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    Plenarprotokoll 12/149 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 149. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 25. März 1993 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeordneten Siegfried Vergin 12721 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 12721 A Nachträgliche Überweisung von Gesetzentwürfen an weitere Ausschüsse . . . 12721 B Begrüßung einer Delegation der bolivianisch-deutschen Freundschaftsgruppe im bolivianischen Parlament 12790 B Tagesordnungspunkt 6: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Der Solidarpakt als Grundlage für die Sicherung des Standortes Deutschland Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler BK . . . 12722A Hans-Ulrich Klose SPD 12730D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . 12736B Hans-Ulrich Klose SPD . . . . . . 12738 B Peter W. Reuschenbach SPD 12739 A Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . . . . 12741 B Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . 12744 C Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 12746C Michael Glos CDU/CSU 12748 D Wolfgang Thierse SPD 12751D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . 12752B, 12763 C Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. 12752 D Ernst Hinsken CDU/CSU . . 12755D, 12769B Jan Oostergetelo SPD . . . . . . . . . 12756 A Heribert Scharrenbroich CDU/CSU . . , 12757 A Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 12757 C Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . 12759 C Hans Peter Schmitz (Baesweiler) CDU/ CSU 12760C Rudolf Dreßler SPD . . . . . . . . . . 12762 B Hans-Eberhard Urbaniak SPD 12763A, 12772B Hans Büttner (Ingolstadt) SPD 12764 A Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste . . . 12766C Michael Glos CDU/CSU 12768 C Heribert Scharrenbroich CDU/CSU . . 12769 D Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin BMBau 12770 D Petra Bläss PDS/Linke Liste . . . . . . 12772 C Dr. Walter Hitschler F.D.P. . . . . . 12773 B Dr.-Ing. Paul Krüger CDU/CSU . . . . 12774 A Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 12775 C Ortwin Lowack fraktionslos . . . . . 12777 A Tagesordnungspunkt 4: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den Übereinkommen vom 23. Oktober 1991 über Kambodscha (Drucksache 12/4469) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll Nr. 9 vom 6. November 1990 sowie zu dem Protokoll Nr. 10 vom II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. März 1993 25. März 1992 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Drucksache 12/ 4474) c) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung und der Spielverordnung (Drucksache 12/4488) d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 22. April 1992 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Albanien über den zivilen Luftverkehr (Drucksache 12/4472) e) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuchs (Mietwohnungssicherungsgesetz) (Drucksache 12/4396) f) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Sofortmaßnahmen zur Durchsetzung friedlicher Verhandlungslösungen im ehemaligen Jugoslawien (Drucksache 12/4192) g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Rücknahme des Gesetzentwurfs über den Bau der „Südumfahrung Stendal" der Eisenbahnstrecke Berlin-Oebisfelde durch die Bundesregierung (Drucksache 12/4480) h) Beratung der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu dem ersten Bericht über die Anwendung der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer (Drucksache 12/4179) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 1: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (Drucksache 12/4616) 12778C Tagesordnungspunkt 5: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 23. Juli 1990 über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen (Drucksachen 12/4071, 12/4537) b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 4. Oktober 1991 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und über gegenseitige Amtshilfe auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Drucksachen 12/4072, 12/4598, 12/ 4599) c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Reichsheimstättengesetzes (Drucksachen 12/3977, 12/4565) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über den Jugendarbeitsschutz (Drucksachen 12/2867 Nr. 2.17, 12/3721) e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zur Nachtarbeit und zur Aufkündigung des Übereinkommens 89 der Internationalen Arbeitsorganisation (Drucksachen 12/2538, 12/4380) f) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgabe im Haushaltsjahr 1993 bei Kapitel 10 04 Titel 683 21 — Erstattungen bei der Ausfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet — (Drucksachen 12/4142, 12/4476) g) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 94 zu Petitionen (Drucksache 12/4531) h) Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung: Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens (Drucksache 12/4554) in Verbindung mit Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. März 1993 III Zusatztagesordnungspunkt 2: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 95 zu Petitionen (Drucksache 12/4625) 12779B Tagesordnungspunkt 7: Beratung des Antrags der Abgeordneten Ottmar Schreiner, Adolf Ostertag, Gerd Andres, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Ablösung des Arbeitsförderungsgesetzes durch ein Arbeits- und Strukturförderungsgesetz (Drucksache 12/4294) Ottmar Schreiner SPD 12781A Julius Louven CDU/CSU 12783 B Gerda Hasselfeldt CDU/CSU 12784 B Dr. Gisela Babel F.D.P. 12786D Petra Bläss PDS/Linke Liste 12790B Horst Günther, Parl. Staatssekretär BMA 12792A Hans Büttner (Ingolstadt) SPD 12793B, 12799B, 12803 C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 12793 C Günther Heyenn SPD 12793 D Adolf Ostertag SPD 12795 C Dr. Alexander Warrikoff CDU/CSU . . 12798B, 12802 B Barbara Weiler SPD 12.798D, 12804 D Renate Jäger SPD 12800 C Hans Büttner (Ingolstadt) SPD 12802 A Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU . . . . 12802 D Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 12805 C Tagesordnungspunkt 8: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung der Tarife im Güterverkehr (Tarifaufhebungsgesetz) (Drucksachen 12/3701, 12/4231, 12/4595, 12/4596) Helmut Rode (Wietzen) CDU/CSU . . . 12806 D Dr. Rolf Niese SPD 12809 C Horst Friedrich F D P 12811D Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär BMV 12813B Zusatztagesordnungspunkt 3: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zu ihrem unter Verschluß gehaltenen Gutachten zum Ausbau von Saale- und Elbe-Staustufen Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 12814 C Clemens Schwalbe CDU/CSU . . . . . 12815 B Dietmar Schütz SPD 12816 B Dr. Sigrid Hoth F D P 12817 A Renate Blank CDU/CSU 12818B Susanne Kastner SPD 12819A Dr. Klaus Röhl F.D.P. 12820A Rudolf Meinl CDU/CSU 12821A Reinhard Weis (Stendal) SPD 12821 C Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär BMV 12822 C Heinz-Günter Bargfrede CDU/CSU . . 12823D Dr. Margrit Wetzel SPD 12824 D Dr. Harald Kahl CDU/CSU 12825 D Tagesordnungspunkt 9: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Edith Niehuis, Hanna Wolf, Brigitte Adler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Lage der Frauen- und Mädchenhäuser und gesetzgeberischer Handlungsbedarf (Drucksachen 12/2243, 12/3909) Dr. Edith Niehuis SPD . . . . . . . . . 12826 D Ilse Falk CDU/CSU . . . . . . . . . . . 12828D Dr. Sigrid Semper F D P 12829 D Petra Bläss PDS/Linke Liste 12830D Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12831C Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ 12832B Tagesordnungspunkt 10: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Petra Bläss und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Perspektiven für Frauen im ländlichen Raum in den neuen Bundesländern (Drucksachen 12/2360, 12/3910) Petra Bläss PDS/Linke Liste 12833 C Claudia Nolte CDU/CSU . . . . . . . 12835 A Angelika Barbe SPD . . . . . . . . . 12835 D Lisa Peters F.D.P. 12838A Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12839 C Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ 12840 C Tagesordnungspunkt 11: a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Übereinkommens über die Rechte des Kindes für die Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 12/4168) b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ina Albowitz, Dr. Gisela Babel, Angelika Barbe und weiterer Abgeordneter: Kinderbericht der Bundesregierung (Drucksache 12/4388) Dr. Sissy Geiger (Darmstadt) CDU/CSU . 12841 D Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . . 12843 A Norbert Eimer (Fürth) F.D.P. . 12845A, 12854 B IV Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. März 1993 Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . 12846 B Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 12847 C Klaus Riegert CDU/CSU 12848 C Gudrun Weyel SPD 12849D Norbert Eimer (Fürth) F.D.P. . . . . 12850A Margot von Renesse SPD . . . 12850B, 12854 B Klaus Riegert CDU/CSU 12850 C Susanne Rahardt-Vahldieck CDU/CSU 12852B Margot von Renesse SPD . . . 12.852C, 12855 C Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . 12853A Rainer Funke, Parl. Staatssekretär BMJ . 12854 C Herbert Werner (Ulm) CDU/CSU (Erklärung nach § 30 GO) . . . . . . . . . . . 12856 A Tagesordnungspunkt 12: a) Erste Beratung des von der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Gruppe der PDS/Linke Liste eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Opferentschädigungsgesetzes (Drucksache 12/4297) b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Vera Wollenberger, Dr. Klaus-Dieter Feige, Ingrid Köppe, weiteren Abgeordneten und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Opferentschädigungsrechts (Drucksache 12/ 4348) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Opferentschädigungsgesetzes (Drucksache 12/4611) 12857B Nächste Sitzung 12857 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 12858* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 12 (Gesetzentwürfe zur Änderung des Opferentschädigungsgesetzes) Andrea Lederer PDS/Linke Liste . . . . 12858* D Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12860* B Gertrud Dempwolf CDU/CSU 12861* D Ulrike Mascher SPD 12862* C Hans A. Engelhard F D P. 12863* A Horst Günther, Parl. Staatssekretär BMA 12863* B Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. März 1993 12721 149. Sitzung Bonn, den 25. März 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Altherr, Walter CDU/CSU 25.3.93 Antretter, Robert SPD 25.3.93* Augustin, Anneliese CDU/CSU 25.3.93 Bartsch, Holger SPD 25.3.93 Berger, Hans SPD 25.3.93 Bindig, Rudolf SPD 25.3.93* Dr. Blank, CDU/CSU 25.3.93 Joseph-Theodor Blunck (Uetersen), SPD 25.3.93* Lieselott Böhm (Melsungen), CDU/CSU 25.3.93* Wilfried Büchler (Hof), Hans SPD 25.3.93* Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 25.3.93 Doss, Hansjörgen CDU/CSU 25.3.93 Eylmann, Horst CDU/CSU 25.3.93 Dr. Feige, Klaus-Dieter BÜNDNIS 25.3.93 90/DIE GRÜNEN Dr. Feldmann, Olaf F.D.P. 25.3.93* Dr. Fell, Karl H. CDU/CSU 25.3.93 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 25.3.93* Gattermann, Hans H. F.D.P. 25.3.93 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 25.3.93 Genscher, Hans-Dietrich F.D.P. 25.3.93 Gerster (Mainz), CDU/CSU 25.3.93 Johannes Dr. Gysi, Gregor PDS/Linke 25.3.93 Liste Haack (Extertal), SPD 25.3.93 Karl-Hermann Hasenfratz, Klaus SPD 25.3.93 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 25.3.93 Hiller (Lübeck), Reinhold SPD 25.3.93 Hollerith, Josef CDU/CSU 25.3.93 Dr. Holtz, Uwe SPD 25.3.93* Ibrügger, Lothar SPD 25.3.93** Jelpke, Ulla PDS/Linke 25.3.93 Liste Jung (Limburg), Michael CDU/CSU 25.3.93 Junghanns, Ulrich CDU/CSU 25.3.93* Kirschner, Klaus SPD 25.3.93 Kittelmann, Peter CDU/CSU 25.3.93* Klemmer, Siegrun SPD 25.3.93 Köppe, Ingrid BÜNDNIS 25.3.93 90/DIE GRÜNEN Dr.-Ing. Laermann, F.D.P. 25.3.93 Karl-Hans Lenzer, Christian CDU/CSU 25.3.93* Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 25.3.93 Link (Diepholz), Walter CDU/CSU 25.3.93 Lummer, Heinrich CDU/CSU 25.3.93* Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 25.3.93* Erich Marten, Günter CDU/CSU 25.3.93* Dr. Matterne, Dietmar SPD 25.3.93 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Meyer zu Bentrup, CDU/CSU 25.3.93* Reinhard Dr. Modrow, Hans PDS/Linke 25.3.93 Liste Dr. Müller, Günther CDU/CSU 25.3.93* Neumann (Gotha), SPD 25.3.93* Gerhard Oesinghaus, Günther SPD 25.3.93 Opel, Manfred SPD 25.3.93 Dr. Otto, Helga SPD 25.3.93 Paintner, Johann F.D.P. 25.3.93 Dr. Pflüger, Friedbert CDU/CSU 25.3.93 Pfuhl, Albert SPD 25.3.93 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 25.3.93* Reddemann, Gerhard CDU/CSU 25.3.93* Reimann, Manfred SPD 25.3.93* Rempe, Walter SPD 25.3.93 Richter (Bremerhaven), F.D.P. 25.3.93 Manfred Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 25.3.93 Ingrid Dr. Scheer, Hermann SPD 25.3.93* Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 25.3.93 Schulte (Hameln), SPD 25.3.93* Brigitte Dr. Solms, Hermann Otto F.D.P. 25.3.93 Dr. Sperling, Dietrich SPD 25.3.93 Dr. Sprung, Rudolf CDU/CSU 25.3.93* Steiner, Heinz-Alfred SPD 25.3.93* Stübgen, Michael CDU/CSU 25.3.93 Dr. von Teichman, F.D.P. 25.3.93* Cornelia Tietjen, Günther SPD 25.3.93 Tillmann, Ferdi CDU/CSU 25.3.93 Vogel (Ennepetal), CDU/CSU 25.3.93* Friedrich Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 25.3.93 Wettig-Danielmeier, Inge SPD 25.3.93 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 25.3.93 Dr. Wieczorek CDU/CSU 25.3.93 (Auerbach), Bertram Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 25.3.93 Würfel, Uta F.D.P. 25.3.93 Zierer, Benno CDU/CSU 25.3.93* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 12 (Gesetzentwürfe zur Änderung des Opferentschädigungsgesetzes) Andrea Lederer (PDS/Linke Liste): Dieser Bundestag hat ja bereits mehrmals bewiesen, daß er durchaus in der Lage ist, Gesetze schnell durchzupeitschen. In Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. März 1993 12859' der Regel ist das der Fall, wenn die Regierungskoalition mißliebige Debatten abbrechen oder einfach vermeiden will. In einem Fall hätte ich mir allerdings gewünscht, daß wirklich etwas über Nacht — und zwar schon vor 1991 — durchgepeitscht worden wäre, nämlich die Änderung des Opferentschädigungsgesetzes mit dem Ziel, auch Menschen mit einer anderen als der deutschen Staatsangehörigkeit in die Ansprüche auf Versorgungsleistungen einzubeziehen. Durch den Gesetzentwurf der PDS/Linke Liste und den wenige Tage später eingereichten Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird diese erste Lesung überhaupt erst herbeigeführt — und das, nachdem über zwei Jahre eine Welle der Gewalt gegen ausländische Mitbürger und Mitbürgerinnen durch dieses Land tobt, die viele von ihnen zu Opfern gemacht hat, die aber von der bisherigen Regelung im OEG ausgeschlossen bleiben. Und obwohl gerade die großen Parteien unisono gerne ihre Bemühungen gegen Ausländerfeindlichkeit ins Rampenlicht zu bringen versuchen, reichte es lange Zeit zu nicht mehr als Worten. Die SPD hat jetzt endlich noch auf die Schnelle einen Entwurf nachgereicht. Und die Bundesregierung hat erst einmal nur einen Kabinettsentwurf beschlossen, der hier aber noch nicht einmal in erster Lesung mitberaten wird. Dies bedeutet wohl, daß die Opfer rassistischer Übergriffe noch länger werden warten müssen, um ihre Entschädigungsansprüche geltend machen zu können. Zu den Gesetzesentwürfen: Unser Entwurf sieht vor, die diskriminierende Regelung in § 1 Abs. 4 OEG zu streichen. Die Regelung war schon vor dieser Welle der Gewalt gegen Ausländer diskriminierend. Die Diskriminierung ist in der Öffentlichkeit erst jetzt deutlich geworden, nachdem die meisten der Opfer rassistischer Übergriffe gerade von einer Entschädigung nach dem OEG ausgeschlossen bleiben, nämlich Flüchtlinge und andere Ausländer, die aus Ländern kommen, die sich Gegenseitigkeitsabkommen angesichts ihrer wirtschaftlichen Lage gar nicht leisten können. Abgesehen davon stünde diesem Land eine besondere Fürsorgepflicht gegenüber allen Menschen anderer Nationalität gut an. Hünxe ist nur ein Beispiel: Fast allen Flüchtlingen wird durch die bisherige gesetzliche Regelung die Unterstützung und Hilfeleistung entzogen, wenn ihnen durch Brandanschläge auch noch ihr letztes Hab und Gut genommen wird. Der Staat handelt bislang nach dem Motto: Ihr lebt hier auf euer eigenes Risiko. Ich bin sicher, daß es im Rahmen der Ausschußberatungen zwischen den Entwürfen von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und unserem Entwurf eine Übereinstimmung geben wird, zumal ich die im BÜNDNIS90-Antrag vorgeschlagene Änderung des Bundessozialhilfegesetzes nur nachhaltig unterstützen kann. Der Entwurf der SPD ist hingegen sichtbar schnell zusammengezimmert worden. Wenn das die knallharte Oppositionspolitik sein soll, die der Kollege Struck angekündigt hat, dann kann ich nur lachen: Sie sind hier von der Bundesregierung in einigen Punkten positiv überholt worden. Abgesehen davon, daß ich es — freundlich formuliert — seltsam finde, daß in Ihrem Entwurf eine Rückwirkung bis zum 1. Juli 1992 enthalten ist, während die Bundesregierung sich immerhin dazu durchgerungen hat, eine Rückwirkung bis zum 1. Januar 1991 zuzulassen, abgesehen davon ist einfach nicht erklärlich, warum Sie erneut bestimmte Gruppen von Menschen aus den Entschädigungsregelungen ausnehmen wollen. Ich bin der Meinung, daß ein erforderliches Grundprinzip nicht verstanden und beachtet wird, wenn in Fällen von fremdenfeindlichen Übergriffen, zu deren gesellschaftlichen Klima und Umfeld maßgeblich die Diskussion um das Asylrecht — inszeniert in Bonn — beigetragen hat, auch nur irgendein Mensch einer anderen Nationalität von Versorgungsleistungen ausgeschlossen bleibt. Warum sollen Touristen, die hier von Neonazis angegriffen werden, nicht Ansprüche geltend machen können? Sie, die hier allenthalben um das Bild Deutschlands in der Welt bangen, hätten allen Anlaß dazu, nicht wieder zu selektieren, sondern eine Regelung vorzuschlagen, die allen Opfern solcher Übergriffe eine Entschädigung ermöglicht. Ich will noch einmal Motivsuche betreiben, warum es so endlos lang dauert, bis hier eine zum Himmel schreiende Diskriminierung von Menschen anderer Nationalität abgeschafft wird. Und ich will dazu an eine Debatte erinnern, in der wir per Antrag die Einrichtung einer Stiftung für Opfer fremdenfeindlicher Übergriffe forderten. Herr Göttsching von der CDU/CSU hat damals ausgeführt, daß es nicht dazu kommen dürfe, durch eine „Art Sondergesetzgebung für Ausländer diese gegenüber anderen Bürgern unseres Landes (zu) privilegieren". Ich denke, hier finden wir ein Beispiel dafür, welche Geisteshaltung bislang jedenfalls in der Regierungskoalition eine Entschädigung der Opfer von fremdenfeindlichen Übergriffen verhinderte. Es ist schon ein starkes Stück gewesen, von der Sondergesetzgebung für Ausländer zu reden, wenn es nicht nur erstmals um eine Gleichbehandlung ausländischer Mitbürgerinnen geht, sondern wenn allgemein bekannt ist, daß die bundesdeutschen Normen zahlreiche Sondergesetze gegen Ausländer enthalten. Die schreckliche Bilanz des Terrors der letzten Jahre ist bekannt. Und bekannt ist auch — zumindest in den Menschenrechtsorganisationen, aber auch bei Organisationen wie dem Weißen Ring, daß ein beträchtlicher Teil der Opfer dieses Terrors durch die bestehende Gesetzgebung in der BRD benachteiligt sind. Der Weiße Ring mußte diesen Umstand in aller Deutlichkeit wiederholt feststellen, zuletzt in Erklärungen im Jahre 1992. Die bloße Einklagung und Forderung nach gesetzlicher Gleichbehandlung für ausländische Opfer wurde aber in der damaligen Debatte als „Sondergesetze für Ausländer" diskreditiert. Nein, Tatsache ist, daß es nach wie vor benachteiligende Sondergesetze gegen AusländerInnen in die- 12860 * Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. März 1993 sem Land gibt. Und streng genommen ist dies ja auch der CDU/CSU bekannt. Das eigentliche Motiv für die Verhinderung von Gesetzen im Sinne der Gleichbehandlung für die Opfer ausländerfeindlicher Übergriffe und begleitender Maßnahmen wie die Einrichtung einer Stiftung wurde in derselben Debatte vom deutschen Kollegen Göttsching mit dankenswerter Offenheit vorgetragen: „Welches Signal setzen wir eigentlich für das Ausland, wenn wir eine solche Stiftung in der Bundesrepublik Deutschland installieren?" Das Protokoll vermerkt: (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU). Und Herr Göttsching führt den Kern seines Gedankens aus: „Wir schaffen praktisch eine Instanz, die jedem vor Augen führen würde, daß Deutschland nicht einmal mehr in der Lage ist, Ausländer vor systematischen — ich betone systematischen — Übergriffen zu schützen. Das kann nicht Sinn unserer Gesetzgebung sein." Über 5 000 ausländerfeindlich motivierte Straftaten allem im Jahr 1992 zeigen, daß es eine Tatsache ist, daß dieser Staat Immigrant Innen und Flüchtlinge in der Tat nicht vor systematischen Übergriffen schützen kann, und — sieht man sich beispielsweise die Ereignisse von Rostock-Lichtenhagen an — will. Natürlich muß in allererster Linie dies erreicht werden: Rassistische Übergriffe und jede Form von Diskriminierung ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger müssen verhindert werden. Und aber es muß selbstverständlich eine Entschädigung der Opfer von Übergriffen ermöglicht werden, die sowieso nie ausreichen wird, wiedergutzumachen, was ihnen angetan wurde. Wir fordern, die Gesetzentwürfe in der nächsten Sitzungswoche in den Ausschüssen zu beraten und noch Ende April zu einer Beschlußfassung in diesem Haus zu kommen. Vera Wollenberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Leistungen auf Grund des deutschen Opferentschädigungsgesetzes erhalten zur Zeit grundsätzlich nur Deutsche sowie seit 1990 auch Bürgerinnen und Bürger aus EG-Staaten, nachdem der europäische Gerichtshof deren Einbeziehung gefordert hatte. Wenn sonstige Ausländer in Deutschland Opfer einer Gewalttat werden, können sie derartige Entschädigungsleistungen nur dann beanspruchen, wenn festgestellt ist, daß in ihrem Herkunftsland Deutschen unter gleichen Voraussetzungen und im gleichen Umfang entsprechende Ausgleichszahlungen zustehen. Diese sogenannte Gegenseitigkeit besteht heute nur hinsichtlich einer Handvoll Staaten: Finnland, Norwegen, Schweden, der kanadischen Provinzen Ontario und British Columbia sowie der US-amerikanischen Bundesstaaten Maryland und Ohio. Den fremdenfeindlich motivierten Gewalttaten der letzten Wochen und Monate ist jedoch meines Wissens nach kein einziger Bürger aus den genannten Staaten zum Opfer gefallen, sondern eine Vielzahl von Menschen vorwiegend aus asiatischen oder afrikanischen Ländern, die schon an ihrer Hautfarbe als Ausländer erkennbar waren. Welche nicht hinnehmbaren Folgen dies für die Opferentschädigung hat, möchte ich an einigen Beispielen verdeutlichen: Keine Leistungen erhalten hiernach etwa die Hinterbliebenen — des Kurden Yusufoglu, der im Dezember 1990 in Hachenberg von Skinheads erstochen wurde; — des Afghanen, der im Februar 1991 nach dem Überfall auf seine Flüchtlingsunterkunft in Leisnig in Sachsen starb; — des Moçambikaners Gomondai, der im März 1991 in Dresden von Skinheads totgeschlagen wurde; — des Angolaners Agostinho, der im Juni 1991 in Friedrichshafen von einem DVU-Ordner erstochen wurde; — des Ghanaers Yeboah, der im Sepember 1991 nach einem Brandanschlag in Saarlouis starb; — des im Juli 1992 bei Stuttgart von vermummten Neofaschisten totgeschlagenen Jugoslawen Berisha. Keinerlei Ansprüche nach dem OEG haben auch — die Kinder des im Januar 1992 in Lampertsheim verbrannten Elternpaars aus Sri Lanka; -- die Frau des im März 1992 nahe Rostock von Neonazis erschlagenen Rumänen Christinel; — die Vietnamesin Van Thu, vor deren Augen ein Neonazi im April 1992 in Berlin-Marzahn ihren Ehemann erstach; — die Ehefrau und das kleine Kind des Angolaners Amadeu, der im November 1990 in Eberswalde erschlagen wurde. Den beiden libanesischen Kindern, die im Oktober 1991 bei einem Brandanschlag in Hünxe lebensgefährliche Verletzungen erlitten, versagte kürzlich das Landesversorgungsamt NRW die Heilbehandlungskosten, weil mit dem Libanon keine Gegenseitigkeit bestehe. Der Türke Arslan, dessen Ehefrau, Nichte und Enkelin im November vergangenen Jahres durch einen Brandanschlag in Mölln getötet wurden, erhielt zwar unmittelbar nach der Trauerfeier reichlich Gratis-Prügel von der Hamburger Polizei, jedoch keinen Anspruch etwa auf eine Hinterbliebenen-Rente. Ohne diese Aufzählung hier weiter fortsetzen zu müssen, sollte daran bereits eines deutlich geworden sein: Menschen, die hier bevorzugt Opfer fremdenfeindlicher Gewalt wurden und täglich werden, kommen gerade aus solchen Ländern, deren politische oder wirtschaftliche Verhältnisse Anlaß zur Flucht nach Deutschland gaben und in denen folglich auch die Entschädigungs-Voraussetzung der „Gegenseitigkeit" nicht erfüllt werden wird. Daher ist die geltende Fassung des Opferentschädigungsgesetzes unzureichend und muß dringend abgeändert werden. Besonders im Ausland ist der Vorwurf erhoben worden, hierzulande gediehen Neonazismus, Antisemitismus sowie Asylantenhetze, und die Polizei schaue derlei wie in Rostock tatenlos oder gar billigend zu. Wenn den Opfern solcher Gewalt nun weiterhin Entschädigungen versagt werden, wie sie jedem Deutschen zustehen, wird es Herr Kinkel künf- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. März 1993 12861* tig — zum Beispiel bei dem anstehenden Besuch in Vietnam — noch schwerer haben, dem Eindruck der Ausländer-Diskriminierung allein mit beschwichtigenden Worten entgegenzutreten. Und um auch dies noch deutlich zu sagen: Aktionismus im repressiven Bereich wie die beantragten Parteiverbote und Grundrechtsverwirkungen können eine Haltung gegenüber den Opfern nicht wettmachen, die als Hartherzigkeit empfunden werden muß! Der von uns vorgelegte Gesetzentwurf sieht daher vor, allen ausländischen Opfern von Gewalttaten grundsätzlich einen Anspruch auf Entschädigung zu gewähren und außerdem — insofern über den entsprechenden Antrag der PDS hinausgehend — für die Verwaltungspraxis klarzustellen, daß derartige Leistungen nicht z. B. von der Sozialhilfe gleich wieder abgezogen werden dürfen. Auch die SPD hat sich vorgestern kurz vor der heutigen Beratung noch eine Vorlage abgerungen. Hiernach sollen solche Ausländer weiterhin keine Entschädigung erhalten, die „ihren rechtmäßigen Wohnsitz" nicht in Deutschland, sondern — der Entwurfsbegründung zufolge — „ihren ständigen Wohnsitz im Ausland haben." Wenn ich das lese, muß ich die Verfasser fragen: Ist diese Wendung nur der Hast bei der Formulierung geschuldet, oder ist diese Übereinstimmung mit der neuen Linie der SPD gegenüber Asylbewerbern wirklich gewollt? Ihnen kann doch eigentlich nicht entgangen sein, meine Damen und Herren Sozialdemokraten, daß der Begriff des ständigen oder berechtigten Wohnsitzes gemeinhin davon abhängig gemacht wird, wo jemand den „Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse" hat. Diesen Lebensmittelpunkt sieht die Praxis der Ausländerbehörden bei Asylbewerbern — gleich in welchem Stadium des Verfahrens — jedoch in deren Herkunftsland mit der Folge, daß ein Anspruch nach dem OEG entfiele. Ich muß diesen Entwurf daher als eine gewollte Fehlleistung ansehen! Und die Bundesregierung? Obwohl die Justiz- und Sozialminister sowie Ausländerbeauftragten eine baldige Novellierung des OEG angemahnt haben, erklärte die Regierung vor genau vier Wochen in diesem Hause klipp und klar, sie sähe keinerlei Anlaß zu Veränderungen. Unmittelbar vor der heutigen Debatte hat das Kabinett nun doch noch einen eigenen Entwurf verabschiedet. Wir freuen uns ehrlich, Herr Blüm, daß es dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der PDS mit ihren Initiativen offenbar gelungen ist, die Regierung umzustimmen. Was den Inhalt ihrer Vorlage angeht, begrüßen wir zunächst die geplante Rückwirkung auf Schäden seit dem 1. Januar 1991. Die vorgesehene Kapitalisierung von Ansprüchen, falls der Berechtigte Deutschland verläßt, halten wir grundsätzlich für ebenso bedenkenswert wie eine mögliche Differenzierung der Leistungspalette je nach Aufenthaltsdauer. Nicht einverstanden sein können wir aber mit der Absicht, als Voraussetzung jeglicher Ansprüche (von Familienbesuchern und Härtefall-Ermessen abgesehen) einen rechtmäßigen Mindestaufenthalt in Deutschland von sechs Monaten oder eine humanitär begründete Duldung festzuschreiben. Wenn man daneben die derzeit beratenen Asylbegleitgesetze und die dort vorgesehenen drastischen Verfahrensabkürzungen z. T. auf sechs Wochen berücksichtigt, bedeutet diese Voraussetzung doch, daß sehr viele Asylbewerber keinerlei Entschädigungsansprüche hätten, wenn Sie hier Opfer einer Gewalttat werden. Stellen Sie sich doch einmal einen Skinhaed-Überfall auf eine Sammelunterkunft und die anschließende Resonanz im In- und Ausland vor! Danach werden Sie, Herr Blüm, doch die Versagung von Opferentschädigung nicht ernsthaft damit begründen wollen, die Opfer seien aus einem sicheren Drittstaat gekommen. Ebensowenig mag ich an einen Brandanschlag auf eine Rumänen-Unterkunft in Berlin oder anderswo denken: Soll den Opfern da vorgehalten werden, das Warten auf ihre Zurückschiebung sei entschädigungsrechtlich etwas anderes als eine humanitäre Duldung? Derlei Ungereimtheiten werden auch der Offentlichkeit nicht zu vermitteln sein. Und auch die Ausschlußgründe in diesem Regierungsentwurf sind nicht akzeptabel. Denn hiernach könnte z. B. Herr Arslan nach dem Möllner Brandanschlag auf seine Familie nun Entschädigung versagt werden mit dem Hinweis auf Medienberichte über seine angeblichen kriminellen Kontakte. Oder soll einem politisch aktiven Ausländer, der von Neonazis verletzt wird, wirklich entgegengehalten werden können, andere Mitglieder seiner Organisation hätten in ihrem Heimatland schon mal Gewalt angewendet? Das geht zu weit. Über all diese Fragen werden wir uns im Ausschuß noch gründlich auseinanderzusetzen haben; dabei muß die Novellierung trotzdem so rasch wie möglich zugunsten der Opfer wirksam werden. Gertrud Dempwolf (CDU/CSU): Zur Beratung liegen uns zunächst einmal zwei Gesetzentwürfe der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS/ Linke Liste vor, die sich nur in Nuancen unterscheiden und die einzig und allein durch ihre Schlichtheit bestechen. Wenn ich von Schlichtheit spreche, dann meine ich das zunächst einmal rechtstechnisch. Rechtstechnisch ist es ja immer am einfachsten, eine einschränkende Regelung zu streichen. Doch was sind die Folgen? Aber auch deshalb sage ich „Schlichtheit", weil sich offenbar keine der Initiatoren dieser einfachen Regelung über deren Inhalt und Folgen im klaren zu sein scheint. Was würden wir wirklich regeln, wenn wir einem der hier vorliegenden Gesetzentwürfe zustimmen würden? Meine Damen und Herren, wir würden, wenn es danach ginge, jedem durchreisenden Touristen, wenn er bei uns Opfer einer Gewalttat wird, Leistungen in die fernsten Winkel der Welt zahlen, ohne auch nur mit einiger Sicherheit prüfen zu können, ob überhaupt noch gesundheitliche Folgen der Schädigung bestehen oder ob der Geschädigte überhaupt noch lebt. Wir müßten Leistungen in einer Höhe exportieren, die — wie bereits der Vertreter der Bundesregierung gesagt hat — den Geschädigten nicht nur in Ländern der sogenannten Dritten Welt weit über das Einkom- 12862 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. März 1993 mensniveau seines sozialen Umfelds herausheben würde. Abgesehen davon, daß ich erhebliche Zweifel habe, daß sich die Bundesrepublik so etwas angesichts der derzeitigen Haushaltssituation leisten sollte, kann ich Ihnen versichern: Eine derart schlichte „große Lösung" werden die Unionsparteien nicht mittragen können. Im übrigen: Der Export von Sozialleistungen ist ein brisantes Thema. Wir sollten uns sorgfältig vor einer Regelung hüten, die zum Dammbruch führen könnte mit unabsehbaren finanziellen Folgen für andere Sozialleistungsbereiche. Das Problem des Leistungsexports löst auch der kurzfristig nachgereichte Gesetzentwurf der SPDFraktion nicht, auch wenn hier der Personenkreis durchaus enger gefaßt wird. Wenn ich zunächst plakativ die negativen Seiten der vorliegenden Gesetzentwürfe aufgezeigt habe, dann geht dies nicht gegen das Grundanliegen der Entwürfe. Die tragischen Fälle von Hilnxe und Mölln in einer Kette von Gewalttaten und Ausschreitungen gegen Ausländer haben uns Politikern auf drastische Art und Weise gezeigt, daß wir handeln müssen, daß wir nicht nur Reden halten dürfen. Wir müssen um mehr Verständnis werben für unsere ausländischen Mitbürger, die wir zum Teil als Arbeitskräfte ins Land geholt haben und die hier oft seit Jahren leben und arbeiten und deren Kinder hier geboren sind. Wir müssen auch Verständnis wecken für diejenigen, die hier bei uns Schutz suchen vor Verfolgung in ihrer Heimat. Wir haben die Verpflichtung, auch diese Mitmenschen vor Ausschreitungen und Gewalttaten zu schützen. Deshalb müssen wir auch den Opfern eine angemessene Entschädigung zukommen lassen. Was unter angemessen zu verstehen ist, darüber läßt sich sicher streiten. Nicht angemessen ist jedoch das, was die vorgelegten Gesetzentwürfe bewirken würden, weil sie weder tatsächlich das Ausmaß der Integration noch rechtlich den Aufenthaltsstatus berücksichtigen und weil sie den ungebremsten Leistungsexport bedeuten würden. Was wir brauchen, ist eine ausgewogene Regelung, die die vorgenannten Kriterien berücksichtigt, die darüber hinaus über jeden Zweifel deutlich macht, daß nicht jeder Illegale in den Schutz des Opferentschädigungsgesetzes einbezogen wird und daß wir nicht die Opfer gewalttätiger Auseinandersetzungen versorgen müssen, die ausländische Organisationen, kriminelle oder politische, in Deutschland gegeneinander veranstalten. Die vorliegenden Gesetzentwürfe erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Der gestern im Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf zur Änderung des OEG bietet für meine Fraktion eine vernünftige und notwendige Lösung an. Noch einen wichtigen Punkt möchte ich ansprechen: Es geht um Deutsche, die im Ausland Opfer von Gewalttaten geworden sind und die von dort meist keine oder nur unzureichende Entschädigungsleistungen erhalten. Auch darüber sollten wir hier einmal ernsthaft nachdenken. Ich weiß, daß eine Lösung aus rechtssystematischen Gründen im Rahmen des Opferentschädigungsgesetzes nicht möglich ist. Dennoch, wir sollten diese Gelegenheit nutzen, die Bundesregierung mit Nachdruck aufzufordern, auch hier unverzüglich etwas zu tun. Ich denke dabei nicht etwa daran, daß wir jetzt diejenigen versorgen sollten, die sich in ihrem Urlaub auf gefährliche Abenteuerreisen begeben oder sich gar in den Krisengebieten dieser Welt die Kugeln um die Ohren pfeifen lassen; aber was ist mit dem normalen Touristen, der völlig schuldlos im Ausland zum Gewaltopfer wird? Zurück in der Heimat, bleibt ihm oft nur der Weg zum Sozialamt. Und besonders ärgerlich für den Betroffenen wird es dann, wenn ihm eine — durchaus mäßige — Entschädigungsleistung aus dem Ausland, die ihrem ganzen Charakter nach nur eine Art Schmerzensgeld oder eine Pauschalabfindung für schädigungsbedingte Mehraufwendungen sein kann, auf die Leistungen der Sozialhilfe angerechnet wird. Auch hier muß eine Lösung gefunden werden; das sieht auch die Bundesregierung so. Ulrike Mascher (SPD): Die SPD-Bundestagsfraktion hat bereits 1984 einen Antrag eingebracht, um die Gegenseitigkeitsklausel des geltenden Rechts so zu verändern, daß auch Ausländer, die Opfer von Gewalttätigkeiten waren, Entschädigungsansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz geltend machen können. Für uns war es schon 1984 sehr unbefriedigend, daß Ausländer, die hier leben, wenn sie Opfer von Gewalttaten geworden sind, keine Leistung erhalten sollen, weil mit ihren jeweiligen Herkunftsländern keine entsprechenden Abkommen bestehen. Die Bundesregierung hat 1990 in der Antwort auf eine Große Anfrage der SPD-Fraktion diese Position noch einmal bestätigt. Angesichts der erschreckenden Zunahme von Gewalttaten gegen Ausländer, angesichts der Tatsache, daß es nur unzureichend gelungen ist, Ausländer, die bei uns Schutz suchen vor Gewalt, zu schützen, hält es die SPD-Fraktion für dringend geboten, unabhängig von der Forderung nach gegenseitiger Leistung auch Ausländern, wenn sie Opfer von Gewalttaten werden, Entschädigungen nach dem Opferentschädigungsgesetz zu eröffnen. Angesichts des finanziellen Umfangs —1990 hat die Bundesregierung den Mehraufwand auf rund 2 Milliarden DM beziffert, wobei der Anteil des Bundes rund 0,5 Millionen DM betragen sollte — will die SPD eine Regelung, die allen Ausländern, die hier leben, zugute kommen soll. Erfreulicherweise hat sich jetzt auch die Bundesregierung bewegt. Allerdings scheint mir bei einer ersten Durchsicht des Entwurfs des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung immer noch eine wenig großzügige Regelung für Ausländer, die kürzer Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. März 1993 12863' als drei Jahre in der Bundesrepublik leben, also vor allem für Flüchtlinge, geplant zu sein. Die Gewalttaten der vergangenen Monate haben sich ja vor allem gegen Flüchtlinge gerichtet, deshalb wollen wir gerade diese Gruppen von Opfern voll in die Leistungen des Opferentschädigungsgesetzes einbeziehen. Wir hoffen, daß auf der Grundlage unseres Entwurfs solch eine Regelung möglich wird. Hans A. Engelhard (F.D.P.): Einigkeit besteht, daß unser Opferentschädigungsgesetz heute noch eine Vielzahl von Ausländern in nicht vertretbarer Weise von Leistungen ausschließt und damit benachteiligt. Das Thema ist zu Recht wieder in die aktuelle politische Diskussion gekommen, seit der Fremdenhaß von rechtsextremistisch verblendeten Gewalttätern zu einer Fülle von Angriffen auf Ausländer führte. Auch ein wesentliches Element des Rechtsstaates ist es, sein Gewaltmonopol zunächst einmal präventiv zum Schutz der Bürger und Gäste im Lande einzusetzen. Wo der Erfolg versagt bleibt, ist es geboten, dem in seiner körperlichen Integrität verletzten Opfer mit einer Entschädigung zur Seite zu stehen. Über eine Änderung des Opferentschädigungsgesetzes wurde früher bereits intensiv nachgedacht. Ich erinnere mich lebhaft an die Erörterungen, die nach dem grauenvollen Anschlag beim Münchner Oktoberfest im Herbst 1980 stattfanden. Bei allem Verständnis und gutem Willen wird es jedoch nicht sinnvoll und möglich sein, einfach durch Streichung der Klausel über die Gegenseitigkeit Abhilfe zu schaffen. Die Bundesregierung und mit ihr die Koalitionsfraktionen haben sich erneut mit den anstehenden Fragen beschäftigt. Die Bundesregierung hat erst gestern im Kabinett einen Gesetzentwurf gebilligt. Zu den Einzelheiten wird anschließend wohl Herr Parlamentarischer Staatssekretär Günther noch Stellung nehmen. Ich beschränke mich auf die Feststellung, daß hier eine gute und abgewogene Regelung gefunden wurde, die vor allem darauf Bedacht nimmt, Ausländer, die bereits länger in der Bundesrepublik leben, verstärkt in die Regelungen des Opferentschädigungsgesetzes einzubinden. Aber bei einer besonders schweren Schädigung gehen endlich auch Touristen und kurzfristige Besucher nicht mehr leer aus. Wenn es uns bei den Beratungen gelingt, auf dieser Linie Ergebnisse zu erzielen, so haben wir dem Gedanken des Opferentschädigungsgesetzes über die Grenzen der Staatsangehörigkeit hinaus Rechnung getragen. Horst Günther, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Wir sind uns einig: In Zeiten, wo verblendete, ewig Gestrige mit brutaler Gewalt Ausländer angreifen, müssen ihre Opfer Anspruch auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz haben. Dies ist eine Frage der moralischen Verantwortung gegenüber den Opfern und entspricht dem Grundgedanken des Opferentschädigungsgesetzes. Es ist unstrittig, daß die bisherige gesetzliche Regelung zu restriktiv ist, wenn die Mehrzahl der in der Bundesrepublik lebenden Ausländer vom Leistungsanspruch ausgeschlossen bleibt. Dennoch ist die ersatzlose Streichung der Gegenseitigkeitsklausel, wie sie beide heute vorliegenden Gesetzentwürfe vorsehen, nicht akzeptabel. Sie würde über das Ziel einer angemessenen Entschädigung der Opfer hinausschießen. Mit der Streichung der Gegenseitigkeitsklausel ginge die Verpflichtung einher, Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz in alle Welt zu exportieren. Die Entwicklung der gesundheitlichen Folgen und das Ausmaß der entstandenen wirtschaftlichen Nachteile für den Geschädigten, die Grundlage für die Leistungsbemessung sind, wären unter diesen Bedingungen nur noch sehr schwer nachzuvollziehen. Dementsprechend groß wäre die Versuchung, die Regelungen des Opferentschädigungsgesetzes zu mißbrauchen. Die Kritiker, die einen neuen Sozialtourismus heraufbeschwören, könnten schließlich recht bekommen. Auch der Entwurf der SPD-Fraktion trägt diesen möglichen Folgen eines Leistungsexportes nicht in ausreichendem Maße Rechnung, selbst wenn der berechtigte Personenkreis eingeschränkt ist. Unser Entwurf hält für Touristen und kurzfristige Besucher grundsätzlich am Gegenseitigkeitserfordernis fest. Wir setzen uns für eine Lösung ein, die einerseits die angemessene Entschädigung ausländischer Opfer gewalttätiger Angriffe garantiert und andererseits Mißbrauch vermeidet. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, haben wir zur Erstellung unseres Konzeptes etwas mehr Zeit benötigt. Jetzt haben wir jedoch den Gesetzentwurf dem Bundeskabinett vorgelegt. Gestern wurde er gebilligt. Damit unsere ausländischen Mitbürger Ansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz geltend machen können, erfaßt unser Konzept alle länger in der Bundesrepublik lebenden Ausländer. Wenn sie sich seit mindestens drei Jahren legal in der Bundesrepublik aufhalten, werden sie weitgehend dem Status eines Deutschen bzw. eines EG-Bürgers gleichstellt. Soweit sie sich noch nicht seit drei Jahren, aber rechtmäßig in der Bundesrepublik aufhalten, haben sie Anspruch auf eingeschränkte Leistungen des Opferentschädigungsgesetzes. Für Ausländer, die sich zwar legal, aber nur kurzfristig in der Bundesrepublik aufhalten, wird es beim Gegenseitigkeitserfordernis bleiben. Um jedoch besonders schwere Fälle ausgleichen zu können, ist eine Härteregelung für ausländische Touristen und Besucher vorgesehen. Das Konzept der Bundesregierung stellt damit konkret auf den Aufenthaltsstatus und das Ausmaß der 12864* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. März 1993 Integration ab. Diese Lösung bietet klare Abgrenzungskriterien. Es wäre sicher sinnvoll, die Beratung des Regierungsentwurfes mit den weiteren Beratungen der heute vorliegenden Gesetzentwürfe zusammenzufassen. Im direkten Vergleich werden Sie dann feststellen, daß der Entwurf der Bundesregierung nicht nur ausgewogener ist, sondern in einem Punkt sogar über die heute vorliegenden Gesetzentwürfe hinausgeht: Die tragischen Fälle der jüngsten Vergangenheit, die Anlaß der heutigen Beratung sind, werden rückwirkend erfaßt. Das bedeutet: Die beiden libanesischen Mädchen aus Hünxe, die bei einem rechtsextremistischen Brandanschlag im Oktober vorletzten Jahres schwer verletzt wurden, werden entschädigt. Gleiches gilt für die Hinterbliebenen der Opfer des Brandanschlages in Mölln, durch den eine türkische Frau und zwei türkische Mädchen ihr Leben verloren. Die Bundesregierung stellt sich ihrer Verantwortung gegenüber den Opfern der Gewalt in unserem Land. Unser Konzept sorgt dafür, daß die Humanität in der Bundesrepublik Deutschland nicht Halt macht vor der Nationalität.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir alle erleben es täglich: Wir stehen mitten in einer Zeit dramatischer Umbrüche. Das Ende des Ost-West-Konflikts hat neue Chancen eröffnet, hat aber auch neue Risiken mit sich gebracht. Viele Länder in der Welt sind gegenwärtig dabei, ihren Standort, ihre Position, ihre Rolle neu zu bestimmen. Auch wir Deutsche müssen dies tun.
    Für uns stellt sich dabei eine doppelte Aufgabe: die innere Einheit unseres Vaterlandes zu vollenden und zugleich — das war immer deutsche Politik nach dem Krieg — einen Beitrag zur Einigung Europas zu leisten. Beides ist untrennbar miteinander verbunden.
    Unsere Freunde und Partner erwarten zu Recht von uns, daß wir unsere Chancen nutzen. Niemand von ihnen zweifelt daran, daß die Deutschen die Herausforderung erfolgreich meistern werden, vor die wir durch die Aufgabe deutsche Einheit gestellt sind.
    Ich bin ganz sicher — und ich weiß aus vielen Gesprächen —, daß der erfolgreiche Abschluß des Solidarpaktes gerade im Ausland das Vertrauen in die Kraft der deutschen Demokratie gestärkt hat. Die demokratischen Parteien, die Bundesregierung, die Bundesländer haben mit diesem Gemeinschaftswerk bewiesen, daß sie auch in schwierigen Zeiten zu vernünftigen Kompromissen, zu solidarischem Handeln fähig sind.
    Meine Damen und Herren, ich will heute vor allem die Gelegenheit wahrnehmen, allen zu danken, die an diesem Ergebnis mitgewirkt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es ist ein gemeinsamer Erfolg. Es ist ein Erfolg für unsere freiheitliche Demokratie. Es ist ein Erfolg, der auch über die Tagespolitik hinaus wirksam ist.
    Die finanzielle, ökonomische und politische Stabilität in Deutschland liegt nicht nur im deutschen Interesse. Sie versetzt uns in die Lage, zur Stabilität in Europa, zum Frieden in der Welt einen direkten, einen aktiven Beitrag zu leisten.
    Wie eng Innenpolitik und Außenpolitik zusammenhängen, war auf jeder Station meiner kürzlichen Reise durch fünf asiatische Länder zu spüren. Mit Indien, Singapur, Indonesien, Japan und der Republik Korea verbinden uns enge traditionelle Beziehungen, die nicht zuletzt aus der Begegnung der Kulturen erwachsen sind. Ich erinnere beispielhaft an die großartigen Leistungen der deutschen Indologen.
    Die meisten Länder Asiens, meine Damen und Herren, beeindrucken heute durch Dynamik, durch enorme Wachstumsraten ihrer Wirtschaft und durch technologischen Fortschritt. In Indien, Indonesien, Japan, der Republik Korea und China zusammengenommen wird um die Jahrtausendwende fast die Hälfte der Menschheit leben. Schon aus diesen gigantischen Zahlen ergibt sich die Bedeutung dieses Teils der Welt. Ich bin zutiefst davon überzeugt: Asien wird im 21. Jahrhundert hervorragende Zukunftschancen haben. Und dem müssen Politik und Wirtschaft in Europa und Deutschland Rechnung tragen.
    Wir Deutsche — ich finde, wir sollten dies einräumen — haben vor allem in den letzten Jahrzehnten aus vielerlei Gründen diese Weltregion nicht genügend beachtet. Um so wichtiger war es mir, mit dieser Reise das enorme Potential und die großen Chancen dieser Region wieder in unser öffentliches Bewußtsein zu rücken. Wir sind fest entschlossen, gemeinsam mit den Verantwortlichen im Bereich der Wirtschaft und der Wissenschaft eine zukunftsgewandte Partnerschaft mit den Ländern dieses Erdteils auf den Weg zu bringen.
    Die Aufgaben sind vielfältig und müssen auf die spezielle Situation des jeweiligen Landes eingehen. Auf wirtschaftlichem Gebiet geht es zunächst darum, Handel und Investitionen in beide Richtungen zu verstärken. Dabei — ich glaube, das ist ein besonders wichtiges Ziel — müssen wir nach Wegen suchen, wie auch mittelständische Unternehmen aus Deutschland, die zum großen Teil über keine eigenen Auslandsabteilungen verfügen, in dieses Zukunftsengagement einbezogen werden können.
    Mit den wirtschaftlich fortgeschrittenen Ländern Asiens sind darüber hinaus Joint-ventures in Drittländern möglich und zu erstreben. Speziell in bezug auf Japan denken wir an einen Kooperationsrat für Hochtechnologie und Umwelttechnik, in dem die Regierungen und die Wirtschaft gemeinsam vertreten sind. Bei all dem geht es mir auch darum, die kulturellen Beziehungen intensiver einzubeziehen.
    Meine Damen und Herren, wir alle verfolgen die Entwicklung der Volksrepublik China mit größter Aufmerksamkeit. Wir hoffen sehr, daß dort der wirtschaftlichen Liberalisierung bald politische Reformen folgen werden. Dies wäre — dessen bin ich sicher — zugleich ein Beitrag zur langfristigen Stabilität in Asien.
    Auf meiner Rückreise von Asien habe ich in Moskau die Chance gehabt, ein intensives Gespräch mit Präsident Boris Jelzin zu führen. Er hat mir dabei versichert, daß er entschlossen ist, den Reformprozeß voranzutreiben.
    In diesen Tagen haben wir dann erlebt, daß starke Kräfte innerhalb des Landes Reformen stoppen wollen. Ich möchte hier und heute ausdrücklich unterstreichen, daß es in unserem Interesse — des Westens und nicht zuletzt Deutschlands — liegt, daß die Reformpolitik Boris Jelzins erfolgreich fortgesetzt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P., der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Dabei setzen wir auf einen friedlichen Ausweg aus der gegenwärtigen Krise. Boris Jelzin ist der demokratisch gewählte Präsident Rußlands. Sein Name steht für ein neues Rußland, das sich der Freiheit, der Demokratie und der Marktwirtschaft geöffnet hat. Wir wollen, daß dieses neue Rußland ein verläßlicher und stabiler Partner ist, der die ihm zukommende Rolle in der Völkergemeinschaft spielt. Ein schwaches, innerlich



