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    Plenarprotokoll 12/136 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 136. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 3. Februar 1993 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung (Agrarbericht 1993; Bildungs- und Forschungspolitik; Offensive gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit; Änderung des Abwasserabgabengesetzes) Jochen Borchert, Bundesminister BML 11775B Horst Sielaff SPD 11775 D Jochen Borchert, Bundesminister BML 11776A Horst Sielaff SPD . . . . . . . . . . . 11776 B Jochen Borchert, Bundesminister BML 11776C Egon Susset CDU/CSU 11776 C Jochen Borchert, Bundesminister BML 11776C Egon Susset CDU/CSU 11776D Jochen Borchert, Bundesminister BML 11776D Günther Bredehorn F D P 11777 A Jochen Borchert, Bundesminister BML 11777A Günther Bredehorn F D P 11777 A Jochen Borchert, Bundesminister BML...11777B Rudolf Müller (Schweinfurt) SPD . . . . 11777B Jochen Borchert, Bundesminister BML . 11777C Dr. Gerald Thalheim SPD 11777 D Jochen Borchert, Bundesminister BML 11777D Dr. Gerald Thalheim SPD 11778A Jochen Borchert, Bundesminister BML 11778A Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) PDS/ Linke Liste 11778 B Jochen Borchert, Bundesminister BML 11778B Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) PDS/ Linke Liste 11778C Jochen Borchert, Bundesminister BML 11778C Ulrich Heinrich F D P 11778 D Jochen Borchert, Bundesminister BML 11778D Ulrich Heinrich F.D P 11778D Jochen Borchert, Bundesminister BML 11779A Doris Odendahl SPD 11779A Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 11779B Doris Odendahl SPD 11779C Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 11779C Günter Rixe SPD 11779D Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 11779D Günter Rixe SPD 11779D Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 11780A Edelgard Bulmahn SPD 11780A Matthias Wissmann, Bundesminister BMFT 11780B Edelgard Bulmahn SPD . . . . . . . . . 11780 D Matthias Wissmann, Bundesminister BMFT 11780D Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 11781B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 11781C Josef Vosen SPD 11781 C Matthias Wissmann, Bundesminister BMFT 11781C Horst Kubatschka SPD 11781D Matthias Wissmann, Bundesminister BMFT 11781D II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Februar 1993 Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde — Drucksachen 12/4235 vom 29. Januar 1993 und 12/4245 vom 2. Februar 1993 — Dringlichkeitsfrage 1 des Abgeordneten Otto Schily (SPD) Drucksache 12/4245 vom 2. Februar 1993 Finanzierung des Höhenforschungsflugzeugs „StratoC" Jürgen Echternach, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11782 C Otto Schily SPD . . . . . . . . . . . . . 11782 C Jürgen Echternach, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11782 D Manfred Opel SPD . . . . . . . . . . . 11783 B Jürgen Echternach, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . 11783 B Edelgard Bulmahn SPD . . . . . . . . . 11783 D Bernd Neumann, Parl. Staatssekretär BMFT 11783D Renate Schmidt (Nürnberg) SPD . . . 11784A Jürgen Echternach, Parl. Staatssekretär BMF 11784A Bernd Neumann, Parl. Staatssekretär BMFT 11784B Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 11784 C Bernd Neumann, Parl. Staatssekretär BMFT . . . . . . . 11784 D Norbert Gansel SPD . . . . . . . . 11785 A Jürgen Echternach, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11785 A Norbert Gansel SPD . . . . . . . . . . 11785A Jürgen Echternach, Parl. Staatssekretär BMF 11785A Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD 11785 C Jürgen Echternach, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . 11785 C Brigitte Baumeister CDU/CSU 11785D Bernd Neumann, Parl. Staatssekretär BMFT . . . . . . . . . . 11785D Horst Kubatschka SPD 11786A Bernd Neumann, Parl. Staatssekretär BMFT . . . . . . . . . . . . . . . . . 11786 A Dr. Emil Schnell SPD 11786B Jürgen Echternach, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11786C Dr. Emil Schnell SPD 11786D Bernd Neumann, Parl. Staatssekretär BMFT 11787A Monika Ganseforth SPD . . . . . . . 11787 D Bernd Neumann, Parl. Staatssekretär BMFT 11788A Dr. Konrad Elmer SPD 11788 C Jürgen Echternach, Parl. Staatssekretär BMF 11788C Cornelia Schmalz-Jacobsen F D P 11788 C Bernd Neumann, Parl. Staatssekretär BMFT 11788C Christoph Matschie SPD 11788D Bernd Neumann, Parl. Staatssekretär BMFT . . . . . . . . . . . . . . . . . 