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    Plenarprotokoll 12/144 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 144. Sitzung Bonn, Freitag, den 5. März 1993 Inhalt: Dank an den Abgeordneten Wolfgang Roth für seine langjährige Mitarbeit im Deutschen Bundestag 12411A Tagesordnungspunkt 10: a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Jahreswirtschaftsbericht 1993 der Bundesregierung (Drucksache 12/4330) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Jahresgutachten 1992/93 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Drucksache 12/3774) c) Beratung des Antrags des Abgeordneten Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Beteiligung der Betroffenen am Konzept zum Erhalt industrieller Kerne (Drucksache 12/4429) d) Beratung des Antrags des Abgeordneten Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Vorlage des Konzepts zum Erhalt industrieller Kerne (Drucksache 12/4430) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang Roth, Hans Berger, Dr. Ulrich Böhme, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Eine sich selbst verstärkende Rezession durch kompetente Wirtschaftspolitik abwenden (Drucksache 12/4453) Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 12373D Dr. Uwe Jens SPD 12374C, 12415A Oskar Lafontaine, Ministerpräsident des Saarlandes 12378B Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU . . . 12380A Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . 12380 C Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 12384 B Peter W. Reuschenbach SPD . . . . . 12386 C Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . . 12387 B Dr. Kurt Biedenkopf, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen . 12390A Wolfgang Roth SPD 12390D Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. 12393B, 12408 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 12398D Rainer Haungs CDU/CSU 12400 C Wolfgang Roth SPD . . . . . . . . . . 12403 D Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU 12408 C Bernd Heim PDS/Linke Liste 12411 A Josef Grünbeck F.D.P. . . . . 12412A, 12413C Ingrid Matthäus-Maier SPD 12413 B Friedhelm Ost CDU/CSU 12414A Christian Müller (Zittau) SPD 12415 C Dr. Hermann Pohler CDU/CSU 12418B Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 12419A Ortwin Lowack fraktionslos 12420 C II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. März 1993 Tagesordnungspunkt 11: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker Jung (Düsseldorf), Holger Bartsch, Hans Berger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Ein gemeinsamer Europäischer Binnenmarkt braucht eine ökologisch verantwortbare Energieversorgung (Drucksache 12/3767) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Jung (Düsseldorf), Gerd Andres, Holger Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Übertragung der örtlichen Energieversorgungseinrichtungen an die ostdeutschen Kommunen (Drucksachen 12/3624, 12/4259) Volker Jung (Düsseldorf) SPD 12422 C Heinrich Seesing CDU/CSU 12424A Klaus Beckmann F.D.P. 12425C Dr. Fritz Gautier SPD . . 12427A, 12437A Bernd Heim PDS/Linke Liste 12427 C Holger Bartsch SPD 12429A Ulrich Klinkert CDU/CSU . . . . . . . 12430B Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 12432B Dr. Fritz Gautier SPD 12433 B Ulrich Klinkert CDU/CSU 12434 B Dr. Bernd Protzner CDU/CSU 12436 B Nächste Sitzung 12437 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 12439* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 11 (a — Antrag: Ein gemeinsamer Europäischer Binnenmarkt braucht eine ökologisch verantwortbare Energieversorgung; b — Antrag: Übertragung der örtlichen Energieversorgungseinrichtungen an die ostdeutschen Kommunen) Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12440* A Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 12441* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. März 1993 12373 144. Sitzung Bonn, den 5. März 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Andres, Gerd SPD 5. 3. 93 Bachmaier, Hermann SPD 5. 3. 93 Baum, Gerhart Rudolf F.D.P. 5. 3. 93 Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 5. 3. 93 ** Bock, Thea SPD 5. 3. 93 Böhm (Melsungen), CDU/CSU 5. 3. 93 * Wilfried Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 5. 3. 93 Büchler (Hof), Hans SPD 5. 3. 93 * Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 5. 3. 93 * Bulmahn, Edelgard SPD 5. 3. 93 Clemens, Joachim CDU/CSU 5. 3. 93 Cronenberg (Arnsberg), F.D.P. 5. 3. 93 Dieter-Julius Dempwolf, Gertrud CDU/CSU 5. 3. 93 Fuchs (Verl), Katrin SPD 5. 3. 93 Gansel, Norbert SPD 5. 3. 93 Gattermann, Hans H. F.D.P. 5. 3. 93 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 5. 3. 93 Genscher, Hans Dietrich F.D.P. 5. 3. 93 Gerster (Mainz), CDU/CSU 5. 3. 93 Johannes Gleicke, Iris SPD 5. 3. 93 Gres, Joachim CDU/CSU 5. 3. 93 Gries, Ekkehard F.D.P. 5. 3. 93 Harries, Klaus CDU/CSU 5. 3. 93 Hasenfratz, Klaus SPD 5. 3. 93 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 5. 3. 93 Hilsberg, Stephan SPD 5. 3. 93 Horn, Erwin SPD 5. 3. 93 ** Dr. Hoth, Sigrid F.D.P. 5. 3. 93 Huonker, Gunter SPD 5. 3. 93 Ibrügger, Lothar SPD 5. 3. 93 Klappert, Marianne SPD 5. 3. 93 Klemmer, Siegrun SPD 5. 3. 93 Kolbe, Manfred CDU/CSU 5. 3. 93 Kolbow, Walter SPD 5. 3. 93 ** Koschyk, Hartmut CDU/CSU 5. 3. 93 Kretkowski, Volkmar SPD 5. 3. 93 Lenzer, Christian CDU/CSU 5. 3. 93* Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 5. 3. 93 Link (Diepholz), Walter CDU/CSU 5. 3. 93 Dr. Matterne, Dietmar SPD 5. 3. 93 Michels, Meinolf CDU/CSU 5. 3. 93 * Mischnick, Wolfgang F.D.P. 5. 3. 93 Müller (Pleisweiler), SPD 5. 3. 93 Albrecht Müller (Wadern), CDU/CSU 5. 3. 93 Hans-Werner Nelle, Engelbert CDU/CSU 5. 3. 93 Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 5. 3. 93 Oesinghaus, Günther SPD 5. 3. 93 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Otto (Frankfurt), F.D.P. 5. 3. 93 Hans-Joachim Pfeffermann, Gerhart O. CDU/CSU 5. 3. 93 Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 5. 3. 93 Pfuhl, Albert SPD 5. 3. 93 Priebus, Rosemarie CDU/CSU 5. 3. 93 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 5. 3. 93 * Rahardt-Vahldieck, CDU/CSU 5. 3. 93 Susanne Rempe, Walter SPD 5. 3. 93 Repnik, Hans-Peter CDU/CSU 5. 3. 93 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 5. 3. 93 Ingrid Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 5. 3. 93 Helmut Schaich-Walch, Gudrun SPD 5. 3. 93 Dr. Scheer, Hermann SPD 5. 3. 93 * Scheffler, Siegfried Willy SPD 5. 3. 93 Schmidbauer (Nürnberg), SPD 5. 3. 93 Horst Schmidt (Dresden), Arno F.D.P. 5. 3. 93 Schröter, Karl-Heinz SPD 5. 3. 93 Schulte (Hameln),Brigitte SPD 5. 3. 93 ** Dr. Schulte (Schwäbisch CDU/CSU 5. 3. 93 Gmünd), Dieter Schwanitz, Rolf SPD 5. 3. 93 Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 5. 3. 93 Christian Seibel, Wilfried CDU/CSU 5. 3. 93 Seuster, Lisa SPD 5. 3. 93 Stachowa, Angela PDS/LL 5. 3. 93 Dr. Starnick, Jürgen F.D.P. 5. 3. 93 Steinbach-Hermann, CDU/CSU 5. 3. 93 Erika Stiegler, Ludwig SPD 5. 3. 93 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 5. 3. 93 Thierse, Wolfgang SPD 5. 3. 93 Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter CDU/CSU 5. 3. 93 Dr. Vondran, Ruprecht CDU/CSU 5. 3. 93 Vosen, Josef SPD 5. 3. 93 Graf von Waldburg-Zeil, CDU/CSU 5. 3. 93 Alois Waltemathe, Ernst SPD 5. 3. 93 Welt, Jochen SPD 5. 3. 93 Wester, Hildegard SPD 5. 3. 93 Westrich, Lydia SPD 5. 3. 93 Wieczorek-Zeul, SPD 5.3.93 Heidemarie Wiefelspütz, Dieter SPD 5. 3. 93 Wittmann (Tännesberg), CDU/CSU 5. 3. 93 Simon Wohlleben, Verena SPD 5. 3. 93 Ingeburg Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 5. 3. 93 Zierer, Benno CDU/CSU 5. 3. 93 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung 12440* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. März 1993 Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 11 (a-Antrag: Ein gemeinsamer Europäischer Binnenmarkt braucht eine ökologisch verantwortbare Energieversorgung; b-Antrag: Übertragung der örtlichen Energieversorgungseinrichtungen an die ostdeutschen Kommunen) Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In der Energiepolitik bleibt viel zu tun. Nach wie vor wird der Alltag der Industriegesellschaften von einem exzessiven, verschwenderischen Energieverbrauch bestimmt, an dem unsere Mitwelt unausweichlich zugrunde geht. Die unverminderte Ausbeutung, Zerstörung und Vergiftung der natürlichen Ressourcen und der ökologischen Kreisläufe, die mit der überholten Wachstumsideologie unseres Industriezeitalters einhergehen, lassen — nicht ohne Grund — viele Menschen zweifeln, ob überhaupt noch eine Wende möglich ist. Es ist heute ein Gemeinplatz, daß eine energiepolitische Zeitenwende zur Lösung der gewaltigen Herausforderungen, welche die Umweltkrise an uns richtet, dringend notwendig ist. Die offizielle Energiepolitik aber, die der Bundesregierung, die der Energiekonzerne und nicht zuletzt die der EG-Kommission, schreckt vor dieser Jahrhundertaufgabe zurück. Gerade die Protagonisten des Status quo in der Bundesrepublik, allen voran die Bundesregierung, geben ein trauriges Bild ab. Unter dem Eindruck einer hervorragenden Arbeit der Klimaenquete verkündete die Bundesregierung im Jahre 1990 ein ehrgeiziges umweltpolitisches Ziel: 25 bis 30 % Minderung der Kohlendioxid-Emissionen bis zum Jahre 2005. Gut anderthalb Jahre später ging die Bundesregierung darüber noch weit hinaus und unterzeichnete auf der UNCED-Konferenz in Rio sogar ein Abkommen, das eine Stabilisierung des CO2-Gehalts in der Atmosphäre als Ziel vorsieht. Das heißt nicht mehr und nicht weniger, als daß die Bundesrepublik Deutschland bis Mitte nächsten Jahrhunderts vollständig aus der Nutzung fossiler Brennstoffe aussteigen muß. Diesen richtungsweisenden oder besser modellhaften