    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    zerrissenes Rußland wäre in niemandes Interesse. Das gleiche gilt selbstverständlich für die anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion.
    Für uns Deutsche muß das heißen: Wer den Weg zu mehr Demokratie, zur Sozialen Marktwirtschaft, zur konstruktiven internationalen Zusammenarbeit geht, kann auch künftig selbstverständlich mit unserer Unterstützung rechnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Das heißt auch, meine Damen und Herren: Wir treten im Kreis unserer G-7-Partner dafür ein, daß die G-7-Staaten, aber auch alle anderen Industrieländer nachdrücklich das Notwendige tun, um in dieser kritischen Zeit ein Zeichen der Unterstützung zu setzen. Das auf dem Wirtschaftsgipfel in München verabschiedete Konzept der Hilfe zur Selbsthilfe muß endlich voll und ganz umgesetzt werden.
    Jede andere Politik wäre kurzsichtig. Ein Rückfall in eine Politik der Konfrontation würde uns allen Lasten auferlegen, die um ein Vielfaches höher wären als die jetzige Hilfe etwa für Rußland.
    Meine Damen und Herren, wir Deutsche haben mit Leistungen von über 80 Milliarden DM mehr als 50 To aller westlichen Hilfe géleistet. Wir haben bisher am meisten für Rußland und die anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion getan. Das ist in Ordnung, und ich bekenne mich ausdrücklich zu dieser Politik. Aber ich will und muß hinzufügen: Damit sind wir an die Grenze unserer Leistungsfähigkeit gestoßen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. — Lachen bei der SPD)