11788D Dringlichkeitsfrage 2 des Abgeordneten Otto Schily (SPD) Drucksache 12/4245 vom 2. Februar 1993 Fördermittel für das Höhenforschungsflugzeug „StratoC" Jürgen Echternach, Parl. Staatssekretär BMF 11789B Otto Schily SPD 11789 B Jürgen Echternach, Parl. Staatssekretär BMF 11789C Otto Schily SPD 11789 C Jürgen Echternach, Parl. Staatssekretär BMF 11789C Manfred Opel SPD . . . . . . . . . . 11789 D Jürgen Echternach, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . • 11789 D Renate Schmidt (Nürnberg) SPD . . . 11790A Jürgen Echternach, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11790A Bernd Neumann, Parl. Staatssekretär BMFT . . . . . . . • . . . . . 11790B... Norbert Gansel SPD . . . . 11791A Jürgen Echternach, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11791 B Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . 11791 B Bernd Neumann, Parl. Staatssekretär BMFT. . . . . . . . . 11791 D Zusatztagesordnungspunkt: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zu den jüngsten Vorgängen im Kernkraftwerk Brunsbüttel Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 11791D Heinrich Seesing CDU/CSU 11793A Dr. Jürgen Starnick F D P 11793 D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Februar 1993 III Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 11794D Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11795D Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMU 11796C 11804A Joseph Fischer, Staatsminister des Landes Hessen 11798A, 11804C Dietrich Austermann CDU/CSU 11799B Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD .. 11800C Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann F D P 11801 C Dr. Klaus Kübler SPD . . . . . . . . . 11802 C Klaus Harries CDU/CSU 11803B Horst Kubatschka SPD 11805A Dr. Peter Paziorek CDU/CSU 11805 D Ulrich Klinkert CDU/CSU 11806 D Nächste Sitzung 11807 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 11809* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Februar 1993 11775 136. Sitzung Bonn, den 3. Februar 1993 Beginn: 13.01 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adam, Ulrich CDU/CSU 3. 2. 93 Antretter, Robert SPD 3. 2. 93 * Barbe, Angelika SPD 3. 2. 93 Baum, Gerhart Rudolf F.D.P. 3. 2. 93 Berger, Hans SPD 3. 2. 93 Bindig, Rudolf SPD 3. 2. 93 * Blunck (Uetersen), SPD 3. 2. 93 * Lieselott Böhm (Melsungen), CDU/CSU 3. 2. 93 * Wilfried Büchler (Hof), Hans SPD 3. 2. 93 * Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 3. 2. 93 * Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 3. 2. 93 Dehnel, Wolfgang CDU/CSU 3. 2. 93 Eich, Ludwig SPD 3. 2. 93 Eimer (Fürth), Norbert F.D.P. 3. 2. 93 Dr. Feldmann, Olaf F.D.P. 3. 2. 93** Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 3. 2. 93 * Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 3. 2. 93 Gerster (Mainz), CDU/CSU 3. 2. 93 Johannes Hasenfratz, Klaus SPD 3. 2. 93 Dr. Holtz, Uwe SPD 3. 2. 93 * Kittelmann, Peter CDU/CSU 3. 2. 93 * Lenzer, Christian CDU/CSU 3. 2. 93 * Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 3. 2. 93 Lummer, Heinrich CDU/CSU 3. 2. 93 * Marx, Dorle SPD 3. 2. 93 Mascher, Ulrike SPD 3. 2. 93 * Dr. Meyer zu Bentrup, CDU/CSU 3. 2. 93 * Reinhard Michels, Meinolf CDU/CSU 3. 2. 93 * Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 3. 2. 93 Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Müller, Günther CDU/CSU 3. 2. 93* Oesinghaus, Günther SPD 3. 2. 93 Opel, Manfred SPD 3. 2. 93** Dr. Penner, Willfried SPD 3. 2. 93 Pfuhl, Albert SPD 3. 2. 93 * Poß, Joachim SPD 3. 2. 93 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 3. 2. 93 * Reddemann, Gerhard CDU/CSU 3. 2. 93* Reimann, Manfred SPD 3. 2. 93* Rempe, Walter SPD 3. 2. 93 Richter (Bremerhaven), F.D.P. 3. 2. 93 Manfred Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 3. 2. 93 Ingrid Dr. Scheer, Hermann SPD 3. 2. 93 * Dr. Schmidt CDU/CSU 3. 2. 93 (Halsbrücke), Joachim von Schmude, Michael CDU/CSU 3. 2. 93* Dr. Schneider CDU/CSU 3. 2. 93 (Nürnberg), Oscar Dr. Schnell, Emil SPD 3. 2. 93 Schulte (Hameln), SPD 3. 2. 93** Brigitte Schwarz, Stefan CDU/CSU 3. 2. 93 Dr. Soell, Hartmut SPD 3. 2. 93 * Stachowa, Angela PDS/LL 3. 2. 93 Steiner, Heinz-Alfred SPD 3. 2. 93* Terborg, Margitta SPD 3. 2. 93* Verheugen, Günter SPD 3. 2. 93 Dr. Waffenschmidt, Horst CDU/CSU 3. 2. 93 Zierer, Benno CDU/CSU 3. 2. 93* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versamm- lung
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    Rede von Horst Kubatschka


