Rede von
Horst
Kubatschka
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf einige Debattenbeiträge eingehen. Herr Laermann, ich muß sagen, ich bewundere es, wie herrlich Sie sich den Mantel der Sachlichkeit umhängen und dann eine Polemik betreiben, die doch sehr erstaunlich ist. Ich muß sagen: Die Kraft der SPD reicht wirklich noch nicht aus,
Risse in austenitischen Stählen zu schaffen, damit Konsensgespräche gestört werden.
Gesundbeten, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, repariert halt keine Risse. Herr Austermann, Sie haben sich in Ihrem Wahlkreis im Kernkraftwerk informiert — das mache auch ich —, aber anscheinend nicht sehr kritisch. Sonst müßten Sie wissen, daß es im April 1992 zu einem Vorfall gekommen ist, der verschwiegen wurde. Bei der Jahresrevision im August 1992 ist der Schaden bekanntgeworden. Weil das jetzt noch untersucht wird, steht das Kernkraftwerk noch. Ich habe sehr wohl in den Zeitungen gelesen, daß das Werk stillsteht.
— Wenn Sie es nicht lesen konnten, dann ist das Ihr Problem.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Kernenergie ist nicht die Energie von morgen. Dies wird uns jeden Tag immer wieder bestätigt. Der Vorfall von Brunsbüttel ist ein Beweis dafür. Deutsche Kraftwerke gelten als sicher, wird gesagt. Sie haben einen hohen Sicherheitsstandard, wird gesagt. Aber eine 100 %ige Sicherheit gibt es nicht, das wird uns immer wieder bestätigt.
Es bleibt das Restrisiko. Davon geht eine Gefahr aus, Herr Harries. Wie groß ist dieses Restrisiko, und müssen wir das jetzt neu betrachten? Nach den neuen Vorfällen muß ich sagen: Es scheint größer zu sein, als es uns bisher immer vorgegaukelt wurde. Die möglichen Katastrophen werden nicht die gedachten Katastrophen sein. Dies hat Harriesburg und dies hat Tschernobyl bewiesen.
— Hören Sie doch einmal genau zu! Das war so nicht vorgedacht in Harriesburg und auch nicht in Tschernobyl.
Was nicht vorgedacht wird, was nicht geplant wird, wird eintreten. Es war nicht vorgesehen, daß Risse per Zufall entdeckt werden können. Es war nicht vorgesehen, daß die Sicherheitsphilosophie der Atomreaktoren einen Denkfehler enthält. Es war nicht vorgesehen, daß als unverwüstlich geltende Stähle plötzlich Materialermüdungen zeigen.
Bisher ist man davon ausgegangen, daß vor dem Bruch einer Leitung stets eine Leckage auftritt. Da wäre das Alarmzeichen gewesen; Kollege Fischer hat darauf hingewiesen. Jetzt muß man sagen: Diese Philosophie gilt nicht mehr. Also ist das Restrisiko eigentlich größer als gedacht. Wie gesagt, das wird durch Zufall und ohne Leckage festgestellt.
Damit hat die Sicherheitsphilosophie einen entscheidenden Knacks bekommen.
Dann wurde gesagt, austenitische Stähle gälten als unverwüstlich.
Nach meiner Meinung wurde das wider besseres Wissen gesagt; denn damals konnte man über das Langzeitverhalten von austenitischen Stählen in Kernreaktoren nichts aussagen. Trotzdem wurden sie eingebaut, und die Sicherheit wurde darauf abgestellt. Jeder, der sich mit Korrosionsproblemen beschäftigt, weiß, daß das leichtsinnig ist. Zu fragen ist: Wie schnell ermüdet jetzt das Material? Wir wissen es nicht. Deswegen müssen die betroffenen Atomkraftwerke jetzt abgestellt und kontrolliert werden.
Jetzt wird darüber gestritten, ob die Risse durch die Herstellung oder den Betrieb bedingt sind. Beides ist in gleichem Maße verheerend. Sollten sie systembedingt sein, müßten alle Kraftwerke dieses Typs abgeschaltet werden. Sollten sie herstellungsbedingt sein, müßte ebenso verfahren werden.
In der heutigen Ausgabe der Zeitung „Landshut Aktuell" ist über dieses Problem zu lesen:
Die Fertigung des Stahls kann ganz unterschiedlich sein. Entscheidend ist auch, wie die Schweißnähte vor Ort ausgeführt werden. Hier sei 1981 in Ohu beim 300 Millionen DM teuren Einbau der Frischdampf- und Speisewasserleitung offensichtlich sehr gut gearbeitet worden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn es stimmt, was die Sicherheitsleute des Kraftwerks sagen, dann wird das Restrisiko noch größer. Entscheidend sind dann die Qualität und das Können des Schweißers und dessen Tagesform. Darauf sollen wir uns verlassen können?
Herr Minister, Sie haben an Ihrem Ruf gearbeitet. Daran arbeiten Sie täglich voller Überzeugung. Sie haben sich den Ruf eines Ankündigungsministers erarbeitet. Bitte, werden Sie kein Verharmlosungsminister!