Zielen folgten aber bis heute keine nennenswerten Taten, im Gegenteil. Mit dem unbeirrten Festhalten an der Kernenergie demonstriert die Bundesregierung eindrücklich ihren Unwillen, an den hochgradig verschwenderischen Strukturen unseres Energiesystems Grundsätzliches zu ändern. Die Bundesregierung ist eine Innovationsbremse. Energiepolitik läßt sich natürlich nicht nur auf Klimapolitik reduzieren. Aber es ist gerade der drohende Klimaschock, in dem sowohl die Fehlentwicklungen des bisherigen Wirtschaftens der Industriegesellschaften deutlich werden, als auch die Größenordnung des erforderlichen Wandels zur Bewältigung der Probleme. Die Bundesregierung jedenfalls kann oder will ihren Beitrag zur Lösung der globalen Klimaprobleme nicht leisten. Sollte man deswegen, um die Hoffnung auf Veränderung nicht aufgeben zu müssen, auf die nächsthöhere Organisationsstufe setzen? Sollte man von der EG erwarten, was die Bundesregierung zu leisten nicht in der Lage ist? Auch das scheint vergeblich. Die energiepolitischen Vorstellungen der EG-Kommission wirken angesichts der Problemlage geradezu anachronistisch, und das, obwohl der Ansatz auf den ersten Blick plausibel zu sein scheint. Wettbewerb im Gas- und Strombereich, Aufbrechen regionaler und nationaler Monopole, Öffnung der Leitungen für Dritte — das klingt passabel. Aber das eigentliche Ziel dieser Liberalisierungspolitik, nämlich die erwünschten Preissenkungen, geht ohne neue Rahmenbedingungen in eine völlig falsche Richtung. Die angestrebten Preissenkungen schreiben die Energieverschwendung fest, unter der die Umwelt und die Gesundheit vieler Menschen heute leiden. Aber auch markt- und wettbewerbspolitisch ist diese Politik fehlgeleitet. Sollten die EG-Richtlinien Wirklichkeit werden, würde eine Entwicklung eingeleitet, die statt zu mehr Wettbewerb zu einer Konzentration der Energieversorgung auf wenige Großunternehmen in Europa hinausläuft. Die Energiekonzerne könnten mit ihren oftmals schon abgeschriebenen Großanlagen schnell den Markt beherrschen und Stellungen festschreiben. Dadurch würde nicht zuletzt auch der anstehende Vergleich zum Stromvertrag zwischen den ostdeutschen Kommunen und den westdeutschen Stromkonzernen wieder ausgehebelt. Die innovativen Impulse, die von der Rekommunalisierung der Energiewirtschaft Ostdeutschlands für ganz Deutschland und Europa ausgehen könnten, würden durch den Einstieg in den europäischen Energiemarkt in den Sand gesetzt. Völlig unterschiedliche Umweltstandards, Sicherheitsvorschriften sowie Steuern und Subventionen innerhalb Europas führen für die Energieunternehmen zu sehr divergierenden Startbedingungen. So käme eine Öffnung des Energiemarktes zu den heutigen Bedingungen in erster Linie den französischen Atomstromlieferanten zugute. Es darf nicht wahr sein, daß in Deutschland der Konsens für einen Ausstieg aus der Atomwirtschaft gesucht wird, um dann französischen Atomstrom zu importieren. Die EG-Kommission beschränkt sich mit ihren Vorschlägen zunächst auf den Einstieg mit industriellen Großkunden. Die erhalten dann allerdings Vorteile auf Kosten von Kleinverbrauchern und mittelständischen Gewerbetreibenden. Gleichzeitig läßt sich absehen, daß die EG-Richtlinien zu einem gewaltigen Hemmschuh für alle innovativen Bemühungen zugunsten einer dezentralen, effizienten Energieversorgungsstruktur werden. Unter gegenwärtigen Bedingungen wird der gemeinsame Energiemarkt die Kommunalisierung der Energieversorgung und damit vor allem die zukunftsweisende Kraft-Wärme-Kopplung, aber auch die Eigenerzeugung von Strom in Industrieunternehmen und Haushalten behindern oder sogar unterbinden. Das wäre, das wäre meine Damen und Herren, nicht nur umweltpolitisch fatal. Damit wäre auch eine der nicht eben zahlreichen Chancen zur Schaffung neuer, zukunftssicherer Arbeitsplätze in Ostdeutschland vertan. Und die Beschäftigungswirkungen einer kleinräumigen Energiestruktur sind gar nicht hoch genug einzuschätzen. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. März 1993 12441* Zukunftsorientierte Energiepolitik, die Entwicklung von Energiesystemen, kann nicht länger ohne die Umwelt gedacht und konzipiert werden. Die langjährige Ökologiedebatte hat vor allem eins gezeigt: Aus ökonomischer Sicht wurde die Umweltkrise durch ein Grundübel verursacht: Viel zu niedrige Preise für den Energie- und Ressourcenumsatz. Dieser ökonomische Selbstbetrug hinterläßt heute einen Berg ökologischer Schulden gegenüber zukünftigen Generationen, der Natur, der sogenannten Dritten Welt und der eigenen Gesundheit. Deshalb ist es endlich an der Zeit, die entstehenden externen Kosten Zug um Zug den Verursachern aufzubürden. Die EG-Kommission favorisiert hierfür bekanntlich eine Lösung, die als eine Komponente die Einführung einer CO2-Steuer vorsieht. Ein solcher Vorschlag birgt die Gefahr, daß doch wieder die nachsorgenden Umweltschutzmaßnahmen in den Vordergrund treten, die technische Rückhaltung schädlicher Emissionen — letztlich trügerische Alternativen zum grundsätzlichen Wandel des Energiesystems. Im Gegensatz zu den Vorschlägen der EG-Kommission hält die Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine allgemeine Energiesteuer oder besser Primärenergiesteuer für die umweltpolitisch sinnvollere Lösung. Damit werden außer der Klimagefährdung auch die anderen ökologischen Kosten und Schäden der Energieträger vom Abbau über die Nutzung bis zur Lagerung der Reststoffe einbezogen. Nachdem nun auch die USA willens scheinen, in die Richtung eines grundsätzlichen Wandels des Energiesystems zu gehen, fallen die bisherigen Ausreden von EG und auch Bundesregierung weg. So sollte die Bundesregierung mit einer eigenen wirkungsvollen Primärenergiesteuer Zeichen und Impulse auch für die EG setzen. Obwohl die Bundesregierung seit über zwei Jahren ihre Energiepolitik auf Sparflamme kocht, ist jetzt auch in der Bundesrepublik wieder die energiepolitische Debatte in Gang gesetzt worden. Der Energiekonsens ist in aller Munde. Rückgrat eines solchen Konsenses müßte auf jeden Fall eine spürbare und stufenweise wachsende Primärenergiesteuer sein. Diese ist die effizienteste staatliche Maßnahme, um den tiefgreifenden Wandel der Energiestrukturen langfristig anzubahnen. Bei den Konsensgesprächen dreht sich bislang alles um die weitere Nutzung von Atomkraftwerken in der Bundesrepublik. Kein Tag vergeht ohne schweren Schaden, der von der Nutzung der Atomenergie ausgeht. Ich erinnere nur an die fortwirkenden Folgen der Katastrophe von Tschernobyl. Täglich werden Regionen, Nahrungsketten und Menschen weltweit bei Abbau, Verarbeitung und Nutzung des Urans schleichend vergiftet. Allein aus diesen Gründen ist es geboten, in den Konsensgesprächen schnellstmöglich den Ausstieg aus der Atomenergienutzung vorzubereiten. Der Ausstieg aus der Atomenergie mit den damit verbundenen Großkraftwerken und Verbundstrukturen beseitigt zugleich die grundlegenden Strukturhemmnisse auf dem Weg zu einer dezentralisierten, ökologisch angepaßten Energieversorgung. Die Konsensgespräche lassen eines deutlich werden: Die Atomindustrie und ihre Lobby stehen vor dem Aus. Die mit der Atomenergie verbundenen Probleme sind weder technisch noch gesellschaftlich gelöst. Die Energiekonzerne brauchen den Energiekonsens, um nicht in eine auch für sie bedrohliche, unkalkulierbare Situation hineinzuschliddern. Der einzige Konsens, der in dieser Situation erreichbar und vertretbar ist, liegt im kontrollierten, gemeinsam verantworteten Ausstieg aus der unheilvollen Nutzung der Atomenergie. Diese Richtungsentscheidung ist überfällig. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 12. Februar 1993 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen oder einen Einspruch gem. Art. 77 Abs. 3 GG nicht einzulegen. Fünfzehntes Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und Dreizehntes Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes Dreizehntes Gesetz zur Änderung des Wehrsoldgesetzes Gesetz zur Gewährleistung der Geheimhaltung der dem Statistischen Amt der europäischen Gemeinschaften übermittelten vertraulichen Daten — SAEG-Übermittlungsschutzgesetz — Gesetz über das Ruhen der Verjährung bei SED-Unrechtstaten (VerjährungsG) Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Bundesbauverwaltung Gesetz über gebäude- und wohnungsstatistische Erhebungen (Wohnungsstatistikgesetz — WoStatG) Gesetz zu dem Protokoll vom 9. Dezember 1991 zu der Vereinbarung vom 8. Oktober 1990 über die Internationale Kommission zum Schutz der Elbe Gesetz zu dem Abkommen vom 18. Juni 1991 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Bahrain über den Luftverkehr Gesetz zu dem Abkommen vom 22. Oktober 1991 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Rumänien fiber die Schiffahrt und den Binnenwasserstraßen Gesetz zu dem Abkommen vom 8. November 1991 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Polen über die Binnenschiffahrt Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und lindern In Angelegenheiten der Europäischen Union Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 12/1365 Drucksache 12/2791 Drucksache 12/3232 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 12/4131 Nm. 3.8-3.12 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 12/2144 Nr. 2.14
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    Ich halte die Prognose nicht für unrealistisch. Herr Kollege Roth, Sie wissen aus vielen Diskussionen, die wir geführt haben, auch als ich die Ehre hatte, diesem Hohen Hause anzugehören: Von den Versuchen, detaillierte Wachstumsraten zu prognostizieren, habe ich nie viel gehalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich habe mich im Augenblick in erster Linie auf die Beschreibung des gegenwärtigen Zustands konzentriert.