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf einige Debattenbeiträge eingehen. Herr Laermann, ich muß sagen, ich bewundere es, wie herrlich Sie sich den Mantel der Sachlichkeit umhängen und dann eine Polemik betreiben, die doch sehr erstaunlich ist. Ich muß sagen: Die Kraft der SPD reicht wirklich noch nicht aus,

    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Richtig!)

    Risse in austenitischen Stählen zu schaffen, damit Konsensgespräche gestört werden.
    Gesundbeten, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, repariert halt keine Risse. Herr Austermann, Sie haben sich in Ihrem Wahlkreis im Kernkraftwerk informiert — das mache auch ich —, aber anscheinend nicht sehr kritisch. Sonst müßten Sie wissen, daß es im April 1992 zu einem Vorfall gekommen ist, der verschwiegen wurde. Bei der Jahresrevision im August 1992 ist der Schaden bekanntgeworden. Weil das jetzt noch untersucht wird, steht das Kernkraftwerk noch. Ich habe sehr wohl in den Zeitungen gelesen, daß das Werk stillsteht.

    (Zuruf des Abg. Dietrich Austermann [CDU/ CSU])

    — Wenn Sie es nicht lesen konnten, dann ist das Ihr Problem.
    Liebe Kolleginnen und Kollegen, Kernenergie ist nicht die Energie von morgen. Dies wird uns jeden Tag immer wieder bestätigt. Der Vorfall von Brunsbüttel ist ein Beweis dafür. Deutsche Kraftwerke gelten als sicher, wird gesagt. Sie haben einen hohen Sicherheitsstandard, wird gesagt. Aber eine 100 %ige Sicherheit gibt es nicht, das wird uns immer wieder bestätigt.
    Es bleibt das Restrisiko. Davon geht eine Gefahr aus, Herr Harries. Wie groß ist dieses Restrisiko, und müssen wir das jetzt neu betrachten? Nach den neuen Vorfällen muß ich sagen: Es scheint größer zu sein, als es uns bisher immer vorgegaukelt wurde. Die möglichen Katastrophen werden nicht die gedachten Katastrophen sein. Dies hat Harriesburg und dies hat Tschernobyl bewiesen.

    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Also doch!)

    — Hören Sie doch einmal genau zu! Das war so nicht vorgedacht in Harriesburg und auch nicht in Tschernobyl.
    Was nicht vorgedacht wird, was nicht geplant wird, wird eintreten. Es war nicht vorgesehen, daß Risse per Zufall entdeckt werden können. Es war nicht vorgesehen, daß die Sicherheitsphilosophie der Atomreaktoren einen Denkfehler enthält. Es war nicht vorgesehen, daß als unverwüstlich geltende Stähle plötzlich Materialermüdungen zeigen.

    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist ja gar nicht wahr!)