    — Das ist doch ein berechtigter Beifall an dieser Stelle.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Lachen bei der SPD, der PDS/Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    — Ich denke, Sie sind auch mit dem nächsten Satz einverstanden.
    Wir erwarten, daß sich unsere Partner stärker als bisher engagieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich begrüße es, daß Präsident Clinton ein ganz konkretes Hilfsprogramm für Rußland in diesen Tagen angekündigt hat.
    Meine Damen und Herren, der blutige Konflikt im ehemaligen Jugoslawien ist weiterhin Grund zu größter Besorgnis und Betroffenheit. Die Bemühungen um eine Friedenslösung in Bosnien-Herzegowina befinden sich derzeit in einem besonders kritischen Stadium. Hierfür trägt die Belgrader Regierung unmittelbare Verantwortung. Sollte der Friedensplan an fehlender Zustimmung der Serben scheitern, so wird die EG eine drastische Verschärfung der Sanktionen bis hin zu einer vollständigen Isolierung Serbiens ins Auge fassen müssen; und die serbische Führung muß sich die Frage stellen, ob sie diesen Konflikt unter Inkaufnahme des wirtschaftlichen Ruins ihres eigenen Landes fortsetzen will oder ob sie endlich — wir hoffen dies — dem Frieden eine Chance gibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Meine Damen und Herren, in den Vereinigten Staaten hat Präsident Clinton vor gerade zwei Monaten sein hohes Amt angetreten. Mit ihm und seiner Administration wollen wir die enge deutsch-amerikanische Freundschaft und Partnerschaft selbstverständlich fortsetzen und ausbauen. Diese deutschamerikanische Partnerschaft ist und bleibt ein Eckpfeiler unserer Politik, und sie wird und muß sich gerade in Zeiten des Umbruchs immer wieder bewähren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die großen weltpolitischen Herausforderungen, vor denen wir stehen, können Deutsche und Europäer nur zusammen mit den Vereinigten Staaten von Amerika bewältigen.
    Ich werde heute, wie Sie wissen, nach Washington fliegen und morgen mit dem Präsidenten zusammentreffen. Wichtige Gesprächsthemen werden neben der Lage in Deutschland und Europa die weitere Entwicklung in Rußland und im früheren Jugoslawien sein. Ich werde die Gelegenheit wahrnehmen, um mit dem Präsidenten auch über handelspolitische Fragen zu sprechen, zumal wir ja alle erlebt haben, daß es in den letzten Wochen in den transatlantischen Handelsbeziehungen erneut Irritationen gegeben hat.
    Ich will in diesem Gespräch vor allem deutlich machen, daß wir in Deutschland auch im Interesse der Weltkonjunktur jetzt den entscheidenden Schritt zum Abschluß der GATT-Runde einfordern wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dabei müssen wir unseren Beitrag leisten. Aber die GATT-Verhandlungen müssen jetzt endlich abgeschlossen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Meine Damen und Herren, als übereinstimmende Meinung des Hohen Hauses ist in vielen Debatten immer wieder deutlich geworden: Deutsche Einheit und europäische Einigung sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Mit dem Vertrag von Maastricht haben wir unwiderruflich den Weg zur Europäischen Union beschritten. Mit dem neuen dänischen Ministerpräsidenten Rasmussen war ich bei seinem Besuch vor einigen Tagen hier einig, daß die EG-Finanzminister bei ihrer Tagung am 19. April die europäische Wachstumsinitiative, die wir auf dem Europäischen Rat in Edinburgh beschlossen haben, unbedingt verabschieden müssen. Ich denke, auch mit dem gerade beschlossenen Solidarpakt leisten wir Deutsche einen wichtigen Beitrag, um die europäische und deutsche Konjunktur zu beleben und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, die Bundesregierung, die Länder — die alten und die neuen —, CDU/CSU, SPD und F.D.P. haben mit dieser Bonner Vereinbarung zum Solidarpakt ein wichtiges Stück der deutschen Einheit gestaltet. Sie haben damit bewiesen,



