungsgesetzes nicht möglich ist. Dennoch, wir sollten diese Gelegenheit nutzen, die Bundesregierung mit Nachdruck aufzufordern, auch hier unverzüglich etwas zu tun. Ich denke dabei nicht etwa daran, daß wir jetzt diejenigen versorgen sollten, die sich in ihrem Urlaub auf gefährliche Abenteuerreisen begeben oder sich gar in den Krisengebieten dieser Welt die Kugeln um die Ohren pfeifen lassen; aber was ist mit dem normalen Touristen, der völlig schuldlos im Ausland zum Gewaltopfer wird? Zurück in der Heimat, bleibt ihm oft nur der Weg zum Sozialamt. Und besonders ärgerlich für den Betroffenen wird es dann, wenn ihm eine — durchaus mäßige — Entschädigungsleistung aus dem Ausland, die ihrem ganzen Charakter nach nur eine Art Schmerzensgeld oder eine Pauschalabfindung für schädigungsbedingte Mehraufwendungen sein kann, auf die Leistungen der Sozialhilfe angerechnet wird. Auch hier muß eine Lösung gefunden werden; das sieht auch die Bundesregierung so. Ulrike Mascher (SPD): Die SPD-Bundestagsfraktion hat bereits 1984 einen Antrag eingebracht, um die Gegenseitigkeitsklausel des geltenden Rechts so zu verändern, daß auch Ausländer, die Opfer von Gewalttätigkeiten waren, Entschädigungsansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz geltend machen können. Für uns war es schon 1984 sehr unbefriedigend, daß Ausländer, die hier leben, wenn sie Opfer von Gewalttaten geworden sind, keine Leistung erhalten sollen, weil mit ihren jeweiligen Herkunftsländern keine entsprechenden Abkommen bestehen. Die Bundesregierung hat 1990 in der Antwort auf eine Große Anfrage der SPD-Fraktion diese Position noch einmal bestätigt. Angesichts der erschreckenden Zunahme von Gewalttaten gegen Ausländer, angesichts der Tatsache, daß es nur unzureichend gelungen ist, Ausländer, die bei uns Schutz suchen vor Gewalt, zu schützen, hält es die SPD-Fraktion für dringend geboten, unabhängig von der Forderung nach gegenseitiger Leistung auch Ausländern, wenn sie Opfer von Gewalttaten werden, Entschädigungen nach dem Opferentschädigungsgesetz zu eröffnen. Angesichts des finanziellen Umfangs —1990 hat die Bundesregierung den Mehraufwand auf rund 2 Milliarden DM beziffert, wobei der Anteil des Bundes rund 0,5 Millionen DM betragen sollte — will die SPD eine Regelung, die allen Ausländern, die hier leben, zugute kommen soll. Erfreulicherweise hat sich jetzt auch die Bundesregierung bewegt. Allerdings scheint mir bei einer ersten Durchsicht des Entwurfs des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung immer noch eine wenig großzügige Regelung für Ausländer, die kürzer Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. März 1993 12863' als drei Jahre in der Bundesrepublik leben, also vor allem für Flüchtlinge, geplant zu sein. Die Gewalttaten der vergangenen Monate haben sich ja vor allem gegen Flüchtlinge gerichtet, deshalb wollen wir gerade diese Gruppen von Opfern voll in die Leistungen des Opferentschädigungsgesetzes einbeziehen. Wir hoffen, daß auf der Grundlage unseres Entwurfs solch eine Regelung möglich wird. Hans A. Engelhard (F.D.P.): Einigkeit besteht, daß unser Opferentschädigungsgesetz heute noch eine Vielzahl von Ausländern in nicht vertretbarer Weise von Leistungen ausschließt und damit benachteiligt. Das Thema ist zu Recht wieder in die aktuelle politische Diskussion gekommen, seit der Fremdenhaß von rechtsextremistisch verblendeten Gewalttätern zu einer Fülle von Angriffen auf Ausländer führte. Auch ein wesentliches Element des Rechtsstaates ist es, sein Gewaltmonopol zunächst einmal präventiv zum Schutz der Bürger und Gäste im Lande einzusetzen. Wo der Erfolg versagt bleibt, ist es geboten, dem in seiner körperlichen Integrität verletzten Opfer mit einer Entschädigung zur Seite zu stehen. Über eine Änderung des Opferentschädigungsgesetzes wurde früher bereits intensiv nachgedacht. Ich erinnere mich lebhaft an die Erörterungen, die nach dem grauenvollen Anschlag beim Münchner Oktoberfest im Herbst 1980 stattfanden. Bei allem Verständnis und gutem Willen wird es jedoch nicht sinnvoll und möglich sein, einfach durch Streichung der Klausel über die Gegenseitigkeit Abhilfe zu schaffen. Die Bundesregierung und mit ihr die Koalitionsfraktionen haben sich erneut mit den anstehenden Fragen beschäftigt. Die Bundesregierung hat erst gestern im Kabinett einen Gesetzentwurf gebilligt. Zu den Einzelheiten wird anschließend wohl Herr Parlamentarischer Staatssekretär Günther noch Stellung nehmen. Ich beschränke mich auf die Feststellung, daß hier eine gute und abgewogene Regelung gefunden wurde, die vor allem darauf Bedacht nimmt, Ausländer, die bereits länger in der Bundesrepublik leben, verstärkt in die Regelungen des Opferentschädigungsgesetzes einzubinden. Aber bei einer besonders schweren Schädigung gehen endlich auch Touristen und kurzfristige Besucher nicht mehr leer aus. Wenn es uns bei den Beratungen gelingt, auf dieser Linie Ergebnisse zu erzielen, so haben wir