    (Zuruf des Abg. Wolfgang Roth [SPD])

    — Verzeihen Sie, ich hoffe, daß ich Ihre Frage damit beantwortet habe. —

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Ja, ausreichend!)

    Ich habe mich vor allen Dingen auf die Darstellung der Probleme und der Schwierigkeiten konzentriert und auf das — dazu komme ich jetzt —, was der Jahreswirtschaftsbericht leisten kann.
    Mir scheint, daß der Jahreswirtschaftsbericht eine ganze Reihe der Dinge, die heute zur Diskussion stehen, seiner Anlage nach nicht leisten kann. Der Jahreswirtschaftsbericht ist ein Element des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes. Er ist in einer Zeit zur Lösung von Problemen entwickelt worden, die völlig anders sind als die, die wir heute und in absehbarer Zukunft zu bewältigen haben werden.
    Wir müssen uns daran erinnern, daß der Jahreswirtschaftsbericht ein Instrument der Globalsteuerung war. Man wollte mit Hilfe des Jahreswirtschaftsberichts jährlich feststellen, ob die Globalsteuerung der Wirtschaft im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes auf Kurs liegt oder nicht auf Kurs liegt.
    Der Bericht beschreibt alles das, was seinem instrumentellen Zweck entspricht, nach meiner Auffassung richtig. Aber er kann eine Reihe der Probleme, die in der Debatte heute schon angesprochen worden sind, nicht erfassen, weil er als Instrument dafür nicht geeignet ist. Man könnte sagen: Er kann Auskunft geben und gibt Auskunft — in meinen Augen in realistischer und zutreffender Weise — über den Kurs des Schiffes Wirtschaft. Aber er kann keine Umbaupläne für die Wirtschaft liefern.
    Ich möchte mich zunächst auf die konjunkturellen Fragen konzentrieren — wobei konjunkturelle und strukturelle Fragen behandelt werden müssen.
    Wichtig ist mir die Feststellung, daß weder die konjunkturellen noch die strukturellen Mängel, die im Jahreswirtschaftsbericht angesprochen werden, direkt dem Prozeß der deutschen Einheit angelastet werden können. Ganz im Gegenteil: Der Prozeß der deutschen Einheit war in den letzten Jahren ein ausgesprochener Konjunkturmotor. Daß diese konjunkturelle Wirkung der deutschen Einheit jetzt abklingt, ist ein vollkommen normaler Vorgang; denn wir können auf die Dauer nicht in der gleichen Weise,
    wie wir das in den ersten zwei Jahren der Einheit gemacht haben, die Wirtschaft durch Kreditschöpfung ankurbeln.
    Wir haben aber in den ersten zwei Jahren wegen der Veränderungen, die mit der deutschen Einheit verbunden waren, notwendigerweise eine wesentliche Ausweitung der öffentlichen Verschuldung erfahren, also im Grunde ein großes Keynesianisches Programm. Die Wirkungen dieses Keynesianischen Programms sind in der Automobilindustrie und in vielen anderen Bereichen in Deutschland und weit über unsere Grenzen hinaus in Europa sichtbar geworden.
    Diese Wirkungen klingen in dem Maße ab, in dem man nun bestrebt ist, die Finanzierung der deutschen Einheit auf eine mittel- bis langfristige Grundlage zu stellen. So treten jetzt in der Tat Wirkungen stärker zutage, die sonst im Verlaufe der weltwirtschaftlichen Entwicklung schon früher zutage getreten wären. Dies gilt sowohl für die konjunkturelle wie für die strukturelle Problematik.
    In den nächsten Wochen wird uns vor allem die Frage beschäftigen, welche Instrumente uns zur Verfügung stehen, um die deutsche Einheit zu finanzieren, aber auch, welche konjunkturellen Instrumente uns zur Verfügung stehen.
    Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß sowohl die Kreditaufnahme zur Finanzierung staatlicher Aufgaben, um die Wirtschaft anzukurbeln, wie auch Steuererhöhungen zur Finanzierung staatlicher Aufgaben, um die Wirtschaft ebenfalls anzukurbeln, wie auch Einsparungen mit dem Ziel, den Kapitalmarkt zu entlasten, wenig oder gar keine konjunkturellen Wirkungen mehr haben werden, weil die Dimensionen, die dafür notwendig wären, weder im Wege der Krediterhöhungen noch im Wege der Steuererhöhungen noch im Wege der Einsparungen erreichbar sind.
    Wir müssen feststellen, daß in allen drei Fällen durch die verschiedenen konjunkturellen Abschwünge, die wir in den letzten 20 Jahren gehabt haben, die Wirksamkeit dieser Instrumente zurückgegangen ist.
    Das entscheidende Dilemma bei der Bewertung dieser Instrumente sehe ich aber darin, daß sich hier zwei Dinge miteinander vermischen: auf der einen Seite die konjunkturellen Instrumente, über die wir diskutieren, und auf der anderen Seite das Problem, die Teilung durch Teilen zu überwinden.
    Die Teilung durch Teilen zu überwinden heißt nichts anderes, als einen Teil der Kaufkraft, die im Westen für Konsum und Investitionen aufgewendet wird, in Anspruch zu nehmen, um die Aufgaben im Osten zu finanzieren. Darauf läuft die Sache hinaus. Da im Augenblick 93 % des Bruttosozialprodukts im Westen und nur 7 % im Osten erwirtschaftet werden, betrifft dieser Prozeß im wesentlichen die westdeutsche Teilvolkswirtschaft.
    Nun ist Teilung durch Teilen zu überwinden nur möglich, wenn eine Institution diesen Vorgang des Teilens in Gang setzt. Angesichts der Dimensionen kann das nur der Staat sein.