    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    daß es auch in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit und über unterschiedliche Meinungen und Parteigrenzen hinweg möglich ist, gemeinsame Lösungen für dringende Fragen zu finden. Ich will auf einige Ergebnisse dieser Bonner Solidarpaktklausur hinweisen, nicht auf alle, aber wenigstens auf einige ganz wichtige.
    Erstens. Die Finanzbeziehungen zwischen Bund, alten Ländern und neuen Ländern haben eine neue, dauerhafte und solide Grundlage erhalten. Wenn ich dies so einfach sage, will ich doch darauf hinweisen, wie schwierig Bund-Länder-Finanzverhandlungen in den letzten 40 Jahren in der Regel waren. Wer dabei war und das erlebt hat — bei unterschiedlichen parteipolitischen Zusammensetzungen der verschiedensten Bundesregierungen und einer unterschiedlichen parteipolitischen Situation in den Ländern —, muß einfach einräumen, daß in der Zeit, die jetzt zur Verfügung stand, Beachtliches geleistet werden konnte.
    Ab 1995 werden die neuen Bundesländer nicht mehr Zuwendungsempfänger, sondern gleichberechtigte Teilnehmer am normalen Finanzausgleich sein. Wer die ja zum Teil quälenden Diskussionen vor diesem Datum in Bonn erlebt hat, weiß, warum ich dieses Wort „Zuwendungsempfänger" in diesem Zusammenhang bewußt verwandt habe.
    Sie erhalten jetzt eine angemessene Finanzausstattung, die ihnen einen Aufholprozeß gegenüber den alten Bundesländern ermöglicht. Für die Übergangsjahre 1993 und 1994 wird der Fonds „Deutsche Einheit" nochmals aufgestockt. Für unsere Landsleute in den neuen Bundesländern bedeutet dies: Länder und Gemeinden können zügig investieren und ein entscheidendes Stück bei der Schaffung einer modernen Infrastruktur vorankommen. Damit sind immer — auch das ist wichtig — Aufträge für die ostdeutschen Betriebe und somit Arbeitsplätze verbunden. Schon bisher ist ja im Infrastrukturbereich — das wird viel zuwenig erwähnt — eine große Aufbauleistung erbracht worden. Zwischen 1990 und 1992 wurden fast 27 Milliarden DM allein in das Verkehrsnetz der neuen Bundesländer investiert. Mit dieser Summe konnten u. a. 5 600 km Fahrbahn erneuert und 770 Straßenbrücken saniert oder neu gebaut werden. Eisenbahnstrecken wurden in einer Länge von 2 200 km erneuert; 650 km wurden elektrifiziert.
    Die Telekom ist der größte Einzelinvestor in den neuen Bundesländern. Allein in diesem Jahr wird es 850 000 neue Telefonanschlüsse geben. Das ist eine Anzahl, die in der ehemaligen DDR nicht einmal in zehn Jahren möglich war.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie des Abg. Peter Conradi [SPD])

    Bis 1997, das heißt in wenigen Jahren, wird in den neuen Bundesländern die gleiche Telefondichte wie im Westen erreicht sein. Von den dafür notwendigen Investitionen profitieren in hohem Maße die Wirtschaft und die Unternehmen in den neuen Ländern. Allein in diesem Jahr erhalten ostdeutsche Betriebe Aufträge im Gesamtwert von fast 5 Milliarden DM.
    Das bedeutet Arbeitsplätze für rund 90 000 Beschäftigte.
    Zweitens. Mit der Lösung der Altschuldenfrage im ostdeutschen Wohnungsbaubestand haben wir ein Investitionshemmnis ersten Ranges beseitigt. Hinzu kommen flankierende wohnungsbaupolitische Maßnahmen in Milliardenhöhe. Sie werden ebenfalls dazu beitragen, daß der private Wohnungsbau zu einer Lokomotive für den Aufbau Ost werden kann. Die Experten schätzen, daß dadurch die Investitionen auf mindestens 20 bis 30 Milliarden DM verdoppelt werden. Es müssen natürlich auch ausreichend Grundstücke verfügbar sein, um Eigenheime und Wohnungen zu bauen.
    Meine Damen und Herren, allein die Fläche, die durch den Abzug der russischen Truppen freigegeben wird, entspricht ungefähr der Größe des Saarlands. Die Treuhandanstalt und die Bundesvermögensverwaltung werden jetzt zügig etwa 47 000 Liegenschaften und 300 000 Wohnungen auf den Markt bringen. Gefordert ist hier natürlich auch der Einsatz der Gemeinden, verstärkt Wohnbauland auszuweisen. Die Gemeinden erhalten ja speziell auch dafür finanzielle Hilfen.
    Drittens. Zur Verstetigung der Arbeitsmarktpolitik werden im Laufe dieses Jahres zusätzlich 2 Milliarden DM zur Verfügung gestellt. Dies bedeutet, daß die aktive Arbeitsmarktpolitik fortgesetzt werden kann. In diesem Jahr können konkret mit diesen Mitteln 20 000 Neueintritte in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Westen und bis zu 225 000 im Osten finanziert werden.
    Hinzu kommen weitere Förderungen durch die neu geschaffene Möglichkeit, in den Bereichen Umweltsanierung, soziale Dienste und Jugendarbeit Lohnkostenzuschüsse zu zahlen. Ich fordere Länder, Gemeinden und die Verbände auf, diese Möglichkeiten offensiv und natürlich vernünftig zu nutzen und sich dabei auch mit eigenen Finanzierungsbeiträgen zu beteiligen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Viertens. 1993 und 1994 wird die Ergänzungsabgabe nicht kommen, und die Arbeitsmarktabgabe wird nicht eingeführt. Für die nächsten Jahre gibt es verläßliche steuerpolitische Rahmenbedingungen für Bürger und Unternehmer. Dies war für uns in der Bundesregierung von ganz entscheidender Bedeutung.

    (Zurufe von der SPD)

    — Ich weiß gar nicht, was Sie wollen. Jetzt tue ich etwas, was mein Vorgänger Helmut Schmidt gefordert hat; aber auch damit sind Sie nicht einverstanden.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. — Dr. Peter Struck [SPD]: So ist das Leben, Herr Bundeskanzler!)

    — Herr Struck, Sie empfehlen mir doch immer, gut auf ihn zu hören. Jetzt habe ich es getan. Jetzt erwarte ich eigentlich Ihren Beifall.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU — Weitere Zurufe von der SPD)




    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    — Aber Entschuldigung, wenn ich meinen geschätzten Vorgänger zitieren wollte, was er über andere sagt, dann müßte ich hier einen ganzen Tag berichten, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. — Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Dann müßte die SPD den Saal verlassen!)