dem Gedanken des Opferentschädigungsgesetzes über die Grenzen der Staatsangehörigkeit hinaus Rechnung getragen. Horst Günther, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Wir sind uns einig: In Zeiten, wo verblendete, ewig Gestrige mit brutaler Gewalt Ausländer angreifen, müssen ihre Opfer Anspruch auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz haben. Dies ist eine Frage der moralischen Verantwortung gegenüber den Opfern und entspricht dem Grundgedanken des Opferentschädigungsgesetzes. Es ist unstrittig, daß die bisherige gesetzliche Regelung zu restriktiv ist, wenn die Mehrzahl der in der Bundesrepublik lebenden Ausländer vom Leistungsanspruch ausgeschlossen bleibt. Dennoch ist die ersatzlose Streichung der Gegenseitigkeitsklausel, wie sie beide heute vorliegenden Gesetzentwürfe vorsehen, nicht akzeptabel. Sie würde über das Ziel einer angemessenen Entschädigung der Opfer hinausschießen. Mit der Streichung der Gegenseitigkeitsklausel ginge die Verpflichtung einher, Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz in alle Welt zu exportieren. Die Entwicklung der gesundheitlichen Folgen und das Ausmaß der entstandenen wirtschaftlichen Nachteile für den Geschädigten, die Grundlage für die Leistungsbemessung sind, wären unter diesen Bedingungen nur noch sehr schwer nachzuvollziehen. Dementsprechend groß wäre die Versuchung, die Regelungen des Opferentschädigungsgesetzes zu mißbrauchen. Die Kritiker, die einen neuen Sozialtourismus heraufbeschwören, könnten schließlich recht bekommen. Auch der Entwurf der SPD-Fraktion trägt diesen möglichen Folgen eines Leistungsexportes nicht in ausreichendem Maße Rechnung, selbst wenn der berechtigte Personenkreis eingeschränkt ist. Unser Entwurf hält für Touristen und kurzfristige Besucher grundsätzlich am Gegenseitigkeitserfordernis fest. Wir setzen uns für eine Lösung ein, die einerseits die angemessene Entschädigung ausländischer Opfer gewalttätiger Angriffe garantiert und andererseits Mißbrauch vermeidet. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, haben wir zur Erstellung unseres Konzeptes etwas mehr Zeit benötigt. Jetzt haben wir jedoch den Gesetzentwurf dem Bundeskabinett vorgelegt. Gestern wurde er gebilligt. Damit unsere ausländischen Mitbürger Ansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz geltend machen können, erfaßt unser Konzept alle länger in der Bundesrepublik lebenden Ausländer. Wenn sie sich seit mindestens drei Jahren legal in der Bundesrepublik aufhalten, werden sie weitgehend dem Status eines Deutschen bzw. eines EG-Bürgers gleichstellt. Soweit sie sich noch nicht seit drei Jahren, aber rechtmäßig in der Bundesrepublik aufhalten, haben sie Anspruch auf eingeschränkte Leistungen des Opferentschädigungsgesetzes. Für Ausländer, die sich zwar legal, aber nur kurzfristig in der Bundesrepublik aufhalten, wird es beim Gegenseitigkeitserfordernis bleiben. Um jedoch besonders schwere Fälle ausgleichen zu können, ist eine Härteregelung für ausländische Touristen und Besucher vorgesehen. Das Konzept der Bundesregierung stellt damit konkret auf den Aufenthaltsstatus und das Ausmaß der 12864* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. März 1993 Integration ab. Diese Lösung bietet klare Abgrenzungskriterien. Es wäre sicher sinnvoll, die Beratung des Regierungsentwurfes mit den weiteren Beratungen der heute vorliegenden Gesetzentwürfe zusammenzufassen. Im direkten Vergleich werden Sie dann feststellen, daß der Entwurf der Bundesregierung nicht nur ausgewogener ist, sondern in einem Punkt sogar über die heute vorliegenden Gesetzentwürfe hinausgeht: Die tragischen Fälle der jüngsten Vergangenheit, die Anlaß der heutigen Beratung sind, werden rückwirkend erfaßt. Das bedeutet: Die beiden libanesischen Mädchen aus Hünxe, die bei einem rechtsextremistischen Brandanschlag im Oktober vorletzten Jahres schwer verletzt wurden, werden entschädigt. Gleiches gilt für die Hinterbliebenen der Opfer des Brandanschlages in Mölln, durch den eine türkische Frau und zwei türkische Mädchen ihr Leben verloren. Die Bundesregierung stellt sich ihrer Verantwortung gegenüber den Opfern der Gewalt in unserem Land. Unser Konzept sorgt dafür, daß die Humanität in der Bundesrepublik Deutschland nicht Halt macht vor der Nationalität.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Dietmar Keller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS/LL)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS/LL)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Monaten wird über den Solidarpakt für den Osten gestritten, und ebensolange wird mit diesem Begriff Schindluder getrieben und Parteipolitik betrieben. Denn Solidarität wird letztendlich nicht von denen verlangt, die am Anschlußprozeß verdient haben, oder von jenen, die seit Jahren Spitzengehälter kassieren. Der sogenannte Solidarpakt hat vorrangig die Niedrigeinkommen im Visier und zielt auf eine neue Welle des Sozialabbaus.