    Ministerpräsident Dr. Kurt Biedenkopf (Sachsen)

    Wir müssen uns jetzt dazu entschließen, die Investitionsquote in Deutschland zu erhöhen und die Konsumquote zu senken, um sie in ein Verhältnis zu bringen, wie es z. B. in den 50er und 60er Jahren bis Anfang der 70er Jahre in Westdeutschland war, nämlich gut 25 % des Bruttosozialprodukts investiv und den Rest konsumtiv zu verwenden und nicht wie vor der Einheit gut 20 % investiv und den Rest konsumtiv.
    Es ist ganz offensichtlich, daß sowohl im Blick auf die Erneuerungsbedürftigkeit der ostdeutschen Wirtschaft als auch im Blick auf die Erneuerungsbedürftigkeit der ostdeutschen Infrastruktur die Investitionsquote erhöht werden muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Die Erhöhung der Investitionsquote ist aber ohne die Mitwirkung des Staates nicht möglich.

    (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Dieses besondere Problem müssen wir in die konjunkturellen Betrachtungsweisen einbeziehen. Wir können aber die Frage der Umlenkung der Kaufkraft — das geht nur mit staatlichen Mitteln in diesen Dimensionen — nicht nur unter konjunkturellen Gesichtspunkten sehen, wenn wir es mittelfristig tun.

    (V o r s i t z: Vizepräsident Helmuth Becker)

    Mittelfristig gesehen müssen wir in ausreichendem Umfang folgende Leistung erbringen: Erneuerung der wirtschaftlichen Basis — das bedeutet Neuschaffung bzw. Sanierung von rund 6 Millionen Arbeitsplätzen — und Erneuerung der Infrastruktur — das bedeutet nach heute unbestrittenen Schätzungen ein Investitionsvolumen über 10 bis 15 Jahre von ungefähr 300 bis 400 Milliarden DM. Wenn wir in mittelfristiger Perspektive diese Aufgaben nicht anpacken, dann werden die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Folgekosten einer unzureichenden Investitionstätigkeit in Ostdeutschland die westdeutsche Konjunktur weit mehr gefährden, als eine Umwandlung von konsumtiven Mitteln in investive Mittel die Konjunktur gefährden könnte.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Das heißt aber, daß wir sehr stark auf der Ausgabenseite kürzen müßten!)

    — Genau dazu komme ich jetzt, Herr Kollege Schäuble. — Das bedeutet, daß wir Einsparungen nicht mit der Verringerung der staatlichen Ausgaben begründen können, sondern nur mit der Umschichtung.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Man kann also nicht Einsparungen damit begründen, daß man sagt, es werde jetzt vom Staat zuviel Geld ausgegeben. Vielmehr kann man das nur so begründen, daß man sagt: Das Geld wird jetzt für die falschen Aufgaben ausgegeben.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Bei dem Bundesverkehrswegeplan z. B.!)

    In der Tat müssen Bund, Länder und Gemeinden in einer gemeinsamen Anstrengung je nach ihrer Aufgabenstruktur Einsparungen vornehmen. Aufgabenstruktur heißt eben auch unterschiedliche Auf gaben-verteilung. Die Länder und Gemeinden, die die überwältigende Mehrheit der Verwaltungsaufgaben in der Bundesrepublik Deutschland zu leisten haben, haben eine andere Aufgabenstruktur und damit auch eine andere Ausgabenstruktur als der Bund. Wir werden in den Verhandlungen zwischen Bund und Ländern diese unterschiedlichen Aufgabenstrukturen zu berücksichtigen haben.
    Der zweite Punkt, um den es mir in diesem Beitrag zur Debatte über den Jahreswirtschaftsbericht geht, sind die strukturellen Mängel. Wohl vor allem wegen der begrenzten Zeit konnte der Bundeswirtschaftsminister diesen Teil des Problems nur in den letzten zwei Minuten ansprechen. Ich halte ihn für den zentralen Teil unserer Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik überhaupt.
    Wenn man sich heute mit der Entwicklung Westdeutschlands über die letzten 20 Jahre befaßt und eine ehrliche Sonde anlegt, muß man feststellen, daß eine ganze Reihe der Ursachen, die die weltwirtschaftlich hervorragende Position der Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen 20 Jahren begründet haben, inzwischen Schwächezeichen aufweisen. Es ist eine ganze Reihe von z. T. langfristig angelegten Mängeln entstanden. Man kann sagen, daß diese Mängel eine lange „Inkubationszeit" haben, weil sie nicht sofort erkannt und noch weniger sofort abgestellt werden.
    Mängel und Probleme, die z. B. aus abnehmender Spitzenqualifikation wegen der Probleme der Universitäten oder aus abnehmender Exaktheit oder Gewissenhaftigkeit bei der Anwendung der Vorschriften in den sozialen Systemen und ähnlichem erwachsen, werden zunächst mitgeschleppt. Sie werden als unbequem empfunden, aber nicht abgestellt.
    Wenn wir hier vor drei oder vier Jahren den Jahreswirtschaftsbericht diskutiert hätten, dann hätten wir über die Verbürokratisierung unseres Landes gesprochen, über die langen Genehmigungszeiten, über die Mißbräuche im Sozialsystem, über die Probleme der Universitäten usw. usw. Aber die Aussage ist wahrscheinlich nicht verkehrt, daß weder eine von der CDU/CSU noch eine von der SPD geführte Regierung damals wesentlich mehr hätte bewirken können als die Identifikation dieser Probleme. Jedenfalls ist das meine Erfahrung in den letzten 20 Jahren.
    Was ist jetzt durch die deutsche Einheit passiert? Durch die deutsche Einheit ist unsere Wirtschaft plötzlich zusätzlich enorm belastet worden. Das, was in den vergangenen Jahren mit einer langen „Inkubationszeit" als leichte bis mittlere Beschwerde empfunden worden ist, wird plötzlich als ein gravierender Mangel sichtbar, weil wir jetzt eine sehr viel größere Last tragen müssen. Diese sehr viel größere Last macht Mängel erkennbar, die wir zwar theoretisch schon lange diskutiert haben, deren kraftvolle Überwindung aber bisher immer an den involvierten Besitzständen mehr oder weniger gescheitert ist,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)




    Ministerpräsident Dr. Kurt Biedenkopf (Sachsen)

    In diesem Zusammenhang sehe ich eine unglaubliche Chance der deutschen Einheit gerade für Westdeutschland.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. und der SPD)