    Da er, wie Sie wissen, wortgewaltig ist, wird das quer über alle Fraktionen hinweg gehen. Da wir alle wissen, daß er das tut, brauche ich das hier nicht zu wiederholen, finde ich.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich sage noch einmal: Diese Entscheidung war für die Bundesregierung von großer Bedeutung; denn die Belastung mit Steuern und Abgaben hat in Deutschland ohnehin bereits das höchste Niveau seit Bestehen der Bundesrepublik erreicht. Wir liegen auch im internationalen Vergleich im Spitzenfeld, das heißt, in einer besonders ungünstigen Position.
    Fünftens. Ein wesentlicher Finanzierungsbeitrag — mir ist es wichtig, darauf hinzuweisen — wird durch eine verstärkte Mißbrauchsbekämpfung im Bereich sozialer und wirtschaftlicher Leistungen sowie durch weitere Einsparungen erreicht.

    (Zurufe von der SPD: Krause! Krause!)

    Bei den sozialen Regelleistungen werden Kürzungen vermieden. Aber wir alle kennen die Diskussion, die im Land über strukturelle Fehlentwicklungen auch im Sozialbereich geführt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. — Zurufe von der SPD: Krause! Krause!)

    Viele zweifeln, ob sich Arbeit noch lohnt, wenn sie hören oder in ihrem persönlichem Umfeld erleben, daß es in manchen Fällen kaum noch Abstände zwischen Sozialhilfe, Lohnersatzleistung und Arbeitsentgelt gibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir alle, ob es uns gefällt oder nicht, müssen uns gerade diesen Diskussionen stellen.
    Ich komme jetzt auch auf das andere Thema, weil ich dagegen bin, das einseitig zu sehen. Ich bin strikt dagegen, eine Mißbrauchsdebatte zu führen, in der man sich beispielsweise ausschließlich dem Mißbrauch im sozialen Bereich zuwendet.

    (Zurufe von der SPD: Krause! Krause!)

    Subventionsbetrug und Steuerhinterziehung sind keine Kavaliersdelikte.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P., der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Jede Form von Mißbrauch schadet uns allen. Ich denke, es gehört zur föderalen Ordnung, daß wir bei nächster Gelegenheit mit den Kollegen aus den Ländern auch darüber reden, weil dies ja zu einem großen Teil die Länderzuständigkeit betrifft. Es muß darum gehen, wie weit man hier diesen Mißbrauch noch energischer bekämpfen kann.
    Meine Damen und Herren, ein wichtiges Ergebnis des Solidarpakts ist ferner, daß es gelungen ist, ein festes Sparziel vorzugeben. Zum größten Teil haben wir bereits konkrete Sparmaßnahmen verabredet. Weitere werden in diesen Tagen in den Gesprächen zwischen den Bundesländern, dem Bund und den Fraktionen vereinbart. Zur Deckung des Restfinanzbedarfs wird ab 1995 der frühzeitig von mir angekündigte Solidaritätszuschlag wieder eingeführt, bei dem soziale Gesichtspunkte berücksichtigt werden sollen.
    Ich bin sicher, mit dieser Bonner Vereinbarung haben Bundesregierung, Länder und Parteien auch dem Föderalismus einen wichtigen Dienst erwiesen. Wir haben uns über die Aufteilung eines Finanzbedarfs von insgesamt 110 Milliarden DM auf Bund, alte und neue Länder geeinigt. Dies ist ein Beweis für die Fähigkeit, schwierigste Finanzfragen — jedenfalls schwierigere Fragen als all jene, die wir in den vergangenen 40 Jahren zu lösen hatten — in einem konstruktiven Geist zu lösen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dieter-Julius Cronenberg [Arnsberg] [F.D.P.])

    Darüber hinaus, meine Damen und Herren, hat sich auch gezeigt, daß unsere großen demokratischen Parteien zu gemeinsamem Handeln bereit und fähig sind, wenn dies die Situation verlangt. Ich sage dies ganz besonders betont angesichts mancher recht billiger Kritik, die wir alle in diesen Tagen immer wieder erfahren.
    Mit der Bonner Vereinbarung über das Föderale Konsolidierungsprogramm steht der Solidarpakt. An ihm hat sich auch die Wirtschaft beteiligt. Ich will hier vor allem die herausragende Bedeutung der Zusage der Wirtschaft erwähnen, für die nächsten Jahre ausreichend viele Lehrstellen für junge Leute aus den neuen Bundesländern bereitzustellen. Dies ist eine ganz wichtige Zusage.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Junge Leute sollen sich darauf verlassen können, daß sie ihr Berufsleben mit einer guten Ausbildung beginnen können. Das ist psychologisch und gesellschaftspolitisch von einer ganz großen Zukunftsbedeutung.
    Meine Damen und Herren, ich begrüße auch die Einkaufs- und Investitionszusagen der westdeutschen Wirtschaft zugunsten der neuen Bundesländer. Ich will hinzufügen, daß ich auch für die Bundesregierung den dringenden Wunsch und die Erwartung habe, daß alle Bundesdienststellen Vergleichbares tun, und zwar in allen Bereichen. Ich möchte gleichzeitig appellieren, daß sich auch die westdeutschen Gemeinden und die westdeutschen Länder in diesem Sinne bemühen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ich glaube, es ist in vielen Fällen nicht böser Wille, sondern einfach Gewohnheit aus vielen Jahren, die ein Umdenken notwendig macht, auch als Botschaft an unsere Landsleute in den neuen Bundesländern.
    Für die Tarifparteien, insbesondere im laufenden Konflikt in der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie, sollte diese Vereinbarung Signal und Anlaß sein,



    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    mit dem Willen zu Verständigung an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Die Tarifpartner, etwa ir der Chemie- und in der Energiewirtschaft, haben hier mit ihren Vereinbarungen ein Signal der Vernunft gesetzt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Zurufe von der SPD)

    — Ich weiß gar nicht, was Sie wollen. Jetzt lobe ich einen Kollegen aus Ihrer eigenen Fraktion. Hier müßten Sie doch Beifall geben, statt Zwischenrufe zu machen.

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Ein wirrer Haufen! — Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Die mögen sich selber nicht! Das kann man verstehen!)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem Ergebnis des Bonner Solidarpakts haben wir die Finanzgrundlagen für die vor uns liegenden Jahre bis 1995 und darüber hinaus gesichert. Die Deutsche Bundesbank hat in diesem Zusammenhang ihre Politik der behutsamen Zinslockerung fortgesetzt.
    Wirtschaftliche und finanzielle Maßnahmen allein können jedoch die Zukunft des Standorts Deutschland nicht sichern. Es genügt nicht, die Kasse in Ordnung zu bringen, sondern wir müssen Bewegung in den Köpfen haben. Wir müssen umdenken. Dieses Umdenken ist, glaube ich, eine Herausforderung, die jenseits aller parteipolitischer Gegensätze auf der Tagesordnung steht.
    Die deutsche Einheit, die wir am 3. Oktober 1990 erreicht haben, stellt uns eine Aufgabe, für die es in der Geschichte kein Beispiel gibt. Niemals zuvor hat es die Herausforderung gegeben, eine sozialistische Planwirtschaft in eine Soziale Marktwirtschaft umzuwandeln. Diese Aufgabe ist schwierig. Das sehen wir nicht nur in unserem Land. Wir sehen auch die viel schwierigeren Bedingungen in unserer Nachbarschaft, in Rußland und in den übrigen GUS-Staaten, in Polen, in Ungarn, in der Tschechischen Republik und in der Slowakei. Meine Gespräche in den letzten 48 Stunden mit der Ministerpräsidentin Polens und dem Ministerpräsidenten der Tschechischen Republik haben mir gezeigt, wie sehr sich gerade diese Länder bemühen, Zukunft zu gewinnen. Wenn ich die Verhältnisse bei uns mit den Verhältnissen dort vergleiche, dann weiß ich, wie sehr wir, die wir das Glück hatten, im Westen unseres Vaterlandes aufgewachsen zu sein und zu leben, gefordert sind, jetzt die notwendigen Entscheidungen zu treffen und Beiträge zu leisten.
    Die Menschen in diesen Ländern — das gilt für die neuen Länder der Bundesrepublik genauso wie für die Menschen in Mittel-, Ost- und Südosteuropa —, die diesen Umbruch bewältigen müssen, verdienen in besonderer Weise unsere Sympathie und Solidarität — nicht nur in Worten, sondern vor allem in Taten. Sie müssen jetzt sozusagen im Zeitraffer nachholen, wozu wir, die wir das Glück hatten, in Freiheit leben zu können, mehr als 40 Jahre Zeit hatten. Wir haben in den neuen Bundesländern dabei den großen Vorteil, daß der Aufbau- und Aufholprozeß von einer starken westdeutschen Volkswirtschaft unterstützt wird.
    Wahr ist auch, daß bei uns im Gebiet der alten Bundesrepublik die gegenwärtige Rezession ihre Spuren hinterläßt. Manches geht eben langsamer, als es in den letzten neun Jahren der Hochkonjunktur möglich war. Aber es besteht gar kein Zweifel, daß wir diese Herausforderung bestehen können. Wir müssen sie mutig und entschlossen angehen. Mit Jammern läßt sich die Zukunft nicht gewinnen, auch nicht mit Jammern auf hohem Niveau.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Bei einer ehrlichen und fairen Standortdiskussion sollten wir nicht zuletzt wegen unserer Landsleute in den neuen Ländern sagen: Viele Probleme der Bundesrepublik im März 1993 sind Probleme der alten Bundesrepublik. Wir hätten diese Probleme auch zu Lössen, wenn die deutsche Einheit nicht gekommen wäre.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Wir stehen jetzt in einer Situation, in der längst überfällige Korrekturen in vielen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft vorgenommen werden müssen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ich glaube, das ist eine Chance, aus der eine neue Aufbruchstimmung erwachsen kann. Nur wenn wir hier zu Hause unsere Aufgaben lösen, können wir auch Vorteile aus den Veränderungen in Europa und in der Welt ziehen.

    (Zuruf von der SPD)

    — Ihren Zwischenruf nehme ich gerne auf. Denn bei all den Fragen, die ich jetzt gleich anspreche, mache ich keine Schuldzuweisung, sondern ich sage ganz nüchtern: Das sind Dinge — —

    (Lachen bei der SPD — Zuruf von der SPD: Da müssen Sie auch auf sich selbst zeigen!)

    — Meine Damen und Herren, Sie werden an den Einzelbeispielen gleich sehen, daß weder Sie noch wir uns exkulpieren können, sondern daß wir uns jetzt
    — das fordere ich ein — in einer ruhigen Diskussion darüber unterhalten müssen: Wie geht es weiter? Wenn ich Ihnen die Einzelbeispiele nenne, kann ich Ihnen auch sofort die Beteiligung der Sozialdemokratie in diesen Jahren dazusagen. Aber das nützt uns heute überhaupt nichts.

    (Zuruf der Abg. Anke Fuchs [Köln] [SPD])

    — Ich habe vom Gespräch gesprochen. Das will ich einfordern.
    Tatsache ist, daß innerhalb und außerhalb der EG Jahr für Jahr neue attraktive Standorte entstehen, die miteinander in Wettbewerb um Investitionen und Arbeitsplätze treten. Wir müssen uns jetzt auf diese Veränderungen einrichten. Wir müssen dabei einiges nachholen, was in früheren Jahren versäumt wurde. Wir haben im Bundeskabinett nach einer langen Diskussion beschlossen, daß die Bundesregierung
    — die Vorarbeit wird vom Bundesminister für Wirtschaft geleistet — eine Vorlage erarbeitet, die wir im September im Bundestag zur Diskussion einbringen wollen. Ich erwarte von einer solchen Diskussion eine



    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    fruchtbare und engagierte Auseinandersetzung über die Zukunft des Landes, und zwar über den Tag hinaus.
    Ziel einer solchen Bestandsaufnahme muß sein, neue Lösungsansätze vorzuschlagen, über das notwendige Umdenken zu sprechen und es einzuleiten. Aus meiner Sicht ist das gleichzeitig eine Einladung an alle gesellschaftlichen Gruppen in unserem Land, sich mit eigenen Vorschlägen an dieser Diskussion zu beteiligen. Dazu sind alle aufgerufen: Parteien, Gewerkschaften, die Wirtschaft, Verbände, die Kirchen, wer immer sich daran beteiligen kann und mag. Ich möchte hinzufügen: Alle, die dem jetzigen Zeitgeist huldigen, indem sie vor allem die Parteien in den Mittelpunkt ihrer Kritik stellen, sind ganz besonders eingeladen, neue Ideen in diese Diskussion einzubringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Daten und die Tatsachen sind bekannt. Aber man muß sie ständig wiederholen, damit uns klar wird, wo wir anzusetzen haben. Wir sind jetzt ein Land mit immer jüngeren Rentnern und immer älteren Studenten. Mit immer kürzerer Lebensarbeitszeit und kürzerer Wochenarbeitszeit und immer mehr Urlaub gerät die Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr. Das sind einfach die Tatsachen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sosehr ich wie Sie alle jedem von uns Freizeit gönne: Wahr ist auch, daß sich eine erfolgreiche Industrienation nicht als kollektiver Freizeitpark organisieren läßt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Jenseits aller parteipolitischen Unterschiede wissen wir doch auch, daß die große Mehrheit unserer Bürger diese Überzeugung längst gewonnen hat. Sie ist bereit, die notwendigen Änderungen zu akzeptieren. Wir müssen uns in der Politik, in den Verbänden, überall fragen, ob wir uns noch alte Schlachten um Besitzstände und Ansprüche leisten können, obwohl die Wirklichkeit längst über sie hinweggegangen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wer immer die Interessen einer Gruppe vertritt
    — das ist legitim, und ich bin weit davon entfernt,

    (Zuruf von der SPD: Sie vertreten die Wirtschaft!)

    mich jener Heuchelei hinzugeben, über Interessengruppen herzuziehen —, muß wissen, daß die Prioritäten neu bestimmt werden müssen, daß wir Gewohnheiten ändern müssen, daß Ansprüche zurückgesteckt werden müssen. Das bedeutet überhaupt nicht, daß wir dabei im Lande an Lebensqualität verlieren. Jeder weiß doch, daß die Lebensqualität nicht allein davon abhängt, ob die Arbeitswoche 35, 36 oder 40 Stunden hat.

    (Zuruf von der SPD)

    — Ich weiß gar nicht, warum Sie das nicht mit Ruhe anhören. Sie wissen doch, daß es so ist. Sie werden in keiner Unterbezirksversammlung etwas anderes sagen können, wenn Sie auf diese Fragen angesprochen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir können in dieser Sache ganz unterschiedlicher Meinung sein. Ich bitte wegen der Bedeutsamkeit der Fragen nur darum, daß wir uns — dieses Jahr ist ja keine Wahl mehr — im Laufe des Jahres neben anderen Fragen — die es in ausreichender Zahl gibt und über die wir genug streiten können — die Zeit nehmen, darüber zu diskutieren und zu beraten, welches die zentralen Zukunftsaufgaben sind und was für Konsequenzen wir daraus ziehen.
    Schon heute sind mehr als 20 % der Gesamtbevölkerung in Deutschland über 60 Jahre alt. Die Zahl der über 85jährigen steigt bis zum Jahre 2000 auf 1,5 Millionen. In der Alterssicherung haben wir mit dem Rentenreformgesetz 1992 — das war auch ein Werk, das gemeinsam geschaffen wurde — auf diese Entwicklung reagiert.
    Eine weitere Folge der Demographie — das sage ich mit Bedacht, weil es nicht zuletzt in Kreisen der Wirtschaft bestritten wird — ist die wachsende Zahl der Pflegebedürftigen. Hier ist der Handlungsbedarf offensichtlich.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Hans-Günther Toetemeyer [SPD]: Woher kommt das?)

    — Was wollen Sie denn? Ich habe das für diese Legislaturperiode angekündigt. Wir tun es ja.

    (Hans-Günther Toetemeyer [SPD]: Wann denn?)

    — Ich habe gesagt: in dieser Legislaturperiode. Ich stehe selbstverständlich zu unserem Wort. Ich habe aber auch gesagt: Das darf keine Mehrbelastung für die Wirtschaft bringen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Der Zwischenruf von Ihrer Seite imponiert mir nicht. Sie haben doch lange Zeit gehabt, das zu tun.