    Das wahre Desaster, in dem die Bundesregierung steckt, wird damit verschleiert. Die Bundesrepublik steckt in einer wirtschaftlichen Krise. Die Kassen der öffentlichen Haushalte sind leer, und die verfehlte Anschlußpolitik der Bundesregierung ist daraus kaum mehr zu finanzieren.
    Ja, Herr Bundeskanzler, ich stimme Ihnen zu: Umdenken ist nötig. Ich denke mir aber, es wäre für die Bundesrepublik Deutschland gut, wenn Sie ein gutes Beispiel gäben und damit anfingen. Es ist mir völlig unerklärlich, das man zehn Minuten über Bildungs- und Hochschulpolitik und dabei ausschließlich über Studiendauer spricht. Es geht um neue Bildungskonzepte. Es geht um Ausbildungskonzepte. Es geht um ein Bildungskonzept, das den Anforderungen des nächsten Jahrhunderts gerecht wird. Nur von dort aus sind Ausbildungsdauer und Studienzeiten konkret zu bestimmen.
    Die gegenwärtige Situation ist auch auf den verfehlten Anschlußkurs der Bundesregierung und besonders auf ihre seit zehn Jahren praktizierte Wirtschafts- und Sozialpolitik zurückzuführen. Strukturprobleme in Industrie und Landwirtschaft wurden nicht gelöst, ein gegen die Umwelterfordernisse gerichtetes Verkehrssystem ausgebaut, der Wohnungsbau vernachlässigt, ein uneffektives Gesundheitssystem verf e-stigt. Es hat eine Umverteilung großen Ausmaßes von unten nach oben stattgefunden. Angesichts der welt-



    Dr. Dietmar Keller
    wirtschaftlichen Rezession brechen wegen dieser ungelösten Probleme ökonomische, soziale und finanzielle Konflikte verschärft aus.
    Nein, meine Damen und Herren, der sogenannte Solidarpakt löst nicht die wirtschaftlichen und sozialen Probleme, die in der Bundesrepublik Deutschland anstehen. Er wird sie verschärfen. Er stellt eine Bankrotterklärung dar. Von den für 1993 vorgesehenen Einsparungen von 1,1 Milliarden DM gehen allein 674 Millionen DM zu Lasten staatlicher Sozialleistungen. Auch 1994 soll bei den Sozialleistungen um über 2 Milliarden DM gekürzt werden. Bis 1996 sollen für die Bundesanstalt für Arbeit mindestens 6 Milliarden DM weniger ausgegeben werden. Das bedeutet entweder einen weiteren drastischen Leistungsabbau oder noch weniger ABM und andere beschäftigungspolitische Maßnahmen.
    Die Bundesregierung weist zwar stets darauf hin, daß zur finanziellen Ausgewogenheit auch ein Abbau von Steuervergünstigungen und Subventionen vorgesehen sei. Bei genauer Betrachtung zeigt sich jedoch, daß nur über Kürzungen in Höhe von 5 Milliarden DM Einvernehmen erzielt werden konnte. Wir mißbilligen auch die bekundete Absicht, die Sozialhilfe für Asylbewerber und -bewerberinnen so drastisch zu kürzen und vor allem überwiegend in Sachleistungen auszuzahlen.
    Nicht nur die PDS/Linke Liste kritisiert, daß eine Reihe wichtiger Fragen im Solidarpakt unbeantwortet geblieben sind oder ergebnislos an Arbeitsgruppen delegiert wurden.
    Erstens. Über den bis 1996 durch Subventionskürzungen und Einsparungen zu erbringenden Einsparbetrag des Bundes in Höhe von 9 Milliarden DM ist kein Einvernehmen erzielt worden.
    Zweitens. Die Bahnreform wurde ausgeklammert.
    Drittens. Die Frage, ob der Schienenpersonennahverkehr und der öffentliche Personennahverkehr durch die Länder übernommen werden soll, wurde nicht abschließend beantwortet.