    Denn diese scheinbare Last ist in Wirklichkeit ein sehr heilsamer Zwang, um eine ganze Reihe der entstandenen und immer weiter mitgeschleppten Mängel abzustellen, und zwar bei Strafe des Verlustes unseres Lebensstandards, wenn wir es nicht tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Damit wird ein Interesse der westdeutschen Bevölkerung am deutschen Einigungsprozeß erkennbar, das festzustellen mir besonders wichtig ist, nämlich das Interesse, aus dieser Herausforderung die Kraft zu beziehen, um die Mängel zu beseitigen, die in jedem Fall hätten beseitigt werden müssen und die in jedem Fall über unsere weltweite Wettbewerbsfähigkeit entscheiden werden.
    Ich will das mit Rücksicht auf die Redezeit nur an einem Beispiel deutlich machen. Es ist ein scheinbar außerökonomisches Problem, das in Wirklichkeit natürlich von höchster ökonomischer Relevanz ist. Es ist die Ausbildung der Spitzenqualifikationen in Deutschland.
    Der deutsche Lebensstandard wird in Zukunft nicht in erster Linie oder gar ausschließlich dadurch bestimmt werden, wie sich die Löhne entwickeln, wie sich die Krankheitskosten oder die Umweltkosten — oder vieles andere — im gegebenen System entwickeln. Der Lebensstandard wird in erster Linie davon abhängen, ob es uns gelingt, im Rhythmus unserer Lebensstandardserwartungen auch die Intelligenz der Organisation unseres volkswirtschaftlichen Gesamtgefüges zu erhöhen. Er wird im wesentlichen davon abhängen, ob es uns gelingt, mit den gegebenen Ressourcen so viel intelligenter umzugehen, daß die Wertschöfpung höher als in anderen Volkswirtschaften ist und deshalb die ganze Bevölkerung an dieser höheren Wertschöpfung teilhaben kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Dies setzt aber voraus, daß wir für diese außerordentlich anspruchsvolle Aufgabe über ein ausreichendes Maß von Persönlichkeiten verfügen, d. h. von Männern und Frauen, die die Qualifikation mitbringen, die man braucht, um eine Volkswirtschaft wesentlich intelligenter zu organisieren als andere.
    Lassen Sie mich das an einem Beispiel deutlich machen. In der Sowjetunion gibt es eine Raffinerie, die 4 Millionen t Rohöl durchsetzt. Ein deutsches Unternehmen wollte dieser Raffinerie Anlagen verkaufen. Die Raffinerie sagte: Das können wir nicht; wir können sie nicht bezahlen. Darauf hat das deutsche Unternehmen gesagt: Wir sind in der Lage, euren Rohöldurchsatz zu erhöhen, wenn ihr uns erlaubt, bei euch die Dinge anders zu organisieren. Nach langen Verhandlungen und der Übernahme entsprechender Risiken durch den deutschen Unternehmer hat man zugestimmt. Die Folge war, daß man in diese Raffinerie mit 16 000 Beschäftigten etwa 5 Millionen DM
    investieren mußte — im wesentlichen in Kommunikationseinrichtungen — und mit sechs Leuten, die das Know-how hatten, den Durchsatz in der Raffinerie von 4 Millionen auf 5,5 Millionen t erhöhte. Mit dem, was die Raffinerie jetzt an der Differenz verdiente, konnte sie den westdeutschen Exporteur bezahlen.
    Dieses Beispiel, das durchaus verallgemeinerungsfähig ist, macht deutlich, welch enorme Bedeutung die Intelligenz der Organisation für die Leistungsfähigkeit des Ganzen hat.
    Wir haben aber in den letzten 20 Jahren unsere Universitäten und unsere wissenschaftliche Ausbildung in der Bundesrepublik nicht unter dem Eindruck betrieben, daß wir dort über den zukünftigen Lebensstandard unseres Volkes entscheiden; sonst wären die Universitäten nicht in dem Zustand, in dem sie heute sind.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sonst würden wir nicht heute bereits ein Viertel der akademisch ausgebildeten Berufstätigen in Deutschland in Tätigkeiten von Angelernten oder Facharbeitern oder Sachbearbeitern oder in einfachen Dienstleistungen beschäftigen, d. h. das Potential eines Viertels der akademisch Ausgebildeten in Deutschland ökonomisch vergeuden.
    Wir müssen auf das entschiedenste erkennen, daß nur die Beseitigung der in den letzten Jahren angewachsenen langfristigen Mängel uns in die Lage versetzen wird, eine langfristige Veränderung herbeizuführen. Und über diese Mängel muß in diesem Hohen Hause diskutiert werden. Ohne die Beseitigung dieser Mängel werden wir — mit oder ohne Einheit — nicht in der Lage sein, unseren Lebensstandard zu sichern.
    Aber ohne die Beseitigung dieser Mängel werden wir vor allem nicht in der Lage sein, zu vermeiden, daß die mit der deutschen Einheit verbundenen Umlenkungen von Ressourcen zu einem neuen, die Einheit gefährdenden Verteilungskonflikt werden. Denn nur dann, wenn wir die Einheit als eine gesamtstaatliche Aufgabe auch in dem Sinne verstehen, daß die Erneuerung des Landes, die damit verbunden ist, vor allem im Interesse der westdeutschen Bevölkerung ist, werden wir vermeiden, daß die Einheit zu einem Ost-West-Konflikt in Deutschland wird, der die Deutschen mehr trennt als vereint.

    (Beifall im ganzen Hause)



Rede von Helmuth Becker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich erteile jetzt das Wort unserem Kollegen Dr. Otto Graf Lambsdorff.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte heute von dem üblichen Aufdruck auf den Manuskripten Gebrauch machen, die vorher zu verteilen wir uns angewöhnt haben — es heißt ja immer, man solle nicht nach vorbereiteten Manuskripten sprechen —, von dem Aufdruck nämlich „Es gilt das gesprochene Wort". Jedenfalls in stärkerem Maße als sonst. Ich denke, diese Debatte rechtfertigt es, von dem abzuweichen, was man sich vorher notiert hat.



    Dr. Otto Graf Lambsdorff
    Ich will damit beginnen, daß ich dem Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern — Entschuldigung, des Freistaates Sachsen —

    (Wolfgang Roth [SPD]: Schon die erste Invektive!)

    — ja, ich weiß, die Herren sind nicht immer so befreundet; das liegt aber an der DSU, ich kann ja wirklich nichts dafür —, Herrn Professor Biedenkopf, ausdrücklich dafür danken, daß er eine Bewertung des Jahreswirtschaftsberichtes vorgenommen hat, die ich nicht besser geben könnte und der ich zustimme.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Der Bundeswirtschaftsminister hat einen zutreffenden, einen ungeschönten, aber deswegen nicht schwarzmalerischen Bericht vorgelegt. Ich stimme, Herr Roth, Herrn Biedenkopf völlig zu: Es nützt ja nichts, um 0,5 % rauf oder runter der Erwartung zu streiten. Wie oft hat man da falsch gelegen. Im übrigen: Bei dieser schnellen Entwicklung der Konjunktur — leider nach unten — sind zwischen Abfassung, Verabschiedung und heutiger Debatte Entwicklungen eingetreten, die sicherlich Anlaß zu Gedanken darüber geben, ob die damals angestellten Prognosen noch zutreffen können. Ich habe das drastischer gesehen; ich will heute im Interesse der Zeit nicht darauf zurückkommen.
    Herr Biedenkopf, in der Tat, der Jahreswirtschaftsbericht kann nicht die Eigenschaft eines Kochbuches, eines Rezeptbuches haben. Der Jahreswirtschaftsbericht kann die Lage schildern. Aber man muß aufpassen, daß man nicht voll in der Analyse steckenbleibt, sondern daß auch beim Jahreswirtschaftsbericht der Versuch unternommen wird, Therapievorschläge, in unserem Falle Politikvorschläge zu machen.
    Sie haben, Herr Biedenkopf, davon gesprochen, daß wir uns 1991 noch — bei 1992 bin ich da schon etwas zaghafter — durch die in den Osten transferierten Mittel im Westen von der wirtschaftlich abflachenden Entwicklung unserer Nachbarländer haben abkoppeln können. Sie haben das ein Keynesianisches Programm genannt. Darf ich die von mir gebrauchte Formulierung hinzufügen: ein Keynesianisches Programm in einer nicht Keynesianischen Situation. Das waren die 3,5 % Wachstum im Jahr 1991, die sich 1992 nicht wiederholen ließen und die uns 1993 ganz gewiß nicht möglich sein werden.
    Im übrigen glaube ich, daß Herr Rexrodt recht hat. 1992 ist die Nettokreditaufnahme der öffentlichen Hände nach dem derzeit bekannten Stand bei 119 Milliarden DM angekommen und der Nettotransfer bei 128 Milliarden DM. Es ist kein riesiger Unterschied, aber es stimmt schon — und es wird ja auch gar nicht geklagt darüber —, daß die deutsche Einheit erhebliche Überweisungen und Transfers erforderlich gemacht hat.
    Ich wäre nur dankbar, Herr Biedenkopf, wenn wir uns vielleicht — aber es wird wohl schwer sein —darauf verständigen könnten, die Bezeichnung „Teilen wird durch Teilen überwunden" doch endlich — am liebsten sähe ich sie ja aufgegeben — zumindest zu modifizieren. Dieser Begriff ist mir zu statisch. Das Teilen reicht nicht. Wir müssen gemeinsam Dynamik schaffen, wir müssen gemeinsam Wachstum schaffen.
    Darauf kommt es an. Wenn sich zwei Leute, die hungrig sind, ein Brot teilen, dann essen sie es auf. Sie müssen neues Brot backen, um zurechtzukommen. Ich nehme nicht an, daß wir hier unterschiedlicher Meinung sind.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Bei diesem Teilen allerdings und bei diesen Anstrengungen, die völlig zu Recht vom Westen gefordert werden, von Bund, Ländern und Gemeinden, muß aufgepaßt werden, daß wir nun die westliche Volkswirtschaft nicht so überfordern, daß sie am Ende ihrer Verpflichtung nicht mehr gerecht werden kann. Das wird das Thema der nächsten Wochen sein, Herr Professor Biedenkopf. Bei allem Verständnis für alle Wünsche: Es kann nicht so gehen, daß man — um es bildlich zu formulieren — die Kuh schlachtet, von der man Milch haben möchte.
    Wir haben keine Meinungsverschiedenheit zum Thema Einsparen. Das heißt jetzt nicht Verringerung staatlicher Ausgaben. Wir werden jetzt nicht die Nettokreditaufnahme, die staatlichen Defizite zurückfahren können. Sie sind auch im internationalen Vergleich noch hinnehmbar. Doch umgeschichtet werden muß schon. Und da geht es ja nun los. Da, Herr Professor Biedenkopf, muß ich sagen, war Ihre Analyse richtig. Da machen Sie einmal ein paar Therapievorschläge in Richtung Länder und Gemeinden, damit die es auch wirklich tun.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Dann muß man den Mut haben, Herr Lafontaine, sich zu überlegen, ob die Sozialleistungen so bleiben können, ob der Abstand zwischen Sozialhilfe, Lohnersatzleistungen und Lohn, der heute zum Teil nicht mehr besteht, wirklich so durchgehalten werden kann. Aber wenn man den Mut nicht hat, dann redet man nur in der Theorie herum.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Ich stimme Ihnen — das ist der letzte Punkt — zu, was die strukturellen Mängel anlangt. Wenn Sie den heutigen Leitartikel des „Economist" nachlesen, werden Sie dort ungefähr das lesen können, was Sie vorgetragen haben. Nicht, daß ich annehme, Sie hätten es vorher schon studiert; nein, nein. Es ist auch richtig, daß darin eine Chance für Westdeutschland liegt. Aber wird sie denn — und das muß ich uns hier fragen — in Westdeutschland wahrgenommen? Ist es denn nicht richtig, daß wir flexiblere Tarifverträge in Ostdeutschland gefordert haben und daß uns dann gesagt wurde: Um Himmels willen nicht, das könnte ja auch nach Westdeutschland kommen?
    Ist es denn nicht richtig, daß wir erleichterte Bauvorschriften, erleichterte Planungsvorschriften gesagt haben? Nein, um Himmels willen nicht, das könnte ja auch nach Westdeutschland zurückwirken. Das ist doch die Wahrheit! Das ist doch die Verkrustung, in der wir hier leben.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Schließlich bin ich auch sehr einverstanden, meine Damen und Herren, wenn es um die Spitzenqualifikation in der Ausbildung geht. Abgesehen davon — jetzt sage ich: Herr Professor —, daß das Landessache ist, bitte ich aber eines dabei nicht zu übersehen