    Bisher ist man davon ausgegangen, daß vor dem Bruch einer Leitung stets eine Leckage auftritt. Da wäre das Alarmzeichen gewesen; Kollege Fischer hat darauf hingewiesen. Jetzt muß man sagen: Diese Philosophie gilt nicht mehr. Also ist das Restrisiko eigentlich größer als gedacht. Wie gesagt, das wird durch Zufall und ohne Leckage festgestellt.

    (Bundesminister Dr. Klaus Töpfer: Nein!)

    Damit hat die Sicherheitsphilosophie einen entscheidenden Knacks bekommen.
    Dann wurde gesagt, austenitische Stähle gälten als unverwüstlich.

    (Zuruf von der F.D.P.: Das stimmt ja auch!)

    Nach meiner Meinung wurde das wider besseres Wissen gesagt; denn damals konnte man über das Langzeitverhalten von austenitischen Stählen in Kernreaktoren nichts aussagen. Trotzdem wurden sie eingebaut, und die Sicherheit wurde darauf abgestellt. Jeder, der sich mit Korrosionsproblemen beschäftigt, weiß, daß das leichtsinnig ist. Zu fragen ist: Wie schnell ermüdet jetzt das Material? Wir wissen es nicht. Deswegen müssen die betroffenen Atomkraftwerke jetzt abgestellt und kontrolliert werden.
    Jetzt wird darüber gestritten, ob die Risse durch die Herstellung oder den Betrieb bedingt sind. Beides ist in gleichem Maße verheerend. Sollten sie systembedingt sein, müßten alle Kraftwerke dieses Typs abgeschaltet werden. Sollten sie herstellungsbedingt sein, müßte ebenso verfahren werden.
    In der heutigen Ausgabe der Zeitung „Landshut Aktuell" ist über dieses Problem zu lesen:
    Die Fertigung des Stahls kann ganz unterschiedlich sein. Entscheidend ist auch, wie die Schweißnähte vor Ort ausgeführt werden. Hier sei 1981 in Ohu beim 300 Millionen DM teuren Einbau der Frischdampf- und Speisewasserleitung offensichtlich sehr gut gearbeitet worden.
    Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn es stimmt, was die Sicherheitsleute des Kraftwerks sagen, dann wird das Restrisiko noch größer. Entscheidend sind dann die Qualität und das Können des Schweißers und dessen Tagesform. Darauf sollen wir uns verlassen können?
    Herr Minister, Sie haben an Ihrem Ruf gearbeitet. Daran arbeiten Sie täglich voller Überzeugung. Sie haben sich den Ruf eines Ankündigungsministers erarbeitet. Bitte, werden Sie kein Verharmlosungsminister!

    (Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Rede von Helmuth Becker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Als vorletzter Redner hat jetzt unser Kollege Dr. Peter Paziorek das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Peter Paziorek


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten seitens der Regierungskoalition in zweierlei Hinsicht dankbar sein, und zwar erstens darüber, daß die SPD-Fraktion diese Aktuelle Stunde beantragt hat; denn hiermit ist öffentlichkeitswirksam deutlich geworden — auch auf Grund der Rede des Bundesumweltministers Töpfer —: Es wird in dieser Frage bei



    Dr. Peter Paziorek
    uns nichts vertuscht, und es wird in dieser Frage auch nichts gesundgebetet.
    Als zweites sei ein herzliches Wort des Dankes auch Herrn Fischer dafür gesagt, daß er hierhergekommen ist und nicht Herr Jansen; denn, Herr Fischer, ich muß ehrlich sagen: Ich habe Sie noch nie so verunsichert gesehen wie nach der Rede des Bundesumweltministers Töpfer, als Sie feststellen mußten, daß Ihre Strategie völlig gescheitert ist, dem Bundesumweltminister mit irgendwelchen Zeitungszitaten etwas anzuhängen: Herzlichen Dank für Ihren Auftritt hier!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich will den Verlauf der Diskussion noch einmal kurz zusammenfassen.