    Viertens. Die von der Bundesregierung, den Koalitionsfraktionen und der SPD angestrebte aufkommensneutrale Reform der Unternehmensbesteuerung ist nicht in Sicht.
    Fünftens. Ein Wohnungsbauprogramm für die alten Bundesländer wurde offenbar nicht einmal für diskussionswürdig befunden.
    Sechstens. Als Folge der Verhandlungen über den Solidarpakt wird inzwischen sogar von Regierungsseite bezweifelt, daß in den alten Bundesländern der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab 1996 realisierbar ist.
    Siebtens. Für die angekündigte Erarbeitung gesenkter Standards bei den Klärwerken durch Wegfall der dritten Reinigungsstufe und bei der Technischen Anleitung Siedlungsabfall fehlen Rahmendaten.
    Achtens. Die als Überprüfungen angekündigten Überlegungen, Standards bei öffentlichen Einrichtungen, z. B. beim Wohnungs- und Straßenbau und bei Kindergärten, ebenfalls zu senken, werden offenbar dem freien Spiel der Kräfte in künftigen Beratungsrunden überlassen.
    Neuntens. Der angekündigte Verzicht auf die Forderung nach Straßenrückbau, der die Umweltstandards auf das Niveau der fünfziger Jahre zurückschrauben wird, ist ohne jede Präzisierung geblieben.
    Zehntens. Unternehmer, die Banken, das Handwerk oder die Deutsche Bundesbank werden auch weiterhin am Solidarpakt nicht beteiligt werden.
    Elftens. Wir halten es für einen Fehler, daß dem Konsolidierungsprogramm keine Gesamtübersicht über die Lage der öffentlichen Schulden, der Haushalte und der öffentlichen Kassen zugrunde liegt. Die Bundesregierung geht derzeit von einer Neuverschuldung bis zum Jahresende von rund 55 Milliarden DM aus. Wir rechnen mit mindestens 70 Milliarden DM.
    Zwölftens. Dem ab 1. Januar 1995 wieder zu entrichtenden Solidaritätszuschlag auf die Lohn- und Einkommensteuer von 7,5 %, als dessen Ergebnis dem Bund jährlich mindestens 28 Milliarden DM zur Verfügung stehen würden, fehlt eine soziale Komponente. Das Konsolidierungsprogramm zementiert die ungleiche Lastenverteilung vor allem dadurch, daß auf die Einführung einer Ergänzungsabgabe verzichtet werden soll und daß Beamte, Selbständige und Freiberufler auch in Zukunft zur Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik keinen Beitrag leisten müssen.
    Wir treten für eine Wirtschafts- und Sozialpolitik ein, die den Einstieg in eine generelle wirtschafts- und sozialpolitische Wende sichert und eine Alternative zum Solidarpakt bildet; denn die Probleme resultieren aus den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen, die durch die herrschende Politik verfestigt und durch die gegenwärtige weltwirtschaftliche Krise zugespitzt werden. Die ökonomische Talfahrt kann nur gestoppt werden, wenn weitere Kürzungen bei den Sozialleistungen und die Senkung des Reallohns verhindert werden sowie vor allem in Ostdeutschland ein neues, innovatives und auf die Umwelterfordernisse ausgerichtetes Wirtschaftspotential gefördert wird.
    Wir haben dem Deutschen Bundestag einen Entschließungsantrag unterbreitet und fordern darin eine aktive Industrie- und Strukturpolitik in den Ländern und Regionen. Wir fordern eine Politik, die eine generelle Veränderung im gesellschaftlichen System der Arbeitsteilung anstrebt, um das Recht auf Arbeit auch wirklich durchzusetzen. Wir fordern eine Beschäftigungspolitik, die die vorhandenen Arbeitsmarktinstrumente wirksam nutzt, weiter ausbaut und um neue ergänzt. Wir fordern eine Politik, die den ökologischen Umbau endlich ernst nimmt, eine Politik, die öffentliche Investitionsprogramme für Wohnungsbau, Infrastruktur und Umweltsanierung realisiert. Wir fordern eine Umkehr in der Sozialpolitik, die endlich den Einstieg in die soziale Grundsicherung ermöglicht.
    Die wirksamere Nutzung der Arbeitsmarktinstrumente muß mit der Schaffung perspektivischer Dauerarbeitsplätze durch eine aktive regionale Struktur-



    Dr. Dietmar Keller
    und Beschäftigungspolitik verbunden werden. Eine zentrale Rolle spielt hierbei die öffentliche Finanzierung dringend notwendiger regulärer Arbeitsplätze in den Bereichen humaner Dienstleistungen und Umweltsanierung.