    Dr. Otto Graf Lambsdorff
    — mir ist das jetzt bei meinem Besuch in Washington wieder so überdeutlich klargeworden —: wie wichtig neben der Ausbildung der Spitzenqualifikationen die duale Ausbildung des deutschen Facharbeiters ist und welche Grundlage wir hier für die internationale Wettbewerbsfähigkeit und welchen Exportartikel wir hier haben.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Helmut Schmidt ist ja schon mehrfach zitiert worden. Ich weiß nicht, ob das, was er uns geraten hat — Hände weg von der Steuerschraube —, wirklich als uneigennütziger Rat gemeint war oder ob ihn die Erkenntnis getrieben hat, daß Eigennutz für seine Partei gleichbedeutend wäre mit Schaden für unser Land. Er ist übrigens immer noch Mitglied der SPD, falls das ein Zuhörer vergessen haben sollte, und Karl Schiller ist es auch. Aber der Rat beider ist ja bei den Herren Engholm und Klose und auch bei Frau Matthäus-Maier nicht gefragt, eher vielleicht, Herr Roth, bei Ihnen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aber nicht mehr lange!)

    — Ja, nicht mehr lange, er hat ja so lange nach Fachleuten in der Politik gerufen, daß er jetzt als Bankfachmann zum On-the-job-training nach Luxemburg wechseln wird.

    (Heiterkeit bei der F.D.P. und der CDU/ CSU)

    Den Hinweis haben Sie sich durch Ihre Bemerkungen verdient, Herr Roth.
    Die von Helmut Schmidt aufgezählten sechs Ratschläge für die Verdienst-, Einkommens- und Geldpolitik kann meine Partei, die F.D.P., fast alle unterschreiben. Kann das eigentlich auch die SPD?
    Herr Lafontaine, daß Sie mit Herrn Schmidt nicht gut ausgekommen sind, das wissen wir ja. Das brauchen Sie durch Kopfschütteln jetzt nicht zu bestätigen.
    Sie wollen ausgerechnet jetzt den ökologischen Umbau des Steuersystems. In Wirklichkeit wollen Sie
    — ich habe mir noch einmal Ihr Programm angesehen, lange bevor Sie es hier in gewandten Worten vorgetragen haben —, eine Erhöhung von Steuern und Abgaben in einem Ausmaß, das die Staats- und Abgabenquote in unvertretbarer und unnötiger Weise hochtreibt,

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    weil Sie das, Herr Lafontaine, was Ihr Nachbar Ihnen eben von dieser Stelle vorgeschlagen hat, nämlich Umschichten im Haushalt, nicht wollen und nicht können, weil Sie dazu keinen politischen Mut haben.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Frau Matthäus-Maier hat Herrn Lafontaine kritisiert. Die Vorschläge von Herrn Scharping, die sich sehr viel vernünftiger lasen, sind alle unter dem Tisch gelandet. Herr Ministerpräsident Schröder erklärt den Westen schlicht für überfordert. Herr Engholm nennt das Föderale Konsolidierungsprogramm ein Machwerk. Gestern habe ich übrigens
    gelesen, Herr Engholm habe gesagt, er sei kein Hoppla-hoppla-Ministerpräsident. Ich möchte ausdrücklich versichern, meine Damen und Herren, wir haben noch nie geglaubt, daß Herr Engholm eine Hoppla-hoppla-Position einnimmt. So schnell geht bei ihm nichts.

    (Heiterkeit bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Wolfgang Roth [SPD]: Das ist so wie bei einem anderen bedeutenden Lübecker! Da sind die sich sehr ähnlich! Das hat Deutschland sehr gedient!)

    Die Finanzministerin Heide Simonis, unsere frühere Kollegin, nennt das FKP Verhandlungsgrundlage. Herr Stolpe ist gegen die Vorschläge des Bundesfinanzministers. Sein Finanzminister Kühbacher meint, man könne darüber reden. Herr Steinkühler beharrt auf 26 % Lohnanstieg, und das heißt, er beharrt auf Arbeitsplatzvernichtung.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Herr Rappe einigt sich auf 9 % Steigerung. Ich könnte die Aufzählung verlängern. Mit dieser Opposition ist leider wenig anzufangen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

    — Ich kann ja nicht immer wieder sagen: Das ist keine Eintracht in Vielfalt, sondern Zwietracht in Einfalt. Dieser Spruch nutzt sich ja auch langsam ab.

    (Zurufe von der SPD)

    — Das stimmt, nicht wahr? Sie kennen den Spruch schon. Sie nehmen ihn auch zur Kenntnis, aber Sie lassen ihn sich nicht zur Lehre dienen. Das ist das Unerfreuliche. Es hilft nichts.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Richten Sie das einmal an Ihre Leute!)

    — Frau Matthäus-Maier, auch wir haben im Augenblick schwierige Zeiten. Ich halte mich deswegen immer ein bißchen zurück und bin vorsichtig. Ich war zufällig bei der Verhandlung über die Mineralölsteuer in Brüssel; ich war nicht dabei. Das ändert aber nichts daran. Auch wir haben es schwer. Ich weiß das.
    Herr Biedenkopf, da ist auch folgendes — Herr Gysi hat es heute im übrigen angesprochen —: Die gesellschaftlichen Grundlagen des Zusammenwirkens in den westlichen parlamentarischen Demokratien
    — keineswegs nur in Deutschland — sind in den letzten drei Jahren mindestens mit vielen Fragezeichen versehen worden. Vieles ist ins Rutschen, ins Anzweifeln geraten. Ich weiß noch nicht, wo wir da enden werden. Ich muß auch gestehen, daß ich mit Analyse und erst recht mit Therapie keineswegs am Ende bin.
    Meine Herren Ministerpräsidenten, die Sie hier sind, und Herr Bundesfinanzminister, ich möchte jetzt noch eine Bemerkung zu einem anderen Thema machen. Die 16 Ministerpräsidenten haben sich in Potsdam darauf geeinigt — anders kann ich es nicht nennen —, das Fell des Bundesfinanzministers zu verteilen.

    (Peter W. Reuschenbach [SPD]: So schmackhaft ist das nun auch nicht!)




    Dr. Otto Graf Lambsdorff
    Wir hatten ja nicht erwartet, daß die Ministerpräsidenten die Vorschläge des Bundesfinanzministers akzeptieren.

    (Wolfgang Roth [SPD]: Das hätte aber eine Antwort verdient!)