    (Zuruf der Abg. Siegrun Klemmer [SPD])

    — In dieser Frage, Frau Klemmer, darf es und wird es kein Vertuschen irgendwelcher Sicherheitsmängel geben. Ebensowenig darf es vor einer abschließenden Beurteilung eine Panikmache gegen die Atomenergie geben. Deshalb sollte auch keine Panikmache gestartet werden.
    Zunächst einmal müssen alle technologischen Fakten auf den Tisch. Erst dann kann bewertet und meinetwegen auch politisch über das Risiko der Atomenergie in diesem Hause in der nächsten Zeit gestritten werden.
    Die entscheidende technologische Frage ist doch: Ist der Spezialstahl, der sogenannte Hochleistungsstahl Austenit reißfest oder nicht? Im Reaktor Würgassen an der Landesgrenze des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, aus dem ich komme, sind im Jahre 1990 ebenfalls Haarrisse entdeckt worden, die aber beim Schweißen und nicht während des Betriebs entstanden sind.
    Bei der sicherheitstechnischen Bewertung der nun in Brunsbüttel festgestellten Risse in den Rohrleitungen geht es also um die äußerst wichtige technische Frage, ob diese Risse beim Betrieb aufgetreten sind oder später, was die Konsequenz haben kann, daß sie während des Betriebs noch größer werden.
    Wie sieht der augenblickliche Sachstand in Brunsbüttel aus? Alle Schweißnähte in diesem System sind geröngt worden. Jetzt müssen die Fachleute prüfen, ob die Risse zum Teil schon seit 17 Jahren vorliegen oder ob sie durch aufgetretene Spannungen entstanden sind. Eine Schweißnaht ist 1979 nachgeschweißt worden. Bei dieser Schweißnaht soll im Rahmen der jetzigen Nachprüfung ein von der Endprüfung abweichendes Röntgenbild vorliegen. Hierzu brauchen wir auch im Bundestag eine im Detail überzeugende Bewertung der Fachleute, insbesondere der Reaktorsicherheitskommission. Das bisherige Vorgehen unseres Bundesumweltministers und auch seine Einlassung hier tragen überhaupt nicht die Behauptung, die aus Ihren Reihen kommt, daß hier seitens des Bundesumweltministers nur widerstrebend aufgeklärt wird. Genau das Gegenteil ist der Fall. Deshalb sei auch ein herzliches Wort des Dankes für die klaren Worte unseres Bundesumweltministers gesagt!
    Auch ein Wort an die schleswig-holsteinische Landesregierung: Die Informationen, die Sie eventuell haben, müssen meines Erachtens schnell und zügig an die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen, an Ihre eigenen Parteifreunde, weitergegeben werden, damit auch in Nordrhein-Westfalen eventuell Rückschlüsse zu Würgassen gezogen werden können. Eine Geheimhaltung in Schleswig-Holstein hilft in der Sache, wenn sie so wichtig ist, überhaupt nicht.
    Meine Damen und Herren, die angesprochenen Fragen können und müssen im Parlament vorurteilsfrei und ideologiefrei gestellt werden. Es ist für mich völlig klar, daß unser Handeln nur von der Devise „Im Zweifel für die Sicherheit" geprägt sein kann. Alle Pannen in unseren Reaktoren müssen ernst genommen werden.
    Genauso gilt es aber auch, hier kein emotionales Süppchen zu kochen und zum jetzigen Zeitpunkt Brunsbüttel nicht zum Kronzeugen einer Ausstiegspolitik aus der Atomkraft hochzustilisieren, ohne die Beantwortung der heute nachmittag gestellten Fragen überhaupt abzuwarten. Ich halte das zum jetzigen Zeitpunkt für politisch nicht redlich, liebe Kolleginnen und Kollegen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Wer den Energiekonsens will, muß sich auch dazu bekennen, daß Fragen nach den sicherheitstechnischen Problemfeldern der Atomkraft beantwortet werden müssen. Meine Damen und Herren in der Opposition, Sie können nicht bloß Fragen stellen, aber auf ihre Beantwortung verzichten. Das geht nicht und ist unseriös.
    Unverantwortlich wäre ein energiepolitischer Streit zweier SPD-Ministerpräsidenten aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Vieles spricht dafür, daß es diesen Streit gibt. Der angeblich neutrale Verfechter, Herr Fischer aus Hessen, wäre heute nicht angereist, wenn es nur darum ginge, innerhalb der SPD die Ausgangspunkte für die Gespräche zum Energiekonsens neu zu gewichten. Um diesen Eindruck erst gar nicht aufkommen zu lassen, rege ich an, die Untersuchung abzuwarten und nach Bekanntgabe der Ergebnisse im Bundestag erneut zu diskutieren.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)