    Bis 1994/95 wird infolge des Anschlusses Ostdeutschlands ein zusätzlicher Schuldenberg von wenigstens 450 Milliarden DM anfallen. Zwei Drittel dieser Schulden sind Resultat der Zerstörung des Wirtschaftspotentials und der massenhaften Vernichtung von Arbeitsplätzen in Ostdeutschland infolge des Crashkurses der Bundesregierung. Zur Finanzierung dieses Lastenausgleichs bieten sich aus unserer Sicht insbesondere an: die Bekämpfung des Betrugs bei der Zinsbesteuerung, eine höhere Besteuerung des Vermögens an Immobilien auf Basis des Verkehrswertes unter Berücksichtigung sozialer Mindestgrenzen, die Erhöhung der Erbschaftsteuer unter Beibehaltung der gegenwärtigen Freibeträge.
    Zur Finanzierung dieser Vorschläge für eine neue Wirtschafts- und Sozialpolitik schlagen wir —und das nicht erst seit kurzem — vor, den Verteidigungshaushalt drastisch zu kürzen, die Bezüge der Spitzenbeamten im öffentlichen Dienst zu kürzen, keine Extrapensionen für Staatsbeamte vor dem Rentenalter zu zahlen sowie das Ehegattensplitting zu einer wirksamen Förderung von kinderreichen und einkommensschwachen Familien umzubauen, die die Freibeträge übersteigenden Zinseinkünfte progressiv und wirksamer zu besteuern, das Vermögen an Immobilien auf der Grundlage ihrer Neubewertung zum tatsächlichen Verkehrswert höher zu besteuern, die Erbschaftsteuer unter Beibehaltung der gegenwärtigen Freibeträge zu erhöhen, Banken und Versicherungen eine Zwangsanleihe in Höhe von mindestens 1,5 % der Bruttowertschöpfung abzufordern, die 1993 wirksam gewordene Senkung der Vermögen- und Gewerbesteuer zurückzunehmen

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Das ist ja schlimmer als Honecker, was Sie da vortragen! Das ist ja Wirtschaftsstalinismus!)

    sowie auf die im Standortsicherungsgesetz vorgesehene Nettosteuersenkung für Unternehmen zu verzichten und von westdeutschen Unternehmen für mindestens fünf Jahre eine Investitionshilfeabgabe in Höhe von 10 % zu verlangen, wobei in die Bernessungsgrundlage der Jahresüberschuß der Steuern sowie 2 bis 4 % der Umsätze einfließen sollten.

    (Eduard Oswald [CDU/CSU]: Sie haben noch immer nichts gelernt! Es ist wirklich traurig! — Michael Glos [CDU/CSU]: Wirtschaftsstalinismus!)

    Wir fordern darüber hinaus eine wirksamere Bekämpfung der Steuerhinterziehung und der Wirtschaftskriminalität, den Einstieg in eine ökologische Steuerreform an Stelle der Regierungsvorschläge zur Einführung einer Autobahngebühr, die Einführung einer Ergänzungsabgabe für Höherverdienende und die Einführung einer Arbeitsmarktabgabe für Minister, Abgeordnete, Selbständige und Beamte.
    Danke.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Nunmehr erteile ich dem Abgeordneten Werner Schulz das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Werner Schulz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich hatte ich erwartet, heute vom Herrn Bundeskanzler etwas darüber zu erfahren, wie der Solidarpakt den Wirtschaftsstandort Deutschland sichert. Doch dazu war kaum etwas zu hören; dazu steht aber auch nichts in diesem Paket. Dafür ein Reisebericht und ein Kanzler, der sich genüßlich von außen betrachtet und eine erstaunliche Bilanz vorlegt, was in seiner Amtsperiode alles nicht geleistet worden ist, was liegengeblieben ist, was ungelöst blieb, was er gar nicht erkannt hat.
    Es war in zehn Jahren doch genügend Zeit, diese Dinge in Angriff zu nehmen. Daß er das nicht getan hat, daß genau diese Chance bei der deutschen Vereinigung verspielt wurde, werfen wir ihm vor.
    Aber offensichtlich hat sich der Kanzler vorgenommen, jetzt auch noch die Oppositionsrolle selbst zu übernehmen und auszufüllen. Was heißt denn nüchterne Bestandsaufnahme, Ideen für die Zukunft vorlegen, alle gesellschaftlichen Kräfte einbinden? Diese Möglichkeiten waren da und sind vertan worden. Für mich gehört die Borniertheit der politischen Klasse gegenüber den anstehenden Problemen, die geringe Kraft zur gesellschaftlichen Konsensbildung zur nüchternen Bestandsaufnahme als Neu-Bundesbürger, wenn Sie so wollen, eigentlich zu dem Enttäuschenden.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerungen] [F.D.P.]: Jammern allein genügt nicht!)

    — Nein, ich werde Ihnen das auch etwas konkreter sagen. Endlich, unter Erfolgsdruck und eitlem Sonnenschein einer Klausur, ist das Kuckucksei ausgebrütet, das uns die Regierung Kohl in das gesamtdeutsche Nest gelegt hat. Doch den Namen eines Solidarpakts hat es wahrlich nicht verdient. Von Solidarität ist hier wenig zu spüren. Die Politik der wohlklingenden Namen und dürftigen Inhalte, ein Markenzeichen der Regierung der geistig-moralischen Wende hat nun die sozialdemokratische Opposition eingebunden.