    Der hat beim Pokern auch nicht alle Karten auf den Tisch gelegt, auch nicht die Asse, die er im Ärmel hat. Wer macht das denn schon, wenn man anfängt?
    Man wird sich vermutlich auch in der bevorstehenden Klausurtagung kaum einigen können, sondern wahrscheinlich erst im Vermittlungsausschuß, aber hoffentlich nicht erst — das will ich mit Deutlichkeit sagen—mit der Hilfe des Bundesverfassungsgerichts. Das wäre schlecht.
    Aber nun, Herr Professor Biedenkopf, frage ich doch: Was um alles in der Welt hat Sie eigentlich zum Wortführer der Ertragsteuererhöher gemacht? Sie wissen doch auch, daß es ein kapitaler Fehler wäre, mitten in eine Rezession hinein die Steuern und Abgaben und ausgerechnet noch die Ertragsteuer zu erhöhen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Das bestraft Investieren und Sparen, es bremst die notwendige Erholung, und es verlängert die Rezession. Es ist das Gegenteil von dem, was wir jetzt tun müssen. Leider müßte man wohl im Konjunktiv sagen: was wir tun müßten.
    Die Japaner senken die Ertragsteuer in dieser Rezession. Unsere europäischen Partner haben das längst schon getan. Wir können es nicht wegen der hohen Transferleistungen. Herr Biedenkopf hat den richtigen Hinweis gegeben: Umschichten ja, Einsparen unter dem Strich wird nicht gehen.
    Ich wünschte mir, daß heute auch der Ministerpräsident Vogel hier wäre. Der hat den Mut und die Standfestigkeit, sich trotz der finanziellen Probleme Thüringens solchen falschen Vorschlägen entgegenzustellen.
    In dem Zusammenhang sage ich dem Herrn Ministerpräsident Lafontaine: Es muß selbstverständlich beim Standortsicherungsgesetz bleiben. Ich weiß auch, daß es besser wäre, die Abschreibungsverschlechterungen jetzt nicht vorzunehmen. Aber es muß endlich Konstanz in die Rahmenbedingungen der Wirtschaft. Die Leute müssen wissen, wo es entlanggeht. BDI und DIHT sagen uns ja auch: Wenn es denn nicht anders geht und da wir wissen, daß ihr jetzt — wieder zitiert, Herr Biedenkopf — unter dem Strich nicht noch weniger Geld einnehmen könnt, laßt es bitte bei diesem Standortsicherungsgesetz; dann müssen wir notfalls damit leben. Das Standortsicherungsgesetz aber in der Versenkung verschwinden zu lassen, wie Sie es uns vorschlagen, das kann nicht in Betracht kommen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Wolfgang Roth [SPD]: Dann brauchen wir ja keine Anhörungen mehr durchzuführen!)

    Es ist hier ja schon angeführt worden — kein Argument ist zu töricht —: die Steuererhöhung in den USA. Viele in Deutschland würden diese Steuersätze gerne bezahlen, und zwar die Sätze nach der durch Herrn Clinton geplanten Steuererhöhung. Im übrigen
    gilt aber auch für die Vereinigten Staaten — ich habe das meinen amerikanischen Freunden mit Deutlichkeit gesagt —: Die Zeche für solche Steuererhöhungen bezahlen immer die mittleren Einkommensschichten und eben nicht die paar Spitzenverdiener, die paar Superreichen, auch nicht der SozialneidPappkamerad der SPD, der sogenannte Besserverdienende.

    (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Den es gar nicht gibt!)

    Die Sozialdemokraten wollen denen das Geld nehmen, die investieren und sparen. Wenn Sie, Herr Lafontaine, sagen, es gehe ja nur auf die Sparquote, dann frage ich Sie: Auf welcher Basis wird denn investiert, wenn nicht auf der Basis der Sparquote? Wollen Sie private Investitionen oder nicht? Wollen Sie die Sparquote beschädigen?

    (Peter W. Reuschenbach [SPD]: Das Sparkapital ist ja nun nicht knapp!)

    Sie wollen den deutschen Mittelstand bestrafen, der den Löwenanteil der Arbeitsplätze, der Ausbildungsplätze und der Umsätze stellt und der es im Osten schwer genug hat.
    Nun haben wir wenigstens gehört, daß Sie die Besoldungsanpassung nicht verschieben wollen. Bisher ging das alles ja auch noch kumulativ über die Beamten her. Ich weiß aber nicht, Herr Lafontaine, inwieweit Sie da in Ihrer eigenen Partei Zustimmung finden.
    Die Steuer- und Abgabenpolitik der Sozialdemokratischen Partei erklärt den Würgegriff zur Halsmassage, und damit kann man nicht leben.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Die F.D.P. ist jederzeit bereit, sinnvolle Einsparungsvorschläge zu prüfen, um zusätzliche Mittel für die neuen Bundesländer bereitstellen zu können. Da sind wir uns einig. Aber jeder Sparvorschlag wird doch bejammert und kritisiert. Bei der Behandlung von Einsparungen und Steuererhöhungen gelten nach meinem Eindruck die Erfahrungen bei der Erziehung eines Fünfjährigen. Wenn Sie dem erlauben, erst die Süßspeise zu genießen, dann wird er seinen Spinat niemals aufessen. Und wenn man der SPD Abgabenerhöhungen zugesteht, wird sie eben niemals sparen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Zurück zu unserer konjunkturellen Situation. Ich kenne wirklich kaum noch jemanden, der den Ernst der Lage bezweifelt. Das ist nicht Schwarzmalerei, sondern das ist nüchternes Beschreiben der Realität. Schwarzmalerei führt im Zweifel nur dazu, daß die Dinge immer noch schlimmer werden. Schönfärberei und Vernebelung führen mit Sicherheit aber auch nicht zur Vertrauensstabilisierung. Im Gegenteil: Wird die Realität dann sichtbar, ist der Vertrauensschwund um so größer.
    Zu einem realistischen Bild unserer Wirtschaftslage gehört auch, daß unser Potential — Herr Rexrodt, da haben Sie völlig recht —, die wirtschaftliche Schwäche zu überwinden, durchaus gut ist. Es gibt eine



    Dr. Otto Graf Lambsdorff
    Reihe von positiven Entwicklungen, die uns hoffen lassen, daß der Entwicklung nach unten ein Boden eingezogen ist, auch wenn der heute noch nicht sichtbar ist.
    Nach dem durch Stabilität geprägten zehnjährigen Aufschwung in den 80er Jahren sind die Verzerrungen in unserer Wirtschaft heute relativ gering. Recht hat der Bundeswirtschaftsminister, wenn er Ihnen sagt: Wenn wir nach 1982 nicht eine Konsolidierungspolitik durchgeführt hätten, wie wir es getan haben, dann hätten wir mit leeren Händen und leeren Taschen den Anforderungen der deutschen Einheit gegenübergestanden. Das ist die Wahrheit. Das können Sie nicht vernebeln.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Es haben sich in den letzten zwei Jahren, als die Stabilität Schaden nahm, noch keine großen inflationären Fehlsteuerungen und Strukturdefizite herausbilden können. Die Ertragslage unserer Unternehmen war gut. Jetzt ist sie schlechter geworden. Aber zehn gute Jahre haben wir den Unternehmen eine solide Bilanzstruktur verschafft. Wir werden das Potential zur wirtschaftlichen Umkehr nur dann erfolgreich nutzen, wenn keine wirtschaftspolitischen Fehler gemacht werden.
    Das Föderale Konsolidierungsprogramm ist darauf angelegt, die Rezession zu überwinden, das Vertrauen in die Solidität der Staatsfinanzen zurückzugewinnen, den wirtschaftlichen Aufschwung in den neuen Bundesländern zu fördern, den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern neu zu gestalten und die Finanzierung der Erblasten der ehemaligen DDR unter vernünftigen Bedingungen zu ermöglichen. Das ist der entscheidende Punkt dieses Programms, der entscheidende Eckpunkt des Solidarpaktes.
    Dabei muß jeder wissen — ich sage das gerade angesichts der heutigen trüben Nachrichten vom Arbeitsmarkt —, daß sich der Arbeitsmarkt als letzter Indikator einer wirtschaftlichen Aufwärtsbewegung bessert. Auch wenn es wieder nach oben geht, stellen die Unternehmen nur sehr zögerlich Personal ein. Das gilt für Deutschland mit seinen scharfen Kündigungsschutzbestimmungen noch stärker als für andere Länder.
    Meine Damen und Herren, ich halte die Kritik, die am Föderalen Konsolidierungsprogramm soziale Schieflage feststellen will, für falsch. Es gibt sie nicht. 30 % der Bevölkerung — das ist schon gesagt worden — zahlen schon jetzt 70 % der Abgaben und Steuern. Der Abbau von steuerlichen Vergünstigungen trifft nicht die unteren Einkommensschichten, sondern er trifft vor allem den Mittelstand. Die Versicherungssteuer belastet alle Bürger.
    Es ist richtig: Es werden auch Einschnitte im sozialen Bereich vorgenommen. Aber das ist nicht unzumutbar. Unsere Sozialstandards haben Weltniveau erreicht. Außerdem sind die Eckwerte der Sozialhilfeleistungen in den letzten Jahren — ich will Sie nicht mit den Zahlen langweilen — deutlich stärker gestiegen als die Lohnersatzleistungen und die Arbeitseinkommen. Dann gibt es eben keinen angemessenen Abstand mehr.