    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Aber Sie doch auch!)

    Sie haben zwischen 1969 und 1982 bei den gleichen demographischen Zahlen, die wir heute haben, nichts getan.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, zu einer Bestandsaufnahme gehört auch die Beschreibung der Lage unseres Bildungswesens. Ich bitte wirklich darum, die Diskussion in Deutschland nicht so zu führen, als ob uns die föderale Ordnung etwa verbiete, auf Bundesebene zu diesem Thema etwas zu sagen, mit der Begründung: Das ist Sache der Länder. Bildung und Ausbildung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe, wie immer die verfassungsmäßige Zuordnung geworden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie wissen alle wie ich auch, daß die Frage von Bildung und Ausbildung entscheidend für die Zukunft



    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    ist. Bildung und Bildungspolitik — das füge ich allerdings sofort in dieser Diskussion hinzu —, dürfen dabei nicht allein auf wirtschaftlichen Nutzen reduziert werden. Die Bildung hat vor allem die Aufgabe, die Persönlichkeit zu formen, den geistigen Horizont zu erweitern. Natürlich ist es auch ihre Aufgabe, beruflich zu qualifizieren.
    Wenn wir in diesem Feld — ich hoffe, das wenigstens findet Ihre Zustimmung — eine nüchterne Bestandsaufnahme machen, müssen wir die Fehlentwicklungen im Bildungswesen eingestehen. Dazu gehören die Ungleichgewichte zwischen den Bildungsbereichen, die Verlängerung der Erstausbildungszeiten und die deutlichen Mängel in der Ausbildungseffizienz.

    (Peter Conradi [SPD]: Und die Privatisierung des Fernsehens!)

    — Was haben Sie gegen Privatisierung in dem Zusammenhang?

    (Zuruf von der SPD: Wer macht denn die Fernsehprogramme?)

    Ich kann nur sagen, ich habe nichts dagegen, geschätzter Herr Kollege, wenn Sie in Stuttgart beispielsweise eine Privatuniversität wie in Witten-Herdecke aufmachen. Ihrem Wagemut ist jede Freiheit gegeben.
    Wir alle wissen, daß die erworbenen Qualifikationen immer schneller veralten. Deshalb müssen wir zu einer intelligenteren Verteilung der Bildungszeiten und Bildungsinhalte im Rahmen lebenslangen Lernens kommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es kann doch nicht hingenommen werden, daß die Hochschulen auf Grund steigender Überlastung ihre Aufgaben in Lehre und Forschung nicht mehr erfüllen können, während das duale Ausbildungssystem immer mehr an Bedeutung verliert und in den alten Bundesländern Jahr für Jahr über 100 000 Lehrstellen unbesetzt bleiben.
    Es kann doch auch nicht richtig sein, wenn die Zahl der Studenten die der Lehrlinge immer deutlicher übersteigt. Natürlich ist der Vergleich schwierig, weil jeder von uns weiß, daß das Studium länger dauert als die Lehre. Aber es muß uns doch zu denken geben, wenn inzwischen 1,8 Millionen Studenten nur 1,6 Millionen Lehrlinge gegenüberstehen. Diese Zahl muß doch eigentlich jeden überzeugen, daß hier etwas geschehen muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir leisten uns in Deutschland extrem lange Ausbildungszeiten für junge Akademiker — im Vergleich zu unseren Nachbarn in der EG, in Europa und den USA ungewöhnlich lange Ausbildungszeiten —, was gleichzeitig die Chancen für die jungen Deutschen in der künftigen Europäischen Union wesentlich schmälert.
    Im Durchschnitt verlassen 27 % der Studenten die Hochschulen ohne Abschluß, in manchen Fachbereichen bis zu 50 %. Das ist für mich nicht primär eine Frage des Geldes, sondern der für junge Leute deprimierenden Erfahrung, die besten Jahre zum Lernen auf diese Art und Weise zu vertun.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die jungen Deutschen müssen im zusammenwachsenden Europa im Wettbewerb mit ihren Altersgenossen aus anderen Ländern konkurrenzfähig sein. Deswegen geht es hier um eine gesamtstaatliche Aufgabe bei aller Anerkennung der föderalen Zuweisung der Kompetenzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich will bewußt einmal ein Thema ansprechen, das gemeinhin vermieden wird, nämlich die Frage nach der Leistungsfähigkeit und der Effizienz im Bereich der Hochschulen; das wird ja gemeinhin immer nur in der Abteilung „Studenten" behandelt. Ich finde, es muß ein gemeinsames Ziel einer durchgreifenden Reform sein, zu einer wirklichen Straffung der Studiengänge zu kommen. Aber ich finde auch, daß dabei die Möglichkeit von Leistungskontrollen gegenüber den Lehrenden an deutschen Hochschulen einbezogen werden muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    In anderen Ländern — beispielsweise in den USA, aber nicht nur in den USA — wird in die Beurteilung von Hochschullehrern immer auch das Votum von Studenten, die den Lehrer als Pädagogen erleben, einbezogen.
    Natürlich weiß ich auch, daß bei den unterschiedlichen Systemen der vom Steuerzahler getragenen Universitäten und der Privatuniversitäten in den USA solche Beispiele nicht automatisch auf Deutschland zu übertragen sind. Trotzdem bin ich davon überzeugt, daß es auch bei uns zwingend geworden ist, Leistungsvergleiche zwischen den Hochschullehrern und den Universitäten herbeizuführen. Es kann nicht angehen, daß in demselben Bundesland — das hat wiederum überhaupt nichts mit der Parteifarbe der Landesregierung zu tun — an vergleichbaren Universitätsinstituten völlig unterschiedliche Abschlußzeiten erreicht werden. Es muß doch möglich sein, die Frage der Leistungskontrolle auch in diesem Bereich einmal in die öffentliche Diskussion zu bringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich verweise in diesem Zusammenhang auch auf das andere Thema, das seit zehn Jahren auf der Tagesordnung steht und nicht so recht vorankommt — übrigens wiederum in keiner der großen politischen Parteien. Das ist die Frage der Verkürzung der Schulzeit an Gymnasien von neun auf acht Jahre. Eine Entscheidung ist überfällig. In den neuen Bundesländern sind acht Jahre die Regel. Sie werden sie selbstverständlich nicht ändern. Mir kann letztlich niemand klarmachen — auch nicht meine besonders geschätzten bayerischen Freunde —, daß man am Gymnasium in Freilassing neun Jahre braucht und daß man 20 km entfernt am Akademischen Gymnasium in Salzburg in acht Jahren ein qualifiziertes Abitur erreichen kann. Ich glaube, auch diese Entscheidung ist überfällig.
    Meine Damen und Herren, ich habe einige der Themen angesprochen. Ich habe die Absicht, im Herbst dieses Jahres — wie ich hoffe, mit guter



    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    Vorbereitung — bildungspolitisch Verantwortliche und Interessierte aus Bund und Ländern, den Wissenschaftsorganisationen, der Wirtschaft, den Gewerkschaften und Parteien zu einer Konferenz über die Zukunft des Bildungswesens einzuladen. Voraussetzung dabei ist allerdings — nur dann werde ich eine solche Einladung aussprechen —, daß die Chance besteht, wirklich konkrete Ergebnisse zu erreichen. Ein solches Gespräch würde das Ziel verfehlen — ich sage dies gleich vorweg —, wenn es dabei allein und ausschließlich um Finanzfragen ginge.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie bei der F.D.P.)

    Was wir brauchen, ist weit mehr als die Finanzierung von Einrichtungen. Es ist ein übergreifender Konsens in allen wesentlichen Fragen von Bildung und Ausbildung.
    Unsere Spitz enposition im internationalen Wettbewerb können wir nur halten, wenn hochqualifizierte Arbeitnehmer an modernsten Maschinen arbeiten. Die Beobachtungen, die ich auch als Laie vorgestern und gestern auf der Cebit-Messe in Hannover machen konnte, sind ein weiterer Beweis für diese Einschätzung. Moderne, hochwertige Maschinen sind teuer. Und wenn sie immer teurer werden, müssen sie auch optimal genutzt werden können. Es ist nicht länger tragbar, daß die Maschinenlaufzeiten in deutschen Unternehmen kürzer sind als anderswo in der EG.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß es möglich sein muß, eine Abkehr von den allzu starren Arbeitszeitregelungen zu finden, die sich eben nicht nur wirtschaftlich nicht rechnen, sondern die den Menschen auch zusätzliche Entfaltungsmöglichkeiten und Freiräume versperren. Wir müssen in diesem Bereich wie bei der Lebensarbeitszeit neue Wege beschreiten. Dazu zwingt uns auch die demographische Entwicklung.
    Ich sehe hier auch eine große Chance für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ich bin sicher, es wäre ein Gewinn an Lebensqualität, wenn an die Stelle des heute üblichen abrupten Ausscheidens aus dem Erwerbsleben ein allmählicher Übergang in den Ruhestand zur selbstverständlichen Alternative würde.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Wer länger arbeiten will, soll dies können, und es soll sich dann auch lohnen. Wir haben dafür ja mit der Rentenreform 1992 die Voraussetzungen geschaffen. Wir sollten nur im Zusammenhang mit dem Gesamtthema „Deutschlands Zukunft" jetzt das Notwendige gemeinsam beschließen.
    Meine Damen und Herren, für die Exportnation Deutschland sind Spitzenleistungen in Forschung und Entwicklung entscheidende Grundlagen für Wohlstand, soziale Sicherheit, Beschäftigung und Wachstum. Wir haben in einer ganzen Reihe wichtiger Bereiche — auch das gehört zum Bild, und es ist ab und zu notwendig, es zu sagen, weil manche unterwegs sind, die nur noch von den Mängeln reden — noch eine Spitzenstellung. Aber es ist alarmierend, wenn immer mehr Forschungskapazitäten für Zukunftstechnologien, wie z. B. in der Gentechnik, ins Ausland verlagert werden, weil bei uns Regelungsdichte und bürokratische Überwucherung den Fortschritt bremsen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Einen für mich ganz wesentlichen Kernsatz füge ich gleich hinzu: Unsere Philosophie heißt aber auch, daß nicht alles, was technisch machbar ist, verwirklicht wird und moralisch erlaubt ist. Auch dieser Grundsatz muß selbstverständlich gelten. Aber es kann nicht angehen, daß Produkte und Herstellungsverfahren immer häufiger in einem immer undurchdringlicheren Dickicht von Zulassungsverfahren und Verträglichkeitsprüfungen hängenbleiben.
    Wir haben in 40 Jahren viel Ballast angesammelt, der uns heute den Weg in die Zukunft erschwert. Bei den vielen Chancen, die die deutsche Einheit mit sich bringt, sehe ich eine große Chance darin, daß wir mit einer Art Gesamtrevision Bürokratie abbauen, Verfahren vereinfachen, Genehmigungen beschleunigen können.

    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Dazu ist diese Regierung doch gar nicht imstande!)

    Wer diesen Satz zu übernehmen nicht bereit ist, den will ich einfach daran erinnern, daß der Aufbau in den 50er Jahren mit der heutigen Regelungsdichte so nicht stattgefunden hätte.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Dann machen Sie doch einmal!)

    Die Bundesregierung hat eine ganze Serie von Bestimmungen und Gesetzesinitiativen entwickelt. Ich erinnere an das Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz. Ich begrüße es sehr, daß dieses Gesetz nach mancherlei Schwierigkeiten in ein paar Tagen in Kraft treten kann. Wenn dieses Gesetz in Kraft getreten ist, kommt es allerdings entscheidend darauf an, wie es die Genehmigungsbehörden auf Landes-, Bezirks- und kommunaler Ebene handhaben.
    Wir müssen diejenigen, die die Verantwortung tragen, ermutigen, ihre Handlungs- und Ermessensspielräume im Sinne des angestrebten Beschleunigungseffektes zu nutzen. Entschiedenes, verantwortliches, mutiges Handeln kann vor Ort viel mehr bewirken, als es viele gesetzgeberische Maßnahmen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    In den Zusammenhang einer solchen Betrachtung gehört auch das Thema des Verkehrsaufkommens in Deutschland. Wir sind das wichtigste Transitland in Europa. Unsere Verkehrsinfrastruktur — das erlebt jeder auf deutschen Straßen — ist nicht dem heutigen und schon gar nicht dem zukünftigen Verkehr gewachsen. Es droht an vielen Stellen der Verkehrsinfarkt.
    Wir müssen auch in diesem Feld der Politik und der Entwicklung unseres Staates und unserer Gesellschaft der Herausforderung mit neuen Vorschlägen begegnen, die dem steigenden Verkehrsaufkommen



    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    unter größtmöglicher Schonung der Umwelt und bei hoher Verkehrssicherheit gerecht werden.
    Daß die Bundesbahn — wir haben hier ein Beispiel, wo wir gemeinsam die Verantwortung für Fehlentwicklungen in den letzten Jahrzehnten tragen — hierbei eine besondere und eine umweltfreundliche Rolle spielt, gehört zu diesem Thema. Wir haben deshalb die Bahnreform beschlossen, die nach meiner Überzeugung aus ökonomischen und ökologischen Gründen völlig unverzichtbar ist.
    Darüber hinaus müssen die Planungszeiten bei Verkehrswegen in ganz Deutschland kürzer werden; nicht nur in den neuen Ländern — dort vor allem —, sondern in ganz Deutschland. Die entsprechenden Gesetze sind auf den Weg gebracht worden.
    Wir brauchen in diesem Zusammenhang für den Verkehrsbereich eine Neuordnung in Richtung Privatisierung. Alle Verkehrsteilnehmer, auch die im Transitverkehr, müssen sich an den von ihnen verursachten Wegekosten der Autobahnen beteiligen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das ist ein Thema, das in Deutschland angegangen werden muß. Es ist aber auch ein Thema, das zwangsläufig in seiner europäischen Dimension in der EG vorangebracht werden muß.
    Die Wettbewerbsverzerrungen sind für uns nicht akzeptabel. Ich halte es für nicht hinnehmbar, daß beispielsweise für einen 40-t-Lkw in den Niederlanden umgerechnet 3 370 DM Kfz-Steuer bezahlt werden, bei uns 10 500 DM. Das ist eine unerträgliche Belastung für ein mittelständisches Gewerbe. Wir können das nicht akzeptieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, wir alle spüren es: Viele Erwartungen richten sich in dieser Zeit auf Deutschland. Das Vertrauen in unsere Fähigkeit, die gegenwärtigen Probleme zu meistern, ist im Ausland groß, manchmal beängstigend groß.
    Wir alle schauen zurück auf wichtige Perioden unserer Geschichte. In diesen Tagen war der Jahrestag des Ermächtigungsgesetzes. Wir haben mit gutem Grund bei dieser Gelegenheit an jene gedacht, die mit großem Mut und persönlichem Einsatz dazu nein gesagt haben.
    Wenn wir aus der Geschichte dieses Jahrhunderts lernen wollen, müssen wir die Chance nutzen, die wir in den letzten Jahren dieses Jahrzehnts und Jahrhunderts haben, nämlich deutsche Einheit und europäische Einigung gleichzeitig zu vollenden. Wenn wir das tun, können wir zugleich vieles wiedergutmachen, was in deutschem Namen in der Vergangenheit an Schlimmem geschehen ist.
    Deshalb treten wir unbeirrt für die europäische Einigung ein. Es gibt keinen überzeugenderen Weg, historisch verständliche, aber oft auch unberechtigte Ängste und Vorbehalte gegenüber dem vereinten Deutschland abzubauen, als den entscheidenden Beitrag der Deutschen zur europäischen Einigung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Das wiedervereinigte Deutschland wird auch künftig in einem vereinten Europa als Teil der Atlantischen Allianz einen Beitrag zu Frieden und Freiheit in der Welt leisten. Dazu gehört für uns auch unser Einsatz für eine weltumspannende Umweltpartnerschaft, für die Überwindung des Nord-Süd-Konflikts. Das ist eine Vision deutscher Politik. Es ist eine Vision, für die es sich lohnt zu arbeiten. Es ist eine Vision, die uns in die Pflicht nimmt, aber vor allem auch den Mut zum Umdenken verlangt.
    In wenigen Wochen, am 23. Mai, jährt sich zum 44. Mal der Tag der Verkündung des Grundgesetzes. Es ist eine gute Gelegenheit, uns dankbar an jene Männer und Frauen zu erinnern, die damals unsere freiheitliche Verfassung schufen, die nicht in Resignation versanken, sondern ja zur Zukunft sagten. Persönlichkeiten wie Konrad Adenauer, Kurt Schumacher und Theodor Heuss — ich nenne sie für viele andere — wiesen unserem Volk mit Weitsicht und Mut den Weg in die Zukunft.
    Seit dem 3. Oktober 1990 können alle Deutschen diesen Weg endlich gemeinsam gehen. Ich habe überhaupt keinen Zweifel daran, daß wir auch gemeinsam erfolgreich sein werden. Entscheidend ist, daß wir uns dabei auf unsere Stärken besinnen. mit Tugenden wie Mut und Verläßlichkeit, Fleiß und Eigenverantwortung, Mitmenschlichkeit und Hilfsbereitschaft werden wir die Zukunft gewinnen. Dazu möchte ich uns einladen.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als nächster spricht der Abgeordnete Hans-Ulrich Klose.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans-Ulrich Klose