    Dieser vermeintliche Solidarpakt, meine Damen und Herren, ist nichts anderes als ein Steuer- und Schuldenpakt auf Kosten der Bürger der ostdeutschen Länder und künftiger Generationen. Er bietet uns nach dem sogenannten Asylkompromiß ein zweites Exempel der „Cohabitation allemande", der informellen Großen Koalition zwischen Regierung und SPDFraktion. Die Verhandlungen um diesen Pakt zeigen uns, wie man sich eine Große Koalition vorstellen muß: kraft- und visionslos. Sie trauen weder sich noch Ihren Wählern etwas zu. Dieser Pakt löst nicht die Probleme, sondern vertagt sie, blendet sie aus oder schiebt sie zwischen den politischen Ebenen hin und her. Gewiß, der Länderfinanzausgleich hat Konturen bekommen. Doch dazu waren Bund und Lander nach dem Einigungsvertrag ohnehin verpflichtet. Diese Solidarität ist im Grundgesetz verankert. Daß sie vertagt wurde, war das Erstaunliche.



    Werner Schulz (Berlin)

    Ursprungsthema der Regierung war doch der Erhalt des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Dazu liefert dieser Pakt allerdings keinen Beitrag.
    Nur eines ist sicher: Nach der nächsten Bundestagswahl steigen die Steuern. Alles andere bleibt vage. Selbst die Bestandsaufnahme ist nicht exakt. Es gibt doch nicht den Wirtschaftsstandort Deutschland, Herr Klose. Wir haben doch bereits zwei Standorte in Deutschland: einen gefährdeten in Westdeutschland und einen Wirtschaftstandort in Ostdeutschland, der völlig weggebrochen ist. In diesen Fragen sind wir uns ja einig. Wir haben am Anfang immer die Sanierung der ostdeutschen Betriebe gefordert. Da, wo es noch möglich war, hat diese Regierung dieses Problem ignoriert, hat es abgelehnt. Was heißt denn jetzt die industriellen Kerne retten? Wieviel sind davon überhaupt noch zu retten? Momentan sind die Kerne im Westen bedroht. Das ist doch die Frage. Das ist das Problem. Niemand spricht mehr von der modernen Zukunft im Osten Deutschlands, von der innovationsträchtigen Industrie. Das sind Schlagworte, die offenbar verbraucht sind.
    Für eines muß man die Bundesregierung loben. Taktisch betrachtet war sie erfolgreich. Erneut hat sie sich über die Zeit gerettet und darüber hinaus auch noch die SPD-Opposition an ihre Seite gezwungen, die sich damit offenbar endgültig von ihrer Oppositionsrolle verabschieden will.

    (Zuruf von der SPD: Dummes Zeug)

    Eine Alternative zum Kurs der Bundesregierung ist jedenfalls nicht mehr erkennbar. Es herrscht eine neue Solidarität. Die Solidarität der Wahlverlierer, der Volksparteien, deren Volk langsam die Nase voll hat.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Die Leidtragenden sind die Bürger und Bürgerinnen der Bundesrepublik Deutschland. Bezeichnend waren die öffentlichen Reaktionen auf die Verhandlungsergebnisse. Zunächst wurde positiv bewertet, daß überhaupt ein Ergebnis zustande gekommen ist. Damit hatte offenbar niemand mehr gerechnet. Bei näherer Betrachtung wird jedoch schnell klar, wie die Einigung erzielt wurde. Der Solidarpakt ist ein Pakt auf Kosten Dritter. Durchgängiger Kommentar der Wochenzeitschriften — die hatten etwas länger Zeit zum Überlegen —: Chance vertan, vermutlich die letzte Chance der Regierung Kohl vor der Wahl. Sie hat es erneut verpaßt, die Gestaltung der inneren Einheit zur Sache der Bürger zu machen.
    Merkwürdig ist das Verfahren, mit dem dieser Pakt geschlossen wurde. Erst letzte Woche wurden der Nachtragshaushalt und das Begleitgesetz zum Föderalen Konsolidierungsprogramm eingebracht. Noch bevor dieses Paket die Ausschüsse erreicht hat, ist es in einer Runde verändert worden, die in der Verfassung überhaupt nicht vorkommt, schon gar nicht dafür vorgesehen ist. Diese Art der Gesetzgebung habe ich noch nicht einmal zu Volkskammerzeiten, die weitaus stürmischer verlaufen sind, erlebt. Offenbar wird das parlamentarische System gegen eine Kanzlerdemokratie mit Länderchefumrahmung ausgetauscht. Wen wundert es da, daß sich selbst bei den Abgeordneten langsam Politikverdrossenheit breitmacht.
    Wir sind mit diesem Pakt nicht einverstanden. Wir lassen uns nicht in eine solche Politik einbinden. Ich will Ihnen auch gerne verraten, warum.