    (Peter W. Reuschenbach [SPD]: Sie sollten sich einmal den Warenkorb ansehen!)

    — Das ist so, Herr Reuschenbach. Sie können es sich ansehen. Ich stelle Ihnen die Zahlen gerne zur Verfügung.
    Bei einer solchen Struktur geht niemand mehr vom zweiten oder dritten Arbeitsmarkt in den ersten Arbeitsmarkt zurück. Da darf man sich nicht wundern, wenn in Thüringen eine Schokoladenfabrik eröffnet wird und bei 15 % Arbeitslosigkeit das Unternehmen keine Arbeitskräfte findet, weil die sagen: Mit Arbeitslosenunterstützung bekomme ich netto mehr Geld, als du mir auf der Basis des Tarifvertrags bezahlen kannst. Wie soll das denn gehen?

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Da können wir nicht wettbewerbsfähig werden, da sind wir nicht wettbewerbsfähig.
    Die Konjunktur ist im Tal, und die strukturellen Probleme — sie sind angesprochen worden, auch von Herrn Lafontaine — verschärfen die Lage.
    Das Beispiel Stahl. Herr Lafontaine, die F.D.P. bestreitet nicht, daß nachlässige Beihilfepolitik der EG die Wettbewerbslage deutscher Unternehmen gefährdet hat. Das alles haben wir in der vorigen Stahlkrise auch schon erlebt, als Sie gerade Ministerpräsident im Saarland wurden. Aber es ist ebenso richtig, daß unsere Stahlunternehmen aus der letzten Krise nichts gelernt und keine Folgerungen gezogen haben. Sie haben danach im Aufschwung kräftig verdient, haben alle Kapazitäten weiterlaufen lassen und sie voll ausgefahren. Sie haben keine Vorsorge für Krisenfälle getroffen. Und nun rufen sie wieder nach dem Staat.
    Der Bundeswirtschaftsminister lehnt mit Recht eine nationale Stahlkonferenz ab.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Das einzige Ziel einer solchen Runde ist die Verlagerung der Verantwortung von Unternehmen und Gewerkschaften auf den Staat. Ich sage — und das, Herr Lafontaine, habe ich bei Ihnen vermißt —, das ist auch Verantwortung der Gewerkschaften. Alle diese Unternehmen sind montanmitbestimmt. Es wimmelt in den Aufsichtsräten von IG Metall-Funktionären, vorneweg Herr Steinkühler. Ich weiß nicht, ob Sie sehen können, was auf diesem Papier gelb ist. Das ist der Aufsichtsrat von Krupp, und die Gelben sind alles IG Metall-Vertreter, nicht die Belegschaftsvertreter. So sieht die Wirklichkeit aus. Die Arbeitsdirektoren sitzen in den Vorständen. Mitbestimmung heißt auch Mitverantwortung. Sich in die Büsche schlagen, sich in die Furche legen, das kommt nicht in Frage.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Sie gehen jetzt auf ihre Demonstrationen und beschimpfen den Staat. Sie haben alles mitgemacht. Sie haben diese ganze Entwicklung mitgetragen, die jetzt wieder zum selben Ergebnis führt. Sie haben nichts getan, um aus der vorigen Krise zu lernen. Und jetzt sind wir wieder schuld? Jetzt soll der Staat wieder antreten?



    Dr. Otto Graf Lambsdorff
    Herr Lafontaine empfiehlt marktwirtschaftliche Industriepolitik. Sie kennen meine Position dazu. Diese Formulierung halte ich für einen schwarzen Schimmel, mindestens für einen Schecken. Die Irrtümer der Industriepolitik sind überall dieselben: Subventionen, Protektion, Abschottung der Märkte, staatliche Duldung oder gar Förderung von Kartellen und Monopolen und am Ende natürlich Investitionslenkung. Es kann gar nicht anders sein.
    Auf das japanische Beispiel wird heute mit sehr viel gedämpfterem Trommelklang verwiesen. Seit Jahr und Tag sage ich, daß die MITI-Strategie nicht sehr erfolgreich war. Man kann sich jetzt ansehen, was angerichtet worden ist.

    (Zuruf des Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine [Saarland])

    — Nein, nein, Sie haben es heute nicht erwähnt, Herr Lafontaine.
    Die Vertreter der Industriepolitik behaupten — das haben sie heute auch getan — Marktversagen und leiten daraus die Berechtigung für Interventionen ab. Was sie allerdings übersehen, ist die Tatsche, daß der Staat in der Praxis keineswegs im Besitz der umfassenden Weisheit ist. Hayek hat von der „Anmaßung des Wissens in diesem Zusammenhang gesprochen. Wir sollten uns hüten, diesen falschen Weg zu gehen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Der Staat ist im übrigen, meine Damen und Herren, jetzt nicht im Ruhrgebiet gefragt — schon gar nicht in erster Linie —, sondern wenn er gefragt ist, dann ist er bei EKO-Stahl in Eisenhüttenstadt gefragt. Es ist schon erstaunlich, daß Sie wieder vom Steinkohlenbergbau gesprochen haben, Herr Lafontaine — weil Sie den im Saarland haben — und kein Wort über den Braunkohlenbergbau in der Lausitz verloren haben, wo Zigtausende entlassen werden. Nichts! Das interessiert Sie überhaupt nicht.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Wenn in Eisenhüttenstadt ein sanierungsfähiges Unternehmen erhalten werden kann, dann muß dort geholfen werden, Herr Bundesfinanzminister, Herr Wirtschaftsminister, die Treuhandanstalt. Aber es dürfen nicht regionalpolitische Gründe für Sanierung und Erhaltung maßgeblich sein, sondern die Aussicht darauf, daß man ein solches Unternehmen wettbewerbsfähig machen kann und nach der von Ihnen gegebenen Devise dann in den Markt entlassen kann. Wenn das definiert wird, wenn das möglich ist, dann ja, auch wenn man dabei das Risiko läuft, etwas in den Sand zu setzen, auch wenn man das Risiko läuft, dabei Geld zu verlieren. Aber auf Dauer Industrieruinen zu unterhalten, die den Strukturwandel in Ostdeutschland behelligen, die verhindern, daß aus Ostdeutschland — wenn wir es denn richtig machen — ein hochwettbewerbsfähiger Teil unseres Landes wird, das darf nicht die Politik der Bundesregierung sein.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Ich sage es noch einmal: Taube Nüsse kann man nicht erhalten, aber gesunde Kerne pflegen und ausbauen und daraus etwas machen kann man sehr wohl.
    Es kommt jetzt darauf an, daß der Solidarpakt zum Abschluß gebracht wird. Ich bin der festen Überzeugung, daß die Perspektive für die deutsche Wirtschaft im Westen und im Osten positiv ist, wenn wir zu wirtschaftlicher Vernunft zurückkehren. Positiv wird die Perspektive vor allem dann sein, wenn wir weiter einen klaren marktwirtschaftlichen Kurs fahren, wenn Disziplin und Mäßigung das Verhalten der Akteure bestimmen, wenn es uns gelingt, gesamtwirtschaftlich wieder zum Kurs der finanzpolitischen Solidität zurückzukehren, wenn die Tarifvertragsparteien wieder ihrer beschäftigungspolitischen Verantwortung gerecht werden.
    Es ist ja richtig — das sage ich uns allen und auch den beiden anwesenden Ministerpräsidenten —: Es steht wirklich sehr viel auf dem Spiel. Es liegt an uns, ob wir das Spiel richtig gestalten. Aber weil die Herausforderung groß ist und weil ich hoffe, daß wir die Einsicht in die Lösungsmöglichkeiten haben und dann auch die Kraft, aus der Analyse heraus die richtigen Therapien durchzuführen, gerade deshalb, meine ich, muß es auch zu schaffen sein. Es wird zu schaffen sein.
    Die Fraktion der F.D.P. unterstützt die Bundesregierung bei diesen Bemühungen. Sie unterstützt vor allem, aber natürlich nicht allein, Bundeswirtschaftsminister Dr. Rexrodt.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)