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich einen Punkt der Zustimmung an den Anfang setzen: Wir Deutschen insgesamt, wir Europäer sind in hohem Maße an einer stabilen demokratischen Entwicklung in Osteuropa, in unserem unmittelbaren Nachbarland Polen und vor allem in Rußland interessiert.
    Wir verfolgen den Machtkampf in Rußland mit großer Aufmerksamkeit und, wie ich nicht verschweigen will, mit wachsender Besorgnis. Unsere Sympathie gilt dem demokratisch legitimierten, gewählten Präsidenten Boris Jelzin, ihm als Person und allen, die in Rußland und in Osteuropa für Demokratie streiten.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir, die Opposition, unterstützen die Bundesregierung ausdrücklich in ihrem Bemühen, andere westliche Ländern zu größerer Hilfe für Osteuropa zu bewegen: die Westeuropäer, die Vereinigten Staaten und vor allen Dingen Japan, für das offenbar Grenzinteressen von größerer Bedeutung sind als Überlebensinteressen.
    Meine Damen und Herren, weit mehr als 50 % aller Hilfe, die bisher für Osteuropa geleistet worden ist, kommt aus der Bundesrepublik Deutschland. Es ist richtig: Viel mehr geht nicht. Gleichwohl muß mehr Hilfe sein; denn Instabilität in Osteuropa und Chaos in Rußland würden schwerwiegende Folgen für die ganze Welt, für Europa und ganz besonders für uns



    Hans-Ulrich Klose
    Deutsche haben. Ich nenne nur ein Stichwort, das der Migration, und jeder weiß, woran zu denken ist.
    Insoweit sind wir Sozialdemokraten, wir, die Opposition, zur Zusammenarbeit mit der Regierung und zu ihrer Unterstützung bereit, und dies hat nichts mit Anpassung oder heimlichem Schielen auf eine große Koalition zu tun, wie uns das in den Medien ständig unterstellt wird. Es hat etwas mit gesamtstaatlicher Verantwortung zu tun, zu der sich auch die SPD bekennt. Auch wir arbeiten gemeinwohlorientiert.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das, meine Damen und Herren, kann aber nicht heißen, daß wir zu allem, was die Regierung tut, Ja und Amen sagen,

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Ja genügt!)

    auch zu jedem Unsinn. Wenn ich dieses Stichwort nenne, fällt mir wie von selbst AWACS ein. Meine Damen und Herren, das ist schon ein tolles Stück von „Einigung", was da erreicht ist, ein wirklich tolles Stück Regierungskunst:

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Einigung auf der Basis, daß der Vizekanzler den Kanzler vor Gericht verklagt!

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Wie wäre es denn, meine Damen und Herren, wenn Sie in die Koalitionsvereinbarung eine Schiedsklausel aufnehmen und ein eigenes Schiedsgericht einrichten würden? Sie brauchen das offenbar, weil die Einigungsfähigkeit innerhalb der Koalition erschöpft ist. Lächerlich geradezu, lächerlich!

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Diese Lächerlichkeit als Beweis für die Regierungsfähigkeit der einen und die Regierungsfähigkeit der anderen zu nehmen, das ist ein Kunststück, zu dem man geboren sein muß. Graf Lambsdorff, herzlichen Glückwunsch.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU]: Sie sind sauer, daß es ohne Sie geht! — Weiterer Zuruf von der CDU/ CSU: Zum Thema!)

    Zum Solidarpakt, meine Damen und Herren:

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Herr Klose, war das alles, was Sie zu diesem Thema zu sagen haben?)

    Die SPD hat an den Verhandlungen über den Solidar-pakt teilgenommen.

    (Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU]: Herr Klose, war das zu diesem Thema alles, was Sie zu sagen haben?)

    — Wir werden sicher Gelegenheit haben, darüber noch ausführlich zu diskutieren, und wir werden Ihnen unsere Meinung dazu nicht ersparen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Welche denn? — Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Ihre Meinungen dazu! — Weitere Zurufe)

    — Nein, wir werden sie nicht ändern; denn wir halten das, was Sie da tun, für wirklich unsinnig,

    (Beifall bei der SPD)

    und da ich, wie Sie wissen, kein Pazifist bin, füge ich hinzu: Selbst wenn die Verfassung so aussehen würde, wie Herr Kinkel sie gern haben will, würde ich dieser Aktion nicht zustimmen; denn ich halte es für eine abenteuerliche Überlegung, Flugzeuge über Jugoslawien abzuschießen, während unten UNOTruppen für humanitäre Hilfe sorgen. Das halte ich für unsinnig!

    (Beifall bei der SPD)

    Darüber werden wir uns noch unterhalten, und da mag man auch unterschiedlicher Auffassung sein. Mir ging es auch nicht um den Inhalt, sondern um das Procedere dieser großartigen Koalition und um ihre spezifische Form von Regierungskunst.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Es wäre aber schön, Sie würden etwas zum Inhalt sagen; das ist viel wichtiger!)

    — Das tue ich jetzt, Herr Kollege Schäuble. Deshalb hebe ich jetzt — mit Ihrer gütigen Zustimmung — noch einmal an und sage, daß ich mich jetzt dem Solidarpakt zuwenden will.
    An den Verhandlungen zu diesem Solidarpakt haben wir ja teilgenommen. Wir waren gebeten, und wir haben das Verhandlungsergebnis am Schluß der Verhandlungen — ich sehe, der Ministerpräsident von Sachsen, Biedenkopf, ist da und lächelt freundlich —

    (Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU]: Sehen Sie sich doch den Kanzler an, der lacht sogar!)

    akzeptiert, und dabei bleibt es auch. Natürlich — meine Damen und Herren von der Koalition, ich weiß gar nicht, was Sie daran wundert —

    (Zuruf von der CDU/CSU: Daß Herr Dreßler etwas anderes sagt!)

    entspricht das Ergebnis nicht unseren Erwartungen. Wir hatten andere, weitergehende Vorstellungen, die wir nicht durchsetzen konnten. Sie betreffen die Maßnahmen wie die Finanzierung. Wir sind in der Tat der Auffassung, es hätte entschlossener, wirksamer und vor allem früher gehandelt werden müssen.

    (Beifall bei der SPD)

    Aber das ist nicht unsere Verantwortung. Die Verantwortung dafür trägt die Regierung, die entsprechende Angebote der Sozialdemokraten in früheren Zeiten mehrfach, genau dreimal, abgelehnt hat. Das kostet die Republik viel Geld.

    (Beifall bei der SPD)




    Hans-Ulrich Klose
    Begrüßenswert, meine Damen und Herren, ist immerhin, daß der Solidarpakt zustande gekommen ist — da stimme ich Ihnen zu, Herr Bundeskanzler — und daß er mehr ist als nur ein Pakt über Finanzen und Finanzverteilung. Aus der Sicht der neuen Länder ist das, was vereinbart worden ist, jedenfalls ein Fortschritt; denn der Solidarpakt sichert deren Finanzen über 1995 hinaus, und er regelt die Altschuldenfrage, die der ostdeutschen Wohnungswirtschaft eingeschlossen.
    Daß der Bund, um dieses Teilergebnis zu erzielen, den Ländern insgesamt entgegengekommen ist, sollte positiv registriert werden — und diese Aussage auch.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

    Positiv, meine Damen und Herren, bewerte ich auch die Bereitschaft des Bundes, den Kreditrahmen der Treuhand zu erweitern, um den Erhalt der industriellen Kerne in Ostdeutschland zu sichern. Die Finanzierung ist jetzt gesichert. Jetzt muß aber endlich, wie man in Norddeutschland sagt „Butter bei die Fische". Es muß schnell und zuverlässig entschieden werden, welche industriellen Kerne erhalten werden sollen, mit welchem Entwicklungsziel, für welche Zeit und mit welchem finanziellen Aufwand im Einzelfall saniert, umgerüstet und unterstützt werden soll.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich weiß, meine Damen und Herren, die Treuhand ist dabei zuerst gefordert. Sie handelt aber auf Weisung des Bundesfinanzministers. Er sollte die Treuhand unverzüglich anweisen, unabhängig von aktuellen Privatisierungschancen tätig zu werden. Das heißt nicht, daß sich die Treuhand künftig nicht mehr um Privatisierung bemühen sollte. Sie soll es und soll dabei notfalls auch Minderheitsbeteiligung in Kauf nehmen, wenn anders unternehmerische Führung nicht zu gewinnen ist. Im Grundsatz aber muß ab sofort gelten: Sanierung vor Privatisierung!

    (Beifall bei der SPD)

    Um auch dies zu sagen: Es darf nicht zu sehr zugewartet werden; denn wenn sich die Ungewißheit, in der sich viele noch bestehende Betriebe in Ostdeutschland befinden, fortsetzt, dann gibt es bald keine industriellen Kerne mehr, über deren Erhalt noch zu streiten wäre.

    (Zurufe von der SPD: Sehr wahr! — Leider wahr!)

    Meine Damen und Herren, die ostdeutschen Länder müssen daran mitwirken. Sie müssen bei der Frage mitentscheiden, welche Betriebe aus regionalpolitischer Sicht erhalten werden müssen und welche nicht. Vor dieser Entscheidung können sich die ostdeutschen Länder nicht drücken.
    Ich füge hinzu: Die Antwort „alle" wäre verständlich; realistisch ist sie aber nicht. Es muß mit Blick auf künftige Marktchancen und mit Blick auf die angepeilte industrielle Entwicklung entschieden werden.
    Schnell muß es jedenfalls gehen. Diese Forderung wiederhole ich mit Nachdruck. Es ist schon genug Zeit verlorengegangen. Zu viele Betriebe sind verschwunden, zu viele Arbeitsplätze vernichtet worden.
    Meine Damen und Herren, auf konkrete Vermarktungshilfen für die ostdeutschen Unternehmen haben wir uns in den Verhandlungen nicht verständigen können. Immerhin haben Sie, Herr Bundeskanzler, in den Verhandlungen zugesagt, daß Vermarktungshilfen ernstlich geprüft werden sollen. Wir möchten auch diesen Prüfungsauftrag nicht auf die lange Bank geschoben sehen. Auch hier muß schnell gearbeitet werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir werden jedenfalls nicht müde werden, Sie in kurzen Abständen an die Einlösung dieser Zusage zu erinnern.
    Zufrieden sind wir mit den Beschlüssen zu Wohnungssanierung und Wohnungsneubau in Ostdeutschland. Wenn umgesetzt würde, was wir beschlossen haben, wäre dies ein erheblicher Beitrag zur Überwindung von Wohnungsnot, zur Beschäftigung von Menschen und zur Ankurbelung der schwachen Konjunktur insbesondere in den ostdeutschen Ländern.
    Daß wir es gern gesehen hätten — das war ein Punkt der Kritik meines Kollegen Dreßler —, wenn auch die Wohnungsbaumittel West zumindest verstetigt worden wären — in der mittelfristigen Finanzplanung ist ja eine Reduzierung vorgesehen —, wissen Sie. Aber da gab es von Ihrer Seite nur den Hinweis auf die westdeutschen Länder, die in die Bresche springen könnten. Das ist aus Ihrer Sicht verständlich. Aus unserer Sicht sage ich: Mit Schwarzer-Peter-Spielen wird die Wohnungsnot, die auch im Westen der Republik dramatisch ist, nicht beseitigt.

    (Beifall bei der SPD)

    2 Milliarden DM mehr 1993 für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen — das ist wenigstens etwas. Es reicht nicht aus, um eine Verstetigung der Beschäftigtenzahl im zweiten Arbeitsmarkt auf der derzeitigen Höhe zu sichern. Das wissen Sie auch, Herr Kollege Blüm. Deshalb bitte ich Sie, sich rechtzeitig um eine Aufstockung des Programms zu bemühen, denn die Arbeitslosigkeit im Osten ist dramatisch hoch: 30 bis 40 % real, in manchen Gegenden noch höher. Auch im Westen steigen die Arbeitslosenzahlen wieder an, und zwar drastisch. Allein für dieses Jahr wird mit einem Verlust von über einer halben Million Arbeitsplätzen gerechnet.
    Würde ich dem Sprachgebrauch des Konrad-Adenauer-Hauses folgen, müßte ich alle diese Arbeitslosen Ihnen persönlich, Herr Bundeskanzler, und Ihrer Partei zurechnen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich lasse das. Ich erwarte aber von dieser Regierung, daß sie die Überwindung der Arbeitslosigkeit zum Hauptpunkt ihrer Politik macht.

    (Beifall bei der SPD)

    4 Millionen Arbeitslose — in Wahrheit, wie wir doch alle wissen, noch mehr —, das ist bedrückend und gefährlich und aus der Sicht der Betroffenen, der Arbeitslosen und jener, die sich um ihre Arbeitsplätze sorgen, unerträglich.

    (Beifall bei der SPD)




    Hans-Ulrich Klose
    Es wäre gut, füge ich hinzu, wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister uns wenigstens gelegentlich den Eindruck vermitteln würde, daß auch er dies unerträglich findet. Diesen Eindruck haben wir derzeit nicht.

    (Beifall bei der SPD)

    Auch bei Ihnen, Herr Bundeskanzler, gibt es Zweifel. Wenn ich lese, mit welchen Worten Sie jüngst die Proteste der Stahlkocher von Rheinhausen kommentiert haben, dann zweifle ich, ob es bei Ihnen so etwas wie Mitgefühl gibt.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    — Hören Sie doch erst einmal zu; vielleicht haben Sie das nicht mitbekommen. Sie haben für diese Proteste folgende Worte benutzt: Diese Proteste seien komisch und inakzeptabel. Sie haben diese Proteste „Geschrei" genannt, denn gleichzeitig gingen doch in den ostdeutschen Ländern viele Tausende Arbeitsplätze verloren.
    Das ist ja richtig, Herr Bundeskanzler. Aber Sie können doch nicht das Elend der einen gegen das noch größere Elend der anderen ausspielen. Das geht doch nicht!

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der SPD: Es ist zynisch!)

    Der „Münchner Merkur" hat diese Rede, die Sie vor Unternehmern gehalten haben, vor zwei Tagen wie folgt kommentiert — ich will Ihnen das Zitat nicht ersparen —:
    Die geschmacklosen Bemerkungen Kohls steigern noch den hilflosen Zorn der Betroffenen über die verantwortlichen Politiker. So stößt man Menschen, die Mitgefühl verdienen, ohne Sinn und Verstand vor den Kopf.
    Dem muß ich zustimmen, Sie müssen nicht, aber Sie könnten.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Bundeskanzler, ich weiß sehr wohl, daß es einen Königsweg zur Überwindung der Arbeitslosigkeit nicht gibt. Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sind ein Ansatz. Ein Zukunftsinvestitionsprogramm, wie wir es vorgeschlagen haben, könnte ein Weg sein, der weiterhilft. Dazu haben Sie sich nicht entschließen können,

    (Zuruf von der SPD: Der Kanzler sagt: länger arbeiten! — Gegenruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)

    nicht zuletzt weil Ihnen die finanziellen Mittel, die dazu erforderlich wären, fehlen.
    Aber sie fehlen Ihnen durch eigenes Verschulden. Hätten Sie den Menschen rechtzeitig vor der Bundestagswahl erklärt, daß es ohne persönliche Opfer und Steuererhöhungen nicht geht, wir wären heute in einer anderen, besseren Situation.