    Erstens. Der Solidarpakt geht zu Lasten künftiger Generationen. Der Schuldenberg, den die Bundesregierung angehäuft hat, wird weiterhin dramatisch ansteigen. Allein die Zahlen des Föderalen Konsolidierungskonzeptes weisen für 1995 einen Fehlbetrag von fast 20 Milliarden DM aus. Darin sind jedoch eine Reihe von Risiken unterschätzt. Die großen Schuldenposten: Treuhandanstalt, ostdeutsche Wohnungswirtschaft, Kreditabwicklungsfonds werden sehr zurückhaltend eingeschätzt. Der nach 1995 einzurichtende Erblastfonds wird deutlich höhere Schulden umfassen als die jetzt veranschlagten 400 Milliarden. Hinzu kommen die konjunkturellen Etatrisiken bei der Bundesanstalt für Arbeit und bei den Steuereinnahmen. Über den schon geplanten Anstieg der Verschuldung hinaus zeichnet sich eine weitere Schuldenexplosion im öffentlichen Sektor ab. Ein Wechsel auf die Zukunft könnte man sagen, wenn nicht die Zukunft der drückend hohen Zinslasten in den öffentlichen Haushalten schon begonnen hätte.
    Zweitens. Zu einem Programm vernünftiger Einsparungen hat es bei den Verhandlungen im Kanzleramt dagegen nicht gereicht. Von den 9 Milliarden DM ohnehin zu niedrig angesetzten Sparmaßnahmen sind bisher nur 3,9 Milliarden DM fest vereinbart worden. Was bei den Verhandlungen über den Rest herauskommt, ist angesichts bisheriger Erfahrungen mit dem Subventionsabbau mehr als zweifelhaft. Damit sind auch die Vereinbarungen über die Umsatzsteuer mit einem Fragezeichen versehen.
    Drittens. Der Pakt zwischen SPD und Bundesregierung beendet die soziale Schieflage nicht. Zwar sind die Pläne für den schlimmsten Sozialabbau zunächst einmal vorläufig vom Tisch, doch trotzdem sind immer noch erhebliche Kürzungen bei den Sozialleistungen geplant. So führt die Deckung der Sozialhilferegelsätze zu empfindlichen und nachhaltigen Einschnitten. Ohne Inflationsausgleich wird aber das Bedarfsprinzip nach und nach ausgehöhlt. Das Existenzminimum darf jedoch nicht zur Disposition einer Runde betuchter Politiker stehen. Die Sicherung einer menschenwürdigen Lebensführung ist ein unverzichtbarer Grundpfeiler des sozialen Rechtsstaates.
    Auch die schon bestehende Ungerechtigkeit in der Finanzierung der Einheit wird fortgeschrieben. Die Beitragszahler der Sozialversicherung müssen weiterhin einen großen Teil der Transfers in die neuen Bundesländer allein finanzieren. Der Solidarpakt ändert daran nichts. Die Lohneinkommen werden weiterhin über Gebühr in Anspruch genommen. Ein Trost, daß wenigstens die Familie Krause in Börgerende mit großherzigen Rückzahlungen an das Arbeitsamt ihren persönlichen Beitrag zur Entlastung der Arbeitslosenversicherung leistet.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

    Jeden Tag eine gute Tat, und es geht aufwärts mit Deutschland und der CDU.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)




    Werner Schulz (Berlin)

    Viertens. Die Finanzlasten der deutschen Einheit sind nach wie vor nicht gerecht zwischen Bund und Ländern verteilt. Die alten Bundesländer haben ihre Verhandlungsmacht ausgespielt und sich erneut der Verantwortung entzogen. Sie werden, wenn die öffentlichen Zahlen zutreffend sind, im Jahre 1995 nur etwa 2 Milliarden DM zusätzlich zu tragen haben. Für die Finanzausstattung der neuen Länder reichen die vereinbarten Finanzmittel von 55 Milliarden nicht aus. Die Ministerpräsidenten hatten in Potsdam den , zusätzlichen Finanzbedarf der Ostländer mit 60 Milliarden plux x beziffert. Nach Auffassung der Ostländer war x bis dahin, vor wenigen Tagen, gleich 18. Die Kanzlerrunde kam auf x gleich minus 5. Was mag nur zu der wundersamen Bedarfssenkung um 23 Milliarden binnen weniger Tage geführt haben? Wie lange wird sie vorhalten?
    Wenn es dabei bleibt, wird die Sparsamkeit am falschen Platz auf Kosten der so dringend notwendigen öffentlichen Investitionen in den neuen Bundesländern gehen oder sie führt dort zu einer rasanten Neuverschuldung.
    Fünftens. Der Pakt auf Kosten Dritter ist ökologisch blind. Auf der ökologischen Habenseite bleibt nur die Ausweitung des Kreditrahmens der Treuhand zur Sanierung ökologischer Altlasten. An der Absichtserklärung, was sie wert ist, sehen wir daran, wie CDU/CSU das Staatsziel Umweltschutz behandeln. Was uns Herr Schäuble dazu hier ausgeführt hat, war ein Glanzstück, was er beherrscht, zum Thema verkehrte Welt. Allen ist doch mittlerweile aufgefallen, daß die verantwortlichen Politiker — Sie hören aufmerksam zu — von CDU und CSU offensichtlich lieber in Privatflugzeuge, Test- und Gratiswagen einsteigen als in eine verantwortliche Diskussion über unsere Zukunft, über den Zustand unserer Umwelt. — Doch, da können Sie den Kopf schütteln, wie Sie wollen, Herr Schäuble. Darüber sollten wir uns einmal etwas genauer austauschen.
    Da mag auch Oskar Lafontaine im Bundestag, soviel er will, von der Notwendigkeit des ökologischen Umbaus reden, wenn es zum Schwur kommt, bleibt die Umwelt auf der Strecke. Kein Einstieg in die Ökosteuerreform, keine Erhöhung der Mineralölsteuer! Eigenartig! Erst gestern konnte man in der „Frankfurter Rundschau" lesen, das Wirtschaftsministerium halte einen ökologischen Umbau des Steuersystems u. a. wegen seiner positiven Wirkungen für die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland für notwendig. Das klingt gut, aber keiner macht das. Das entspricht dem Tenor der Kanzlerrede.
    Fazit des' Ganzen: Der große Wurf ist nicht gelungen. Die große gemeinsame Kraftanstrengung verharrt im Tauziehen der politischen Akteure. Die Einbeziehung gesellschaftlicher Kräfte blieb aus. Während im Kanzleramt der Solidarpakt geschmiedet wurde, spitzten sich im Lande die Auseinandersetzungen zwischen den Tarifparteien bedrohlich zu. Dieser Pakt ist nicht sozial, nicht ökologisch, nicht gerecht und finanziell nicht solide.
    Meine Damen und Herren, die Chance zu einer solidarischen Lastenteilung darf nicht länger vertan werden. Allzuoft sind die Menschen in unserer Gesellschaft getäuscht worden. Die soziale und finanzpolitische Stabilität in der Bundesrepublik muß auf dem schnellsten Weg wiederhergestellt werden. Eine sozial gerechte Finanzierung der deutschen Einheit ist mehr als überfällig. Die einkommensstarken Schichten müssen endlich einen angemessenen Beitrag leisten.
    Ebenso dringend ist eine Korrektur der unsoliden Schuldenpolitik notwendig. Nicht nur der Schulden-stand und die Neuverschuldung der Gebietskörperschaften, sondern des gesamten öffentlichen Sektors einschließlich der Sondervermögen muß deutlich zurückgeführt werden. Die dramatisch angestiegene Zinsbelastung der öffentlichen Haushalte droht allenfalls die finanzpolitische Handlungsfähigkeit des Staates zu lähmen. Die enorme Staatsverschuldung versperrt schon jetzt unseren Weg nach Europa. Nur eine solide Finanzpolitik schafft auch der Bundesbank kredit- und geldpolitischen Spielraum, der für eine konjunkturelle Belebung unabdingbar ist.
    Unsere Vorschläge für den finanzpolitischen Wechsel, für den Lastenausgleich deutsche Einheit liegen vor. Wir verlangen zur soliden Finanzierung des wirtschaftlichen Aufbaus in den neuen Ländern eine struktur- und finanzpolitisch ausgerichtete Investitionshilfeabgabe der Unternehmen. Damit werden die größten Gewinner der Einheit, die westdeutschen Unternehmen, denen der Vereinigungsboom jahrelang die Kassen gefüllt hat, jetzt auch zur Finanzierung der Einheit herangezogen. Die Einnahmen aus der Abgabe werden über einen Fonds zweckgebunden zur Kapitalbildung in den neuen Bundesländern verwendet. Wer in den neuen Bundesländern investiert, kann dies mit der Abgabe verrechnen.
    Die Gerechtigkeitslücke bei der Finanzierung der deutschen Einheit wollen wir — darin sind und waren wir uns mit der SPD einig — durch eine Arbeitsmarktabgabe schließen. Wir geben Ihnen die Gelegenheit, mit einem Entschließungsantrag heute das noch einmal zu unterstützen. Ich hoffe, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, daß Sie uns hier unterstützen.
    Wir fordern eine Korrektur dieser unsoliden Schuldenpolitik. Die Zinsbelastung der öffentlichen Haushalte muß rückgängig gemacht werden. Wir haben genügend Vorschläge zum Abbau ökonomisch und ökologisch ungerechtfertigter Subventionen vorgelegt, zuletzt in einem Brief an den Kanzler anläßlich der Solidarpaktgespräche. Doch an konstruktiven Vorschlägen hat diese Regierung überhaupt kein Interesse. Sie betreibt lieber Wortschöpfung statt Wertschöpfung.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS/Linke Liste)