    (Beifall bei der SPD)

    Den Solidaritätszuschlag haben Sie nach einem Jahr auslaufen lassen, wider besseres Wissen. Die Menschen, auch die Wirtschaft, hatten sich an diesen Steuerzuschlag gewöhnt; sie hatten ihn akzeptiert.
    Verantwortlicher Politik hätte es entsprochen, die Wahrheit zu sagen und zu tun, was getan werden mußte. Statt dessen sind Sie in eine immer höhere Verschuldung hineingeschlittert.
    Der Bundesfinanzminister — er ist krank; ich wünsche ihm von dieser Stelle aus gute Besserung —

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)

    kann einem leid tun, denn er ist heute in Wahrheit ein Schuldenminister. Allein die Nettoneuverschuldung dieses Jahres wird sich am Ende auf ca. 70 Milliarden DM belaufen.
    Es ist übrigens bemerkenswert, Herr Bundeskanzler, daß Sie auf diese Tatsache in Ihrer Regierungserklärung mit keinem einzigen Wort eingegangen sind.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Man löst aber Probleme nicht, indem man sie verschweigt.

    (Zuruf von der SPD: Darin ist er ein Meister!)

    Zugegeben, Herr Bundeskanzler, zusätzliche Steuererhöhungen über jene hinaus, die Sie vorschlagen, sind in einer konjunkturell und strukturell krisenhaften Situation nicht eben der Weisheit letzter Schluß. Daß aber diese Nettoneuverschuldung nahtlos in die konjunkturelle Landschaft paßt, kann wirklich nur behaupten, wer sich an seine eigenen Worte in der jüngeren Vergangenheit nicht mehr erinnert. Wir erinnern uns aber gut an solche Worte, Herr Bundeskanzler, auch an Ihre.
    Wir hatten vorgeschlagen, einen Solidaritätszuschlag in Form einer Ergänzungsabgabe schon in diesem Jahr wieder einzuführen. Leicht ist uns das nicht gefallen, denn wir wissen ja auch, daß der Widerstand beträchtlich gewesen wäre. Viele haben sich — gefragt und ungefragt — zu Wort gemeldet. Sie hätten sich auch nach einem positiven Beschluß geäußert, und zwar, wie ich vermute, überwiegend ablehnend. Dennoch sage ich Ihnen, Herr Bundeskanzler: Ihr Ausweichen vor dieser notwendigen Entscheidung hat dieser Regierung ein weiteres Stück Handlungsfähigkeit genommen. Das kritisieren wir,

    (Beifall bei der SPD)

    nicht zuletzt deshalb, weil durch diese Nichtentscheidung ein weiteres Problem ungelöst geblieben ist. Sie wissen doch wie wir, daß es bei der Finanzierung der deutschen Einheit eine Gerechtigkeitslücke — wie der Kollege Rühe gesagt hat — gibt: Die Beitragszahler werden heute relativ stärker zur Kasse gebeten als andere, z. B. Minister und Abgeordnete. Eine Arbeitsmarktabgabe, die dieses Gerechtigkeitsproblem würde lösen helfen, wollten Sie bzw. die F.D.P. auf gar keinen Fall akzeptieren.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Aus gutem Grund!)

    Dann aber hätten Sie sich zumindest zu einer Ergänzungsabgabe, die die unteren Einkommen schont, entschließen müssen. Ihre Zusage, bei der



    Hans-Ulrich Klose
    Wiedereinführung des Solidaritätszuschlags ab 1. Januar 1995 eine über den Grundfreibetrag hinausgehende soziale Komponente einzuführen, verschiebt die Lösung dieses Problems über den Wahltermin hinaus und ist vage genug, um Mißtrauen zu wekken.

    (Dr. Otto Graf Lambsdorff [F.D.P.]: Immerhin korrekt zitiert! — Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Ja, das hat ja Herr Scharping geschrieben!)

    Daß Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, bei solcher Schieflage das Gerechtigkeitsproblem zusätzlich durch Kürzung von sozialen Regelleistungen verschärfen wollten, wirft ein bezeichnendes Schlaglicht auf die Politik dieser Regierung.

    (Beifall bei der SPD)

    Diese Regierung wird nicht müde, von sozialer Überforderung und notwendigen Anpassungen — nach unten, versteht sich — zu reden und zugleich wortreich die mangelnde Solidarität der Westdeutschen zu beklagen. Herr Bundeskanzler, Sie haben diese Gesellschaft gespalten und entsolidarisiert,

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Ullmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    und Sie hätten diesen Prozeß mit dem Konsolidierungsprogramm noch weitergetrieben, wenn wir Sie nicht daran gehindert hätten.
    Sozialer Frieden, Herr Bundeskanzler, ist ein positiver Standortfaktor. Es macht keinen Sinn, diesen positiven Faktor kaputtzuregieren oder kaputtzureden.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie tun das aber, indem Sie sich einseitig zum Interessenvertreter der ,,Leistungsträger" machen,

    (Zuruf von der SPD: Der sogenannten!)

    was an sich schon eine Zumutung ist, denn auch die Verkäuferin, der Lkw-Fahrer, der Polizist und die Altenpflegerin sind Leistungsträger, die harte Arbeit leisten.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Ullmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Wer ständig davon redet, daß Leistung sich wieder lohnen müsse und zugleich die hohe Kostenbelastung des Standortes Deutschland beklagt, der will in Wahrheit das soziale Niveau herunterdrücken; und das, Herr Bundeskanzler, ist mit uns Sozialdemokraten nicht zu machen!

    (Beifall bei der SPD)

    Es paßt übrigens in die Linie, daß just in diesen Tagen und in dieser Situation die Diskussion über Karenztage neu entfacht wird.

    (Rudolf Dreßler [SPD]: Leider wahr!)

    Ja, sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen! Weiß der Kollege Ost nicht, daß für die Durchsetzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall der längste Streik in der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland geführt worden ist? Wollen Sie, daß
    sich das wiederholt? Soll die Gespaltenheit der Gesellschaft auf die Spitze getrieben werden? Eine Gesellschaft in Unfrieden kann doch nicht das Ziel verantwortlicher Regierungspolitik sein!

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Ullmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Sie reden, Herr Bundeskanzler, gern von Mißbrauch. Na schön, auch wir sind — das sage ich ganz deutlich — gegen die mißbräuchliche Inanspruchnahme von Rechten. Aber diese Aussage — bei der ich Ihnen zustimme —, bezieht sich wahrlich nicht nur auf soziale Rechte. Ich bin ganz sicher: Die mißbräuchliche Inanspruchnahme von Subventions- und Steuervorteilen hat einen weitaus größeren Umfang als der Mißbrauch sozialer Rechte.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Wir, zumal der Kollege Dreßler, haben darauf in den Verhandlungen ausdrücklich hingewiesen, und alle Experten, die wir zu Rate ziehen, sehen es so. Nur die Regierung sieht sich bemüßigt, bei solchen Hinweisen vor überzogenen Erwartungen zu warnen.

    (Zurufe von der SPD: Hört! Hört!)

    Bei sozialem Mißbrauch nennen Sie Zahlen, Zielzahlen, die erreicht werden müssen. Bei sonstigen Mißbräuchen bleiben Sie wortkarg. Auch das macht mißtrauisch, Herr Bundeskanzler, und zwar in hohem Maße.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN — Zuruf von der SPD: Wo ist denn der Herr Krause?)

    Daß bei diesem Teil der Verhandlungen natürlich insbesondere die Vertreter der F.D.P. vor zu hohen Erwartungen gewarnt haben, erwähne ich nur. Das weiß ja jeder; man muß es nicht näher begründen.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Bundeskanzler, Sie sorgen sich, so sagen Sie, um den Standort Deutschland. Das ist in Ordnung, denn es gibt Standortprobleme.

    (Zuruf von der SPD: 10 Jahre Kohl!)

    Sie liegen aber falsch, Herr Bundeskanzler, wenn Sie glauben, die Standortprobleme durch Einschnitte in das soziale Netz lösen zu können. Deutschland wird immer ein Hochkostenland und auch ein Hochlohnland sein. Das waren wir auch in der Vergangenheit.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Jetzt aber zu hoch!)

    Nur haben wir früher damit keine ernstlichen Probleme gehabt; denn wir waren unseren Konkurrenten überlegen, waren wettbewerbsfähig durch die Qualität unserer Produkte und Dienstleistungen, durch unser Know-how, durch die Zuverlässigkeit bei der Lieferung und durch den exzellenten Service, den die deutsche Wirtschaft anbieten konnte.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Und jetzt holen die anderen auf!)




    Hans-Ulrich Klose
    Wir sind auch heute nicht unbedingt schlechter; aber die anderen — Sie sagen es, Herr Schäuble —, unsere Konkurrenten, die in Europa und die in Ostasien, sind besser geworden, ohne daß wir uns neuen Vorsprung durch Produkt- und Produktionsinnovation geschaffen hätten.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU — Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: So ist es!)

    Das liegt, wie nicht verschwiegen werden soll, auch an der Wirtschaft selber. Strukturkrise heißt nämlich in Wahrheit auch Managementkrise.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Das ist wahr! )

    Hinzu kommt aber, daß diese Regierung es nicht fertiggebracht hat und nicht fertigbringt,

    (Zuruf von von der CDU/CSU: Verleumdung!)

    eine intelligente Industriepolitik zu entwickeln. Dabei spielen ideologische Gründe eine Rolle, vor allem bei der F.D.P. — Franz Josef Strauß sah das zu seiner Zeit ja ganz anders.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Dabei, meine Damen und Herren, geht es doch gar nicht darum, der Wirtschaft vorzuschreiben, in welche Richtung notwendige Innovationsprozesse vorangetrieben werden sollen. Es geht darum, gemeinsam mit der Wirtschaft Entwicklungslinien in die Zukunft zu projizieren.
    Es ist bedauerlich, daß die Bundesmittel für Forschung und Technologie in den letzten Jahren reduziert worden sind.

    (Zurufe von der SPD: Hört! Hört!)

    Denn ich sage Ihnen: Das Ministerium für Forschung und Technologie ist für einen Standort wie Deutschland wichtiger als das Wirtschaftsministerium.

    (Beifall bei der SPD)

    Das sehen Sie leider nicht so. Das bedauern wir, wie wir es auch bedauern und als einen Beleg für die eben erwähnte Managementkrise ansehen, daß auch die Wirtschaft ihre Aufwendungen für Forschung und Entwicklung deutlich heruntergefahren hat. Hier, Herr Bundeskanzler, sind Sie gefordert: als Moderator und Antreiber.
    Die Gefahr, daß wir den Anschluß an die nächste und übernächste Stufe der industriellen Entwicklung verpassen, ist groß. Dort muß ein Schwerpunkt liegen, der sich übrigens mit den Notwendigkeiten einer innovativen Umweltpolitik sehr wohl verträgt. Standortpolitik heißt für mich ökonomische, ökologische und soziale Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Die Zukunft, meine Damen und Herren, ist nicht einfach gottgegeben. Zukunft ist, was wir daraus machen. Machen Sie etwas daraus, Herr Bundeskanzler!

    (Beifall bei der SPD)

    Und noch eines: Es wird derzeit viel — Sie haben es auch heute getan, Herr Bundeskanzler — über die viel zu langen Bildungs- und Ausbildungszeiten geklagt. Sie sind zu lang, auch aus meiner Sicht. Wenn ich mir aber vergegenwärtige, in welchem Zusammenhang über das 13. Schuljahr und über die zu langen Studienzeiten geredet wird, dann drängt sich mir der Eindruck auf, es gehe Ihnen mehr um Finanzpolitik — falsche Finanzpolitik —

    (Zuruf von der SPD: Sehr wahr!)

    und weniger, wenn überhaupt, um Bildungspolitik.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Das war doch in Potsdam! — Dr. Jürgen Rüttgers [CDU/CSU]: Warum greifen Sie die Ministerpräsidenten so an!)

    Im übrigen erlaube ich mir zu Ihren Bemerkungen, Herr Bundeskanzler, in diesem Zusammenhang drei kurze kritische Fragen:
    Erste Frage. Was heißt es denn, wenn Sie die hohen Zahlen von Studenten und von Schülern an weiterführenden Schulen und die geringeren Lehrlingszahlen beklagen? Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?
    Zweite Frage. An welche Kinder denken Sie denn eigentlich, wenn Sie sagen, es gebe zu viele Studenten? Ich habe immer den Eindruck: Die, die so reden, denken immer an anderer Leute Kinder, nicht an die eigenen.

    (Beifall bei der SPD)

    Dritte Frage. Ist Ihnen, Herr Bundeskanzler, bekannt, daß Studienabbrecher nicht unbedingt und nicht einmal in ihrer Mehrheit Gescheiterte sind? Es sind, wie neuere Untersuchungen zeigen, ganz überwiegend solche, die mit großem Erfolg unmittelbar in die Berufstätigkeit einsteigen. Es sind Berufseinsteiger.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie schütteln den Kopf, Herr Bundeskanzler; aber ich sage Ihnen: Da sind Sie einfach nicht gut genug unterrichtet. Wir sind gern bereit, Ihnen die entsprechenden Untersuchungen auf den Tisch zu legen.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der SPD: Lesen!)


    (V o r s i t z: Vizepräsident Helmuth Becker)

    Wir sind bereit, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, auch wenn es um persönliche Fortbildung geht.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Im übrigen, Herr Bundeskanzler, erlaube ich mir noch folgende Anmerkung: Die Verkürzung der Bildungszeiten kostet, wie alle Sachverständigen Ihnen sagen können, zumindest in einer sehr langen Anfangsphase erheblich mehr Geld und nicht weniger. Um es gleich hinzuzufügen: Wir Sozialdemokraten sind dafür, daß mehr Geld für die Bildung ausgegeben wird; denn der Reichtum Deutschlands beruht doch nicht auf natürlichen Standortvorteilen. Natürliche Ressourcen haben wir nicht, nur ein bißchen Kohle, nicht einmal genug Sonne. Unser Reichtum beruht auf der Fähigkeit von Menschen, klugen Köpfen und geschickten Händen.

    (Beifall bei der SPD)




    Hans-Ulrich Klose
    Hier, meine Damen und Herren, bei der Pflege des Humankapitals, muß ein Schwerpunkt gebildet werden, was im übrigen schon deshalb dringlich ist, weil der demographische Wandel — Sie, Herr Bundeskanzler, haben davon gesprochen, die Gesellschaft wird älter — uns zu einer weit vorausschauenden Politik zwingt. Sie wissen das, Herr Bundeskanzler. Wo aber bleiben die Konsequenzen solcher Erkenntnis? Wann endlich wird die Fort- und Weiterbildung in Deutschland zur klar konturierten und geförderten vierten Säule unseres Bildungswesens gemacht?

    (Beifall bei der SPD)

    Daß Sie allein das nicht schaffen können, Herr Bundeskanzler, weiß ich; die Länder müßten sich daran beteiligen, ebenso die Wirtschaft und die Gewerkschaften. Sie aber müßten ihnen schon von Amts wegen den Anstoß dazu geben. Sie müßten für den notwendigen Schub sorgen. Von nichts kommt nichts und von Regierungserklärungen allein auch nicht.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie sehen, Herr Bundeskanzler, es gibt viel zu tun, und wir bitten Sie herzlich: Tun Sie etwas! Wir möchten uns auseinandersetzen mit dem, was Sie tun, statt Sie immer nur für das kritisieren zu müssen, was Sie nicht tun!

    (Beifall bei der SPD)

    Sie verfügen, Herr Bundeskanzler, wie jedermann sehen kann, über ein großes Maß an ruhender Energie.

    (Heiterkeit bei der SPD)

    Wir bitten Sie, daß Sie diese Energie in Bewegungsenergie umsetzen.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Bundeskanzler, machen Sie den Weg frei, so oder so, damit es vorangeht in Deutschland!

    (Anhaltender Beifall bei der SPD — Beifall des Abg. Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])